L 1 AS 5280/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AS 3198/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 AS 5280/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 07.11.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Aufhebung und Rückforderung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeiträume vom 01.12.2012 bis 28.02.2013 in Höhe von 743,20 EUR und vom 01.03.2013 bis zum 31.03.2013 in Höhe von 170,00 EUR. In der Sache streiten die Beteiligten darüber, ob Zahlungen eines Unterhaltsschuldners aus einem Unterhaltstitel, aus dem wegen Unterhaltsrückständen vollstreckt wird, auf vor Inanspruchnahme von SGB II-Leistungen fällige Forderungen, die während des Leistungsbezuges geleistet werden, leistungsmindernd anzurechnendes Einkommen oder Vermögen sind.

Die 1955 geborene Klägerin ist gelernte Bürokauffrau und war in der Vergangenheit u.a. als Textilverkäuferin und Reinigungskraft versicherungspflichtig beschäftigt. Sie lebt von ihrem Ehemann getrennt und bewohnt seit dem 15.06.2012 eine 45 qm große Wohnung mit Gas-Sammelheizung, für die sie ausweislich des der Beklagten vorgelegten Mietvertrages und der Mietbescheinigung ihres Vermieters vom 17.12.2012 (Bl. 37 Verwaltungsakte der Beklagten - VA) monatlich insgesamt 425,00 EUR Miete entrichtet, davon 330,00 EUR Kaltmiete und 95,00 EUR Heiz- und Nebenkosten. Davon erkennt der Beklagte 419,98 EUR als angemessene Unterkunftskosten an.

Am 29.11.2012 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung von Arbeitslosengeld II. In dem am 11.12.2012 vorgelegten schriftlichen Antrag gab sie an, kein Einkommen zu beziehen und keine abhängige oder selbständige Arbeitstätigkeit auszuüben. Die Frage nach dem Bezug von Unterhaltszahlungen oder Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz oder Opferentschädigungsgesetz verneinte die Klägerin in der dem Antrag beigefügten "Anlage EK". Die Anlage enthält vor der zu leistenden Unterschrift folgenden Aufklärungstext: "Die Richtigkeit der Angaben wird bestätigt. Bei Änderungen der Einkommenshöhe oder der Aufwendungen einschließlich der Unterhaltsleistungen sind Sie verpflichtet, diese unverzüglich mitzuteilen und entsprechende Nachweise vorzulegen. Dies gilt insbesondere für Änderungen innerhalb des folgenden Bewilligungszeitraums, der in der Regel sechs Monate umfasst. Bei Änderungen in der Höhe des Arbeitsentgelts legen Sie bitte eine neue Einkommensbescheinigung ihres Arbeitgebers vor. Sollten Sie falsche bzw. unvollständige Angaben machen oder Änderungen nicht oder nicht unverzüglich mitteilen, müssen Sie nicht nur mit der Erstattung der zu Unrecht erhaltenen Leistungen rechnen. Weiterhin setzen Sie sich auch der Gefahr eines Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahrens aus. [ ...]".

Nach Abgabe der Antragsunterlagen forderte der Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 12.12.2012 auf, mitzuteilen, wovon sie in den letzten Monaten gelebt habe, und Kopien des aktuellen Unterhaltstitels / der Unterhaltsvereinbarungen vorzulegen. Hierauf legte die Klägerin am 21.12.2012 ein Schreiben vor, wonach sie seit September von ihrem getrennt lebenden Ehemann keinen Unterhalt mehr erhalten habe. Von einer Freundin habe sie 2.500,00 EUR sowie von ihrem Bruder 1.000,00 EUR erhalten. Sie legte ferner einen Beschluss des Amtsgerichts Freiburg vom 03.09.2010 (49 F 156/10) über eine Verpflichtung ihres getrennt lebenden Ehemanns zur Leistung von Trennungsunterhalt im Wege der einstweiligen Anordnung in Höhe von 589,00 EUR monatlich, einen Antrag ihres Prozessbevollmächtigten auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für ein Vollstreckungsverfahren vom 30.10.2012, nach dem ihr getrennt lebender Ehemann ab September den Unterhalt verweigere, und ein Schreiben des Obergerichtsvollziehers B. am Amtsgericht B. über Abgabe der eidesstattlichen Versicherung durch ihren Ehemann am 12.12.2012 vor. In der ebenfalls beigefügten "Anlage UH 1" gab die Klägerin an, dass ein Urteil, ein gerichtlicher Vergleich oder ein Beschluss über die Höhe des zu leistenden Unterhalts vorliege und sie diesen durch ihren Bevollmächtigten gefordert habe.

Mit Bescheid vom 14.01.2013 entsprach der Beklagte dem Antrag der Klägerin und gewährte ihr für den Zeitraum vom 01.11.2012 bis zum 31.12.2012 monatlich 793,89 EUR SGB II-Leistungen, davon 374,00 EUR für den Regelbedarf und 419,89 EUR für Unterkunft und Heizung, und, wegen der Erhöhung des Regelsatzes auf 382,00 EUR bei gleichbleibenden Kosten für Unterkunft und Heizung, monatlich 801,89 EUR für den Zeitraum vom 01.01.2013 bis zum 30.04.2013. In einer Anlage zum Bescheid heißt es: "Unterhalt: Sie sind verpflichtet unverzüglich Veränderungen insbesondere die Wiederaufnahme der Unterhaltszahlung durch Herrn B. W. uns mitzuteilen. Bitte reichen Sie hierzu den Nachweis des Geldzuflusses (z.B. Kontoauszug) bei uns ein."

