Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 1375/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 2746/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28. Mai 2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.
Die 1967 in der Türkei geborene Klägerin lebt seit 1977 in der Bundesrepublik Deutschland. Sie hat keinen Beruf erlernt und war zuletzt als Maschinenbedienerin/Verpackerin versicherungspflichtig beschäftigt. Nachdem sie seit 21.11.2006 arbeitsunfähig erkrankt war, hielt sie sich vom 09.05.2007 bis 06.06.2007 zur stationären Rehabilitation in der Z.-Klinik, Klinik für Konservative Orthopädie und Verhaltensmedizin, St. B. auf. Im Entlassungsbericht vom 20.06.2007 wurden Lumboischialgien bei degenerativen Veränderungen der LWS, eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige depressive Episode, rezidivierende Zervikobrachialgien, eine Coxarthrose beidseits und eine Adipositas diagnostiziert. Die Klägerin wurde als arbeitsunfähig entlassen. Sowohl ihre Tätigkeit als Verpackerin/Maschinenbedienerin als auch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes könne sie unter Beachtung qualitativer Einschränkungen vollschichtig ausüben.
Die Klägerin bezog bis 12.09.2007 Krankengeld. Im Oktober 2007 wurde das Arbeitsverhältnis der Klägerin gegen Zahlung einer Abfindung beendet. In einem Gutachten nach Aktenlage des Arztes der Agentur für Arbeit G. vom 23.11.2007 gelangte dieser zu der Einschätzung, dass die Klägerin unter Beachtung qualitativer Einschränkungen vollschichtig leistungsfähig sei für leichte Tätigkeiten des Arbeitsmarktes. Durch Erklärung vom 28.11.2007 stellte sich die Klägerin entsprechend diesem ärztlichen Gutachten dem Arbeitsmarkt zur Verfügung und bezog vom 13.09.2007 bis 12.06.2008 Arbeitslosengeld I. Vom 13.06.2008 bis 17.08.2008 war sie arbeitslos gemeldet ohne Leistungsbezug. Für die Zeit danach sind im Versicherungsverlauf der Klägerin keine Zeiten verzeichnet.
Am 10.12.2007 stellte die Klägerin einen ersten Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung bei der Beklagten. Sie gab an, keine Tätigkeiten mehr ausüben zu können. Nach Beiziehung von Befundunterlagen von der Agentur für Arbeit und des Entlassungsberichts der Z.-Klinik veranlasste die Beklagte eine mehrfachärztliche Begutachtung der Klägerin in ihrer ärztlichen Begutachtungsstation.
Mit nervenärztlichem Zusatzgutachten vom 07.02.2008 diagnostizierte der Arzt für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. eine anhaltende, somatoforme Schmerzstörung, eine Dysthymia und eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leicht bis mittelgradig. Er nahm von seinem Fachgebiet aus ein vollschichtiges Leistungsvermögen der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne Tätigkeiten mit vermehrt geistig-psychischen Belastungen und unter Beschränkung auf Tätigkeiten in Tagschicht an. Der Facharzt für Orthopädie Dr. S. diagnostizierte in seinem chirurgisch-orthopädischen Zusatzgutachten vom 10.02.2008 eine Dorsolumbalgie bei hohlrundem Rücken und beginnende Arthrose der Hüftgelenke. Leichte und mittelschwere Tätigkeiten seien der Klägerin überwiegend im Sitzen oder in wechselnden Körperhaltungen mindestens sechs Stunden täglich möglich, die Wegefähigkeit sei nicht rentenrelevant eingeschränkt. In seinem fachübergreifend-internistischen Gutachten vom 27.02.2008 diagnostizierte der Arzt für Innere Medizin, Sportmedizin, Sozialmedizin und Rehabilitationswesen Dr. M. neben den bereits von Dr. S. und Dr. S. aufgeführten Diagnosen ein Übergewicht (85 kg bei 150 cm Körpergröße). Unter Einbeziehung des nervenärztlichen Zusatzgutachtens des Dr. S. und des orthopädischen Zusatzgutachtens des Dr. S. sei das Leistungsvermögen der Klägerin aufgrund von Rückenbeschwerden, einer beginnenden Arthrose der Hüftgelenke sowie psychischer Veränderungen qualitativ, jedoch nicht quantitativ für körperlich leichte und mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes eingeschränkt.
Gestützt auf diese Gutachten lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 03.03.2008 den Antrag der Klägerin ab, weil weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung vorliege. Mit ihrem Widerspruch legte die Klägerin Berichte ihrer behandelnden Ärzte, des Orthopäden Dr. L. und des Facharzts für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. H. vor. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20.05.2008 zurück.
Hiergegen wandte sich die Klägerin mit einer Klage (S 8 R 2417/08) zum Sozialgericht Karlsruhe (SG). Das SG forderte vom Hausarzt der Klägerin, Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. B., bei ihm vorliegende Befundunterlagen an und befragte Dr. L. und Dr. H. schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. L. teilte unter dem 30.09.2008 mit, bei der Klägerin habe sich seit Juni 2007 eine generalisierte Tendomyopathie bei deutlich depressiver Entwicklung gezeigt, im November 2007 sei sie zusätzlich wegen einer Schultersteife links und unterem Zervikalsyndrom, im Januar 2008 wegen lokalem LWS-Syndrom bei präsacraler Chondrose therapiert worden. Sie leide an zunehmender depressiver somatoformer Schmerzstörung und chronischer Fibromyalgie. Die Gesundheitsstörungen bedingten eine allgemeine Adynamie und Lustlosigkeit bei klinisch ubiquitären Schmerzen. Sie sei leistungsfähig für Tätigkeiten zwischen drei und sechs Stunden täglich. Maßgeblich für diese Beurteilung seien Leiden auf rheumatologischem und psychiatrischem Fachgebiet. Dr. H. teilte unter dem 13.10.2008 mit, die Klägerin seit Januar 2007 etwa alle vier Wochen zu behandeln. Sie leide an einer rezidivierenden depressiven Störung mit ausgeprägter Somatisierung. Der Verlauf sei chronisch, unterliege entsprechend dem rezidivierenden Verlauf einer phasenweise Verstärkung, im Mittel sei jedoch ein gleich bleibendes, chronisches Störungsbild gegeben, etwa mittelgradig. Die berufliche Leistungsfähigkeit sei sehr eingeschränkt auf unter drei Stunden täglich.
Das SG veranlasste weiter eine Begutachtung durch den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. M ... In seinem Gutachten vom 05.02.2009 diagnostizierte er eine leichtgradige chronisch-depressive Verstimmtheit im Sinne einer Dysthymia mit Einschränkungen der psychischen Belastbarkeit, der Arbeitsorganisation und für Wechselschichttätigkeiten sowie eine leichtgradige anhaltende somatoforme Schmerzstörung mit Einschränkungen der Arbeitsschwere und der Arbeitshaltung für den Bewegungs- und Haltungsapparat. Unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen sei die Klägerin in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich einer regelmäßigen Tätigkeit nachzugehen. Mit Beginn einer verstärkten depressiven Symptomatik im Oktober 2005 und nach der Ausbildung eines Ganzkörperschmerzes bis April 2007 bestehe seitdem ein unverändertes Beschwerdebild, wie es bereits von der Z.-Klinik St. B. im Juli 2007 sowie im mehrfachärztlichen Gutachten aus Februar 2008 beschrieben worden sei.
Auf Antrag und Kostenrisiko der Klägerin beauftragte das SG sodann gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetzt (SGG) den die Klägerin behandelnden Facharzt Dr. H. mit der Erstellung eines Gutachtens. In seinem Gutachten vom 03.02.2010 diagnostizierte er eine rezidivierende depressive Störung, mittel- bis schwergradig, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung erheblichen Ausmaßes und eine Dysthymia. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien der Klägerin allenfalls noch leichte Tätigkeiten unter qualitativen Einschränkungen nur bis unter drei Stunden täglich möglich. Der festgestellte Gesundheitszustand sei ab der Rehabilitation Mitte 2007 anzunehmen. Dr. S. habe in seinem Gutachten die Chronizität des Geschehens nicht herausgearbeitet. Der von ihm erhobene psychopathologische Befund zeige recht deutliche Einschränkungen, so dass zumindest eine lediglich halbschichtige Belastbarkeit anzunehmen sei. Bei der Begutachtung durch Dr. M. sei die diagnostische Zuordnung unvollständig geblieben und durch die Interpretation vielfältiger, im Fall der Klägerin ungeeigneter testpsychologischer Untersuchungen insgesamt belastet worden. Aus der hierdurch zustande kommenden Diskrepanz leite Dr. M. eine Aggravation ab, die maßgeblich für die Leistungseinschätzung werde. Es bleibe eine Orientierung am Gutachten von Dr. S ... Hierbei könnten zu unterschiedlichen Untersuchungszeitpunkten unterschiedliche depressive Beschwerden angenommen werden. In der nachvollziehbaren Linie des Gutachtens des Dr. S. sei nach nun weiteren zwei Jahren Krankheitsverlauf leider von einer Chronifizierung auszugehen und zum Untersuchungszeitpunkt sei von einem mittel- bis schwergradigen depressiven Geschehen bei erheblicher Schmerzproblematik auszugehen.
Gegen das Gutachten des Dr. H. brachte die Beklagte unter Vorlage einer Stellungnahme der Ärztin für Psychiatrie, Sozialmedizin, Dr. H. vom 06.05.2010 Einwendungen vor.
Mit Urteil vom 07.10.2010 wies das SG die Klage ab. Gestützt auf das schlüssige und nachvollziehbare medizinische Sachverständigengutachten des Dr. M. sowie auf die im Urkundsbeweis verwerteten Gutachten von Dr. S., Dr. S. und Dr. M. sei die Kammer davon überzeugt, dass die Klägerin leichte bis mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Berücksichtigung qualitativer Leistungseinschränkungen mindestens sechs Stunden pro Arbeitstag verrichten könne, weshalb sie nicht erwerbsgemindert sei. Ebenso wie Dr. M. sehe auch die Kammer nach eigener Prüfung eine schwergradige depressive Störung bei der Klägerin als nicht nachgewiesen an. Bereits Dr. S. habe auf ein bestehendes Verdeutlichungsverhalten der Klägerin im Rahmen der körperlichen Untersuchung hingewiesen. Die Schilderungen der Klägerin zu ihrem Tagesablauf und ihren allgemeinen Lebensumständen ließen, auch insoweit sei das Gutachten des Dr. M. für die Kammer schlüssig und nachvollziehbar, lediglich den Rückschluss auf eine leichtgradige depressive Verstimmung zu. Demgegenüber leide das Gutachten des Dr. H. an erheblichen Schlüssigkeitsmängeln, weshalb es im Ergebnis nicht Grundlage der Entscheidung der Kammer habe sein können. So beschreibe Dr. H. das Gutachten von Dr. S. als insgesamt nachvollziehbar, weiche jedoch in seiner Beurteilung der von Dr. S. erhobenen Befunde aus nicht näher dargelegten Gründen dahingehend ab, dass er ein Absinken des zeitlichen Leistungsvermögens auf eine zumindest lediglich halbschichtige Belastbarkeit annehme, was im Gegensatz dazu stehe, dass er bereits mit schriftlicher sachverständiger Zeugenaussage vom 13.10.2008 und damit ein gutes halbes Jahr nach der Begutachtung durch Dr. S. die Einschätzung eines unter dreistündigen Leistungsvermögens mitgeteilt habe. Auch in seinem Gutachten komme er zur Einschätzung eines aufgehobenen Leistungsvermögens bereits seit 2007, ohne dabei die Beschwerdeäußerungen der Klägerin kritisch-distanziert in ausreichender Weise zu würdigen. Eine gesonderte Darstellung des psychologischen Befundes unterbleibe im Gutachten des Dr. H., ein somatischer Befund werde überhaupt nicht erhoben.
