Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 4 AS 4528/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 AS 2721/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 24. Juni 2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung von Leistungen für Bildung und Teilhabe in Form einer Lernhilfe für den Zeitraum Oktober 2011 bis Juni 2012.
Der am 12.04.1995 geborene Kläger bezog in dem hier streitigen Zeitraum zusammen mit seinem Vater, seiner Mutter und seinen Geschwistern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit einem am 12.10.2011 bei der Beklagten eingegangenen Antrag vom 06.10.2011 beantragte er Leistungen für Bildung und Teilhabe nach § 28 SGB II für eine ergänzende angemessene Lernförderung. Er gab an, dass Leistungen durch das zuständige Jugendamt im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe nicht erbracht würden. Diesem Antrag fügte er eine Bestätigung der J.-Schule, S., einem beruflichen Gymnasium in der dreijährigen Aufbauform mit wirtschaftswissenschaftlicher Ausrichtung, vom 11.10.2011 bei. Darin wurde bescheinigt, dass für den Schüler A. D. eine die vorhandenen schulischen Angebote ergänzende angemessene Lernförderung geeignet und zusätzlich erforderlich sei, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele (Versetzung, Bestehen der Abschlussprüfung) zu erreichen. Es wurde eine Lernförderung (Nachhilfe) für das Unterrichtsfach Mathematik empfohlen. Angaben zum Umfang der empfohlenen Lernförderung, auch zu einem Förderzeitraum und ob besondere Anforderungen an die Art der Nachhilfe gestellt werden müssen, wurden in dem entsprechenden Formblatt nicht gemacht. Ferner war diesem Antrag der "Nachhilfe-Fördervertrag" zwischen dem Kläger und dem "I.-Nachhilfe, Integration- und Hausaufgabenförderverein e.V." (im Folgenden: I.) vom 01.10.2011 beigefügt. In diesem Vertrag war eine Vertragslaufzeit von sechs Monaten bzw. eine Vertragsdauer bis 31.03.2012 vereinbart worden mit zwei Unterrichtseinheiten pro Woche im Einzelunterricht für den Kläger durch eine studentische Lehrkraft und einem monatlichen Beitrag in Höhe von 183,60 EUR. Als Fächer waren "M, D, E" angegeben.
Der Kläger hatte zuvor die Abschlussprüfung nach Klasse 10 der Hauptschule (Werkrealschule der S. H.) mit der Gesamtnote befriedigend (2,6) am 22.07.2011 bestanden. Nachdem er das Klassenziel der Eingangsklasse der J.-Schule nicht erreicht hatte (Zeugnis der J.-Schule vom 17.07.2012), wechselte er im Schuljahr 2012/2013 an die Gewerbliche Schule für Farbe und Gestaltung S., Technisches Berufskolleg I, welche er am 19.07.2013 erfolgreich abschloss.
Mit Schreiben vom 19.12.2011 forderte die Beklagte den Kläger auf, eine vollständig ausgefüllte Anlage "Bestätigung der Schule" für die Lernförderung vorzulegen. Ferner forderte die Beklagte auf, detaillierte Rechnungen des I. vorzulegen, woraus sich auch ergebe, in welchem Fach Nachhilfe genommen worden sei. Sofern Rechnungen für die Nachhilfe ab 01.10.2011 bereits beglichen seien, sollten entsprechende Nachweise vorgelegt werden. Am 21.12.2011 ging eine weitere Bescheinigung der Schule für Lernförderbedarf auf dem entsprechenden Formblatt ein. Dort wurde erneut ein Lernförderbedarf für das Unterrichtsfach Mathematik bescheinigt. Die Fragen, ob die Versetzung/der Abschluss gefährdet sei und ob eine dauerhafte Lernschwäche oder Lernbehinderung vorliege, wurden nicht beantwortet. Die Frage, ob durch die Nachhilfe eine positive Versetzungsprognose/Schulabschlussprognose bestehe, wurde durch ein entsprechendes Kreuz im Feld "ja" beantwortet. Außerdem wurde verneint, dass geeignete kostenfreie Angebote der Schule für Lernförderung bestünden. Am 26.04.2012 ging bei der Beklagten die um die fehlenden Angaben ergänzte Bescheinigung der Schule ein. Danach bestehe im Schuljahr "11/12" für das Unterrichtsfach Mathematik ein Förderbedarf für 16 Stunden pro Monat. Es war darüber hinaus angegeben worden, dass die Versetzung/der Abschluss gefährdet sei und eine dauerhafte Lernschwäche oder Lernbehinderung vorliege. Die Fragen nach besonderen Anforderungen an die Art der Nachhilfe und der Qualifikation der Nachhilfelehrerin/des Nachhilfelehrers blieben wiederum unbeantwortet (unterschrieben von Lehrer Hahn am 20.12.2011).
Mit Bescheid vom 30.04.2012 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen für Bildung und Teilhabe in Form von Leistungen für angemessene Lernförderung (Nachhilfe) ab. Voraussetzung für die Bewilligung der Lernförderung sei u.a., dass das Lernziel (die Versetzung) gefährdet sei, dass keine dauerhafte Lernschwäche oder Lernbehinderung vorliege und dass durch eine vorübergehende Lernförderung gegengesteuert werden könne. Diese Voraussetzungen seien nicht gegeben, weil bei einem empfohlenen Förderzeitraum von zwei Schuljahren nicht nur von einer vorübergehenden Lernförderung ausgegangen werden könne. Aus der Bestätigung der Schule gehe hervor, dass eine dauerhafte Lernschwäche oder Lernbehinderung vorliege.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und wies darauf hin, dass die Gefährdung der Versetzung vom Lehrer formgerecht bestätigt worden sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.08.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Ergänzend führte sie aus, dass außerschulische Lernförderung nach dem Willen des Gesetzgebers als Mehrbedarf nur in Ausnahmefällen geeignet und erforderlich und somit notwendig sei. In der Regel sei sie nur kurzzeitig notwendig, um vorübergehende Lernschwächen zu beheben. Sie solle unmittelbare schulische Angebote lediglich ergänzen. Die unmittelbaren schulischen Angebote hätten in jedem Fall Vorrang und nur dann, wenn diese im konkreten Einzelfall nicht ausreichten, komme außerschulische Lernförderung in Betracht. Die Geeignetheit und Erforderlichkeit der Lernförderung beziehe sich auf das wesentliche Lernziel, das sich wiederum im Einzelfall je nach Schulform und Klassenstufe aus den schulrechtlichen Bestimmungen des jeweiligen Landes ergebe. Das wesentliche Lernziel in der jeweiligen Klassenstufe sei regelmäßig die Versetzung in die nächsthöhere Klassenstufe bzw. ein ausreichendes Leistungsniveau. Es sei damit eine auf das Schuljahresende bezogene prognostische Einschätzung unter Einbeziehung der schulischen Förderangebote zu treffen. Sei im Zeitpunkt der Bedarfsfeststellung diese Prognose negativ, bestehe kein Anspruch auf Lernförderung. Die Schule habe das Vorliegen einer dauerhaften Lernschwäche oder Lernbehinderung angekreuzt. Nachhilfe werde im Fach Mathematik benötigt. Dies führe zu einer erheblichen Einschränkung der schulischen Leistungsfähigkeit. Das Kriterium der Kurzzeitigkeit sei bei einer Lernförderung über einen im konkreten Fall von insgesamt über zwölf Monaten in zwei aufeinanderfolgenden Schuljahren währenden Zeitraum nicht mehr erfüllt. Die Regelung des § 28 Abs. 5 SGB II diene nicht dazu, strukturelle Schwächen des Bildungssystems und des Mitteleinsatzes dort breitflächig und regelmäßig über das System der Grundsicherung aufzufangen. Schüler sollten also nicht womöglich über Jahre hinweg unter Einsatz von Mitteln, die dem SGB II entstammen, in Schulformen hineingedrückt oder gehalten werden, die ihrem persönlichen, im Rahmen des normalen Schulsystems zu weckenden Leistungsvermögen unangemessen seien.
