L 4 R 5008/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 21 R 5911/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 5008/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 17. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung ab dem 1. Februar 2012.

Die 1959 geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt. Sie war von 1974 bis ca. 1980 als Maschinenarbeiterin und zuletzt von ca. 1984 bis 2006 als Küchenhilfe versicherungspflichtig beschäftigt. Seither bezieht sie Leistungen wegen Arbeitslosigkeit und pflegt ihren schwerbehinderten erwachsenen Sohn.

Dr. T. (Ärztlicher Dienst der Agentur für Arbeit W.) gab in einer kurzen sozialmedizinischen Stellungnahme vom 26. Februar 2008 an, bei der Klägerin bestehe ein ausgeprägter psychischer und körperlicher Erschöpfungszustand, welcher ihre Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtige, aber nicht aufhebe. Sie könne weiterhin drei Stunden täglich leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten in Tagesschicht verrichten, so dass Leistungsfähigkeit im Sinne des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) bestünde. Nicht leidensgerecht seien Tätigkeiten unter Zeitdruck, mit besonderer feinmotorischer Beanspruchung der Hände, in anhaltenden Zwangshaltungen der Wirbelsäule, mit häufigem Bücken, Heben oder Tragen oder Überkopfarbeiten sowie Einwirkung von Nässe, Kälte und Zugluft.

Vom 12. August 2008 bis zum 2. September 2008 befand sich die Klägerin zur stationären Behandlung in der S.-Klinik (Fachkrankenhaus und Rehabilitationsklinik für Internistische Psychosomatik und Psychotherapie). Im Entlassungsbrief vom 16. Oktober 2008 nannte PD Dr. H. als Diagnosen eine Somatisierungsstörung und eine Migräne. Die Klägerin wurde "bezüglich ihres Allgemeinbefindens deutlich gebessert" arbeitsfähig entlassen.

Vom 8. August bis 5. September 2011 führte die Klägerin eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme durch. Prof. Dr. Hu. diagnostizierte im Reha-Entlassungsbericht vom 7. September 2011 eine Cervicalgie bei Bandscheibenvorfall C5/6, rezidivierende Cervicobrachialgien, eine geringe Acromioclaviculargelenksarthrose, eine rezidivierende Lumbalgie, eine seit Jahren medikamentös behandelte Depression und eine Hypercholesterinämie. Zumutbar seien der Klägerin leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen. Einschränkungen bestünden für anhaltende Zwangshaltungen der Wirbelsäule, insbesondere in Form von anhaltend erforderlichem Bücken sowie häufigem Heben, Tragen und Bewegen schwerer Lasten und Überkopfarbeiten. Unter Berücksichtigung dieser qualitativen Leistungseinschränkungen sei sie sowohl zu hauswirtschaftlichen Tätigkeiten als auch zu Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden täglich und mehr in der Lage.

Am 21. Februar 2012 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente und legte zur Begründung ärztliche Befundberichte vor. Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Ho.-Ge. berichtete unter dem 19. April 2012, die Klägerin befinde sich wegen einer mittelgradigen depressiven Episode, einer Migräne und einem chronischen degenerativen Lendenwirbelsäulensyndrom mit Schmerzsyndrom in ihrer nervenärztlichen Behandlung. Die depressiven Symptome stünden im Vordergrund und deren Behandlung gestalte sich schwierig, da eine gewisse Alltagstauglichkeit erhalten werden müsse, um den behinderten Sohn pflegen und den Haushalt am Laufen halten zu können. Ihre Stimmung sei gedrückt und ihre affektive Stimmungsfähigkeit sowie ihr Antrieb reduziert. Orthopäde Dr. Z. gab unter dem 12. Januar 2012 folgende Diagnosen an: Halswirbelsäulen-Syndrom, Haltungsschwäche, Impingementsyndrom beidseits, beginnende Acromioclaviculargelenksarthrose beidseits, geringe Bursitis subacromialis, beginnende Halswirbelsäulen-Spondylarthrose, Senk-Spreizfuß beidseits, Hallux regidus beidseits, Überlastungssyndrom am rechten Kniegelenk, Wirbelsäulensyndrom, beginnende medial betonte Gonarthrose rechts und beginnende Rhizarthrose rechts. Es lägen funktionelle Beschwerden vor, die auf eine Überlastung und degenerative Veränderung zurückzuführen seien. Schweres Heben und Zwangshaltungen habe die Klägerin zu meiden. Er empfahl Rückengymnastik, Rückenschule und Aufbautraining der Abdominal- und Rückenmuskulatur.