Die gegen dieses Urteil am 22.11.2010 eingelegte Berufung (L 2 R 5391/10) zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) nahm die Klägerin in einem am 13.04.2011 durchgeführten Erörterungstermin im Rahmen eines Vergleichs zurück. Im Vergleich verpflichtete sich die Beklagte, der Klägerin eine Rehabilitation in einer psychosomatisch ausgerichteten Einrichtung mit türkischsprechenden Ärzten/Therapeuten zu gewähren.
Vom 27.06.2011 bis 19.07.2011 befand sich die Klägerin daraufhin zur stationären Rehabilitation in der Reha-Klinik der Klinik A. in B ... Dort wurden folgende Diagnosen gestellt: 1. Dysthymia 2. Somatoforme Schmerzstörung mit psychischen und körperlichen Faktoren 3. Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen 4. Zervikobrachial-Syndrom 5. Lumboischialgie. Es habe sich herausgestellt, dass die Klägerin durch ihre Krankheitssymptome ihren Ehemann gezähmt habe. Er habe nur noch wenig Alkohol getrunken, sei ihr gegenüber nicht mehr körperlich aggressiv gewesen, habe sie im Haushalt unterstützen müssen. Er sei ihr gegenüber milder eingestellt. Insgesamt werde die Klägerin durch den sichtbaren Leidensausdruck im Familiensystem von Belastungen verschont und könne dadurch Konflikte auf Distanz halten. Ein sekundärer Krankheitsgewinn sei vordergründig. Die Klägerin sei im Verlauf der Rehabilitation in ihrem klagsamen und leidenden Ausdruck verhaftet geblieben trotz sichtbarer Antriebssteigerung und Stimmungsaufhellung. Sie habe immer wieder bestätigt, dass sie sich in keiner Weise leistungsfähig sehe und dies mit mangelnder Antriebslosigkeit begründet. Der anfängliche Eindruck mangelnder Willensanstrengung und aggravierender Haltung sei im Verlauf immer stärker geworden, so dass ein längerer Aufenthalt nicht notwendig erschienen sei. Einvernehmlich sei die Klägerin daher vorzeitig als arbeitsfähig entlassen worden. Sie könne sowohl ihre letzte Tätigkeit als Verpackerin als auch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes überwiegend im Stehen, Gehen oder Sitzen in Tagesschicht sechs Stunden und mehr täglich ausüben.
Vom 07.11.2011 bis 11.01.2012 befand sich die Klägerin zur stationären Behandlung im Klinikum N., Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie N., in C ... Dort wurden laut Kurzbrief vom 10.01.2012 folgende Diagnosen gestellt: 1. Schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen 2. Bandscheiben-Vorfall LWS S1, 3. Hypertonie 4. Hüft-Arthrose 5. Trichotillomanie 6. V.a. PTBS Die Klägerin habe sich im Verlauf auf niedrigem Niveau stabilisieren können.
Am 28.11.2011 stellte die Klägerin, unterstützt von der Sozialberatung des Klinikums N., erneut einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung bei der Beklagten. Diesen lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 05.01.2012 ab, weil die Klägerin die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung nicht erfülle. Als möglichen Eintritt der Erwerbsminderung habe sie dabei den 28.12.2011 angenommen. Den Widerspruch der Klägerin hiergegen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.03.2012 zurück. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung nicht erfüllt. Es sei daher nicht zu prüfen, ob derzeit eine Erwerbsminderung vorliege. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen wären nur erfüllt, wenn Erwerbsminderung spätestens im September 2010 eingetreten wäre. Hierfür ergäben sich aber keine Anhaltspunkte. Die Klägerin sei bis 17.08.2008 arbeitslos gemeldet gewesen, d.h. die Agentur für Arbeit sei weiterhin von Arbeitsfähigkeit ausgegangen. Auch aus den vorliegenden ärztlichen Unterlagen im Rentenklageverfahren sei eine Arbeitsunfähigkeit nicht abzuleiten. Es fehle damit am Nachweis einer durchgehend bestehenden Arbeitsunfähigkeit.
Am 10.04.2012 hat die Klägerin Klage zum SG erhoben mit der Begründung, sie sei bereits seit 2007, spätestens seit September 2010 erwerbsgemindert. Seit Januar 2007 sei sie arbeitsunfähig, was zur Verlängerung des 5-Jahres-Zeitraums gemäß § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) führen müsse. Hierzu hat die Klägerin auf eine Bestätigung des Dr. H. vom 19.01.2012 verwiesen, wonach sie seines Erachtens seit Beginn der Behandlung bei ihm am 23.01.2007 arbeitsunfähig sei.
Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Dr. L. hat unter dem 15.05.2012 mitgeteilt, die Klägerin habe seit Juni 2011 drei Sprechstundenkontakte gehabt. Rein orthopädisch bestünden keine Einwände, die für die Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit maßgeblichen Leiden bestünden auf internistischem und rheumatologischem Fachgebiet. Dr. B. hat unter dem 13.07.2012 mitgeteilt, es lägen ihm trotz ausgestellter Überweisungen zu Fachärzten für Gynäkologie, Neurologie und Orthopädie keine Befundberichte für die Zeit ab 01.06.2011 vor. Dr. H. hat unter dem 26.07.2012 und ergänzend unter dem 13.09.2012 mitgeteilt, die Klägerin befinde sich weiterhin in seiner regelmäßigen Behandlung alle vier bis acht Wochen. Im Vordergrund stünden neben der gedrückten Stimmungslage Einbußen im dynamischen Bereich, Vitalgefühlsstörungen sowie kognitive Einschränkungen. Es sei von einem schweren depressiven Leiden im Sinne eines rezidivierenden depressiven Störungsbildes auszugehen. Bei insgesamt chronischem Verlauf eines durchschnittlich mittel- bis schwergradigen depressiven Geschehens sei von einer unterschiedlichen sozialmedizinischen Belastbarkeit auszugehen. Je nach Krankheitsintensität sei von einer vollständig aufgehobenen bis etwa halbschichtigen Belastbarkeit auszugehen. Seit dem 30.07.2009 sei die Klägerin nicht mehr in der Lage gewesen, täglich sechs Stunden leichte Tätigkeiten zu verrichten. Seither sei von einer kontinuierlichen Abnahme der Belastbarkeit auszugehen, die während der letzten Konsultation auf sicher unter drei Stunden täglich abgesunken sei.
Auf Antrag und Kostenrisiko der Klägerin hat das SG ein Gutachten gemäß § 109 SGG bei dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie - Psychotherapie, Facharzt für psychotherapeutische Medizin Dr. W. eingeholt. In seinem Gutachten vom 04.03.2013 ist er zu der Einschätzung gelangt, dass sich auf neuropsychiatrischem Fachgebiet bei erheblichem Übergewicht ein normaler neurologischer Befund finde. Psychiatrisch-psychotherapeutisch bestehe eine anhaltende affektive Verstimmtheit im Sinne einer Dysthymie und einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung. Er handle sich nicht um eine bloße Krankheitsvorstellung, wenngleich ein gewisses Bemühen der Klägerin, die subjektive Beschwerdesymptomatik zu verdeutlichen und im Sinne einer aggravatorischen Tendenz auch zu verfälschen, nicht zu übersehen sei. Bei Verzicht auf den doch ganz erheblichen sekundären Krankheitsgewinn (Verwöhnungssituation durch Ehemann und Sohn durch Übernahme der häuslichen Pflichten) und Anspannung aller zumutbaren Willenskräfte könne die Klägerin durchaus einen Großteil ihrer Beschwerdesymptomatik überwinden. Hier stimme er dem Vorgutachter Dr. M. in allen Punkten zu. Nach seinem Dafürhalten könne die Klägerin Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne unmittelbare Gefährdung der Gesundheit durchführen, wobei schwere und mittelschwere Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten von über 10 kg vermieden werden müssten. Arbeiten unter Akkord-, Schicht- und Nachtarbeitsbedingungen mit überwiegendem Publikumsverkehr und in Leitungsfunktion seien ebenfalls nicht möglich. Bei Beachtung dieser Einschränkungen könne die Klägerin je Arbeitstag Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich leisten. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt. Darüber hinaus benutze die Klägerin auch den eigenen Pkw im Nahbereich. Die Leistungsfähigkeit habe sich seit 30.07.2009 nicht wesentlich geändert.
Vom 23.07.2013 bis 20.08.2013 hat sich die Klägerin zur stationären Rehabilitation in der S.-Klinik in A. aufgehalten. Dort sind folgende Diagnosen gestellt worden: 1. Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome 2. Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren 3. Adipositas durch übermäßige Kalorienzufuhr: Body-Mass-Index (BMI) von 40 und mehr 4. Essentielle Hypertonie, nicht näher bezeichnet: Ohne Angabe einer hypertensiven Krise 5. Gonarthrose, nicht näher bezeichnet. Die Klägerin ist als arbeitsunfähig entlassen worden. Sie könne sowohl ihre letzte Tätigkeit als Arbeiterin als auch sonstige leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nur noch unter drei Stunden täglich ausüben. Bei der Aufnahme habe die Klägerin angegeben, nur kurze Strecken und immer mit dem Gehwagen zurückzulegen. Wegen ihrer Kraftlosigkeit, allgemeiner Schwäche und Bandscheibenbeschwerden habe sie einen Rollator als Gehhilfe. Sie sei nur noch zu Hause und müsse den ganzen Tag liegen. Eine Entwöhnung vom Rollator sei im Verlauf der Rehabilitation leider nicht gelungen.
In einer Bestätigung vom 15.04.2014 hat Dr. H. angegeben, dass die Klägerin seines Erachtens durchgehend seit dem 13.10.2008 nur noch unter drei Stunden täglich belastbar gewesen sei, auch für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes.
Nach mündlicher Verhandlung hat das SG die Klage mit Urteil vom 28.05.2014 abgewiesen. Die - näher dargelegten - Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung lägen nicht vor. Bei einem Eintritt der Erwerbsminderung nach September 2010 seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt angesichts der letzten Pflichtbeitragszeit am 12.06.2008. Gemäß § 43 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI verlängere sich der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung um Anrechnungszeiten. Anrechnungszeiten im Sinne des § 58 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI lägen bei der Klägerin bis 17.08.2008 vor. Anrechnungszeiten wegen Arbeitsunfähigkeit im Sinne des § 58 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI lägen nicht vor, da die Voraussetzungen des § 58 Abs. 2 SGB VI nicht erfüllt seien. Daher könne dahinstehen, ob eine durchgehende Arbeitsunfähigkeit überhaupt bestanden habe. Bei der Beurteilung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sei auf den Stand des Versicherungsverlaufs zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abzustellen. Das von der Klägerin mittlerweile eingeleitete Verwaltungsverfahren mit dem Ziel, durch Nachzahlung von Beiträgen weitere Pflichtbeitragszeiten zu erhalten, sei daher nicht zu berücksichtigen.