Hiergegen hat der Kläger am 15.08.2012 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben.
Der Kläger hat erneut auf die Bestätigung seines Lehrers verwiesen und ergänzend darauf hingewiesen, dass er schon für das Schuljahr 2010/2011 einen Antrag beim Jobcenter abgegeben habe, nachdem sein Werkrealschullehrer empfohlen habe, seine schulischen Leistungen durch eine Nachhilfe zu fördern. Dieser Antrag sei jedoch abgelehnt worden. Trotz dieser Ablehnung habe er seinen Nachhilfeunterricht weitergeführt, seine Noten hätten sich verbessert und er habe die Klasse bestanden. Im Schuljahr 2011/2012 habe er wieder nach Empfehlung des Gymnasiallehrers die Nachhilfe besucht. Er habe deshalb wieder einen Antrag gestellt, der jedoch wiederum abgelehnt worden sei. Durch die Nachhilfe im Fach Mathematik hätten sich seine Noten verbessert. Er sei jedoch wegen mangelhafter Noten in den Fächern Deutsch, Englisch und Biologie sitzen geblieben. Er hätte zwar weiterhin das Wirtschaftsgymnasium besuchen können, habe sich jedoch zu einem Schulwechsel entschlossen und besuche derzeit das Berufskolleg. Insoweit hat er Bescheinigungen über den Schulbesuch an der Gewerblichen Schule für Farbe und Gestaltung S., das Zwischen- und Abschlusszeugnis der Werkrealschule (S. H.) sowie die Bestätigung des Klassenlehrers der Klasse 10 vom 30.03.2010 über die Notwendigkeit einer Nachhilfe vorgelegt. Darin führte dieser aus, der Kläger brauche eine zusätzliche Förderung in den Hauptfächern in der Klassenstufe 10 der Werkrealschule, um sich erfolgreich an einer weiterführenden Schule anmelden zu können. Die weiterführenden Schulen wären zum einen ein zweijähriges Berufskolleg, zum anderen ein dreijähriges Gymnasium. Die Leistungen hätten sich in den einzelnen Fächern im laufenden Schuljahr 2010/11 durch die Nachhilfe verbessert. Sofern sich die Noten des Abschlusszeugnisses gegenüber den Noten des Halbjahreszeugnisses nicht verschlechterten, könne der Kläger ein Gymnasium im neuen Schuljahr besuchen. Der Kläger hat schließlich die Halbjahresinformation vom 24.01.2012 (mit der Bemerkung, dass die Versetzung des Klägers gefährdet und ein Gespräch mit den Eltern erwünscht sei, wegen der erreichten Noten wird auf Blatt 27 der SG-Akte verwiesen) sowie das Zeugnis der J.-Schule vorgelegt (mit der Bemerkung, dass der Kläger das Klassenziel nicht erreicht habe).
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat darauf hingewiesen, dass unter Berücksichtigung der vorliegenden Zeugnisse auch aufgrund einer rückblickenden Prognose eine Übernahme der Kosten für eine Lernförderung nicht möglich gewesen wäre. Dies insbesondere deswegen, weil der Kläger im Halbjahreszeugnis in insgesamt sechs von zwölf Fächern noch nicht einmal eine ausreichende Leistung erbracht habe. Eine Prognose, inwieweit eine Förderung allein des Fachs Mathematik zu einer Versetzung geführt hätte, wäre negativ ausgefallen, weil die schlechten, die Versetzung verhindernden Noten im Übrigen bestehen geblieben wären. Es sei prognostisch ausgeschlossen, dass der Kläger sich in drei Hauptfächern und drei Nebenfächern so stark hätte verbessern können, dass eine Versetzung noch hätte erfolgen können.
Mit Gerichtsbescheid vom 24.06.2013 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung keine positive Prognose hinsichtlich der Versetzung des Klägers in die nächste Klassenstufe habe getroffen werden können. Die beantragte Lernförderung sei daher nicht erforderlich gewesen. Dem Kläger sei von seinem Lehrer eine dauerhafte Lernschwäche bescheinigt worden, sodass die Notwendigkeit einer kurzfristigen Lernförderung als zweifelhaft erscheine, um ein angemessenes Leistungsniveau des Klägers und seinen Verbleib auf dem Gymnasium sicherzustellen. Nach Auffassung des Gerichts sei der Kläger mit dem Wirtschaftsgymnasium überfordert gewesen und eine Lernförderung nicht zielführend, was sich letztlich auch durch die Nichtversetzung des Klägers in die zwölfte Klasse trotz Teilnahme an der Nachhilfe bestätigt habe. Sei im Zeitpunkt der Bedarfsfeststellung die Prognose negativ, könne kein Anspruch auf eine Lernförderung bestehen. In der Gesamtschau habe, gestützt auf die vorgelegten Zeugnisse der Klassenstufe 11, nach Überzeugung der Kammer eine positive Prognose nicht gestellt werden können.
Hiergegen hat der Kläger am 03.07.2013 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt.
Er hält an seinem bisherigen Begehren fest und macht geltend, die Noten seien durch die Nachhilfe im Fach Mathematik viel besser geworden. Er mache daher die Übernahme der Kosten für die Mathematiknachhilfe in voller Höhe für zwei Jahre geltend.
Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten. Unter Wiederholung und Vertiefung des bisherigen Vortrages weist sie darauf hin, dass das Begehren der Übernahme der Kosten für die Mathematiknachhilfe für zwei Jahre nicht vom ursprünglichen Antrag des Klägers auf Lernförderung umfasst sei. Die Anträge könnten nur maximal bis zum Ende des Schuljahres gelten. Im Übrigen sei durch den Schulartwechsel eine wesentliche Änderung eingetreten. Der Kläger habe auch zu keinem weiteren Zeitpunkt erneut einen Antrag auf Lernförderung gestellt.
Mit den Beteiligten wurde der Sach- und Streitstand am 29.10.2013 erörtert. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift vom 29.10.2013 verwiesen.
Ergänzend hat der Kläger die Bescheinigungen des I. vom 15.11.2013 vorgelegt, wonach ihm Nachhilfe in Mathematik für einen monatlichen Beitrag in Höhe von 183,00 EUR vom 01.10.2011 bis 01.06.2012 erteilt worden sei und sich die Kosten für Nachhilfe in Mathematik im Zeitraum vom 01.09.2010 bis zum 01.06.2011 auf monatlich 192,00 EUR beliefen.
Der Kläger beantragt zuletzt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 24. Juni 2013 sowie den Bescheid vom 30. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2012 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die Kosten für die Lernförderung im Zeitraum Oktober 2011 bis Juni 2012 zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat mit Schriftsatz vom 26.11.2013 zur Sach- und Rechtslage nochmals ausführlich Stellung genommen. Einen Vergleichsvorschlag der Beklagten, ihm 367,20 EUR zu erstatten, hat der Kläger abgelehnt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Gegenstand des Rechtsstreits ist die Übernahme der im Zeitraum vom 01.10.2011 bis 01.06.2012 vom Kläger aufgewendeten Kosten für eine Lernförderung im Fach Mathematik bei dem I. in Höhe von monatlich 183,00 EUR, wie dieser dies unter dem 15.03.2013 bescheinigt hat (Bl. 48 der Senatsakten). Insofern handelt es sich auch um einen von der Gewährung von Arbeitslosengeld II im Sinne des § 19 SGB II abtrennbaren und isoliert durchsetzbaren Anspruch (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 10.09.2013, B 4 AS 12/13 R, in Juris, dort Rn. 13 ff.). Nur für den genannten Zeitraum liegt ein nach § 37 Abs. 1 Satz 2 SGB II erforderlicher Antrag des Klägers vor (06.10.2011, bei der Beklagten am 12.10.2011 eingegangen), was schon daraus folgt, dass der Kläger (nur) den Nachhilfe-Fördervertrag mit dem I. vom 01.10.2011 mit einer Vertragsdauer bis 31.03.2012 vorgelegt hat, wobei der Senat auch ohne Vorlage eines weiteren Vertrages davon ausgeht, dass auch die Lernförderung in den Monaten April bis 1. Juni 2012 und damit das laufende Schuljahr betreffend, noch Gegenstand des Verfahrens ist. Ein Antrag für die Lernförderung im Zeitraum vom 01.09.2010 bis 01.06.2011 (Bescheinigung des I. vom 15.11.2013, Bl. 49 der Senatsakte) liegt hingegen nicht vor und war auch nicht Gegenstand der Entscheidung der Beklagten und auch nicht des Sozialgerichts. Die vom Kläger im Berufungsverfahren zunächst geltend gemachte Klageerweiterung (§ 99 SGG) auch auf diesen Zeitraum ist ungeachtet der Tatsache, dass sich die Beklagte hierauf nicht eingelassen hat, bereits mangels des erforderlichen Vorverfahrens (§ 78 SGG) unzulässig gewesen. Dem hat der Kläger mit seinem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag Rechnung getragen.