Im Auftrag der Beklagten erstattete der Internist Dr. Br. ein Gutachten vom 26. April 2012 aufgrund einer Untersuchung der Klägerin am selben Tag. Dieser gab fremddiagnostisch eine mittelgradige Innenohrschwerhörigkeit beidseits an, während internistischerseits bei der Klägerin keine Erkrankungen bestünden. Die Klägerin benütze ihre Hörgeräte nicht regelmäßig; im Rahmen der Begutachtung sei auch ohne Hörgeräte eine problemlose Verständigung in normal lauter Umgangssprache möglich. Internistischerseits bestehe keine Einschränkung des Leistungsvermögens.

Außerdem erstattete der Chirurg Dr. Re. im Auftrag der Beklagten ein Gutachten vom 7. Mai 2012 aufgrund einer Untersuchung der Klägerin ebenfalls vom 26. April 2012 und unter Berücksichtigung des Gutachtens von Dr. Br ... Er diagnostizierte rezidivierende Wirbelsäulenbeschwerden bei leichten degenerativen Veränderungen und kleinem Bandscheibenvorfall C5/6 ohne Wurzelreizzeichen und ohne wesentliche Funktionseinschränkung, Schulter-Armbeschwerden beidseits bei beginnender Schultergelenksarthrose mit leichter Funktionseinschränkung, leichte Rhizarthrose rechts, allenfalls diskreten Verschleiß der Fingergelenke ohne wesentliche Gebrauchsminderung der Hände, zeitweilige Kniebeschwerden ohne Anhalt für entzündliche oder wesentliche degenerative Veränderungen, Senk-Spreiz-Fuß, beginnenden Hallux rigidus und mittelgradige Innenohrschwerhörigkeit beidseits. Die Klägerin sei zu leichten bis mittelschweren Wechseltätigkeiten und zu einer Tätigkeit als Küchenhilfe im Umfang von sechs Stunden täglich und mehr in der Lage.

Mit Bescheid vom 11. Mai 2012 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Die Klägerin könne noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein. Aufgrund ihres beruflichen Werdegangs sei sie auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar und daher nicht berufsunfähig, so dass sie auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit habe.

Die Klägerin erhob hiergegen Widerspruch mit der Begründung, sie traue sich keine Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes mehr zu, weil es ihr aufgrund des großen Drucks zu viel sei, jeden Tag zu arbeiten. Die Pflege ihres Sohnes, der sich an vier Tagen in der Woche in einer Werkstatt für behinderte Menschen befinde, sei ihr nur möglich, weil sie sich die Arbeit einteilen könne, wie sie es sich zutraue. Bestätigt werde dies durch das Gutachten von Dr. The ... Deshalb verlange das Jobcenter von ihr auch nicht, dass sie überhaupt Bewerbungen schreibe. Der Schwerpunkt ihrer Erkrankung liege auf psychischem Fachgebiet. Ihre behandelnde Psychiaterin und Neurologin Ho.-Ge. habe eine reduzierte affektive Schwingungsfähigkeit und eine sich schwierig gestaltende Behandlung der depressiven Störung angegeben. Sie legte einen Befundbericht des Dr. Z. vom 3. Mai 2012 vor, in dem dieser neben den bereits im Bericht vom 12. Januar 2012 aufgeführten Diagnosen eine Innenmeniskusläsion rechts angab und in dem er vorerst weiter konservative Maßnahmen empfahl.

Nach Einholung einer sozialmedizinischen Stellungnahme des Dr. Br. vom 31. August 2012, wonach sich kein neuer medizinischer Sachverhalt ergebe, wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 2012 zurück. Die Klägerin könne leichte bis mittelschwere Tätigkeiten sechs Stunden täglich verrichten, ohne dass dabei wesentliche Einschränkungen bestünden. Auch eine Tätigkeit als Küchenhilfe sei ihr weiterhin vollschichtig zumutbar. Da sie mit ihrer zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Küchenhilfe weder als Facharbeiterin noch in einer gehobenen Angelerntentätigkeit beschäftigt gewesen sei, könne sie auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden, ohne dass ihr eine konkrete Tätigkeit benannt werden müsse, so dass ihr auch keine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gewährt werden könne.

Am 29. Oktober 2012 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG), zu deren Begründung sie ihre Widerspruchsbegründung wiederholte.

Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf den Widerspruchsbescheid entgegen. Sie legte die sozialmedizinische Stellungnahme des Facharztes für Allgemeinmedizin Gr. vom 3. Mai 2013 vor. Danach stimme der als sachverständiger Zeuge gehörte Orthopäde Dr. Heg. mit ihrer Leistungsbeurteilung im Wesentlichen überein. Aufgrund der Angaben der sachverständigen Zeugin Ho.-Ge. komme eine psychische Erkrankung in Betracht, so dass eine neurologisch-psychiatrische Begutachtung zu empfehlen sei.

Das SG hörte die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen an. Dr. Heg. gab unter dem 5. Februar 2013 an, die Klägerin leide an einer somatoformen Schmerzstörung, einer Hypotonie, einer Migräne, einer Depression, chronisch lumbalen Beschwerden, chronischen osteoarthrotischen Beschwerden, einem degenerativen Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäulen-Syndrom, einer beidseitigen Impingementsymptomatik, Senk-Spreizfüßen bei Hallux rigidus beidseits und an einer Überlastungssymptomatik mit beginnender Gonarthrose an beiden Kniegelenken. Die Beweglichkeit im Bereich des Körperstamms sei endgradig eingeschränkt. An beiden Kniegelenken bestünden Zeichen einer Arthrose mit Druckschmerzen über dem medialen Gelenkspalt bei freier Beweglichkeit. Leichte körperliche Tätigkeiten im Wechsel zwischen Gehen, Sitzen und Stehen seien der Klägerin vollschichtig möglich. Ärztin Ho.-Ge. gab an (Auskunft vom 31. Januar 2013), die Klägerin leide an einem Kribbeln und einem Kältegefühl in den Beinen, einer schon länger bestehenden anhaltenden depressiven Symptomatik und einer Migräne. Sie behandle die Klägerin seit August 2011 in Abständen von vier bis acht Wochen. Die Migräneanfälle seien rückläufig, während die depressive Symptomatik sich nicht gebessert habe. Da sie auch alltägliche Anforderungen im Haushalt nicht bewältigen könne, sei sie nicht in der Lage, körperlich leichte Berufstätigkeiten auch nur in einem geringen zeitlichen Umfang zu verrichten. Arzt für Allgemeinmedizin Dr. De. übersandte ihm zugegangene Arztbriefe sowie Befundberichte und gab an (Auskunft vom 5. März 2013), wegen der Behandlung erst seit 4. Oktober 2012 keine wesentlichen Befunde erhoben zu haben.

Das SG bestellte sodann Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Pa. zum gerichtlichen Sachverständigen. Dr. Pa. untersuchte die Klägerin am 2. August 2013 und diagnostizierte in seinem Gutachten vom 6. August 2013 eine somatoforme Schmerzstörung bei psychosozialer Belastungssituation, eine Migräne und Spannungskopfschmerzen, jeweils medikamentös kompensiert, sowie eine orthopädische Beschwerdesymptomatik ohne neurologische Beteiligung. Leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes seien der Klägerin unter Berücksichtigung von qualitativen Einschränkungen (kein erhöhter Zeitdruck, kein Schichtdienst, keine Tätigkeiten unter Witterungseinflüssen und keine Fließbandarbeiten) vollschichtig möglich.

Die Klägerin trat dem Gutachten entgegen. Entgegen der Ausführungen des Dr. Pa. in seinem Sachverständigengutachten vom 6. August 2013 sei es zwar zutreffend, dass sie einen sehr guten Bekannten- und Freundeskreis habe, jedoch sei sie in der türkischen Frauengruppe nicht sehr aktiv engagiert. Sie nehme an den Treffen nur teil, wenn sie gesundheitlich dazu in der Lage sei. Es sei auch nicht zutreffend, dass sie einen Urlaubsaufenthalt in ihrer Heimat mit ihrem Sohn organisiert habe. Sie sei lediglich von Freunden zum Flughafen gefahren worden und Verwandte hätten sie in der Türkei vom Flughafen abgeholt. Ihre Aktivitäten und der Tagesablauf seien von Dr. Pa. nicht richtig wiedergegeben. Sie sei kein aktiver Mensch. Vielmehr sei sie den alltäglichen Anforderungen in ihrem Haushalt nicht mehr gewachsen, wie Ärztin Ho.-Ge. zutreffend ausgeführt habe.

Zu dem Gutachten legte die Beklagte die weitere sozialmedizinische Stellungnahme des Arztes Gr. vom 24. September 2013 vor. Dem Sachverständigengutachten des Dr. Pa., welches mit den übrigen Gutachten übereinstimme, sei zu folgen.

Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 17. Oktober 2013 ab. Die Klägerin sei in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verrichten. Das SG stützte sich dabei auf das Sachverständigengutachten des Dr. Pa., während der abweichenden Einschätzung der Ärztin Ho.-Ge. nicht gefolgt werden könne. Gestützt auf die Einschätzungen von Dr. Heg. und Dr. Re. führten auch die orthopädischen Erkrankungen der Klägerin zu keiner quantitativen Leistungseinschränkung. Im Übrigen stehe ihr kein Berufsschutz zu und sie könne auch ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Küchenhilfe noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten.

Gegen das ihr am 25. Oktober 2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 20. November 2013 Berufung eingelegt. Zur Begründung verweist sie auf den bisherigen Vortrag und führt ergänzend aus, sie nehme nach wie vor Fluoxetin ein, was zu Müdigkeit und Abgeschlagenheit führe. Schon bei geringster Belastung habe sie ständig Schmerzen in den Händen, im Nacken und in den Schultern. Gleichzeitig habe sie auch Kopfschmerzen. Daher könne sie die geforderten leichten Tätigkeiten nicht mehr in einem Umfang von sechs Stunden täglich und mehr ausüben. Die Tatsache, dass sie ihren behinderten Sohn betreue und versorge, dürfe nicht zu ihren Lasten überbewertet werden. Es gebe hierzu keine Alternative, so dass sie gezwungen sei, über die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit zu gehen. Daher sei die Leistungseinschätzung der Ärztin Ho.-Ge. zutreffend. Dr. Pa. habe ihre langjährige Krankengeschichte nicht ausreichend berücksichtigt. So habe er sich nicht mit dem Entlassungsbericht des PD Dr. H. vom 16. Oktober 2008 auseinandergesetzt. Die Klägerin hat schließlich ein Attest von Dr. Z. vom 19. Mai 2014 vorgelegt, in dem dieser ausführt, wegen der chronischen körperlichen und psychischen Beschwerden könne der Klägerin aus ärztlicher Sicht das Tragen und Heben schwerer Lasten sowie das Arbeiten in gebückten Körperhaltungen nicht mehr zugemutet werden.

Die Klägerin beantragt (sachgerecht gefasst),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 17. Oktober 2013 und den Bescheid der Beklagten vom 11. Mai 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Oktober 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab dem 1. Februar 2012 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, weiter hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verweist auf ihren erstinstanzlichen Vortrag und die Ausführungen im Gerichtsbescheid.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die nach § 151 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß § 143 SGG statthafte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis beider Beteiligter durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist auch im Übrigen zulässig. Die Berufung bedurfte nicht nach § 144 Abs. 1 SGG der Zulassung. Denn die Klägerin begehrt Leistungen für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

2. Die Berufung der Klägerin ist aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 11. Mai 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Oktober 2012 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat seit 1. Februar 2012 keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung sowie auch nicht wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

a) Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 1. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzen-anpassungsgesetz vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Eine volle Erwerbsminderung liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch dann vor, wenn der Versicherte täglich mindestens drei bis unter sechs Stunden erwerbstätig sein kann und mithin teilweise erwerbsgemindert ist, er bei Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarkts jedoch keinen entsprechenden Arbeitsplatz innehat (BSG, Urteile vom 8. September 2005 - B 13 RJ 10/04 R - und vom 5. Oktober 2005 - B 5 RJ 6/05 R -; jüngst etwa Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg, Beschluss vom 13. August 2014 - L 9 R 1721/14 -, alle in juris) und wenn ihm weder der Rentenversicherungsträger noch das zuständige Arbeitsamt innerhalb eines Jahres seit Stellung des Rentenantrages einen für ihn in Betracht kommenden Arbeitsplatz anbieten können (Gürtner in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 43 SGB VI Rn. 31 m.w.N. [April 2010]). Auch nach Inkrafttreten des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) zum 1. Januar 2001 ist nicht davon auszugehen, dass Teilzeitstellen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt schlechthin in genügender Anzahl zur Verfügung stehen (Urteil des Senats vom 10. Oktober 2014 - L 4 R 5172/13 - nicht veröffentlicht; Sozialgericht Freiburg, Urteil vom 13. März 2014 - S 19 R 3503/12 -, in juris). Angesichts der Arbeitsmarktlage gehen die Rentenversicherungsträger deshalb in der Regel ohne weitere Ermittlungen davon aus, dass die Vermittlung eines in seinem Leistungsvermögen qualitativ und quantitativ eingeschränkten Versicherten nicht innerhalb der Jahresfrist möglich ist. In einem solchen Fall schlägt wie nach der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Rechtslage, wonach die konkrete Arbeitsmarktsituation zu berücksichtigen ist (konkrete Betrachtungsweise), die teilweise Erwerbsminderung in die volle Erwerbsminderung um. Dies hat der Große Senat des BSG in den Beschlüssen vom 11. Dezember 1969 und 10. Dezember 1976 bereits zu dem unter der Reichsversicherungsordnung (RVO) geltenden Recht entschieden (BSG, Beschlüsse vom 11. Dezember 1969 - GS 4/69 -, in juris und vom 10. Dezember 1976 - GS 2/75, GS 3/75, GS 4/75, GS 3/76 -, in juris). Nach dem Willen des Gesetzgebers (Bundestags-Drucksache 14/4230, S. 25 zu Nr. 10) sollte die konkrete Betrachtungsweise wegen der ungünstigen Arbeitsmarktsituation auch nach dem 31. Dezember 2000 beibehalten werden. Dies ergibt sich auch aus § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI, der auf Renten "unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage" abstellt (vgl. zu alledem m.w.N. Freudenberg, in: jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 43 Rn. 221 ff.; Gürtner, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 43 SGB VI Rn. 30 ff. [April 2010]). Nach der Rechtsprechung des BSG ergibt sich die Beibehaltung der konkreten Betrachtungsweise auch aus einem Umkehrschluss zu § 43 Abs. 3 SGB VI (vgl. BSG, Urteil vom 5. Oktober 2005 - B 5 RJ 6/05 R -, a.a.O.).