Auf Anfrage des Beklagten teilte der Bevollmächtigte der Klägerin mit Fax vom 20.02.2013 (Bl. 81 VA) mit, dass diese im Dezember 2012 von ihrem Ehemann 242,90 EUR, im Januar 2013 293,90 EUR und im Februar 2013 296,40 EUR Unterhaltszahlungen erhalten habe. Aus von der Klägerin im Zuge des Weiterbewilligungsantrages vom 12.04.2013 vorgelegten kopierten Kontoauszügen ging hervor, dass ihr am 14.12.2012 242,90 EUR gutgeschrieben wurden, am 11.01.2013 weitere 293,90 EUR und am 21.02.2013 nochmals 296,40. Zudem wurden ihr am 20.03.2013 weitere 200,00 EUR Unterhaltszahlungen überwiesen.

Der Beklagte errechnete unter Anrechnung der vorgenannten Beträge als Einkommen unter Abzug der Versicherungspauschale gemäß § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II vom 17.12.2007 (Alg II-V) von 30,00 EUR für Dezember 2012 ein anzurechnendes Einkommen von 212,90 EUR, für Januar 2013 von 263,90 EUR und für Februar 2013 von 266,40 EUR. Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 23.04.2013 hob der Beklagte die Entscheidung vom 14.01.2013 über die Leistungsbewilligung für den Zeitraum vom 01.12.2012 bis 28.02.2013 in Höhe von insgesamt 743,20 EUR teilweise auf und forderte diesen Betrag von der Klägerin zurück. Diese habe während des gesamten Zeitraumes Unterhaltszahlungen erhalten und damit Einkommen und Vermögen erzielt, das zum Wegfall oder zur Minderung ihres Anspruchs geführt habe (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – SGB X). Ein Postabgangsvermerk fehlt in der Beklagtenakte. Ausweislich des Vermerks vom 05.06.2013 meldete sich die Klägerin wegen einer Zahlungsaufforderung und teilte mit, sie habe keinen Bescheid erhalten. Am 05.06.2013 gab der Beklagte den Bescheid zur Post.

Am 10.06.2013 erhob die Klägerin Widerspruch und führte zur Begründung aus, die Vollstreckung betreffe keine laufenden Unterhaltszahlungen für Dezember oder Januar, sondern alte Forderungen aus einem Zeitraum vor Inanspruchnahme des Beklagten durch die Klägerin (Unterhaltsrückstände für September und Oktober 2012). Diese Zahlungen seien deshalb dem Schonvermögen zuzurechnen. Nach dem Verbrauch ihres Schonvermögens habe sie Ende November 2012 SGB II-Leistungen beantragt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 18.06.2013 wies der Beklagte den Widerspruch zurück und stützte sich in den Gründen auf § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X. Obwohl die Klägerin im Bewilligungsbescheid vom 14.01.2013 explizit darauf hingewiesen worden sei, dass sie bei Wiederaufnahme der Unterhaltszahlungen durch ihren getrennt lebenden Ehemann verpflichtet sei, dies unverzüglich mitzuteilen, sei sie ihrer Mitteilungspflicht erst im Februar durch ihren Bevollmächtigten nachgekommen. Zu diesem Zeitpunkt sei die Leistungsüberzahlung jedoch schon verursacht gewesen. Sie habe hiernach grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unvollständige Angaben gemacht. Unschädlich sei, dass sie gedacht habe, dass diese Zahlungen auf Unterhaltsrückstände ihrem Schonvermögen zuzuordnen seien. Hierbei handele es sich um einen unbeachtlichen Rechtsirrtum. Auch die Zahlungen auf Unterhaltsrückstände des Ehemannes aus September und Oktober 2012, also einem Zeitraum vor dem Leistungsbezug, seien nach dem Zuflussprinzip laufende Einnahmen und in dem Monat zu berücksichtigen, in dem sie tatsächlich zugeflossen seien. Das Zuflussprinzip sei mittlerweile in § 11 Abs. 2 SGB II gesetzlich verankert. Die Fehlerhaftigkeit des Bewilligungsbescheides vom 14.01.2013, mit welchem der Klägerin für Dezember 2012 212,90 EUR, für Januar 2013 263,90 EUR und für Februar 2013 266,40 EUR zu hohe Leistungen bewilligt worden seien, beruhe auf den unvollständigen Angaben der Klägerin. Damit seien die Voraussetzungen für die Rücknahme der Leistungsbewilligung erfüllt und die teilweise Aufhebung nach § 40 Abs. 1 SGB II in Verbindung mit § 330 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) zwingend vorgeschrieben. Der Anspruch auf Erstattung beruhe auf § 50 SGB X. Der Widerspruchsbescheid ging am 18.06.2013 zur Post.

Am 15.07.2013 hat die Klägerin dagegen Klage (S 7 AS 3198/13) beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben.

Mit weiterem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 27.06.2013 hob der Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld II im Zeitraum vom 01.03.2013 bis 31.03.2013 teilweise in Höhe von 170,00 EUR wegen der von der Klägerin erhaltenen Unterhaltszahlung in Höhe von 200,00 EUR (abzüglich der Versicherungspauschale von 30,00 EUR) auf. Sie stützte sich auf § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X und führte aus, die fehlerhafte Bewilligung sei erfolgt, weil die Klägerin in der Veränderungsmitteilung bzw. dem Antrag auf Weiterbewilligung der Leistungen nach dem SGB II vom 12.04.2013 unvollständige Angaben gemacht habe.

Hiergegen erhob die Klägerin am 16.07.2013 Widerspruch und führte zur Begründung aus, im Leistungsantrag habe sie alles offen gelegt, auch dass aus einem Unterhaltstitel vollstreckt werde. Die Vollstreckung betreffe keine laufenden Unterhaltszahlungen ab November 2012, sondern alte Forderungen aus einem Zeitraum vor Inanspruchnahme des Beklagten, weshalb die Zahlungen dem Schonvermögen der Klägerin zuzurechnen seien. Ein Rücknahme nach § 45 SGB X sei nicht gegeben. Am 16.01.2013 sei die Bewilligung und erste Zahlung des Beklagten erfolgt. Davor sei für die Klägerin ungewiss gewesen, ob überhaupt ein Leistungsanspruch bestehe. Sie habe im Antrag alles offen gelegt. Die erste Zahlung des Gerichtsvollziehers sei am 13.12.2013 ohne vorherige Ankündigung erfolgt. Die Zahlung für März sei am 18.03.2013 erfolgt. Die Zahlungen Dezember bis Februar seien am 20.02.2013 der Beklagten mitgeteilt worden, die Zahlung für März 2013 am 03.04.2013.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22.07.2013 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Diese habe unvollständige Angaben im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X gemacht, indem sie ihrer Mitteilungspflicht erst im Februar durch die Mitteilung ihres Bevollmächtigten nachgekommen sei. Dadurch, dass sie den Beklagten nicht über die Wiederaufnahme der Unterhaltszahlungen informiert habe, sondern erst auf Nachfrage der Unterhaltsstelle mit ihrem Weiterbewilligungsantrag am 19.04.2013 die entsprechende Mitteilung übersandt habe, habe sie unvollständige Angaben im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X gemacht. Der Widerspruchsbescheid wurde am 22.07.2013 zur Post gegeben.

Am 15.08.2013 hat die Klägerin auch hiergegen Klage beim SG (S 7 AS 3723/13) erhoben.

Zur Begründung der Klagen hat die Klägerin jeweils vorgetragen, die Vollstreckung habe alte Forderungen aus einem Zeitraum vor Inanspruchnahme des Beklagten betroffen. Die Zahlungen seien kein Einkommen im Sinne des § 11 SGB II, sondern dem Vermögen zuzurechnen. Eine Forderung, die dem Inhaber bereits zustehe, stelle einen wirtschaftlichen Wert dar, welcher zu seinem Vermögen zähle. Nach der Definition des Bundessozialgerichts seien die Begriffe Einkommen und Vermögen nicht eindeutig zu unterscheiden. Aus dem Gesetzeswortlaut lasse sich nicht herleiten, dass fällige Forderungen, welche vor dem Bezug von Sozialleistungen entstanden seien, zu den Einkünften zählten. Es sei eher davon auszugehen, dass diese Forderungen dem Vermögen zuzurechnen seien, gerade auch weil der Begriff "Vermögen" in § 12 SGB II explizit genannt sei und den Begriff Einkommen diametral gegenüber stehe. So habe das BSG Arbeitseinkommen, welches vor Inanspruchnahme der Sozialleistung entstanden, aber erst nach Antragstellung fällig geworden sei, als Einkommen behandelt, während eine fällige, titulierte Forderung dem Vermögen zuzurechnen sei. Ebenfalls dem Vermögen zugerechnet worden sei eine Stromkostenerstattung. Die Bewertung der Unterhaltszahlungen für September und Oktober 2012 als Einkommen führe zu einem ungerechten Ergebnis. Ein Rücknahmeanspruch nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X sei auch deshalb nicht gegeben, weil es am Merkmal der groben Fahrlässigkeit fehle, nach dem die Klägerin davon ausgegangen sei, dass die Unterhaltsforderungen für September und Oktober 2012 zum Schonvermögen und die Unterhaltszahlungen ab November 2012 zum Einkommen zählten. Davon habe sie in ihrer laienhaften Sicht ausgehen können. Die titulierte Forderung gegen den Ehemann der Klägerin sei mit Einlagen bei Banken, Sparkassen und Versicherungen vergleichbar. Es hätte auch die Möglichkeit bestanden, die Forderung an einen Dritten abzutreten.

Der Beklagte ist der Klage entgegen getreten. Nach seiner Auffassung hätte die Klägerin ihn unverzüglich über die erhaltenen Unterhaltszahlungen informieren müssen. Die Tatsache, dass es sich um Zahlungen auf Unterhaltsrückstände gehandelt habe, sei auf die Mitteilungspflicht ohne Einfluss. Der Hinweis, dass jede Änderung in den persönlichen Verhältnissen, insbesondere die Erzielung von Einkommen, mitzuteilen sei, sei in dem Merkblatt zum Arbeitslosengeld II auf Seite 38 enthalten; der dortige Hinweis sei unmissverständlich. Nachdem sich die Mitteilungspflicht nicht nur auf Einkommen, sondern auch auf Vermögen erstreckt habe, sei die Annahme der Klägerin, dass die Zahlungen auf die Unterhaltsrückstände dem Vermögen zuzurechnen seien, unerheblich.

Mit Beschluss vom 11.09.2013 hat das SG die Verfahren S 7 AS 3198/13 und S 7 AS 3723/13 unter dem erstgenannten Aktenzeichen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Mit Gerichtsbescheid vom 07.11.2013 hat es sodann die Klagen abgewiesen. Abweichend von den Gründen in den angefochtenen Widerspruchsbescheiden, auf welche das SG nach § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Bezug genommen hat, hat es die teilweise Aufhebung für Dezember 2012 und Januar 2013 auf § 45 Abs. 1 und 3 Satz 3 Nr. 2 SGB X in Verbindung mit § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II und § 330 Abs. 2 SGB III gestützt, die Aufhebungsentscheidungen für die Monate Februar und März 2013 dagegen auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X. Dies sei allerdings, nachdem eine Umdeutung möglich sei, rechtlich ohne Belang. Der Gerichtsbescheid wurde dem Bevollmächtigten der Klägerin am 11.11.2013 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt.

Hiergegen hat die Klägerin am 09.12.2013 Berufung beim Landessozialgericht eingelegt. Da sie eine fällige titulierte Forderung gegen ihren Ehemann gehabt habe, handele es sich um bereits erlangte Einkünfte im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), weshalb die Unterhaltsrückstände ihrem Vermögen zuzurechnen seien. Eine Einstufung als Einkommen führe zu einem ungerechten Ergebnis. Zudem sei eine grobe Fahrlässigkeit in ihrem Fall nicht gegeben, nachdem die schwierige Abgrenzung von Einkommen und Vermögen umstritten sei; bei dieser schwierigen rechtlichen Frage könne ihr grobes Verschulden nicht angelastet werden. Der Hinweis des Beklagten auf das Merkblatt zum SGB II gehe fehl; die dortigen Hinweise seien nicht eindeutig. Zudem könne nicht nachvollzogen werden, dass der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid so spät erlassen worden sei und auch kein Hinweis erfolgt sei, dass die Zahlungen des Gerichtsvollziehers als Einkommen berücksichtigt werden müssten. Bei zeitnaher Reaktion hätte sich der Beklagte wenigstens die Zahlung von 170 EUR für März 2013 sichern können.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 07.11.2013, den Bescheid des Beklagten vom 23.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.06.2013 und den Bescheid des Beklagten vom 27.06.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.07.2013 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und verweist darauf, dass sämtliche Ausführungen der Klägerin im angefochtenen Gerichtsbescheid Berücksichtigung gefunden hätten.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten und die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144 und 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig.

Gegenstand des Verfahrens sind die zulässigen Anfechtungsklagen nach § 54 Abs. 1 SGG gegen die Bescheide der Beklagten vom 23.04.2013 und vom 27.06.2013 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 18.06.2013 und vom 22.07.2013.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Beklagte hat den Bewilligungsbescheid vom 14.01.2013 zu Recht teilweise aufgehoben und überzahlte Leistungen in Höhe von 212,90 Euro für Dezember 2012, von 263,90 Euro für Januar 2013, von 266,40 Euro für Februar 2013 und 170,00 Euro für März 2013 zurückgefordert. Bei den Nachzahlungen auf vor dem SGB II-Leistungsbezug entstandene Unterhaltsforderungen für September und Oktober 2012 im Dezember 2012 bis März 2013 handelte es sich um laufende Einnahmen (Einkommen), welche im Monat des jeweiligen Zuflusses bedarfsmindernd anzurechnen waren (dazu unten I.).

Der Senat ist zudem davon überzeugt, dass die Klägerin die von ihr erzielten Einnahmen aus Unterhaltsnachzahlungen in Höhe von 242,90 Euro am 14.12.2012 und von 293,90 Euro am 11.01.2013 trotz bestehender Obliegenheit zur Mitteilung zunächst verschwiegen hat. Dabei hat sie zumindest grob fahrlässig gehandelt (§ 45 Abs. 1 und 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II und § 330 Abs. 2 SGB III, dazu unten II.). Nach Erlass des Bescheides vom 14.01.2013 sind ihr 296,40 Euro am 21.02.2013 und 200,00 Euro am 20.03.2013 zugeflossen, wodurch ihr SGB II-Leistungsanspruch für Februar und März nach Bescheiderlass gemindert worden ist (§ 48 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 3 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II und § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III, dazu ebenfalls unten II.).

Der Verfahrensfehler einer vor Erlass der angefochtenen Bescheide jeweils unterlassenen Anhörung (§ 24 Abs. 1 SGB X) ist vorliegend geheilt (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X). Der Klägerin war nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 18.06.2013 bekannt, dass der Beklagte auch bezüglich des Zeitraumes vom 01.12.2012 bis 31.01.2013 die teilweise Aufhebung auf den Umstand gestützt hat, dass sie den Beklagten über die ihr zugeflossenen Unterhaltszahlungen nicht rechtzeitig informiert hatte. Daraufhin hat sie sich im Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 27.06.2013 – und damit außerhalb eines Gerichtsverfahrens in einem "mehr oder minder" förmlichen Verwaltungsverfahren (vgl. dazu BSG Urteil vom 09.11.2010 – B 4 AS 3709 R – SozR 4-1300§ 41 Nr. 2, juris, Rn. 14 f.) – gegenüber dem Beklagten mit Schreiben vom 15.07.2013 zu diesem Vorwurf bezogen auf den gesamten hier streitigen Zeitraum geäußert. Im Widerspruchsbescheid vom 22.07.2013 hat der Beklagte dann gegenüber der Klägerin zu erkennen gegeben, dass sie auch bei Berücksichtigung der von der Klägerin angeführten Umstände an ihrer Entscheidung bezogen auf den gesamten hier streitigen Zeitraum festhält. So hat sie in den Gründen des Widerspruchsbescheides darauf hingewiesen, dass die Klägerin durch das Merkblatt zum Arbeitslosengeld II, welches ihr bei Antragstellung ausgehändigt wurde, den Hinweis erhalten hat, dass jede Änderung in den persönlichen Verhältnissen, insbesondere die Erzielung von Einkommen, mitzuteilen ist, die Klägerin ihrer Mitteilungspflicht aber erst im Februar 2013 nachgekommen ist, und ihr deshalb vorzuwerfen sei, grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unvollständige Angaben im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X gemacht zu haben.

I. Die dem Girokonto der Klägerin am 14.12.2012 in Höhe von 242,90 Euro, am 11.01.2013 in Höhe von 293,90 Euro, am 21.02.2013 in Höhe von 296,40 Euro und am 20.03.2013 in Höhe von 200,00 Euro zugeflossenen Einnahmen aus Unterhaltsnachzahlungen ihres Ehemannes für die Monate September und Oktober 2012 waren zum Zeitpunkt ihres Zuflusses zu berücksichtigendes Einkommen. Dieses hat nach Abzug der Versicherungspauschale von 30,00 Euro (§ 11b Abs. 1 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-V) den jeweiligen monatlichen Leistungsanspruch der Klägerin entsprechend gemindert. Die Bewilligungsentscheidung des Beklagten im Bescheid vom 14.01.2013 war daher von Anfang an insoweit teilweise rechtswidrig, als der Beklagte der Klägerin für Dezember 2012 um 212,90 Euro und für Januar 2013 um 263,90 Euro zu hohe SGB II-Leistungen bewilligt hat. Für Februar und März 2013 hat die Klägerin wegen der Zahlungseingänge nach Bescheiderlass 266,40 Euro (Februar) bzw. 170,00 Euro (März) zu hohe SGB II-Leistungen erhalten.

Voraussetzung für einen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist - neben weiteren, hier erfüllten - Voraussetzungen (§ 7 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 SGB II) insbesondere Hilfebedürftigkeit (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 9 Abs. 1, und 4 SGB II). Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder Trägern anderer Sozialleistungen, erhalten kann.

Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11b abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a genannten Einnahmen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Laufende Einnahmen sind für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen (§ 11 Abs. 3 SGB II). Als Vermögen sind grundsätzlich alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen (§ 12 Abs. 1 SGB II). Zur Abgrenzung zwischen Einkommen und Vermögen ist nach gefestigter Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 22.08.2013 – B 14 AS 78/12 RSozR 4-4200 § 11 Nr. 6, juris, Rn. 27 m.w.N.) von Folgendem auszugehen: Einkommen i.S. des § 11 Abs. 1 SGB II ist grundsätzlich alles, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er vor Antragstellung bereits hatte (modifizierte Zuflusstheorie, grundlegend BSG Urteile vom 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr. 17 Rn. 23 und vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr. 15, Rn. 18; vgl. ferner BSG Urteile vom 17.6.2010 - B 14 AS 46/09 R - BSGE 106, 185 = SozR 4-4200 § 11 Nr. 30, Rn. 15 und vom 23.8.2011 - B 14 AS 185/10 R - SozR 4-4200 § 11 Nr. 42 Rn. 10). Auch wenn eine auf Geld oder Geldeswert gerichtete (noch nicht erfüllte) Forderung (z.B. Gehaltsforderung) einen wirtschaftlichen Wert darstellt und zum Vermögen des Forderungsinhabers gehört und eine Einnahme aus dieser bereits bestehenden Rechtsposition erzielt wird, führt dies nicht zu einer "Konkurrenz" dergestalt, dass die Forderung als Vermögen und daneben die Leistung aus der Forderung (z.B. Gehaltszahlung) als Einkommen zu berücksichtigen wären. Vielmehr ist nach § 11 SGB II im Falle der Erfüllung einer (Geld-)Forderung grundsätzlich nicht das Schicksal der Forderung von Bedeutung, sondern das Gesetz stellt insofern allein auf die Erzielung von Einnahmen in Geld oder Geldeswert als Einkommen ab. Eine Ausnahme ist allerdings dann zu machen, wenn mit früherem Einkommen Vermögen angespart wurde, z.B. bei Banken, Sparkassen oder Versicherungen, weil andernfalls der Rückgriff auf das Ersparte bei dessen Auszahlung eine unzulässige erneute Bewertung als Einkommen wäre (BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 57/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr. 16 Rn. 17 zu einer Zinsgutschrift; Gegenbeispiel: Einkommensteuererstattung: BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr. 15, Rn. 18).

Hiernach zählten zwar die Unterhaltsforderungen der Klägerin für September und Oktober 2012 in Höhe von monatlich 589,00 Euro bei ihrem Antrag auf SGB II-Leistungen im November 2012 mit ihrem damaligen wirtschaftlichen Wert, welcher angesichts der Weigerung des Ehemannes, die Ansprüche der Klägerin zu erfüllen, deutlich unter dem Nominalwert der Forderungen gelegen haben dürfte, zum Vermögen der Klägerin. Dieser Umstand ist aber für eine Berücksichtigung der zur Erfüllung dieser Forderungen geleisteten Geldzahlungen im Dezember 2012 bis März 2013 als Einkommen kein Hinderungsgrund. Maßgeblich ist in solchen Fällen nicht das Schicksal der Forderung, sondern allein der Zufluss der Geldzahlungen, welche grundsätzlich als Einkommen zu berücksichtigen sind. Eine Ausnahme hat die Rechtsprechung nur anerkannt, wenn es sich bei den zugrundeliegenden Forderungen um Vermögen handelt, welches mit früherem Einkommen angespart wurde, was hier nicht der Fall war. Die rückständigen Unterhaltsforderungen waren aus Sicht der Klägerin unfreiwillig - durch die Zahlungsverweigerung ihres Ehemannes - entstanden, und gerade nicht das Ergebnis bewussten und gewollten Handelns der Klägerin mit der Zielrichtung, Vermögen anzusparen. Zudem haben ihr die geschuldeten Beträge bis zum Beginn der ratenweisen Zahlungen im Dezember 2012 tatsächlich nie zur Verfügung gestanden. Auch sonst liegt eine Vergleichbarkeit der titulierten Forderungen gegen den Ehemann der Klägerin mit Einlagen bei Banken und Versicherungen nicht vor; insbesondere fehlte es ersichtlich an der Möglichkeit des tatsächlichen Zugriffs (ggf. innerhalb vertraglich vereinbarter Fristen).

