L 9 R 453/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 3697/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 453/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17. Dezember 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung über der 31.12.2008 hinaus.

Die am 18.10.1950 geborene Klägerin hat nach ihren Angaben vier Jahre die griechische Volksschule besucht und anschließend in der Landwirtschaft mitgearbeitet. Vom 03.09.1969 bis 28.02.1981 war sie in Deutschland als ungelernte Arbeiterin beschäftigt, anschließend bis 15.06.1981 arbeitslos. Wiederum in Griechenland war sie von 1982 bis 28.02.1999 in der Landwirtschaft tätig und beim Versicherungsträger für die L. O. versichert. Seit 01.03.1999 bezieht sie eine griechische Invaliditätsrente (Invaliditätsgrad 67%) auf Dauer. Sie besitzt weder einen Führerschein noch ein Fahrzeug.

Einen Antrag der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsminderung vom 01.04.2005 lehnte die Beklagte ab, der Widerspruch dagegen blieb erfolglos. Im anschließenden Klageverfahren beim Sozialgericht Stuttgart (SG) stellte der von Amts wegen beauftragte Orthopäde Dr. G. in seinem Gutachten vom 14.09.2007 auf seinem Fachgebiet folgende Diagnosen: 1. Sehr ausgeprägte Abnutzungserscheinungen am linken Kniegelenk nach vorangegangener Umstellungsosteotomie, 2. Implantation einer Knietotalendoprothese rechts, ebenfalls nach vorangegangener Umstellungsosteotomie, 3. Übergewicht (71 kg) und Kleinwuchs (135,5 cm), 4. Verschleißerscheinungen der Lendenwirbelsäule bei Spondylose und Osteochondrose L5/S1 mit Aufhebung der physiologischen Lendenlordose ohne neurologische Ausfallerscheinungen an den unteren Extremitäten, 5. Periarthritis humeroscapularis beidseits, 6. Operiertes Karpaltunnelsyndrom beidseits ohne Funktionsminderung der Hände. Er gelangte zu der Einschätzung, dass die Klägerin noch in der Lage sei, sitzend leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt acht Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche zu verrichten. Sie sei aber nicht in der Lage, vier Mal täglich eine Wegstrecke von mehr als 500 Metern innerhalb von jeweils 20 Minuten zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Das Gehen sei für die Klägerin nur mit großer Anstrengung möglich. Sie gehe mit Hilfe eines vierbeinigen Gehapparates, welchen sie mit beiden Händen halte. Vor jedem Schritt hebe sie den Apparat etwas hoch und setze ihn etwas nach vorn, erst dann mache sie zwei Schritte vorwärts. Auf die gleiche Art und Weise gehe sie unbeobachtet auf der Straße. Für ca. 75 Meter benötige sei drei bis vier Minuten. Es sei sehr fraglich, ob sie die Strecke von 500 Metern innerhalb von 20 bis 26 Minuten durchlaufen könne, ohne eine Pause zu machen. Grund für die schwere Beeinträchtigung der Gehfähigkeit sei hauptsächlich das Übergewicht, die kleine Beinlänge, die Kraftminderung (Muskelatrophie) der Oberschenkelmuskulatur und die schmerzhafte Kniearthrose links und die Kniegelenksersatzoperation rechts. Die Muskelatrophie der Oberschenkelmuskulatur sei die Folge der Kniearthrose links und der Kniegelenksoperation rechts. Aufgrund der verkleinerten Beinlänge und der schwachen Oberschenkelmuskulatur sei es ihr unmöglich, in öffentliche Verkehrsmittel einzusteigen. Nach ihren Angaben benutze die Klägerin den Apparat seit der letzten Operation des rechten Kniegelenks am 24.05.2005.