Anspruchsgrundlage für die begehrte Förderung ist § 28 Abs. 1 i.V.m. § 28 Abs. 5 SGB II in der seit 01.01.2011 geltenden Fassung (des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011, BGBl I, 453). Danach wird eine schulische Angebote ergänzende angemessene Lernförderung bei Schülerinnen und Schülern berücksichtigt, soweit diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen. Voraussetzung ist zudem, dass der Antragsteller Schüler einer allgemeinbildenden Schule ist, das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat und keine Ausbildungsvergütung erhält, was hier der Fall ist. Der Kläger bezog in dem hier streitigen Zeitraum zudem Leistungen nach dem SGB II.
Der Nachhilfeunterricht bei dem I. stellt eine schulische Angebote ergänzende Lernförderung dar. Mit diesem Kriterium soll sichergestellt werden, dass zunächst schulische Angebote wahrgenommen und ausgeschöpft werden, um die bei dem/der Schüler/in vorhandenen Defizite auszugleichen, bevor außerschulische Lernförderung in Anspruch genommen wird (BT-Drs. 17/3404 S. 105). An der vom Kläger besuchten Schule wurde jedoch keine geeignete zusätzliche Lernförderung angeboten, wie der am 26.04.2012 eingegangenen Bestätigung der Schule entnommen werden kann.
Der Senat kann es dahingestellt sein lassen, ob dem Kläger schon entgegen gehalten werden kann, dass er sich mit dem Abschluss des Nachhilfe-Fördervertrages mit dem I. am 01.10.2011 bereits vertraglich gebunden hatte, bevor er den Antrag bei der Beklagten stellte (dort eingegangen am 12.01.2011). Denn damit hat der Kläger die an sich unbare Leistungsgewährung, insbesondere in Form von personalisierten Gutscheinen oder Direktzahlungen an den Anbieter durch die Beklagte und damit die vom Gesetzgeber vorgeschriebene Gewährung dieser Leistung als Sach- und Dienstleistung (vgl. § 29 SGB II), umgangen. Ein deshalb auf Kostenerstattung gerichteter Anspruch nach der Selbstbeschaffung setzt regelmäßig die Selbstbeschaffung einer unaufschiebbaren Sozialleistung voraus und dass der Träger zuvor mit dem Leistungsbegehren befasst war, weswegen eine Kostenerstattung grundsätzlich erst nach einer rechtswidrigen Leistungsablehnung in Betracht kommt (vgl. Luik in Eicher, SGB II, Grundsicherung für Arbeitsuchende, 3. Auflage, § 29 Rn. 19, BSG, Urteil vom 23.05.2013, B 4 AS 79/13 R, in Juris). § 30 SGB II, der die Voraussetzungen einer Erstattung für in Vorleistung getretene leistungsberechtigte Personen nunmehr regelt, ist zudem erst am 01.08.2013 in Kraft getreten.
Dem geltend gemachten Anspruch steht aber schon entgegen, dass die begehrte Lernhilfe nicht geeignet war, die nach den schulrechtlichen Vorschriften festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen.
Das wesentliche Lernziel in der jeweiligen Klassenstufe ist regelmäßig die Versetzung in die nächste Klassenstufe bzw. ein ausreichendes Leistungsniveau (Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 26.10.2010, BT-Drs. 17/3404, S. 105). Nach der Verordnung über die Versetzung an beruflichen Gymnasien vom 19.09.1999 in der Fassung vom 05.12.2002 (BerGymVersV BW) wird in die nächsthöhere Klasse und in die erste Jahrgangsstufe der Qualifikationsphase nur versetzt, wer auf Grund der Leistungen in den für die Versetzung maßgebenden Fächern den Anforderungen im laufenden Schuljahr im Ganzen entsprochen hat und deshalb erwarten lässt, den Anforderungen der nächsthöheren Klasse oder Jahrgangsstufe zu genügen (§ 4 Abs. 1 BerGymVersV BW). Die Voraussetzungen nach Absatz 1 liegen vor, wenn im Jahreszeugnis 1. der Durchschnitt aus den Noten aller maßgebenden Fächer 4,0 oder besser ist, 2. der Durchschnitt aus den Noten der Kernfächer 4,0 oder besser ist, 3. die Leistungen in keinem Kernfach mit der Note »ungenügend« bewertet sind und 4. die Leistungen in nicht mehr als einem maßgebenden Fach geringer als mit der Note »ausreichend« bewertet sind; sind die Leistungen in zwei maßgebenden Fächern geringer als mit der Note »ausreichend« bewertet, so erfolgt eine Versetzung, wenn für beide Fächer ein Ausgleich gegeben ist. Ausgeglichen werden können a) die Note »ungenügend« in einem Fach, das nicht Kernfach ist, durch die Note »sehr gut« in einem anderen maßgebenden Fach oder die Note »gut« in zwei anderen maßgebenden Fächern, b) die Note »mangelhaft« in einem Kernfach durch mindestens die Note »gut« in einem anderen Kernfach, c) die Note »mangelhaft« in einem Fach, das nicht Kernfach ist, durch mindestens die Note »gut« in einem anderen maßgebenden Fach oder die Note »befriedigend« in zwei anderen maßgebenden Fächern.
Bei der Frage nach der Geeignetheit ist eine auf das Schuljahresende bezogene prognostische Einschätzung unter Einbeziehung der schulischen Förderangebote zu treffen. Ist im Zeitpunkt der Bedarfsfeststellung diese Prognose negativ, besteht kein Anspruch auf Lernförderung. Gleiches gilt (erst Recht), wenn das Lernziel objektiv nicht mehr erreicht werden kann (vgl. die Gesetzesbegründung zu § 28 Abs. 5 SGB II, a. a. O.). Daher ist die Maßnahme nur dann geeignet, wenn die Person des Antragstellers prognostisch die Gewähr dafür bietet, dass die Nachhilfe (noch) etwas bewirken wird (vgl. Luik in Eicher, a.a.O., § 28 Rn 43). Die Prognose ist gerichtlich voll überprüfbar. Dabei besteht kein Beurteilungsspielraum der Grundsicherungsträger, weil im Rahmen der zu treffenden Entscheidung ein besonderer Erkenntnisvorsprung der Behörde nicht ersichtlich ist (str., wie hier vgl. Lenze in Münder, SGB II, 5. Auflage, § 28 Rn. 27 m.w.N., BSG, Urteil vom 11.05.2000, B 7 AL 18/99 R, in Juris; a. A. Loose in Hohm, Gemeinschaftskommentar zum SGB II, Stand Okt. 2014, § 28 Rn. 105).
Die Prognoseentscheidung der Beklagten erweist sich im Ergebnis als zutreffend, auch wenn die Beklagte allein auf die von der Schule bescheinigte "dauerhafte Lernschwäche oder Lernbehinderung" abgestellt hat. Der Senat kann dahingestellt sein lassen, ob das allein in der Gesetzesbegründung aufgeführte Kriterium der "Kurzzeitigkeit" einer Förderung tatsächlich ein den Tatbestand des § 28 Abs. 5 SGB II eingrenzendes Element darstellt (vgl. hierzu Lenze, a.a.O., § 28 Rn. 29). Denn die beantragte Lernförderung im Fach Mathematik erweist sich schon nicht als geeignet, das Lernziel des besuchten Gymnasiums zu erreichen, weil der Kläger nach seinen gezeigten Leistungen in den für die Versetzung maßgebenden Fächern den Anforderungen im laufenden Schuljahr im Ganzen nicht entsprochen hat. Hierauf deutet zwar schon die Leistungseinschätzung hin, die der Lehrer H. in dem zuletzt und nunmehr vervollständigt eingereichten Formular beschrieben hat (nämlich, dass der Kläger unter einer dauerhaften Lernschwäche litt). Durch das vor der Entscheidung der Beklagten über den Antrag vorliegende, der Beklagten aber vom Kläger nicht vorgelegte und von ihr auch nicht beigezogene Zwischenzeugnis der J.-Schule vom 24.01.2012 wird aber nicht nur der bescheinigte Förderbedarf im Fach Mathematik bestätigt, sondern dass beim Kläger erhebliche Defizite darüber hinaus in allen Kernfächern (vgl. § 3 Abs. 2 Nr. 1 f) BerGymVersV BW: Kernfächer sind Deutsch, die Pflichtfremdsprache [hier: Englisch], Mathematik und Wirtschaft) sowie in den Fächern Biologie und Informatik bestanden. Dieses Zwischenzeugnis belegt aufgrund der vom Kläger gezeigten Leistungen (Deutsch 4-5, Englisch 5, Geschichte/Gemeinschaftskunde 5+, Ethik 3-4, Wirtschaft 4+, Mathematik 5-6, Physik 4+, Chemie 3, Biologie 5-6, Informatik 4-5, Sport 2, Wahlpflichtfach: Spanisch/Niveau B 3-4), dass dieser nach Besuch der Werkrealschule, für die er nach eigenen Angaben ebenfalls bereits einer Förderung in Mathematik bedurfte, mit der gymnasialen Oberstufe überfordert war und es nicht allein der Nachhilfe in Mathematik, wie beantragt und vom Lehrer fälschlicherweise bestätigt, bedurfte, sondern erhebliche Defizite in nahezu allen Unterrichtsfächern bestanden. Von den oben in § 4 Abs. 1 BerGymVersV BW genannten Voraussetzungen und Ausgleichsmöglichkeiten waren zum Zeitpunkt des Zwischenzeugnisses keine erfüllt. Damit erweist sich nicht nur die vom Kläger beantragte und von der Schule befürwortete Förderung im Fach Mathematik als ungeeignet, sondern nach Überzeugung des Senats jede Förderung in der Eingangsklasse des gewählten Gymnasiums als nicht zielführend. Denn eine Versetzung in die nächsthöhere Klassenstufe - und um nichts anderes konnte es dem Kläger angesichts der gezeigten Leistungen gehen - war (trotz der in Anspruch genommenen Nachhilfe im Fach Mathematik) angesichts der Defizite in den anderen Fachbereichen nicht zu erreichen. Bezeichnend ist, dass der Kläger, obwohl ihm dieses Zeugnis noch vor der Entscheidung der Beklagten vorgelegen hatte und in diesem auf die erheblich gefährdete Versetzung bereits hingewiesen wurde, weder eine Erweiterung des Bedarfes bei der Beklagten angemeldet noch er sich eigenständig um eine Förderung in den anderen Fachbereichen bemüht hat. Der Senat kann daraus nur schließen, dass der Kläger bereits zu diesem Zeitpunkt erkannt hatte, dass ein weiterer Verbleib am Gymnasium nicht erfolgversprechend sein würde und dass er sich zudem entschieden hatte, vom Gymnasium abzugehen und das einjährige Berufskolleg zu besuchen. Unverständlich ist zudem, dass die Schule in den vorgelegten Bescheinigungen nicht schon dezidiert auf die über das Fach Mathematik hinausgehenden Einschränkungen hingewiesen hat. Die Förderungsvoraussetzungen lagen aber objektiv schon deshalb nicht vor, weil abzusehen war, dass der Kläger das Klassenziel nicht mehr erreichen konnte und wohl auch nicht mehr wollte. Hiervon hätte er die Beklagte unverzüglich in Kenntnis setzen müssen. In diesem Zusammenhang dürfte auch die vor der Entscheidung der Beklagten eingegangene vertragliche Bindung des Klägers mit dem I. und die bereits eingegangenen Verbindlichkeiten zu sehen sein.
Der Senat sieht sich nicht gehindert, diese Umstände zu berücksichtigen, obwohl sie erst im erstinstanzlichen Verfahren bekannt wurden und damit im Rahmen der Prognoseentscheidung der Beklagten keine Berücksichtigung gefunden haben. Wie bereits ausgeführt ist eine Prognoseentscheidung vom Gericht in vollem Umfang überprüfbar. Damit sind zur Überprüfung der Prognoseentscheidung jedenfalls auch alle die nach einer Amtsermittlung des Gerichts oder durch sonstige Umstände bekanntgewordenen Tatsachen zu berücksichtigen, die im Rahmen einer nicht oder nicht ausreichend erfolgten Amtsermittlung der Behörde hätten berücksichtigt werden können oder müssen. Ergibt sich nach einer solchen, dass die Beklagte bei ihrer Prognoseentscheidung nicht alle relevanten Aspekte berücksichtigt hat und ist sie deshalb zu Unrecht von einer unzutreffenden negativen Prognose ausgegangen, ist dieses ebenso zu korrigieren, wie eine auf nicht ausreichenden Grundlagen getroffene Entscheidung im Grundsatz zu halten ist, wenn sich diese durch weitere, im Rahmen und zum Zeitpunkt der Prognoseentscheidung an sich zu berücksichtigende Umstände als zutreffend erweist. Der Senat kann deswegen dahinstehen lassen, ob die Angaben in der erst am 26.04.2012 zu den Akten gereichten, nunmehr vom Lehrer korrigierten bzw. ergänzten Bescheinigung ausreichend gewesen sind, eine - negative - Prognose zweifelsfrei für das bereits fast beendete Schuljahr abgeben zu können, zumal dieser Lehrer sogar noch eine positive Versetzungsprognose bescheinigte. Denn eine solche positive Versetzungsprognose war objektiv und durch das Zwischenzeugnis belegt unzutreffend. Bereits in den Monaten vor diesem Leistungsnachweis musste nicht nur der Schule, sondern auch dem Kläger und seinen damaligen Erziehungsberechtigten bewusst gewesen sein, dass die Versetzung nicht nur gefährdet, sondern aufgrund der erheblichen Defizite in nahezu allen maßgebenden Fächern hochgradig unwahrscheinlich war. Dies gilt gerade mit Blick auf die allein begehrte Förderung im Fach Mathematik, mit der eine Versetzung ohnehin nicht zu erreichen war. Hierüber hat der Kläger (oder seine Erziehungsberechtigten) die Beklagte nicht aufgeklärt, er hat auch keinen weitergehenden Förderbedarf angemeldet. Gemessen am Lernziel des besuchten Gymnasiums mit der Versetzung in die nächste Klassenstufe bestand unter Berücksichtigung dessen zu keinem Zeitpunkt ein Bedarf für eine nur punktuelle Förderung nur im Fach Mathematik, weswegen die Entscheidung der Beklagten im Ergebnis auch nicht beanstandet werden kann. Es muss deshalb auch nicht abschließend geklärt werden, auf welchen Zeitpunkt die Bedarfsfeststellung abzustellen hat und ob grundsätzlich auch in diesem Rahmen der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgebend ist (vgl. zur Förderung einer Bildungsmaßnahme, BSG, Urteil vom 11.05.2000, a.a.O.).
Die Berufung des Klägers war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung, die dieses Ergebnis berücksichtigt, beruht auf § 193 SGG. Für eine Kostenbeteiligung der Beklagten sieht der Senat insoweit keinen Raum, nachdem der Kläger die Beklagte über Defizite in weiteren Fächern nicht aufgeklärt hat.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung von Leistungen für Bildung und Teilhabe in Form einer Lernhilfe für den Zeitraum Oktober 2011 bis Juni 2012.