Andere Gründe, welche gegen eine Berücksichtigung der Geldzahlungen im Dezember 2012 bis März 2013 als Einkommen sprechen, sind nicht ersichtlich. Eine mit einer Gesamtrechtsnachfolge aufgrund des Antritts einer Erbschaft vergleichbare Situation, die es rechtfertigen würde, spätere Zahlungszuflüsse aufgrund dessen als bloßes "Versilbern" bereits vorhandenen Vermögens zu qualifizieren (vgl. BSG Urteil vom 24.02.2011 – B 14 AS 45/09 R –, juris, Rn. 19 ff.) liegt hier nicht vor, nachdem es sich um bloße – wenn auch titulierte – Forderungen gegen den Ehemann handelt, nicht aber eine Rechtsposition wie sie durch eine Gesamtrechtsnachfolge begründet wird (vgl. zur Qualifizierung von Forderungen gegen einen Nachlass als Einkommen BSG Urteil vom 28.10.2009 – B 14 AS 62/08 R –, juris). Die von der Klägerin zusätzlich angeführten allgemeinen Billigkeitserwägungen sind nicht ausreichend, die Erforderlichkeit weiterer Ausnahmen von der Maßgeblichkeit des tatsächlichen Zuflusses als Differenzierungskriterium zwischen Einkommen und Vermögen zu begründen. Es hat sich darüber hinaus bei den Zahlungen insbesondere auch nicht um nicht anrechenbare zweckbestimmte Einnahmen i.S.d. § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II gehandelt, nachdem Unterhaltszahlungen der Deckung des Lebensunterhalts und damit demselben Zweck dienen wie SGB II-Leistungen.

II. Anders als im Bescheid vom 23.04.2013 bezeichnet, ist Rechtsgrundlage für die teilweise Aufhebung der mit Bescheid vom 14.01.2013 bewilligten SGB II-Leistungen § 45 Abs. 1 und 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II und § 330 Abs. 2 SGB III. Der Beklagte hat der Klägerin im Bescheid vom 14.01.2013 für Dezember 2012 um 212,90 Euro und für Januar 2013 um 263,90 Euro rechtswidrig zu hohe SGB II-Leistungen bewilligt, weil diese ihrer Rechtspflicht zur Angabe von am 14.12.2012 in Höhe von 242,90 Euro und am 11.01.2013 in Höhe von 293,90 Euro zugeflossenem Einkommen zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Deshalb haben dem Beklagten unzutreffende Angaben vorgelegen, was zu der zu hohen Leistungsbewilligung durch den Beklagten geführt hat.

Rechtsgrundlage für die teilweise Aufhebung der Leistungsbewilligung für Februar und März 2013 ist demgegenüber nicht der von dem Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 18.06.2013 bzw. dem Bescheid vom 27.06.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.07.2013 herangezogene § 45 SGB X, sondern § 48 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 3 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II und § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III, da es sich um einen Einkommenszufluss nach Bescheiderlass gehandelt hat.

Nach § 60 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) hat, wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, (1.) alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen, (2.) Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen, (3.) Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen.

Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Abs. 2 - 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Nach Abs. 2 der Regelung darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit 1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, 2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder 3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

Grundsätzlich kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Abs. 2 der Regelung nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 S. 3 Nr. 2 oder 3 vor, kann jedoch der rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakt mit Dauerwirkung bis zum Ablauf von 10 Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden (§ 45 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 SGB X). Eine Rücknahme für die Vergangenheit gemäß den vorbenannten Vorschriften ist von der Behörde innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen, zu bewirken (§ 45 Abs. 4 SGB X).

Hiernach bedarf es bei einer Aufhebungsentscheidung, die auf § 45 SGB X gestützt wird, grundsätzlich der Ausübung von Ermessen. Abweichend hiervon ordnet der im vorliegenden Fall über § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II anwendbare § 330 Abs. 2 SGB III an, dass bei Vorliegen der in § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und 3 SGB X genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes dieser - im Wege einer gebundenen Entscheidung, also ohne Ermessen - auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist. Dasselbe gilt, soweit für den Bewilligungszeitraum vom 01.02.2013 bis 31.03.2013 § 48 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 SGB X eingreift, gemäß § 330 Abs. 3, welcher ebenfalls gemäß § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II Anwendung findet.

Gemäß § 48 SGB Abs. 1 SGB X ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit 1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt 2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, 3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder 4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.

