Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 1 SB 3507/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 4699/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des beim Kläger festzustellenden Grades der Behinderung (GdB) streitig, insb. ob beim Kläger die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch festzustellen ist.
Mit Gerichtsbescheid vom 06.06.2008 ( - S 1 SB 3402/05 -) verurteilte das Sozialgericht Freiburg (SG) den Beklagten, den GdB des am 17.05.1946 geborenen Klägers ab dem 02.02.2004 mit 30 festzustellen. Das SG führte hierin aus, dass eine beim Kläger bestehende "Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderung der Wirbelsäule" mit einem Einzel-GdB von 20 sowie eine "Funktionsbehinderung beider Schultergelenke", und eine "Funktionsbehinderung beider Hüftgelenke" mit einem solchen von jeweils 10 zu bewerten seien. Mit Bescheid vom 25.06.2008 stellte das Landratsamt O. - Amt für Soziales und Versorgung - (LRA) in Ausführung des Gerichtsbescheides einen GdB von 30 seit 02.02.2004 fest. Die gegen den Gerichtsbescheid vom Kläger eingelegte Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (- L 8 SB 3165/08 -) nahm der Kläger anlässlich eines Termins zur Erörterung des Sachverhalts am 14.11.2008 zurück und beantragte gleichzeitig wegen einer Verschlechterung die Neufeststellung seines Behindertenrechtsverhältnisses.
Das LRA führte die vom Kläger in der Verhandlung vom 14.11.2008 vorgelegten medizinischen Unterlagen, u.a. den Rehabilitationsentlassungsbericht des T. Zentrums für ambulante Rehabilitation, Berghaupten, vom 07.12.2007 über eine dort vom 05. - 30.11.2007 durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme, einer versorgungsärztlichen Überprüfung zu. Dr. H. schätzte hierbei unter dem 28.01.2009 den Einzel-GdB für eine "Funktionsbehinderung beider Schultergelenke", für eine "Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderung der Wirbelsäule" sowie für eine "Hüftgelenksendoprothese li., Funktionsbehinderung des rechten Hüftgelenks" auf jeweils 20 und den GdB insg. auf 40 ein.
Gestützt hierauf stellte das LRA den GdB des Klägers mit Bescheid vom 12.02.2009 mit 40 seit dem 14.11.2008 fest.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch, mit dem er vorbrachte, für die Funktionsbeeinträchtigungen auf orthopädischem Fachgebiet sei jeweils ein Einzel-GdB von 30 anzusetzen, insb. als die im November 2007 durchgeführte Hüft-TEP-Implantation offensichtlich nicht erfolgreich gewesen sei. Insg. sei ein Gesamt-GdB von mindestens 50 gerechtfertigt. Das LRA forderte daraufhin bei dem den Kläger behandelnden Arzt für Allgemeinmedizin Dr. H. einen Befundschein an und führte die hierzu vorgelegten Arztbriefe einer versorgungsärztlichen Überprüfung durch Dr. Z. zu, der unter dem 25.03.2010 die Einschätzung vertrat, die vorliegenden Unterlagen zeigten eine gute Funktionsfähigkeit der Hüft-TEP, die Schultergelenke seien nur endgradig in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt und das Wirbelsäulenleiden führe nicht zu sensomotorischen Defiziten, weswegen eine Abhilfe nicht möglich sei.
Gestützt hierauf wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 23.06.2010 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 07.07.2010 Klage zum SG erhoben. Er hat diese damit begründet, dass die Beeinträchtigungen der Schulter- und Hüftgelenke sowie der Wirbelsäule zu niedrig bewertet seien. Die Hüftgelenks- und die Bandscheibenproblematik überlagerten sich und wirkten verstärkend aufeinander. Überdies sei der Zeitpunkt, ab dem ein höherer GdB zu berücksichtigen sei, deutlich vor dem 14.11.2008 anzusetzen.
Der Beklagte ist der Klage entgegen getreten und hat darauf verwiesen, dass der Antrag auf Höherbewertung des GdB am 14.11.2008 gestellt worden sei.
Das SG hat sodann Dr. Dr. S., Arzt für Orthopädie, Sportmedizin - Chirotherapie, zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt und mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. In seinem fachorthopädischen Gutachten vom 14.02.2011 hat Dr. Dr. S. beim Kläger Bewegungseinschränkungen des linken Schultergelenks und Funktionsbeeinträchtigungen des rechten Schultergelenks, eine mediale Gonarthrose rechts ohne Funktionsbeeinträchtigungen des Kniegelenks, ein endoprothetisch versorgtes linkes Hüftgelenk ohne Lockerungs- oder entzündliche Zeichen sowie einen Wirbelsäulenschaden mit geringen funktionellen Auswirkungen an Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule beschrieben. Den Einzel-GdB für die Schulterproblematik und die endoprothetische Versorgung des linken Hüftgelenks hat Dr. Dr. S. auf jeweils 20, den der Kniegelenksveränderungen und den für den Wirbelsäulenschaden auf jeweils 10 eingeschätzt. Insg. sei der GdB auf orthopädischem Gebiet auf 40 einzuschätzen.
Mit Gerichtsbescheid vom 11.10.2012 hat das SG die Klage sodann abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, dass die beim Kläger bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen nach den gutachterlichen Ausführungen von Dr. Dr. S. insg. mit einem GdB von 40 angemessen bewertet seien. Gegen den am 13.10.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 09.11.2012 Berufung eingelegt. Der Kläger trägt vor, dass bei ihm beide Schultergelenke in ihrer Beweglichkeit beeinträchtigt seien, wofür insg. ein Einzel-GdB von 40 anzusetzen sei. Auch der bestehende Wirbelsäulenschaden sei mit einem Einzel-GdB von 10 unterbewertet.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Oktober 2012 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 12. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juni 2010 zu verurteilen, die bei ihm bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von mindestens 50 ab dem 14. November 2008 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung seines Antrages verweist er auf die aus seiner Sicht zutreffenden Gründe des angefochtenen Gerichtsbescheides. Das SG habe den medizinischen Sachverhalt zutreffend gewürdigt.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat Prof. Dr. S., Facharzt für Orthopädie und Chirurgie, zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt und mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Prof. Dr. S. hat in seinem orthopädisch-chirurgischen Gutachten vom 11.10.2013 beim Kläger ein Impingementsyndrom beider Schultergelenke bei degenerativen Schultergelenksveränderungen und einem Z.n. Schlüsselbeinteilresektion, ein leichtes Schulterarmsyndrom bei Aufbraucherscheinungen der Halswirbelsäule und ein leichtes Lendenwirbelsäulensyndrom ohne Nervenkompressionssymptomatik, eine O-Bein-Stellung des rechten Beins mit fehlstellungsbedingtem Aufbrauch des rechten Kniegelenks und einer mittelschweren Funktionsbeeinträchtigung des Knies sowie eine linksseitig implantierte Hüftendoprothese ohne wesentliche Funktionsbeeinträchtigungen benannt. Der GdB sei insg. ab November 2008 mit 50 festzustellen, da die bisherige Bewertung die bestehende rechtsseitige Kniegelenksarthrose nicht berücksichtigt habe und auch eine Schwerhörigkeit und behandlungsbedürftige Herzrhythmusstörungen nicht berücksichtigt seien.
Der Beklagte ist der Einschätzung von Prof. Dr. S. unter Anregung einer internistischen und hno-ärztlichen Beweisaufnahme im Wege einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. R. vom 21.01.2014 entgegen getreten.
Nachdem Prof. Dr. S. unter dem 12.02.2014 ergänzend ausgeführt hat, dass er auch in Ansehung der Einschätzung von Dr. R. keinen Anlass sehe, von seiner GdB-Einschätzung abzuweichen, hat der Senat, da aus der vom Kläger im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Erklärung zur Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht weder eine internistische noch eine hno-ärztliche Behandlung ersichtlich ist, dem Bevollmächtigten des Klägers unter dem 29.01.2014 aufgegeben, mitzuteilen, ob der Kläger in entsprechender fachärztlicher Behandlung stehe. Trotz Erinnerungen hieran (gerichtliche Verfügung vom 06.02.2014), zuletzt auch unter Präklusionsandrohung (gerichtliche Verfügung vom 21.03.2014), ist klägerseits keine Stellung-nahme hierzu erfolgt.
Mit Schriftsatz 20.08.2014 hat der Beklagte, mit solchem vom 15.09.2014 der Kläger, das Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die beim Beklagten für den Kläger geführte Schwerbehindertenakte, welche Gegenstand der Entscheidungsfindung geworden sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung, über die der Senat nach dem erteilten Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, führt jedoch für den Kläger inhaltlich nicht zum Erfolg.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, der angefochtene Bescheid vom 12.02.2009 (Widerspruchsbescheid vom 23.06.2010) ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Den Verschlechterungen im Gesundheitszustand des Klägers ist durch die Erhöhung des GdB von 30 auf 40 angemessen und ausreichend Rechnung getragen. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die bei ihm bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 50 oder höher zu bewerten sind.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch i.V.m. § 69 Abs. 1 Satz 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung - vorliegend dem vom 25.06.2008 - vor-gelegen haben, eine wesentlichen Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Eine wesentliche Änderung ist im gegebenen Zusammenhang im Hinblick auf die Feststellung des GdB anzunehmen, wenn sich durch eine Besserung oder Verschlechte-rung des Behinderungszustandes eine Herabsetzung oder Erhöhung des festgestellten (Gesamt-) GdB um wenigstens 10 ergibt (u.a. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 22.10.1986 - 9a RVs 55/85 - veröffentlicht in juris). Die Änderung der Bezeichnung der Funktionsbeeinträchtigungen oder das Hinzutreten weiterer Funktionsbeeinträchtigungen ohne Auswirkung auf den GdB stel-len hingegen keine wesentliche Änderung in diesem Sinne dar (BSG, Urteil vom 24.06.1998 - B 9 SB 18/97 R - veröffentlicht in juris). Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, ist durch einen Vergleich der gegenwärtigen - d.h. den Verhältnissen zum Zeitpunkt der gerichtlichen Ent-scheidung - mit dem verbindlich festgestellten objektiven Behinderungszustand zum Zeitpunkt des Erlasses des zuletzt bindend gewordenen Bescheides zu ermitteln. Bei einer derartigen Neu-feststellung handelt es sich nicht um eine reine Hochrechnung des im letzten maßgeblichen Be-scheid festgestellten GdB, sondern um dessen Neuermittlung unter Berücksichtigung der gegen-seitigen Beeinflussung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 19.09.2000 - B 9 SB 3/00 R - veröffentlicht in juris).
Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen die zur Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behin-derung und den GdB fest, für den die im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG festgelegten Maßstäbe entsprechend gelten (§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX). Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen be-hindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand ab-weichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Aus dieser De-finition folgt, dass für die Feststellung einer Behinderung sowie Einschätzung ihres Schweregra-des nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörungen ankommt, die durch einen re-gelwidrigen Zustand verursacht werden. Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX werden die Auswir-kungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft als GdB nach Zehner-graden abgestuft festgestellt. Eine Feststellung ist hierbei nur dann zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Satz 6 SGB IX).
Bei der konkreten Bewertung von Funktionsbeeinträchtigungen sind für die Zeit bis zum 31.12.2008 die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz (AHP), herausgegeben vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales in der jeweils gültigen Fassung (zuletzt 2008) heranzuziehen. In den AHP (die jeweilige Seitenangabe ist nach der Publikation des vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales herausgegebenen Printexemplars zitiert) war der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Die AHP ermöglichten somit eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB. Auch das Bundessozialgericht (BSG) betont die Bedeutung der AHP und beschreibt sie als "einleuchtendes, abgewogenes und geschlossenes Beurteilungsgefüge" (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 01.09.1999 - B 9 V 25/98 R - veröffentlicht in juris). Sie sind für die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zwar nicht rechtsverbindlich, sie tragen als "antizipierte Sachverständigengutachten" jedoch der Notwendigkeit Rechnung, Gesundheitsstörungen gleichmäßig zu bewerten. Angesichts dieser Bedeutung, wie aus Gründen der Gleichbehandlung aller behinderten Menschen folgt der Senat den Bewertungsvorgaben der AHP. Dies gilt insb. auch, als über die jeweiligen Neuauflagen der AHP die jeweils neuesten Erkenntnisse und Fortschritte in der medizinischen Wissenschaft über die Auswirkungen von Gesundheitsstörungen in die AHP eingeflossen sind (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 16.09.2003 - B 9 SB 3/02 R - veröffentlicht in juris). Ab dem 01.01.2009 ist bei der Bewertung von Funktionsbeeinträchtigungen die an die Stelle der AHP getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG; die jeweilige Seitenangabe bezieht sich auf das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales herausgegebene Printexemplar) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) (Versorgungsmedizin-Verordnung [VersMedV]) heranzu-ziehen. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung, die ursprünglich in § 30 Abs. 17 des BVG, mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften vom 20.06.2011 (BGBl. I 1114) seit dem 01.07.2011 in § 30 Abs. 16 BVG erteilt ist, zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Eine inhaltliche Änderung der bisher angewandten Grundsätze und Kriterien erfolgte hierdurch, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht. Die VG haben vielmehr die AHP - jedenfalls soweit vorliegend relevant - übernommen und damit gewährleistet, dass gegenüber dem bisherigen Feststellungsverfahren keine Schlechterstellung möglich ist.
Die beim Kläger bestehenden Bewegungseinschränkungen der Schultergelenke sind mit einem Einzel-GdB von 20 zu berücksichtigen. Nach Nr. 18.13 (S. 110) der VG bzw. Nr. 26.18 (S. 119) der AHP ist der Einzel-GdB für Funktionseinschränkungen im Schultergelenk abhängig von bestehenden Bewegungseinschränkungen festzustellen. Ist eine Armhebung, bei einer entsprechenden Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit, bis zu 120° möglich, ist ein Einzel-GdB von 10 anzusetzen. Ist der Arm hingegen, bei einer entsprechenden Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit, nur bis zu 90° zu erheben, ist ein solcher von 20 zu berücksichtigen. Nach den Bekundungen des im erstinstanzlichen Verfahren gutachterlich gehörten Dr. Dr. S. konnte der Kläger das linke Schultergelenk bis zu 90°, das rechte bis zu 110° erheben, sodass ein Einzel-GdB von 20 gerechtfertigt ist. Diese Einschätzung wird auch von Prof. Dr. S., der im Übrigen leicht bessere Bewegungsmaße erhoben hat (links: 110°, rechts: 100°), geteilt. Befunde, die nach den AHP bzw. VG eine weitergehende Bewertung eröffnen würden, bspw. eine Versteifung oder eine Instabilität des Gelenks, wurden nicht mitgeteilt. Soweit klägerseits mit der Berufung vorgebracht wird, der GdB für jede der beiden Schultern sei mit 20 und daher insg. mit 40 zu berücksichtigen, verkennt dies, dass die GdB- Bewertung nicht für jedes Gelenk isoliert, sondern für das gesamte Funktionssystem, den gesamten Schultergürtel, vorzunehmen ist. Überdies würde sich, selbst wenn der systemwidrigen Berechnung des Klägers zu folgen wäre, für das rechte Schultergelenk bei einer Beweglichkeit bis zu 110° lediglich ein Einzel-GdB von 10 ergeben, der bei Berücksichtigung des Einzel-GdB von 20 für das linke Schultergelenk (Beweglichkeit bis zu 90°) gleichfalls nur zu einem "Gesamt-GdB" von 20 führen würde.
Die Bewertung von Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule bestimmt sich nach Nr. 26.18 (S. 116) der AHP bzw. nach Nr. 18.9 (S. 107) der VG in erster Linie nach dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung und instabilität sowie nach der Anzahl der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte. Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, selten und kurzdauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) bedingen danach einen GdB von 10. Bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungsein-schränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) wird ein GdB von 20 erreicht. Bei Wirbelsäulenschäden mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ist ein GdB von 30 gerechtfertigt. Liegen Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vor, kann ein GdB von 30 - 40 festgestellt werden. Bei Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen (z.B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst; schwere Skoliose - ab ca. 70 Grad nach Cobb -) wird ein GdB von 50-70 festgestellt. Bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit kann ein GdB von 80-100 gerechtfertigt sein. Der beim Kläger bestehende Wirbelsäulenschaden kann in Anlegung dieser Maßstäbe lediglich mit einem Einzel-GdB von 10 berücksichtigt werden. Nach den Bekundungen des im erstinstanzlichen Verfahren gutachterlich gehörten Dr. Dr. S. bestehen beim Kläger nur geringe funktionelle Auswirkungen. Auch Prof. Dr. S. hat die beim Kläger bestehenden Beeinträchtigungen als gering graduiert. Gleichfalls übereinstimmend haben die Gutachter ausgeführt, dass beim Kläger keine motorischen oder sensiblen Störungen bestehen und die Bewegungsfähigkeit nicht maßgeblich eingeschränkt ist. Soweit die Gutachter dennoch zu einer divergierenden GdB-Bewertung kommen, gründet dies darauf, dass Prof. Dr. S. für die Beeinträchtigungen der Hals- und der Lendenwirbelsäule jeweils einen Einzel-GdB von 10 annimmt und diese Werte sodann zu einem GdB von 20 für die Wirbelsäulenschäden addiert. Da dies den oben benannten Vorgaben der AHP bzw. der VG zur GdB-Bewertung von Wirbelsäulenschäden, nach denen der GdB für das gesamte Achsenorgan zu bestimmen ist, widerspricht, vermag sich der Senat der Einschätzung von Prof. Dr. S. nicht anzuschließen und berücksichtigt die bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule in Einklang mit Dr. Dr. S. mit einem Einzel-GdB von insg. 10.
Die Kniegelenkserkrankung kann nicht mit einem höheren Einzel-GdB als 20 bewertet werden. Nach Nr. 18.14 (S. 117) der VG bzw. Nr. 26.18 (S. 126) der AHP ist ein Einzel-GdB für die Kniegelenke abhängig von bestehenden Bewegungseinschränkungen festzustellen. Hierbei sind solche geringen Grades (z.B. Streckung/Beugung bis 0-0-90°) bei einseitigem Vorliegen mit einem Einzel-GdB von 0-10, bei beidseitigem Vorliegen mit einem solchen von 10-20 zu berücksichtigen. Bewegungseinschränkungen stärkeren Grades (z.B. Streckung/Beugung 0-10-90°) sind bei einseitigem Vorliegen mit einem Einzel-GdB von 20, bei beidseitigem Vorliegen mit einem solchen von 40 zu bewerten. Beim Kläger besteht nach den von Prof. Dr. S. zuletzt erhobenen Funktionsparametern ein endgradiges Streckdefizit sowie eine endgradige Beugebehinderung im rechten Kniegelenk (0-5-120°) bei einer freien Beweglichkeit des linken Kniegelenks (0-0-140°). Dies rechtfertigt unter Berücksichtigung der bestehenden Knorpelschäden in Einklang mit der Einschätzung von Prof. Dr. S. einen Einzel-GdB von 20. Befunde, die eine weitergehende Berücksichtigung rechtfertigen könnten, sind hingegen nicht ersichtlich.