Die Klägerin sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bis September 2010 nicht erwerbsgemindert. Sie leide unter Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem und orthopädischem Fachgebiet. Daraus folgten - näher dargestellte - qualitative Einschränkungen des Leistungsvermögens, nicht jedoch in quantitativer Hinsicht. Dies folge aus den plausiblen und nachvollziehbaren Ausführungen im Entlassungsbericht der R.-Klinik A. vom 03.08.2011. Aus dieser sei die Klägerin wegen mangelnder Willensanstrengung und deutlicher Aggravation vorzeitig in arbeitsfähigem Zustand entlassen worden. Zu diesem Zeitpunkt habe keine Einschränkung der sozialen Kontaktfähigkeit bestanden, Stimmungsauflockerung und Antriebssteigerung seien erreicht worden. Nicht anschließen könne sich die Kammer der Bewertung des Dr. H., der im Laufe des Verfahrens widersprüchliche Angaben zum Leistungsvermögen der Klägerin gemacht habe. Die Ausführungen des Dr. W. vom 04.03.2013 stünden nicht entgegen, seien aber nicht entscheidungserheblich, da zum Zeitpunkt der Untersuchung durch den Sachverständigen die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht mehr bestanden hätten. Nicht entscheidungserheblich seien auch die negativen Leistungsbeurteilungen im Entlassungsbericht der Klinik N. vom 10.01.2012 und der S.-Klinik vom 22.08.2013.
Gegen das ihren Bevollmächtigten am 23.06.2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 30.06.2014 Berufung eingelegt. Zwar seien bei einem Eintritt der Erwerbsminderung nach September 2010 die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt, sie sei aber bereits seit Januar 2007 arbeits- und erwerbsunfähig. Im Reha-Bericht der S.-Klinik vom 22.08.2013 werde ein Leistungsvermögen von unter drei Stunden gesehen. Dr. H. bestätige, dass sie aufgrund der depressiven Erkrankung seit 13.10.2008 durchgehend unter drei Stunden erwerbsfähig sei. Der bereits beim SG gestellte, aber dort übergangene Antrag auf Einholung eines weiteren Gutachtens von Amts wegen, zumindest aber gemäß § 109 SGG bei Dr. H. aus der S.-Klinik oder aber bei Dr. H. werde für die Berufungsinstanz wiederholt. Die Einholung eines Gutachtens könne nicht verwehrt werden, da die Leistungseinschätzung im Entlassungsbericht der S.-Klinik vom August 2013 im Widerspruch zu der Leistungseinschätzung des Dr. W. in seinem nach § 109 SGG erstatteten Gutachten stehe. Dr. H. sei schon deshalb als Gutachter geeignet, weil sich die Klägerin seit Januar 2007 in seiner Behandlung befinde und vorliegend Zeiträume in der Vergangenheit zu klären seien.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28. Mai 2014 und den Bescheid der Beklagten vom 5. Januar 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. März 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer, hilfsweise befristet zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Rahmen eines Termins zur Erörterung der Sach- und Rechtslage haben beide Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen im vorliegenden Verfahren, der Akten der Beklagten sowie der beigezogenen Akten der früheren Verfahren beim SG (S 8 R 2417/08 und S 17 SB 606/11) und beim LSG (L 2 R 5391/10) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG vom 28.05.2014 sowie der angefochtene Bescheid vom 05.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.03.2012 sind im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung oder wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.
Gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind (Satz 1 Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Satz 1 Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Satz 1 Nr. 3). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Satz 2). Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben - bei im Übrigen identischen Tatbestandsvoraussetzungen - Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Darüber hinaus ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI generell nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigten (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI verlängert sich gemäß § 43 Abs. 4 SGB VI um folgende Zeiten, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind:
1. Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, 2. Berücksichtigungszeiten, 3. Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nr. 1 oder 2 liegt, 4. Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung. Eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ist gemäß § 43 Abs. 5 SGB VI nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist. Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vor Eintritt der Erwerbsminderung sind gemäß § 241 Abs. 2 Satz 1 SGB VI für Versicherte nicht erforderlich, die vor dem 1. Januar 1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt haben, wenn jeder Kalendermonat vom 1. Januar 1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsminderung mit 1. Beitragszeiten 2. beitragsfreien Zeiten, 3. Zeiten, die nur deshalb nicht beitragsfreie Zeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag, eine beitragsfreie Zeit oder eine Zeit nach Nr. 4, 5 oder 6 liegt, 4. Berücksichtigungszeiten, 5. Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder 6. Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts im Beitrittsgebiet vor dem 1. Januar 1992 (Anwartschaftserhaltungszeiten) belegt ist oder wenn die Erwerbsminderung vor dem 1. Januar 1984 eingetreten ist. Für Kalendermonate, für die eine Beitragszahlung noch zulässig ist, ist eine Belegung mit Anwartschaftserhaltungszeiten nicht erforderlich (§ 241 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).
1. Die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB VI (drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung) sind für die Zeit nach September 2010 nicht mehr erfüllt.
Der Versicherungsverlauf der Klägerin, der von dieser auch nicht bestritten wird, weist lediglich Zeiten bis 17.08.2008 auf. Bei einem fiktiven Versicherungsfall am 01.09.2010 wäre der Fünfjahreszeitraum (01.09.2005 bis 31.08.2010) um zwei Monate wegen einer Aufschubzeit nach § 43 Abs. 4 SGB VI (Anrechnungszeit bei Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug vom 13.06.2008 bis 17.08.2008) zu verlängern (01.07.2005 bis 31.08.2010).
Eine weitere Verlängerung, insbesondere durch die Berücksichtigung einer Anrechnungszeit wegen Arbeitsunfähigkeit nach §§ 43 Abs. 4 Nr. 1 bzw. Nr. 3, 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI kommt nicht in Betracht. Zwar gibt die Klägerin an, sie sei seit dem Jahr 2007 durchgehend arbeitsunfähig. Die Zeit vom 02.01.2007 bis zum 12.06.2008 kommt bereits wegen ihrer Belegung mit Pflichtbeiträgen im Sinne des § 55 Abs. 2 Nr. 2 SGB II nicht als Aufschubzeit nach § 43 Abs. 4 SGB VI in Betracht. Für die Zeit ab 18.08.2008 scheidet die Einordnung als Aufschubzeit zwar entgegen den Ausführungen des SG nicht bereits daran, dass die Voraussetzungen des § 58 Abs. 2 SGB VI (Unterbrechung einer versicherten Beschäftigung) nicht vorliegen, denn dies ist nach § 43 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI entbehrlich.
Aber der Senat hält es ebenso wie die Beklagte nicht für erwiesen, dass die Klägerin dauerhaft und ohne Unterbrechung arbeitsunfähig erkrankt gewesen ist. Vielmehr ist der Senat der Überzeugung, dass die Klägerin über den September 2010 hinaus zumindest leichten körperlichen Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen gewachsen war (siehe hierzu unter 2.). Der Begriff der Arbeitsunfähigkeit im Sinne der §§ 43 Abs. 4, 58 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI ist hierbei wie im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung zu verstehen. Arbeitsunfähigkeit liegt danach vor, wenn der Versicherte seine zuletzt ausgeübte Erwerbstätigkeit oder eine ähnlich geartete Tätigkeit nicht mehr oder nur auf die Gefahr hin, seinen Zustand zu verschlimmern, verrichten kann vgl. Gürtner in Kasseler Kommentar, SGB VI, § 58 Rn. 3; BSG, Urteil vom 04.04.2006 - B 1 KR 21/05 R - BSGE 96,182). War der Versicherte seit dem Verlust des Arbeitsplatzes länger als sechs Monate als Arbeitsloser krankenversichert, richtet sich die Arbeitsunfähigkeit nicht mehr nach den besonderen Anforderungen der zuletzt ausgeübten Beschäftigung, sondern nach den Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes (vgl. BSG, Urteil vom 04.04.2006 a.a.O. und Urteil vom 19.09.2002 - B 1 KR 11/02 R - Juris). Das letzte Beschäftigungsverhältnis der Klägerin endete im Oktober 2007. Die Klägerin stellte sich durch Erklärung gegenüber der Agentur für Arbeit für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zur Verfügung und bezog vom 13.09.2007 bis 12.06.2008 Arbeitslosengeld I, war mithin länger als sechs Monate als Arbeitslose versichert. Daher ist für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit im hier als Aufschubzeit nur noch in Frage kommenden Zeitraum ab 18.08.2008 maßgebend, ob die Klägerin leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verrichten konnte. Da dies zu bejahen ist (siehe unter 2.), scheidet eine Aufschubzeit wegen Arbeitsunfähigkeit aus.
In dem dann zugrunde zu legenden Zeitraum vom 01.07.2005 bis 31.08.2010 sind letztmals 36 Monate (19 Monate Pflichtbeitragszeiten für Beschäftigung von Juli 2005 bis Januar 2007, acht Monate Pflichtbeitragszeiten für Krankengeldbezug vom Januar 2007 bis September 2007, neun Monate Pflichtbeitragszeit für Arbeitslosigkeit mit Leistungsbezug von September 2007 bis Juni 2008) mit Pflichtbeiträgen belegt, so dass eine Erwerbsminderung bis September 2010 eingetreten sein und seither durchgehend bestanden haben müsste. Hiervon kann sich der Senat indessen anhand der vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht überzeugen (siehe unter 2.). Die Drei-Fünftel-Belegung ist im Falle der Klägerin auch nicht verzichtbar, da kein Fall des § 43 Abs. 5 SGB VI und des § 241 Abs. 2 Satz 1 SGB VI vorliegt.
2. Unter Würdigung der im vorliegenden sowie im vorangegangenen Klageverfahren (S 8 R 2417/08) vom SG erhobenen Beweise und der von den Beteiligten vorgelegten Befundberichte, Atteste, Entlassungsberichte und Gutachten, die im Wege des Urkundsbeweises verwertet werden, ist der Senat davon überzeugt, dass die Klägerin in der Zeit bis mindestens Juli 2011 (Entlassung aus der Klinik A.) in der Lage war, unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr arbeitstäglich auszuüben. Weder die Erkrankungen auf orthopädischem, psychiatrischem und internistischem Fachgebiet für sich alleine noch alle Erkrankungen in der Gesamtschau bedingen eine volle oder teilweise Erwerbsminderung der Klägerin.
Auf orthopädischem Fachgebiet litt die Klägerin an Lumboischialgien, einem Zervikobrachialgie-Syndrom und einer Hüftgelenksarthrose. Hierbei stützt sich der Senat auf das im Auftrag der Beklagten erstattete orthopädische Gutachten des Dr. S. vom 10.02.2008 und den Entlassungsbericht der Klinik Am Schönen Moos vom 03.08.2011. Hieraus folgten Einschränkungen für schwere körperliche Arbeiten, in längeren Zwangshaltungen des Rumpfes, für das Heben und Tragen von Lasten über 15 kg, mit Stauchungen der Wirbelsäule sowie mit Steigen auf Gerüste und hohe Leitern. Dagegen ergaben sich keine gesundheitlichen Bedenken gegen leichte und mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, überwiegend im Sitzen oder in wechselnder Körperhaltung. Eine Einschränkung der Wegefähigkeit lag nicht vor.
