L 4 KR 4079/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 6 KR 2025/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 4079/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Erstattung der Kosten eines Aufenthalts und einer Behandlung in einem so genannten Diabetes-Dorf (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.06.2013 - L 11 KR 3897/11 -, in juris).
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 7. August 2012 aufgehoben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 8. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Mai 2012 verurteilt, der Klägerin EUR 1.224,03 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Kostenerstattung für Unterkunfts- und Verpflegungskosten für einen achtzehntätigen Aufenthalt in dem sog. Diabetes-D. A. (im Folgenden: Diabetes-D.) in Höhe von EUR 1.224,03.

Das Diabetes-D. besteht aus einem Praxishaus, in dem Internist Dr. T. und Pädiaterin Dr. G., die beide zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sind, praktizieren, vier normalen Mehrfamilienhäusern, einem kombinierten "Rat- und Kinderhaus" mit Schulungssaal sowie einem Versandhandelshaus. Träger dieser Einrichtung ist seit 1994 die Firma Diabetes-D. A. GmbH, deren Geschäftsführer Dr. T. ist. In jedem der Häuser leben für 18 Tage sieben bis 19 Personen, die unter Diabetes mellitus Typ I leiden, bzw. deren Angehörige. Unter Alltagsbedingungen sollen die Diabetiker dort mit Unterstützung der Betreuer die Pumpentherapie lernen.

Die Klägerin ist am 24. Dezember 1960 geboren. Sie ist bei der Beklagten krankenversichert. Die Klägerin ist seit 1990 an Diabetes mellitus Typ I erkrankt. Seit dem Jahr 2002 führt sie aufgrund eines ausgeprägten Dawn-Phänomens (Arztbrief des Prof. Dr. S., St. V.-Klinken K., vom 1. April 2014) eine Insulinpumpentherapie durch; seit dem Jahr 2005 war sie im Rahmen des Disease Management Programms (DMP) in der Gemeinschaftspraxis Z. und Kollegen in K. in ärztlicher Behandlung. Im Verlauf kam es wiederholt zu erheblichen Schwankungen des Blutzuckerspiegels der Klägerin. Am 23. März 2010 wurde die Klägerin notfallmäßig in die St. V.-Klinken K. aufgenommen; bei Aufnahme wurde ein HbA1c-Wert von 9,2 Prozent festgestellt (Arztbrief des Prof. Dr. S. vom 1. April 2010). Die Klägerin wurde dort bis zum 1. April 2010 stationär behandelt. Zwischen dem 31. März und dem 6. April 2010 sowie zwischen dem 13. und 26. Mai 2010 wurden wiederholt Blutzuckerwerte von über 200 bis hin zu 326 mg/dl, aber auch von unter 50 mg/dl gemessen.

Mit Schreiben vom 27. Februar 2012 beantragte Dr. T. für die Klägerin bei der Beklagten die Übernahme der Kosten in Höhe der "Fallpauschale" von EUR 1.224,03 für eine Insulinpumpentherapie-Korrektureinstellung mit intensiver Schulung in dem von ihm geführten Diabetes-D. Die derzeitige Verwendung der Pumpentherapie durch die Klägerin erreiche bei Weitem nicht das, was eine Pumpentherapie leisten könne und auch solle. Sie reiche nach den internationalen Therapiestandards nicht aus, sie langfristig vor dem Auftreten bzw. dem Verschlechtern von Spätschäden zu schützen. Die Klägerin bekomme ihre Blutzuckerschwankungen von 40 bis 300 mg/dl alleine nicht in den Griff. Ihr fehle vieles für die Durchführung der Pumpentherapie notwendiges Detailwissen. Das Erreichen der Kenntnisse allein unter rein ambulanten Bedingungen gelänge nicht.

Mit Bescheid vom 8. März 2012 lehnte die Beklagte gegenüber der Klägerin die Beteiligung an den Kosten für die beantragte Maßnahme ab. Es könnten nur Kosten für Patientenschulungen übernommen werden, wenn diese nach wissenschaftlichen Erkenntnissen geeignet seien, eine Krankheit und deren Folgen nachhaltig und deutlich zu verbessern. Das von der Klägerin beantragte Schulungsprogramm erfülle diese Voraussetzungen nach den ihr vorliegenden Erkenntnissen nicht.

Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 22. März 2012 Widerspruch. Sie verwies auf das Antragsschreiben des Dr. T. und trug weiter vor, aus der S 3-Leitlinien-Therapie des Typ I-Diabetes der Deutschen Diabetes-Gesellschaft gehe hervor, dass Schulungen für Menschen mit Typ I-Diabetes empfohlen würden. Ihr seien bisher lediglich eine technische Einweisung in die Anwendung ihrer Insulinpumpe und eine Schulung im Krankenhaus mit Typ II-Diabetikern angeboten worden. Eine umfassende Schulung habe sie bisher nicht erhalten. Sie weise einen deutlich erhöhten HbA1c-Wert von zehn Prozent auf – der Normwert betrage 6,1 Prozent –, was bei fehlender Therapierung mittelfristig erhebliche Folgeschäden befürchten lasse, die wiederum mit erheblichen Kosten für die Krankenkassen verbunden wären. Dieser erhöhte Wert sei Ergebnis häufiger Unterzuckerungen, in deren Folge der Blutzuckerspiegel anschließend weit überproportional ansteige. Sie erwarte sich von der ambulanten Schulung unter Alltagsbedingungen, dass ihr Blutzuckerspiegel langfristig auf ein niedrig stabiles Niveau gebracht werden könne. Hierdurch würden erhebliche Folgekosten für die Beklagte wegen des ansonsten zu befürchtenden Eintritts von diabetischen Folgeerkrankungen vermieden. Auch eine bereits mehrfach drohende unterzuckerungsbedingte Notfallsituation mit Rettungswageneinsatz und anschließender stationärer Aufnahme würde erheblich höhere Kosten verursachen als die angestrebte Schulung. Selbst die Kosten eines Krankenhausaufenthaltes zur Einstellung ihrer Therapie lägen erheblich höher als das beantragte Schulungsprogramm, einmal davon abgesehen, dass das angestrebte Ziel unter lebensnahen Bedingungen viel besser erreicht werden könne. Derzeit leide sie massiv unter den für sie unvorhersehbaren Blutzuckerschwankungen und sei unterzuckerungsbedingt bereits schon mehrfach hilflos gewesen. Es sei nur eine Zeitfrage, bis ernsthafte Schäden beispielsweise durch unterzuckerungsbedingte Unfälle einträten.

Der Widerspruchsausschuss der Beklagten entschied mit Widerspruchsbescheid vom 11. Mai 2012, dem Widerspruch nicht stattzugeben. Die Beklagte könne bei Bedarf Patientenschulungen für chronisch Kranke erbringen. Voraussetzung für die Leistungserbringung sei, dass die Wirksamkeit und Effizienz des Patientenschulungsprogrammes nachgewiesen worden sei. Weitere Voraussetzungen ergäben sich aus den gemeinsamen Empfehlungen der Spitzenverbände der Krankenkassen zur Förderung und Durchführung von Patientenschulungen. Bei den Maßnahmen müsse es sich um erprobte und qualitätsgesicherte Schulungsprogramme handeln. Sie müssten in ihrer Ausführung, Art und Dauer den anerkannten Erfahrungsgrundsätzen der beteiligten Wissenschaftsdisziplinen und dem Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Die Wirksamkeit und Effizienz von Patienten¬schulungsmaßnahmen sei gegenüber der Krankenkasse nachzuweisen. Diabetikerschulungen seien keine Patientenschulungen in diesem Sinne. Die Diabetikerschulung sei Bestandteil des Disease Management Programms (DMP – Besser-Leben-Programm) für Diabetes und könnte in diesem Rahmen vom Behandler abgerechnet werden. Zwischen ihr – der Beklagten – und dem Diabetes-D. bestünden auch keine sonstigen Vertragsbeziehungen, durch die sie zur Übernahme der Kosten verpflichtet wäre. Eine gleichwertige und wirtschaftliche Versorgung könne ambulant in einer kassenärztlichen Diabetesschwerpunktpraxis erfolgen. Die Pumpenschulung in dem Diabetes-D. sei dieser Versorgung nicht überlegen.

Am 1. Juni 2012 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG).

Der HbA1c-Wert der Klägerin lag bei ihrer Vorstellung in der Diabetes-Sprechstunde der St. V.-Kliniken K. am 5. Juni 2012 bei 9,7 Prozent. