Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 10 SB 2220/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 2571/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 06.05.2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin gegen den Beklagten ein Anspruch auf höhere (Neu-) Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) seit 03.01.2011 (höher als 20) zusteht.
Die am 08.07.1973 geborene Klägerin ist türkische Staatsangehörige und Inhaberin einer Aufenthaltsberechtigung.
Die Klägerin beantragte am 15.10.2009 erstmals die Feststellung eines GdB. Das Landratsamt R. - Eingliederungs- und Versorgungsamt - (LRA) lehnte den Antrag mit Bescheid vom 19.11.2009 ab, da keine einen GdB von wenigstens 20 bedingenden Funktionsstörungen vorlägen (Bl. 30 der Verwaltungsakte).
Am 03.01.2011 beantragte die Klägerin erneut die Feststellung eines GdB rückwirkend ab April 2009. Zur Begründung gab sie folgende Gesundheitsstörungen an: Folgebeschwerden bei Zustand nach Unterleibsoperation, Schlafstörungen und Angstzustände, ein Wirbelsäulenleiden, beidseitige Kniegelenksbeschwerden, eine Niereninsuffizienz sowie Wundheilungsstörungen. Der Klägerin legte zu ihrem Antrag vor:
- einen Arztbrief des Orthopäden Dr. W. vom 21.03.2003 (Bl. 36/37 der Verwaltungsakte), - 2 Arztbriefe der chirurgischen Klinik B. - L. vom 28.03.2003 und 14.04.2003 (Bl. 38 und 39 der Verwaltungsakte), - einen Arztbrief des Nuklearmediziners Dr. E. vom 24.03.2005 (Bl. 40 der Verwaltungsakte), - Arztbriefe der Internistin und Nephrologin Dr. M. vom 15.04.2005, 28.09.2005, 17.03.2008 und 30.09.2010 (Bl. 42, 44, 48 und 95 der Verwaltungsakte), - Arztbriefe der Radiologischen Gemeinschaftspraxis B. vom 15.04.2005, 28.09.2005, 20.10.2006, 04.06.2008 (Bl. 43, 45, 46 und 49 der Verwaltungsakte), - Arztbriefe des Orthopäden Dr. B. vom 22.09.2008 und 02.11.2010 (Bl. 51 und 96 der Verwaltungsakte), - einen Laborbericht des Endokrinologikums Labore H. vom 16.09.2008 (Bl. 52/53 der Verwaltungsakte), - Arztbriefe der Frauenklinik B. vom 12.11.2008 und 15.04.2009 (Bl. 55 und 58 der Verwaltungsakte), - einen Arztbrief des Pathologen Dr. Q. vom 09.04.2009 (Bl. 56 der Verwaltungsakte), - Befundberichte und ärztliche Stellungnahmen des Facharztes für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Dr. A. vom 22.05.2009, 11.12.2009, 26.01.2010 und 28.02.2010 (Bl. 59, 73, 76 und 78/79 der Verwaltungsakte), - Arztbriefe des Kreiskrankenhauses B. vom 22.06.2009, 25.06.2009, 30.06.2009, 13.07.2009, 10.08.2009, 15.01.2010 und 21.05.2010 (Bl. 60, 62, 63, 68, 70, 75 und 91 der Verwaltungsakte), - Arztbriefe der Pathologie Ü. vom 24.06.2009 und 04.01.2010 (Bl. 61 und 77 der Verwaltungsakte), - mikrobiologische Befundberichte des Zentrallabors des Kreiskrankenhauses S. vom 07.07.2009 und 24.05.2010 (Bl. 64 und 88/89 der Verwaltungsakte), - einen Laborbericht des Krankenhauses S. vom 12.07.2009 (Bl. 65/66 der Verwaltungsakte), - Berichte des Laborzentrums E. vom 01.10.2009 und 26.10.2009 (Bl. 71 und 72 der Verwaltungsakte), - einen Arztbrief des Internisten Dr. W. vom 02.03.2010 (Bl. 81 der Verwaltungsakte), - einen mikrobiologischen Bericht des Labors Dr. G. vom 02.03.2010 (Bl. 82 der Verwaltungsakte), - Arztbriefe des Orthopäden Dr. S. vom 08.03.2010 und 10.06.2010 (Bl. 84 und 92 der Verwaltungsakte), - einen Arztbrief der neurologisch-radiologischen Gemeinschaftspraxis G. vom 28.04.2010 (Bl. 86 der Verwaltungsakte) und - einen Arztbrief des Neurologen und Psychiaters Dr. S. vom 16.08.2010 (Bl. 93 der Verwaltungsakte).
Auf der Grundlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahme des Obermedizinalrates N. vom 20.01.2011 (Bl. 98/99 der Verwaltungsakte), der den Gesamt-GdB wegen Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und funktionellen Organbeschwerden mit 10 bewertete, lehnte das LRA den Antrag der Klägerin auf Feststellung des GdB mit Bescheid vom 21.01.2011 ab (Bl. 100/101 der Verwaltungsakte).
Dagegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 23.02.2011 Widerspruch ein, zu dessen Begründung sie vortrug, sie sei seit letztem Jahr in psychiatrischer Behandlung und seit März 2011 in psychologischer Behandlung. Sie habe seit längerer Zeit in dieser Hinsicht erhebliche Probleme.
Der Beklagte forderte einen Befundbericht der behandelnden Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie R. vom 16.05.2011 an (Bl. 113 der Verwaltungsakte).
Nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme bei Dr. Z. vom 24.06.2011, in der Dr. Z. eine Depression und ein chronisches Schmerzsyndrom mit einem Teil-GdB von 20 und die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und funktionellen Organbeschwerden weiter mit einem GdB von 10 bewertete (Bl. 118/119 der Verwaltungsakte), half das LRA dem Widerspruch der Klägerin mit Bescheid vom 30.06.2011 teilweise ab und stellte einen GdB von 20 seit dem 03.01.2011 fest (Bl. 122 der Verwaltungsakte).
Mit Widerspruchsbescheid vom 04.08.2011 wies der Beklagte durch das Regierungspräsidium S. - Landesversorgungsamt - den Widerspruch der Klägerin zurück (Bl. 128 der Verwaltungsakte).
Dagegen erhob die Klägerin am 15.08.2011 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG), zu deren Begründung sie im Wesentlichen vortragen ließ, sie leide unter folgenden Gesundheitsbeeinträchtigungen: Zustand nach Unterleibsoperation mit mehrfacher Wundrevision wegen Wundheilungsstörungen mit MRSA-Besiedlung, Niereninsuffizienz, chronisch obstruktiver Pyelonephritis, Depressionen, Ein- und Durchschlafstörungen, Vergesslichkeit, Neurodermitis, LWS-Wurzelreizerscheinungen, HWS-Syndrom, Gelenkarthritis, Kniebeschwerden beidseits und Impingementsyndrom der Schulter, allergischem Asthma bronchiale sowie einer chronisch nicht erosiven gastroösophagealen Refluxkrankheit bei Kardiainsuffizienz.
Das SG erhob Beweis durch schriftliche Befragung der die Klägerin behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Bl. 17, 19, 25, 26, 89, 126, 136, 142 sowie 143/144 der SG-Akte Bezug genommen.
Der Facharzt für Urologie Dr. K. teilte dem SG unter dem 20.10.2011 mit, die Klägerin habe sich bei ihm letztmalig im März 2011 vorgestellt. Im beigefügten Befundbericht vom 29.03.2011 führte Dr. K. aus, die Harnabflussverhältnisse seien bei bekannter kleiner Niere links unauffällig und zart beidseits in der Ausscheidungsurographie. Der vorliegende Mittelstrahlurin sei infektfrei.
Die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. S. schrieb dem SG am 19.10.2011, sie behandele die Klägerin nur in Vertretung. Sie habe die Klägerin im Wesentlichen bezüglich der Medikamente und Krankschreibungen betreut.
Der Hautarzt, Allergologe und Venerologe Dr. D. berichtete dem SG am 26.10.2011, er habe die Klägerin letztmalig am 26.10.2010 behandelt. Dabei habe sich eine leichte Dyshidrosis mit Bläschenbildung am linken Fuß gezeigt.
Der Facharzt für Allgemeinmedizin und Hausarzt der Klägerin Dr. W. sagte am 08.11.2011 aus, er habe die Klägerin vom 03.04.2009 bis 09.06.2011 behandelt. Danach sei eine Behandlung bei Dr. S. erfolgt. Hinsichtlich der erhobenen Befunde verwies Dr. W. auf den beigefügten Ausdruck aus seiner Kartei.
Der Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Dr. A. berichtete dem SG unter dem 13.11.2011, er habe die Klägerin von Mai 2007 bis Oktober 2010 u. a. wegen eines Zustandes nach Sterilisation und Beschwerden nach der Operation vom 08.04.2009 gynäkologisch betreut. Die aktuelle Situation könne er nicht beurteilen, da der letzte Patientenkontakt über ein Jahr zurückliege.
Die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie R. teilte dem SG am 17.11.2011 mit, die Klägerin befinde sich seit März 2011 in ihrer psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung. Die letzte Behandlung sei am 19.10.2011 erfolgt. Die Klägerin leide unter einer rezidivierenden depressiven Störung, derzeit einer mittelschweren depressiven Episode mit Somatisierungstendenzen, einer Angstneurose, einer Anpassungsstörung im Rahmen einer sozialen familiären Belastungssituation und einem dauerhaften Ehekonflikt, einem Zustand nach mehreren operativen gynäkologischen Eingriffen (Hysterektomie 4/2009, Adenektomie links 7/2009, Adenektomie rechts 10/2009 mit wiederholten postoperativen MRSA), einer anamnestisch bekannten Schrumpfniere und Niereninsuffizienz sowie einem Brust- und Lendenwirbelsäulensyndrom. Es lägen eine reduzierte Belastbarkeit und Frustrationstoleranz mit einer geringen Impulskontrolle, ein deutlich geschwächtes Konzentrations- und Beurteilungsvermögen, eine reduzierte Leistungsfähigkeit und ein reduziertes Durchhalte- und Funktionsvermögen vor. Den GdB auf psychiatrisch-psychotherapeutischem Gebiet schätzte Frau R. auf 40 bis 50.
Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. berichtete dem SG unter dem 16.12.2011, bei der Klägerin seien eine depressive Episode, eine Insomnie, Hirnleistungsstörungen, eine Niereninsuffizienz und ein Zustand nach Hysterektomie bei hämorrhagischer Ovarialzyste sowie eine Lumboischialgie links diagnostiziert worden. Es hätten zeitweilige Schlafstörungen und depressive Stimmungen bestanden. Dr. S. schätze den GdB auf seinem Fachgebiet mit 20 ein.
Die Fachärztin für innere Medizin, Nephrologie und Dialyse Dr. M. schrieb dem SG am 02.02.2012, die Klägerin leide unter einem Zustand nach rezidivierenden Pyelonephritiden bei Schrumpfniere links mit Zustand nach vesikouretralem Reflux bei Refluxplastik im Alter von 7 Jahren und arterieller Hypertonie. Eine Nierenfunktionseinschränkung habe ausgeschlossen werden können. Die RR-Werte lägen unter Hochdruckmedikation im niedrigen normalen Bereich. Es bestünden keine neurologischen Ausfälle. Bewegungseinschränkungen seien nicht bekannt.
Der Orthopäde Dr. B. teilte dem SG am 14.02.2012 mit, die Klägerin leide an einem rezidivierenden BWS-Syndrom bei thorakalen Osteochondrosen, einem rezidivierenden LWS-Syndrom bei Osteochondrose L5/S1 sowie einer Fehlstatik der Wirbelsäule. Es bestehe ein Belastungsschmerz der Wirbelsäule mit schmerzhafter Beweglichkeit. Der GdB betrage 20.
Der Beklagte bot mit Schriftsatz vom 21.03.2012 unter Verweis auf die versorgungsmedizinische Stellungnahme von Dr. W. vom 20.03.2012 vergleichsweise einen GdB von 30 seit dem 03.01.2011 an. Die Klägerin nahm das Vergleichsangebot nicht an. Der Beklagte hielt das Vergleichsangebot zuletzt nicht mehr aufrecht (Schriftsatz vom 30.12.2013).
Weiter erhob das SG Beweis durch die Einholung eines Gutachtens von Amts wegen bei dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H ... Wegen des Inhalts und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Bl. 156 bis 177 der SG-Akte Bezug genommen.
Im Gutachten vom 16.05.2012 führte Dr. H. aus, die Klägerin leide unter einer Angst und einer depressiven Störung gemischt (F41.2) sowie einer undifferenzierten Somatisierungsstörung (F45.1) (Teil-GdB 20), einer Neigung zu Wirbelsäulenbeschwerden ohne Funktionseinschränkungen und ohne radikuläre Symptomatik (Einzel-GdB 10) sowie unter Bluthochdruck (Teil-GdB 10). Der Gesamt-GdB betrage seit April 2009 20.
Weiter holte das SG auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG ein Gutachten bei der Chefärztin der Klinik für psychosomatische Medizin und Psychotherapie R. Dr. T. ein. Im Gutachten vom 28.09.2013 führte Dr. T. aus, die Klägerin leide unter einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig leicht mit somatischem Syndrom (F33.01) sowie einer anhaltenden affektiven Störung und einer Dysthymia (F34.1) nach schwerer Belastung und mit eingeschränkten Bewältigungsstrategien. Unter Würdigung des erheblichen Leidensdrucks durch die psychischen Symptome, die gegenseitige Verstärkung von psychischen und somatischen Symptomen, dem zeitweise Vorliegen einer sogenannten "double depression" (Dysthymia und rezidivierende leichte bis mittelschwere Depression) sei der Grad der seelischen Behinderung ab 03.01.2011 einer schweren depressiven Störung mit ein bis zwei Phasen im Jahr von mehrwöchiger Dauer gleichzusetzen und zusammen mit den unstrittigen Beeinträchtigungen durch das chronische Schmerzsyndrom und das Wirbelsäulenleiden mit einem GdB von 50 zu bewerten (Bl. 197/225 der SG-Akte)
Das SG wies die Klage mit Urteil vom 06.05.2014 als unbegründet ab. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 20. In den gesundheitlichen Verhältnissen der Klägerin sei nach der Erteilung des Bescheides vom 19.11.2009 insoweit eine wesentliche Verschlechterung eingetreten, als der Gesamt-GdB auf 20 heraufzusetzen gewesen sei. Eine darüber hinaus gehende Verschlechterung bestehe hingegen nicht. Das SG nahm gestützt auf das Gutachten von Dr. H. vom 16.05.2012 für die seelische Beeinträchtigung mit Somatisierungstendenzen einen Teil-GdB von 20 an. Eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit sei nicht erkennbar und ergebe sich auch nicht aus dem auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG eingeholten Gutachten von Dr. T ... Für das Wirbelsäulenleiden sei ein Einzel-GdB von 10 angemessen. Es bestünden lediglich geringe funktionale Auswirkungen. Weitere einen Einzel-GdB von 10 bedingende Funktionsstörungen bestünden bei der Klägerin nicht. Damit seien in der Gesamtschau die Leiden der Klägerin weiterhin mit einem Gesamt-GdB von 20 zu bemessen.
Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 27.05.2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 13.06.2014 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, die Begründung des SG, das sich Dr. H. als erfahren bekanntem Gutachter angeschlossen habe, überzeuge nicht. Die Klägerin beruft sich auf das psychiatrische Gutachten von Dr. T. vom 28.09.2013, welche sich ausführlich mit der Krankheitsgeschichte der Klägerin sowie dem aktuellen Befinden auseinandergesetzt habe. Dr. T. sei auf Grund des erheblichen Leidensdrucks durch die psychischen Symptome zum korrekten Ergebnis gekommen, dass der Grad der seelischen Behinderung ab dem 03.01.2011 einer schweren depressiven Störung mit ein bis zwei Phasen im Jahr von mehrwöchiger Dauer gleichzusetzen und zusammen mit den unstrittigen Beeinträchtigungen durch das chronische Schmerzsyndrom und das Wirbelsäulenleiden mit einem GdB von 50 zu bewerten sei. Dr. T. habe sich auch mit den Einschätzungen des Vorgutachters Dr. H. auseinandergesetzt und verweise überzeugend darauf, dass auf Grund des Leidensdrucks der Klägerin keineswegs wie von Dr. H. angenommen von einer nur leichten psychischen Störung gemäß den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen ausgegangen werden könne. Die unterschiedliche Einschätzung der beiden Gutachter sei insbesondere darauf zurückzuführen, dass Dr. T. von einer wesentlich tiefgreifenderen seelischen Störung bei der Klägerin ausgehe und nicht darauf, dass diese die Versorgungsmedizinischen Grundsätze nicht beachtet habe.
Der Senat hat eine Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht mit Angaben über ärztliche Behandlungen und Untersuchungen ab 01.10.2013 angefordert (richterliche Verfügung vom 08.07.2014). In der vom Klägervertreter am 20.10.2014 vorgelegten Erklärung zur Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht ist keine psychiatrische Behandlung angegeben.
Die Klägerin beantragt sachdienlich gefasst,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 06.05.2014 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids des Landratsamts Ravensburg - Eingliederungs- und Versorgungsamt - vom 21.01.2011 in der Fassung des Teil-Abhilfebescheids des Landratsamts Ravensburg - Eingliederungs- und Versorgungsamt - vom 30.06.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 04.08.2011 zu verurteilen, bei der Klägerin einen Grad der Behinderung von 50 seit dem 03.01.2011 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 06.05.2014 zurückzuweisen.
Der Beklagte tritt der Berufung entgegen und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Das Gutachten von Dr. T. lasse eine Orientierung an den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen nicht erkennen, wonach ein GdB von 50 erst bei schweren psychovegetativen oder psychischen Störungen mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten in Betracht komme. Davon könne in Anbetracht des Tagesablaufes und der sozialen Kontakte der Klägerin sowie der Tatsache, dass die Klägerin eine Umschulungsmaßnahme absolviere, die sie selbst organisiert habe, nicht ausgegangen werden.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Bl. 22 und 23 der Senatsakte).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG Konstanz im Verfahren S 10 SB 2220/11 sowie die Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 SGG) über die Berufung der Klägerin entscheiden, nachdem die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist.
