Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 R 977/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 4785/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 02.10.2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1968 in Polen geborene Klägerin übersiedelte 1990 in die Bundesrepublik Deutschland. Hier absolvierte sie eine Ausbildung zur Altenpflegerin und war bis September 2009 in diesem Beruf tätig. Vom 21.10.2009 bis 05.01.2011 bezog die Klägerin Krankengeld, anschließend Arbeitslosengeld. Vom 01.09. bis 20.10.2009 absolvierte sie eine psychosomatisch ausgerichtete Rehabilitationsmaßnahme in B ... Es wurde eingeschätzt, dass sie bei Vorliegen einer Anpassungsstörung, eines epileptischen Anfallsleidens und einer Patella-Luxation mittelschwere Tätigkeiten noch sechs Stunden und mehr verrichten könne, die Tätigkeit als Altenpflegerin sei nur unter sechs Stunden zumutbar. Vom 19.05. bis 09.06.2010 nahm die Klägerin im Rahmen von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben an einer Maßnahme der Arbeitserprobung/Berufsfindung im beruflichen Bildungs- und Rehabilitationszentrum K.-L. teil. Im dortigen ärztlichen Bericht vom 18.06.2010 wurde zusammenfassend ausgeführt, dass weder eine Qualifizierung vielversprechend noch eine Erwerbsunfähigkeit gegeben sei. Vom 29.09. bis 03.11.2010 wurde sodann eine orthopädische Rehabilitation in der S.-Klinik B. K. durchgeführt. Im Entlassungsbericht wurde eingeschätzt, dass die Klägerin bei Bandscheibenvorfällen L4/L5 und L5/S1 sowie einer kryptogenen Epilepsie noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten sechs Stunden und mehr verrichten könne, als Altenpflegerin sei sie unter sechs Stunden leistungsfähig. Vom 17.11.2010 bis 08.03.2011 wurde sodann noch eine ambulante Rehabilitation bei Reha-M. in H. durchgeführt. Bei der Klägerin ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 seit 26.06.2007, ein GdB von 70 mit Merkzeichen B und G seit 13.10.2009 mit Erhöhung auf 80 ab 12.08.2010 und auf 90 ab 23.02.2011 anerkannt.
Am 09.03.2011 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Sie verwies insbesondere auf das Vorliegen von Epilepsie und Bandscheibenvorfällen im Bereich der Lendenwirbelsäule. Mit Bescheid vom 12.05.2011 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab, da die Klägerin die medizinischen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung nicht erfülle.
Mit ihrem Widerspruch vom 27.05.2011 machte die Klägerin geltend, dass der aktuelle Befund des Epilepsiezentrums K. vom 03.03.2011 eine deutliche Verschlechterung der Anfallssituation ergebe. Es müsse auch berücksichtigt werden, dass der GdB mittlerweile auf 90 erhöht worden sei.
Die Beklagte ließ die Klägerin durch Prof. Dr. B. ambulant untersuchen und begutachten. Im Gutachten vom 20.09.2011 wurden folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: 1. Kryptogene fokale Epilepsie mit komplex-fokalen und sekundär generalisiert tonisch-klonischen Anfällen 2. Zustand nach Bandscheibenvorfällen L4/L5 und L5/S1 mit wechselnder lumbosacraler radikulärer Symptomatik 3. rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichte Episode. Nach eigenen Angaben der Klägerin bestehe das Anfallsleiden etwa seit dem 18. Lebensjahr. Nach der stationären Behandlung im Epilepsiezentrum K. (2010) habe die Anfallshäufigkeit deutlich abgenommen. Momentan komme es etwa einmal monatlich nachts zu einem Grand mal Anfall. Zusätzlich träten etwa zwei- bis dreimal monatlich Absencen auf. Aufgrund der Epilepsie sollten Nachtschichten vermieden werden, auch eine besonders verantwortungsvolle Tätigkeit könne die Klägerin nicht mehr ausüben. Leichte körperliche Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien noch vollschichtig zumutbar.
Darüber hinaus holte die Beklage ein orthopädisches Gutachten ein. Dipl.-Med. L. diagnostizierte im Gutachten vom 22.12.2011 folgende Gesundheitsstörungen: 1. Chronisches Lumbalsyndrom bei Bandscheibenschaden L5/S1 mit wiederholter Ischiasreizung links 2. Zustand nach Patellaluxation links 3. Coxalgie links 4. chronisches Cervical-Syndrom bei muskulären Verspannungen. Mit gewissen qualitativen Einschränkungen bestehe ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Die Beklagte wies sodann den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 07.03.2012 zurück.
Hiergegen richtet sich die am 22.03.2012 zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhobene Klage. Die Klägerin nimmt Bezug auf ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) vom 31.05.2012, nach dem bei ihr eine Leistungsfähigkeit zwischen zwei und unter vier Stunden täglich vorliege. Sie könne somit eine Rente wegen Erwerbsminderung beanspruchen.
Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen schriftlich vernommen. Der Allgemeinmediziner Dr. v. R. hat ausgeführt, dass er über das im Vordergrund stehende Anfallsleiden mit der Klägerin lediglich gesprochen habe und verweist insoweit auf eine fachärztliche Beurteilung (Schreiben vom 12.07.2012). Der Orthopäde Dr. S. hält mit Schreiben vom 12.08.2012 aus orthopädischer Sicht die degenerativen Veränderungen bzw Bandscheibenschäden im Bereich der Lendenwirbelsäule für führend. Rein orthopädisch betrachtet könne die Klägerin eine leichte körperliche Arbeit im Umfang von sechs Stunden oder mehr verrichten, idealerweise im Wechselrhythmus zwischen Stehen, Sitzen oder Gehen. Seiner Erkenntnis nach habe sich das Anfallsleiden erheblich verschlechtert. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie S. hat mit Schreiben vom 17.08.2012 mitgeteilt, das Anfallsleiden der Klägerin sei bereits seit Kindheit bekannt. Im Augenblick werde ihr weder eine Erwerbsunfähigkeitsrente gewährt, noch ein leidensgerechter Arbeitsplatz angeboten oder eine gewünschte Umschulungsmaßnahme. Angesichts dieser Perspektivlosigkeit befinde sich die Klägerin in gedrückter Stimmungslage. Leichte körperliche Tätigkeiten könne sie bis zu sechs Stunden täglich verrichten, sie dürfe bei einem unvermittelt auftretenden epileptischen Anfall aber nicht gefährdet werden.
Auf Antrag nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG zusätzlich ein nervenärztliches Gutachten bei Prof. Dr. T. eingeholt. Im Gutachten vom 02.04.2013 führt Prof. Dr. T. aus, die Klägerin stelle ihr Beschwerdebild und ihre vermeintliche Krankheit ganz in den Vordergrund der Betrachtung. Dabei zeige sich ein erhaltener Antrieb und eine indifferente Stimmungslage. Eine ausgesprochene depressive Symptomatik liege nicht vor, die Affektmodulation erscheine regelrecht. Wesentliche Auffälligkeiten der kognitiven Leistungsfähigkeit lägen nicht vor, Konzentration, Aufmerksamkeit und Auffassung seien vollständig erhalten. Insgesamt könne allenfalls von einer Anpassungsstörung gesprochen werden. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne die Klägerin einer leichten bis mittelschweren körperlichen Arbeit im Umfang von sechs Stunden und mehr nachgehen. Hierbei seien die Probleme durch das Anfallsleiden nicht einbezogen.
