L 11 R 717/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 18/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 717/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 16.01.2012 wird zurückgewiesen. Die Klagen gegen die Bescheide vom 05.07.2012 werden abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten eine höhere Altersrente unter Berücksichtigung weiterer Versicherungszeiten.

Der Kläger ist 1945 geboren. Nach der mittleren Reife besuchte er vom 05.09.1960 bis 12.07.1963 die Verbandsberufsschule Sch. (Blatt 67 Verwaltungsakte) und absolvierte eine Ausbildung zum Elektroinstallateur bzw Elektromechaniker. Die Gesellenprüfung zum Elektroinstallateur bestand er am 15.11.1963 (Blatt 69 Verwaltungsakte). Anschließend war er vom 01.07.1964 bis 30.06.1976 als Zeitsoldat 12 Jahre bei der Bundeswehr tätig (Blatt 61 Verwaltungsakte) und bestand dort die Abschlussprüfung an der Bundeswehrfachschule W. zur Erlangung des Realschulabschlusses im Juni 1976 (Blatt 57 Verwaltungsakte). Von August bis November 1976 war er bei der Fa. F. GmbH und von Dezember 1976 bis April 1977 bei der Fa. T. GmbH & Co KG beschäftigt, anschließend war er arbeitsunfähig und bezog Krankengeld bis 31.05.1976 (Bl 63 ff Verwaltungsakte). Bei der Bundeswehrfachschule U./W. absolvierte er ab 01.06.1977 eine Ausbildung zum Versicherungskaufmann (Mitarbeiter im Versicherungsaußendienst) bis 31.05.1978 (Blatt 96 ff Verwaltungsakte). Danach übernahm er als Selbständiger eine Versicherungsagentur der W. Versicherung ab Mai 1978. Vom 01.06. bis 31.12.1978 und ab 01.01.1984 leistete er freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung (vgl Versicherungsverlauf ab Blatt 3 Rückseite Verwaltungsakte). Ab Beendigung der Tätigkeit für die W. zum 31.10.1996 übernahm er für die C. Versicherung eine Versicherungsagentur. Im August 1998 übernahmen die beiden Töchter diese Tätigkeit. Seit März 1998 ist der Kläger durchgängig arbeitsunfähig. Die freiwillige Beitragszahlung wurde zum 31.05.1998 eingestellt. Ab 15.06.2000 stand er im Sozialhilfebezug (bis zum 31.12.2004), anschließend ab 01.01.2005 laufend im Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch.

Ein Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung wurde von der Beklagten im November 2006 abgelehnt, da die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht vorlägen.

Im Zuge der Beantragung der Erwerbsminderungsrente hatte der Kläger bereits ab dem Jahr 2005 gerügt, sein Versicherungsverlauf sei von der Beklagten unzutreffend festgestellt. Die Zeit der Ausbildung vom 05.09.1960 bis 15.11.1963 müsse als Anrechnungszeit (Fachschulausbildung) sowie die Zeit des Besuchs der Bundeswehrfachschule vom 01.07.1976 (richtig: ab 01.06.1977 vgl Bl 96 Verwaltungsakte) bis 31.05.1978 als Anrechnungszeit wegen Ausbildung anerkannt werden. Vom 08.04.1977 bis 31.05.1977 sei er zwei Monate krank gewesen, dies müsse als Anrechnungszeit der Arbeitsunfähigkeit anerkannt werden. Vom 30.11.1981 bis 05.12.1981 habe er an einer Wehrdienstübung teilgenommen, die auch angerechnet werden müsse. Vom 02.03.1998 bis 31.12.2004 sei er 82 Monate krank gewesen, auch dies müsse als Anrechnungszeit anerkannt werden, ebenso wie die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.12.2006, während der er 24 Monate krank gewesen sei (vgl Schreiben des Klägers vom 19.12.2006, Blatt 217 ff Verwaltungsakte).

Mit Schreiben vom 26.05.2006 stellte der Kläger bei der Beklagten den Antrag auf "Nachversicherung" für die Zeit vom 15.06.2000 bis 31.12.2004 (Blatt 250 Verwaltungsakte).