Der am 12.04.1995 geborene Kläger bezog in dem hier streitigen Zeitraum zusammen mit seinem Vater, seiner Mutter und seinen Geschwistern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit einem am 12.10.2011 bei der Beklagten eingegangenen Antrag vom 06.10.2011 beantragte er Leistungen für Bildung und Teilhabe nach § 28 SGB II für eine ergänzende angemessene Lernförderung. Er gab an, dass Leistungen durch das zuständige Jugendamt im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe nicht erbracht würden. Diesem Antrag fügte er eine Bestätigung der J.-Schule, S., einem beruflichen Gymnasium in der dreijährigen Aufbauform mit wirtschaftswissenschaftlicher Ausrichtung, vom 11.10.2011 bei. Darin wurde bescheinigt, dass für den Schüler A. D. eine die vorhandenen schulischen Angebote ergänzende angemessene Lernförderung geeignet und zusätzlich erforderlich sei, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele (Versetzung, Bestehen der Abschlussprüfung) zu erreichen. Es wurde eine Lernförderung (Nachhilfe) für das Unterrichtsfach Mathematik empfohlen. Angaben zum Umfang der empfohlenen Lernförderung, auch zu einem Förderzeitraum und ob besondere Anforderungen an die Art der Nachhilfe gestellt werden müssen, wurden in dem entsprechenden Formblatt nicht gemacht. Ferner war diesem Antrag der "Nachhilfe-Fördervertrag" zwischen dem Kläger und dem "I.-Nachhilfe, Integration- und Hausaufgabenförderverein e.V." (im Folgenden: I.) vom 01.10.2011 beigefügt. In diesem Vertrag war eine Vertragslaufzeit von sechs Monaten bzw. eine Vertragsdauer bis 31.03.2012 vereinbart worden mit zwei Unterrichtseinheiten pro Woche im Einzelunterricht für den Kläger durch eine studentische Lehrkraft und einem monatlichen Beitrag in Höhe von 183,60 EUR. Als Fächer waren "M, D, E" angegeben.
Der Kläger hatte zuvor die Abschlussprüfung nach Klasse 10 der Hauptschule (Werkrealschule der S. H.) mit der Gesamtnote befriedigend (2,6) am 22.07.2011 bestanden. Nachdem er das Klassenziel der Eingangsklasse der J.-Schule nicht erreicht hatte (Zeugnis der J.-Schule vom 17.07.2012), wechselte er im Schuljahr 2012/2013 an die Gewerbliche Schule für Farbe und Gestaltung S., Technisches Berufskolleg I, welche er am 19.07.2013 erfolgreich abschloss.
Mit Schreiben vom 19.12.2011 forderte die Beklagte den Kläger auf, eine vollständig ausgefüllte Anlage "Bestätigung der Schule" für die Lernförderung vorzulegen. Ferner forderte die Beklagte auf, detaillierte Rechnungen des I. vorzulegen, woraus sich auch ergebe, in welchem Fach Nachhilfe genommen worden sei. Sofern Rechnungen für die Nachhilfe ab 01.10.2011 bereits beglichen seien, sollten entsprechende Nachweise vorgelegt werden. Am 21.12.2011 ging eine weitere Bescheinigung der Schule für Lernförderbedarf auf dem entsprechenden Formblatt ein. Dort wurde erneut ein Lernförderbedarf für das Unterrichtsfach Mathematik bescheinigt. Die Fragen, ob die Versetzung/der Abschluss gefährdet sei und ob eine dauerhafte Lernschwäche oder Lernbehinderung vorliege, wurden nicht beantwortet. Die Frage, ob durch die Nachhilfe eine positive Versetzungsprognose/Schulabschlussprognose bestehe, wurde durch ein entsprechendes Kreuz im Feld "ja" beantwortet. Außerdem wurde verneint, dass geeignete kostenfreie Angebote der Schule für Lernförderung bestünden. Am 26.04.2012 ging bei der Beklagten die um die fehlenden Angaben ergänzte Bescheinigung der Schule ein. Danach bestehe im Schuljahr "11/12" für das Unterrichtsfach Mathematik ein Förderbedarf für 16 Stunden pro Monat. Es war darüber hinaus angegeben worden, dass die Versetzung/der Abschluss gefährdet sei und eine dauerhafte Lernschwäche oder Lernbehinderung vorliege. Die Fragen nach besonderen Anforderungen an die Art der Nachhilfe und der Qualifikation der Nachhilfelehrerin/des Nachhilfelehrers blieben wiederum unbeantwortet (unterschrieben von Lehrer Hahn am 20.12.2011).
Mit Bescheid vom 30.04.2012 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen für Bildung und Teilhabe in Form von Leistungen für angemessene Lernförderung (Nachhilfe) ab. Voraussetzung für die Bewilligung der Lernförderung sei u.a., dass das Lernziel (die Versetzung) gefährdet sei, dass keine dauerhafte Lernschwäche oder Lernbehinderung vorliege und dass durch eine vorübergehende Lernförderung gegengesteuert werden könne. Diese Voraussetzungen seien nicht gegeben, weil bei einem empfohlenen Förderzeitraum von zwei Schuljahren nicht nur von einer vorübergehenden Lernförderung ausgegangen werden könne. Aus der Bestätigung der Schule gehe hervor, dass eine dauerhafte Lernschwäche oder Lernbehinderung vorliege.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und wies darauf hin, dass die Gefährdung der Versetzung vom Lehrer formgerecht bestätigt worden sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.08.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Ergänzend führte sie aus, dass außerschulische Lernförderung nach dem Willen des Gesetzgebers als Mehrbedarf nur in Ausnahmefällen geeignet und erforderlich und somit notwendig sei. In der Regel sei sie nur kurzzeitig notwendig, um vorübergehende Lernschwächen zu beheben. Sie solle unmittelbare schulische Angebote lediglich ergänzen. Die unmittelbaren schulischen Angebote hätten in jedem Fall Vorrang und nur dann, wenn diese im konkreten Einzelfall nicht ausreichten, komme außerschulische Lernförderung in Betracht. Die Geeignetheit und Erforderlichkeit der Lernförderung beziehe sich auf das wesentliche Lernziel, das sich wiederum im Einzelfall je nach Schulform und Klassenstufe aus den schulrechtlichen Bestimmungen des jeweiligen Landes ergebe. Das wesentliche Lernziel in der jeweiligen Klassenstufe sei regelmäßig die Versetzung in die nächsthöhere Klassenstufe bzw. ein ausreichendes Leistungsniveau. Es sei damit eine auf das Schuljahresende bezogene prognostische Einschätzung unter Einbeziehung der schulischen Förderangebote zu treffen. Sei im Zeitpunkt der Bedarfsfeststellung diese Prognose negativ, bestehe kein Anspruch auf Lernförderung. Die Schule habe das Vorliegen einer dauerhaften Lernschwäche oder Lernbehinderung angekreuzt. Nachhilfe werde im Fach Mathematik benötigt. Dies führe zu einer erheblichen Einschränkung der schulischen Leistungsfähigkeit. Das Kriterium der Kurzzeitigkeit sei bei einer Lernförderung über einen im konkreten Fall von insgesamt über zwölf Monaten in zwei aufeinanderfolgenden Schuljahren währenden Zeitraum nicht mehr erfüllt. Die Regelung des § 28 Abs. 5 SGB II diene nicht dazu, strukturelle Schwächen des Bildungssystems und des Mitteleinsatzes dort breitflächig und regelmäßig über das System der Grundsicherung aufzufangen. Schüler sollten also nicht womöglich über Jahre hinweg unter Einsatz von Mitteln, die dem SGB II entstammen, in Schulformen hineingedrückt oder gehalten werden, die ihrem persönlichen, im Rahmen des normalen Schulsystems zu weckenden Leistungsvermögen unangemessen seien.