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber nicht begründet.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 06.05.2014 zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Landratsamts R. - Eingliederungs- und Versorgungsamt - vom 21.01.2011 in der Fassung des Teil-Abhilfebescheids des Landratsamts R. - Eingliederungs- und Versorgungsamt - vom 30.06.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 04.08.2011 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Zwar ist in den gesundheitlichen Verhältnissen der Klägerin, welche dem letzten maßgeblichen Bescheid vom 19.11.2009 zugrunde gelegen haben, eine wesentliche Änderung im Sinne von § 48 Abs. 1 SGB X insoweit eingetreten, dass ein GdB mit 20 festzustellen war. Ein darüber hinausgehender Anspruch der Klägerin auf (Neu-)Feststellung eines höheren GdB als 20 besteht hingegen nicht.
Streitgegenständlich ist nur noch die Feststellung eines höheren GdB seit 03.01.2011 und nicht mehr wie ursprünglich beantragt rückwirkend seit April 2009. Nachdem mit Teilabhilfebescheid vom 30.06.2011 ein GdB von 20 seit dem 03.10.2011 festgestellt worden war, hat der Klägervertreter vor dem SG und auch mit der Berufung nur noch einen höheren GdB seit 03.01.2011 beantragt, so dass nicht über eine rückwirkende Feststellung zu entscheiden war.
Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Neufeststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen, welche ihrerseits nicht zum so genannten Verfügungssatz des Bescheides gehören zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 - BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die der Zuerkennung eines GdB zugrundeliegende Behinderung wird gemäß § 69 Abs. 1 SGB IX im Hinblick auf deren Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Dabei stellt die Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2009 (BGBl. I, 2412) mit den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) auf funktionelle Beeinträchtigungen ab, die zunächst nach Funktionssystemen (dazu vgl. Teil A Nr. 2 Buchst. e) VG) getrennt, später nach § 69 Abs. 3 SGB IX in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen sind.
Die im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche (vgl. dazu Teil A Nr. 2 Buchst. e) VG) bestehenden Behinderungen der Klägerin sind mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten. Nach Teil B Nr. 3.7 VG sind leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem Teil-GdB von 0 bis 20, stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) mit einem Teil-GdB von 30 bis 40 zu bewerten. Erst schwere Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten rechtfertigen einen Teil-GdB von 50 bis 70, mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten einen Teil-GdB von 80 bis 100. Die Klägerin leidet nach den schlüssigen Ausführungen in dem vom SG von Amts wegen eingeholten neurologisch-psychiatrischen Gutachten von Dr. H. vom 06.05.2012, dem sich der Senat aufgrund eigener Überprüfung anschließt, an einer Angst und depressiven Störung, gemischt und einer undifferenzierten Somatisierungsstörung. Bei der Untersuchung durch Dr. H. waren keine tiefergehende depressive Verstimmung, keine Psychose und auch kein hirnorganisches Psychosyndrom von Krankheitswert nachweisbar. Vielmehr war die Klägerin bei der Untersuchung durch Dr. H. psychisch keinesfalls tiefergehend depressiv herabgestimmt. Sie war ausgesprochen gut zugewandt, kontaktbereit, wendig, intelligent und differenziert wirkend sowie von guter sprachlicher Ausdrucksfähigkeit. Die Klägerin war sehr sachlich und korrekt und schilderte ihre Kränkungen und Enttäuschungen durch die gescheiterte Ehe. Sie äußerte auch gewisse Ängste, ihre Lebenssituation zu bewältigen, war dabei aber rasch ablenkbar und aufhellbar, lachte spontan bei der Untersuchung und bei der Exploration und wirkte zukunftsorientiert. Die ergänzende testpsychologische Diagnostik brachte entsprechende Ergebnisse. Es ergaben sich keinerlei Hinweise auf Interessenverlust oder Freudlosigkeit, das Selbstwertgefühl war nicht beeinträchtigt. Dr. H. konnte keine negativen Zukunftsperspektiven, keinen Lebensüberdruss, keine Suizidgedanken, keine psychotischen Elemente, keine formalen oder inhaltlichen Denkstörungen, keine Präservationen, keine Sinnestäuschung, keine Wahnwahrnehmung und keine Auffassungsstörung feststellen. Der Denkablauf war geordnet. Die Konzentrations- und Merkfähigkeit war nicht beeinträchtigt, ebenfalls bestand keine Gedächtnis-, Antriebs- oder Ich-Störung. Das Verhalten bei der Exploration und der Untersuchung war durchgehend sachlich und korrekt ohne Hinweis auf Verdeutlichungstendenzen oder demonstrative Verhaltensweisen. Die Klägerin berichtete bei Dr. H., dass sie, nachdem sie sich ihrer gelernten Tätigkeit als Krankenschwester nicht mehr gewachsen fühle, derzeit seit Januar 2012 eine Umschulung zur Industriekauffrau mache. Sie komme nach der Umschulung um 17 Uhr nach Hause und mache dann noch den Haushalt im eigenen Haus und versorge die Kinder (einen 1995 geborenen Sohn und eine 1999 geborene Tochter). Ferner gab die Klägerin bei der Anamneseerhebung durch Dr. H. noch an, ein Besuch bei ihrer Psychiaterin Frau R. erfolge alle drei bis vier Wochen. Hingegen enthält die vom Senat aktuell beigezogene Erklärung zur Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht keine Angaben über eine psychiatrische Behandlung mehr. Nach der Rechtsprechung des Senats kann auf Grund der fehlenden fachärztlichen Behandlung nicht davon ausgegangen werden, dass das diagnostizierte seelische Leiden der Klägerin über eine leichtere psychische Störung hinausgeht und bereits eine stärker behindernde Störung im Sinne der GdB-Bewertungsgrundsätze darstellt (vgl. Urteil des Senats vom 17.12.2010 - L 8 SB 1549/10 - ; juris, Rn. 31). Ein entsprechender Leidensdruck der Klägerin, der bei einer stärker behindernden psychischen Störung zu erwarten ist, findet sich nach den Ausführungen von Dr. H. in dessen Gutachten vom 16.05.2012 nicht. Der Teil-GdB von 20 für die seelischen Leiden der Klägerin wird auch bestätigt von dem als sachverständigen Zeugen vom SG gehörten Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. in seiner Aussage vom 19.12.2011.
Der abweichenden Einschätzung von Dr. T. in dem auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG vom SG eingeholten Gutachten vom 28.09.2013 konnte sich der Senat hingegen nicht anschließen. Die Einschätzungen der Gutachterin stehen nicht im Einklang mit den Vorgaben in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen. Insbesondere lässt sich dem Gutachten von Dr. T. keine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit entnehmen. So berichtete die Klägerin gegenüber Dr. T., dass sie im Januar 2012 eine Umschulung zur Industriekauffrau im Berufsbildungswerk begonnen hat und sich ein Praktikum, welches sie seit Februar 2013 in der Metallindustrie absolviert, selbst gesucht hat. Auch der von der Klägerin gegenüber Dr. T. geschilderte geregelte Tagesablauf spricht gegen eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit. So steht die Klägerin gegen 6:00 Uhr auf, weckt die Kinder und geht anschließend selbst aus dem Haus, um die Umschulung zu absolvieren. Sie kommt gegen 17:00 Uhr wieder, kocht dann oder schläft eine Stunde. Andere Hausarbeiten wie Waschen und Putzen erledigt sie am Wochenende. Gegen 21:00 Uhr geht sie ins Bett. Sie hält Kontakte zu ihren Eltern und zu einer Freundin. Die Kinder stehen für sie an erster Stelle. Ferner verbringt sie sehr viel Zeit mit dem Umbau des eigenen Hauses. So wird insbesondere seit August 2012 das Dach renoviert. Weiter hat die Klägerin seit Dezember 2012 sogar einen Hund und gab gegenüber Dr. T. an, dass ihr der Hund und die Bewegung mit ihm gut tut. Weiter war die Klägerin bei dem Untersuchungsgespräch mit Dr. T. bewusstseinsklar, zeitlich, örtlich und zur Person orientiert. Konzentration und Auffassung waren ungestört, ebenso das Kurz- und Langzeitgedächtnis. Sie war im Kontaktverhalten offen, freundlich und bemüht, Fragen korrekt zu beantworten. Damit kann sich der Senat der Einschätzung von Dr. T. nicht anschließen, da sich aus den Angaben der Klägerin und den von Dr. T. erhobenen Befunden eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit nicht ableiten lässt und die Einschätzung eines GdB von 50 durch Dr. T. eine Orientierung an den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen nicht erkennen lässt.