Den Antrag des Klägers vom 29.12.2006 auf Altersrente nach § 237 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 31.03.2007 (Blatt 280 Verwaltungsakte) ab, da im Zeitraum vom 01.12.1996 bis 30.11.2006 nicht mindestens 96 Kalendermonaten mit Pflichtbeitragszeiten nachgewiesen seien; es seien nur 23 Pflichtbeiträge vorhanden.

Mit Bescheid vom 17.11.2006 wurde von der Beklagten die Zeit vom 10.07.1962 bis 12.07.1963 als Anrechnungszeit (Fachschulausbildung) und die Zeit vom 08.04.1977 bis 31.05.1977 als Anrechnungszeit anerkannt (Blatt 405 Verwaltungsakte).

Mit Bescheid vom 20.07.2005 (Blatt 527 Verwaltungsakte) stellte die Beklagte nach § 149 Abs 5 SGB VI den Versicherungsverlauf des Klägers bis 31.12.1998 fest.

In einem gerichtlichen Vergleich vom 16.12.2008 (Sozialgericht Reutlingen, S 2 R 68/08) verpflichtete sich die Beklagte den Versicherungsverlauf des Klägers zu überprüfen und einen neuen Bescheid zu erteilen.

Die AOK Bayern teilte der Beklagten mit Schreiben vom 28.01.2009 (Blatt 541 Verwaltungsakte) mit, dass der Kläger vom 01.08.1960 bis 31.10.1964 aufgrund einer Beschäftigung bei der Firma G. zur Kranken- und Rentenversicherung gemeldet war (mit Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall; Beitragsgruppe B 2).

Mit Bescheid vom 19.03.2009 (Blatt 95 Senatsakte) lehnte die Beklagte die Vormerkung der Zeit vom 01.08.1960 bis 30.06.1964 als Beitragszeit ab, da wegen einer Beitragserstattung Ansprüche aus diesen rentenrechtlichen Zeiten nicht mehr hergeleitet werden könnten. Die Zeit vom 17.06.1976 bis 31.07.1976 könne nicht als Anrechnungszeit vorgemerkt werden, da sie nach Ablegung der Abschlussprüfung zurückgelegt worden sei.

Im Januar 2010 beantragte der Kläger Altersrente bei der Beklagten (Blatt 574 Verwaltungsakte). Mit Bescheid vom 31.03.2010 (Blatt 611 Verwaltungsakte) bewilligte die Beklagte dem Kläger Regelaltersrente ab dem 01.04.2010 in Höhe von monatlich 451,47 EUR. Der hiergegen am 12.05.2010 erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 30.11.2010 (Blatt 628 Verwaltungsakte) als unbegründet zurückgewiesen.

Hiergegen hat der Kläger am 03.01.2011 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Er habe im Zuge der Rentenantragstellung am 22.01.2010 Unterlagen zum Versicherungsverlauf abgegeben, die nicht ausreichend von der Beklagten berücksichtigt worden seien. Die Zeit der Ausbildung vom 05.09.1960 bis 15.11.1963 müsse als Anrechnungszeit (Fachschulausbildung) sowie die Zeit des Besuchs der Bundeswehrfachschule vom 01.07.1976 bis 31.05.1978 als Anrechnungszeit wegen Ausbildung anerkannt werden. Vom 08.04.1977 bis 31.05.1977 sei er zwei Monate krank gewesen, dies müsse als Anrechnungszeit der Arbeitsunfähigkeit anerkannt werden. Vom 30.11.1981 bis 05.12.1981 habe er an einer Wehrdienstübung teilgenommen, die auch angerechnet werden müsse. Vom 02.03.1998 bis 31.12.2004 sei er 82 Monate krank gewesen, auch dies müsse als Anrechnungszeit anerkannt werden, ebenso wie die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.12.2006, während der er 24 Monate krank gewesen sei. Außerdem habe er im Zuge der Beantragung der Rente wegen Erwerbsminderung einen Antrag auf Nachversicherung für die Zeit vom 15.06.2000 bis 31.12.2004 gestellt.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat auf die Begründung in den angefochtenen Bescheiden Bezug genommen. Die Berechnung der Altersrente sei nicht fehlerhaft, es seien alle Zeiten berücksichtigt worden.

Mit Gerichtsbescheid vom 16.01.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klage sei unzulässig, da es am Rechtsschutzbedürfnis fehle. Der Kläger habe die beantragte Regelaltersrente erhalten. Sie sei mit den streitgegenständlichen Bescheiden bewilligt worden. Dass die Höhe der Rente falsch sein könnte, sei nicht erkennbar.

Gegen den ihm am 18.01.2012 mit Postzustellungsurkunde zugestellten Gerichtsbescheid des SG hat der Kläger am 18.02.2012 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt und sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Er habe am 22.01.2010 umfangreiche Unterlagen eingereicht, die durch die Rentenantragstelle der Stadtverwaltung Albstadt geprüft worden seien. Der Versicherungsverlauf sei unvollständig. Auch sei über den Antrag auf Nachversicherung von der Beklagten immer noch nicht entschieden worden.

In einem Erörterungstermin am 15.06.2012 ist die Sach- und Rechtslage vom Berichterstatter mit den Beteiligten erörtert worden.

Mit Bescheid vom 05.07.2012 (Blatt 105 Senatsakte) hat die Beklagte es abgelehnt, den Bescheid vom 19.03.2009 zurückzunehmen, da weder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden, noch das Recht unrichtig angewandt worden sei. Die Fachschulausbildung vom 05.09.1960 bis 19.11.1963 könne nicht als Anrechnungszeit wegen schulischer Ausbildung nach § 58 Abs 1 Nr 4 SGB VI anerkannt werden, da diese im Rahmen eines bestehenden Beschäftigungsverhältnisses zurückgelegt worden sei. Die entsprechenden Beitragszeiten seien mit Bescheid vom 04.08.1969 erstattet worden. Für den Zeitraum vom 01.07.1976 bis 30.06.1977 liege kein Nachweis für eine Ausbildung zum Versicherungsfachmann vor, vielmehr ergebe sich aus den vorliegenden Unterlagen, dass die Ausbildung vom 01.07.1977 bis 31.05.1978 gedauert habe. Diese Zeit könne nicht als Anrechnungszeit nach § 58 Abs 1 Nr 4 SGB VI anerkannt werden, da diese ebenfalls im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses erfolgt sei. Die Zeit sei bereits im Versicherungsverlauf als berufliche Ausbildung gekennzeichnet. Während der Wehrdienstübung vom 30.11.1981 bis 05.12.1981 habe der Kläger nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlegen. Die Arbeitsunfähigkeitszeiten vom 02.03.1998 bis 16.03.2000 könnten nicht als Anrechnungszeit wegen Arbeitsunfähigkeit nach § 58 Abs 1 Nr 1 SGB VI anerkannt werden, da eine versicherte Beschäftigung im Sinne des § 58 Abs 2 SGB VI nicht unterbrochen worden sei. Die Zeit der Arbeitsunfähigkeit vom 08.04.1977 bis 31.05.1977 sei bereits als Anrechnungszeit nach § 58 Abs 1 Nr 1 SGB VI anerkannt worden. Der Bescheid werde nach § 96 SGG Gegenstand des laufenden Verfahrens.

