L 4 KR 2536/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 12 KR 1071/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 2536/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 18. März 2013 aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin EUR 1.141,00 nebst Zinsen in Höhe von vier Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. März 2011 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf EUR 1.141,00 festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Vergütung für Leistungen der stationären Kranken-hausbehandlung des bei der Beklagten krankenversicherten C. W. (im Folgenden: Versicherter) zwischen dem 20. und 23. Juli 2010 in Höhe von EUR 1.141,00.

Der Versicherte litt am 14. Juli 2010 unter Fieber bis zu 40 Grad Celsius. Unter Behandlung mit fiebersenkenden Medikamenten verbesserte sich diese Symptomatik. Anschließend hielt der Versicherte sich für drei Tage auf Mallorca auf. Nachdem sich sein Allgemeinzustand dort wieder verschlechterte, stellte er sich nach der Rückkehr nach Deutschland am 20. Juli 2010 beim Arzt für Allgemeinmedizin Dr. F. vor. Dieser stellte einen starken Flankenkopfschmerz fest und diagnostizierte akutes Nierenversagen sowie Verdacht auf Hantavirusinfektion und Nephritis. Er überwies den Versicherten am gleichen Tag in das (Plan-)Krankenhaus der Klägerin. Bei der Aufnahme dort wurde beim Versicherten eine Körpertemperatur von 36,9 Grad Celsius, hohe Nierenretensionswerte (u.a. Kreatinin "2,25 mg/dl"), eine Proteinurie und leicht erhöhte Entzündungswerte festgestellt. Der Kläger wurde bis zum 23. Juli 2010 stationär behandelt und dann beschwerdefrei entlassen. Die laborchemische Untersuchung bestätigte am 23. Juli 2010 den Verdacht auf das Vorliegen einer Hantavirusinfektion (Arztbrief des Dr. S., Chefarzt der Medizinischen Klinik 3 des klägerischen Krankenhauses, vom 26. August 2010).

Die Klägerin stellte gegenüber der Beklagten für diese Behandlung die Fallpauschale (Diagnosis Related Group – DRG) L60D (Niereninsuffizienz, mehr als ein Belegungstag, ohne Dialyse, ohne äußerst schwere CC) in Höhe von EUR 2.737,64 in Rechnung. Hierbei legte sie als Hauptdiagnose nach ICD-10 die Diagnose N17.8 (sonstiges akutes Nierenversagen) sowie als Nebendiagnosen die Diagnosen E87.6 (Hypokaliämie) sowie A98.5 (hämorrhagisches Fieber mit renalem Syndrom) zugrunde. Die Beklagte zahlte den geforderten Betrag zunächst an die Klägerin.

Bei der Überprüfung dieser Abrechnung äußerte Dr. R. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung B. (MDK) unter dem 14. September 2010 die Ansicht, dass richtige Hauptdiagnose nach ICD-10 die Ziffer A98.5 sei und die Leistung auf der Grundlage der Fallpauschale L63F (Infektion der Harnorgane ohne äußerst schwere CC) abzurechnen sei.

Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 16. September 2010 das Ergebnis des Gutachtens mit und kündigte an, den Differenzbetrag zwischen den beiden Fallpauschalen in Höhe von EUR 1.141,00 mit den laufenden Zahlungen zu verrechnen, sofern die Klägerin innerhalb von vier Wochen keine berichtigte Rechnung vorlege.

Gegen das Schreiben erhob die Klägerin am 28. September 2010 Widerspruch. Sie begründete dies damit, dass der Versicherte wegen eines akuten Nierenversagens mit Kreatininanstieg bis 2,28 mg/dl und einer Albominurie von 30 mg/dl stationär eingewiesen worden sei. Das akute Nierenversagen habe sich im Krankenhaus laborchemisch und sonographisch bestätigt. Ursache sei eine serologisch nachgewiesene Hantavirusinfektion, die zur Nephritis und damit zum akuten Nierenversagen geführt habe. Aufnahmegrund sei nicht das hämorrhagische Fieber mit renalem Syndrom gewesen. Eine Hantavirusinfektion könne unterschiedliche Verlaufsformen haben. Zur Aufnahme habe die Komplikation der Hantavirusinfektion, nämlich das akute Nierenversagen, geführt. Daher sei das akute Nierenversagen die Diagnose, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes verantwortlich gewesen sei.

Ein nun beim MDK B. durch die Beklagte eingeholtes Gutachten von Dr. T. vom 21. Oktober 2010 bestätigte das erste Gutachten. Es läge in diesem Fall eine spezifische Diagnose vor, nämlich Hantavirus mit einem hämorrhagischen Fieber mit renalem Syndrom. Wie stark dieses ausgeprägt sei, sei letztlich uninteressant. Hauptdiagnose sei A98.5.

Die Beklagte teilte der Klägerin das Ergebnis dieses Gutachtens mit Schreiben vom 25. Oktober 2010 mit und kündigte erneut an, den Differenzbetrag mit den laufenden Zahlungen zu verrechnen, sofern die Klägerin innerhalb der nächsten vier Wochen keine berichtigte Rechnung vorlege. In der Folgezeit beglich die Beklagte andere Forderungen der Klägerin in einer um einen Betrag von EUR 1.141,00 gekürzten Höhe.