Die Klägerin hat sodann eine zusätzliche epileptologische Begutachtung nach § 109 SGG durch Dr. K. beantragt. Nach dem dieser im Juli 2013 mitgeteilt hat, er könne die Begutachtung aus Kapazitäts- und Zeitgründen nicht durchführen, hat das SG der Klägerin aufgegeben, bis 31.08.2013 mitzuteilen, ob auf der Begutachtung durch Dr. K. bestanden oder ein anderer Gutachter benannt werde. Am 09.09.2013 hat der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt, die Begutachtung durch Prof. Dr. S.-B. zu veranlassen. Wie sich aus dem Gutachten von Prof. Dr. T. ergebe, sei ein ergänzendes Gutachten erforderlich. Dieses müsse im Grunde genommen von Amts wegen, wenigstens aber nach § 109 SGG in Auftrag gegeben werden.
Mit Gerichtsbescheid vom 02.10.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme feststehe, dass die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine leichte körperliche Arbeit noch wenigstens sechs Stunden täglich verrichten könne. Für den orthopädischen Bereich bestätige Dr. S., dass die vielfältigen Diagnosen auf diesem Fachgebiet lediglich qualitative Leistungseinschränkungen zur Folge hätten. Aus psychiatrischer Sicht könne der Zeugenauskunft des Facharztes S. vom 17.08.2012 kein gravierender Befund bzw keine schwerwiegende Diagnose entnommen werden. Aus dem Epilepsieleiden ergäben sich lediglich qualitative Einschränkungen in Bezug auf Arbeiten mit besonderem Gefährdungspotential. Im Übrigen bestätige auch Prof. Dr. T. aus psychiatrischer Sicht noch eine ausreichende Leistungsfähigkeit. Im Hinblick auf das Epilepsieleiden müsse beachtet werden, dass dieses bei der Klägerin schon seit langem bestehe und in der Vergangenheit einer geregelten Erwerbstätigkeit nicht im Wege gestanden habe. Die behauptete Verschlimmerung werde von den sachverständigen Zeugen nicht bestätigt, vor allem Herr S. erkläre ausdrücklich, dass eine wesentliche Änderung im Gesundheitszustand im Verlauf der letzten drei Jahre nicht festzustellen sei. Im Bericht des Epilepsiezentrums K. vom 09.09.2011 werde ausdrücklich festgehalten, dass die Anfälle überwiegend aus dem Schlaf heraus aufträten, so dass sich hieraus keine "Argumentationsmöglichkeit" für die von der Klägerin angestrebte Rente wegen Erwerbsminderung ergebe. Vor diesem Hintergrund sehe das SG im Hinblick auf das Anfallsleiden keinen weiteren Sachaufklärungsbedarf, zumal dem MDK-Gutachten vom 31.05.2012 entnommen werden könne, dass die (tagsüber auftretenden) fokalen Anfälle in aller Regel nur für ein bis zwei Minuten anhielten und die Klägerin sodann zumeist nach etwa fünf Minuten wieder "relativ fit" sei. Eine weitere Begutachtung nach § 109 SGG werde wegen Fristüberschreitung abgelehnt.
Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 07.10.2013 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 07.11.2013 eingelegte Berufung der Klägerin. Das SG habe den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt. Ein ergänzendes epileptologisches Gutachten sei erforderlich gewesen. Die bisherigen Stellungnahmen der Ärzte könnten nicht überzeugen. Die behandelnden Ärzte beschrieben zwar eine langjährige Epilepsie sowie orthopädische Probleme, hielten aber trotzdem eine leichte vollständige Tätigkeit für zumutbar. Hierbei werde verkannt, dass die Kombination der verschiedenen Erkrankungen, insbesondere der Epilepsie und der Depression dazu führe, dass die Klägerin selbst leichte Arbeiten nicht vollschichtig auszuführen in der Lage sei. Dies werde durch das Gutachten des MDK bestätigt. Die Gesamtsituation der Klägerin habe sich erheblich verschlechtert, eine Besserung sei insbesondere wegen der Pharmakoresistenz nicht zu erwarten. Das Epilepsiezentrum K. besitze naturgemäß aufgrund der Spezialisierung auf die Problematik der verschiedenen Formen der Epilepsie eine überdurchschnittliche Sachkunde.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 02.10.2013 und den Bescheid der Beklagten vom 12.05.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.03.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 01.03.2011 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist mit Schreiben vom 16.12.2014 auf die Stellungnahme ihres beratungsärztlichen Dienstes.
Auf Antrag der Klägerin auf § 109 SGG hat der Senat ein Gutachten bei Prof. Dr. S., Ärztlicher Leiter des Epilespiezentrums K., eingeholt. Mit Gutachten vom 14.11.2014, das unter Mitarbeit von Dr. K. entstanden ist, wird die Entwicklung der Anfallshäufigkeit aufgrund der ambulanten Vorstellung der Klägerin bei Dr. K. in der Epilepsieambulanz des Epilepsiezentrums K. anlässlich der Termine vom 20.09.2010, 21.02.2011, 06.06.2011, 27.01.2012, 22.05.2013, 11.12.2013 und 21.07.2014 beschrieben. 2011 sei die Anfallshäufigkeit bei sechs bis sieben sekundär tonisch-klonischen Anfällen nachts pro Monat und zwei bis drei kurzen komplex-fokalen Anfällen pro Woche gewesen, eine hohe Dunkelziffer werde vermutet. 2012 habe sich eine deutliche Besserung der Anfallssituation mit vier bis neun Anfällen pro Monat ergeben, 2013 habe sich diese weiter reduziert auf zwei bis drei komplex-fokale teilweise sekundär generalisiert tonisch-klonische Anfälle pro Monat. 2014 seien es unverändert zwei bis drei komplex-fokale Anfälle pro Monat, in letzter Zeit häufiger Auren. Bei immer noch vergleichsweiser günstiger Anfallssituation sei eine unveränderte Fortführung der antiepileptischen Behandlung vereinbart worden. Bis jetzt sei keine angemessene Würdigung der Gesamtproblematik erfolgt. Bei der Klägerin bestehe eine fokale Epilepsie mit drei verschiedenen Anfallsformen: Einfach- fokale Anfälle ohne Bewusstseinsstörung, komplex-fokale Anfälle mit Bewusstseinsstörung, fehlender Reaktion auf Ansprache und Bewegungsverharren und große generalisierte tonisch klonische Anfälle. Seit einiger Zeit trete bei den komplex-fokalen Anfällen keine Vorwarnung mehr auf, diese Anfälle träten zum Teil aus dem Wachen heraus auf. Der Verlauf der Epilepsie sei gekennzeichnet durch hochgradige Pharmakoresistenz, weshalb die Chance auf eine durchgreifende Verbesserung der Anfallssituation durch erneuten Wechsel der antiepileptischen Behandlung unter ein Prozent liege. Bei ungeklärter Ätiologie bestünden keine Erfolgsaussichten für einen chirurgischen Eingriff. Aufgrund der tagsüber auftretenden Anfälle sei die Patientin entsprechend