Vorliegend greift, wie bereits dargelegt, für den Zeitraum vom 01.02.2013 bis 31.03.2013 nicht der von der Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 18.06.2013 bzw. dem Bescheid vom 27.06.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.07.2013 als Anspruchsgrundlage für die teilweise Aufhebung der Bewilligungsentscheidung für diesen Zeitraum herangezogene § 45 SGB X ein, sondern § 48 SGB X. Demgegenüber ist die richtige Rechtsgrundlage für die teilweise Aufhebung der Bewilligungsentscheidung für Dezember 2012 und Januar 2013, anders als im Bescheid vom 23.04.2013 bezeichnet, § 45 SGB X. Die Heranziehung der falschen Rechtsgrundlagen begründet gleichwohl nicht die Rechtswidrigkeit der Aufhebungsbescheide der Beklagten.

§ 45 SGB X findet Anwendung, wenn der Verwaltungsakt im Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig war und deswegen zurückgenommen werden soll, dagegen kommt eine Aufhebung nach § 48 SGB X in Betracht, wenn nach Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung eine wesentliche Änderung in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht eingetreten ist. Beide Normen grenzen sich folglich nach dem Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes, der aufgehoben werden soll, ab. Erlassen ist ein Verwaltungsakt in dem Zeitpunkt, in dem er dem Adressaten bekanntgegeben und damit wirksam wurde (BSG Urteil vom 01.06.2006 – B 7a AL 76/05 R - BSGE 96, 285 = SozR 4-4300 § 122 Nr. 4, juris, Rn. 13). Die Gutschriften vom 21.02.2013 und 20.03.2013 hat die Klägerin nach Erlass des am 15.01.2013 per einfachem Brief zur Post gegebenen und damit am 18.01.2013 bekannt gegebenen (§ 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X) Verwaltungsakts vom 14.01.2013 erhalten.

Ein Wechsel der Rechtsgrundlage für die Aufhebungsentscheidung ist ohne weiteres zulässig, soweit der Verwaltungsakt, wie auch im vorliegenden Fall, in welchem das Ziel der angefochtenen Bescheide des Beklagten die teilweise Aufhebung und Rückforderung überzahlter SGB II-Leistungen ist, dadurch nicht in seinem Regelungsumfang oder seinem Wesensgehalt verändert oder die Rechtsverteidigung des Betroffenen in unzulässiger Weise beeinträchtigt oder erschwert wird. Weil die §§ 45, 48 SGB X auf dasselbe Ziel, nämlich die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, gerichtet sind, ist das Auswechseln dieser Rechtsgrundlagen grundsätzlich zulässig (BSG, Urteil vom 25.4.2002 - B 11 AL 69/01 R -, juris, Rn. 16 f m.w.N., bestätigt mit Urteil vom 24.02.2011 – B 14 AS 45/09 R -, SozR 4-4200 § 11 Nr. 36, juris, Rn. 15).

Unproblematisch ist dies, wenn tatsächliche Rechtsgrundlage für eine auf § 45 SGB X gestützte Aufhebungsentscheidung tatsächlich § 48 SGB X ist, wie im vorliegenden Fall bezüglich des Zeitraumes vom 01.02.2013 bis 31.03.2013. Ist der rechtliche Maßstab für eine auf § 48 SGB X gestützte Aufhebungsentscheidung demgegenüber § 45 SGB X wie dies hier, anders als im Bescheid vom 23.04.2013 angenommen, für den Zeitraum vom 01.12.2012 bis 31.01.2013 der Fall ist, so kann dies bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung dann unbeachtet bleiben, wenn es ausnahmsweise - wie im vorliegenden Fall - einer Ermessensentscheidung nicht bedurfte (vgl. BSG-Urteil vom 16.12.2008 – B 4 AS 48/07 R -, juris, Rn. 15 ff., ebenfalls BSG-Urteil vom 21.06.2011 – B 4 AS 22/10 R -, juris, Rn. 26 f.). Bleibt der Verfügungssatz der Bescheide – wie hier – derselbe, sind die Voraussetzungen für eine Umdeutung nach § 43 SGB X nicht zu prüfen (BSG, Urteil vom 28.03.2013 – B 4 AS 59/12 R –, SozR 4-1300 § 45 Nr. 13, juris, Rn. 17).

Der Bescheid vom 14.01.2013 war hinsichtlich der Höhe der für Dezember 2012 und Januar 2012 bewilligten SGB II-Leistungen bereits bei seinem Erlass teilweise rechtswidrig (siehe oben I.). Die Klägerin kann sich insoweit nicht auf Vertrauensschutz berufen, denn die Bewilligung von in Höhe von 212,90 Euro für Dezember 2012 und von 263,90 Euro für Januar 2013 zu hoher SGB II-Leistungen beruhte auf Angaben, die die Klägerin zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig gemacht hatte. In der dem am 11.12.2012 vorgelegten Erstantrag beigefügten, am 05.12.2012 unterzeichneten, "Anlage EK" hatte die Klägerin ausdrücklich verneint, Unterhaltszahlungen zu beziehen, was zu diesem Zeitpunkt noch richtig war. Im Weiteren hatte die Klägerin aber noch in einem am 21.12.2012 vorgelegten undatierten Schreiben (vgl. Bl. 34/35 VA) behauptet, seit September von ihrem getrennt lebenden Ehemann keinen Unterhalt mehr erhalten zu haben. Den in Kopie beigefügten Unterlagen konnten zwar ein titulierter Unterhaltsanspruch sowie aufgrund dessen laufende Vollstreckungsbemühungen entnommen werden. Ob und ggf. wann diese allerdings Erfolg haben würden, war den vorgelegten Unterlagen nicht zu entnehmen, zumal am 05.12.2012 auf den 12.12.2012 ein Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung des Ehemannes der Klägerin anberaumt worden war (Bl. 51 VA). Tatsächlich waren ihrem Girokonto zum Zeitpunkt des Eingangs ihres Schreibens bei der Beklagten bereits seit mehreren Tagen (Zahlungseingang 14.12.2012) 242,90 EUR aus rückständiger Unterhaltsforderung gutgeschrieben worden, was aus ihrem Kontoauszug hervorgeht. Weitere 293,90 EUR hat sie am 11.01.2013 erhalten. Erst am 20.02.2013, und damit mehr als einen Monat nach Erlass des Bescheides, hat sie dies der Beklagten mitgeteilt.