Nach den AHP (Nr. 26.18 [S. 118]) und den VG (Nr. 18.12 [S. 108]) in der ab dem 01.01.2009 geltenden Fassung war in Abhängigkeit von der verbliebenen Bewegungseinschränkung und Belastbarkeit bei Hüftgelenks-Endoprothesen einseitig mindestens ein Einzel-GdB von 20 und beidseitig mindestens ein solcher von 40 angemessen. Nach den VG (Nr. 18.12 in der Fassung des Art. 1 Nr. 2 c der Dritten Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 17.12.2010 [BGBl. I 2124] (3. VGÄndV)) ist ab dem 23.12.2010 (vgl. Art. 2 der 3. VGÄndV) bei einer einseitigen Versorgung ein Mindest-GdB von 10, bei einer beidseitigen Versorgung ein Mindest-GdB von 20 anzusetzen, der jeweils für Endoprothesen bei bestmöglichem Behandlungsergebnis gilt. Bei eingeschränkter Versorgungsqualität sind höhere Werte angemessen. Die Versorgungsqualität kann hierbei insb. durch Beweglichkeits- und Belastungseinschränkungen, Nervenschädigungen, eine deutliche Muskelminderung oder ausgeprägte Narbenbildung beeinträchtigt sein. In Anlegung dieser Maßstäbe kann die linksseitige Versorgung des Klägers mit einer Hüftgelenksendoprothese jedenfalls bis zum 22.12.2010 nicht mit einem höheren GdB als 20, danach nicht mit einem höheren Einzel-GdB als 10 berücksichtigt werden. Die Beweglichkeit der linksseitig endoprothetisch versorgten Hüftgelenke ist nach den zuletzt von Prof. Dr. S. erhobenen Befunden nicht maßgeblich eingeschränkt (Streckung/Beugung: li.: 0-0-120°; re.: 0-0-130°). Zeichen einer Lockerung des Implantats haben weder Prof. Dr. S. noch Dr. Dr. S. erhoben. Ferner ist die Operationsnarbe beim Kläger reizlos und nicht druckschmerzhaft. Da schließlich auch keine Nervenschädigung besteht, ist von einem bestmöglichen Behandlungsergebnis auszugehen, das eine über den Mindest-GdB von 20 (bis zum 22.12.2010) bzw. 10 (ab dem 23.12.2010) hinausgehende Berücksichtigung nicht rechtfertigt.
In Zusammenschau der beim Kläger bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen ist zur Überzeugung des Senats ein GdB von mehr als 40, wie klägerseits begehrt, nicht festzustellen. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX ist, bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft, der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Bei der Gesamtwürdigung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen sind unter Berück¬sichtigung aller sozialmedizinischen Erfahrungen Vergleiche mit Gesundheitsschäden anzu¬stellen, zu denen in der Tabelle feste GdB-Werte angegeben sind (vgl. Nr. 3 [S. 22 f] Teil A der VG bzw. Teil A Allgemeine Grundsätze Nr. 19 [S. 24 f] der AHP). Die beim Kläger bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen sind zur Überzeugung des Senats weder gänzlich voneinander unabhängig, noch wirken sie sich besonders nachteilig aufeinander aus. Die Auswirkungen überschneiden sich vielme. Eine Zusammenschau der beim Kläger bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen ergibt vielmehr, dass diese mit funktionellen Einschränkungen, die bei dem Verlust eines Armes im Unterarm oder dem Verlust eines Beines im Unterschenkel auftreten, die jeweils einen GdB von 50 begründen, nicht vergleichbar sind.
Funktionelle Beeinträchtigungen, die in Zusammenschau mit den berücksichtigten Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet einen GdB von 50 rechtfertigen könnten - Prof. Dr. S. hat in seinem Gutachten darauf hingewiesen, dass beim Kläger eine Einschränkung des Hörvermögens und eine behandlungsbedürftige Herzrhythmusstörung bestünden - sind nicht zur vollen Überzeugung des Senats nachgewiesen. Im sozialgerichtlichen Verfahren trägt derjenige die objektive Beweislast, zu dessen Gunsten ein Tatbestandsmerkmal im Prozess wirkt. Danach trägt der Kläger die objektive Feststellungslast dafür, dass für ihn die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch festzustellen ist. Im sozialgerichtlichen Verfahren erforscht das Gericht den Sachverhalt zwar von Amts wegen (§ 103 Satz 1 Halbsatz 1 SGG), die Beteiligten sind hierzu jedoch mit heranzuziehen (§ 103 Satz 1 Halbsatz 2 SGG). Genügt ein Beteiligter seinen Mitwirkungspflichten nicht, treffen ihn die hieraus erwachsenden Nachteile in Form einer Beweislastentscheidung (Grundsatz der objektiven Beweislast, der dann eingreift, wenn das Gericht den Sachverhalt nicht weiter aufklären kann [vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 118 Rn. 6]). Infolge der Ausführungen von Prof. Dr. S., beim Kläger bestehe neben den Gesundheitsstörungen auf orthopädischen Fachgebiet auch eine beidseitige Schwerhörigkeit mit der Notwendigkeit ein Hörgerät zu tragen, sowie eine behandlungsbedürftige Herzrhythmusstörung, sollte hierfür Beweis erhoben und die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen einvernommen werden. Zu diesem Zweck wurde der Bevollmächtigte des Klägers um Mitteilung gebeten, ob sich der Kläger in hno-ärztlicher und in internistisch/kardiologischer Behandlung befindet. Ferner wurde bejahendenfalls um Benennung der Ärzte gebeten. Der Kläger hat es trotz zweimaliger Erinnerung, zuletzt unter Präklusionsandrohung, unterlassen, die gerichtliche Anfrage zu beantworten. Da auch aus der im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Erklärung über die Entbindung der Ärzte von der ärztlichen Schweigepflicht keine entsprechende fachspezifische Behandlung ersichtlich ist, bestand für den Senat keine Möglichkeit, in die beabsichtigte Beweisaufnahme einzutreten. Die hieraus resultierenden prozessrechtlichen Folgen, vorliegend die Nichtaufklärbarkeit einer ggf. bestehenden weiteren Funktionsbeeinträchtigung, hat nach den Grundsätzen der objektiven Feststellungslast der Kläger zu tragen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer a.a.O., § 103 Rn. 14a). Gründe i.S.d. § 65 Sozialgesetzbuch Erstes Buch, die eine Mitwirkung des Klägers als nicht zumutbar erscheinen lassen, sind nicht ersichtlich. Nach alledem geht es zu Lasten des Klägers, dass der Sachverhalt insoweit nicht weiter aufgeklärt werden konnte.