Schließlich ergibt sich auch aus der Verlaufsbeobachtung keine andere Bewertung. Zwar war der Krankheitsverlauf schwankend. Die ersten depressiven Symptome werden in dem Bericht von Dr. S., Facharzt für Orthopädie vom 08.03.2010 (Bl. 84 der Verwaltungsakte) im März 2010 beschrieben. Zu diesem Zeitpunkt hatte der ehemalige Arbeitgeber der Klägerin die Kündigung ausgesprochen und sie mit einem Hausverbot belegt. Zunächst entwickelte sie eine mittelschwere Depression, die im Juni 2010 diagnostiziert wurde (vgl. den Befundbericht des Neurologen und Psychiaters Dr. S. vom 16.08.2010; Bl. 93 der Verwaltungsakte). Im weiteren Verlauf gab die als sachverständige Zeugin vom SG gehörte Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Frau R. am 17.11.2011 an, die Klägerin leide ab Behandlungsbeginn im März 2011 aktuell unter einer rezidivierenden depressiven Störung, derzeit (letzte Untersuchung am 19.10.2011) einer mittelschweren depressiven Episode mit Somatisierungstendenzen. Der die Klägerin schon länger behandelnde Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. teilte dagegen dem SG am 19.12.2011 mit, bei der Klägerin bestehe eine depressive Episode. Sie habe jedoch am 12.07.2011 zwischenzeitlich keine Klagen mehr geäußert und es sei eine relative Besserung eingetreten (Bl. 139 der SG-Akte). Bei der letzten Untersuchung der Klägerin am 14.11.2011 durch Dr. S. war eine depressive Beschwerdesymptomatik nicht mehr angesprochen worden. Der die Klägerin bereits seit Juni 2010 behandelnde Facharzt ging bei zeitweiligen Schlafstörungen und depressiven Stimmungslagen nicht von einer wesentlichen Änderung des Gesundheitszustands aus, den er mit einem GdB von 20 auch nicht als stärker belastende Depression einschätzte. Eine mittelschwere Depression wurde dann weder durch Dr. H. noch durch Dr. T. festgestellt. Im Übrigen ist gemäß Teil A Nr. 2 Buchst. f) VG Schwankungen im Gesundheitszustand bei längerem Leidensverlauf mit einem Durchschnittswert Rechnung zu tragen. Nach alledem rechtfertigt sich nach Auffassung des Senats für die seelischen Leiden der Klägerin im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche kein höherer Teil-GdB als 20.
Das Funktionssystem des Rumpfes, wozu der Senat auch die Wirbelsäule einschließlich der Halswirbelsäule zählt (dazu vgl. Teil A Nr. 2 Buchst. e) VG), ist bei der Klägerin allenfalls durch eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule gekennzeichnet, welche mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten ist. Nach Teil B Nr. 18.9 VG ist für Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 10, für Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkungen oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 20 und für Wirbelsäulenschäden mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 30 vorgesehen. Ein Teil-GdB von 30 bis 40 kommt erst bei mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten in Betracht. Zu den sogenannten Wirbelsäulensyndromen zählen beispielsweise das Schulter-Arm-Syndrom, das Lumbalsyndrom, die Ischialgie sowie andere Nerven- und Muskelreizerscheinungen. Bei der Klägerin bestehen lediglich geringe funktionelle Auswirkungen. Der behandelnde Orthopäde Dr. B. diagnostizierte in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 11.02.2012 gegenüber dem SG ein rezidivierendes BWS-Syndrom bei thorakalen Osteochondrosen, ein rezidivierendes LWS-Syndrom bei Osteochondrose L5/S1 und eine Fehlstatik der Wirbelsäule. Bei der klinischen Untersuchung am 25.10.2010 zeigte sich ein flüssiger Gang, ein beidseits sicherer Zehen- und Fersengang, ein Finger-Boden-Abstand von 0 Zentimeter, die Wirbelsäule war im Lot, die Rotation links/rechts betrug 30°/0°/30° und war bei fixiertem Becken noch frei und seitengleich, die Seitwärtsneigung war mit links/rechts 30°/0°/30° ebenfalls frei und seitengleich. Das Ott´sche Zeichen als Zeichen der Entfaltungsfähigkeit der Brustwirbelsäule lag mit 30/31,5 Zentimeter in der Norm. Das Schober´sche Zeichen für die Entfaltungsfähigkeit der Lendenwirbelsäule ergab mit 10/14,5 Zentimeter ebenfalls eine freie Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule. Es fand sich auch keine Sensibilitätsstörung oder Fußheber- und/oder Fußsenkerschwäche und keine Großzehenheberschwäche. Die Klägerin gab jedoch zunehmende Kreuzbeschwerden an, welche unter der bisherigen Therapie wie Krankengymnastik, manuelle Therapie und Rückenschule keine Besserung brachten. Die klinische Untersuchung der Wirbelsäule am 08.02.2011 zeigte keine Befundänderung gegenüber der Voruntersuchung vom 25.10.2010. Dr. Hausotter stellte in seinem Gutachten vom 16.05.2012 lediglich eine Neigung zu Wirbelsäulenbeschwerden ohne Funktionseinschränkung und ohne radikuläre Symptomatik fest. Die Halswirbelsäule war bei der Untersuchung durch Dr. H. weitgehend frei beweglich. Es fanden sich keine gröberen muskulären Verspannungen der paravertebralen zervikalen Muskulatur. Auch im Bereich der Lendenwirbelsäule bestand bei der Untersuchung durch Dr. H. eine weitgehend freie Beweglichkeit, der Finger-Boden-Abstand betrug etwa 5 Zentimeter. Die Seitwärtsneigung war beidseits nicht beeinträchtigt. Es fand sich keine Druckdolenz einzelner Valleix´scher Punkte und die Zeichen nach Lasègue und Bragard waren beidseits negativ. In Ansehung dieser Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule hält der Senat allenfalls unter Berücksichtigung der von der Klägerin geschilderten Schmerzen einen Teil-GdB von 10 für angemessen.
Im Funktionssystem Herz und Kreislauf besteht auf Grund des Bluthochdrucks der Klägerin kein Teil-GdB von mindestens 10. Nach Teil B Nr. 9.3 VG rechtfertigt eine leichte Form des Bluthochdrucks ohne oder mit geringen Leistungsbeeinträchtigungen (höchstens leichte Augenhintergrundveränderungen) einen Teil-GdB von 0 bis 10, eine mittelschwere Form des Bluthochdrucks mit Organbeteiligung leichten bis mittleren Grades (Augenhintergrund-veränderungen - Fundus hypertonicus I-II - und/oder Linkshypertrophie des Herzens und/oder Proteinurie), diastolischer Blutdruck mehrfach über 100 mm Hg trotz Behandlung, je nach Leistungsbeeinträchtigung einen Teil-GdB von 20 bis 40. Die Fachärztin für innere Medizin, Nephrologie und Dialyse Dr. M. teilte dem SG in ihrer sachverständigen Zeugenaussage vom 02.02.2012 mit, die Klägerin leide an einer persistierenden Schrumpfniere bei Zustand nach vesikouretralem Reflux und Refluxplastik sowie einer arteriellen Hypertonie bei jedoch normaler Nierenfunktion. Die RR-Werte hätten unter Hochdruckmedikation im niedrigen normalen Bereich bei 90/60 mm Hg im Jahr 2010 gelegen. Im Verlauf der ambulanten Vorstellungen seien keine Befundänderungen oder Minderung der Leistungsfähigkeit oder der Nierenfunktion festgestellt worden. Damit besteht infolge des gut eingestellten Bluthochdrucks ohne Leistungsbeeinträchtigung und ohne Organbeteiligung keine GdB-relevante Funktionsbeein-t.trächtigung.
Sonstige Gesundheitsstörungen, welche einen Teil-GdB von wenigstens 10 bedingen, liegen bei der Klägerin nicht vor und werden von ihr auch nicht geltend gemacht.
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt, die vorhandenen Arztauskünfte, ärztlichen Unterlagen und Gutachten bilden eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Senats. Der Senat hält deshalb weitere Ermittlungen nicht mehr für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit den sachverständigen Zeugenauskünften und den Gutachten dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der medizinisch festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden Überschneidungen und Wechselwirkungen.
Nach Überzeugung des Senats ist der Gesamt-GdB unter integrierender Bewertung der Funktionsbehinderungen und unter Beachtung ihrer gegenseitigen Auswirkungen mit 20, gebildet aus Teilwerten von:
- 20 für die Funktionsbeeinträchtigungen des Funktionssystems des Hirns einschließlich der Psyche (depressive Störung und Angst gemischt und undifferenzierte Somatisierungsstörung) und - 10 für das Funktionssystem des Rumpfes (Wirbelsäule),
wobei Teil-GdB-Werte von 10 regelmäßig nicht erhöhend wirken zu bemessen.
Mit dem vom Senat festgestellten Gesamt-GdB von 20 ist im Vergleich zu dem Bescheid vom 19.11.2009 eine wesentliche Änderung im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X eingetreten, dem der Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden ausreichend und leidensgerecht Rechnung getragen hat. Ein darüber hinausgehender Anspruch der Klägerin auf (Neu-)Feststellung eines höheren GdB als 20 besteht hingegen nicht.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin gegen den Beklagten ein Anspruch auf höhere (Neu-) Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) seit 03.01.2011 (höher als 20) zusteht.
Die am 08.07.1973 geborene Klägerin ist türkische Staatsangehörige und Inhaberin einer Aufenthaltsberechtigung.
Die Klägerin beantragte am 15.10.2009 erstmals die Feststellung eines GdB. Das Landratsamt R. - Eingliederungs- und Versorgungsamt - (LRA) lehnte den Antrag mit Bescheid vom 19.11.2009 ab, da keine einen GdB von wenigstens 20 bedingenden Funktionsstörungen vorlägen (Bl. 30 der Verwaltungsakte).
Am 03.01.2011 beantragte die Klägerin erneut die Feststellung eines GdB rückwirkend ab April 2009. Zur Begründung gab sie folgende Gesundheitsstörungen an: Folgebeschwerden bei Zustand nach Unterleibsoperation, Schlafstörungen und Angstzustände, ein Wirbelsäulenleiden, beidseitige Kniegelenksbeschwerden, eine Niereninsuffizienz sowie Wundheilungsstörungen. Der Klägerin legte zu ihrem Antrag vor:
- einen Arztbrief des Orthopäden Dr. W. vom 21.03.2003 (Bl. 36/37 der Verwaltungsakte), - 2 Arztbriefe der chirurgischen Klinik B. - L. vom 28.03.2003 und 14.04.2003 (Bl. 38 und 39 der Verwaltungsakte), - einen Arztbrief des Nuklearmediziners Dr. E. vom 24.03.2005 (Bl. 40 der Verwaltungsakte), - Arztbriefe der Internistin und Nephrologin Dr. M. vom 15.04.2005, 28.09.2005, 17.03.2008 und 30.09.2010 (Bl. 42, 44, 48 und 95 der Verwaltungsakte), - Arztbriefe der Radiologischen Gemeinschaftspraxis B. vom 15.04.2005, 28.09.2005, 20.10.2006, 04.06.2008 (Bl. 43, 45, 46 und 49 der Verwaltungsakte), - Arztbriefe des Orthopäden Dr. B. vom 22.09.2008 und 02.11.2010 (Bl. 51 und 96 der Verwaltungsakte), - einen Laborbericht des Endokrinologikums Labore H. vom 16.09.2008 (Bl. 52/53 der Verwaltungsakte), - Arztbriefe der Frauenklinik B. vom 12.11.2008 und 15.04.2009 (Bl. 55 und 58 der Verwaltungsakte), - einen Arztbrief des Pathologen Dr. Q. vom 09.04.2009 (Bl. 56 der Verwaltungsakte), - Befundberichte und ärztliche Stellungnahmen des Facharztes für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Dr. A. vom 22.05.2009, 11.12.2009, 26.01.2010 und 28.02.2010 (Bl. 59, 73, 76 und 78/79 der Verwaltungsakte), - Arztbriefe des Kreiskrankenhauses B. vom 22.06.2009, 25.06.2009, 30.06.2009, 13.07.2009, 10.08.2009, 15.01.2010 und 21.05.2010 (Bl. 60, 62, 63, 68, 70, 75 und 91 der Verwaltungsakte), - Arztbriefe der Pathologie Ü. vom 24.06.2009 und 04.01.2010 (Bl. 61 und 77 der Verwaltungsakte), - mikrobiologische Befundberichte des Zentrallabors des Kreiskrankenhauses S. vom 07.07.2009 und 24.05.2010 (Bl. 64 und 88/89 der Verwaltungsakte), - einen Laborbericht des Krankenhauses S. vom 12.07.2009 (Bl. 65/66 der Verwaltungsakte), - Berichte des Laborzentrums E. vom 01.10.2009 und 26.10.2009 (Bl. 71 und 72 der Verwaltungsakte), - einen Arztbrief des Internisten Dr. W. vom 02.03.2010 (Bl. 81 der Verwaltungsakte), - einen mikrobiologischen Bericht des Labors Dr. G. vom 02.03.2010 (Bl. 82 der Verwaltungsakte), - Arztbriefe des Orthopäden Dr. S. vom 08.03.2010 und 10.06.2010 (Bl. 84 und 92 der Verwaltungsakte), - einen Arztbrief der neurologisch-radiologischen Gemeinschaftspraxis G. vom 28.04.2010 (Bl. 86 der Verwaltungsakte) und - einen Arztbrief des Neurologen und Psychiaters Dr. S. vom 16.08.2010 (Bl. 93 der Verwaltungsakte).
Auf der Grundlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahme des Obermedizinalrates N. vom 20.01.2011 (Bl. 98/99 der Verwaltungsakte), der den Gesamt-GdB wegen Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und funktionellen Organbeschwerden mit 10 bewertete, lehnte das LRA den Antrag der Klägerin auf Feststellung des GdB mit Bescheid vom 21.01.2011 ab (Bl. 100/101 der Verwaltungsakte).
Dagegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 23.02.2011 Widerspruch ein, zu dessen Begründung sie vortrug, sie sei seit letztem Jahr in psychiatrischer Behandlung und seit März 2011 in psychologischer Behandlung. Sie habe seit längerer Zeit in dieser Hinsicht erhebliche Probleme.
Der Beklagte forderte einen Befundbericht der behandelnden Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie R. vom 16.05.2011 an (Bl. 113 der Verwaltungsakte).
Nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme bei Dr. Z. vom 24.06.2011, in der Dr. Z. eine Depression und ein chronisches Schmerzsyndrom mit einem Teil-GdB von 20 und die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und funktionellen Organbeschwerden weiter mit einem GdB von 10 bewertete (Bl. 118/119 der Verwaltungsakte), half das LRA dem Widerspruch der Klägerin mit Bescheid vom 30.06.2011 teilweise ab und stellte einen GdB von 20 seit dem 03.01.2011 fest (Bl. 122 der Verwaltungsakte).
Mit Widerspruchsbescheid vom 04.08.2011 wies der Beklagte durch das Regierungspräsidium S. - Landesversorgungsamt - den Widerspruch der Klägerin zurück (Bl. 128 der Verwaltungsakte).
Dagegen erhob die Klägerin am 15.08.2011 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG), zu deren Begründung sie im Wesentlichen vortragen ließ, sie leide unter folgenden Gesundheitsbeeinträchtigungen: Zustand nach Unterleibsoperation mit mehrfacher Wundrevision wegen Wundheilungsstörungen mit MRSA-Besiedlung, Niereninsuffizienz, chronisch obstruktiver Pyelonephritis, Depressionen, Ein- und Durchschlafstörungen, Vergesslichkeit, Neurodermitis, LWS-Wurzelreizerscheinungen, HWS-Syndrom, Gelenkarthritis, Kniebeschwerden beidseits und Impingementsyndrom der Schulter, allergischem Asthma bronchiale sowie einer chronisch nicht erosiven gastroösophagealen Refluxkrankheit bei Kardiainsuffizienz.
Das SG erhob Beweis durch schriftliche Befragung der die Klägerin behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Bl. 17, 19, 25, 26, 89, 126, 136, 142 sowie 143/144 der SG-Akte Bezug genommen.
Der Facharzt für Urologie Dr. K. teilte dem SG unter dem 20.10.2011 mit, die Klägerin habe sich bei ihm letztmalig im März 2011 vorgestellt. Im beigefügten Befundbericht vom 29.03.2011 führte Dr. K. aus, die Harnabflussverhältnisse seien bei bekannter kleiner Niere links unauffällig und zart beidseits in der Ausscheidungsurographie. Der vorliegende Mittelstrahlurin sei infektfrei.
Die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. S. schrieb dem SG am 19.10.2011, sie behandele die Klägerin nur in Vertretung. Sie habe die Klägerin im Wesentlichen bezüglich der Medikamente und Krankschreibungen betreut.
Der Hautarzt, Allergologe und Venerologe Dr. D. berichtete dem SG am 26.10.2011, er habe die Klägerin letztmalig am 26.10.2010 behandelt. Dabei habe sich eine leichte Dyshidrosis mit Bläschenbildung am linken Fuß gezeigt.
Der Facharzt für Allgemeinmedizin und Hausarzt der Klägerin Dr. W. sagte am 08.11.2011 aus, er habe die Klägerin vom 03.04.2009 bis 09.06.2011 behandelt. Danach sei eine Behandlung bei Dr. S. erfolgt. Hinsichtlich der erhobenen Befunde verwies Dr. W. auf den beigefügten Ausdruck aus seiner Kartei.
Der Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Dr. A. berichtete dem SG unter dem 13.11.2011, er habe die Klägerin von Mai 2007 bis Oktober 2010 u. a. wegen eines Zustandes nach Sterilisation und Beschwerden nach der Operation vom 08.04.2009 gynäkologisch betreut. Die aktuelle Situation könne er nicht beurteilen, da der letzte Patientenkontakt über ein Jahr zurückliege.