Die Klägerin erhob am 21. März 2011 beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage auf Zahlung des streitigen Betrages. Ursache des stationären Aufenthaltes des Patienten sei dessen akutes Nierenversagen und dessen Behandlung gewesen. Im Rahmen der weiteren Untersuchung habe dann zwar festgestellt werden können, dass das akute Nierenversagen auf eine Hantavirusinfektion zurückzuführen sei. Aufnahmegrund und Behandlungsgegenstand sei aber das akute Nierenversagen gewesen. Eine Hantavirusinfektion könne einerseits auch ohne weitere Symptome unbemerkt verlaufen, auf der anderen Seite aber auch schwerste, bis zu intensiv behandlungspflichtige Krankheitsbilder hervorrufen. Aus diesem Grunde könne nicht die Hantavirusinfektion als Hauptursache für den klinischen Aufenthalt und die durchgeführte Behandlung herangezogen werden, sondern die tatsächlich aufgetretenen medizinischen Beschwerden, wie sie von ihr – der Klägerin – entsprechend dem DRG eingeordnet worden seien. Würde man der Auffassung der Beklagten folgen und auch in den Fällen, in denen intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen erforderlich seien, immer die von der Beklagten als richtig dargestellte Einstufung vornehmen, dann käme man zu widersinnigen und dem Abrechnungssystem entgegenstehenden Abrechnungsergebnissen. Es wäre ein Widerspruch, wenn für unterschiedliche medizinische Behandlungsmaßnahmen eine gleiche Kostenpauschale abzurechnen wäre, wenn sich als Grundursache für die aufgetretenen medizinischen Problematiken eine Hantavirusinfektion herausstellen würde. In den Fällen, in denen Infektionskrankheiten zu ganz unterschiedlichen behandlungsbedürftigen Krankheitsbildern und damit auch zu ganz unterschiedlichen medizinischen Maßnahmen führten, komme es auf das akute Krankheitsbild an, das zu behandeln sei und nicht darauf, was sich irgendwann als Grundursache für die aufgetretenen Problematiken herausstelle. Diese Sachlogik ergebe sich auch aus der Definition, die die deutschen Kodierrichtlinien für die Einstufung als Hauptdiagnose aufstellten. Als Hauptdiagnose werde nicht die Diagnose angesehen, die als Grundursache für den stationären Krankenhausaufenthalt des Patienten verantwortlich sei, weil eine Grundursache ganz verschiedene Ausprägungsgrade haben könne und die Krankenhausbehandlung auf diese Ausprägungsgrade abstellen müsse und nicht auf die Grundursache. Die Klägerin verweist auf Gutachten des Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg in zwei anderen Fällen, in denen dieser festgestellt habe, dass die damaligen Patienten wegen eines akuten Nierenversagens zur stationären Aufnahme ins Krankenhaus gekommen seien, so dass nicht die später festgestellte Hantavirusinfektion als Hauptdiagnose zu kodieren gewesen sei, sondern die medizinische Symptomatik, die im Krankenhaus behandelt worden sei.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Die durch die Klägerin vorgenommene Abrechnung unterliege auch hinsichtlich der im Rahmen des DRG-Systems relevanten Diagnosen und Prozedurenschlüssel der vollen Überprüfung durch die in Anspruch genommene Krankenkasse. Dabei seien der Fallpauschalenkatalog sowie der Operationen- und Prozedurenschlüssel streng nach ihrem Wortlaut und den Kodierrichtlinien auszulegen. Im vorliegenden Fall habe eine solche Prüfung ausweislich der Gutachten stattgefunden, bei denen festgestellt worden sei, dass die von der Klägerin vorgenommene Kodierung nicht korrekt sei. Die Aufnahme des Versicherten sei mit hohem Kreatinin, Proteinurie, Entzündungswerten und anamnestischem Fieber erfolgt. Bei Aufnahme habe kein Fieber mehr bestanden. Die Hanta-Serologie habe die Infektion mit Hantavirus bestätigt. Nach den deutschen Kodierrichtlinien sei die Hauptdiagnose definiert als die Diagnose, "die nach Analyse als diejenige festgestellt worden sei, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes des Patienten verantwortlich ist." Der Begriff "nach Analyse" bezeichne danach die Evaluation der Befunde am Ende des stationären Aufenthaltes, um diejenige Krankheit festzustellen, die hauptsächlich verantwortlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes gewesen sei. Die dabei evaluierten Befunde könnten Informationen enthalten, die aus der medizinischen und pflegerischen Anamnese, einer psychiatrischen Untersuchung, Konsultationen von Spezialisten, einer körperlichen Untersuchung, diagnostischen Tests oder Prozeduren, chirurgischen Eingriffen und pathologischen oder radiologischen Untersuchungen gewonnen würden. Für die Abrechnung relevante Befunde, die nach der Entlassung eingingen, seien für die Kodierung heranzuziehen. Die nach Analyse festgestellte Hauptdiagnose müsse nicht der Aufnahmediagnose oder Einweisungsdiagnose entsprechen. Nach Serologie habe sich das hämorrhagische Fieber mit renalem Syndrom bestätigt. Dieses sei "nach Analyse" hauptsächlich verantwortlich für die Veranlassung des stationären Aufenthaltes gewesen. Das akute Nierenversagen sei auf die Hantavirusinfektion zurückzuführen. Das DRG-System sei ein pauschaliertes, nach medizinischen und betriebswirtschaftlichen Kriterien erstelltes Abrechnungssystem, das dem Einzelfall nicht immer gerecht werden könne. Da es sich eben um ein pauschaliertes System handele, sei nicht auszuschließen, dass in medizinischen Einzelfällen die in der Klinik erbrachte konkrete Behandlungsleistung nicht kostendeckend bzw. über den tatsächlichen Behandlungsposten erstattet werde.