Der Gerichtsbescheid vom 11.10.2012 ist hiernach nicht zu beanstanden; die Berufung des Klägers ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des beim Kläger festzustellenden Grades der Behinderung (GdB) streitig, insb. ob beim Kläger die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch festzustellen ist.
Mit Gerichtsbescheid vom 06.06.2008 ( - S 1 SB 3402/05 -) verurteilte das Sozialgericht Freiburg (SG) den Beklagten, den GdB des am 17.05.1946 geborenen Klägers ab dem 02.02.2004 mit 30 festzustellen. Das SG führte hierin aus, dass eine beim Kläger bestehende "Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderung der Wirbelsäule" mit einem Einzel-GdB von 20 sowie eine "Funktionsbehinderung beider Schultergelenke", und eine "Funktionsbehinderung beider Hüftgelenke" mit einem solchen von jeweils 10 zu bewerten seien. Mit Bescheid vom 25.06.2008 stellte das Landratsamt O. - Amt für Soziales und Versorgung - (LRA) in Ausführung des Gerichtsbescheides einen GdB von 30 seit 02.02.2004 fest. Die gegen den Gerichtsbescheid vom Kläger eingelegte Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (- L 8 SB 3165/08 -) nahm der Kläger anlässlich eines Termins zur Erörterung des Sachverhalts am 14.11.2008 zurück und beantragte gleichzeitig wegen einer Verschlechterung die Neufeststellung seines Behindertenrechtsverhältnisses.
Das LRA führte die vom Kläger in der Verhandlung vom 14.11.2008 vorgelegten medizinischen Unterlagen, u.a. den Rehabilitationsentlassungsbericht des T. Zentrums für ambulante Rehabilitation, Berghaupten, vom 07.12.2007 über eine dort vom 05. - 30.11.2007 durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme, einer versorgungsärztlichen Überprüfung zu. Dr. H. schätzte hierbei unter dem 28.01.2009 den Einzel-GdB für eine "Funktionsbehinderung beider Schultergelenke", für eine "Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderung der Wirbelsäule" sowie für eine "Hüftgelenksendoprothese li., Funktionsbehinderung des rechten Hüftgelenks" auf jeweils 20 und den GdB insg. auf 40 ein.
Gestützt hierauf stellte das LRA den GdB des Klägers mit Bescheid vom 12.02.2009 mit 40 seit dem 14.11.2008 fest.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch, mit dem er vorbrachte, für die Funktionsbeeinträchtigungen auf orthopädischem Fachgebiet sei jeweils ein Einzel-GdB von 30 anzusetzen, insb. als die im November 2007 durchgeführte Hüft-TEP-Implantation offensichtlich nicht erfolgreich gewesen sei. Insg. sei ein Gesamt-GdB von mindestens 50 gerechtfertigt. Das LRA forderte daraufhin bei dem den Kläger behandelnden Arzt für Allgemeinmedizin Dr. H. einen Befundschein an und führte die hierzu vorgelegten Arztbriefe einer versorgungsärztlichen Überprüfung durch Dr. Z. zu, der unter dem 25.03.2010 die Einschätzung vertrat, die vorliegenden Unterlagen zeigten eine gute Funktionsfähigkeit der Hüft-TEP, die Schultergelenke seien nur endgradig in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt und das Wirbelsäulenleiden führe nicht zu sensomotorischen Defiziten, weswegen eine Abhilfe nicht möglich sei.
Gestützt hierauf wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 23.06.2010 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 07.07.2010 Klage zum SG erhoben. Er hat diese damit begründet, dass die Beeinträchtigungen der Schulter- und Hüftgelenke sowie der Wirbelsäule zu niedrig bewertet seien. Die Hüftgelenks- und die Bandscheibenproblematik überlagerten sich und wirkten verstärkend aufeinander. Überdies sei der Zeitpunkt, ab dem ein höherer GdB zu berücksichtigen sei, deutlich vor dem 14.11.2008 anzusetzen.
Der Beklagte ist der Klage entgegen getreten und hat darauf verwiesen, dass der Antrag auf Höherbewertung des GdB am 14.11.2008 gestellt worden sei.
Das SG hat sodann Dr. Dr. S., Arzt für Orthopädie, Sportmedizin - Chirotherapie, zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt und mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. In seinem fachorthopädischen Gutachten vom 14.02.2011 hat Dr. Dr. S. beim Kläger Bewegungseinschränkungen des linken Schultergelenks und Funktionsbeeinträchtigungen des rechten Schultergelenks, eine mediale Gonarthrose rechts ohne Funktionsbeeinträchtigungen des Kniegelenks, ein endoprothetisch versorgtes linkes Hüftgelenk ohne Lockerungs- oder entzündliche Zeichen sowie einen Wirbelsäulenschaden mit geringen funktionellen Auswirkungen an Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule beschrieben. Den Einzel-GdB für die Schulterproblematik und die endoprothetische Versorgung des linken Hüftgelenks hat Dr. Dr. S. auf jeweils 20, den der Kniegelenksveränderungen und den für den Wirbelsäulenschaden auf jeweils 10 eingeschätzt. Insg. sei der GdB auf orthopädischem Gebiet auf 40 einzuschätzen.
Mit Gerichtsbescheid vom 11.10.2012 hat das SG die Klage sodann abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, dass die beim Kläger bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen nach den gutachterlichen Ausführungen von Dr. Dr. S. insg. mit einem GdB von 40 angemessen bewertet seien. Gegen den am 13.10.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 09.11.2012 Berufung eingelegt. Der Kläger trägt vor, dass bei ihm beide Schultergelenke in ihrer Beweglichkeit beeinträchtigt seien, wofür insg. ein Einzel-GdB von 40 anzusetzen sei. Auch der bestehende Wirbelsäulenschaden sei mit einem Einzel-GdB von 10 unterbewertet.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Oktober 2012 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 12. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juni 2010 zu verurteilen, die bei ihm bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von mindestens 50 ab dem 14. November 2008 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung seines Antrages verweist er auf die aus seiner Sicht zutreffenden Gründe des angefochtenen Gerichtsbescheides. Das SG habe den medizinischen Sachverhalt zutreffend gewürdigt.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat Prof. Dr. S., Facharzt für Orthopädie und Chirurgie, zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt und mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Prof. Dr. S. hat in seinem orthopädisch-chirurgischen Gutachten vom 11.10.2013 beim Kläger ein Impingementsyndrom beider Schultergelenke bei degenerativen Schultergelenksveränderungen und einem Z.n. Schlüsselbeinteilresektion, ein leichtes Schulterarmsyndrom bei Aufbraucherscheinungen der Halswirbelsäule und ein leichtes Lendenwirbelsäulensyndrom ohne Nervenkompressionssymptomatik, eine O-Bein-Stellung des rechten Beins mit fehlstellungsbedingtem Aufbrauch des rechten Kniegelenks und einer mittelschweren Funktionsbeeinträchtigung des Knies sowie eine linksseitig implantierte Hüftendoprothese ohne wesentliche Funktionsbeeinträchtigungen benannt. Der GdB sei insg. ab November 2008 mit 50 festzustellen, da die bisherige Bewertung die bestehende rechtsseitige Kniegelenksarthrose nicht berücksichtigt habe und auch eine Schwerhörigkeit und behandlungsbedürftige Herzrhythmusstörungen nicht berücksichtigt seien.