Hierauf erkannte die Beklagte an, dass die Klägerin seit 04.09.2007 (Untersuchungszeitpunkt bei Dr. G.) aus Gründen einer eingeschränkten Gehstrecke voll erwerbsgemindert sei und gewährte ihr mit Ausführungsbescheid vom 28.02.2008 Rente wegen voller Erwerbsminderung befristet ab 01.04.2008 bis 31.12.2008. Mit Urteil vom 28.01.2009 verpflichtete das SG die Beklagte entsprechend ihrem Anerkenntnis zur Rentengewährung und wies die Klage im Übrigen ab. Auf die Berufung der Klägerin hiergegen verpflichtete das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) die Beklagte mit Urteil vom 15.12.2009 (L 9 R 1715/09), der Klägerin auch für die Zeit vom 01.12.2005 bis 31.03.2008 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren. Die Einschränkung der Wegefähigkeit habe nicht erst seit der Untersuchung durch Dr. G., sondern bereits seit mindestens 24.05.2005 vorgelegen, wie er zunächst in seinem Gutachten nachvollziehbar dargelegt habe. Auch dem Bescheid des griechischen Rentenversicherungsträgers vom 22.06.2005 könne entnommen werden, dass bei der Klägerin Einschränkungen beim Gehen bestanden hätten. Dem erneuten Gutachten des Dr. G. vom 29.07.2009 (gemeint war 25.07.2009) - nach Implantation einer Knieendoprothese links im März 2008 - sei darüber hinaus zu entnehmen, dass dadurch zwar die Schmerzen im linken Kniegelenk gelindert worden seien und die Klägerin inzwischen nur einen Gehstock benutzen müsse, sie sich dadurch jedoch nicht schneller fortbewegen könne als zuvor. Auch ergebe sich aus diesem Gutachten nicht, dass die Klägerin in der Lage sei, öffentliche Verkehrsmittel zu Hauptverkehrszeiten zu besteigen bzw. zu benutzen. Ausgehend von einem Leistungsfall vom 24.05.2005 stehe der Klägerin daher die Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.12.2005 zu.

Bereits am 08.09.2008 hatte die Klägerin die Weitergewährung der Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 31.12.2008 hinaus beantragt. Die Beklagte hatte ein erneutes Gutachten des Dr. G. eingeholt. In seinem Gutachten vom 25.07.2009 stellte Dr. G. auf seinem Fachgebiet folgende Diagnosen: 1. Implantation einer Knietotalendoprothese beiderseits, rechts im Jahr 2005, links im Jahr 2008, nach vorangegangener Umstellungsosteotomie beidseits, 2. Übergewicht (71 kg) und ausgeprägter Minderwuchs (Körpergröße 135,5 cm), 3. Verschleißerscheinungen der Lendenwirbelsäule bei Spondylose und Osteochondrose L5/S1 mit Aufhebung der physiologischen Lendenlordose ohne neurologische Ausfallerscheinungen an den unteren Extremitäten, 4. Verschleißerscheinungen der Halswirbelsäule bei Osteochondrose C3/4 und Blockwirbelbildung C2/3, 5. Periarthritis humeroscapularis links bei Teilruptur der Supraspinatussehne, 6. Operiertes Karpaltunnelsyndrom beidseits ohne Funktionsminderung der Hände. Bei der klinischen Untersuchung hätten beide Kniegelenke bis 90 Grad gebeugt und vollständig gestreckt werden können. Bei der Bewegungsprüfung des linken Kniegelenks habe die Klägerin endgradig leichte Schmerzen angegeben. Die Oberschenkelmuskulatur zeige zwischen rechts und links keine Umfangsdifferenz. Das Gehen sei jetzt leichter als vor zwei Jahren (September 2007). Die Klägerin gehe mit Hilfe eines Gehstocks, welchen sie mit der rechten Hand halte. Auf die gleiche Art und Weise gehe sie unbeobachtet auf der Straße. Für 15 Meter benötige sie 28 Sekunden. Nach dieser Beobachtung müsste sie imstande sein, eine Strecke von 500 Metern innerhalb von 15,5 Minuten zu bewältigen, unter der Voraussetzung, dass sie dasselbe Tempo einhalte und keine Pause mache. Durch die Knieoperation links seien zwar die Schmerzen in diesem Gelenk beseitigt, die Schnelligkeit der Fortbewegung habe sich aber nicht wesentlich gebessert. Grund dafür seien das Übergewicht und die kurzen und sehr dünnen Beine. Am linken Schultergelenk befinde sich aktuell eine Periarthritis humeroscapularis mit einer Teilruptur der Supraspinatussehne. Aus diesem Grund könne die Klägerin weder Überkopfarbeiten verrichten noch Arbeiten mit Armvorhaltung. Beide Hände seien in ihrer Funktion nicht gemindert. Es bestehe eine Einschränkung für alle stehenden oder gehenden Tätigkeiten. Die Klägerin könne auch keine Tätigkeiten verrichten, welche mit häufigem Bücken, Heben und Tragen von schweren oder mittelschweren Lasten verbunden seien. Aus orthopädischer Sicht könne sie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur leichte Arbeiten, hauptsächlich sitzend und ohne Zwangshaltung und ohne Heben über fünf kg vollschichtig verrichten.