Das SG bestellte den Facharzt für Innere Medizin Dr. V. zum gerichtlichen Sachverständigen. In seinem Gutachten vom 22. Januar 2012 kam Dr. V. zu dem Ergebnis, dass Hauptdiagnose ein hämorrhagisches Fieber mit renalem Syndrom gewesen sei. Die nach Analyse festgestellte Hauptdiagnose müsse nicht der Aufnahmediagnose oder Einweisungsdiagnose entsprechen. Für die Abrechnung relevante Befunde, die nach der Entlassung eingingen, seien für die Kodierung heranzuziehen. Wenn sich ein Patient mit einem Symptom vorstelle und die zugrunde liegende Krankheit zum Zeitpunkt der Aufnahme bekannt sei und behandelt werde bzw. während des Krankenhausaufenthaltes diagnostiziert werde, so sei die zugrunde liegende Krankheit als Hauptdiagnose zu kodieren. Wenn sich ein Patient mit einem Symptom vorstelle und die zugrunde liegende Krankheit zum Zeitpunkt der Aufnahme bekannt sei, jedoch nur das Symptom behandelt werde, sei das Symptom als Hauptdiagnose und die zugrunde liegende Krankheit als Nebendiagnose zu kodieren. Wenn zwei oder mehrere Diagnosen in Bezug auf Aufnahme, Untersuchungsbefunden und/oder der durchgeführten Therapie gleichermaßen die Kriterien für die Hauptdiagnose erfüllten und ICD-10-Verzeichnisse und Kodierrichtlinien keine Verschlüssungsanweisungen gäben, müsse vom behandelnden Arzt entschieden werden, welche Diagnose am besten der Hauptdiagnosedefinition entspräche. Nur in diesem Fall sei vom behandelnden Arzt diejenige auszuwählen, die für Untersuchung und/oder Behandlung die meisten Ressourcen verbraucht habe. Der Versicherte sei im vorliegenden Fall zur Abklärung und Behandlung eines ätiologisch unklaren akuten Nierenversagens stationär aufgenommen worden. Bemerkenswert sei hierbei, dass sowohl der einweisende Arzt als auch der aufnehmende Arzt im Krankenhaus das Vorliegen einer Hantavirusinfektion als Ursache der bereits bei Verordnung von Krankenhausbehandlung sowie bei Aufnahme bekannten Einschränkungen der Nierenfunktion vermutet hätten. In der Folge seien dann diagnostische Maßnahmen durchgeführt worden, welche die Verdachtsdiagnose bestätigt hätten. Der Versicherte habe sich mit dem Symptom akute Niereninsuffizienz im Krankenhaus vorgestellt. Die dem Symptom akute Niereninsuffizienz zugrunde liegende Krankheit Hantavirusinfektion sei bereits vor Aufnahme des Versicherten vermutet, dann während des Krankenhausaufenthaltes serologisch bestätigt und auch behandelt worden. Gemäß den maßgeblichen deutschen Kodierrichtlinien sei somit im vorliegenden Fall die dem Symptom "akute Niereninsuffizienz" zugrunde liegende, während des Krankenhausaufenthaltes diagnostizierte und behandelte Krankheit Hantavirusinfektion als Hauptdiagnose zu kodieren und DRG L63F abzurechnen. Mit Blick auf die gestellten Nebendiagnosen führte Dr. Volkmann aus, die Diagnose "sonstiges akutes Nierenversagen" (N17.8) beschreibe entgegen der Auffassung der Beklagten das hier vorliegende Krankheitsbild korrekt und auch präziser als die von der Beklagten favorisierte Nebendiagnose N19 (nicht näher bezeichnete Niereninsuffizienz). Für die DRG-Ermittlung sei dies jedoch ohne Belang.

Die Klägerin wandte gegen das Gutachten ein, dass der Sachverständige zwar konstatiere, dass der Versicherte zur Abklärung und Behandlung eines ätiologisch unklaren akuten Nierenversagens stationär aufgenommen worden sei. Im Folgenden stufe der Sachverständige das akute Nierenversagen dann aber als Symptom einer Hantavirusinfektion ein, die nach seiner Auffassung behandelt worden sei. Ein akutes Nierenversagen stelle jedoch kein Symptom dar, sondern sei eine eigene Krankheit. Hierzu nehme der Sachverständige keine Stellung. Diese Krankheit sei behandelt worden. Die Erkrankung Hantavirus sei nicht behandelt worden. Behandelt würden grundsätzlich die Beschwerden, die eine Hantavirusinfektion hervorrufe bzw. hervorrufen könne. Eine konkrete Behandlung der Virusinfektion lege der Sachverständige auch nicht dar, sondern beschreibe lediglich diagnostische Maßnahmen, die durchgeführt worden seien, um feststellen zu können, ob tatsächlich eine Virusinfektion das akute Nierenversagen hervorgerufen habe. Eine Behandlung der Viruserkrankung habe aber auch nicht stattgefunden.

Die Beklagte erwiderte, das akute Nierenversagen sei kein selbstständiges und von der Hantavirusinfektion unabhängiges Krankheitsproblem, sondern in ursächlichem Zusammenhang mit der Infektion als eine der klinischen Manifestationen anzusehen. Sowohl vom einweisenden Hausarzt als auch vom aufnehmenden Klinikarzt sei die medizinische Problematik als über das akute Nierenversagen als alleiniges Krankheitsgeschehen hinausgehende Erkrankung bewertet worden. Als ursächlich hierfür sei die Hantavirusinfektion vermutet und laborchemisch bestätigt worden. Soweit die Klägerin argumentiere, die Erkrankung Hantavirusinfektion sei nicht behandelt worden, sondern es seien nur die Beschwerden behandelt worden, während hinsichtlich der Hantavirusinfektion nur diagnostische Maßnahmen erfolgt seien, gelte, dass der für die Kodierbarkeit von Diagnosen erforderliche Aufwand nicht auf eine Behandlung bezogen sein müsse. In den Kodierrichtlinien werde explizit auf die diagnostischen Maßnahmen verwiesen.