Der Beklagte ist der Einschätzung von Prof. Dr. S. unter Anregung einer internistischen und hno-ärztlichen Beweisaufnahme im Wege einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. R. vom 21.01.2014 entgegen getreten.
Nachdem Prof. Dr. S. unter dem 12.02.2014 ergänzend ausgeführt hat, dass er auch in Ansehung der Einschätzung von Dr. R. keinen Anlass sehe, von seiner GdB-Einschätzung abzuweichen, hat der Senat, da aus der vom Kläger im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Erklärung zur Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht weder eine internistische noch eine hno-ärztliche Behandlung ersichtlich ist, dem Bevollmächtigten des Klägers unter dem 29.01.2014 aufgegeben, mitzuteilen, ob der Kläger in entsprechender fachärztlicher Behandlung stehe. Trotz Erinnerungen hieran (gerichtliche Verfügung vom 06.02.2014), zuletzt auch unter Präklusionsandrohung (gerichtliche Verfügung vom 21.03.2014), ist klägerseits keine Stellung-nahme hierzu erfolgt.
Mit Schriftsatz 20.08.2014 hat der Beklagte, mit solchem vom 15.09.2014 der Kläger, das Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die beim Beklagten für den Kläger geführte Schwerbehindertenakte, welche Gegenstand der Entscheidungsfindung geworden sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung, über die der Senat nach dem erteilten Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, führt jedoch für den Kläger inhaltlich nicht zum Erfolg.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, der angefochtene Bescheid vom 12.02.2009 (Widerspruchsbescheid vom 23.06.2010) ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Den Verschlechterungen im Gesundheitszustand des Klägers ist durch die Erhöhung des GdB von 30 auf 40 angemessen und ausreichend Rechnung getragen. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die bei ihm bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 50 oder höher zu bewerten sind.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch i.V.m. § 69 Abs. 1 Satz 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung - vorliegend dem vom 25.06.2008 - vor-gelegen haben, eine wesentlichen Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Eine wesentliche Änderung ist im gegebenen Zusammenhang im Hinblick auf die Feststellung des GdB anzunehmen, wenn sich durch eine Besserung oder Verschlechte-rung des Behinderungszustandes eine Herabsetzung oder Erhöhung des festgestellten (Gesamt-) GdB um wenigstens 10 ergibt (u.a. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 22.10.1986 - 9a RVs 55/85 - veröffentlicht in juris). Die Änderung der Bezeichnung der Funktionsbeeinträchtigungen oder das Hinzutreten weiterer Funktionsbeeinträchtigungen ohne Auswirkung auf den GdB stel-len hingegen keine wesentliche Änderung in diesem Sinne dar (BSG, Urteil vom 24.06.1998 - B 9 SB 18/97 R - veröffentlicht in juris). Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, ist durch einen Vergleich der gegenwärtigen - d.h. den Verhältnissen zum Zeitpunkt der gerichtlichen Ent-scheidung - mit dem verbindlich festgestellten objektiven Behinderungszustand zum Zeitpunkt des Erlasses des zuletzt bindend gewordenen Bescheides zu ermitteln. Bei einer derartigen Neu-feststellung handelt es sich nicht um eine reine Hochrechnung des im letzten maßgeblichen Be-scheid festgestellten GdB, sondern um dessen Neuermittlung unter Berücksichtigung der gegen-seitigen Beeinflussung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 19.09.2000 - B 9 SB 3/00 R - veröffentlicht in juris).
Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen die zur Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behin-derung und den GdB fest, für den die im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG festgelegten Maßstäbe entsprechend gelten (§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX). Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen be-hindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand ab-weichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Aus dieser De-finition folgt, dass für die Feststellung einer Behinderung sowie Einschätzung ihres Schweregra-des nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörungen ankommt, die durch einen re-gelwidrigen Zustand verursacht werden. Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX werden die Auswir-kungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft als GdB nach Zehner-graden abgestuft festgestellt. Eine Feststellung ist hierbei nur dann zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Satz 6 SGB IX).
Bei der konkreten Bewertung von Funktionsbeeinträchtigungen sind für die Zeit bis zum 31.12.2008 die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz (AHP), herausgegeben vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales in der jeweils gültigen Fassung (zuletzt 2008) heranzuziehen. In den AHP (die jeweilige Seitenangabe ist nach der Publikation des vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales herausgegebenen Printexemplars zitiert) war der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Die AHP ermöglichten somit eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB. Auch das Bundessozialgericht (BSG) betont die Bedeutung der AHP und beschreibt sie als "einleuchtendes, abgewogenes und geschlossenes Beurteilungsgefüge" (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 01.09.1999 - B 9 V 25/98 R - veröffentlicht in juris). Sie sind für die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zwar nicht rechtsverbindlich, sie tragen als "antizipierte Sachverständigengutachten" jedoch der Notwendigkeit Rechnung, Gesundheitsstörungen gleichmäßig zu bewerten. Angesichts dieser Bedeutung, wie aus Gründen der Gleichbehandlung aller behinderten Menschen folgt der Senat den Bewertungsvorgaben der AHP. Dies gilt insb. auch, als über die jeweiligen Neuauflagen der AHP die jeweils neuesten Erkenntnisse und Fortschritte in der medizinischen Wissenschaft über die Auswirkungen von Gesundheitsstörungen in die AHP eingeflossen sind (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 16.09.2003 - B 9 SB 3/02 R - veröffentlicht in juris). Ab dem 01.01.2009 ist bei der Bewertung von Funktionsbeeinträchtigungen die an die Stelle der AHP getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG; die jeweilige Seitenangabe bezieht sich auf das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales herausgegebene Printexemplar) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) (Versorgungsmedizin-Verordnung [VersMedV]) heranzu-ziehen. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung, die ursprünglich in § 30 Abs. 17 des BVG, mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften vom 20.06.2011 (BGBl. I 1114) seit dem 01.07.2011 in § 30 Abs. 16 BVG erteilt ist, zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Eine inhaltliche Änderung der bisher angewandten Grundsätze und Kriterien erfolgte hierdurch, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht. Die VG haben vielmehr die AHP - jedenfalls soweit vorliegend relevant - übernommen und damit gewährleistet, dass gegenüber dem bisherigen Feststellungsverfahren keine Schlechterstellung möglich ist.