Hiergegen hat der Kläger am 15.08.2012 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben.
Der Kläger hat erneut auf die Bestätigung seines Lehrers verwiesen und ergänzend darauf hingewiesen, dass er schon für das Schuljahr 2010/2011 einen Antrag beim Jobcenter abgegeben habe, nachdem sein Werkrealschullehrer empfohlen habe, seine schulischen Leistungen durch eine Nachhilfe zu fördern. Dieser Antrag sei jedoch abgelehnt worden. Trotz dieser Ablehnung habe er seinen Nachhilfeunterricht weitergeführt, seine Noten hätten sich verbessert und er habe die Klasse bestanden. Im Schuljahr 2011/2012 habe er wieder nach Empfehlung des Gymnasiallehrers die Nachhilfe besucht. Er habe deshalb wieder einen Antrag gestellt, der jedoch wiederum abgelehnt worden sei. Durch die Nachhilfe im Fach Mathematik hätten sich seine Noten verbessert. Er sei jedoch wegen mangelhafter Noten in den Fächern Deutsch, Englisch und Biologie sitzen geblieben. Er hätte zwar weiterhin das Wirtschaftsgymnasium besuchen können, habe sich jedoch zu einem Schulwechsel entschlossen und besuche derzeit das Berufskolleg. Insoweit hat er Bescheinigungen über den Schulbesuch an der Gewerblichen Schule für Farbe und Gestaltung S., das Zwischen- und Abschlusszeugnis der Werkrealschule (S. H.) sowie die Bestätigung des Klassenlehrers der Klasse 10 vom 30.03.2010 über die Notwendigkeit einer Nachhilfe vorgelegt. Darin führte dieser aus, der Kläger brauche eine zusätzliche Förderung in den Hauptfächern in der Klassenstufe 10 der Werkrealschule, um sich erfolgreich an einer weiterführenden Schule anmelden zu können. Die weiterführenden Schulen wären zum einen ein zweijähriges Berufskolleg, zum anderen ein dreijähriges Gymnasium. Die Leistungen hätten sich in den einzelnen Fächern im laufenden Schuljahr 2010/11 durch die Nachhilfe verbessert. Sofern sich die Noten des Abschlusszeugnisses gegenüber den Noten des Halbjahreszeugnisses nicht verschlechterten, könne der Kläger ein Gymnasium im neuen Schuljahr besuchen. Der Kläger hat schließlich die Halbjahresinformation vom 24.01.2012 (mit der Bemerkung, dass die Versetzung des Klägers gefährdet und ein Gespräch mit den Eltern erwünscht sei, wegen der erreichten Noten wird auf Blatt 27 der SG-Akte verwiesen) sowie das Zeugnis der J.-Schule vorgelegt (mit der Bemerkung, dass der Kläger das Klassenziel nicht erreicht habe).
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat darauf hingewiesen, dass unter Berücksichtigung der vorliegenden Zeugnisse auch aufgrund einer rückblickenden Prognose eine Übernahme der Kosten für eine Lernförderung nicht möglich gewesen wäre. Dies insbesondere deswegen, weil der Kläger im Halbjahreszeugnis in insgesamt sechs von zwölf Fächern noch nicht einmal eine ausreichende Leistung erbracht habe. Eine Prognose, inwieweit eine Förderung allein des Fachs Mathematik zu einer Versetzung geführt hätte, wäre negativ ausgefallen, weil die schlechten, die Versetzung verhindernden Noten im Übrigen bestehen geblieben wären. Es sei prognostisch ausgeschlossen, dass der Kläger sich in drei Hauptfächern und drei Nebenfächern so stark hätte verbessern können, dass eine Versetzung noch hätte erfolgen können.
Mit Gerichtsbescheid vom 24.06.2013 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung keine positive Prognose hinsichtlich der Versetzung des Klägers in die nächste Klassenstufe habe getroffen werden können. Die beantragte Lernförderung sei daher nicht erforderlich gewesen. Dem Kläger sei von seinem Lehrer eine dauerhafte Lernschwäche bescheinigt worden, sodass die Notwendigkeit einer kurzfristigen Lernförderung als zweifelhaft erscheine, um ein angemessenes Leistungsniveau des Klägers und seinen Verbleib auf dem Gymnasium sicherzustellen. Nach Auffassung des Gerichts sei der Kläger mit dem Wirtschaftsgymnasium überfordert gewesen und eine Lernförderung nicht zielführend, was sich letztlich auch durch die Nichtversetzung des Klägers in die zwölfte Klasse trotz Teilnahme an der Nachhilfe bestätigt habe. Sei im Zeitpunkt der Bedarfsfeststellung die Prognose negativ, könne kein Anspruch auf eine Lernförderung bestehen. In der Gesamtschau habe, gestützt auf die vorgelegten Zeugnisse der Klassenstufe 11, nach Überzeugung der Kammer eine positive Prognose nicht gestellt werden können.
Hiergegen hat der Kläger am 03.07.2013 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt.
Er hält an seinem bisherigen Begehren fest und macht geltend, die Noten seien durch die Nachhilfe im Fach Mathematik viel besser geworden. Er mache daher die Übernahme der Kosten für die Mathematiknachhilfe in voller Höhe für zwei Jahre geltend.
Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten. Unter Wiederholung und Vertiefung des bisherigen Vortrages weist sie darauf hin, dass das Begehren der Übernahme der Kosten für die Mathematiknachhilfe für zwei Jahre nicht vom ursprünglichen Antrag des Klägers auf Lernförderung umfasst sei. Die Anträge könnten nur maximal bis zum Ende des Schuljahres gelten. Im Übrigen sei durch den Schulartwechsel eine wesentliche Änderung eingetreten. Der Kläger habe auch zu keinem weiteren Zeitpunkt erneut einen Antrag auf Lernförderung gestellt.
Mit den Beteiligten wurde der Sach- und Streitstand am 29.10.2013 erörtert. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift vom 29.10.2013 verwiesen.
Ergänzend hat der Kläger die Bescheinigungen des I. vom 15.11.2013 vorgelegt, wonach ihm Nachhilfe in Mathematik für einen monatlichen Beitrag in Höhe von 183,00 EUR vom 01.10.2011 bis 01.06.2012 erteilt worden sei und sich die Kosten für Nachhilfe in Mathematik im Zeitraum vom 01.09.2010 bis zum 01.06.2011 auf monatlich 192,00 EUR beliefen.
Der Kläger beantragt zuletzt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 24. Juni 2013 sowie den Bescheid vom 30. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2012 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die Kosten für die Lernförderung im Zeitraum Oktober 2011 bis Juni 2012 zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat mit Schriftsatz vom 26.11.2013 zur Sach- und Rechtslage nochmals ausführlich Stellung genommen. Einen Vergleichsvorschlag der Beklagten, ihm 367,20 EUR zu erstatten, hat der Kläger abgelehnt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Gegenstand des Rechtsstreits ist die Übernahme der im Zeitraum vom 01.10.2011 bis 01.06.2012 vom Kläger aufgewendeten Kosten für eine Lernförderung im Fach Mathematik bei dem I. in Höhe von monatlich 183,00 EUR, wie dieser dies unter dem 15.03.2013 bescheinigt hat (Bl. 48 der Senatsakten). Insofern handelt es sich auch um einen von der Gewährung von Arbeitslosengeld II im Sinne des § 19 SGB II abtrennbaren und isoliert durchsetzbaren Anspruch (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 10.09.2013, B 4 AS 12/13 R, in Juris, dort Rn. 13 ff.). Nur für den genannten Zeitraum liegt ein nach § 37 Abs. 1 Satz 2 SGB II erforderlicher Antrag des Klägers vor (06.10.2011, bei der Beklagten am 12.10.2011 eingegangen), was schon daraus folgt, dass der Kläger (nur) den Nachhilfe-Fördervertrag mit dem I. vom 01.10.2011 mit einer Vertragsdauer bis 31.03.2012 vorgelegt hat, wobei der Senat auch ohne Vorlage eines weiteren Vertrages davon ausgeht, dass auch die Lernförderung in den Monaten April bis 1. Juni 2012 und damit das laufende Schuljahr betreffend, noch Gegenstand des Verfahrens ist. Ein Antrag für die Lernförderung im Zeitraum vom 01.09.2010 bis 01.06.2011 (Bescheinigung des I. vom 15.11.2013, Bl. 49 der Senatsakte) liegt hingegen nicht vor und war auch nicht Gegenstand der Entscheidung der Beklagten und auch nicht des Sozialgerichts. Die vom Kläger im Berufungsverfahren zunächst geltend gemachte Klageerweiterung (§ 99 SGG) auch auf diesen Zeitraum ist ungeachtet der Tatsache, dass sich die Beklagte hierauf nicht eingelassen hat, bereits mangels des erforderlichen Vorverfahrens (§ 78 SGG) unzulässig gewesen. Dem hat der Kläger mit seinem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag Rechnung getragen.