Die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie R. teilte dem SG am 17.11.2011 mit, die Klägerin befinde sich seit März 2011 in ihrer psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung. Die letzte Behandlung sei am 19.10.2011 erfolgt. Die Klägerin leide unter einer rezidivierenden depressiven Störung, derzeit einer mittelschweren depressiven Episode mit Somatisierungstendenzen, einer Angstneurose, einer Anpassungsstörung im Rahmen einer sozialen familiären Belastungssituation und einem dauerhaften Ehekonflikt, einem Zustand nach mehreren operativen gynäkologischen Eingriffen (Hysterektomie 4/2009, Adenektomie links 7/2009, Adenektomie rechts 10/2009 mit wiederholten postoperativen MRSA), einer anamnestisch bekannten Schrumpfniere und Niereninsuffizienz sowie einem Brust- und Lendenwirbelsäulensyndrom. Es lägen eine reduzierte Belastbarkeit und Frustrationstoleranz mit einer geringen Impulskontrolle, ein deutlich geschwächtes Konzentrations- und Beurteilungsvermögen, eine reduzierte Leistungsfähigkeit und ein reduziertes Durchhalte- und Funktionsvermögen vor. Den GdB auf psychiatrisch-psychotherapeutischem Gebiet schätzte Frau R. auf 40 bis 50.
Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. berichtete dem SG unter dem 16.12.2011, bei der Klägerin seien eine depressive Episode, eine Insomnie, Hirnleistungsstörungen, eine Niereninsuffizienz und ein Zustand nach Hysterektomie bei hämorrhagischer Ovarialzyste sowie eine Lumboischialgie links diagnostiziert worden. Es hätten zeitweilige Schlafstörungen und depressive Stimmungen bestanden. Dr. S. schätze den GdB auf seinem Fachgebiet mit 20 ein.
Die Fachärztin für innere Medizin, Nephrologie und Dialyse Dr. M. schrieb dem SG am 02.02.2012, die Klägerin leide unter einem Zustand nach rezidivierenden Pyelonephritiden bei Schrumpfniere links mit Zustand nach vesikouretralem Reflux bei Refluxplastik im Alter von 7 Jahren und arterieller Hypertonie. Eine Nierenfunktionseinschränkung habe ausgeschlossen werden können. Die RR-Werte lägen unter Hochdruckmedikation im niedrigen normalen Bereich. Es bestünden keine neurologischen Ausfälle. Bewegungseinschränkungen seien nicht bekannt.
Der Orthopäde Dr. B. teilte dem SG am 14.02.2012 mit, die Klägerin leide an einem rezidivierenden BWS-Syndrom bei thorakalen Osteochondrosen, einem rezidivierenden LWS-Syndrom bei Osteochondrose L5/S1 sowie einer Fehlstatik der Wirbelsäule. Es bestehe ein Belastungsschmerz der Wirbelsäule mit schmerzhafter Beweglichkeit. Der GdB betrage 20.
Der Beklagte bot mit Schriftsatz vom 21.03.2012 unter Verweis auf die versorgungsmedizinische Stellungnahme von Dr. W. vom 20.03.2012 vergleichsweise einen GdB von 30 seit dem 03.01.2011 an. Die Klägerin nahm das Vergleichsangebot nicht an. Der Beklagte hielt das Vergleichsangebot zuletzt nicht mehr aufrecht (Schriftsatz vom 30.12.2013).
Weiter erhob das SG Beweis durch die Einholung eines Gutachtens von Amts wegen bei dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H ... Wegen des Inhalts und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Bl. 156 bis 177 der SG-Akte Bezug genommen.
Im Gutachten vom 16.05.2012 führte Dr. H. aus, die Klägerin leide unter einer Angst und einer depressiven Störung gemischt (F41.2) sowie einer undifferenzierten Somatisierungsstörung (F45.1) (Teil-GdB 20), einer Neigung zu Wirbelsäulenbeschwerden ohne Funktionseinschränkungen und ohne radikuläre Symptomatik (Einzel-GdB 10) sowie unter Bluthochdruck (Teil-GdB 10). Der Gesamt-GdB betrage seit April 2009 20.
Weiter holte das SG auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG ein Gutachten bei der Chefärztin der Klinik für psychosomatische Medizin und Psychotherapie R. Dr. T. ein. Im Gutachten vom 28.09.2013 führte Dr. T. aus, die Klägerin leide unter einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig leicht mit somatischem Syndrom (F33.01) sowie einer anhaltenden affektiven Störung und einer Dysthymia (F34.1) nach schwerer Belastung und mit eingeschränkten Bewältigungsstrategien. Unter Würdigung des erheblichen Leidensdrucks durch die psychischen Symptome, die gegenseitige Verstärkung von psychischen und somatischen Symptomen, dem zeitweise Vorliegen einer sogenannten "double depression" (Dysthymia und rezidivierende leichte bis mittelschwere Depression) sei der Grad der seelischen Behinderung ab 03.01.2011 einer schweren depressiven Störung mit ein bis zwei Phasen im Jahr von mehrwöchiger Dauer gleichzusetzen und zusammen mit den unstrittigen Beeinträchtigungen durch das chronische Schmerzsyndrom und das Wirbelsäulenleiden mit einem GdB von 50 zu bewerten (Bl. 197/225 der SG-Akte)
Das SG wies die Klage mit Urteil vom 06.05.2014 als unbegründet ab. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 20. In den gesundheitlichen Verhältnissen der Klägerin sei nach der Erteilung des Bescheides vom 19.11.2009 insoweit eine wesentliche Verschlechterung eingetreten, als der Gesamt-GdB auf 20 heraufzusetzen gewesen sei. Eine darüber hinaus gehende Verschlechterung bestehe hingegen nicht. Das SG nahm gestützt auf das Gutachten von Dr. H. vom 16.05.2012 für die seelische Beeinträchtigung mit Somatisierungstendenzen einen Teil-GdB von 20 an. Eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit sei nicht erkennbar und ergebe sich auch nicht aus dem auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG eingeholten Gutachten von Dr. T ... Für das Wirbelsäulenleiden sei ein Einzel-GdB von 10 angemessen. Es bestünden lediglich geringe funktionale Auswirkungen. Weitere einen Einzel-GdB von 10 bedingende Funktionsstörungen bestünden bei der Klägerin nicht. Damit seien in der Gesamtschau die Leiden der Klägerin weiterhin mit einem Gesamt-GdB von 20 zu bemessen.
Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 27.05.2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 13.06.2014 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, die Begründung des SG, das sich Dr. H. als erfahren bekanntem Gutachter angeschlossen habe, überzeuge nicht. Die Klägerin beruft sich auf das psychiatrische Gutachten von Dr. T. vom 28.09.2013, welche sich ausführlich mit der Krankheitsgeschichte der Klägerin sowie dem aktuellen Befinden auseinandergesetzt habe. Dr. T. sei auf Grund des erheblichen Leidensdrucks durch die psychischen Symptome zum korrekten Ergebnis gekommen, dass der Grad der seelischen Behinderung ab dem 03.01.2011 einer schweren depressiven Störung mit ein bis zwei Phasen im Jahr von mehrwöchiger Dauer gleichzusetzen und zusammen mit den unstrittigen Beeinträchtigungen durch das chronische Schmerzsyndrom und das Wirbelsäulenleiden mit einem GdB von 50 zu bewerten sei. Dr. T. habe sich auch mit den Einschätzungen des Vorgutachters Dr. H. auseinandergesetzt und verweise überzeugend darauf, dass auf Grund des Leidensdrucks der Klägerin keineswegs wie von Dr. H. angenommen von einer nur leichten psychischen Störung gemäß den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen ausgegangen werden könne. Die unterschiedliche Einschätzung der beiden Gutachter sei insbesondere darauf zurückzuführen, dass Dr. T. von einer wesentlich tiefgreifenderen seelischen Störung bei der Klägerin ausgehe und nicht darauf, dass diese die Versorgungsmedizinischen Grundsätze nicht beachtet habe.
Der Senat hat eine Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht mit Angaben über ärztliche Behandlungen und Untersuchungen ab 01.10.2013 angefordert (richterliche Verfügung vom 08.07.2014). In der vom Klägervertreter am 20.10.2014 vorgelegten Erklärung zur Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht ist keine psychiatrische Behandlung angegeben.
Die Klägerin beantragt sachdienlich gefasst,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 06.05.2014 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids des Landratsamts Ravensburg - Eingliederungs- und Versorgungsamt - vom 21.01.2011 in der Fassung des Teil-Abhilfebescheids des Landratsamts Ravensburg - Eingliederungs- und Versorgungsamt - vom 30.06.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 04.08.2011 zu verurteilen, bei der Klägerin einen Grad der Behinderung von 50 seit dem 03.01.2011 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 06.05.2014 zurückzuweisen.
Der Beklagte tritt der Berufung entgegen und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Das Gutachten von Dr. T. lasse eine Orientierung an den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen nicht erkennen, wonach ein GdB von 50 erst bei schweren psychovegetativen oder psychischen Störungen mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten in Betracht komme. Davon könne in Anbetracht des Tagesablaufes und der sozialen Kontakte der Klägerin sowie der Tatsache, dass die Klägerin eine Umschulungsmaßnahme absolviere, die sie selbst organisiert habe, nicht ausgegangen werden.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Bl. 22 und 23 der Senatsakte).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG Konstanz im Verfahren S 10 SB 2220/11 sowie die Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 SGG) über die Berufung der Klägerin entscheiden, nachdem die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist.
