L 8 SB 2811/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 24 SB 584/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 2811/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 25.06.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin gegen den Beklagten ein Anspruch auf höhere (Neu-)Feststellung des Grades der Behinderung (GdB, mindestens 50 statt 40) zusteht.

Bei der am 02.09.1963 geborenen Klägerin, bosnischen Staatsangehörigen (zum Aufenthaltstitel vgl. Blatt 90 der Beklagtenakte), war seit 22.08.2008 (Bescheid vom 27.10.2008, Blatt 39/40 der Beklagtenakte; zur versorgungsärztlichen Stellungnahme vgl. 37/38 der Beklagtenakte) wegen einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule ein GdB von 20 und seit 20.10.2010 (Bescheid vom 16.02.2011, Blatt 85/86 der Beklagtenakte; zur versorgungsärztlichen Stellungnahme vgl. 83/84 der Beklagtenakte) wegen Depression (Einzel-GdB 30) sowie Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden und entzündlich-rheumatischer Erkrankung (Einzel-GdB 20) ein GdB von 40 festgestellt worden.

Am 14.05.2012 beantragte die Klägerin beim Landratsamt E. (LRA) die höhere (Neu-) Feststellung des GdB (Blatt 88/89 der Beklagtenakte).

Das LRA zog ärztliche Befundunterlagen vom Facharzt für Allgemeinmedizin M. bei (zu den vorgelegten Unterlagen vgl. Blatt 94/104 der Beklagtenakte). In seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 21.07.2012 (Blatt 106/107 der Beklagtenakte) kam Dr. F. zu dem Ergebnis, eine wesentliche Änderung sei nicht eingetreten, der GdB sei weiterhin mit 40 (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Depression (Einzel-GdB 30), Funktionsbehinde¬rung der Wirbelsäulen Bandscheibenschaden, entzündlich-rheumatische Erkrankung (Einzel-GdB 20)) zu bemessen.

Mit Bescheid vom 13.08.2012 (Blatt 108/109 der Beklagtenakte) lehnte das LRA daraufhin die höhere (Neu-)Feststellung des GdB ab. Eine wesentliche Verschlimmerung des Gesundheitszustandes sei nicht eingetreten. Den Widerspruch der Klägerin vom 30.08.2012 (Blatt 111/112, 114 der Beklagtenakte), mit dem diese eine Verschlimmerung der schweren Depression und der orthopädischen Erkrankungen geltend gemacht hatte, wies der Beklagte nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. L. vom 15.10.2012 (Blatt 115 der Beklagtenakte) durch das Regierungspräsidium S. - Landesversorgungsamt - zurück (Wider-spruchsbescheid vom 07.12.2012, Blatt 117/118 der Beklagtenakte).

Die Klägerin wandte sich mit am 27.12.2012 eingegangenem Schreiben, das sie auf Nachfrage als Klage verstanden wissen wollte, beim Beklagten gegen den Widerspruchsbescheid vom 07.12.2012 (nach Blatt 118 der Beklagtenakte). In der Sache hat die Klägerin angegeben (Blatt 7 der SG-Akte), sie leide seit Jahren an schweren Depressionen. Sie sei "vielleicht krank aber nicht bescheuert". Der Beklagte wolle das Recht der Kranken nicht akzeptieren. Zu ihrer Klage hat die Klägerin vorgelegt, - einen fachärztlichen Befund des Neurologen und Psychiaters Dr. P. vom 11.10.2012, in dem Angst und Depression gemischt sowie eine schwere depressive Episode angegeben wird (Blatt 8 = 19 der SG-Akte), - ein ärztliches Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin M. vom 06.07.2011 (Blatt 9 = 20 der SG-Akte), - ein Blatt einer sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung (Rente, Blatt 10 = 21 der SG-Akte), - einen Bericht der Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtung H. vom 16.08.2005 (Blatt 15/16 der SG-Akte), - einen Bericht des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. T. vom 19.02.2008 (Blatt 17 der SG-Akte), in dem über eine mittelgradige depressive Episode und eine medikamentöse Therapie berichtet wird, und - einen Bericht des Facharztes für Psychiatrie, Psychotherapie (Verhaltenstherapie) Dr. A. vom 27.05.2010 (Blatt 18 der SG-Akte), in dem über eine Angst und Depression gemischt mit Somatisierung und eine medikamentöse Therapie berichtet wird.

Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 34/3536/44 und 45/51 der SG-Akte Bezug genommen. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. P. hat in seiner Auskunft vom 07.03.2013 eine Angst und depressive Störung gemischt, ein Cervicozephales Syndrom, eine schwere depressive Episode - aktuell ohne Psychose, eine Lumboischialgie links bei Bandscheibenschäden sowie eine Anpassungsstörung diverser Ätiologie angegeben. Das Gesamtleiden werde insgesamt als mittelgradig beurteilt, sodass nervenfachärztlich von einem GdB von 30 auszugehen sei. Der Facharzt für Allgemeinmedizin M. hat unter dem Datum des 19.03.2013 mitgeteilt, er habe ein chronisches Schmerzsyndrom, ein Fibromyalgiesyndrom, chronisch-rezidivierende Lumboischialgien und Cervicobrachialgien sowie ein depressives Syndrom festgestellt. Es sei von einem GdB von mehr als 50 auszugehen. Der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie M. hat ausgeführt (Schreiben vom 18.04.2013), aus orthopädisch-rheumatologischer Hinsicht sei der GdB mit 30 zu veranschlagen. Insbesondere die Wirbelsäulenerkrankung, welche alle Abschnitte betreffe, sei insgesamt als mittelgradig einzustufen.

Das SG hat des Weiteren Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädisch-unfallchirurgischen Gutachten beim Facharzt für Chirurgie, Unfallchirurgie und Orthopädie Dr. D ... Dieser hat in seinem Gutachten vom 30.09.2013 (Blatt 63/76 der SG-Akte) eine endgradig eingeschränkte Rückneigbeweglichkeit der Brustwirbelsäule, eine etwa 15%-ige Gesamtbeweglichkeitseinschränkung der Lendenwirbelsäule ohne Nachweis sensibler oder motorischer Nervenwurzelreizerscheinungen sowie eine muskulär nicht kompensierbare vordere und nach innen gerichtete Instabilität im linken Kniegelenk beschrieben. Die Beeinträchtigungen im Wirbelsäulenbereich seien mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten. Die Instabilität des linken Kniegelenkes sei wegen der muskulär unvollständig kompensierbaren Lockerung des Kniebandapparates mit daraus resultierender Gangunsicherheit mit einem GdB von 20 zu bemessen. Unter Berücksichtigung des bereits zuerkannten Einzel-GdB von 30 für die seelische Störung, das Fibromyalgiesyndrom und die funktionellen Organbeschwerden betrage der Gesamt-GdB 40.

Die Klägerin hat (Schreiben vom 25.10.2013, Blatt 81 der SG-Akte) mitgeteilt, ihr Gesundheitszustand verschlechtere sich von Tag zu Tag. Die Beschwerden nähmen zu, sodass sie nicht mehr in der Lage sei, ihr Arbeitspensum zu erfüllen.

Nach Durchführung eines nichtöffentlichen Termins zur Erörterung des Sachverhalts und der Rechtslage am 27.11.2013 (zur Niederschrift vgl. Blatt 84 der SG-Akte) hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 25.06.2014 abgewiesen. Es sei gegenüber der letzten Feststellungsentscheidung der Versorgungsverwaltung keine so wesentliche Änderung eingetreten, dass ein höherer GdB als 40 festzustellen sei. Die nervenfachärztlichen Leiden stellten sich allenfalls als eine mittelgradige psychiatrische Beeinträchtigung mit einer wesentlichen Beeinträchtigung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit dar, sodass insgesamt von einem Einzel-GdB von 30 auszugehen sei. Darüber hinaus seien die Gesundheitsbeeinträchti-gungen der Wirbelsäule insgesamt als leichtgradig einzustufen und mit einem Einzel-GdB von 10 zu bemessen. Die klinische Untersuchung des linken Kniegelenkes habe insgesamt eine muskulär nicht kompensierbare vordere und mediale Instabilität bei Zeichen einer Innenmeniskusschädigung ergeben, die bei Gangunsicherheit ein Einzel-GdB von 20 rechtfertige. Insgesamt sei das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass der Gesamt-GdB mit 40 ausreichend bemessen sei.