Anspruchsgrundlage für die begehrte Förderung ist § 28 Abs. 1 i.V.m. § 28 Abs. 5 SGB II in der seit 01.01.2011 geltenden Fassung (des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011, BGBl I, 453). Danach wird eine schulische Angebote ergänzende angemessene Lernförderung bei Schülerinnen und Schülern berücksichtigt, soweit diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen. Voraussetzung ist zudem, dass der Antragsteller Schüler einer allgemeinbildenden Schule ist, das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat und keine Ausbildungsvergütung erhält, was hier der Fall ist. Der Kläger bezog in dem hier streitigen Zeitraum zudem Leistungen nach dem SGB II.
Der Nachhilfeunterricht bei dem I. stellt eine schulische Angebote ergänzende Lernförderung dar. Mit diesem Kriterium soll sichergestellt werden, dass zunächst schulische Angebote wahrgenommen und ausgeschöpft werden, um die bei dem/der Schüler/in vorhandenen Defizite auszugleichen, bevor außerschulische Lernförderung in Anspruch genommen wird (BT-Drs. 17/3404 S. 105). An der vom Kläger besuchten Schule wurde jedoch keine geeignete zusätzliche Lernförderung angeboten, wie der am 26.04.2012 eingegangenen Bestätigung der Schule entnommen werden kann.
Der Senat kann es dahingestellt sein lassen, ob dem Kläger schon entgegen gehalten werden kann, dass er sich mit dem Abschluss des Nachhilfe-Fördervertrages mit dem I. am 01.10.2011 bereits vertraglich gebunden hatte, bevor er den Antrag bei der Beklagten stellte (dort eingegangen am 12.01.2011). Denn damit hat der Kläger die an sich unbare Leistungsgewährung, insbesondere in Form von personalisierten Gutscheinen oder Direktzahlungen an den Anbieter durch die Beklagte und damit die vom Gesetzgeber vorgeschriebene Gewährung dieser Leistung als Sach- und Dienstleistung (vgl. § 29 SGB II), umgangen. Ein deshalb auf Kostenerstattung gerichteter Anspruch nach der Selbstbeschaffung setzt regelmäßig die Selbstbeschaffung einer unaufschiebbaren Sozialleistung voraus und dass der Träger zuvor mit dem Leistungsbegehren befasst war, weswegen eine Kostenerstattung grundsätzlich erst nach einer rechtswidrigen Leistungsablehnung in Betracht kommt (vgl. Luik in Eicher, SGB II, Grundsicherung für Arbeitsuchende, 3. Auflage, § 29 Rn. 19, BSG, Urteil vom 23.05.2013, B 4 AS 79/13 R, in Juris). § 30 SGB II, der die Voraussetzungen einer Erstattung für in Vorleistung getretene leistungsberechtigte Personen nunmehr regelt, ist zudem erst am 01.08.2013 in Kraft getreten.
Dem geltend gemachten Anspruch steht aber schon entgegen, dass die begehrte Lernhilfe nicht geeignet war, die nach den schulrechtlichen Vorschriften festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen.
Das wesentliche Lernziel in der jeweiligen Klassenstufe ist regelmäßig die Versetzung in die nächste Klassenstufe bzw. ein ausreichendes Leistungsniveau (Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 26.10.2010, BT-Drs. 17/3404, S. 105). Nach der Verordnung über die Versetzung an beruflichen Gymnasien vom 19.09.1999 in der Fassung vom 05.12.2002 (BerGymVersV BW) wird in die nächsthöhere Klasse und in die erste Jahrgangsstufe der Qualifikationsphase nur versetzt, wer auf Grund der Leistungen in den für die Versetzung maßgebenden Fächern den Anforderungen im laufenden Schuljahr im Ganzen entsprochen hat und deshalb erwarten lässt, den Anforderungen der nächsthöheren Klasse oder Jahrgangsstufe zu genügen (§ 4 Abs. 1 BerGymVersV BW). Die Voraussetzungen nach Absatz 1 liegen vor, wenn im Jahreszeugnis 1. der Durchschnitt aus den Noten aller maßgebenden Fächer 4,0 oder besser ist, 2. der Durchschnitt aus den Noten der Kernfächer 4,0 oder besser ist, 3. die Leistungen in keinem Kernfach mit der Note »ungenügend« bewertet sind und 4. die Leistungen in nicht mehr als einem maßgebenden Fach geringer als mit der Note »ausreichend« bewertet sind; sind die Leistungen in zwei maßgebenden Fächern geringer als mit der Note »ausreichend« bewertet, so erfolgt eine Versetzung, wenn für beide Fächer ein Ausgleich gegeben ist. Ausgeglichen werden können a) die Note »ungenügend« in einem Fach, das nicht Kernfach ist, durch die Note »sehr gut« in einem anderen maßgebenden Fach oder die Note »gut« in zwei anderen maßgebenden Fächern, b) die Note »mangelhaft« in einem Kernfach durch mindestens die Note »gut« in einem anderen Kernfach, c) die Note »mangelhaft« in einem Fach, das nicht Kernfach ist, durch mindestens die Note »gut« in einem anderen maßgebenden Fach oder die Note »befriedigend« in zwei anderen maßgebenden Fächern.
Bei der Frage nach der Geeignetheit ist eine auf das Schuljahresende bezogene prognostische Einschätzung unter Einbeziehung der schulischen Förderangebote zu treffen. Ist im Zeitpunkt der Bedarfsfeststellung diese Prognose negativ, besteht kein Anspruch auf Lernförderung. Gleiches gilt (erst Recht), wenn das Lernziel objektiv nicht mehr erreicht werden kann (vgl. die Gesetzesbegründung zu § 28 Abs. 5 SGB II, a. a. O.). Daher ist die Maßnahme nur dann geeignet, wenn die Person des Antragstellers prognostisch die Gewähr dafür bietet, dass die Nachhilfe (noch) etwas bewirken wird (vgl. Luik in Eicher, a.a.O., § 28 Rn 43). Die Prognose ist gerichtlich voll überprüfbar. Dabei besteht kein Beurteilungsspielraum der Grundsicherungsträger, weil im Rahmen der zu treffenden Entscheidung ein besonderer Erkenntnisvorsprung der Behörde nicht ersichtlich ist (str., wie hier vgl. Lenze in Münder, SGB II, 5. Auflage, § 28 Rn. 27 m.w.N., BSG, Urteil vom 11.05.2000, B 7 AL 18/99 R, in Juris; a. A. Loose in Hohm, Gemeinschaftskommentar zum SGB II, Stand Okt. 2014, § 28 Rn. 105).