In einer vom SG angeforderten ergänzenden Stellungnahme vom 20. Mai 2012 hielt Dr. V. an dem Ergebnis seines Gutachtens fest. Zwar sei der Klägerin dahingehend zuzustimmen, dass es sich bei einem akuten Nierenversagen um eine eigenständige Erkrankung handele. Allerdings sei es aus gutachterlicher Sicht durchaus statthaft, diese Erkrankung im hier vorliegenden Einzelfall als Symptom im Sinne der Kodierrichtlinien zu bezeichnen, da diesem akuten Nierenversagen eine Hantavirusinfektion zugrunde gelegen habe. Des Weiteren sei dem Hinweis der Klägerin auf eine fehlende Behandlung der Hantavirusinfektion zu widersprechen. So seien vielmehr die von den Ärzten der Klägerin durchgeführten spezifischen diagnostischen Maßnahmen zur Sicherung der Diagnose ebenso als Behandlung im Sinne der Kodierrichtlinien zu werten wie die von ihnen angestrengten differenzialtherapeutischen Überlegungen.

Die Klägerin trug hierzu vor, dass es entgegen der Auffassung des Dr. V. nicht darauf ankomme, ob es statthaft sei, eine Erkrankung als Symptom im Sinne der Kodierrichtlinien zu bezeichnen. Entscheidend sei, ob die Kodierung falsch oder richtig sei. Wenn es statthaft sei, das akute Nierenversagen als Symptom einzuordnen, dann sei es auch statthaft, dies nicht zu tun. Dies gelte insbesondere dann, wenn der Sachverständige eingestehe, dass ein akutes Nierenversagen selbstverständlich eine eigenständige Erkrankung darstelle. Des Weiteren gebe es bislang keine schlüssige Herleitung dafür, warum man für eine Kodierung einer Hantavirusinfektion die Diagnose A98.5 zu wählen habe. Das hämorrhagische Fieber mit renalem Syndrom sei vom Wortlaut her genauso gut oder genauso schlecht für eine Kodierung einer Hantavirusinfektion wie das akute Nierenversagen geeignet. Warum das Erstere zu wählen sei, aber nicht das Zweite, werde bislang nicht durch eine Herleitung aus den Kodierrichtlinien begründet.

Das SG wies die Klage mit Urteil vom 18. März 2013 ab. Die Beklagte habe zu Recht den für die Klägerin durch die erbrachte Krankenhausleistung in Rechnung gestellten Betrag um einen Betrag von EUR 1.141,00 gekürzt und mit weiteren Vergütungsansprüchen der Klägerin verrechnet. Rechtsgrundlage dieser Verrechnung seien die Aufrechnungsregelungen der §§ 387 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in entsprechender Anwendung. Die Klägerin habe für die stationäre Behandlung des Patienten keinen Vergütungsanspruch auf der Grundlage der von ihr herangezogenen Hauptdiagnose N17.8 und unter Heranziehung der Fallpauschale L60D. Der Abrechnung sei als Hauptdiagnose vielmehr die Diagnose A98.5 und damit die Fallpauschale L63F zugrunde zu legen. Bereits bei der Überweisung des Versicherten durch seinen Hausarzt zur stationären Krankenhausbehandlung habe der Verdacht auf das Vorliegen einer Hantavirusinfektion bestanden. Auch im Rahmen der Befunderhebung bei Aufnahme des Versicherten habe der aufnehmende Krankenhausarzt diesen Verdacht geäußert. Die in der Folgezeit angewandten diagnostischen Maßnahmen hätten insbesondere der Abklärung dieser Verdachtsdiagnose gedient. Sowohl die von den Ärzten durchgeführten spezifischen diagnostischen Maßnahmen zur Sicherung der Diagnose als auch die von ihnen angestrengten differenzialtherapeutischen Überlegungen seien als Behandlung im Sinne der deutschen Kodierrichtlinien zu werten. Bei der Auswahl der zu kodierenden Hauptdiagnose sei ohne Belang, welche medizinischen Ausmaße die Infektion im konkreten Einzelfall angenommen habe. Nach den deutschen Kodierrichtlinien 2013 werde die Hauptdiagnose definiert als die Diagnose, die nach Analyse als diejenige festgestellt wurde, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes des Patienten verantwortlich sei. Hierbei bezeichne der Begriff "nach Analyse" die Evaluation der Befunde am Ende des stationären Aufenthaltes, um diejenige Krankheit festzustellen, die hauptsächlich verantwortlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes gewesen sei. Im vorliegenden Fall habe nach Evaluation aller Befunde am Ende des stationären Aufenthaltes des Versicherten die Infektion mit dem Hantavirus als Ursache des aufgetretenen Krankheitsbildes und damit als Ursache für den stationären Krankenhausaufenthalt festgestanden. Diese Infektion sei der Grund für die bei dem Versicherten aufgetretenen gesundheitlichen Probleme, insbesondere für das bei ihm aufgetretene akute Nierenversagen. Vor diesem Hintergrund sei es schlüssig und nachvollziehbar, bei dem akuten Nierenversagen des Versicherten von einem Symptom der Haupterkrankung, also von einem pathologischen Einzelbefund, zu sprechen. Für die Einstufung als Hauptdiagnose im Sinne der deutschen Kodierrichtlinien spiele es keine Rolle, welche medizinischen und behandlerischen Ausmaße die zugrunde liegende Infektion jeweils annehme. Der Hinweis der Klägerin darauf, dass Hantavirusinfektionen sehr unterschiedlich verliefen und in sehr unterschiedlichem Ausmaß medizinische Behandlungen erforderlich machen könnten, ändere somit nichts an der Heranziehung der Hantavirusinfektion als Hauptdiagnose im vorliegenden Fall. Die jeweiligen medizinischen Ausmaße im konkreten Einzelfall seien im Rahmen des pauschalierten Vergütungssystems ohne Belang.