b) Nach diesen Maßstäben ist die Klägerin weder voll- noch teilweise erwerbsgemindert, weil sie noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich verrichten kann (dazu unter aa). Solche Tätigkeiten sind ihr auch mit Blick auf § 240 SGB VI zumutbar, so dass sie auch keinen Anspruch auf teilweise Erwerbsminderungsrente bei Berufsunfähigkeit hat (dazu unter bb).

aa) Aufgrund der im Verwaltungs- und Klageverfahren durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin zumindest noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes wenigstens sechs Stunden täglich verrichten kann. Zwar liegen bei der Klägerin zahlreiche gesundheitliche und daraus resultierende funktionelle Einschränkungen vor. Diese mindern ihre berufliche Leistungsfähigkeit jedoch nur in qualitativer, nicht aber in quantitativer Hinsicht.

(1) Zum einen liegen bei der Klägerin gesundheitliche Beeinträchtigungen auf orthopädischem Fachgebiet vor. Aufgrund der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage des die Klägerin behandelnden Orthopäden Dr. Heg. gegenüber dem SG liegen bei der Klägerin chronisch lumbale Beschwerden, chronische osteoarthrotische Beschwerden, ein degeneratives Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäulen-Syndrom, eine beidseitige Impingementsymptomatik, Senk-Spreizfüße bei Hallux rigidus beidseits und eine Überlastungssymptomatik mit beginnender Gonarthrose an beiden Kniegelenken vor. All dies führt indes nach den Befunden des Dr. Heg. nur dazu, dass die Beweglichkeit im Bereich des Körperstamms endgradig eingeschränkt ist. Zwar bestehen an beiden Kniegelenken Zeichen einer Arthrose mit Druckschmerzen über dem medialen Gelenkspalt, jedoch bei freier Beweglichkeit. Andere funktionelle Einschränkungen hat auch Dr. Re. in seinem Gutachten im Verwaltungsverfahren nicht festgestellt. Er diagnostizierte rezidivierende Wirbelsäulenbeschwerden bei leichten degenerativen Veränderungen und kleinem Bandscheibenvorfall C5/6 ohne Wurzelreizzeichen und ohne wesentliche Funktionseinschränkung, Schulter-Armbeschwerden beidseits bei beginnender Schultergelenksarthrose mit leichter Funktionseinschränkung, leichte Rhizarthrose rechts, allenfalls diskreten Verschleiß der Fingergelenke ohne wesentliche Gebrauchsminderung der Hände, zeitweilige Kniebeschwerden ohne Anhalt für entzündliche oder wesentliche degenerative Veränderungen, Senk-Spreiz-Fuß, beginnenden Hallux rigidus und mittelgradige Innenohrschwerhörigkeit beidseits.