Gestützt auf das Gutachten und eine beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. G. vom 30.09.2009 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 26.10.2009 ab. Mit Widerspruchsbescheid vom 05.05.2010 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin hiergegen zurück.

Am 18.06.2010 hat die Klägerin Klage zum SG erhoben. Zur Begründung hat sie angegeben, ihr Gesundheitszustand habe sich in der Zwischenzeit nicht verbessert, sondern sehr verschlechtert, so dass sie überhaupt nicht in der Lage sei, ohne Krückstöcke zu gehen. Dies bedeute, dass sie nicht imstande sei, auch nur leichte Arbeiten durchzuführen, auch keine sechs Stunden. Es könne nach dem früheren Anerkenntnis der vollen Erwerbsminderung nicht sein, dass sich ihr Gesundheitszustand von einem Tag auf den anderen so verbessert habe, wie von der Beklagten angenommen. Dass sie eine derartige Beschäftigung durchführen könne, sei nur theoretisch möglich. Mit der Klage hat sie ärztliche Atteste vorgelegt. Der Facharzt für Kardiologie T. hat unter dem 09.03.2009 und unter dem 26.05.2010 bescheinigt: 1. Chronischer arterieller Blutdruck, medikamentöse Behandlung 2. Stenose eines Herzblutgefäßes, erfolgreiche Herzgefäßoperation (PCI, Angioplastik) im Januar 2006 3. Osteoarthrose an beiden Knien, operiert rechts im Jahr 2006, links im Jahr 03/2008 4. Hüftenspondyloarthritis, Bandscheibe des Nackenwirbels 5. Schilddrüsenentzündung, Surrogatbehandlung 6. Diabetes mit Insulinbehandlung – Fettleibigkeit – Stoffwechselsydrom Weiter hat er in beiden Attesten angegeben, die Klägerin werde ständig ärztlich beobachtet und medikamentös behandelt, und darüber hinaus im Attest vom 09.03.2009, es sei nicht möglich, einen Herzbelastungstest bei der Klägerin auf dem Laufband auszuführen.

Der ärztliche Direktor der pathologischen Klinik des allgemeinen Krankenhauses D., Klinik für Diabeteskranke, V. hat unter dem 25.05.2010 bestätigt, dass die Klägerin an Diabetes Typ II leide und täglich dreimal mit Insulin behandelt werde. Der Arzt aus dem allgemeinen Krankenhaus D., Klinik für Orthopädie, G. hat unter dem 03.06.2010 eine arthroplastische Operation (Kunststoffimplantat) an beiden Knien bestätigt, rechts 2005, links 2008, die Beweglichkeit sei links 0-80 Grad, rechts 0-100 Grad. Der Oberarzt in der Orthopädischen Klinik des allgemeinen Krankenhauses D., P. hat unter dem 09.03.2009 bescheinigt, die Klägerin leide an einer operierten Osteoarthrose an beiden Knien, Hüftenspondyloarthritis und einem Bandscheibenvorfall des Nackenwirbels. Sie könne nur solange gehen, wie es ihr aufgrund des Zustandes ihres Fußes und der Funktion der Atmung und des Herzens möglich sei. Die Leiterin des Röntgenlabors im Krankenhaus D. A. hat unter dem 07.12.2009 bescheinigt: Ohne Bild, frische Thrombose im rechten Bein, kein klares Bild ersichtlich.