Dem widerspricht auch nicht die Einschätzung von Dr. L. in seinen sachverständigen Zeugenauskünften. Soweit Dr. L. in seiner früheren Auskunft vom 30.09.2008 angegeben hat, dass wohl eine Leistungsfähigkeit von unter sechs Stunden zutreffend sei, begründete er dies mit Leiden auf rheumatologischem und psychiatrischem Fachgebiet. Dass relevante Erkrankungen auf rheumatologischem Fachgebiet aber nicht vorlagen, hat Dr. M. in seinem fachübergreifend-internistischen Gutachten vom 27.02.2008 für den Senat überzeugend dargestellt. Auch die Klägerin gibt keine solchen Erkrankungen an. Soweit das psychiatrische Fachgebiet betroffen ist, stützt der Senat seine Überzeugung auf die Befunde der entsprechenden Fachärzte. Auf seinem eigenen Fachgebiet gibt Dr. L. keine Befunde oder Diagnosen an, die eine auch quantitative Einschränkung der Leistungsfähigkeit der Klägerin begründen. Dies deckt sich auch mit der Einschätzung im Entlassungsbericht der Klinik A. vom 03.08.2011.
Auf psychiatrischem Fachgebiet litt die Klägerin in der Zeit bis mindestens Juli 2011 an einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung, einer Dysthymia und einer leichten bis mittelgradigen rezidivierenden depressiven Störung. Aufgrund dieser Erkrankungen waren der Klägerin nur noch leichte Tätigkeiten in Tagschicht ohne vermehrte geistig-psychische Belastungen wie besonders hohen Zeitdruck, besonders hohe Anforderungen an das Umstellungs- und Anpassungsvermögen, überwiegendem Publikumsverkehr und in Leitungsfunktion zumutbar. Zeitlich war das Leistungsvermögen der Klägerin jedoch nicht eingeschränkt. Der Senat stützt seine Auffassung hierbei im Wesentlichen auf den Entlassungsbericht der Klinik A. vom 03.08.2011 sowie das für die Beklagte erstattete Gutachten des Dr. S. vom 07.02.2008 und das im früheren Klageverfahren eingeholte Gutachten des Dr. M. vom 05.02.2009. Diese Einschätzung wird auch durch das Gutachten des Dr. W. vom 04.03.2013 gestützt.
Weder bei den Begutachtungen durch Dr. S. Anfang 2008 und Dr. M. Anfang 2009 noch während des Aufenthalts in der Klinik A. im Sommer 2011 konnte eine Erkrankung mit einem solchen Schweregrad festgestellt werden, dass sich daraus eine Minderung auch des zeitlichen Leistungsvermögens der Klägerin ableiten ließe. Dieser in beiden Gutachten und dem Entlassungsbericht der Klinik übereinstimmend angegebenen Einschätzung schließt sich der Senat nach eigener Prüfung an. Sie ist anhand der sich aus dem Entlassungsbericht und den genannten Gutachten ergebenden Befunde nachvollziehbar und überzeugend. Anhaltspunkte dafür, dass sich im Zeitraum dazwischen der gesundheitliche Zustand der Klägerin abweichend darstellte, sieht der Senat nicht. Zwar gab die Klägerin sowohl gegenüber den Sachverständigen als auch in der Klinik jeweils starke Beeinträchtigungen an. Bei der Untersuchung durch Dr. S. waren aber der gerichtete Antrieb, das Durchhaltevermögen und die kognitive Leistungsfähigkeit nicht eingeschränkt. Bei der Untersuchung durch Dr. M. war der Affekt gedrückt. Psychomotorik, Antrieb und emotionale Schwingungsfähigkeit waren etwas reduziert. Trotz Klagen über Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen wirkten Denken und Gedächtnisfunktionen in der Untersuchungssituation nicht eingeschränkt. Der formale Gedankengang war geordnet, es fanden sich keine Wahrnehmungsstörungen oder wahnhaftes Erleben. Nachvollziehbar zeigt Dr. M. auf, dass das Beschwerdeverhalten der Klägerin nicht authentisch war.
Noch deutlicher zeigte sich dies laut dem Entlassungsbericht in der Klinik A ... Bei Aufnahme in die Klinik gab die Klägerin neben einer somatoform-depressiven Symptomatik multiple Symptome aus dem ängstlichen und psychotischen Formenkreis an, die in Einzelheiten aber im persönlichen Gespräch nicht nachvollziehbar waren. Sie zeigte eine Verdeutlichungstendenz bei der Darstellung der körperlichen Beschwerden. Wesentliche Beeinträchtigungen der Aktivität im Klinikalltag konnten nicht festgestellt werden. Einschränkungen in der sozialen Kontaktfähigkeit und Konfliktfähigkeit waren entgegen den Schilderungen der Klägerin in der Aufnahmesituation und während des Aufenthalts nicht zu beobachten. Überwiegend verbrachte die Klägerin ihre Freizeit mit Spaziergängen und sozialen Aktivitäten mit türkischen Mitrehabilitandinnen. Antriebssteigerung und Stimmungsaufhellung wurden sichtbar. Der anfängliche Eindruck mangelnder Willensanstrengung und aggravierender Haltung wurde im Verlauf immer stärker, so dass eine vorzeitige Entlassung der Klägerin erfolgte. Auch Dr. M. beschreibt ein wenig motiviertes Krankheitsbewältigungsverhalten, das er aus dem erheblichen sekundären Krankheitsgewinn (Entlastung im Alltag, im Haushalt, Reduzierung des Alkoholkonsums und der Aggressivität des Ehemannes) herleitet. Einschränkungen des Leistungsvermögens der Klägerin, die über die obenstehenden qualitativen Aspekte hinausgehen, lagen daher zur Überzeugung des Senats in der Zeit bis zur Entlassung aus der Klinik A. im Juli 2011 nicht vor.
Der Senat vermag sich nicht der Auffassung des Dr. H. anzuschließen. Dieser diagnostiziert ebenfalls eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine Dysthymia und eine rezidivierende depressive Störung. Allerdings sieht er das Ausmaß der Erkrankungen jeweils als schwerer an, die depressive Störung sei durchgehend mittel- bis schwergradig ausgeprägt, die somatoforme Schmerzstörung habe ein erhebliches Ausmaß. Hieraus resultiere insgesamt eine stärkere Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit der Klägerin, nämlich auch in zeitlicher Hinsicht. Diese Einschätzung ist anhand der von Dr. H. mitgeteilten Befunde und der für den Senat überzeugenden Gutachten des Dr. S. und Dr. M. nicht nachvollziehbar und auch in sich nicht widerspruchsfrei. Denn in seinen Äußerungen gelangt Dr. H. teilweise zum Ergebnis, die Erkrankungen seien von einem solchen Schweregrad, dass die Klägerin durchgehend seit Januar 2007 oder aber seit Januar 2008 nur noch unter drei Stunden leistungsfähig sei. Teilweise führt er aus, dass das Leistungsvermögen erst nach zunehmender Chronifizierung von unter sechs Stunden auf unter drei Stunden täglich abgesunken sei. In seinem Gutachten vom 03.02.2010 erklärt er einerseits die Einschätzung des Dr. S. für nachvollziehbar, anhand des psychopathologischen Befundes sei zumindest eine lediglich halbschichtige Belastbarkeit der Klägerin anzunehmen (Seiten 28/29 d. Gutachtens). Andererseits gelangt er zu dem Ergebnis, dass der Klägerin auch unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen Tätigkeiten nur bis unter drei Stunden täglich möglich seien und dies unverändert schon ab Mitte 2007 (Seiten 25/26 d. Gutachtens).
Weiter litt die Klägerin an Adipositas. Insoweit ergaben sich keine über die bereits genannten hinausgehenden qualitativen Leistungseinschränkungen und keine zeitliche Leistungsminderung. Insoweit stützt sich des Senat auf das Gutachten des Internisten Dr. M ...
Die Klägerin war somit in der Zeit bis Juli 2011 nicht erwerbsgemindert, zumal auch die Zusammenschau der einzelnen Gesundheitsstörungen keine Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens auf weniger als sechs Stunden täglich begründet. Insbesondere muss für die Verneinung von Erwerbsminderung bei mindestens sechs Stunden täglich leistungsfähigen Versicherten weder eine konkrete Tätigkeit benannt werden, noch ist die Frage zu prüfen, ob es genügend Arbeitsplätze gibt (vgl. Beschlüsse des Großen Senats des BSG vom 19.12.1996, u.a. SozR 3-2600 § 44 Nr. 8). Es lag bei der Klägerin auch weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungseinschränkung vor, so dass der Arbeitsmarkt auch nicht unter diesem Aspekt als verschlossen galt. Den Einschränkungen der Klägerin wird nach Überzeugung des Senats bereits durch die Berücksichtigung nur leichter Tätigkeiten ohne vermehrt geistig-psychische Belastungen Rechnung getragen.
Da für die Zeit nach September 2010 die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt sind, kann dahinstehen, ob nach der Entlassung aus der Klinik A. eine volle oder teilweise Erwerbsminderung der Klägerin eingetreten ist.
3. Im Hinblick auf das weitere Berufungsvorbringen ist darauf hinzuweisen, dass kein Anlass zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen besteht. Der Sachverhalt hinsichtlich des Leistungsvermögens der Klägerin zumindest in der Zeit bis Juli 2011 ist nach den vorliegenden medizinischen Befundunterlagen und vom SG durchgeführten Ermittlungen geklärt. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin besteht kein besonderer Anlass für die Zulassung eines weiteren Antrags nach § 109 SGG. Vielmehr war dieses Recht bereits durch die Einholung des Gutachtens bei Dr. W. verbraucht. Grundsätzlich besteht zumindest für dasselbe Fachgebiet das Recht auf Anhörung eines bestimmten Sachverständigen nach § 109 SGG nur einmal in beiden Instanzen (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 109 Anm. 10b, 11b). Die Anhörung mehrerer Ärzte bedarf eines besonderen Grundes. Hier hat das SG bereits das neuropsychiatrisch/psychiatrisch-psychotherapeutische Gutachten von Dr. Willimski nach § 109 SGG eingeholt. Eine besondere Ausgangssituation für die nochmalige Begutachtung nach § 109 SGG ist von der Klägerin weder vorgetragen worden noch für den Senat ersichtlich. Besondere Umstände können darin liegen, dass der zunächst nach § 109 SGG bestimmte Sachverständige spezielle Fragestellungen auf seinem Fachgebiet mangels technischer Ausstattung oder fehlender Sachkompetenz nicht beantworten konnte und jetzt ein Arzt mit höherer Sachkompetenz im gleichen Fachgebiet benannt wird. Dies ist hier nicht der Fall. Dass Dr. H. der langjährig behandelnde Arzt der Klägerin ist, stellt keine Sondersituation dar. Dies war er schon während des Klageverfahrens. Gleichwohl hat die Klägerin dort nicht ihn, sondern Dr. W. als Sachverständigen für das Gutachten gemäß § 109 SGG gewählt. Auch soweit die Klägerin sinngemäß vorträgt, Dr. W. habe eine für den geltend gemachten Rentenanspruch negative Beurteilung ihres Leistungsvermögens vorgenommen, während im Entlassungsbericht der S.-Klinik vom 22.08.2013 eine davon abweichende, für sie günstige Beurteilung erfolgt sei und deshalb in Betracht komme, dass ein Arzt dieser Klinik als Sachverständiger eine entsprechend günstige Beurteilung vornehmen würde, liegt kein besonderer Grund im oben genannten Sinne vor. Vielmehr besteht immer die Möglichkeit, dass der vom Kläger benannte Sachverständige in seinem Gutachten gemäß § 109 SGG zu einer für den Kläger nicht günstigen Einschätzung gelangt und/oder die Einschätzung sich nicht mit der Einschätzung in ggf. vorliegenden anderen Gutachten, Aussagen sachverständiger Zeugen oder in sonstigen Befundunterlagen deckt.
Damit ist die Berufung insgesamt zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG und trägt dem Umstand Rechnung, dass die Klägerin auch im Berufungsverfahren unterlegen ist.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.