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber nicht begründet.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 06.05.2014 zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Landratsamts R. - Eingliederungs- und Versorgungsamt - vom 21.01.2011 in der Fassung des Teil-Abhilfebescheids des Landratsamts R. - Eingliederungs- und Versorgungsamt - vom 30.06.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 04.08.2011 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Zwar ist in den gesundheitlichen Verhältnissen der Klägerin, welche dem letzten maßgeblichen Bescheid vom 19.11.2009 zugrunde gelegen haben, eine wesentliche Änderung im Sinne von § 48 Abs. 1 SGB X insoweit eingetreten, dass ein GdB mit 20 festzustellen war. Ein darüber hinausgehender Anspruch der Klägerin auf (Neu-)Feststellung eines höheren GdB als 20 besteht hingegen nicht.
Streitgegenständlich ist nur noch die Feststellung eines höheren GdB seit 03.01.2011 und nicht mehr wie ursprünglich beantragt rückwirkend seit April 2009. Nachdem mit Teilabhilfebescheid vom 30.06.2011 ein GdB von 20 seit dem 03.10.2011 festgestellt worden war, hat der Klägervertreter vor dem SG und auch mit der Berufung nur noch einen höheren GdB seit 03.01.2011 beantragt, so dass nicht über eine rückwirkende Feststellung zu entscheiden war.
Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Neufeststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen, welche ihrerseits nicht zum so genannten Verfügungssatz des Bescheides gehören zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 - BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die der Zuerkennung eines GdB zugrundeliegende Behinderung wird gemäß § 69 Abs. 1 SGB IX im Hinblick auf deren Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Dabei stellt die Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2009 (BGBl. I, 2412) mit den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) auf funktionelle Beeinträchtigungen ab, die zunächst nach Funktionssystemen (dazu vgl. Teil A Nr. 2 Buchst. e) VG) getrennt, später nach § 69 Abs. 3 SGB IX in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen sind.
Die im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche (vgl. dazu Teil A Nr. 2 Buchst. e) VG) bestehenden Behinderungen der Klägerin sind mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten. Nach Teil B Nr. 3.7 VG sind leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem Teil-GdB von 0 bis 20, stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) mit einem Teil-GdB von 30 bis 40 zu bewerten. Erst schwere Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten rechtfertigen einen Teil-GdB von 50 bis 70, mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten einen Teil-GdB von 80 bis 100. Die Klägerin leidet nach den schlüssigen Ausführungen in dem vom SG von Amts wegen eingeholten neurologisch-psychiatrischen Gutachten von Dr. H. vom 06.05.2012, dem sich der Senat aufgrund eigener Überprüfung anschließt, an einer Angst und depressiven Störung, gemischt und einer undifferenzierten Somatisierungsstörung. Bei der Untersuchung durch Dr. H. waren keine tiefergehende depressive Verstimmung, keine Psychose und auch kein hirnorganisches Psychosyndrom von Krankheitswert nachweisbar. Vielmehr war die Klägerin bei der Untersuchung durch Dr. H. psychisch keinesfalls tiefergehend depressiv herabgestimmt. Sie war ausgesprochen gut zugewandt, kontaktbereit, wendig, intelligent und differenziert wirkend sowie von guter sprachlicher Ausdrucksfähigkeit. Die Klägerin war sehr sachlich und korrekt und schilderte ihre Kränkungen und Enttäuschungen durch die gescheiterte Ehe. Sie äußerte auch gewisse Ängste, ihre Lebenssituation zu bewältigen, war dabei aber rasch ablenkbar und aufhellbar, lachte spontan bei der Untersuchung und bei der Exploration und wirkte zukunftsorientiert. Die ergänzende testpsychologische Diagnostik brachte entsprechende Ergebnisse. Es ergaben sich keinerlei Hinweise auf Interessenverlust oder Freudlosigkeit, das Selbstwertgefühl war nicht beeinträchtigt. Dr. H. konnte keine negativen Zukunftsperspektiven, keinen Lebensüberdruss, keine Suizidgedanken, keine psychotischen Elemente, keine formalen oder inhaltlichen Denkstörungen, keine Präservationen, keine Sinnestäuschung, keine Wahnwahrnehmung und keine Auffassungsstörung feststellen. Der Denkablauf war geordnet. Die Konzentrations- und Merkfähigkeit war nicht beeinträchtigt, ebenfalls bestand keine Gedächtnis-, Antriebs- oder Ich-Störung. Das Verhalten bei der Exploration und der Untersuchung war durchgehend sachlich und korrekt ohne Hinweis auf Verdeutlichungstendenzen oder demonstrative Verhaltensweisen. Die Klägerin berichtete bei Dr. H., dass sie, nachdem sie sich ihrer gelernten Tätigkeit als Krankenschwester nicht mehr gewachsen fühle, derzeit seit Januar 2012 eine Umschulung zur Industriekauffrau mache. Sie komme nach der Umschulung um 17 Uhr nach Hause und mache dann noch den Haushalt im eigenen Haus und versorge die Kinder (einen 1995 geborenen Sohn und eine 1999 geborene Tochter). Ferner gab die Klägerin bei der Anamneseerhebung durch Dr. H. noch an, ein Besuch bei ihrer Psychiaterin Frau R. erfolge alle drei bis vier Wochen. Hingegen enthält die vom Senat aktuell beigezogene Erklärung zur Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht keine Angaben über eine psychiatrische Behandlung mehr. Nach der Rechtsprechung des Senats kann auf Grund der fehlenden fachärztlichen Behandlung nicht davon ausgegangen werden, dass das diagnostizierte seelische Leiden der Klägerin über eine leichtere psychische Störung hinausgeht und bereits eine stärker behindernde Störung im Sinne der GdB-Bewertungsgrundsätze darstellt (vgl. Urteil des Senats vom 17.12.2010 - L 8 SB 1549/10 - ; juris, Rn. 31). Ein entsprechender Leidensdruck der Klägerin, der bei einer stärker behindernden psychischen Störung zu erwarten ist, findet sich nach den Ausführungen von Dr. H. in dessen Gutachten vom 16.05.2012 nicht. Der Teil-GdB von 20 für die seelischen Leiden der Klägerin wird auch bestätigt von dem als sachverständigen Zeugen vom SG gehörten Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. in seiner Aussage vom 19.12.2011.
Der abweichenden Einschätzung von Dr. T. in dem auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG vom SG eingeholten Gutachten vom 28.09.2013 konnte sich der Senat hingegen nicht anschließen. Die Einschätzungen der Gutachterin stehen nicht im Einklang mit den Vorgaben in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen. Insbesondere lässt sich dem Gutachten von Dr. T. keine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit entnehmen. So berichtete die Klägerin gegenüber Dr. T., dass sie im Januar 2012 eine Umschulung zur Industriekauffrau im Berufsbildungswerk begonnen hat und sich ein Praktikum, welches sie seit Februar 2013 in der Metallindustrie absolviert, selbst gesucht hat. Auch der von der Klägerin gegenüber Dr. T. geschilderte geregelte Tagesablauf spricht gegen eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit. So steht die Klägerin gegen 6:00 Uhr auf, weckt die Kinder und geht anschließend selbst aus dem Haus, um die Umschulung zu absolvieren. Sie kommt gegen 17:00 Uhr wieder, kocht dann oder schläft eine Stunde. Andere Hausarbeiten wie Waschen und Putzen erledigt sie am Wochenende. Gegen 21:00 Uhr geht sie ins Bett. Sie hält Kontakte zu ihren Eltern und zu einer Freundin. Die Kinder stehen für sie an erster Stelle. Ferner verbringt sie sehr viel Zeit mit dem Umbau des eigenen Hauses. So wird insbesondere seit August 2012 das Dach renoviert. Weiter hat die Klägerin seit Dezember 2012 sogar einen Hund und gab gegenüber Dr. T. an, dass ihr der Hund und die Bewegung mit ihm gut tut. Weiter war die Klägerin bei dem Untersuchungsgespräch mit Dr. T. bewusstseinsklar, zeitlich, örtlich und zur Person orientiert. Konzentration und Auffassung waren ungestört, ebenso das Kurz- und Langzeitgedächtnis. Sie war im Kontaktverhalten offen, freundlich und bemüht, Fragen korrekt zu beantworten. Damit kann sich der Senat der Einschätzung von Dr. T. nicht anschließen, da sich aus den Angaben der Klägerin und den von Dr. T. erhobenen Befunden eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit nicht ableiten lässt und die Einschätzung eines GdB von 50 durch Dr. T. eine Orientierung an den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen nicht erkennen lässt.