Das SG hat ein weiteres Gutachten des Orthopäden Dr. G. in Auftrag gegeben. Dieser hat in seinem Gutachten vom 20.08.2012 aufgrund einer Untersuchung der Klägerin am 17.08.2012 folgende Diagnosen gestellt: 1. Verschleißerscheinungen der Halswirbelsäule bei Spondylose und Osteochondrose in der Etage C3/4 ohne neurologische Ausfallerscheinungen an den oberen Extremitäten, 2. Periarthritis humeroscapularis links (Abnutzungserscheinungen der Weichteile des Schultergelenks) ohne wesentliche Minderung seiner Funktion 3. Implantation einer Knietotalendoprothese beiderseits mit geringer Minderung der Beweglichkeit 4. Übergewicht und Kleinwuchs. Die Klägerin sei übergewichtig und kleinwüchsig mit unproportionierter Fettansammlung im Bereich des Stammes und mit dünnen Beinen. Die Klägerin habe die Praxis watschelnd betreten, mit der rechten Hand stütze sie sich auf einen Gehstock. Der Gang unbeobachtet auf der Straße sei ebenfalls watschelnd, teilweise benütze sie den Gehstock, manchmal mache sie ein paar Schritte, ohne ihn auf den Boden zu setzen. An beiden Kniegelenken seien wegen Kniearthrose Totalendoprothesen implantiert worden (rechts 2005, links 2008). Vom klinischen Befund her sei die Beweglichkeit des linken Kniegelenks eingeschränkt (Beugung bis 90 Grad, bei voller Streckung). Das rechte Kniegelenk könne sie bis 100 Grad beugen. Radiologisch säßen die Prothesen ordnungsgemäß. Die angegebenen Beschwerden in den Kniegelenken seien funktionell und könnten weder durch den klinischen noch durch den radiologischen Befund objektiviert werden. Aufgrund der Knieoperationen und der angegebenen Beschwerden sei eine Einschränkung der Steh- und Gehfähigkeit bedingt, so dass ihr Arbeiten, bei denen sie ständig auf den Beinen sein müsse, nicht zuzumuten seien. Sie könne auch keine Tätigkeiten verrichten, welche mit häufigem Bücken, schwerem oder mittelschwerem Heben und Tragen verbunden seien. Außerdem seien kniende Tätigkeiten oder Tätigkeiten im Hocken nicht möglich. Aufgrund der Periarthritis humeroscapularis des linken Schultergelenks seien Überkopfarbeiten oder Arbeiten mit längerer Armvorhaltung unter Belastung nicht zu empfehlen. Die Klägerin könne nur leichte körperliche Tätigkeiten abwechselnd im Sitzen, im Stehen und Gehen vollschichtig durchführen. Schwere und mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes seien nicht mehr möglich, von Arbeiten mit gleichförmiger Körperhaltung sei abzuraten. Steigen auf Leitern, Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten seien wegen der Bewegungseinschränkung der Kniegelenke und des Übergewichts nicht möglich. Wegen der dabei auftretenden Zwangshaltungen sollten Arbeiten im Akkord und am Fließband nicht durchgeführt werden. Die Arbeiten dürften in Anbetracht des Alters nicht in Wechselschichten und nicht mit Nachtschichten verbunden sein. In ihrer zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Landwirtin sei die Klägerin unter drei Stunden einsetzbar, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne sie noch mindestens sechs Stunden täglich ausüben. In dem Gesundheitszustand der Klägerin sei innerhalb von drei Jahren keine nachhaltige Besserung zu erwarten. Die festgestellte Leistungseinschränkung bestehe seit März 2009. Es fänden sich keine wesentlichen Abweichungen im Vergleich zu seinem Vorgutachten vom 25.07.2009. Die Klägerin sei in der Lage, vier Mal eine Wegstrecke von über 500 Metern innerhalb von jeweils 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen und zwei Mal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten zu benutzen. Besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz bestünden nicht. Zusätzliche Arbeitspausen seien nicht erforderlich.