Die beim Kläger bestehenden Bewegungseinschränkungen der Schultergelenke sind mit einem Einzel-GdB von 20 zu berücksichtigen. Nach Nr. 18.13 (S. 110) der VG bzw. Nr. 26.18 (S. 119) der AHP ist der Einzel-GdB für Funktionseinschränkungen im Schultergelenk abhängig von bestehenden Bewegungseinschränkungen festzustellen. Ist eine Armhebung, bei einer entsprechenden Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit, bis zu 120° möglich, ist ein Einzel-GdB von 10 anzusetzen. Ist der Arm hingegen, bei einer entsprechenden Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit, nur bis zu 90° zu erheben, ist ein solcher von 20 zu berücksichtigen. Nach den Bekundungen des im erstinstanzlichen Verfahren gutachterlich gehörten Dr. Dr. S. konnte der Kläger das linke Schultergelenk bis zu 90°, das rechte bis zu 110° erheben, sodass ein Einzel-GdB von 20 gerechtfertigt ist. Diese Einschätzung wird auch von Prof. Dr. S., der im Übrigen leicht bessere Bewegungsmaße erhoben hat (links: 110°, rechts: 100°), geteilt. Befunde, die nach den AHP bzw. VG eine weitergehende Bewertung eröffnen würden, bspw. eine Versteifung oder eine Instabilität des Gelenks, wurden nicht mitgeteilt. Soweit klägerseits mit der Berufung vorgebracht wird, der GdB für jede der beiden Schultern sei mit 20 und daher insg. mit 40 zu berücksichtigen, verkennt dies, dass die GdB- Bewertung nicht für jedes Gelenk isoliert, sondern für das gesamte Funktionssystem, den gesamten Schultergürtel, vorzunehmen ist. Überdies würde sich, selbst wenn der systemwidrigen Berechnung des Klägers zu folgen wäre, für das rechte Schultergelenk bei einer Beweglichkeit bis zu 110° lediglich ein Einzel-GdB von 10 ergeben, der bei Berücksichtigung des Einzel-GdB von 20 für das linke Schultergelenk (Beweglichkeit bis zu 90°) gleichfalls nur zu einem "Gesamt-GdB" von 20 führen würde.
Die Bewertung von Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule bestimmt sich nach Nr. 26.18 (S. 116) der AHP bzw. nach Nr. 18.9 (S. 107) der VG in erster Linie nach dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung und instabilität sowie nach der Anzahl der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte. Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, selten und kurzdauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) bedingen danach einen GdB von 10. Bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungsein-schränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) wird ein GdB von 20 erreicht. Bei Wirbelsäulenschäden mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ist ein GdB von 30 gerechtfertigt. Liegen Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vor, kann ein GdB von 30 - 40 festgestellt werden. Bei Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen (z.B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst; schwere Skoliose - ab ca. 70 Grad nach Cobb -) wird ein GdB von 50-70 festgestellt. Bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit kann ein GdB von 80-100 gerechtfertigt sein. Der beim Kläger bestehende Wirbelsäulenschaden kann in Anlegung dieser Maßstäbe lediglich mit einem Einzel-GdB von 10 berücksichtigt werden. Nach den Bekundungen des im erstinstanzlichen Verfahren gutachterlich gehörten Dr. Dr. S. bestehen beim Kläger nur geringe funktionelle Auswirkungen. Auch Prof. Dr. S. hat die beim Kläger bestehenden Beeinträchtigungen als gering graduiert. Gleichfalls übereinstimmend haben die Gutachter ausgeführt, dass beim Kläger keine motorischen oder sensiblen Störungen bestehen und die Bewegungsfähigkeit nicht maßgeblich eingeschränkt ist. Soweit die Gutachter dennoch zu einer divergierenden GdB-Bewertung kommen, gründet dies darauf, dass Prof. Dr. S. für die Beeinträchtigungen der Hals- und der Lendenwirbelsäule jeweils einen Einzel-GdB von 10 annimmt und diese Werte sodann zu einem GdB von 20 für die Wirbelsäulenschäden addiert. Da dies den oben benannten Vorgaben der AHP bzw. der VG zur GdB-Bewertung von Wirbelsäulenschäden, nach denen der GdB für das gesamte Achsenorgan zu bestimmen ist, widerspricht, vermag sich der Senat der Einschätzung von Prof. Dr. S. nicht anzuschließen und berücksichtigt die bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule in Einklang mit Dr. Dr. S. mit einem Einzel-GdB von insg. 10.
Die Kniegelenkserkrankung kann nicht mit einem höheren Einzel-GdB als 20 bewertet werden. Nach Nr. 18.14 (S. 117) der VG bzw. Nr. 26.18 (S. 126) der AHP ist ein Einzel-GdB für die Kniegelenke abhängig von bestehenden Bewegungseinschränkungen festzustellen. Hierbei sind solche geringen Grades (z.B. Streckung/Beugung bis 0-0-90°) bei einseitigem Vorliegen mit einem Einzel-GdB von 0-10, bei beidseitigem Vorliegen mit einem solchen von 10-20 zu berücksichtigen. Bewegungseinschränkungen stärkeren Grades (z.B. Streckung/Beugung 0-10-90°) sind bei einseitigem Vorliegen mit einem Einzel-GdB von 20, bei beidseitigem Vorliegen mit einem solchen von 40 zu bewerten. Beim Kläger besteht nach den von Prof. Dr. S. zuletzt erhobenen Funktionsparametern ein endgradiges Streckdefizit sowie eine endgradige Beugebehinderung im rechten Kniegelenk (0-5-120°) bei einer freien Beweglichkeit des linken Kniegelenks (0-0-140°). Dies rechtfertigt unter Berücksichtigung der bestehenden Knorpelschäden in Einklang mit der Einschätzung von Prof. Dr. S. einen Einzel-GdB von 20. Befunde, die eine weitergehende Berücksichtigung rechtfertigen könnten, sind hingegen nicht ersichtlich.