Gegen das der Klägerin am 21. Mai 2013 zugestellte Urteil hat diese am 19. Juni 2013 Berufung eingelegt. Sie begehrt nunmehr Zinsen aus dem streitigen Betrag von EUR 1.141,00 in Höhe von vier Prozentpunkten (statt bisher zwei Prozentpunkten) über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit. Sie verweist auf ihr bisheriges Vorbringen. Zudem betont sie, dass bereits der Wortlaut der Kodierziffer "hämorrhagisches Fieber mit renalem Syndrom" zu dem Krankheitsbild des Versicherten in keiner Weise gepasst habe. Er habe weder Fieber gehabt noch habe er Blutungsneigungen gezeigt als er im Krankenhaus aufgenommen worden sei. Zudem müsse für die Kodierung der Hauptdiagnose ausschlaggebend sein, was Hauptgrund für die Aufnahme eines Patienten in das Krankenhaus sei. Hätte der Versicherte im vorliegenden Fall kein Nierenversagen gehabt, wäre er nicht im Krankenhaus aufgenommen worden, unabhängig davon, ob eine Hantavirusinfektion vorgelegen habe oder nicht. Der Versicherte hätte sicherlich kein Nierenversagen gehabt, wenn er nicht durch den Hantavirus infiziert worden wäre. Entscheidend für seine Aufnahme sei aber nicht die Hantavirusinfektion, sondern das akute Nierenversagen gewesen, weil eine Hantavirusinfektion grundsätzlich nicht behandlungsfähig und auch nicht behandlungsbedürftig sei. Behandlungsfähig und -bedürftig seien die gesundheitlichen Folgeerscheinungen einer Infektion, wie beispielsweise ein akutes Nierenversagen. Es sei falsch, dass die Hauptsache im Sinne der Kodierrichtlinien immer die Ursache sei, die im Sinne einer conditio sine qua non für einen Krankenhausaufenthalt maßgeblich sei. Bei der Kodierung habe immer eine medizinisch wertende Betrachtung zu erfolgen, welche Krankheit die Krankenhausbehandlung hauptsächlich zu verantworten habe. Der Hinweis der Beklagten, dass eine Niereninsuffizienz, die durch einen Hantavirus hervorgerufen worden sei, qua definitionem gemäß A98.5 kodiert werden müsse, verkenne, dass das Entscheidende bei der Wahl dieser Kodierung das Vorliegen eines hämorrhagischen Fiebers mit renalem Syndrom sei. Die Kodierung A98.5 beschreibe dann die Hauptdiagnose für den stationären Aufenthalt eines Patienten zutreffend, wenn ein Patient aufgrund einer Hantavirusinfektion mit Fieber oder Muskel- bzw. Gliederschmerzen aufgenommen werden müsse und z.B. eine Fiebertherapie durchzuführen sei. Das renale Syndrom, das im Zusammenhang mit der Kodierung A98.5 erwähnt werde, bedeute, dass eine Nierenbeteiligung vorliege. Eine Nierenbeteiligung liege dann vor, wenn es z.B. zu einer Hämaturie und/oder Proteinurie und/oder zu einer Verschlechterung der Nierenfunktion komme. Da nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bei der Erstellung der Abrechnung so konkret wie möglich kodiert werden müsse, habe beim Versicherten nicht die A98.5 kodiert werden können, weil bei diesem eine akute Nierenschädigung vorgelegen habe und somit kein Symptom mehr, sondern eine eigenständige Erkrankung. Eine Infektion mit einem Hantavirus verlange nicht zwingend die Behandlung in einer Klinik, weil viele Infektionen mit diesem Virus unbemerkt verliefen oder nur zu kleineren gesundheitlichen Beeinträchtigungen führten, die ohne Einschaltung eines Arztes wieder verschwänden oder auskurierbar seien. Auch eine renale Beteiligung führe nicht automatisch zu einem notwendigen klinischen Aufenthalt. Dass die Erkrankung mit dem Virus meldepflichtig sei, führe ebenfalls nicht zu einem zwingenden klinischen Aufenthalt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 18. März 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr EUR 1.141,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von vier Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 21. März 2011 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Als Hauptdiagnose sei die Diagnose zu kodieren, die für die Veranlassung des Krankenhausaufenthaltes verantwortlich sei, d.h. sie verursacht habe. Verursacht sei er im Sinne einer conditio sine qua non und als wesentliche Bedingung durch die Hantavirusinfektion. Die Hantaviruskrankheit mit Nierenbeteiligung sei im Übrigen qua definitionem Gegenstand des ICD-10-Codes A98.5. Im Übrigen verweist die Beklagte unter Hinweis auf die Kodierrichtlinien darauf, dass dann, wenn sich ein Patient mit einem Symptom vorstelle und die zugrunde liegende Krankheit zum Zeitpunkt der Aufnahme bekannt sei und behandelt bzw. während des Krankenhausaufenthaltes diagnostiziert werde, die zugrunde liegende Krankheit als Hauptdiagnose zu kodieren sei. Die Beklagte behauptet, eine Infektion mit einem Hantavirus bedeute zwingend eine Behandlung in einer Klinik jedenfalls bei renaler Beteiligung; eine Hantavirusinfektion sei in Deutschland meldepflichtig.

Der frühere Berichterstatter hat den Sachverhalt mit den Beteiligten am 11. September 2014 erörtert. Die Beteiligten haben sich in dem Termin mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie die Patientenakte des Versicherten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht erhobene und gemäß § 143 SGG statthafte Berufung, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist auch im Übrigen zulässig. Die Berufung bedurfte nicht der Zulassung. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG, der die Zulässigkeit der Berufung bei Erstattungsstreitigkeiten zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden von deren Zulassung abhängig macht, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 10.000 nicht übersteigt, gilt nicht bei der Geltendmachung von Vergütungsansprüchen eines Krankenhausträgers gegen einen Sozialleistungsträger (BSG, Urteil vom 25. Mai 2006 – B 3 KR 15/05 R – in juris, Rn. 12 ff. m.w.N. auch zur Gegenansicht; Sommer, in: Roos/Wahrendorf [Hrsg.], SGG, 2014, § 144 Rn. 16).