Mit Gerichtsbescheid vom 17.12.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin sei mit den bestehenden Gesundheitsstörungen und den daraus resultierenden qualitativen Leistungseinschränkungen in der Lage, leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden pro Arbeitstag zu verrichten, weshalb sie über den 31.12.2008 hinaus nicht erwerbsgemindert sei. Nach den durchgeführten Ermittlungen stehe für das SG fest, dass die Leistungsfähigkeit der Klägerin im Wesentlichen durch Erkrankungen auf orthopädischem Fachgebiet beeinträchtigt sei. Anhaltspunkte dafür, dass sich aus den übrigen Erkrankungen der Klägerin eine sozialmedizinisch relevante Leistungseinschränkung ergebe, seien nicht ersichtlich. Insbesondere ergebe sich eine solche nicht aus den vorgelegten ärztlichen Unterlagen. Eine Verschlechterung insbesondere des Herzleidens lasse sich diesen nicht entnehmen, so dass weiterhin davon auszugehen sei, dass sich die bestehende Gefäßerkrankung nicht wesentlich leistungsmindernd auswirke (Ergebnis der kardiologischen Untersuchungen vom 04.05.2006 und 20.07.2006). Nach Einschätzung des orthopädischen Sachverständigen Dr. G., welcher sich das SG anschließe, bestehe ein grundsätzlich sechsstündiges Leistungsvermögen für leichte, überwiegend sitzende Tätigkeiten unter Beachtung - näher ausgeführter - qualitativer Einschränkungen. Der Arbeitsmarkt sei der Klägerin auch nicht mangels Wegefähigkeit verschlossen. Nach den überzeugenden Einschätzungen des Dr. G. sei die Wegefähigkeit der Klägerin nicht mehr eingeschränkt. Auch Berufsunfähigkeit liege nicht vor. Die Klägerin könne auf alle leichten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden. Sie habe keinen Beruf erlernt und sei zuletzt als Arbeiterin in der Landwirtschaft tätig gewesen, was der Stufe einer ungelernten Arbeiterin entspreche.

Hiergegen richtet sich die am 30.01.2013 eingelegte Berufung der Klägerin. Zur Begründung trägt sie wie schon zur Klagebegründung vor, es sei nur theoretisch möglich, dass sie eine derartige Teilbeschäftigung im Sitzen durchführen könne. Mit all ihren Leiden und Beschwerden und einer dauernden und zu erwartenden Verschlechterung ihres Zustandes könne sie keinesfalls eine Arbeitstätigkeit durchführen. Es sei auf dem Arbeitsmarkt keine Tätigkeit vorhanden, die sie ausführen könne. Sie sei arbeits- und lebensunfähig und ihr stehe die Erwerbsunfähigkeitsrente zu.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 17. Dezember 2012 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Mai 2010 zu verpflichten, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 31. Dezember 2008 hinaus zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der angefochtene Gerichtsbescheid sei ihres Erachtens nicht zu beanstanden. Die umfangreichen medizinischen Unterlagen seien nicht geeignet, die Auffassung der Klägerin zu stützen. Vielmehr sei davon auszugehen, dass die Klägerin seit Januar 2009 wieder mindestens sechs Stunden täglich arbeiten könne.

Auf Anfrage des Gerichts haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des vorliegenden Berufungs- und des Klageverfahrens (S 2 R 3679/10) sowie des vorangegangenen Berufungs- und Klageverfahrens (L 9 R 1715/09 und S 20 R 2499/07) sowie der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung der Klägerin ist jedoch unbegründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG vom 17.12.2012 sowie der angefochtene Bescheid vom 26.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2010 sind nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung über den 31.12.2008 hinaus.