Die 1967 in der Türkei geborene Klägerin lebt seit 1977 in der Bundesrepublik Deutschland. Sie hat keinen Beruf erlernt und war zuletzt als Maschinenbedienerin/Verpackerin versicherungspflichtig beschäftigt. Nachdem sie seit 21.11.2006 arbeitsunfähig erkrankt war, hielt sie sich vom 09.05.2007 bis 06.06.2007 zur stationären Rehabilitation in der Z.-Klinik, Klinik für Konservative Orthopädie und Verhaltensmedizin, St. B. auf. Im Entlassungsbericht vom 20.06.2007 wurden Lumboischialgien bei degenerativen Veränderungen der LWS, eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige depressive Episode, rezidivierende Zervikobrachialgien, eine Coxarthrose beidseits und eine Adipositas diagnostiziert. Die Klägerin wurde als arbeitsunfähig entlassen. Sowohl ihre Tätigkeit als Verpackerin/Maschinenbedienerin als auch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes könne sie unter Beachtung qualitativer Einschränkungen vollschichtig ausüben.
Die Klägerin bezog bis 12.09.2007 Krankengeld. Im Oktober 2007 wurde das Arbeitsverhältnis der Klägerin gegen Zahlung einer Abfindung beendet. In einem Gutachten nach Aktenlage des Arztes der Agentur für Arbeit G. vom 23.11.2007 gelangte dieser zu der Einschätzung, dass die Klägerin unter Beachtung qualitativer Einschränkungen vollschichtig leistungsfähig sei für leichte Tätigkeiten des Arbeitsmarktes. Durch Erklärung vom 28.11.2007 stellte sich die Klägerin entsprechend diesem ärztlichen Gutachten dem Arbeitsmarkt zur Verfügung und bezog vom 13.09.2007 bis 12.06.2008 Arbeitslosengeld I. Vom 13.06.2008 bis 17.08.2008 war sie arbeitslos gemeldet ohne Leistungsbezug. Für die Zeit danach sind im Versicherungsverlauf der Klägerin keine Zeiten verzeichnet.
Am 10.12.2007 stellte die Klägerin einen ersten Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung bei der Beklagten. Sie gab an, keine Tätigkeiten mehr ausüben zu können. Nach Beiziehung von Befundunterlagen von der Agentur für Arbeit und des Entlassungsberichts der Z.-Klinik veranlasste die Beklagte eine mehrfachärztliche Begutachtung der Klägerin in ihrer ärztlichen Begutachtungsstation.
Mit nervenärztlichem Zusatzgutachten vom 07.02.2008 diagnostizierte der Arzt für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. eine anhaltende, somatoforme Schmerzstörung, eine Dysthymia und eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leicht bis mittelgradig. Er nahm von seinem Fachgebiet aus ein vollschichtiges Leistungsvermögen der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne Tätigkeiten mit vermehrt geistig-psychischen Belastungen und unter Beschränkung auf Tätigkeiten in Tagschicht an. Der Facharzt für Orthopädie Dr. S. diagnostizierte in seinem chirurgisch-orthopädischen Zusatzgutachten vom 10.02.2008 eine Dorsolumbalgie bei hohlrundem Rücken und beginnende Arthrose der Hüftgelenke. Leichte und mittelschwere Tätigkeiten seien der Klägerin überwiegend im Sitzen oder in wechselnden Körperhaltungen mindestens sechs Stunden täglich möglich, die Wegefähigkeit sei nicht rentenrelevant eingeschränkt. In seinem fachübergreifend-internistischen Gutachten vom 27.02.2008 diagnostizierte der Arzt für Innere Medizin, Sportmedizin, Sozialmedizin und Rehabilitationswesen Dr. M. neben den bereits von Dr. S. und Dr. S. aufgeführten Diagnosen ein Übergewicht (85 kg bei 150 cm Körpergröße). Unter Einbeziehung des nervenärztlichen Zusatzgutachtens des Dr. S. und des orthopädischen Zusatzgutachtens des Dr. S. sei das Leistungsvermögen der Klägerin aufgrund von Rückenbeschwerden, einer beginnenden Arthrose der Hüftgelenke sowie psychischer Veränderungen qualitativ, jedoch nicht quantitativ für körperlich leichte und mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes eingeschränkt.
Gestützt auf diese Gutachten lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 03.03.2008 den Antrag der Klägerin ab, weil weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung vorliege. Mit ihrem Widerspruch legte die Klägerin Berichte ihrer behandelnden Ärzte, des Orthopäden Dr. L. und des Facharzts für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. H. vor. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20.05.2008 zurück.
Hiergegen wandte sich die Klägerin mit einer Klage (S 8 R 2417/08) zum Sozialgericht Karlsruhe (SG). Das SG forderte vom Hausarzt der Klägerin, Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. B., bei ihm vorliegende Befundunterlagen an und befragte Dr. L. und Dr. H. schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. L. teilte unter dem 30.09.2008 mit, bei der Klägerin habe sich seit Juni 2007 eine generalisierte Tendomyopathie bei deutlich depressiver Entwicklung gezeigt, im November 2007 sei sie zusätzlich wegen einer Schultersteife links und unterem Zervikalsyndrom, im Januar 2008 wegen lokalem LWS-Syndrom bei präsacraler Chondrose therapiert worden. Sie leide an zunehmender depressiver somatoformer Schmerzstörung und chronischer Fibromyalgie. Die Gesundheitsstörungen bedingten eine allgemeine Adynamie und Lustlosigkeit bei klinisch ubiquitären Schmerzen. Sie sei leistungsfähig für Tätigkeiten zwischen drei und sechs Stunden täglich. Maßgeblich für diese Beurteilung seien Leiden auf rheumatologischem und psychiatrischem Fachgebiet. Dr. H. teilte unter dem 13.10.2008 mit, die Klägerin seit Januar 2007 etwa alle vier Wochen zu behandeln. Sie leide an einer rezidivierenden depressiven Störung mit ausgeprägter Somatisierung. Der Verlauf sei chronisch, unterliege entsprechend dem rezidivierenden Verlauf einer phasenweise Verstärkung, im Mittel sei jedoch ein gleich bleibendes, chronisches Störungsbild gegeben, etwa mittelgradig. Die berufliche Leistungsfähigkeit sei sehr eingeschränkt auf unter drei Stunden täglich.
Das SG veranlasste weiter eine Begutachtung durch den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. M ... In seinem Gutachten vom 05.02.2009 diagnostizierte er eine leichtgradige chronisch-depressive Verstimmtheit im Sinne einer Dysthymia mit Einschränkungen der psychischen Belastbarkeit, der Arbeitsorganisation und für Wechselschichttätigkeiten sowie eine leichtgradige anhaltende somatoforme Schmerzstörung mit Einschränkungen der Arbeitsschwere und der Arbeitshaltung für den Bewegungs- und Haltungsapparat. Unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen sei die Klägerin in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich einer regelmäßigen Tätigkeit nachzugehen. Mit Beginn einer verstärkten depressiven Symptomatik im Oktober 2005 und nach der Ausbildung eines Ganzkörperschmerzes bis April 2007 bestehe seitdem ein unverändertes Beschwerdebild, wie es bereits von der Z.-Klinik St. B. im Juli 2007 sowie im mehrfachärztlichen Gutachten aus Februar 2008 beschrieben worden sei.
Auf Antrag und Kostenrisiko der Klägerin beauftragte das SG sodann gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetzt (SGG) den die Klägerin behandelnden Facharzt Dr. H. mit der Erstellung eines Gutachtens. In seinem Gutachten vom 03.02.2010 diagnostizierte er eine rezidivierende depressive Störung, mittel- bis schwergradig, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung erheblichen Ausmaßes und eine Dysthymia. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien der Klägerin allenfalls noch leichte Tätigkeiten unter qualitativen Einschränkungen nur bis unter drei Stunden täglich möglich. Der festgestellte Gesundheitszustand sei ab der Rehabilitation Mitte 2007 anzunehmen. Dr. S. habe in seinem Gutachten die Chronizität des Geschehens nicht herausgearbeitet. Der von ihm erhobene psychopathologische Befund zeige recht deutliche Einschränkungen, so dass zumindest eine lediglich halbschichtige Belastbarkeit anzunehmen sei. Bei der Begutachtung durch Dr. M. sei die diagnostische Zuordnung unvollständig geblieben und durch die Interpretation vielfältiger, im Fall der Klägerin ungeeigneter testpsychologischer Untersuchungen insgesamt belastet worden. Aus der hierdurch zustande kommenden Diskrepanz leite Dr. M. eine Aggravation ab, die maßgeblich für die Leistungseinschätzung werde. Es bleibe eine Orientierung am Gutachten von Dr. S ... Hierbei könnten zu unterschiedlichen Untersuchungszeitpunkten unterschiedliche depressive Beschwerden angenommen werden. In der nachvollziehbaren Linie des Gutachtens des Dr. S. sei nach nun weiteren zwei Jahren Krankheitsverlauf leider von einer Chronifizierung auszugehen und zum Untersuchungszeitpunkt sei von einem mittel- bis schwergradigen depressiven Geschehen bei erheblicher Schmerzproblematik auszugehen.
Gegen das Gutachten des Dr. H. brachte die Beklagte unter Vorlage einer Stellungnahme der Ärztin für Psychiatrie, Sozialmedizin, Dr. H. vom 06.05.2010 Einwendungen vor.
Mit Urteil vom 07.10.2010 wies das SG die Klage ab. Gestützt auf das schlüssige und nachvollziehbare medizinische Sachverständigengutachten des Dr. M. sowie auf die im Urkundsbeweis verwerteten Gutachten von Dr. S., Dr. S. und Dr. M. sei die Kammer davon überzeugt, dass die Klägerin leichte bis mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Berücksichtigung qualitativer Leistungseinschränkungen mindestens sechs Stunden pro Arbeitstag verrichten könne, weshalb sie nicht erwerbsgemindert sei. Ebenso wie Dr. M. sehe auch die Kammer nach eigener Prüfung eine schwergradige depressive Störung bei der Klägerin als nicht nachgewiesen an. Bereits Dr. S. habe auf ein bestehendes Verdeutlichungsverhalten der Klägerin im Rahmen der körperlichen Untersuchung hingewiesen. Die Schilderungen der Klägerin zu ihrem Tagesablauf und ihren allgemeinen Lebensumständen ließen, auch insoweit sei das Gutachten des Dr. M. für die Kammer schlüssig und nachvollziehbar, lediglich den Rückschluss auf eine leichtgradige depressive Verstimmung zu. Demgegenüber leide das Gutachten des Dr. H. an erheblichen Schlüssigkeitsmängeln, weshalb es im Ergebnis nicht Grundlage der Entscheidung der Kammer habe sein können. So beschreibe Dr. H. das Gutachten von Dr. S. als insgesamt nachvollziehbar, weiche jedoch in seiner Beurteilung der von Dr. S. erhobenen Befunde aus nicht näher dargelegten Gründen dahingehend ab, dass er ein Absinken des zeitlichen Leistungsvermögens auf eine zumindest lediglich halbschichtige Belastbarkeit annehme, was im Gegensatz dazu stehe, dass er bereits mit schriftlicher sachverständiger Zeugenaussage vom 13.10.2008 und damit ein gutes halbes Jahr nach der Begutachtung durch Dr. S. die Einschätzung eines unter dreistündigen Leistungsvermögens mitgeteilt habe. Auch in seinem Gutachten komme er zur Einschätzung eines aufgehobenen Leistungsvermögens bereits seit 2007, ohne dabei die Beschwerdeäußerungen der Klägerin kritisch-distanziert in ausreichender Weise zu würdigen. Eine gesonderte Darstellung des psychologischen Befundes unterbleibe im Gutachten des Dr. H., ein somatischer Befund werde überhaupt nicht erhoben.