Nach den AHP (Nr. 26.18 [S. 118]) und den VG (Nr. 18.12 [S. 108]) in der ab dem 01.01.2009 geltenden Fassung war in Abhängigkeit von der verbliebenen Bewegungseinschränkung und Belastbarkeit bei Hüftgelenks-Endoprothesen einseitig mindestens ein Einzel-GdB von 20 und beidseitig mindestens ein solcher von 40 angemessen. Nach den VG (Nr. 18.12 in der Fassung des Art. 1 Nr. 2 c der Dritten Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 17.12.2010 [BGBl. I 2124] (3. VGÄndV)) ist ab dem 23.12.2010 (vgl. Art. 2 der 3. VGÄndV) bei einer einseitigen Versorgung ein Mindest-GdB von 10, bei einer beidseitigen Versorgung ein Mindest-GdB von 20 anzusetzen, der jeweils für Endoprothesen bei bestmöglichem Behandlungsergebnis gilt. Bei eingeschränkter Versorgungsqualität sind höhere Werte angemessen. Die Versorgungsqualität kann hierbei insb. durch Beweglichkeits- und Belastungseinschränkungen, Nervenschädigungen, eine deutliche Muskelminderung oder ausgeprägte Narbenbildung beeinträchtigt sein. In Anlegung dieser Maßstäbe kann die linksseitige Versorgung des Klägers mit einer Hüftgelenksendoprothese jedenfalls bis zum 22.12.2010 nicht mit einem höheren GdB als 20, danach nicht mit einem höheren Einzel-GdB als 10 berücksichtigt werden. Die Beweglichkeit der linksseitig endoprothetisch versorgten Hüftgelenke ist nach den zuletzt von Prof. Dr. S. erhobenen Befunden nicht maßgeblich eingeschränkt (Streckung/Beugung: li.: 0-0-120°; re.: 0-0-130°). Zeichen einer Lockerung des Implantats haben weder Prof. Dr. S. noch Dr. Dr. S. erhoben. Ferner ist die Operationsnarbe beim Kläger reizlos und nicht druckschmerzhaft. Da schließlich auch keine Nervenschädigung besteht, ist von einem bestmöglichen Behandlungsergebnis auszugehen, das eine über den Mindest-GdB von 20 (bis zum 22.12.2010) bzw. 10 (ab dem 23.12.2010) hinausgehende Berücksichtigung nicht rechtfertigt.
In Zusammenschau der beim Kläger bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen ist zur Überzeugung des Senats ein GdB von mehr als 40, wie klägerseits begehrt, nicht festzustellen. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX ist, bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft, der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Bei der Gesamtwürdigung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen sind unter Berück¬sichtigung aller sozialmedizinischen Erfahrungen Vergleiche mit Gesundheitsschäden anzu¬stellen, zu denen in der Tabelle feste GdB-Werte angegeben sind (vgl. Nr. 3 [S. 22 f] Teil A der VG bzw. Teil A Allgemeine Grundsätze Nr. 19 [S. 24 f] der AHP). Die beim Kläger bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen sind zur Überzeugung des Senats weder gänzlich voneinander unabhängig, noch wirken sie sich besonders nachteilig aufeinander aus. Die Auswirkungen überschneiden sich vielme. Eine Zusammenschau der beim Kläger bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen ergibt vielmehr, dass diese mit funktionellen Einschränkungen, die bei dem Verlust eines Armes im Unterarm oder dem Verlust eines Beines im Unterschenkel auftreten, die jeweils einen GdB von 50 begründen, nicht vergleichbar sind.
Funktionelle Beeinträchtigungen, die in Zusammenschau mit den berücksichtigten Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet einen GdB von 50 rechtfertigen könnten - Prof. Dr. S. hat in seinem Gutachten darauf hingewiesen, dass beim Kläger eine Einschränkung des Hörvermögens und eine behandlungsbedürftige Herzrhythmusstörung bestünden - sind nicht zur vollen Überzeugung des Senats nachgewiesen. Im sozialgerichtlichen Verfahren trägt derjenige die objektive Beweislast, zu dessen Gunsten ein Tatbestandsmerkmal im Prozess wirkt. Danach trägt der Kläger die objektive Feststellungslast dafür, dass für ihn die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch festzustellen ist. Im sozialgerichtlichen Verfahren erforscht das Gericht den Sachverhalt zwar von Amts wegen (§ 103 Satz 1 Halbsatz 1 SGG), die Beteiligten sind hierzu jedoch mit heranzuziehen (§ 103 Satz 1 Halbsatz 2 SGG). Genügt ein Beteiligter seinen Mitwirkungspflichten nicht, treffen ihn die hieraus erwachsenden Nachteile in Form einer Beweislastentscheidung (Grundsatz der objektiven Beweislast, der dann eingreift, wenn das Gericht den Sachverhalt nicht weiter aufklären kann [vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 118 Rn. 6]). Infolge der Ausführungen von Prof. Dr. S., beim Kläger bestehe neben den Gesundheitsstörungen auf orthopädischen Fachgebiet auch eine beidseitige Schwerhörigkeit mit der Notwendigkeit ein Hörgerät zu tragen, sowie eine behandlungsbedürftige Herzrhythmusstörung, sollte hierfür Beweis erhoben und die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen einvernommen werden. Zu diesem Zweck wurde der Bevollmächtigte des Klägers um Mitteilung gebeten, ob sich der Kläger in hno-ärztlicher und in internistisch/kardiologischer Behandlung befindet. Ferner wurde bejahendenfalls um Benennung der Ärzte gebeten. Der Kläger hat es trotz zweimaliger Erinnerung, zuletzt unter Präklusionsandrohung, unterlassen, die gerichtliche Anfrage zu beantworten. Da auch aus der im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Erklärung über die Entbindung der Ärzte von der ärztlichen Schweigepflicht keine entsprechende fachspezifische Behandlung ersichtlich ist, bestand für den Senat keine Möglichkeit, in die beabsichtigte Beweisaufnahme einzutreten. Die hieraus resultierenden prozessrechtlichen Folgen, vorliegend die Nichtaufklärbarkeit einer ggf. bestehenden weiteren Funktionsbeeinträchtigung, hat nach den Grundsätzen der objektiven Feststellungslast der Kläger zu tragen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer a.a.O., § 103 Rn. 14a). Gründe i.S.d. § 65 Sozialgesetzbuch Erstes Buch, die eine Mitwirkung des Klägers als nicht zumutbar erscheinen lassen, sind nicht ersichtlich. Nach alledem geht es zu Lasten des Klägers, dass der Sachverhalt insoweit nicht weiter aufgeklärt werden konnte.
Der Gerichtsbescheid vom 11.10.2012 ist hiernach nicht zu beanstanden; die Berufung des Klägers ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
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