der berufsgenossenschaftlichen Empfehlungen in die Gefährdungskategorie B einzuordnen (Bewusstsein gestört, kein Sturz, keine unangemessenen Handlungen). Durch das Fehlen der einfach-fokalen Anfallsphase bestehe für die Klägerin keine Möglichkeit mehr, sich in Sicherheit zu bringen oder gefährliche Tätigkeiten zu unterbrechen. Die Klägerin berichte über im Kontext mit Anfällen auftretende für mehrere Tage anhaltende deutliche Stimmungseinbrüche mit Antriebsminderung, Grübeln, Schlafstörungen, Früherwachen, Anhedonie, Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen. Zwischendurch bestehe ausgeglichene Stimmung. Hierbei handelt es sich um eine typische Manifestationsform einer dysphorisch-depressiven Störung, wie sie bei bis zu 60 % aller Epilepsiepatienten als bedeutende Komorbidität zu finden sei. Von den Vorgutachtern werde verkannt, dass Depressionen im Rahmen einer Epilepsie in der Regel eine atypische Symptomatik zeigten und in den seltensten Fällen das Bild einer Epilepsie unabhängigen Major Depression zeigten. Da die Klägerin nach Anfällen häufig über mehrere Tage durch die depressive Symptomatik stark beeinträchtigt sei, seien alle Tätigkeiten mit Anforderungen an Eigeninitiative, Motivation, Ausdauer, Konzentration, Aufmerksamkeit und Selbstverantwortlichkeit ungeeignet. In Gesamtwürdigung und Zusammenschau aller orthopädischen, psychiatrischen und epileptologischen Probleme komme eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für die Klägerin nicht in Betracht. Die Abweichung in der Gesamteinschätzung zu den Vorgutachtern ergebe sich zum einen aus der zunehmend komplizierteren Anfallssituation und zum zweiten an der Tatsache, dass eine ausführliche Würdigung der Epilepsieproblematik bislang nicht erfolgt sei sowie daran, dass zwar eine schwankende psychische Situation in Vorgutachten beschrieben worden sei, diese jedoch nicht in einem Zusammenhang mit der Epilepsie gestellt worden sei.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs 1 SGG) sowie statthafte (§ 143 SGG) Berufung ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Der angefochtene Bescheid vom 12.05.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.03.2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 43 Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch - (SGB VI) in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl I, 554). Versicherte haben nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voraussetzung ist, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbs-minderung im Sinne des § 43 Abs 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Senat davon überzeugt, dass die Klägerin noch leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung mindestens sechs Stunden arbeitstäglich verrichten kann. Nicht mehr zumutbar sind Arbeiten mit Nachschicht oder Selbst- bzw Fremdgefährdungspotential wie etwa Arbeiten an laufenden Maschinen oder Arbeiten mit Verantwortung für andere Menschen.
Das Leistungsvermögen der Klägerin ist in erster Linie durch das Anfallsleiden und eine rezidivierende depressive Störung sowie Erkrankungen auf orthopädischem Gebiet beeinträchtigt. Orthopädischerseits wird die Klägerin maßgeblich durch ein chronisches Lumbalsyndrom mit Bandscheibenschäden L4/L5 und L5/S1 mit wiederholter Ischiasreizung links beeinträchtigt. Daneben besteht ein Zustand nach Patellaluxation links, Coxalgie links, ein chronisches Cervikalsyndrom sowie degenerative Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule und des rechten Knies. Das Vorliegen dieser Gesundheitsstörungen ergibt sich aus dem im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten von Dipl. Med. L. sowie der Aussage des behandelnden Orthopäden Dr. S ... Übereinstimmend kommen beide zu der Einschätzung, dass führend die Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule sind und insoweit keine Tätigkeiten mit Heben und Tragen von Lasten mit mehr als 10 kg, Wirbelsäulenzwangshaltungen, kniende Tätigkeiten sowie unter Einfluss von Kälte oder Nässe mehr zumutbar sind. Im Übrigen bestehen aus orthopädischer Sicht keinerlei Bedenken gegen die Ausübung einer mindestens sechsstündigen Erwerbstätigkeit.
Ganz im Vordergrund steht bei der Klägerin das seit dem 18. Lebensjahr bekannte Anfallsleiden sowie eine depressive Störung. Prof. Dr. B. hat in seinem Gutachten vom Oktober 2011 eine vollschichtige Tätigkeit für möglich gehalten und dies ua damit begründet, dass sich das Anfallsleiden nach allen bekannten Berichten und auch den Angaben der Klägerin im Jahr 2010 deutlich gebessert habe. Dem entspricht auch die Aussage von Dr. K. im Bericht des Epilepsiezentrums K. vom 09.09.2011, dass von Seiten der Epilepsie keine "Argumentationsmöglichkeit" wegen der Erwerbsunfähigkeit bestehe, da die Anfälle häufig nachts aufträten. Eine deutliche Besserung, was die Anfallshäufigkeit betrifft, ergibt auch aus der Darstellung im Gutachten von Prof. Dr. S ... Mitte 2011 bestanden noch zwischen sieben und 15 Anfällen pro Monat, davon die Hälfte sekundär generalisierte tonisch klonische Anfälle überwiegend aus dem Schlaf heraus. Zuletzt hatte sich die Anfallshäufigkeit reduziert auf zwei bis drei komplex-fokale Anfälle mit Bewusstseinsstörung pro Monat aus dem Wachen und ein bis zwei generalisierte Anfälle ausschließlich nachts aus dem Schlaf heraus. Neu ist insoweit das im Gutachten von Prof. Dr. S. beschriebene, seit 2014 zunehmende Auftreten von komplex-fokalen Anfällen tagsüber ohne warnende Anfallsphase. Warum aufgrund dieser geänderten Anfallssituation auch im Zusammenhang mit der depressiven Symptomatik eine berufliche Tätigkeit der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt über die Beschränkung auf gefährdende Tätigkeiten hinaus generell ausgeschlossen sein soll, begründet Prof. Dr. S. indes nicht schlüssig und nachvollziehbar. Der beratungsärztliche Dienst der Beklagten verweist insoweit darauf, dass die geänderte Anfallssituation nicht nachgewiesen sei. Zutreffend ist, dass sich auch unter Fotostimulation kein epileptischer Anfall und keine relevante EEG-Veränderung im Rahmen der Begutachtung provozieren ließ. Aber auch wenn die geänderte Anfallssituation, wie vom Gutachter dargelegt zugrunde gelegt wird, ist nicht nachvollziehbar, warum bei zwei bis dreimal monatlich auftretenden Anfällen Tätigkeiten ohne Nachtschicht und ohne Eigen- und Fremdgefährdung nicht mehr möglich sein sollten. Soweit der Gutachter Prof. Dr. S. auf das Zusammenwirken mit einer rezidivierenden depressiven Störung zur Begründung des aufgehobenen Leistungsvermögens der Klägerin abstellt, überzeugt dies nicht. Ein eigener psychopathologischer Befund wird in dem Gutachten von Prof. Dr. S. kaum erhoben. Auf Seite 23 unter der Überschrift "psychopathologischer Befund" finden sich im Wesentlichen anamnestische Angaben der Klägerin, die insoweit weitgehend mit ihren Angaben gegenüber Prof. Dr. B. übereinstimmen. Prof. Dr. B. hat in seinem Gutachten allerdings zwischen den subjektiven Angaben der Klägerin und dem objektivierbaren Befund getrennt. So beschreibt er als subjektive Stimmungslage: "Sie schildert ausgeprägte Gemütsschwankungen mit zeitweiligen depressiven Stimmungen, dabei lustlos und mutlos." Objektiv wird dem gegenüber gestellt: "Es wird eine besorgte Grundstimmung geschildert mit eingeschränkter Lebensqualität und vermindertem Selbstwertgefühl. Sie erschien auch hier bei der Begutachtung etwas mutlos. Eine schwerwiegende depressive Symptomatik ist bei ihr jedoch zumindest derzeit nicht erkennbar." Prof. Dr. B. hat ebenfalls ausdrücklich angegeben, dass die von der Klägerin angegebenen Nebenwirkungen der Medikamente, die sie im Beruf behinderten, bei der Begutachtung nicht so wie geschildert hätten wahrgenommen werden können. Auch bei der Begutachtung durch Prof. Dr. T. konnten die subjektiven Beschwerdeangaben nicht durchweg verifiziert werden. So hatte die Klägerin angegeben, ihr Gedächtnis habe "ganz arg nachgelassen"; Prof. Dr. T. berichtet jedoch über ein erhaltenes kognitives Leistungsvermögen, Gedächtnis und Merkfähigkeit seien in Ordnung, Konzentration sowie Aufmerksamkeit und Auffassungsgabe vollständig erhalten. Prof. Dr. S. hat sich dagegen allein auf die anamnestischen Angaben der Klägerin beschränkt, ohne selbst objektiv einen einschränkenden Befund festzustellen. Dies ist möglicherweise vor dem Hintergrund zu sehen, dass der das Gutachten vorbereitende Oberarzt Dr. K. die Patientin seit Jahren als behandelnder Arzt kennt und somit die für eine Begutachtung erforderliche Distanz problematisch sein dürfte. Dies spiegelt sich auch in der Terminologie wider, indem von einer "Patientin" und nicht "Probandin" gesprochen wird. Soweit Prof. Dr. S. einen eigenen psychischen Befund erhoben hat (wach, bewusstseinsklar, freundlich zugewandt, angespannt wirkend, oft abschweifend; kein Anhalt für inhaltliche oder formale Denkstörungen, Sinnestäuschungen oder Ich-Störungen), lassen sich daraus keinerlei quantitative Leistungsminderungen entnehmen. Der Beratungsärztliche Dienst der Beklagten weist insoweit zu Recht darauf hin, dass die fehlende Erhebung leistungseinschränkender Befunde nicht durch die allgemeinen statistischen Angaben auf Seite 25 bis 26 des Gutachtens zu ersetzen sind. Auch Prof. Dr. T. hat keine Befunde auf nervenärztlichem Gebiet erhoben, die eine quantitative Leistungseinschränkung begründen könnten. Er hielt vielmehr leichte Tätigkeiten ebenfalls für mehr als sechs Stunden täglich möglich. Hinzu kommt, dass derzeit wohl keine antidepressive Therapie erfolgt, die Aufnahme einer solchen von Prof. Dr. S. allerdings ausdrücklich angeraten wurde. Angesichts des noch erhaltenen Leistungsvermögens der Klägerin spielt es für das vorliegende Verfahren keine Rolle, inwieweit im Hinblick auf die Epilepsie insbesondere angesichts der Pharmakoresistenz weitere Behandlungsoptionen bestehen.
Bei der noch vorhandenen Leistungsfähigkeit der Klägerin - leichte Arbeiten mindestens sechsstündig - muss ihr eine konkrete Tätigkeit, die sie noch verrichten kann, nicht benannt werden. Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit, die der Versicherte mit seinem Leistungsvermögen noch auszuüben vermag, wird von der Rechtsprechung des BSG jedenfalls in den Fällen für erforderlich gehalten, in denen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG Großer Senat (GS) BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8). Für die Prüfung, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt, gibt es keinen konkreten Beurteilungsmaßstab. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Die Pflicht zur konkreten Benennung einer Verweisungstätigkeit hängt von der Anzahl, Art und Schwere der bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen ab. Je mehr diese geeignet erscheinen, gerade auch typische Arbeitsplätze für körperlich leichte Tätigkeiten zu versperren, umso eingehender und konkreter muss dargelegt werden, welche Tätigkeiten der Versicherte noch verrichten kann.
Bei der Klägerin müssen zwar bestimmte Einschränkungen in Bezug auf ihre körperliche und geistige Leistungsfähigkeit gemacht werden. Dem Ausschluss von gleichförmiger Körperhaltung, Zwangshaltungen und Heben und Tragen über 10 kg wird bereits dadurch Rechnung getragen, dass ihr nur noch leichte körperliche Tätigkeiten zugemutet werden. Ihr Restleistungsvermögen erlaubt der Klägerin noch körperliche Verrichtungen, wie sie in ungelernten Tätigkeiten gefordert zu werden pflegen (wie zB Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw). Die bei ihr bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen lassen deshalb keine ernstlichen Zweifel daran aufkommen, dass sie noch wettbewerbsfähig in einem Betrieb einsetzbar ist. Die Vermeidung von Tätigkeiten mit Nachtschicht oder mit Eigen- oder Fremdgefährdung schließt den Kreis der in Betracht kommenden Tätigkeiten nicht wesentlich weiter ein. Aus den bestehenden Einschränkungen ergeben sich damit weder schwere spezifische Leistungsbehinderungen noch stellen die qualitativen Leistungseinschränkungen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen (vgl BSG 09.05.2012, B 5 R 68/11 R, juris) dar. Die Klägerin ist auch in der Lage, täglich viermal eine Wegstrecke von 500 Metern innerhalb von jeweils 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen sowie öffentliche Verkehrsmittel zu Hauptverkehrszeiten zweimal am Tag zu benutzen. Dies geht aus den Gutachten von Prof. Dr. B. und Dipl.-Med. L. hervor. Die dort erhobenen Befunde haben keine Einschränkung der Wegefähigkeit erbracht. Auch Prof. Dr. T. bestätigt ausdrücklich, dass die Wegefähigkeit nicht beschränkt ist.
Die Klägerin hat schließlich auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI). Voraussetzung eines solchen Rentenanspruchs ist, dass die Klägerin vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig ist. Sie ist jedoch 1968 und damit nach dem Stichtag geboren, so dass es auf das Vorliegen von Berufsunfähigkeit nicht ankommt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1968 in Polen geborene Klägerin übersiedelte 1990 in die Bundesrepublik Deutschland. Hier absolvierte sie eine Ausbildung zur Altenpflegerin und war bis September 2009 in diesem Beruf tätig. Vom 21.10.2009 bis 05.01.2011 bezog die Klägerin Krankengeld, anschließend Arbeitslosengeld. Vom 01.09. bis 20.10.2009 absolvierte sie eine psychosomatisch ausgerichtete Rehabilitationsmaßnahme in B ... Es wurde eingeschätzt, dass sie bei Vorliegen einer Anpassungsstörung, eines epileptischen Anfallsleidens und einer Patella-Luxation mittelschwere Tätigkeiten noch sechs Stunden und mehr verrichten könne, die Tätigkeit als Altenpflegerin sei nur unter sechs Stunden zumutbar. Vom 19.05. bis 09.06.2010 nahm die Klägerin im Rahmen von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben an einer Maßnahme der Arbeitserprobung/Berufsfindung im beruflichen Bildungs- und Rehabilitationszentrum K.-L. teil. Im dortigen ärztlichen Bericht vom 18.06.2010 wurde zusammenfassend ausgeführt, dass weder eine Qualifizierung vielversprechend noch eine Erwerbsunfähigkeit gegeben sei. Vom 29.09. bis 03.11.2010 wurde sodann eine orthopädische Rehabilitation in der S.-Klinik B. K. durchgeführt. Im Entlassungsbericht wurde eingeschätzt, dass die Klägerin bei Bandscheibenvorfällen L4/L5 und L5/S1 sowie einer kryptogenen Epilepsie noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten sechs Stunden und mehr verrichten könne, als Altenpflegerin sei sie unter sechs Stunden leistungsfähig. Vom 17.11.2010 bis 08.03.2011 wurde sodann noch eine ambulante Rehabilitation bei Reha-M. in H. durchgeführt. Bei der Klägerin ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 seit 26.06.2007, ein GdB von 70 mit Merkzeichen B und G seit 13.10.2009 mit Erhöhung auf 80 ab 12.08.2010 und auf 90 ab 23.02.2011 anerkannt.
Am 09.03.2011 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Sie verwies insbesondere auf das Vorliegen von Epilepsie und Bandscheibenvorfällen im Bereich der Lendenwirbelsäule. Mit Bescheid vom 12.05.2011 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab, da die Klägerin die medizinischen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung nicht erfülle.
Mit ihrem Widerspruch vom 27.05.2011 machte die Klägerin geltend, dass der aktuelle Befund des Epilepsiezentrums K. vom 03.03.2011 eine deutliche Verschlechterung der Anfallssituation ergebe. Es müsse auch berücksichtigt werden, dass der GdB mittlerweile auf 90 erhöht worden sei.
Die Beklagte ließ die Klägerin durch Prof. Dr. B. ambulant untersuchen und begutachten. Im Gutachten vom 20.09.2011 wurden folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: 1. Kryptogene fokale Epilepsie mit komplex-fokalen und sekundär generalisiert tonisch-klonischen Anfällen 2. Zustand nach Bandscheibenvorfällen L4/L5 und L5/S1 mit wechselnder lumbosacraler radikulärer Symptomatik 3. rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichte Episode. Nach eigenen Angaben der Klägerin bestehe das Anfallsleiden etwa seit dem 18. Lebensjahr. Nach der stationären Behandlung im Epilepsiezentrum K. (2010) habe die Anfallshäufigkeit deutlich abgenommen. Momentan komme es etwa einmal monatlich nachts zu einem Grand mal Anfall. Zusätzlich träten etwa zwei- bis dreimal monatlich Absencen auf. Aufgrund der Epilepsie sollten Nachtschichten vermieden werden, auch eine besonders verantwortungsvolle Tätigkeit könne die Klägerin nicht mehr ausüben. Leichte körperliche Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien noch vollschichtig zumutbar.
Darüber hinaus holte die Beklage ein orthopädisches Gutachten ein. Dipl.-Med. L. diagnostizierte im Gutachten vom 22.12.2011 folgende Gesundheitsstörungen: 1. Chronisches Lumbalsyndrom bei Bandscheibenschaden L5/S1 mit wiederholter Ischiasreizung links 2. Zustand nach Patellaluxation links 3. Coxalgie links 4. chronisches Cervical-Syndrom bei muskulären Verspannungen. Mit gewissen qualitativen Einschränkungen bestehe ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Die Beklagte wies sodann den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 07.03.2012 zurück.
Hiergegen richtet sich die am 22.03.2012 zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhobene Klage. Die Klägerin nimmt Bezug auf ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) vom 31.05.2012, nach dem bei ihr eine Leistungsfähigkeit zwischen zwei und unter vier Stunden täglich vorliege. Sie könne somit eine Rente wegen Erwerbsminderung beanspruchen.
Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen schriftlich vernommen. Der Allgemeinmediziner Dr. v. R. hat ausgeführt, dass er über das im Vordergrund stehende Anfallsleiden mit der Klägerin lediglich gesprochen habe und verweist insoweit auf eine fachärztliche Beurteilung (Schreiben vom 12.07.2012). Der Orthopäde Dr. S. hält mit Schreiben vom 12.08.2012 aus orthopädischer Sicht die degenerativen Veränderungen bzw Bandscheibenschäden im Bereich der Lendenwirbelsäule für führend. Rein orthopädisch betrachtet könne die Klägerin eine leichte körperliche Arbeit im Umfang von sechs Stunden oder mehr verrichten, idealerweise im Wechselrhythmus zwischen Stehen, Sitzen oder Gehen. Seiner Erkenntnis nach habe sich das Anfallsleiden erheblich verschlechtert. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie S. hat mit Schreiben vom 17.08.2012 mitgeteilt, das Anfallsleiden der Klägerin sei bereits seit Kindheit bekannt. Im Augenblick werde ihr weder eine Erwerbsunfähigkeitsrente gewährt, noch ein leidensgerechter Arbeitsplatz angeboten oder eine gewünschte Umschulungsmaßnahme. Angesichts dieser Perspektivlosigkeit befinde sich die Klägerin in gedrückter Stimmungslage. Leichte körperliche Tätigkeiten könne sie bis zu sechs Stunden täglich verrichten, sie dürfe bei einem unvermittelt auftretenden epileptischen Anfall aber nicht gefährdet werden.
Auf Antrag nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG zusätzlich ein nervenärztliches Gutachten bei Prof. Dr. T. eingeholt. Im Gutachten vom 02.04.2013 führt Prof. Dr. T. aus, die Klägerin stelle ihr Beschwerdebild und ihre vermeintliche Krankheit ganz in den Vordergrund der Betrachtung. Dabei zeige sich ein erhaltener Antrieb und eine indifferente Stimmungslage. Eine ausgesprochene depressive Symptomatik liege nicht vor, die Affektmodulation erscheine regelrecht. Wesentliche Auffälligkeiten der kognitiven Leistungsfähigkeit lägen nicht vor, Konzentration, Aufmerksamkeit und Auffassung seien vollständig erhalten. Insgesamt könne allenfalls von einer Anpassungsstörung gesprochen werden. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne die Klägerin einer leichten bis mittelschweren körperlichen Arbeit im Umfang von sechs Stunden und mehr nachgehen. Hierbei seien die Probleme durch das Anfallsleiden nicht einbezogen.
Die Klägerin hat sodann eine zusätzliche epileptologische Begutachtung nach § 109 SGG durch Dr. K. beantragt. Nach dem dieser im Juli 2013 mitgeteilt hat, er könne die Begutachtung aus Kapazitäts- und Zeitgründen nicht durchführen, hat das SG der Klägerin aufgegeben, bis 31.08.2013 mitzuteilen, ob auf der Begutachtung durch Dr. K. bestanden oder ein anderer Gutachter benannt werde. Am 09.09.2013 hat der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt, die Begutachtung durch Prof. Dr. S.-B. zu veranlassen. Wie sich aus dem Gutachten von Prof. Dr. T. ergebe, sei ein ergänzendes Gutachten erforderlich. Dieses müsse im Grunde genommen von Amts wegen, wenigstens aber nach § 109 SGG in Auftrag gegeben werden.
Mit Gerichtsbescheid vom 02.10.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme feststehe, dass die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine leichte körperliche Arbeit noch wenigstens sechs Stunden täglich verrichten könne. Für den orthopädischen Bereich bestätige Dr. S., dass die vielfältigen Diagnosen auf diesem Fachgebiet lediglich qualitative Leistungseinschränkungen zur Folge hätten. Aus psychiatrischer Sicht könne der Zeugenauskunft des Facharztes S. vom 17.08.2012 kein gravierender Befund bzw keine schwerwiegende Diagnose entnommen werden. Aus dem Epilepsieleiden ergäben sich lediglich qualitative Einschränkungen in Bezug auf Arbeiten mit besonderem Gefährdungspotential. Im Übrigen bestätige auch Prof. Dr. T. aus psychiatrischer Sicht noch eine ausreichende Leistungsfähigkeit. Im Hinblick auf das Epilepsieleiden müsse beachtet werden, dass dieses bei der Klägerin schon seit langem bestehe und in der Vergangenheit einer geregelten Erwerbstätigkeit nicht im Wege gestanden habe. Die behauptete Verschlimmerung werde von den sachverständigen Zeugen nicht bestätigt, vor allem Herr S. erkläre ausdrücklich, dass eine wesentliche Änderung im Gesundheitszustand im Verlauf der letzten drei Jahre nicht festzustellen sei. Im Bericht des Epilepsiezentrums K. vom 09.09.2011 werde ausdrücklich festgehalten, dass die Anfälle überwiegend aus dem Schlaf heraus aufträten, so dass sich hieraus keine "Argumentationsmöglichkeit" für die von der Klägerin angestrebte Rente wegen Erwerbsminderung ergebe. Vor diesem Hintergrund sehe das SG im Hinblick auf das Anfallsleiden keinen weiteren Sachaufklärungsbedarf, zumal dem MDK-Gutachten vom 31.05.2012 entnommen werden könne, dass die (tagsüber auftretenden) fokalen Anfälle in aller Regel nur für ein bis zwei Minuten anhielten und die Klägerin sodann zumeist nach etwa fünf Minuten wieder "relativ fit" sei. Eine weitere Begutachtung nach § 109 SGG werde wegen Fristüberschreitung abgelehnt.
Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 07.10.2013 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 07.11.2013 eingelegte Berufung der Klägerin. Das SG habe den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt. Ein ergänzendes epileptologisches Gutachten sei erforderlich gewesen. Die bisherigen Stellungnahmen der Ärzte könnten nicht überzeugen. Die behandelnden Ärzte beschrieben zwar eine langjährige Epilepsie sowie orthopädische Probleme, hielten aber trotzdem eine leichte vollständige Tätigkeit für zumutbar. Hierbei werde verkannt, dass die Kombination der verschiedenen Erkrankungen, insbesondere der Epilepsie und der Depression dazu führe, dass die Klägerin selbst leichte Arbeiten nicht vollschichtig auszuführen in der Lage sei. Dies werde durch das Gutachten des MDK bestätigt. Die Gesamtsituation der Klägerin habe sich erheblich verschlechtert, eine Besserung sei insbesondere wegen der Pharmakoresistenz nicht zu erwarten. Das Epilepsiezentrum K. besitze naturgemäß aufgrund der Spezialisierung auf die Problematik der verschiedenen Formen der Epilepsie eine überdurchschnittliche Sachkunde.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 02.10.2013 und den Bescheid der Beklagten vom 12.05.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.03.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 01.03.2011 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist mit Schreiben vom 16.12.2014 auf die Stellungnahme ihres beratungsärztlichen Dienstes.
Auf Antrag der Klägerin auf § 109 SGG hat der Senat ein Gutachten bei Prof. Dr. S., Ärztlicher Leiter des Epilespiezentrums K., eingeholt. Mit Gutachten vom 14.11.2014, das unter Mitarbeit von Dr. K. entstanden ist, wird die Entwicklung der Anfallshäufigkeit aufgrund der ambulanten Vorstellung der Klägerin bei Dr. K. in der Epilepsieambulanz des Epilepsiezentrums K. anlässlich der Termine vom 20.09.2010, 21.02.2011, 06.06.2011, 27.01.2012, 22.05.2013, 11.12.2013 und 21.07.2014 beschrieben. 2011 sei die Anfallshäufigkeit bei sechs bis sieben sekundär tonisch-klonischen Anfällen nachts pro Monat und zwei bis drei kurzen komplex-fokalen Anfällen pro Woche gewesen, eine hohe Dunkelziffer werde vermutet. 2012 habe sich eine deutliche Besserung der Anfallssituation mit vier bis neun Anfällen pro Monat ergeben, 2013 habe sich diese weiter reduziert auf zwei bis drei komplex-fokale teilweise sekundär generalisiert tonisch-klonische Anfälle pro Monat. 2014 seien es unverändert zwei bis drei komplex-fokale Anfälle pro Monat, in letzter Zeit häufiger Auren. Bei immer noch vergleichsweiser günstiger Anfallssituation sei eine unveränderte Fortführung der antiepileptischen Behandlung vereinbart worden. Bis jetzt sei keine angemessene Würdigung der Gesamtproblematik erfolgt. Bei der Klägerin bestehe eine fokale Epilepsie mit drei verschiedenen Anfallsformen: Einfach- fokale Anfälle ohne Bewusstseinsstörung, komplex-fokale Anfälle mit Bewusstseinsstörung, fehlender Reaktion auf Ansprache und Bewegungsverharren und große generalisierte tonisch klonische Anfälle. Seit einiger Zeit trete bei den komplex-fokalen Anfällen keine Vorwarnung mehr auf, diese Anfälle träten zum Teil aus dem Wachen heraus auf. Der Verlauf der Epilepsie sei gekennzeichnet durch hochgradige Pharmakoresistenz, weshalb die Chance auf eine durchgreifende Verbesserung der Anfallssituation durch erneuten Wechsel der antiepileptischen Behandlung unter ein Prozent liege. Bei ungeklärter Ätiologie bestünden keine Erfolgsaussichten für einen chirurgischen Eingriff. Aufgrund der tagsüber auftretenden Anfälle sei die Patientin entsprechend der berufsgenossenschaftlichen Empfehlungen in die Gefährdungskategorie B einzuordnen (Bewusstsein gestört, kein Sturz, keine unangemessenen Handlungen). Durch das Fehlen der einfach-fokalen Anfallsphase bestehe für die Klägerin keine Möglichkeit mehr, sich in Sicherheit zu bringen oder gefährliche Tätigkeiten zu unterbrechen. Die Klägerin berichte über im Kontext mit Anfällen auftretende für mehrere Tage anhaltende deutliche Stimmungseinbrüche mit Antriebsminderung, Grübeln, Schlafstörungen, Früherwachen, Anhedonie, Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen. Zwischendurch bestehe ausgeglichene Stimmung. Hierbei handelt es sich um eine typische Manifestationsform einer dysphorisch-depressiven Störung, wie sie bei bis zu 60 % aller Epilepsiepatienten als bedeutende Komorbidität zu finden sei. Von den Vorgutachtern werde verkannt, dass Depressionen im Rahmen einer Epilepsie in der Regel eine atypische Symptomatik zeigten und in den seltensten Fällen das Bild einer Epilepsie unabhängigen Major Depression zeigten. Da die Klägerin nach Anfällen häufig über mehrere Tage durch die depressive Symptomatik stark beeinträchtigt sei, seien alle Tätigkeiten mit Anforderungen an Eigeninitiative, Motivation, Ausdauer, Konzentration, Aufmerksamkeit und Selbstverantwortlichkeit ungeeignet. In Gesamtwürdigung und Zusammenschau aller orthopädischen, psychiatrischen und epileptologischen Probleme komme eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für die Klägerin nicht in Betracht. Die Abweichung in der Gesamteinschätzung zu den Vorgutachtern ergebe sich zum einen aus der zunehmend komplizierteren Anfallssituation und zum zweiten an der Tatsache, dass eine ausführliche Würdigung der Epilepsieproblematik bislang nicht erfolgt sei sowie daran, dass zwar eine schwankende psychische Situation in Vorgutachten beschrieben worden sei, diese jedoch nicht in einem Zusammenhang mit der Epilepsie gestellt worden sei.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs 1 SGG) sowie statthafte (§ 143 SGG) Berufung ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Der angefochtene Bescheid vom 12.05.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.03.2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 43 Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch - (SGB VI) in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl I, 554). Versicherte haben nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voraussetzung ist, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbs-minderung im Sinne des § 43 Abs 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Senat davon überzeugt, dass die Klägerin noch leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung mindestens sechs Stunden arbeitstäglich verrichten kann. Nicht mehr zumutbar sind Arbeiten mit Nachschicht oder Selbst- bzw Fremdgefährdungspotential wie etwa Arbeiten an laufenden Maschinen oder Arbeiten mit Verantwortung für andere Menschen.
Das Leistungsvermögen der Klägerin ist in erster Linie durch das Anfallsleiden und eine rezidivierende depressive Störung sowie Erkrankungen auf orthopädischem Gebiet beeinträchtigt. Orthopädischerseits wird die Klägerin maßgeblich durch ein chronisches Lumbalsyndrom mit Bandscheibenschäden L4/L5 und L5/S1 mit wiederholter Ischiasreizung links beeinträchtigt. Daneben besteht ein Zustand nach Patellaluxation links, Coxalgie links, ein chronisches Cervikalsyndrom sowie degenerative Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule und des rechten Knies. Das Vorliegen dieser Gesundheitsstörungen ergibt sich aus dem im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten von Dipl. Med. L. sowie der Aussage des behandelnden Orthopäden Dr. S ... Übereinstimmend kommen beide zu der Einschätzung, dass führend die Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule sind und insoweit keine Tätigkeiten mit Heben und Tragen von Lasten mit mehr als 10 kg, Wirbelsäulenzwangshaltungen, kniende Tätigkeiten sowie unter Einfluss von Kälte oder Nässe mehr zumutbar sind. Im Übrigen bestehen aus orthopädischer Sicht keinerlei Bedenken gegen die Ausübung einer mindestens sechsstündigen Erwerbstätigkeit.
Ganz im Vordergrund steht bei der Klägerin das seit dem 18. Lebensjahr bekannte Anfallsleiden sowie eine depressive Störung. Prof. Dr. B. hat in seinem Gutachten vom Oktober 2011 eine vollschichtige Tätigkeit für möglich gehalten und dies ua damit begründet, dass sich das Anfallsleiden nach allen bekannten Berichten und auch den Angaben der Klägerin im Jahr 2010 deutlich gebessert habe. Dem entspricht auch die Aussage von Dr. K. im Bericht des Epilepsiezentrums K. vom 09.09.2011, dass von Seiten der Epilepsie keine "Argumentationsmöglichkeit" wegen der Erwerbsunfähigkeit bestehe, da die Anfälle häufig nachts aufträten. Eine deutliche Besserung, was die Anfallshäufigkeit betrifft, ergibt auch aus der Darstellung im Gutachten von Prof. Dr. S ... Mitte 2011 bestanden noch zwischen sieben und 15 Anfällen pro Monat, davon die Hälfte sekundär generalisierte tonisch klonische Anfälle überwiegend aus dem Schlaf heraus. Zuletzt hatte sich die Anfallshäufigkeit reduziert auf zwei bis drei komplex-fokale Anfälle mit Bewusstseinsstörung pro Monat aus dem Wachen und ein bis zwei generalisierte Anfälle ausschließlich nachts aus dem Schlaf heraus. Neu ist insoweit das im Gutachten von Prof. Dr. S. beschriebene, seit 2014 zunehmende Auftreten von komplex-fokalen Anfällen tagsüber ohne warnende Anfallsphase. Warum aufgrund dieser geänderten Anfallssituation auch im Zusammenhang mit der depressiven Symptomatik eine berufliche Tätigkeit der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt über die Beschränkung auf gefährdende Tätigkeiten hinaus generell ausgeschlossen sein soll, begründet Prof. Dr. S. indes nicht schlüssig und nachvollziehbar. Der beratungsärztliche Dienst der Beklagten verweist insoweit darauf, dass die geänderte Anfallssituation nicht nachgewiesen sei. Zutreffend ist, dass sich auch unter Fotostimulation kein epileptischer Anfall und keine relevante EEG-Veränderung im Rahmen der Begutachtung provozieren ließ. Aber auch wenn die geänderte Anfallssituation, wie vom Gutachter dargelegt zugrunde gelegt wird, ist nicht nachvollziehbar, warum bei zwei bis dreimal monatlich auftretenden Anfällen Tätigkeiten ohne Nachtschicht und ohne Eigen- und Fremdgefährdung nicht mehr möglich sein sollten. Soweit der Gutachter Prof. Dr. S. auf das Zusammenwirken mit einer rezidivierenden depressiven Störung zur Begründung des aufgehobenen Leistungsvermögens der Klägerin abstellt, überzeugt dies nicht. Ein eigener psychopathologischer Befund wird in dem Gutachten von Prof. Dr. S. kaum erhoben. Auf Seite 23 unter der Überschrift "psychopathologischer Befund" finden sich im Wesentlichen anamnestische Angaben der Klägerin, die insoweit weitgehend mit ihren Angaben gegenüber Prof. Dr. B. übereinstimmen. Prof. Dr. B. hat in seinem Gutachten allerdings zwischen den subjektiven Angaben der Klägerin und dem objektivierbaren Befund getrennt. So beschreibt er als subjektive Stimmungslage: "Sie schildert ausgeprägte Gemütsschwankungen mit zeitweiligen depressiven Stimmungen, dabei lustlos und mutlos." Objektiv wird dem gegenüber gestellt: "Es wird eine besorgte Grundstimmung geschildert mit eingeschränkter Lebensqualität und vermindertem Selbstwertgefühl. Sie erschien auch hier bei der Begutachtung etwas mutlos. Eine schwerwiegende depressive Symptomatik ist bei ihr jedoch zumindest derzeit nicht erkennbar." Prof. Dr. B. hat ebenfalls ausdrücklich angegeben, dass die von der Klägerin angegebenen Nebenwirkungen der Medikamente, die sie im Beruf behinderten, bei der Begutachtung nicht so wie geschildert hätten wahrgenommen werden können. Auch bei der Begutachtung durch Prof. Dr. T. konnten die subjektiven Beschwerdeangaben nicht durchweg verifiziert werden. So hatte die Klägerin angegeben, ihr Gedächtnis habe "ganz arg nachgelassen"; Prof. Dr. T. berichtet jedoch über ein erhaltenes kognitives Leistungsvermögen, Gedächtnis und Merkfähigkeit seien in Ordnung, Konzentration sowie Aufmerksamkeit und Auffassungsgabe vollständig erhalten. Prof. Dr. S. hat sich dagegen allein auf die anamnestischen Angaben der Klägerin beschränkt, ohne selbst objektiv einen einschränkenden Befund festzustellen. Dies ist möglicherweise vor dem Hintergrund zu sehen, dass der das Gutachten vorbereitende Oberarzt Dr. K. die Patientin seit Jahren als behandelnder Arzt kennt und somit die für eine Begutachtung erforderliche Distanz problematisch sein dürfte. Dies spiegelt sich auch in der Terminologie wider, indem von einer "Patientin" und nicht "Probandin" gesprochen wird. Soweit Prof. Dr. S. einen eigenen psychischen Befund erhoben hat (wach, bewusstseinsklar, freundlich zugewandt, angespannt wirkend, oft abschweifend; kein Anhalt für inhaltliche oder formale Denkstörungen, Sinnestäuschungen oder Ich-Störungen), lassen sich daraus keinerlei quantitative Leistungsminderungen entnehmen. Der Beratungsärztliche Dienst der Beklagten weist insoweit zu Recht darauf hin, dass die fehlende Erhebung leistungseinschränkender Befunde nicht durch die allgemeinen statistischen Angaben auf Seite 25 bis 26 des Gutachtens zu ersetzen sind. Auch Prof. Dr. T. hat keine Befunde auf nervenärztlichem Gebiet erhoben, die eine quantitative Leistungseinschränkung begründen könnten. Er hielt vielmehr leichte Tätigkeiten ebenfalls für mehr als sechs Stunden täglich möglich. Hinzu kommt, dass derzeit wohl keine antidepressive Therapie erfolgt, die Aufnahme einer solchen von Prof. Dr. S. allerdings ausdrücklich angeraten wurde. Angesichts des noch erhaltenen Leistungsvermögens der Klägerin spielt es für das vorliegende Verfahren keine Rolle, inwieweit im Hinblick auf die Epilepsie insbesondere angesichts der Pharmakoresistenz weitere Behandlungsoptionen bestehen.
Bei der noch vorhandenen Leistungsfähigkeit der Klägerin - leichte Arbeiten mindestens sechsstündig - muss ihr eine konkrete Tätigkeit, die sie noch verrichten kann, nicht benannt werden. Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit, die der Versicherte mit seinem Leistungsvermögen noch auszuüben vermag, wird von der Rechtsprechung des BSG jedenfalls in den Fällen für erforderlich gehalten, in denen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG Großer Senat (GS) BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8). Für die Prüfung, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt, gibt es keinen konkreten Beurteilungsmaßstab. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Die Pflicht zur konkreten Benennung einer Verweisungstätigkeit hängt von der Anzahl, Art und Schwere der bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen ab. Je mehr diese geeignet erscheinen, gerade auch typische Arbeitsplätze für körperlich leichte Tätigkeiten zu versperren, umso eingehender und konkreter muss dargelegt werden, welche Tätigkeiten der Versicherte noch verrichten kann.
Bei der Klägerin müssen zwar bestimmte Einschränkungen in Bezug auf ihre körperliche und geistige Leistungsfähigkeit gemacht werden. Dem Ausschluss von gleichförmiger Körperhaltung, Zwangshaltungen und Heben und Tragen über 10 kg wird bereits dadurch Rechnung getragen, dass ihr nur noch leichte körperliche Tätigkeiten zugemutet werden. Ihr Restleistungsvermögen erlaubt der Klägerin noch körperliche Verrichtungen, wie sie in ungelernten Tätigkeiten gefordert zu werden pflegen (wie zB Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw). Die bei ihr bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen lassen deshalb keine ernstlichen Zweifel daran aufkommen, dass sie noch wettbewerbsfähig in einem Betrieb einsetzbar ist. Die Vermeidung von Tätigkeiten mit Nachtschicht oder mit Eigen- oder Fremdgefährdung schließt den Kreis der in Betracht kommenden Tätigkeiten nicht wesentlich weiter ein. Aus den bestehenden Einschränkungen ergeben sich damit weder schwere spezifische Leistungsbehinderungen noch stellen die qualitativen Leistungseinschränkungen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen (vgl BSG 09.05.2012, B 5 R 68/11 R, juris) dar. Die Klägerin ist auch in der Lage, täglich viermal eine Wegstrecke von 500 Metern innerhalb von jeweils 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen sowie öffentliche Verkehrsmittel zu Hauptverkehrszeiten zweimal am Tag zu benutzen. Dies geht aus den Gutachten von Prof. Dr. B. und Dipl.-Med. L. hervor. Die dort erhobenen Befunde haben keine Einschränkung der Wegefähigkeit erbracht. Auch Prof. Dr. T. bestätigt ausdrücklich, dass die Wegefähigkeit nicht beschränkt ist.
Die Klägerin hat schließlich auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI). Voraussetzung eines solchen Rentenanspruchs ist, dass die Klägerin vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig ist. Sie ist jedoch 1968 und damit nach dem Stichtag geboren, so dass es auf das Vorliegen von Berufsunfähigkeit nicht ankommt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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