Dr. Heg. und Dr. Re. kommen zu der übereinstimmenden und angesichts dieser Befunde plausiblen Einschätzung, die der Senat teilt, dass der Klägerin leichte körperliche Tätigkeiten im Wechsel zwischen Gehen, Sitzen und Stehen vollschichtig bzw. mindestens sechs Stunden täglich möglich sind. Die Einschätzung, die sich mit der Beurteilung des Prof. Dr. Hu. im Reha-Entlassungsbericht vom 7. September 2011 deckt, steht im Einklang mit der allgemeinen Erkenntnis, dass orthopädischen Befunden in aller Regel durch qualitative Leistungseinschränkungen Rechnung getragen werden kann und dass solche Gesundheitsbeeinträchtigungen nur in besonders begründeten Ausnahmefällen in der Lage sind, die berufliche Leistungsfähigkeit auch in zeitlicher Hinsicht zu limitieren (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Januar 2007 – L 3 R 1341/06 – nicht veröffentlicht). Der Senat hat keine Anhaltspunkte dafür, dass bei der Klägerin eine solche exzeptionelle Situation vorliegt.

Neben den Beeinträchtigungen auf orthopädischem Gebiet ist indes auch die gesundheitliche Situation der Klägerin auf nervenärztlichem Gebiet zu berücksichtigen. Insofern liegt aufgrund der Diagnosen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. Pa. bei der Klägerin eine somatoforme Schmerzstörung bei psychosozialer Belastungssituation, eine Migräne und Spannungskopfschmerzen, jeweils medikamentös kompensiert, vor. Die orthopädische Beschwerdesymptomatik weist keine neurologische Beteiligung auf. Auch der Sachverständige kam zu der Einschätzung, dass der Klägerin leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen (kein erhöhter Zeitdruck, kein Schichtdienst, keine Tätigkeiten unter Witterungseinflüssen und keine Fließbandarbeiten) vollschichtig möglich seien. Der Senat teilt diese Einschätzung. Weder die von Dr. Pa. erhobenen Befunde noch die von der anderen auf diesem Fachgebiet gehörten Ärztin getroffenen Feststellungen können die Annahme begründen, dass die Klägerin durch Beeinträchtigungen auf nervenärztlichem Fachgebiet in ihrer beruflichen Leistungsfähigkeit in zeitlicher Hinsicht limitiert wäre. Zwar hat Ärztin Ho.-Ge. unter dem 19. April 2012 von einer mittelgradigen depressiven Episode berichtet. Eine derartige Diagnose findet sich indes bereits in ihrer schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage gegenüber dem SG vom 31. Januar 2013 nicht mehr. Der von ihr dort geschilderte psychopathologische Befund, nach dem die Stimmung gedrückt und die affektive Schwingungsfähigkeit, die Konzentration und der Antrieb reduziert sowie die Psychomotorik phasenweise gehemmt sei, würde eine derartige Diagnose auch kaum tragen; jedenfalls ist dieser Befund nicht geeignet, die Einschätzung der Ärztin, die Klägerin sei nicht in der Lage, körperlich leichte Berufstätigkeit auch in geringem zeitlichen Umfang zu verrichten, plausibel erscheinen zu lassen.

Die Validität der Feststellungen und Einschätzungen des Dr. Pa. wird auch durch die von der Klägerin bereits im erstinstanzlichen Verfahren erhobenen Einwände gegen dessen Gutachten nicht zweifelhaft. Die Frage, ob sie ihren Urlaub in der Türkei selbst organisiert habe (so die Formulierung von Dr. Pa.) oder ob sie dort lediglich hingeflogen sei, war für dessen Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Klägerin nicht ausschlaggebend; im Übrigen wird durch diese Reise schon ein beachtliches Maß an Mobilität und Vitalität der Klägerin deutlich. Gleiches gilt für die Frage, ob sie in einer türkischen Frauengruppe "sehr aktiv engagiert" sei (so Dr. Pa.) oder ob sie an deren Treffen nur teilweise teilnehme (so die Klägerin). Welche Angaben zum Tagesablauf im Gutachten von Dr. Pa. unzutreffend seien, hat die Klägerin nicht dargelegt. Eine Auseinandersetzung mit dem Entlassungsbrief des PD Dr. H. musste durch Dr. Pa. nicht erfolgen. Der Aufenthalt in der dortigen Klinik vom 12. August 2008 bis zum 2. September 2008 liegt weit vor dem hier streitgegenständlichen Zeitraum. Im Übrigen wurde die Klägerin damals arbeitsfähig entlassen, so dass - auch unabhängig von der zeitlichen Dimension - nicht ersichtlich ist, inwiefern der Bericht das Klagebegehren der Klägerin hätte stützen können.