Indem sie den Zufluss dieser Unterhaltszahlungen erst so verspätet mitgeteilt hat, dass er vom Beklagten bei der Leistungsbewilligung nicht mehr berücksichtigt werden konnte, ist ihr nach ihren individuellen Möglichkeiten und ihrer persönlichen Einsichtsfähigkeit auch grobe Fahrlässigkeit anzulasten. Grobe Fahrlässigkeit ist gegeben, wenn die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird (§ 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X). Dies ist dann der Fall, wenn der Betroffene schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (st. Rspr., vgl. bereits BSG Urteil vom 31.08.1976 – 7 RAr 112/74BSGE 42, 184, 187 = SozR 4100 § 152 Nr. 3; ebenfalls BSGE 62, 32, 35 = SozR 4100 § 71 Nr. 2 und Urteil vom 08.02.2001 – B 11 AL 21/00 RSozR 3-1300 § 45 Nr. 45). Dabei ist das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Beteiligten sowie der besonderen Umstände des Falles zu beurteilen (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff: BSGE 35, 108, 112; 44, 264, 273 = SozR 5870 § 13 Nr. 20). In der von der Klägerin kurz zuvor – am 05.12.2012 – gelesenen und unterschriebenen abschließenden Belehrung der Anlage EK zum Antrag auf SGB II-Leistungen war sie zutreffend darüber aufgeklärt worden, dass sie verpflichtet ist, bei Änderungen der Einkommenshöhe oder der Aufwendungen einschließlich der Unterhaltsleistungen, diese unverzüglich mitzuteilen und entsprechende Nachweise vorzulegen. Rechtsgrundlage dafür ist § 60 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 SGB I, nachdem es sich dabei um für die Berechnung des Leistungsanspruchs erhebliche Tatsachen handelt (dazu oben I.). Im Text der Belehrung wurden Unterhaltsleistungen, deren Bezug die Klägerin im Formular verneint hatte, ausdrücklich genannt. Als gelernte Bürokauffrau war die Klägerin auch in der Lage, derartige Hinweise zu verstehen. Auch aus dem Inhalt ihres am 21.12.2012 vorgelegten mit dem Computer erstellten Schreibens ergibt sich, dass die Klägerin in der Lage ist, auch komplexere Fragestellungen zu erfassen und sich gezielt dazu zu äußern.

Eine andere Beurteilung rechtfertigt auch nicht, dass die Klägerin sich auf einen Rechtsirrtum beruft. Ihrer Rechtsauffassung, dass die geleisteten Zahlungen bloß das Versilbern von (Schon-)Vermögen sind, durfte sie als rechtlicher Laie nicht ohne Rückfrage bei dem Beklagten vertrauen, nachdem sie im Merkblatt für Arbeitslosengeld II (Seiten 37/38, vgl. Bl. 30/31 der SG-Akte S 7 AS 3198/13) unmissverständlich darüber worden ist, dass sowohl Vermögen als auch Einkommen vollständig anzugeben ist und im Zweifel nachgefragt werden sollte, was die Klägerin jedoch unterlassen hat.

Bezüglich der nach Erlass des Bescheides vom 14.01.2013 zugeflossenen 296,40 Euro am 21.02.2013 und 200,00 Euro am 20.03.2013 sind die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 3 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II und § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III erfüllt. Mit der Gutschrift von 296,40 Euro am 21.02.2013 und von 200,00 Euro am 20.03.2013 ist gegenüber den Verhältnissen, welche Grundlage für die Bewilligungsentscheidung vom 14.01.2013 waren, eine wesentliche Änderung eingetreten. Durch den nachträglichen Bezug von Einkommen ist der Leistungsanspruch der Klägerin teilweise weggefallen (siehe oben I.); für Februar und März 2013 hat sie deshalb 266,40 (Februar) bzw. 170,00 (März) zu hohe SGB II-Leistungen erhalten.

Die teilweise Aufhebung der mit Bescheid vom 14.01.2013 bewilligten SGB II-Leistungen erfolgte gemäß § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X (bzw. § 48 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X) innerhalb eines Jahres ab Kenntnis der Beklagten von den die teilweise Aufhebung rechtfertigenden Umständen, nachdem der Beklagte erst durch die Kontoauszüge der Klägerin im April 2013 von den genauen Daten des Zuflusses der jeweiligen Zahlungen erfuhr.

Soweit ein Verwaltungsakt nach § 45 bzw. § 48 SGB X aufgehoben worden ist, sind die zu Unrecht erbrachten Leistungen, hier also 212,90 Euro für Dezember 2012, 263,90 Euro für Januar 2013, 266,40 Euro für Februar 2013 und 170,00 Euro für März 2013, zu erstatten (§ 50 Abs. 1 SGB X).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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