2. Die Berufung ist auch begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen, denn die Klage ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von EUR 1.141,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von vier Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. März 2011.

a) Die Klage ist zulässig. Die Klägerin hat mit der erhobenen echten Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs. 5 SGG die richtige Klageart gewählt; denn es handelt sich bei der auf Zahlung der Behandlungskosten eines Versicherten gerichteten Klage eines Krankenhausträgers gegen eine Krankenkasse um einen sogenannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt. Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten (BSG, Urteil vom 13. November 2013 – B 3 KR 33/12 R –, in juris, Rn. 9). Die Klägerin hat den Zahlungsanspruch auch konkret beziffert. Dies gilt auch für den geltend gemachten Zinsanspruch. Insofern reicht die Bezugnahme auf den Basiszinssatz aus (vgl. Becker-Eberhard, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Aufl. 2013, § 253 Rn. 132).

b) Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von EUR 1.141,00.

aa) In der Sache streiten die Beteiligten um die Wirksamkeit der von der Beklagten erklärten Aufrechnung entsprechend §§ 387 BGB mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch in Höhe von EUR 1.141,00. Die mit der erhobenen Leistungsklage verfolgten Vergütungsansprüche der Klägerin aus späteren Krankenhausbehandlungen von Versicherten der Beklagten sind unstreitig. Die Beteiligten haben übereinstimmend als selbstverständlich vorausgesetzt, dass der Klägerin gegen die Beklagte - ohne Berücksichtigung der streitigen Zahlungsforderung - laufende Ansprüche aus Anlass der Krankenhausbehandlung von Versicherten in Höhe von weiteren EUR 1.141,00 erwachsen sind. Darauf, welche Vergütungsansprüche die Klägerin aufgrund welcher konkreten Krankenhausbehandlung geltend macht, kommt es nicht an (vgl. BSG, Urteil vom 28. November 2013 - B 3 KR 33/12 R -; in juris), so dass insoweit keine nähere Prüfung durch den Senat erforderlich ist (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 14. Oktober 2014 - B 1 KR 34/13 R -, in juris).

bb) Die Grundvoraussetzungen eines Anspruchs auf Krankenhausvergütung sind erfüllt. Die Beklagte ist – wie sie auch nicht bestreitet – verpflichtet, die stationäre Krankenhausbehandlung ihres Versicherten in der Klinik der Klägerin für den Zeitraum vom 20. bis zum 23. Juli 2010 zu vergüten. Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht – unabhängig von einer Kostenzusage – unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung – wie hier – in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) erforderlich ist (ständige Rechtsprechung; vgl. etwa BSG, Urteil vom 13. November 2012 – B 1 KR 14/12 R – in juris, Rn. 10 m.w.N.; BSG, Urteil vom 14. Oktober 2014 – B 1 KR 25/13 R – in juris, Rn. 8).

Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Bei dem Versicherten lagen bei der Aufnahme in das nach § 108 Nr. 2 SGB V zugelassene Krankenhaus der Klägerin die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Krankenhausbehandlung vor. In der Zeit vom 20. bis 23. Juli 2010 war er auch krankenhausbehandlungsbedürftig.

cc) Rechtsgrundlage des geltend gemachten restlichen Vergütungsanspruchs der Klägerin sind § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i. V. m. § 7 Satz 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG), hier anzuwenden i.d.F. durch das Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften (AMRuaÄndG) vom 17. Juli 2009 (BGBl I, S. 1990), die Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2010 vom 29. September 2009 (Fallpauschalenvereinbarung 2010 – FPV 2010 –) und der am 1. Januar 2006 in Kraft getretene Krankenhausbehandlungsvertrag nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V für das Land Baden-Württemberg.

Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG werden die allgemeinen Krankenhausleistungen gegenüber den Patienten oder ihren Kostenträgern mit verschiedenen, in den Nummern 1 bis 8 abschließend aufgezählten Entgelten abgerechnet. Hier geht es um die Abrechnung von Fallpauschalen (DRG) nach dem auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 9 KHEntgG). Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung haben nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG gemeinsam mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als "Vertragsparteien auf Bundesebene" mit Wirkung für die Vertragspartner (§ 11 KHEntgG i.V.m. § 18 Abs. 2 Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze – Krankenhausfinanzierungs-gesetz [KHG]: Krankenhausträger und Sozialleistungsträger) einen Fallpauschalenkatalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge zu vereinbaren. Die Grundlage dieser Regelungen des KHEntgG findet sich in § 17b KHG, auf den § 9 KHEntgG auch mehrfach Bezug nimmt. Nach § 17b Abs. 1 Satz 1 KHG ist für die Vergütung der allgemeinen Krankenhausleistungen ein durchgängiges, leistungsorientiertes und pauschalierendes Vergütungssystem einzuführen. Dieses hat nach § 17b Abs. 1 Satz 2 KHG Komplexitäten und Comorbitäten abzubilden; sein Differenzierungsgrad soll praktikabel sein. Mit den Entgelten nach Satz 1 werden nach § 17b Abs. 1 Satz 3 KHG die allgemeinen vollstationären und teilstationären Krankenhausleistungen für einen Behandlungsfall vergütet.

Für die Zuordnung eines bestimmten Behandlungsfalls zu einer DRG wird in einem ersten Schritt die Diagnose nach der Internationalen Klassifikation der Krankheiten – dem ICD-10 – in der jeweiligen vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebenen deutschen Fassung verschlüsselt (§ 301 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Zur sachgerechten Durchführung der Verschlüsselung ("Kodierung") haben die Vertragspartner auf Bundesebene "Kodierrichtlinien" beschlossen. In einem zweiten Schritt wird der in den Computer eingegebene Code einer bestimmten DRG zugeordnet, anhand der dann nach Maßgabe des Fallpauschalenkatalogs und der Pflegesatzvereinbarung die von der Krankenkasse zu zahlende Vergütung errechnet wird. Diesem als "Groupierung" bezeichneten Prozess der DRG-Zuordnung liegt ein festgelegter Groupierungsalgorithmus zugrunde; in diesem vorgegebenen, vom Krankenhaus nicht zu beeinflussenden Algorithmus wird entsprechend dem vom Krankenhaus eingegebenen Code nach dem ICD-10 eine bestimmte DRG angesteuert (vgl. BSG, Urteil vom 18. Juli 2013 – B 3 KR 7/12 R – in juris, Rn. 12). Die Verbindlichkeit der in dem jeweiligen Vertragswerk angesprochenen Klassifikationssysteme folgt aus dem Umstand, dass sie in die zertifizierten Grouper einbezogen sind (BSG, Urteil vom 14. Oktober 2014 – B 1 KR 25/13 R – in juris, Rn. 12 m.w.N.).

Vergütungsregelungen für die routinemäßige Abwicklung in zahlreichen Behandlungsfällen sind streng nach ihrem Wortlaut und den dazu vereinbarten Anwendungsregeln zu handhaben; dabei gibt es grundsätzlich keinen Raum für weitere Bewertungen und Abwägungen (zuletzt BSG, Urteil vom 14. Oktober 2014 – B 1 KR 25/13 R – in juris, Rn. 13 m.w.N.). Ergeben sich bei der Abrechnung Wertungswidersprüche und sonstige Ungereimtheiten, haben es die zuständigen Stellen durch Änderung des Fallpauschalenkatalogs in der Hand, für die Zukunft Abhilfe zu schaffen. Eine systematische Interpretation der Vorschriften kann lediglich im Sinne einer Gesamtschau der im inneren Zusammenhang stehenden Bestimmungen des Regelungswerks erfolgen, um mit ihrer Hilfe den Wortlaut der Leistungslegende klarzustellen (BSG, Urteil vom 18. Juli 2013 – B 3 KR 7/12 R – in juris, Rn. 13 m.w.N.; Urteil des Senats vom 21. März 2014 L 4 KR 5233/12 – nicht veröffentlicht).

dd) Gemäß diesen Grundsätzen ist vorliegend die DRG-Fallpauschale L60D (Niereninsuffizienz, mehr als ein Belegungstag, ohne Dialyse, ohne äußerst schwere CC) zugrundezulegen. Denn die Klägerin hat zu Recht als Hauptdiagnose die Ziffer N17.8 (sonstiges akutes Nierenversagen) zugrunde gelegt. Dass die Voraussetzungen dieser Diagnose an sich vorliegen, hat auch der gerichtliche Sachverständige Dr. V. festgestellt, auch wenn er sie nur als Nebendiagnose kategorisiert. Die Gruppierung der Diagnose N17.8 führt zur Fallpauschale L60D. Dies konnte der Senat durch die Anwendung des Webgroupers (http://d.de/i.c) feststellen (vgl. zum gerichtlichen Rückgriff auf den Webgrouper auch BSG, Urteil vom 8. November 2011 – B 1 KR 8/11 R – in juris, Rn. 29).

Entgegen der Auffassung der Beklagten war die Abrechnung nicht auf der Grundlage der Diagnose A98.5 (hämorrhagisches Fieber mit renalem Syndrom) vorzunehmen. Denn bei der gebotenen engen Orientierung am Wortlaut (zuletzt BSG, Urteil vom 14. Oktober 2014 – B 1 KR 25/13 R – in juris, Rn. 13) war diese Diagnose weder Anlass für die stationäre Behandlung des Versicherten noch war sie in deren weiterem Verlauf zu stellen. Der Versicherte litt zwar sechs Tage vor Beginn der stationären Behandlung unter Fieber, so dass zum damaligen Zeitpunkt diese Diagnose hätte gestellt werden können. Weder bei seiner Vorstellung beim Arzt für Allgemeinmedizin Dr. F. am 20. Juli 2010 noch bei Aufnahme in das Krankenhaus der Klägerin am gleichen Tag wurde beim Kläger Fieber festgestellt. Die Körpertemperatur des Versicherten bei Aufnahme im Krankenhaus lag ausweislich des Arztbriefes von Dr. S. vom 26. August 2010 bei 36,9 Grad Celsius. In diesem Brief heißt es denn in der Zusammenfassung auch zutreffend, dass bei Aufnahme kein Fieber mehr vorgelegen habe. Damit fehlt es aber bereits an einem Tatbestandsmerkmal der Diagnose A98.5.

Diese Wortlautauslegung wird auch durch den Zweck der Diagnosenkodierung gestützt. Sie soll im Rahmen des Fallpauschalensystems eine am Behandlungsaufwand orientiert möglichst angemessene Vergütung des Leistungserbringers sicherstellen. Dies gebietet es bei der Kodierung möglichst die Diagnose zu verwenden, die bei der stationären Behandlung des Versicherten im Mittelpunkt gestanden hat. Dies kann aber regelmäßig nicht eine Diagnose sein, die bei Beginn der stationären Behandlung – sei es aus ex-ante-, sei es aus ex-post-Betrachtung – bei dem jeweiligen Versicherten aktuell nicht mehr zu stellen wäre.