Schließlich ergibt sich auch aus der Verlaufsbeobachtung keine andere Bewertung. Zwar war der Krankheitsverlauf schwankend. Die ersten depressiven Symptome werden in dem Bericht von Dr. S., Facharzt für Orthopädie vom 08.03.2010 (Bl. 84 der Verwaltungsakte) im März 2010 beschrieben. Zu diesem Zeitpunkt hatte der ehemalige Arbeitgeber der Klägerin die Kündigung ausgesprochen und sie mit einem Hausverbot belegt. Zunächst entwickelte sie eine mittelschwere Depression, die im Juni 2010 diagnostiziert wurde (vgl. den Befundbericht des Neurologen und Psychiaters Dr. S. vom 16.08.2010; Bl. 93 der Verwaltungsakte). Im weiteren Verlauf gab die als sachverständige Zeugin vom SG gehörte Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Frau R. am 17.11.2011 an, die Klägerin leide ab Behandlungsbeginn im März 2011 aktuell unter einer rezidivierenden depressiven Störung, derzeit (letzte Untersuchung am 19.10.2011) einer mittelschweren depressiven Episode mit Somatisierungstendenzen. Der die Klägerin schon länger behandelnde Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. teilte dagegen dem SG am 19.12.2011 mit, bei der Klägerin bestehe eine depressive Episode. Sie habe jedoch am 12.07.2011 zwischenzeitlich keine Klagen mehr geäußert und es sei eine relative Besserung eingetreten (Bl. 139 der SG-Akte). Bei der letzten Untersuchung der Klägerin am 14.11.2011 durch Dr. S. war eine depressive Beschwerdesymptomatik nicht mehr angesprochen worden. Der die Klägerin bereits seit Juni 2010 behandelnde Facharzt ging bei zeitweiligen Schlafstörungen und depressiven Stimmungslagen nicht von einer wesentlichen Änderung des Gesundheitszustands aus, den er mit einem GdB von 20 auch nicht als stärker belastende Depression einschätzte. Eine mittelschwere Depression wurde dann weder durch Dr. H. noch durch Dr. T. festgestellt. Im Übrigen ist gemäß Teil A Nr. 2 Buchst. f) VG Schwankungen im Gesundheitszustand bei längerem Leidensverlauf mit einem Durchschnittswert Rechnung zu tragen. Nach alledem rechtfertigt sich nach Auffassung des Senats für die seelischen Leiden der Klägerin im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche kein höherer Teil-GdB als 20.
Das Funktionssystem des Rumpfes, wozu der Senat auch die Wirbelsäule einschließlich der Halswirbelsäule zählt (dazu vgl. Teil A Nr. 2 Buchst. e) VG), ist bei der Klägerin allenfalls durch eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule gekennzeichnet, welche mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten ist. Nach Teil B Nr. 18.9 VG ist für Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 10, für Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkungen oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 20 und für Wirbelsäulenschäden mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 30 vorgesehen. Ein Teil-GdB von 30 bis 40 kommt erst bei mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten in Betracht. Zu den sogenannten Wirbelsäulensyndromen zählen beispielsweise das Schulter-Arm-Syndrom, das Lumbalsyndrom, die Ischialgie sowie andere Nerven- und Muskelreizerscheinungen. Bei der Klägerin bestehen lediglich geringe funktionelle Auswirkungen. Der behandelnde Orthopäde Dr. B. diagnostizierte in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 11.02.2012 gegenüber dem SG ein rezidivierendes BWS-Syndrom bei thorakalen Osteochondrosen, ein rezidivierendes LWS-Syndrom bei Osteochondrose L5/S1 und eine Fehlstatik der Wirbelsäule. Bei der klinischen Untersuchung am 25.10.2010 zeigte sich ein flüssiger Gang, ein beidseits sicherer Zehen- und Fersengang, ein Finger-Boden-Abstand von 0 Zentimeter, die Wirbelsäule war im Lot, die Rotation links/rechts betrug 30°/0°/30° und war bei fixiertem Becken noch frei und seitengleich, die Seitwärtsneigung war mit links/rechts 30°/0°/30° ebenfalls frei und seitengleich. Das Ott´sche Zeichen als Zeichen der Entfaltungsfähigkeit der Brustwirbelsäule lag mit 30/31,5 Zentimeter in der Norm. Das Schober´sche Zeichen für die Entfaltungsfähigkeit der Lendenwirbelsäule ergab mit 10/14,5 Zentimeter ebenfalls eine freie Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule. Es fand sich auch keine Sensibilitätsstörung oder Fußheber- und/oder Fußsenkerschwäche und keine Großzehenheberschwäche. Die Klägerin gab jedoch zunehmende Kreuzbeschwerden an, welche unter der bisherigen Therapie wie Krankengymnastik, manuelle Therapie und Rückenschule keine Besserung brachten. Die klinische Untersuchung der Wirbelsäule am 08.02.2011 zeigte keine Befundänderung gegenüber der Voruntersuchung vom 25.10.2010. Dr. Hausotter stellte in seinem Gutachten vom 16.05.2012 lediglich eine Neigung zu Wirbelsäulenbeschwerden ohne Funktionseinschränkung und ohne radikuläre Symptomatik fest. Die Halswirbelsäule war bei der Untersuchung durch Dr. H. weitgehend frei beweglich. Es fanden sich keine gröberen muskulären Verspannungen der paravertebralen zervikalen Muskulatur. Auch im Bereich der Lendenwirbelsäule bestand bei der Untersuchung durch Dr. H. eine weitgehend freie Beweglichkeit, der Finger-Boden-Abstand betrug etwa 5 Zentimeter. Die Seitwärtsneigung war beidseits nicht beeinträchtigt. Es fand sich keine Druckdolenz einzelner Valleix´scher Punkte und die Zeichen nach Lasègue und Bragard waren beidseits negativ. In Ansehung dieser Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule hält der Senat allenfalls unter Berücksichtigung der von der Klägerin geschilderten Schmerzen einen Teil-GdB von 10 für angemessen.
Im Funktionssystem Herz und Kreislauf besteht auf Grund des Bluthochdrucks der Klägerin kein Teil-GdB von mindestens 10. Nach Teil B Nr. 9.3 VG rechtfertigt eine leichte Form des Bluthochdrucks ohne oder mit geringen Leistungsbeeinträchtigungen (höchstens leichte Augenhintergrundveränderungen) einen Teil-GdB von 0 bis 10, eine mittelschwere Form des Bluthochdrucks mit Organbeteiligung leichten bis mittleren Grades (Augenhintergrund-veränderungen - Fundus hypertonicus I-II - und/oder Linkshypertrophie des Herzens und/oder Proteinurie), diastolischer Blutdruck mehrfach über 100 mm Hg trotz Behandlung, je nach Leistungsbeeinträchtigung einen Teil-GdB von 20 bis 40. Die Fachärztin für innere Medizin, Nephrologie und Dialyse Dr. M. teilte dem SG in ihrer sachverständigen Zeugenaussage vom 02.02.2012 mit, die Klägerin leide an einer persistierenden Schrumpfniere bei Zustand nach vesikouretralem Reflux und Refluxplastik sowie einer arteriellen Hypertonie bei jedoch normaler Nierenfunktion. Die RR-Werte hätten unter Hochdruckmedikation im niedrigen normalen Bereich bei 90/60 mm Hg im Jahr 2010 gelegen. Im Verlauf der ambulanten Vorstellungen seien keine Befundänderungen oder Minderung der Leistungsfähigkeit oder der Nierenfunktion festgestellt worden. Damit besteht infolge des gut eingestellten Bluthochdrucks ohne Leistungsbeeinträchtigung und ohne Organbeteiligung keine GdB-relevante Funktionsbeein-t.trächtigung.
Sonstige Gesundheitsstörungen, welche einen Teil-GdB von wenigstens 10 bedingen, liegen bei der Klägerin nicht vor und werden von ihr auch nicht geltend gemacht.
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt, die vorhandenen Arztauskünfte, ärztlichen Unterlagen und Gutachten bilden eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Senats. Der Senat hält deshalb weitere Ermittlungen nicht mehr für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit den sachverständigen Zeugenauskünften und den Gutachten dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der medizinisch festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden Überschneidungen und Wechselwirkungen.
Nach Überzeugung des Senats ist der Gesamt-GdB unter integrierender Bewertung der Funktionsbehinderungen und unter Beachtung ihrer gegenseitigen Auswirkungen mit 20, gebildet aus Teilwerten von:
- 20 für die Funktionsbeeinträchtigungen des Funktionssystems des Hirns einschließlich der Psyche (depressive Störung und Angst gemischt und undifferenzierte Somatisierungsstörung) und - 10 für das Funktionssystem des Rumpfes (Wirbelsäule),
wobei Teil-GdB-Werte von 10 regelmäßig nicht erhöhend wirken zu bemessen.
Mit dem vom Senat festgestellten Gesamt-GdB von 20 ist im Vergleich zu dem Bescheid vom 19.11.2009 eine wesentliche Änderung im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X eingetreten, dem der Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden ausreichend und leidensgerecht Rechnung getragen hat. Ein darüber hinausgehender Anspruch der Klägerin auf (Neu-)Feststellung eines höheren GdB als 20 besteht hingegen nicht.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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