Gemäß § 43 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind (Satz 1 Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Satz 1 Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Satz 1 Nr. 3). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Satz 2). Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben - bei im Übrigen identischen Tatbestandsvoraussetzungen - Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Darüber hinaus ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI generell nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigten (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen (BSG, Urteile vom 09.08.2001 - B 10 LW 18/00 RSozR 3-5864 § 13 Nr. 2 m. w. N. und vom 28.08.2002 - B 5 RJ 12/02 R - Juris). Denn eine Tätigkeit zum Zweck des Gelderwerbs ist in der Regel nur außerhalb der Wohnung möglich. Das Vorhandensein eines Minimums an Mobilität ist deshalb Teil des nach § 43 SGB VI versicherten Risikos (BSG, Urteile vom 17.12.1991 - 13/5 RJ 73/90 - SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10, vom 09.08.2001 - B 10 LW 18/00 R - SozR 3-5864 § 13 Nr. 2 und vom 14.03.2002 - B 13 RJ 25/01 R - Juris); das Defizit führt zur vollen Erwerbsminderung. Hat der Versicherte keinen Arbeitsplatz und wird ihm ein solcher auch nicht konkret angeboten, bemessen sich die Wegstrecken, deren Zurücklegung ihm - auch in Anbetracht der Zumutbarkeit eines Umzugs - möglich sein muss, nach einem generalisierenden Maßstab, der zugleich den Bedürfnissen einer Massenverwaltung Rechnung trägt. Dabei wird angenommen, dass ein Versicherter für den Weg zur Arbeitsstelle öffentliche Verkehrsmittel benutzen und von seiner Wohnung zum Verkehrsmittel und vom Verkehrsmittel zur Arbeitsstelle und zurück Fußwege zurücklegen muss. Erwerbsfähigkeit setzt danach grundsätzlich die Fähigkeit des Versicherten voraus, vier Mal am Tag Wegstrecken von mehr als 500 Metern mit zumutbarem Zeitaufwand zu Fuß bewältigen und zwei Mal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren zu können. Bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten sind alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel (z. B. Gehstützen) und Beförderungsmöglichkeiten zu berücksichtigen (BSG, Urteile vom 17.12.1991 - 13/5 RJ 73/90 - SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10, vom 19.11.1997 - 5 RJ 16/97 - SozR 3-2600 § 44 Nr. 10 und vom 30.01.2002 - B 5 RJ 36/01 R - Juris). Dazu gehört auch die zumutbare Benutzung eines vorhandenen, ggf. im Rahmen der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 16 SGB VI, § 33 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 8 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX)) subventionierten Kraftfahrzeugs (vgl. BSG, Urteile vom 19.11.1997 - 5 RJ 16/97 - SozR 3-2600 § 44 Nr. 10, vom 30.01.2002 - B 5 RJ 36/01 R und vom 14.03.2002 - B 13 RJ 25/01 R - Juris).

Ein Anspruch auf Erwerbsminderungsrente setzt beweisrechtlich voraus, dass die Anspruchsvoraussetzungen im Sinne des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 25/03 R, Juris, Rn. 13), feststehen. Im Falle der Nichterweislichkeit anspruchsbegründender Tatsachen gilt auch im sozialgerichtlichen Verfahren nach ständiger Rechtsprechung des BSG (grundlegend Urteil vom 24.10.1957 - 10 RV 945/55 - und vom 20.01.1977 - 8 RU 52/76 - jeweils Juris) der Grundsatz der objektiven Beweislast, insbesondere der Feststellungslast, wonach die Folgen der Nichterweislichkeit einer Tatsache von demjenigen Beteiligten zu tragen sind, der aus dieser Tatsache ein Recht herleiten will. Eine Beweislastentscheidung setzt voraus, dass zunächst alle verfügbaren Erkenntnisquellen und Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft worden sind und sich die entscheidungserheblichen Tatsachen gleichwohl nicht feststellen lassen (vgl. BSG, Urteil vom 24.05.2006 - B 11 AL 7/05 R - Juris).