Die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. V. überzeugen den Senat nicht. Dr. V. stellt in den Vordergrund seiner Argumentation, dass die "akute Niereninsuffizienz" (lediglich) Symptom der Krankheit "Hantavirusinfektion" gewesen sei. Er begründet aber nicht, warum die Diagnose A98.5 im konkreten Fall zu stellen gewesen sei. Zwar kann eine Hantavirusinfektion die Diagnose "hämorrhagisches Fieber mit renalem Syndrom" grundsätzlich rechtfertigen, denn nach der Einschlussbemerkung zur Diagnose A98.5 des IDC-10 wird hiervon auch eine Hantavirusinfektion mit renaler Beteiligung umfasst. Die Einschlussbemerkungen stehen aber nicht als Alternative neben der Diagnosendefinition, sondern dienen als Beispiele für diagnostische Feststellungen (vgl. Deutsche Kodierrichtlinien in der hier anzuwendenden Version 2010, S. 29). Sie sind nur einschlägig, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Diagnose auch im Übrigen erfüllt sind. Dies bedeutet, dass eine Hantavirusinfektion Ursache für ein hämorrhagisches Fieber mit renalem Syndrom sein kann, dass aber nicht jede Hantavirusinfektion die Diagnose A98.5 rechtfertigt. Fehlt es entweder am renalen Syndrom und/oder am hämorrhagisches Fieber kommt diese Diagnosenstellung auch dann nicht in Betracht, wenn eine Hantavirusinfektion vorliegt. So verhält es sich aber hier, weil der Versicherte nicht wegen eines hämorrhagischen Fiebers stationär behandelt worden ist. Auch Dr. V. geht – insofern zu Recht – davon aus, dass der Versicherte bei Aufnahme ins Krankenhaus und damit bei Beginn– und während des gesamten Verlaufes – der stationären Behandlung kein Fieber hatte.

Vor diesem Hintergrund geht die Argumentation der Beklagten, es komme bei der Festlegung der maßgeblichen Hauptdiagnose nicht auf die bei Beginn der stationären Behandlung gestellten Diagnosen an, sondern entsprechend der grundsätzlich maßgeblichen (vgl. BSG, Urteil vom 8. November 2011 – B 1 KR 8/11 R – in juris, Rn. 43, dort zur Ausnahmekonstellation) Definition der Hauptdiagnose in den Deutschen Kodierrichtlinien auf die Diagnose an, "die nach Analyse als diejenige festgestellt wurde, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes des Patienten verantwortlich ist", auf eine nachträgliche, nach Abschluss der stationären Behandlung getroffene Betrachtung an, im vorliegenden Fall ins Leere. Denn auch bei einer Ex-Post-Betrachtung ist die Annahme, dass die Behandlung wegen Fieber – und damit einem Tatbestandsmerkmal der Diagnose A98.5 – erfolgt sei, widerlegt.

Vor diesem Hintergrund kommt der Frage, nach welchen Maßstäben bei Vorliegen mehrerer Diagnosen die maßgebliche Hauptdiagnose zu bestimmen ist (dazu etwa Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16. Januar 2014 – L 16 KR 177/09 – in juris, Rn. 34 ff. – Revision beim BSG anhängig unter dem Az. B 3 KR 4/14 R), hier keine Bedeutung zu.

ee) Die Klägerin hat auch einen Anspruch gegenüber die Beklagte auf Zahlung von Prozesszinsen seit dem 21. März 2011. Rechtsgrundlage hierfür sind § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V i.V.m. § 291, § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB (vgl. BSG Urteil vom 2. November 2010 – B 1 KR 11/10 R – in juris, Rn. 30; BSG, Urteil vom 25. November 2010 – B 3 KR 6/10 R – in juris, Rn. 19). Danach hat der Schuldner eine Geldschuld von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; dabei ist § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BGB entsprechend anzuwenden (§ 291 BGB). Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz (§ 288 Abs. 1 Satz 2 BGB). Bei Rechtsgeschäften, an denen – wie hier – Verbraucher (§ 13 BGB) nicht beteiligt sind, betrug der Zinssatz für Entgeltforderungen bis zum 28. Juli 2014 acht Prozentpunkte (§ 288 Abs. 2 BGB a.F.) und beträgt seit dem 29. Juli 2014 neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz (§ 288 Abs. 2 BGB in der Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr und zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes vom 22. Juli 2014, BGBl. I, S. 1218). Nach § 94 SGG wird die Streitsache durch die Erhebung der Klage rechtshängig.

Die Klage ist am 21. März 2011 beim SG eingegangen und damit rechtshängig geworden. Der Anspruch auf Prozesszinsen beginnt daher an diesem Tag. Allerdings waren der Klägerin Zinsen nur in Höhe von vier Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zuzusprechen, denn nur in dieser Höhe hat sie im Berufungsverfahren die Verurteilung zur Zinszahlung beantragt. Einer Verurteilung der Beklagten zur Zinszahlung in Höhe der gesetzlichen vorgesehen Zinshöhe von fünf oder von acht bzw. neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz steht der in § 123 SGG verankerte Grundsatz "ne ultra petita" entgegen (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 123 Rn. 4); die Entscheidung über die Zinsen ist nicht von Amts wegen zu treffen, sondern es bedarf eines entsprechenden Antrages (vgl. Greger, in Zöller, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 253 Rn. 16a). Daher kann auch offen bleiben, ob es sich bei dem zwischen den Beteiligten maßgeblichen Rechtsverhältnis um ein Rechtsgeschäft handelt, das zur Anwendung des § 288 Abs. 2 BGB führen würde.

Der Verurteilung zur Zinszahlung nach einem Zinssatz von vier Prozentpunkten über dem Basiszinssatz steht nicht entgegen, dass die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren nur lediglich eine Verzinsung in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz beantragt hatte. Denn insofern hat sie den Klageantrag in Bezug auf Nebenforderungen erweitert, was nach § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG – auch im Berufungsverfahren (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 99 Rn. 12) – zulässig ist.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

4. Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. § 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.

5. Die endgültige Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 3 Satz 1, § 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Dabei war der Verzinsungsantrag nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen, da es sich insofern um eine Nebenforderung im Sinne von § 43 Abs. 1 GKG handelt.
Rechtskraft
Aus
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