Die Prognoseentscheidung der Beklagten erweist sich im Ergebnis als zutreffend, auch wenn die Beklagte allein auf die von der Schule bescheinigte "dauerhafte Lernschwäche oder Lernbehinderung" abgestellt hat. Der Senat kann dahingestellt sein lassen, ob das allein in der Gesetzesbegründung aufgeführte Kriterium der "Kurzzeitigkeit" einer Förderung tatsächlich ein den Tatbestand des § 28 Abs. 5 SGB II eingrenzendes Element darstellt (vgl. hierzu Lenze, a.a.O., § 28 Rn. 29). Denn die beantragte Lernförderung im Fach Mathematik erweist sich schon nicht als geeignet, das Lernziel des besuchten Gymnasiums zu erreichen, weil der Kläger nach seinen gezeigten Leistungen in den für die Versetzung maßgebenden Fächern den Anforderungen im laufenden Schuljahr im Ganzen nicht entsprochen hat. Hierauf deutet zwar schon die Leistungseinschätzung hin, die der Lehrer H. in dem zuletzt und nunmehr vervollständigt eingereichten Formular beschrieben hat (nämlich, dass der Kläger unter einer dauerhaften Lernschwäche litt). Durch das vor der Entscheidung der Beklagten über den Antrag vorliegende, der Beklagten aber vom Kläger nicht vorgelegte und von ihr auch nicht beigezogene Zwischenzeugnis der J.-Schule vom 24.01.2012 wird aber nicht nur der bescheinigte Förderbedarf im Fach Mathematik bestätigt, sondern dass beim Kläger erhebliche Defizite darüber hinaus in allen Kernfächern (vgl. § 3 Abs. 2 Nr. 1 f) BerGymVersV BW: Kernfächer sind Deutsch, die Pflichtfremdsprache [hier: Englisch], Mathematik und Wirtschaft) sowie in den Fächern Biologie und Informatik bestanden. Dieses Zwischenzeugnis belegt aufgrund der vom Kläger gezeigten Leistungen (Deutsch 4-5, Englisch 5, Geschichte/Gemeinschaftskunde 5+, Ethik 3-4, Wirtschaft 4+, Mathematik 5-6, Physik 4+, Chemie 3, Biologie 5-6, Informatik 4-5, Sport 2, Wahlpflichtfach: Spanisch/Niveau B 3-4), dass dieser nach Besuch der Werkrealschule, für die er nach eigenen Angaben ebenfalls bereits einer Förderung in Mathematik bedurfte, mit der gymnasialen Oberstufe überfordert war und es nicht allein der Nachhilfe in Mathematik, wie beantragt und vom Lehrer fälschlicherweise bestätigt, bedurfte, sondern erhebliche Defizite in nahezu allen Unterrichtsfächern bestanden. Von den oben in § 4 Abs. 1 BerGymVersV BW genannten Voraussetzungen und Ausgleichsmöglichkeiten waren zum Zeitpunkt des Zwischenzeugnisses keine erfüllt. Damit erweist sich nicht nur die vom Kläger beantragte und von der Schule befürwortete Förderung im Fach Mathematik als ungeeignet, sondern nach Überzeugung des Senats jede Förderung in der Eingangsklasse des gewählten Gymnasiums als nicht zielführend. Denn eine Versetzung in die nächsthöhere Klassenstufe - und um nichts anderes konnte es dem Kläger angesichts der gezeigten Leistungen gehen - war (trotz der in Anspruch genommenen Nachhilfe im Fach Mathematik) angesichts der Defizite in den anderen Fachbereichen nicht zu erreichen. Bezeichnend ist, dass der Kläger, obwohl ihm dieses Zeugnis noch vor der Entscheidung der Beklagten vorgelegen hatte und in diesem auf die erheblich gefährdete Versetzung bereits hingewiesen wurde, weder eine Erweiterung des Bedarfes bei der Beklagten angemeldet noch er sich eigenständig um eine Förderung in den anderen Fachbereichen bemüht hat. Der Senat kann daraus nur schließen, dass der Kläger bereits zu diesem Zeitpunkt erkannt hatte, dass ein weiterer Verbleib am Gymnasium nicht erfolgversprechend sein würde und dass er sich zudem entschieden hatte, vom Gymnasium abzugehen und das einjährige Berufskolleg zu besuchen. Unverständlich ist zudem, dass die Schule in den vorgelegten Bescheinigungen nicht schon dezidiert auf die über das Fach Mathematik hinausgehenden Einschränkungen hingewiesen hat. Die Förderungsvoraussetzungen lagen aber objektiv schon deshalb nicht vor, weil abzusehen war, dass der Kläger das Klassenziel nicht mehr erreichen konnte und wohl auch nicht mehr wollte. Hiervon hätte er die Beklagte unverzüglich in Kenntnis setzen müssen. In diesem Zusammenhang dürfte auch die vor der Entscheidung der Beklagten eingegangene vertragliche Bindung des Klägers mit dem I. und die bereits eingegangenen Verbindlichkeiten zu sehen sein.
Der Senat sieht sich nicht gehindert, diese Umstände zu berücksichtigen, obwohl sie erst im erstinstanzlichen Verfahren bekannt wurden und damit im Rahmen der Prognoseentscheidung der Beklagten keine Berücksichtigung gefunden haben. Wie bereits ausgeführt ist eine Prognoseentscheidung vom Gericht in vollem Umfang überprüfbar. Damit sind zur Überprüfung der Prognoseentscheidung jedenfalls auch alle die nach einer Amtsermittlung des Gerichts oder durch sonstige Umstände bekanntgewordenen Tatsachen zu berücksichtigen, die im Rahmen einer nicht oder nicht ausreichend erfolgten Amtsermittlung der Behörde hätten berücksichtigt werden können oder müssen. Ergibt sich nach einer solchen, dass die Beklagte bei ihrer Prognoseentscheidung nicht alle relevanten Aspekte berücksichtigt hat und ist sie deshalb zu Unrecht von einer unzutreffenden negativen Prognose ausgegangen, ist dieses ebenso zu korrigieren, wie eine auf nicht ausreichenden Grundlagen getroffene Entscheidung im Grundsatz zu halten ist, wenn sich diese durch weitere, im Rahmen und zum Zeitpunkt der Prognoseentscheidung an sich zu berücksichtigende Umstände als zutreffend erweist. Der Senat kann deswegen dahinstehen lassen, ob die Angaben in der erst am 26.04.2012 zu den Akten gereichten, nunmehr vom Lehrer korrigierten bzw. ergänzten Bescheinigung ausreichend gewesen sind, eine - negative - Prognose zweifelsfrei für das bereits fast beendete Schuljahr abgeben zu können, zumal dieser Lehrer sogar noch eine positive Versetzungsprognose bescheinigte. Denn eine solche positive Versetzungsprognose war objektiv und durch das Zwischenzeugnis belegt unzutreffend. Bereits in den Monaten vor diesem Leistungsnachweis musste nicht nur der Schule, sondern auch dem Kläger und seinen damaligen Erziehungsberechtigten bewusst gewesen sein, dass die Versetzung nicht nur gefährdet, sondern aufgrund der erheblichen Defizite in nahezu allen maßgebenden Fächern hochgradig unwahrscheinlich war. Dies gilt gerade mit Blick auf die allein begehrte Förderung im Fach Mathematik, mit der eine Versetzung ohnehin nicht zu erreichen war. Hierüber hat der Kläger (oder seine Erziehungsberechtigten) die Beklagte nicht aufgeklärt, er hat auch keinen weitergehenden Förderbedarf angemeldet. Gemessen am Lernziel des besuchten Gymnasiums mit der Versetzung in die nächste Klassenstufe bestand unter Berücksichtigung dessen zu keinem Zeitpunkt ein Bedarf für eine nur punktuelle Förderung nur im Fach Mathematik, weswegen die Entscheidung der Beklagten im Ergebnis auch nicht beanstandet werden kann. Es muss deshalb auch nicht abschließend geklärt werden, auf welchen Zeitpunkt die Bedarfsfeststellung abzustellen hat und ob grundsätzlich auch in diesem Rahmen der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgebend ist (vgl. zur Förderung einer Bildungsmaßnahme, BSG, Urteil vom 11.05.2000, a.a.O.).
Die Berufung des Klägers war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung, die dieses Ergebnis berücksichtigt, beruht auf § 193 SGG. Für eine Kostenbeteiligung der Beklagten sieht der Senat insoweit keinen Raum, nachdem der Kläger die Beklagte über Defizite in weiteren Fächern nicht aufgeklärt hat.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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