Die gegen dieses Urteil am 22.11.2010 eingelegte Berufung (L 2 R 5391/10) zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) nahm die Klägerin in einem am 13.04.2011 durchgeführten Erörterungstermin im Rahmen eines Vergleichs zurück. Im Vergleich verpflichtete sich die Beklagte, der Klägerin eine Rehabilitation in einer psychosomatisch ausgerichteten Einrichtung mit türkischsprechenden Ärzten/Therapeuten zu gewähren.
Vom 27.06.2011 bis 19.07.2011 befand sich die Klägerin daraufhin zur stationären Rehabilitation in der Reha-Klinik der Klinik A. in B ... Dort wurden folgende Diagnosen gestellt: 1. Dysthymia 2. Somatoforme Schmerzstörung mit psychischen und körperlichen Faktoren 3. Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen 4. Zervikobrachial-Syndrom 5. Lumboischialgie. Es habe sich herausgestellt, dass die Klägerin durch ihre Krankheitssymptome ihren Ehemann gezähmt habe. Er habe nur noch wenig Alkohol getrunken, sei ihr gegenüber nicht mehr körperlich aggressiv gewesen, habe sie im Haushalt unterstützen müssen. Er sei ihr gegenüber milder eingestellt. Insgesamt werde die Klägerin durch den sichtbaren Leidensausdruck im Familiensystem von Belastungen verschont und könne dadurch Konflikte auf Distanz halten. Ein sekundärer Krankheitsgewinn sei vordergründig. Die Klägerin sei im Verlauf der Rehabilitation in ihrem klagsamen und leidenden Ausdruck verhaftet geblieben trotz sichtbarer Antriebssteigerung und Stimmungsaufhellung. Sie habe immer wieder bestätigt, dass sie sich in keiner Weise leistungsfähig sehe und dies mit mangelnder Antriebslosigkeit begründet. Der anfängliche Eindruck mangelnder Willensanstrengung und aggravierender Haltung sei im Verlauf immer stärker geworden, so dass ein längerer Aufenthalt nicht notwendig erschienen sei. Einvernehmlich sei die Klägerin daher vorzeitig als arbeitsfähig entlassen worden. Sie könne sowohl ihre letzte Tätigkeit als Verpackerin als auch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes überwiegend im Stehen, Gehen oder Sitzen in Tagesschicht sechs Stunden und mehr täglich ausüben.
Vom 07.11.2011 bis 11.01.2012 befand sich die Klägerin zur stationären Behandlung im Klinikum N., Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie N., in C ... Dort wurden laut Kurzbrief vom 10.01.2012 folgende Diagnosen gestellt: 1. Schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen 2. Bandscheiben-Vorfall LWS S1, 3. Hypertonie 4. Hüft-Arthrose 5. Trichotillomanie 6. V.a. PTBS Die Klägerin habe sich im Verlauf auf niedrigem Niveau stabilisieren können.
Am 28.11.2011 stellte die Klägerin, unterstützt von der Sozialberatung des Klinikums N., erneut einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung bei der Beklagten. Diesen lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 05.01.2012 ab, weil die Klägerin die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung nicht erfülle. Als möglichen Eintritt der Erwerbsminderung habe sie dabei den 28.12.2011 angenommen. Den Widerspruch der Klägerin hiergegen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.03.2012 zurück. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung nicht erfüllt. Es sei daher nicht zu prüfen, ob derzeit eine Erwerbsminderung vorliege. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen wären nur erfüllt, wenn Erwerbsminderung spätestens im September 2010 eingetreten wäre. Hierfür ergäben sich aber keine Anhaltspunkte. Die Klägerin sei bis 17.08.2008 arbeitslos gemeldet gewesen, d.h. die Agentur für Arbeit sei weiterhin von Arbeitsfähigkeit ausgegangen. Auch aus den vorliegenden ärztlichen Unterlagen im Rentenklageverfahren sei eine Arbeitsunfähigkeit nicht abzuleiten. Es fehle damit am Nachweis einer durchgehend bestehenden Arbeitsunfähigkeit.
Am 10.04.2012 hat die Klägerin Klage zum SG erhoben mit der Begründung, sie sei bereits seit 2007, spätestens seit September 2010 erwerbsgemindert. Seit Januar 2007 sei sie arbeitsunfähig, was zur Verlängerung des 5-Jahres-Zeitraums gemäß § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) führen müsse. Hierzu hat die Klägerin auf eine Bestätigung des Dr. H. vom 19.01.2012 verwiesen, wonach sie seines Erachtens seit Beginn der Behandlung bei ihm am 23.01.2007 arbeitsunfähig sei.
Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Dr. L. hat unter dem 15.05.2012 mitgeteilt, die Klägerin habe seit Juni 2011 drei Sprechstundenkontakte gehabt. Rein orthopädisch bestünden keine Einwände, die für die Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit maßgeblichen Leiden bestünden auf internistischem und rheumatologischem Fachgebiet. Dr. B. hat unter dem 13.07.2012 mitgeteilt, es lägen ihm trotz ausgestellter Überweisungen zu Fachärzten für Gynäkologie, Neurologie und Orthopädie keine Befundberichte für die Zeit ab 01.06.2011 vor. Dr. H. hat unter dem 26.07.2012 und ergänzend unter dem 13.09.2012 mitgeteilt, die Klägerin befinde sich weiterhin in seiner regelmäßigen Behandlung alle vier bis acht Wochen. Im Vordergrund stünden neben der gedrückten Stimmungslage Einbußen im dynamischen Bereich, Vitalgefühlsstörungen sowie kognitive Einschränkungen. Es sei von einem schweren depressiven Leiden im Sinne eines rezidivierenden depressiven Störungsbildes auszugehen. Bei insgesamt chronischem Verlauf eines durchschnittlich mittel- bis schwergradigen depressiven Geschehens sei von einer unterschiedlichen sozialmedizinischen Belastbarkeit auszugehen. Je nach Krankheitsintensität sei von einer vollständig aufgehobenen bis etwa halbschichtigen Belastbarkeit auszugehen. Seit dem 30.07.2009 sei die Klägerin nicht mehr in der Lage gewesen, täglich sechs Stunden leichte Tätigkeiten zu verrichten. Seither sei von einer kontinuierlichen Abnahme der Belastbarkeit auszugehen, die während der letzten Konsultation auf sicher unter drei Stunden täglich abgesunken sei.
Auf Antrag und Kostenrisiko der Klägerin hat das SG ein Gutachten gemäß § 109 SGG bei dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie - Psychotherapie, Facharzt für psychotherapeutische Medizin Dr. W. eingeholt. In seinem Gutachten vom 04.03.2013 ist er zu der Einschätzung gelangt, dass sich auf neuropsychiatrischem Fachgebiet bei erheblichem Übergewicht ein normaler neurologischer Befund finde. Psychiatrisch-psychotherapeutisch bestehe eine anhaltende affektive Verstimmtheit im Sinne einer Dysthymie und einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung. Er handle sich nicht um eine bloße Krankheitsvorstellung, wenngleich ein gewisses Bemühen der Klägerin, die subjektive Beschwerdesymptomatik zu verdeutlichen und im Sinne einer aggravatorischen Tendenz auch zu verfälschen, nicht zu übersehen sei. Bei Verzicht auf den doch ganz erheblichen sekundären Krankheitsgewinn (Verwöhnungssituation durch Ehemann und Sohn durch Übernahme der häuslichen Pflichten) und Anspannung aller zumutbaren Willenskräfte könne die Klägerin durchaus einen Großteil ihrer Beschwerdesymptomatik überwinden. Hier stimme er dem Vorgutachter Dr. M. in allen Punkten zu. Nach seinem Dafürhalten könne die Klägerin Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne unmittelbare Gefährdung der Gesundheit durchführen, wobei schwere und mittelschwere Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten von über 10 kg vermieden werden müssten. Arbeiten unter Akkord-, Schicht- und Nachtarbeitsbedingungen mit überwiegendem Publikumsverkehr und in Leitungsfunktion seien ebenfalls nicht möglich. Bei Beachtung dieser Einschränkungen könne die Klägerin je Arbeitstag Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich leisten. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt. Darüber hinaus benutze die Klägerin auch den eigenen Pkw im Nahbereich. Die Leistungsfähigkeit habe sich seit 30.07.2009 nicht wesentlich geändert.
Vom 23.07.2013 bis 20.08.2013 hat sich die Klägerin zur stationären Rehabilitation in der S.-Klinik in A. aufgehalten. Dort sind folgende Diagnosen gestellt worden: 1. Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome 2. Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren 3. Adipositas durch übermäßige Kalorienzufuhr: Body-Mass-Index (BMI) von 40 und mehr 4. Essentielle Hypertonie, nicht näher bezeichnet: Ohne Angabe einer hypertensiven Krise 5. Gonarthrose, nicht näher bezeichnet. Die Klägerin ist als arbeitsunfähig entlassen worden. Sie könne sowohl ihre letzte Tätigkeit als Arbeiterin als auch sonstige leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nur noch unter drei Stunden täglich ausüben. Bei der Aufnahme habe die Klägerin angegeben, nur kurze Strecken und immer mit dem Gehwagen zurückzulegen. Wegen ihrer Kraftlosigkeit, allgemeiner Schwäche und Bandscheibenbeschwerden habe sie einen Rollator als Gehhilfe. Sie sei nur noch zu Hause und müsse den ganzen Tag liegen. Eine Entwöhnung vom Rollator sei im Verlauf der Rehabilitation leider nicht gelungen.
In einer Bestätigung vom 15.04.2014 hat Dr. H. angegeben, dass die Klägerin seines Erachtens durchgehend seit dem 13.10.2008 nur noch unter drei Stunden täglich belastbar gewesen sei, auch für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes.
Nach mündlicher Verhandlung hat das SG die Klage mit Urteil vom 28.05.2014 abgewiesen. Die - näher dargelegten - Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung lägen nicht vor. Bei einem Eintritt der Erwerbsminderung nach September 2010 seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt angesichts der letzten Pflichtbeitragszeit am 12.06.2008. Gemäß § 43 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI verlängere sich der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung um Anrechnungszeiten. Anrechnungszeiten im Sinne des § 58 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI lägen bei der Klägerin bis 17.08.2008 vor. Anrechnungszeiten wegen Arbeitsunfähigkeit im Sinne des § 58 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI lägen nicht vor, da die Voraussetzungen des § 58 Abs. 2 SGB VI nicht erfüllt seien. Daher könne dahinstehen, ob eine durchgehende Arbeitsunfähigkeit überhaupt bestanden habe. Bei der Beurteilung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sei auf den Stand des Versicherungsverlaufs zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abzustellen. Das von der Klägerin mittlerweile eingeleitete Verwaltungsverfahren mit dem Ziel, durch Nachzahlung von Beiträgen weitere Pflichtbeitragszeiten zu erhalten, sei daher nicht zu berücksichtigen.