Mit einem weiteren Bescheid vom 05.07.2012 hat die Beklagte den Antrag des Klägers auf Nachversicherung vom 22.01.2010 abgelehnt. Im Zeitraum vom 15.06.2000 bis 31.12.2004 habe der Kläger Sozialhilfe bezogen, dies sei keine Nachversicherungszeit nach § 8 Abs 2 SGB VI. Eine Umdeutung des Antrages in einen Antrag auf freiwillige Versicherung sei nicht möglich bzw ebenfalls abzulehnen, da freiwillige Beiträge nur wirksam seien, wenn sie bis zum 31.03. des Jahres, das dem Jahre folge, für das sie gelten sollen, gezahlt würden (§ 197 Abs 2 SGB VI). Sollte es sich um einen Antrag auf Pflichtversicherung nach § 4 SGB VI handeln, sei dieser ebenfalls abzulehnen, da der Kläger nicht zum Kreis der dort genannten berechtigten Personen gehöre. Der Bescheid werde nach § 96 SGG Gegenstand des laufenden Verfahrens.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 16.01.2012 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 31.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.11.2010 und unter Aufhebung der Bescheide vom 05.07.2012 zu verurteilen, den Bescheid vom 19.03.2009 abzuändern und ihm eine höhere Regelaltersrente zu zahlen unter Anrechnung folgender weiterer Versicherungszeiten: 05.09.1960 bis 19.11.1963 als Anrechnungszeit wegen schulischer Ausbildung, 01.07.1977 bis 31.05.1978 als Ausbildungszeit, 30.11.1981 bis 05.12.1981 als Anrechnungszeit bei Wehrdienstübung und 02.03.1998 bis 16.03.2000 als Anrechnungszeit wegen Arbeitsunfähigkeit und die Zeit vom 15.06.2000 bis 31.12.2004 als Nachversicherungszeit.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie nimmt auf die Begründungen der angefochtenen Bescheide sowie den im Berufungsverfahren erteilten Bescheid vom 05.07.2012 (Bl 105 Senatsakte) Bezug.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten (4 Bände), die Akten des SG sowie die Senatsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig.

Gegenstand der Klage war allerdings nicht nur der Anspruch auf eine höhere Altersrente, sondern auch der (damals noch) nicht verbeschiedene Antrag auf Nachversicherung. Der Kläger hat von Anfang an in zulässiger Weise im Wege der objektiven Klagehäufung (§ 56 SGG) verschiedene Begehren verfolgt. Der im Zuge des auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung gerichteten Verwaltungsverfahrens gestellte Antrag auf Nachversicherung für den Zeitraum vom 15.06.2000 bis 31.12.2004 (vgl Schreiben des Klägers vom 26.05.2006) ist von der Beklagten zunächst nicht verbeschieden worden. Dies konnte der Kläger im Wege der Untätigkeitsklage rügen. Gegenstand einer Untätigkeitsklage nach § 88 Abs 1 SGG ist nur die Bescheidung eines Antrags und nicht die Prüfung der materiellen Voraussetzungen eines Anspruchs oder die Bewilligung einer Leistung (vgl BSG 26.08.1994, 13 RJ 17/94, BSGE 75, 56, SozR 3-1500 § 88 Nr 2; 16.10.2014, B 13 R 282/14 B [juris]); eine Untätigkeitsklage kann somit auch nicht zur Verurteilung in der Sache ohne Durchführung eines Vorverfahrens führen (vgl BVerfG 03.03.2011, 1 BvR 2852/10, BVerfGK 18, 360, juris Rn 14). Die Untätigkeitsklage ist wegen Überschreitens der Frist nach § 88 Abs 1 SGG ohne zureichenden Grund von Anfang an zulässig und begründet gewesen. Zu Unrecht hat das SG sich hierzu nicht geäußert.

Erst während des Berufungsverfahrens hat sich mit Erlass des Bescheids vom 05.07.2012, mit dem die Beklagte über die beantragte Nachversicherung für den Zeitraum vom 15.06.2000 bis 31.12.2004 entschieden hat, die Untätigkeitsklage erledigt, indem dem Anliegen des Klägers (gerichtet auf Bescheidung seines Antrages) Rechnung getragen und entsprochen wurde. Der Bescheid vom 05.07.2012 ist vom Kläger in zulässiger Weise zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens gemacht worden. Der Kläger hat im Schriftsatz vom 08.08.2012 deutlich gemacht, sich gegen diesen Bescheid zu wenden und weiterhin auf die Nachversicherung zu bestehen (Bl 111 Senatsakte). Hierin ist eine sachdienliche Klageänderung (§ 99 Abs 1 SGG) zu sehen (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 88 Rn 10b).

Des Weiteren hat der Kläger unter Berücksichtigung verschiedener Beitrags- bzw Anrechnungszeiten eine höhere Altersrente begehrt, als von der Beklagten im Bescheid vom 31.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.11.2010 bewilligt. Der weitere Bescheid vom 05.07.2012 (Blatt 105 Senatsakte), mit dem die Beklagte es abgelehnt hat, den Bescheid vom 19.03.2009 abzuändern und unter Berücksichtigung weiterer Versicherungszeiten dem Kläger eine höhere Altersrente zu gewähren, ist nach § 153 Abs 1 iVm § 96 Abs 1 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Über die Bescheide der Beklagten vom 05.07.2012 entscheidet der Senat auf Klage.

Berufung und Klage des Klägers sind unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 31.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.11.2010 und die Bescheide der Beklagten vom 05.07.2012 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Das SG hätte nicht das Rechtsschutzinteresse des Klägers verneinen dürfen; die Klage ist zulässig gewesen. Die Beklagte hat die Rentenhöhe dem Gesetz gemäß festgesetzt. Sie hat die Beitragszeiten zutreffend berücksichtigt; die Berechnung der Altersrente ist rechtmäßig. Der Bescheid vom 19.03.2009 ist rechtmäßig und war nicht nach § 44 SGB X teilweise zurückzunehmen, da die Beklagte weder das Recht unrichtig angewandt hat noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist.

Die Grundsätze der Rentenberechnung ergeben sich aus §§ 63 und 64 SGB VI. Danach richtet sich die Höhe einer Rente vor allem nach der Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen (§ 63 Abs 1 SGB VI). Das in den einzelnen Kalenderjahren durch Beiträge versicherte Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen wird in Entgeltpunkte umgerechnet (§ 63 Abs 2 Satz 1 SGB VI). Für beitragsfreie Zeiten werden Entgeltpunkte angerechnet, deren Höhe von der Höhe der in der übrigen Zeit versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen abhängig ist (§ 63 Abs 3 SGB VI).

Der Monatsbetrag der Rente ergibt sich, wenn 1. die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte, 2. der Rentenartfaktor und 3. der aktuelle Rentenwert mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden (§ 64 SGB VI). Nach § 66 Abs 1 SGB VI ergeben sich die persönlichen Entgeltpunkte für die Ermittlung des Monatsbetrags der Rente, indem die Summe aller Entgeltpunkte ua für 1. Beitragszeiten, 2. beitragsfreie Zeiten und 3. Zuschläge für beitragsgeminderte Zeiten mit dem Zugangsfaktor vervielfältigt wird.

Beitragszeiten und beitragsfreie Zeiten sind rentenrechtliche Zeiten (§ 54 Abs 1 Nrn. 1 und 2 SGB VI). Beitragszeiten sind Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge (Pflichtbeitragszeiten) oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind. Pflichtbeitragszeiten sind auch Zeiten, für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten (§ 55 SGB VI). Beitragszeiten werden vom Gesetz als Zeiten mit vollwertigen Beiträgen und als beitragsgeminderte Zeiten unterschieden (§ 54 Abs 1 Nr 1 Buchst a und b SGB VI). Dabei sind Zeiten mit vollwertigen Beiträgen Kalendermonate, die mit Beiträgen belegt und nicht beitragsgeminderte Zeiten sind (§ 54 Abs 2 SGB VI).

Beitragsfreie Zeiten sind Kalendermonate, die mit Anrechnungszeiten, mit einer Zurechnungszeit oder mit Ersatzzeiten belegt sind, wenn für sie nicht auch Beiträge gezahlt worden sind (§ 54 Abs 4 SGB VI).

Anrechnungszeiten sind ua Zeiten, in denen Versicherte nach dem vollendeten 17. Lebensjahr eine Schule, Fachschule oder Hochschule besucht oder an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme teilgenommen haben (Zeiten einer schulischen Ausbildung), insgesamt jedoch höchstens bis zu acht Jahren (§ 58 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB VI). Anrechnungszeiten erfassen als Element des sozialen Ausgleichs Tatbestände, in denen ein Versicherte wegen in seiner Person liegender besonderer Umstände keine Beiträge zahlen konnte und bei denen rentenrechtlich ausgeglichen werden soll, dass er in dieser Zeit ohne sein Verschulden gehindert war, einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit nachzugehen und Pflichtbeiträge zu zahlen (BSG 05.12.1996, 4 RA 100/95, NZS 1997, 368).

Die Anrechnungszeit wegen schulischer Ausbildung ist ein rentenrechtlicher Ausgleich dafür, dass der Versicherte wegen der Ausbildung ohne Verschulden gehindert war, eine versicherungspflichtige Beschäftigung auszuüben und so Pflichtbeitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung zu erhalten (vgl Gürtner in Kasseler Kommentar, SGB VI, § 58 Rn 33).

Danach kann die Fachschulausbildung vom 05.09.1960 bis 19.11.1963 nicht als Anrechnungszeit wegen schulischer Ausbildung nach § 58 Abs 1 Nr 4 SGB VI anerkannt werden, da diese im Rahmen eines bestehenden Beschäftigungsverhältnisses zurückgelegt wurde. Die entsprechenden Beitragszeiten sind dem Kläger überdies bereits mit Bescheid vom 04.08.1969 erstattet worden.

Die Zeit vom 17.06.1976 bis 31.07.1976 kann nicht als Anrechnungszeit nach § 58 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB VI (Zeiten einer schulischen Ausbildung) vorgemerkt werden, da sie nach Ablegung der Abschlussprüfung zurückgelegt worden ist. Eine (Ausbildungs-) Anrechnungszeit kann nach Ablegung der letzten Abschlussprüfung nicht mehr zurückgelegt werden. Mit der Abschlussprüfung endet der insoweit relevante Zeitraum (vgl BSG 16.12.1997, 4 RA 67/97, SozR 3–2600 § 58 Nr 13); auf das Ende des Schuljahres oder der Schulzeit im schulrechtlichen Sinne kommt es im Rahmen des § 58 SGB VI nicht an (BSG 01.07.2010, B 13 R 86/09 R, SozR 4-2600 § 48 Nr 4).

Die Zeit der Ausbildung zum Versicherungsfachmann, die nicht am 01.07.1976, sondern am 01.06.1977 begonnen hat (Bl 96 ff Verwaltungsakte), kann nicht als Anrechnungszeit nach § 58 Abs 1 Nr 4 SGB VI anerkannt werden, da diese im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses erfolgt ist. Die Zeit ist bereits im Versicherungsverlauf als berufliche Ausbildung gekennzeichnet. Die versicherungspflichtigen Beschäftigungen zuvor von August bis November 1976 bei der Fa. F. GmbH und von Dezember 1976 bis 07.04.1977 bei der Fa. T. GmbH & Co KG (Bl 63 ff Verwaltungsakte) sind im Versicherungsverlauf als rentenrechtliche Zeit (Pflichtversicherung/Entgelt) zutreffend aufgeführt (Bl 3 Rücks Verwaltungsakte). Die anschließende Zeit der Arbeitsunfähigkeit vom 08.04.1977 bis 31.05.1977 hat die Beklagte bereits als Anrechnungszeit nach § 58 Abs 1 Nr 1 SGB VI anerkannt, sodass keine Lücke vorliegt.