Auf internistischem Fachgebiet liegen keine für die berufliche Leistungsfähigkeit der Klägerin relevanten gesundheitlichen Beeinträchtigungen vor. So hat Dr. Br. in seinem im Verwaltungsverfahren durch die Beklagte veranlassten Gutachten, das der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwerten konnte (vgl. etwa BSG, Beschluss vom 14. November 2013 - B 9 SB 10/13 B -, in juris, Rn. 6; BSG, Urteil vom 5. Februar 2008 - B 2 U 8/07 R - in juris, Rn. 51), festgestellt, dass auf internistischem Gebiet keine Erkrankungen vorliegen.

Schließlich bestehen auch auf anderen medizinischen Fachgebieten keine für die Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit der Klägerin relevanten Gesundheitsstörungen. Die mittelgradige Innenohrschwerhörigkeit stand nach den Feststellungen von Dr. Br. einer problemlosen Verständigung in normaler Lautstärke nicht entgegen; ihre Hörgeräte verwendet die Klägerin nur unregelmäßig.

Zu einer anderen Überzeugung konnte der Senat auch nicht aufgrund der sozialmedizinischen Stellungnahme von Dr. The., auf die sich die Klägerin im Widerspruchsverfahren bezogen hat, gelangen. Zum einen datiert sie auf den 26. Februar 2008 und betrifft damit einen Zeitpunkt, der vier Jahre vor Beginn des hier streitgegenständlichen Zeitraums liegt. Zum anderen ist sie äußerst knapp und enthält keine Mitteilungen der erhobenen Befunde. Im Übrigen diente die Stellungnahme Dr. The. nur der Klärung der Frage, ob Erwerbsfähigkeit im Sinne des SGB II bestand. Hierfür reichte die Feststellung Dr. The., dass die Klägerin drei Stunden täglich arbeiten könne (vgl. § 8 Abs. 1 SGB II). Der von der Klägerin insinuierte Schluss, dass damit zugleich die maximale Leistungsfähigkeit benannt sei, lässt sich aus den Ausführungen Dr. The. nicht ziehen.

Schließlich vermag auch das zuletzt von der Klägerin vorgelegte Attest des Dr. Z. vom 19. Mai 2014 das Klagebegehren nicht zu stützen. Indem dieser lediglich bescheinigt, dass der Klägerin das Tragen und Heben schwerer Lasten sowie das Arbeiten in gebückter Körperhaltung nicht mehr zugemutet werden könnten, bestätigt er vielmehr die Einschätzung des Senats, dass sich die Auswirkungen der gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin auf deren berufliche Leistungsfähigkeit in Beschränkungen in qualitativer Hinsicht erschöpfen, aber keine zeitlichen Limitierungen verursachen.

(2) Ob der Klägerin ein Arbeitsplatz vermittelt werden kann oder nicht, ist für den geltend gemachten Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nicht erheblich. Die jeweilige Arbeitsmarktlage ist nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Maßgebend ist, ob der Klägerin mit dem ihr verbliebenen Restleistungsvermögen - wenn auch mit qualitativen Einschränkungen - in der Lage ist, zumindest körperlich leichte Tätigkeiten arbeitstäglich für mindestens sechs Stunden zu verrichten, sie also in diesem zeitlichen Umfang unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts erwerbstätig sein kann, wovon im Regelfall ausgegangen werden kann (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 - B 13 R 78/09 R - in juris). Dies bejaht der Senat wie zuvor dargelegt.

(3) Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegen nicht vor. In einem solchen Fall kann der Arbeitsmarkt selbst bei einem noch vorhandenen sechsstündigen Leistungsvermögen ausnahmsweise als verschlossen gelten (siehe, auch zum Folgenden zuletzt Urteil des Senats vom 21. November 2014 - L 4 R 4797/13 - nicht veröffentlicht). Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Verweisung auf noch vorhandenes Restleistungsvermögen nur dann möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten.

Dies ist hier nicht der Fall. Bei der Klägerin liegen zwar - wie dargelegt - einige qualitative Leistungseinschränkungen vor, diese sind jedoch nicht als ungewöhnlich zu bezeichnen. Darin ist weder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen zu sehen. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegt nur vor, wenn bereits eine erhebliche (krankheitsbedingte) Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt. Hierzu können - unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen Einzelfallumstände - beispielsweise Einäugigkeit, Einarmigkeit und Einschränkungen der Arm- und Handbeweglichkeit sowie besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz zählen (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 - B 5 R 68/11 R -, in juris m.w.N.). Keine dieser Fallkonstellationen ist bei der Klägerin vorhanden.