Gegen den ihr am 27.06.2014 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 04.07.2014 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt; sie sei mit dem Gerichtsbescheid "nicht einverstanden, da das Urteil von korrupten Institutionen gebracht" werde. Ihre Meinung und die der jahrelang behandelnden Ärzte hätten hier keinen Platz. Mit Schreiben vom 13.09.2014 (Blatt 23 der Senatsakte) hat die Klägerin ausgeführt, ihre Probleme seien nicht anerkannt worden, weshalb ihr von jemand anderes gesagt worden sei, dass sie krank sei. Diese Ungerechtigkeit könne sie nicht akzeptieren. Mehr als drei Stunden am Tag könne sie nicht arbeiten.

Die Klägerin beantragt sinngemäß den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 25.06.2014 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 13.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.12.2012 zu verurteilen, bei ihr seit dem 14.05.2012 einen GdB von mindestens 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

In einem nichtöffentlichen Termin am 12.12.2014 wurde die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert (zur Niederschrift vgl. Blatt 25/27 der Senatsakte). Hierin hat die Klägerin u.a. ausgeführt, sie sei mindestens zu 60 % behindert. Sie sei Ausländerin, sie sei krank. Schon vor 10 Jahren habe sie einen GdB von 20 für den Rücken bekommen, heute sollen es nur noch 10 sein, das könne sie nicht verstehen.

Im Termin haben sich beide Beteiligte mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Blatt 27 der Senatsakte).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogenen Akten des SG und des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt hatten und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich erscheint.

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig aber unbegründet.

Gegenüber dem der GdB-Feststellung zuletzt zugrundeliegenden Bescheid vom 16.02.2011, mit dem das LRA der Klägerin einen GdB von 40 zuerkannt hatte, ist eine rechtserhebliche wesentliche Änderung i.S.d. § 48 Abs. 1 SGB X nicht eingetreten, denn der (Gesamt-)GdB ist – noch immer - nicht höher als mit 40 zu bewerten. Der angefochtene Bescheid des LRA vom 13.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 07.12.2012 ist daher rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Das SG hat in der angefochtenen Entscheidung die maßgeblichen Rechtsgrundlagen, die Erkrankungen und die Funktionsbehinderungen der Klägerin zutreffend dargestellt sowie eine zutreffende Beweiswürdigung vorgenommen. Der Senat schließt sich nach eigener Überprüfung den Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids voll an, auf das er zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG). Auch der Senat konnte nicht feststellen, dass eine wesentliche Änderung i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X eingetreten und der Gesamt-GdB auf mehr als 40 festzusetzen ist. Lediglich ergänzend zu den Ausführungen des SG sei auf Folgendes hingewiesen:

Soweit die Klägerin darauf hinweist, den Gerichtsbescheid nicht akzeptieren zu können, da er von einer korrupten Institution stamme, so hat die Klägerin unhaltbare Behauptungen ins Blaue hinein, ohne jeglichen Anhalt oder gar einer näheren Darlegung, gemacht, die in der Sache nicht weiterhelfen und auch vom Senat auf das schärfste zurückgewiesen werden. Dasselbe gilt auch für den in der Aussage "ich bin Ausländer" gegenüber dem SG und dem Beklagten mitschwingenden Vorwurf der Diskriminierung. Auch mit dem Argument, sie könne nicht mehr sechs Stunden arbeiten, dringt die Klägerin nicht durch. Denn gemäß A Nr. 2 Buchst. b) VG ist aus dem GdB nicht auf das Ausmaß der Leistungsfähigkeit zu schließen. Insoweit sind GdB und GdS außerhalb des sozialen Entschädigungsrechts grds. unabhängig vom ausgeübten oder angestrebten Beruf zu beurteilen. Auch bewertet der GdB nicht Einschränkungen der beruflichen Leistungsfähigkeit sondern funktionelle Behinderungen. Dies ist der Klägerin im Erörterungstermin am 17.12.2014 auch seitens des Gerichts dargelegt worden.

Das Funktionssystem des Rumpfes, wozu der Senat auch die Wirbelsäule einschließlich der Halswirbelsäule zählt (dazu vgl. A Nr. 2 Buchst. e) VG), ist bei der Klägerin durch eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule gekennzeichnet, die mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten ist. Nach B Nr. 18.9 VG ist für Wirbelsäulenschäden ein GdB von 20 vorgesehen, wenn mittelgradige funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) vorliegen. Ein GdB von 10 ist dagegen bei Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) bestimmt. Ein GdB von 30 setzt nach B Nr. 18.9 VG entweder schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) oder (nach der Rechtsprechung des Senats, Urteil vom 24.01.2014 – L 8 SB 2497/11 – juris) mittelgradige funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten voraus. Vorliegend konnte der Senat aber schon keine mittelschweren Funktionsbeeinträchtigungen in einem Wirbelsäulenabschnitt feststellen.

Ausgehend von den in den Berichten des behandelnden Orthopäden M. mitgeteilten Befunden und dem Gutachten von Dr. D. liegt bei der Klägerin eine endgradig eingeschränkte Rück-Neig-Beweglichkeit der Brustwirbelsäule sowie eine etwa 15 %ige Gesamt-Beweglichkeitseinschränkung der Lendenwirbelsäule vor. Dies wird durch die von Dr. D. erhobenen Bewegungsausmaße untermauert (Blatt 74 der Senatsakte = Anlage zum Gutachten):

Gutachten Dr. D. Untersuchung am 04.09.2013 HWS Kinn-Jugulum-Abstand 2,5/18 cm Streckung/Beugung 55o-0-45o Drehung rechts/links 60o-0o-60o Seitwärtsneigung rechts/links 40o-0o-40o BWS/LWS Streckung/Vorbeugung (FBA) 43 cm Ott 30/32 cm Schober 10/13 cm Vor-/Rückneigung (Gesamtbeweglichkeit) 105o Hüfteinbeugung bei Rumpfbeuge 50o Seitneigung rechts/links 30o/30o Seitdrehung rechts/links im Sitzen 35o/30o

Dr. D. konnte bei der Kraftprüfung der Kennmuskulatur eine regelrechte Kraftentfaltung feststellen (Blatt 70 der Senatsakte = Seite 8 des Gutachtens). Dermatombezogene Zervikobrachialgien waren nicht vorhanden (a.a.O). Damit konnte er sensible und motorische Nervenwurzelreizerscheinungen seitens die Halswirbelsäule betreffender Rückenmarksnerven ausschließen. Auch die neurologische Untersuchung der unteren Extremitäten ergab keinen Hinweis für sensible oder motorische Nervenwurzelreizerscheinungen der die Lendenwirbelsäule betreffenden Rückenmarksnerven (Blatt 70 der Senatsakte = Seite 8 des Gutachtens). So konnte auch ein Ischias-Druckschmerz bei beidseitig negativem Lasègue-Zeichen nicht ausgelöst werden (Blatt 66 der Senatsakte = Seite 4 des Gutachtens). Liegen damit lediglich leichte funktionelle Beeinträchtigungen, wenn auch in mehreren Wirbelsäulenabschnitten vor, konnte sich der Senat bei Fehlen von dokumentierten Verformungen, häufig rezidivierenden oder anhaltenden Bewegungseinschränkung oder Instabilitäten mittleren Grades bzw. häufig rezidivierenden und über Tage andauernden Wirbelsäulensyndromen nicht davon überzeugen, dass der Einzel-GdB im Funktionssystem der Wirbelsäule mit mehr als 10 anzusetzen wäre. Insoweit konnte sich der Senat nicht davon überzeugen, dass die vom Orthopäden M. dargestellten funktionellen Auswirkungen der mit Dr. D. vergleichbar beschriebenen Erkrankungen bereits einen mittleren Ausprägungsgrad angenommen hätten. Denn aus den vom Orthopäden M. vorliegenden Berichten ergeben sich gerade keine derartigen funktionellen Beeinträchtigungen.

Im Funktionssystem der Beine (dazu vgl. A Nr. 2 Buchst. e) VG) ist der Einzel-GdB ebenfalls zutreffend mit 20 angesetzt worden. Zwar konnte Dr. D. an beiden Knien, ebenso an den Hüften und Füßen, normgerechte Bewegungsausmaße feststellen (vgl. Blatt 69 und 76 der Senatsakte = Seite 7 des Gutachtens bzw. Anhang zum Gutachten). Auch konnten ausgeprägte Knorpelschäden am Knie nicht festgestellt werden. Doch war am linken Knie eine muskulär nicht kompensierbare vordere und nach innen gerichtete Instabilität festzustellen (vgl. Blatt 69 der Senatsakte = Seite 7 des Gutachtens). Diese Lockerung des Kniebandapparates war nach B Nr. 18.12 VG - weil mit einer Gangunsicherheit verbunden - mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten. Da weitere Funktionsbehinderungen im Funktionssystem nicht bestehen, entspricht der Einzel-GdB vorliegend dem Teil-GdB.

Im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche (dazu vgl. A Nr. 2 Buchst. e) VG) hat das SG zutreffend auf Basis einer seelischen Störung in Form einer Depression, einem Fibromyalgiesyndrom bzw. einem keinem organischen Funktionssystem eindeutig zuzuordnenden chronischen Schmerzsyndrom eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit angenommen und zutreffend mit einem Einzel-GdB von 30 bewertet. Diese Bewertung entspricht derjenigen des behandelnden Psychiaters Dr. P. in seiner Auskunft gegenüber dem SG (Blatt 34/35 der SG-Akte). Auch die nervenärztlichen Befunde, die Dr. P., Dr. M., Dr. A. und der Orthopäde M. mitgeteilt haben, stützen diese Bewertung. So hatte Dr. P. dem SG lediglich leichte bis mittelgradige Störungen bei Orientierung, Aufmerksamkeit, Konzentrationsfähigkeit, Gedächtnis, Antrieb, Affektivität sowie dem formalem und inhaltlichem Denken beschrieben (Blatt 34/35 der SG-Akte). Objektiv-klinische Anhaltspunkte für das Vorliegen einer schweren Störung, z.B. in Form einer Zwangskrankheit, konnten von keinem der Ärzte mitgeteilt werden. Daher konnte der Senat - auch im Hinblick auf die erfolgreiche medikamentöse Therapie und die regelmäßigen Behandlungen beim nervenärztlichen Facharzt Dr. P. lediglich einen Einzel-GdB von 30 annehmen. Angesichts der zwar vom Arzt M. und Dr. P. angegebenen Beeinträchtigungen der familiären und sozialen Integration aber im Erörterungstermin geschilderten sozialen Kontakte und der dort angegebenen Unternehmungen (Blatt 26 der Senatsakte), konnte der Senat bei seiner Bewertung nicht an den oberen Rand des Bemessungsrahmens gehen. Der vom SG angesetzte Einzel-GdB von 30 ist jedenfalls nicht zu Lasten der Klägerin rechtswidrig zu niedrig.

Weitere GdB-relevante Erkrankungen und Funktionseinschränkungen, die einen Teil-GdB von wenigstens 10 bedingen, liegen nicht vor. So ergibt sich aus den von Dr. M. im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen, dass die Klägerin nach Behandlung von Miktionsstörungen und Pollakisurie durch den Urologen Dr. K. wieder beschwerdefrei war (Bericht vom 25.10.2011 (Blatt 103 der Beklagtenakte) und auch eine Verschlechterung insoweit nicht belegt werden konnte. Der Sachverhalt ist geklärt, weitere Ermittlungen waren von Amts wegen nicht durchzuführen.

Nach Überzeugung des Senats ist unter integrierender Bewertung der Funktionsbehinderungen und unter Beachtung ihrer gegenseitigen Auswirkungen die Feststellung des Gesamt-GdB von 40, gebildet aus Einzel-GdB-Werten von - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen des Funktionssystems des Rumpfes (Wirbelsäule), - 20 für die die Funktionsbeeinträchtigungen des Funktionssystems der Beine (Kniegelenk links) und - 30 für die Funktionsbeeinträchtigungen des Funktionssystems des Gehirns einschließlich der Psyche - wobei Einzel-GdB-Werte von 10 regemäßig nicht erhöhend wirken -, zutreffend. Insoweit schließt sich der Senat der Bewertung durch das SG und dessen zutreffenden Ausführungen an. Den im Wesentlichen fachfremden und durch die eigenen Befunde nicht gestützten Bewertungen des Arztes M. konnte der Senat daher nicht folgen.

Damit ist im Verhältnis zu dem bis dahin maßgeblichen Bescheid vom 16.02.2011 eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X nicht eingetreten, sodass ein Anspruch auf höhere Neufeststellung des GdB nicht besteht. Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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