Hiervon ausgehend hat das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung bei voller oder teilweiser Erwerbsminderung sowie bei Berufungsunfähigkeit zutreffend dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch der Klägerin auf Weitergewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung für die Zeit ab 01.01.2009 nicht besteht, weil die Klägerin weder teilweise noch voll erwerbsgemindert ist und auch keinen Berufsschutz genießt. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung auch inhaltlich uneingeschränkt an, sieht deswegen gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Ergänzend ist lediglich darauf hinzuweisen, dass sich aus dem Vorbringen im Berufungsverfahren nichts Abweichendes ergibt. Wie schon zur Begründung ihrer Klage gibt die Klägerin zwar pauschal an, dass sich ihr Gesundheitszustand dauernd verschlechtere und dies auch weiter zu erwarten sei. Es ist aber weder konkret vorgetragen noch ersichtlich, dass bzw. welche Erkrankungen neu aufgetreten oder sich so verschlechtert haben sollen, dass sich daraus eine Minderung ihrer Erwerbsfähigkeit für die Zeit ab 01.01.2009 ableiten ließe. Im Gegenteil lässt sich aus den Gutachten des Dr. G., der die Klägerin in den Jahren 2007, 2009 und 2012 untersucht und begutachtet hat, sogar eine Besserung ihres Gesundheitszustandes entnehmen.

Bei der Untersuchung durch Dr. G. am 04.09.2007 hatte die Klägerin ausweislich seines Gutachtens vom 14.09.2007 bei der Bewegungsprüfung des Knies links starke Schmerzen angegeben. Die Oberschenkelmuskulatur links war atrophisch. Die Klägerin konnte sich nur unter großer Anstrengung mithilfe eines vierbeinigen Gehapparates fortbewegen. Dr. G. stützte seine damalige Einschätzung der fehlenden Wegefähigkeit der Klägerin neben dem Übergewicht und der kleinen Beinlänge maßgeblich auch auf die Kraftminderung (Muskelatrophie) der Oberschenkelmuskulatur und auf die schmerzhafte Kniearthrose links.

Im März 2008 wurde der Klägerin die Kniegelenksprothese links implantiert. Laut Gutachten vom 25.07.2009 und 20.08.2012 ist der Sitz der Prothesen der Kniegelenke beidseits ordnungsgemäß ohne Lockerungszeichen. Muskelatrophien der unteren Extremitäten stellte Dr. G. in seinen nach der Implantation durchgeführten Untersuchungen nicht mehr fest, wenn er die Oberschenkelmuskulatur bei einem Vergleich zum sonstigen voluminösen Oberkörper auch als unproportional schlank beschreibt. Auch starke Schmerzen im Bereich des linken Knies wurden nicht mehr beschrieben, die Klägerin gab nur noch endgradige Schmerzen bei der Bewegungsprüfung an. Das Gehen fiel der Klägerin leichter als noch 2007. Sie war nicht mehr auf einen vierbeinigen Gehapparat angewiesen, sondern benutzte einen Gehstock. Dr. G. gelangte auf dieser Grundlage in seinen Gutachten aus 2009 und 2012 zu dem Ergebnis, dass sich im Vergleich zur Untersuchung anlässlich des ersten Gutachtens eine Besserung insoweit ergeben habe, als die Gehfähigkeit der Klägerin nunmehr wieder in ausreichendem Maße hergestellt sei. Diese Einschätzung teilt der Senat wie auch das SG, da sie angesichts der jeweils von Dr. G. erhobenen Befunde, auch mit Blick auf die anamnestischen Angaben der Klägerin, insbesondere zu ihrem Tagesablauf, nachvollziehbar und überzeugend sind. Auch insoweit nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des SG Bezug.

Eine Erwerbsminderung in der Zeit ab 01.01.2009 ist damit nicht nachgewiesen, so dass das SG die Klage zu Recht abgewiesen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG und trägt dem Umstand Rechnung, dass die Klägerin auch im Berufungsverfahren unterlegen ist.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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