Die Klägerin sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bis September 2010 nicht erwerbsgemindert. Sie leide unter Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem und orthopädischem Fachgebiet. Daraus folgten - näher dargestellte - qualitative Einschränkungen des Leistungsvermögens, nicht jedoch in quantitativer Hinsicht. Dies folge aus den plausiblen und nachvollziehbaren Ausführungen im Entlassungsbericht der R.-Klinik A. vom 03.08.2011. Aus dieser sei die Klägerin wegen mangelnder Willensanstrengung und deutlicher Aggravation vorzeitig in arbeitsfähigem Zustand entlassen worden. Zu diesem Zeitpunkt habe keine Einschränkung der sozialen Kontaktfähigkeit bestanden, Stimmungsauflockerung und Antriebssteigerung seien erreicht worden. Nicht anschließen könne sich die Kammer der Bewertung des Dr. H., der im Laufe des Verfahrens widersprüchliche Angaben zum Leistungsvermögen der Klägerin gemacht habe. Die Ausführungen des Dr. W. vom 04.03.2013 stünden nicht entgegen, seien aber nicht entscheidungserheblich, da zum Zeitpunkt der Untersuchung durch den Sachverständigen die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht mehr bestanden hätten. Nicht entscheidungserheblich seien auch die negativen Leistungsbeurteilungen im Entlassungsbericht der Klinik N. vom 10.01.2012 und der S.-Klinik vom 22.08.2013.
Gegen das ihren Bevollmächtigten am 23.06.2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 30.06.2014 Berufung eingelegt. Zwar seien bei einem Eintritt der Erwerbsminderung nach September 2010 die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt, sie sei aber bereits seit Januar 2007 arbeits- und erwerbsunfähig. Im Reha-Bericht der S.-Klinik vom 22.08.2013 werde ein Leistungsvermögen von unter drei Stunden gesehen. Dr. H. bestätige, dass sie aufgrund der depressiven Erkrankung seit 13.10.2008 durchgehend unter drei Stunden erwerbsfähig sei. Der bereits beim SG gestellte, aber dort übergangene Antrag auf Einholung eines weiteren Gutachtens von Amts wegen, zumindest aber gemäß § 109 SGG bei Dr. H. aus der S.-Klinik oder aber bei Dr. H. werde für die Berufungsinstanz wiederholt. Die Einholung eines Gutachtens könne nicht verwehrt werden, da die Leistungseinschätzung im Entlassungsbericht der S.-Klinik vom August 2013 im Widerspruch zu der Leistungseinschätzung des Dr. W. in seinem nach § 109 SGG erstatteten Gutachten stehe. Dr. H. sei schon deshalb als Gutachter geeignet, weil sich die Klägerin seit Januar 2007 in seiner Behandlung befinde und vorliegend Zeiträume in der Vergangenheit zu klären seien.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28. Mai 2014 und den Bescheid der Beklagten vom 5. Januar 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. März 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer, hilfsweise befristet zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Rahmen eines Termins zur Erörterung der Sach- und Rechtslage haben beide Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen im vorliegenden Verfahren, der Akten der Beklagten sowie der beigezogenen Akten der früheren Verfahren beim SG (S 8 R 2417/08 und S 17 SB 606/11) und beim LSG (L 2 R 5391/10) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG vom 28.05.2014 sowie der angefochtene Bescheid vom 05.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.03.2012 sind im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung oder wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.
Gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind (Satz 1 Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Satz 1 Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Satz 1 Nr. 3). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Satz 2). Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben - bei im Übrigen identischen Tatbestandsvoraussetzungen - Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Darüber hinaus ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI generell nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigten (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI verlängert sich gemäß § 43 Abs. 4 SGB VI um folgende Zeiten, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind:
1. Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, 2. Berücksichtigungszeiten, 3. Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nr. 1 oder 2 liegt, 4. Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung. Eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ist gemäß § 43 Abs. 5 SGB VI nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist. Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vor Eintritt der Erwerbsminderung sind gemäß § 241 Abs. 2 Satz 1 SGB VI für Versicherte nicht erforderlich, die vor dem 1. Januar 1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt haben, wenn jeder Kalendermonat vom 1. Januar 1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsminderung mit 1. Beitragszeiten 2. beitragsfreien Zeiten, 3. Zeiten, die nur deshalb nicht beitragsfreie Zeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag, eine beitragsfreie Zeit oder eine Zeit nach Nr. 4, 5 oder 6 liegt, 4. Berücksichtigungszeiten, 5. Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder 6. Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts im Beitrittsgebiet vor dem 1. Januar 1992 (Anwartschaftserhaltungszeiten) belegt ist oder wenn die Erwerbsminderung vor dem 1. Januar 1984 eingetreten ist. Für Kalendermonate, für die eine Beitragszahlung noch zulässig ist, ist eine Belegung mit Anwartschaftserhaltungszeiten nicht erforderlich (§ 241 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).
1. Die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB VI (drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung) sind für die Zeit nach September 2010 nicht mehr erfüllt.
Der Versicherungsverlauf der Klägerin, der von dieser auch nicht bestritten wird, weist lediglich Zeiten bis 17.08.2008 auf. Bei einem fiktiven Versicherungsfall am 01.09.2010 wäre der Fünfjahreszeitraum (01.09.2005 bis 31.08.2010) um zwei Monate wegen einer Aufschubzeit nach § 43 Abs. 4 SGB VI (Anrechnungszeit bei Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug vom 13.06.2008 bis 17.08.2008) zu verlängern (01.07.2005 bis 31.08.2010).
Eine weitere Verlängerung, insbesondere durch die Berücksichtigung einer Anrechnungszeit wegen Arbeitsunfähigkeit nach §§ 43 Abs. 4 Nr. 1 bzw. Nr. 3, 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI kommt nicht in Betracht. Zwar gibt die Klägerin an, sie sei seit dem Jahr 2007 durchgehend arbeitsunfähig. Die Zeit vom 02.01.2007 bis zum 12.06.2008 kommt bereits wegen ihrer Belegung mit Pflichtbeiträgen im Sinne des § 55 Abs. 2 Nr. 2 SGB II nicht als Aufschubzeit nach § 43 Abs. 4 SGB VI in Betracht. Für die Zeit ab 18.08.2008 scheidet die Einordnung als Aufschubzeit zwar entgegen den Ausführungen des SG nicht bereits daran, dass die Voraussetzungen des § 58 Abs. 2 SGB VI (Unterbrechung einer versicherten Beschäftigung) nicht vorliegen, denn dies ist nach § 43 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI entbehrlich.
Aber der Senat hält es ebenso wie die Beklagte nicht für erwiesen, dass die Klägerin dauerhaft und ohne Unterbrechung arbeitsunfähig erkrankt gewesen ist. Vielmehr ist der Senat der Überzeugung, dass die Klägerin über den September 2010 hinaus zumindest leichten körperlichen Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen gewachsen war (siehe hierzu unter 2.). Der Begriff der Arbeitsunfähigkeit im Sinne der §§ 43 Abs. 4, 58 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI ist hierbei wie im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung zu verstehen. Arbeitsunfähigkeit liegt danach vor, wenn der Versicherte seine zuletzt ausgeübte Erwerbstätigkeit oder eine ähnlich geartete Tätigkeit nicht mehr oder nur auf die Gefahr hin, seinen Zustand zu verschlimmern, verrichten kann vgl. Gürtner in Kasseler Kommentar, SGB VI, § 58 Rn. 3; BSG, Urteil vom 04.04.2006 - B 1 KR 21/05 R - BSGE 96,182). War der Versicherte seit dem Verlust des Arbeitsplatzes länger als sechs Monate als Arbeitsloser krankenversichert, richtet sich die Arbeitsunfähigkeit nicht mehr nach den besonderen Anforderungen der zuletzt ausgeübten Beschäftigung, sondern nach den Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes (vgl. BSG, Urteil vom 04.04.2006 a.a.O. und Urteil vom 19.09.2002 - B 1 KR 11/02 R - Juris). Das letzte Beschäftigungsverhältnis der Klägerin endete im Oktober 2007. Die Klägerin stellte sich durch Erklärung gegenüber der Agentur für Arbeit für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zur Verfügung und bezog vom 13.09.2007 bis 12.06.2008 Arbeitslosengeld I, war mithin länger als sechs Monate als Arbeitslose versichert. Daher ist für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit im hier als Aufschubzeit nur noch in Frage kommenden Zeitraum ab 18.08.2008 maßgebend, ob die Klägerin leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verrichten konnte. Da dies zu bejahen ist (siehe unter 2.), scheidet eine Aufschubzeit wegen Arbeitsunfähigkeit aus.
In dem dann zugrunde zu legenden Zeitraum vom 01.07.2005 bis 31.08.2010 sind letztmals 36 Monate (19 Monate Pflichtbeitragszeiten für Beschäftigung von Juli 2005 bis Januar 2007, acht Monate Pflichtbeitragszeiten für Krankengeldbezug vom Januar 2007 bis September 2007, neun Monate Pflichtbeitragszeit für Arbeitslosigkeit mit Leistungsbezug von September 2007 bis Juni 2008) mit Pflichtbeiträgen belegt, so dass eine Erwerbsminderung bis September 2010 eingetreten sein und seither durchgehend bestanden haben müsste. Hiervon kann sich der Senat indessen anhand der vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht überzeugen (siehe unter 2.). Die Drei-Fünftel-Belegung ist im Falle der Klägerin auch nicht verzichtbar, da kein Fall des § 43 Abs. 5 SGB VI und des § 241 Abs. 2 Satz 1 SGB VI vorliegt.
2. Unter Würdigung der im vorliegenden sowie im vorangegangenen Klageverfahren (S 8 R 2417/08) vom SG erhobenen Beweise und der von den Beteiligten vorgelegten Befundberichte, Atteste, Entlassungsberichte und Gutachten, die im Wege des Urkundsbeweises verwertet werden, ist der Senat davon überzeugt, dass die Klägerin in der Zeit bis mindestens Juli 2011 (Entlassung aus der Klinik A.) in der Lage war, unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr arbeitstäglich auszuüben. Weder die Erkrankungen auf orthopädischem, psychiatrischem und internistischem Fachgebiet für sich alleine noch alle Erkrankungen in der Gesamtschau bedingen eine volle oder teilweise Erwerbsminderung der Klägerin.
Auf orthopädischem Fachgebiet litt die Klägerin an Lumboischialgien, einem Zervikobrachialgie-Syndrom und einer Hüftgelenksarthrose. Hierbei stützt sich der Senat auf das im Auftrag der Beklagten erstattete orthopädische Gutachten des Dr. S. vom 10.02.2008 und den Entlassungsbericht der Klinik Am Schönen Moos vom 03.08.2011. Hieraus folgten Einschränkungen für schwere körperliche Arbeiten, in längeren Zwangshaltungen des Rumpfes, für das Heben und Tragen von Lasten über 15 kg, mit Stauchungen der Wirbelsäule sowie mit Steigen auf Gerüste und hohe Leitern. Dagegen ergaben sich keine gesundheitlichen Bedenken gegen leichte und mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, überwiegend im Sitzen oder in wechselnder Körperhaltung. Eine Einschränkung der Wegefähigkeit lag nicht vor.
Dem widerspricht auch nicht die Einschätzung von Dr. L. in seinen sachverständigen Zeugenauskünften. Soweit Dr. L. in seiner früheren Auskunft vom 30.09.2008 angegeben hat, dass wohl eine Leistungsfähigkeit von unter sechs Stunden zutreffend sei, begründete er dies mit Leiden auf rheumatologischem und psychiatrischem Fachgebiet. Dass relevante Erkrankungen auf rheumatologischem Fachgebiet aber nicht vorlagen, hat Dr. M. in seinem fachübergreifend-internistischen Gutachten vom 27.02.2008 für den Senat überzeugend dargestellt. Auch die Klägerin gibt keine solchen Erkrankungen an. Soweit das psychiatrische Fachgebiet betroffen ist, stützt der Senat seine Überzeugung auf die Befunde der entsprechenden Fachärzte. Auf seinem eigenen Fachgebiet gibt Dr. L. keine Befunde oder Diagnosen an, die eine auch quantitative Einschränkung der Leistungsfähigkeit der Klägerin begründen. Dies deckt sich auch mit der Einschätzung im Entlassungsbericht der Klinik A. vom 03.08.2011.
Auf psychiatrischem Fachgebiet litt die Klägerin in der Zeit bis mindestens Juli 2011 an einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung, einer Dysthymia und einer leichten bis mittelgradigen rezidivierenden depressiven Störung. Aufgrund dieser Erkrankungen waren der Klägerin nur noch leichte Tätigkeiten in Tagschicht ohne vermehrte geistig-psychische Belastungen wie besonders hohen Zeitdruck, besonders hohe Anforderungen an das Umstellungs- und Anpassungsvermögen, überwiegendem Publikumsverkehr und in Leitungsfunktion zumutbar. Zeitlich war das Leistungsvermögen der Klägerin jedoch nicht eingeschränkt. Der Senat stützt seine Auffassung hierbei im Wesentlichen auf den Entlassungsbericht der Klinik A. vom 03.08.2011 sowie das für die Beklagte erstattete Gutachten des Dr. S. vom 07.02.2008 und das im früheren Klageverfahren eingeholte Gutachten des Dr. M. vom 05.02.2009. Diese Einschätzung wird auch durch das Gutachten des Dr. W. vom 04.03.2013 gestützt.
Weder bei den Begutachtungen durch Dr. S. Anfang 2008 und Dr. M. Anfang 2009 noch während des Aufenthalts in der Klinik A. im Sommer 2011 konnte eine Erkrankung mit einem solchen Schweregrad festgestellt werden, dass sich daraus eine Minderung auch des zeitlichen Leistungsvermögens der Klägerin ableiten ließe. Dieser in beiden Gutachten und dem Entlassungsbericht der Klinik übereinstimmend angegebenen Einschätzung schließt sich der Senat nach eigener Prüfung an. Sie ist anhand der sich aus dem Entlassungsbericht und den genannten Gutachten ergebenden Befunde nachvollziehbar und überzeugend. Anhaltspunkte dafür, dass sich im Zeitraum dazwischen der gesundheitliche Zustand der Klägerin abweichend darstellte, sieht der Senat nicht. Zwar gab die Klägerin sowohl gegenüber den Sachverständigen als auch in der Klinik jeweils starke Beeinträchtigungen an. Bei der Untersuchung durch Dr. S. waren aber der gerichtete Antrieb, das Durchhaltevermögen und die kognitive Leistungsfähigkeit nicht eingeschränkt. Bei der Untersuchung durch Dr. M. war der Affekt gedrückt. Psychomotorik, Antrieb und emotionale Schwingungsfähigkeit waren etwas reduziert. Trotz Klagen über Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen wirkten Denken und Gedächtnisfunktionen in der Untersuchungssituation nicht eingeschränkt. Der formale Gedankengang war geordnet, es fanden sich keine Wahrnehmungsstörungen oder wahnhaftes Erleben. Nachvollziehbar zeigt Dr. M. auf, dass das Beschwerdeverhalten der Klägerin nicht authentisch war.
Noch deutlicher zeigte sich dies laut dem Entlassungsbericht in der Klinik A ... Bei Aufnahme in die Klinik gab die Klägerin neben einer somatoform-depressiven Symptomatik multiple Symptome aus dem ängstlichen und psychotischen Formenkreis an, die in Einzelheiten aber im persönlichen Gespräch nicht nachvollziehbar waren. Sie zeigte eine Verdeutlichungstendenz bei der Darstellung der körperlichen Beschwerden. Wesentliche Beeinträchtigungen der Aktivität im Klinikalltag konnten nicht festgestellt werden. Einschränkungen in der sozialen Kontaktfähigkeit und Konfliktfähigkeit waren entgegen den Schilderungen der Klägerin in der Aufnahmesituation und während des Aufenthalts nicht zu beobachten. Überwiegend verbrachte die Klägerin ihre Freizeit mit Spaziergängen und sozialen Aktivitäten mit türkischen Mitrehabilitandinnen. Antriebssteigerung und Stimmungsaufhellung wurden sichtbar. Der anfängliche Eindruck mangelnder Willensanstrengung und aggravierender Haltung wurde im Verlauf immer stärker, so dass eine vorzeitige Entlassung der Klägerin erfolgte. Auch Dr. M. beschreibt ein wenig motiviertes Krankheitsbewältigungsverhalten, das er aus dem erheblichen sekundären Krankheitsgewinn (Entlastung im Alltag, im Haushalt, Reduzierung des Alkoholkonsums und der Aggressivität des Ehemannes) herleitet. Einschränkungen des Leistungsvermögens der Klägerin, die über die obenstehenden qualitativen Aspekte hinausgehen, lagen daher zur Überzeugung des Senats in der Zeit bis zur Entlassung aus der Klinik A. im Juli 2011 nicht vor.
Der Senat vermag sich nicht der Auffassung des Dr. H. anzuschließen. Dieser diagnostiziert ebenfalls eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine Dysthymia und eine rezidivierende depressive Störung. Allerdings sieht er das Ausmaß der Erkrankungen jeweils als schwerer an, die depressive Störung sei durchgehend mittel- bis schwergradig ausgeprägt, die somatoforme Schmerzstörung habe ein erhebliches Ausmaß. Hieraus resultiere insgesamt eine stärkere Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit der Klägerin, nämlich auch in zeitlicher Hinsicht. Diese Einschätzung ist anhand der von Dr. H. mitgeteilten Befunde und der für den Senat überzeugenden Gutachten des Dr. S. und Dr. M. nicht nachvollziehbar und auch in sich nicht widerspruchsfrei. Denn in seinen Äußerungen gelangt Dr. H. teilweise zum Ergebnis, die Erkrankungen seien von einem solchen Schweregrad, dass die Klägerin durchgehend seit Januar 2007 oder aber seit Januar 2008 nur noch unter drei Stunden leistungsfähig sei. Teilweise führt er aus, dass das Leistungsvermögen erst nach zunehmender Chronifizierung von unter sechs Stunden auf unter drei Stunden täglich abgesunken sei. In seinem Gutachten vom 03.02.2010 erklärt er einerseits die Einschätzung des Dr. S. für nachvollziehbar, anhand des psychopathologischen Befundes sei zumindest eine lediglich halbschichtige Belastbarkeit der Klägerin anzunehmen (Seiten 28/29 d. Gutachtens). Andererseits gelangt er zu dem Ergebnis, dass der Klägerin auch unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen Tätigkeiten nur bis unter drei Stunden täglich möglich seien und dies unverändert schon ab Mitte 2007 (Seiten 25/26 d. Gutachtens).
Weiter litt die Klägerin an Adipositas. Insoweit ergaben sich keine über die bereits genannten hinausgehenden qualitativen Leistungseinschränkungen und keine zeitliche Leistungsminderung. Insoweit stützt sich des Senat auf das Gutachten des Internisten Dr. M ...
Die Klägerin war somit in der Zeit bis Juli 2011 nicht erwerbsgemindert, zumal auch die Zusammenschau der einzelnen Gesundheitsstörungen keine Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens auf weniger als sechs Stunden täglich begründet. Insbesondere muss für die Verneinung von Erwerbsminderung bei mindestens sechs Stunden täglich leistungsfähigen Versicherten weder eine konkrete Tätigkeit benannt werden, noch ist die Frage zu prüfen, ob es genügend Arbeitsplätze gibt (vgl. Beschlüsse des Großen Senats des BSG vom 19.12.1996, u.a. SozR 3-2600 § 44 Nr. 8). Es lag bei der Klägerin auch weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungseinschränkung vor, so dass der Arbeitsmarkt auch nicht unter diesem Aspekt als verschlossen galt. Den Einschränkungen der Klägerin wird nach Überzeugung des Senats bereits durch die Berücksichtigung nur leichter Tätigkeiten ohne vermehrt geistig-psychische Belastungen Rechnung getragen.
Da für die Zeit nach September 2010 die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt sind, kann dahinstehen, ob nach der Entlassung aus der Klinik A. eine volle oder teilweise Erwerbsminderung der Klägerin eingetreten ist.
3. Im Hinblick auf das weitere Berufungsvorbringen ist darauf hinzuweisen, dass kein Anlass zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen besteht. Der Sachverhalt hinsichtlich des Leistungsvermögens der Klägerin zumindest in der Zeit bis Juli 2011 ist nach den vorliegenden medizinischen Befundunterlagen und vom SG durchgeführten Ermittlungen geklärt. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin besteht kein besonderer Anlass für die Zulassung eines weiteren Antrags nach § 109 SGG. Vielmehr war dieses Recht bereits durch die Einholung des Gutachtens bei Dr. W. verbraucht. Grundsätzlich besteht zumindest für dasselbe Fachgebiet das Recht auf Anhörung eines bestimmten Sachverständigen nach § 109 SGG nur einmal in beiden Instanzen (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 109 Anm. 10b, 11b). Die Anhörung mehrerer Ärzte bedarf eines besonderen Grundes. Hier hat das SG bereits das neuropsychiatrisch/psychiatrisch-psychotherapeutische Gutachten von Dr. Willimski nach § 109 SGG eingeholt. Eine besondere Ausgangssituation für die nochmalige Begutachtung nach § 109 SGG ist von der Klägerin weder vorgetragen worden noch für den Senat ersichtlich. Besondere Umstände können darin liegen, dass der zunächst nach § 109 SGG bestimmte Sachverständige spezielle Fragestellungen auf seinem Fachgebiet mangels technischer Ausstattung oder fehlender Sachkompetenz nicht beantworten konnte und jetzt ein Arzt mit höherer Sachkompetenz im gleichen Fachgebiet benannt wird. Dies ist hier nicht der Fall. Dass Dr. H. der langjährig behandelnde Arzt der Klägerin ist, stellt keine Sondersituation dar. Dies war er schon während des Klageverfahrens. Gleichwohl hat die Klägerin dort nicht ihn, sondern Dr. W. als Sachverständigen für das Gutachten gemäß § 109 SGG gewählt. Auch soweit die Klägerin sinngemäß vorträgt, Dr. W. habe eine für den geltend gemachten Rentenanspruch negative Beurteilung ihres Leistungsvermögens vorgenommen, während im Entlassungsbericht der S.-Klinik vom 22.08.2013 eine davon abweichende, für sie günstige Beurteilung erfolgt sei und deshalb in Betracht komme, dass ein Arzt dieser Klinik als Sachverständiger eine entsprechend günstige Beurteilung vornehmen würde, liegt kein besonderer Grund im oben genannten Sinne vor. Vielmehr besteht immer die Möglichkeit, dass der vom Kläger benannte Sachverständige in seinem Gutachten gemäß § 109 SGG zu einer für den Kläger nicht günstigen Einschätzung gelangt und/oder die Einschätzung sich nicht mit der Einschätzung in ggf. vorliegenden anderen Gutachten, Aussagen sachverständiger Zeugen oder in sonstigen Befundunterlagen deckt.
Damit ist die Berufung insgesamt zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG und trägt dem Umstand Rechnung, dass die Klägerin auch im Berufungsverfahren unterlegen ist.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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