Während der Wehrübung vom 30.11.1981 bis 05.12.1981 unterlag der Kläger nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Wehrdienst auf Grund gesetzlicher Pflicht wird als Grundwehrdienst nach §§ 4 Abs 1 Nr 1, 5 des Wehrpflichtgesetzes (WPflG), als Verfügungsbereitschaft nach §§ 4 Abs 1 Nr 2, 5a WPflG oder als Wehrübung nach §§ 4 Abs 1 Nr 3, 6 WPflG geleistet. Versicherungspflicht nach § 4 Abs 1 Nr 2 WPflG besteht auch für Wehrübungen (vgl Gürtner in Kasseler Kommentar, § 3 SGB VI Rn 10). Hierzu regelte § 2 Abs 1 Nr 8 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) die Versicherungspflicht wie folgt: Personen, die vor einer Wehrdienstleistung im Sinne des § 4 Abs 1 des WPflG zuletzt nach § 2 Abs 1 AVG versichert waren und Personen, die vor der Wehrdienstleistung in keinem Zweig der gesetzlichen Rentenversicherung pflicht- oder freiwillig versichert waren, bei Einberufung zu einem Wehrdienst von länger als drei Tagen für die Dauer der Wehrdienstleistung. Der Kläger war vor der Wehrübung nicht rentenversicherungspflichtig nach einem der Tatbestände des § 2 Abs 1 AVG, sondern hatte freiwillige Beiträge entrichtet, weshalb keine der beiden Alternativen des § 2 Abs 1 Nr 8 AVG greift.

Die Arbeitsunfähigkeitszeiten vom 02.03.1998 bis 16.03.2000 können nicht als Anrechnungszeit wegen Arbeitsunfähigkeit nach § 58 Abs 1 Nr 1 SGB VI anerkannt werden. Nach dieser Vorschrift sind Anrechnungszeiten ua solche, in denen Versicherte wegen Krankheit arbeitsunfähig gewesen sind oder Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten haben. Anrechnungszeiten liegen nur vor, wenn dadurch eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit oder ein versicherter Wehrdienst oder Zivildienst unterbrochen ist (§ 58 Abs 2 SGB VI). Voraussetzung der Anerkennung einer Unterbrechung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit iSv § 58 Abs 2 SGB VI ist, dass die betreffende Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit die Zahlung von Pflichtbeiträgen im Sinne von § 55 Abs 1 SGB VI auf Grund bestehender Versicherungspflicht bedingt hat (BSG 16.06.2005, B 10 LW 1/03 R, SozR 4–5868 § 13 Nr 1, juris Rn 28; Gürtner in Kasseler Kommentar, § 58 SGB VI Rn 72, 80). Dies ist vorliegend nicht der Fall, da der Kläger freiwillig versichert war.

Der Zeitraum vom 15.06.2000 bis 31.12.2004 kann nicht als Nachversicherungszeit anerkannt werden. In diesem Zeitraum hat der Kläger Sozialhilfe bezogen, dies ist keine Nachversicherungszeit nach § 8 Abs 2 SGB VI. Nach dieser Vorschrift werden Personen nachversichert, die als 1. Beamte oder Richter auf Lebenszeit, auf Zeit oder auf Probe, Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit sowie Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst, 2. sonstige Beschäftigte von Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts, deren Verbänden einschließlich der Spitzenverbände oder ihrer Arbeitsgemeinschaften, 3. satzungsmäßige Mitglieder geistlicher Genossenschaften, Diakonissen oder Angehörige ähnlicher Gemeinschaften oder 4. Lehrer oder Erzieher an nichtöffentlichen Schulen oder Anstalten versicherungsfrei waren oder von der Versicherungspflicht befreit worden sind, wenn sie ohne Anspruch oder Anwartschaft auf Versorgung aus der Beschäftigung ausgeschieden sind oder ihren Anspruch auf Versorgung verloren haben und Gründe für einen Aufschub der Beitragszahlung (§ 184 Abs 2 SGB VI) nicht gegeben sind. Zu diesem Personenkreis gehört der Kläger nicht.

Eine Umdeutung des Antrages in einen Antrag auf freiwillige Versicherung ist nicht möglich, da freiwillige Beiträge nur wirksam sind, wenn sie bis zum 31.03. des Jahres, das dem Jahr folgt, für das sie gelten sollen, gezahlt werden (§ 197 Abs 2 SGB VI). Ein Antrag auf Pflichtversicherung nach § 4 SGB VI greift nicht durch, da der Kläger nicht zum Kreis der dort genannten berechtigten Personen gehört.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Senat betrachtet es als sachgerecht, dass außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind, da die vom Kläger erhobenen materiell-rechtlichen Ansprüche nicht bestanden.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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