(4) Auch die Wegefähigkeit der Klägerin war und ist gegeben. Neben der zeitlich ausreichenden Einsetzbarkeit eines Versicherten am Arbeitsplatz gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle in zumutbarer Zeit aufsuchen zu können. Das BSG hat dieses Vermögen nur dann für gegeben erachtet, wenn es dem Versicherten möglich ist, Entfernungen von über 500 Metern zu Fuß zurückzulegen, weil davon auszugehen ist, dass derartige Wegstrecken üblicherweise erforderlich sind, um Arbeitsstellen oder Haltestellen eines öffentlichen Verkehrsmittels zu erreichen (zum Ganzen z.B. BSG, Urteile vom 17. Dezember 1991- 13/5 RJ 73/90 - sowie 12. Dezember 2011 - B 13 R 21/10 R und B 13 R 79/11 R -, alle in juris). Die Klägerin ist in der Lage, eine Gehstrecke von 500 Metern viermal täglich in weniger als 20 Minuten zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Der Gutachter und der Sachverständige haben keine Befunde erhoben, die für eine den genannten Maßstäben eingeschränkte Gehfähigkeit der Klägerin sprechen. Die Klägerin fährt überdies selbst Personenkraftwagen; so ist sie etwa zum gerichtlichen Sachverständigen Dr. Pa. alleine mit dem Auto gefahren.

bb) Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit haben nach § 240 Abs. 1 SGB VI bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Erreichung der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 1. Januar 2008 geändert durch Art. 1 Nr. 61 RV-Altergrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554) auch Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach dem die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs unter besonderer Anforderung ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Ausgangspunkt der Beurteilung der Berufsunfähigkeit ist der bisherige Beruf. Bisheriger Beruf im Sinne des § 240 SGB VI ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG in der Regel die letzte, nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit (z. B. BSG, Urteil vom 29. März 1994 - 13 RJ 35/93 -; Urteil vom 18. Februar 1998 - B 5 RJ 34/97 R -; Urteil vom 20. Juli 2005 - B 13 RJ 19/04 R -, jeweils in juris). Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung des BSG (vgl. z.B. Urteil vom 29. März 1994 - 13 RJ 35/93 -; Urteil vom 25. Juli 2001 - B 8 KN 14/00 R -, jeweils in juris) die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufs haben, gebildet worden. Entsprechend diesem so genannten Mehrstufenschema werden die Arbeiterberufe durch Gruppen mit den Leitberufen des Facharbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert. Innerhalb der Gruppe der angelernten Arbeiter differenziert das BSG nochmals hinsichtlich der Versicherten, die der oberen und unteren Gruppe der Angelernten angehören. Dem unteren Bereich sind alle Tätigkeiten mit einer regelmäßigen, auch betrieblichen Ausbildungs- und Anlernzeit von drei bis zwölf Monaten und dem oberen Bereich dementsprechend die Tätigkeiten mit einer Ausbildungs- oder Anlernzeit von über zwölf bis zu 24 Monaten zuzuordnen (BSG, Urteil vom 29. März 1994 - 13 RJ 35/93 -; in juris). Die Einordnung eines bestimmten Berufs in dieses Mehrstufenschema erfolgt aber nicht ausschließlich nach der Dauer der absolvierten förmlichen Berufsausbildung. Ausschlaggebend hierfür ist vielmehr allein die Qualität der verrichteten Arbeit, d. h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an. Eine Verweisung kann nur auf einen Beruf derselben qualitativen Stufe oder der nächst niedrigeren erfolgen (BSG, Urteil vom 29. Juli 2004 - B 4 RA 5/04 R -, in juris).

Die von der Klägerin zuletzt ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung als Küchenhilfe war keine Tätigkeit, die eine Anlern- oder Ausbildungszeit von mehr als zwölf Monaten voraussetzte. Gegenteiliges hat die Klägerin zu keinem Zeitpunkt behauptet und die vorliegenden Akten geben hierfür keine Anhaltspunkte.

Da die Klägerin allenfalls zum unteren Bereich der angelernten Arbeiter gehört, kann sie grundsätzlich auf alle auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorkommenden Tätigkeiten verwiesen werden. Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist in diesen Fällen regelmäßig nicht erforderlich, weil auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung steht, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist (z.B. BSG, Urteil vom 14. September 1995 - 5 RJ 50/94 -, in juris; zuletzt Beschluss des Senats vom 10. Oktober 2014 - L 4 R 3169/12 - nicht veröffentlicht).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.

4. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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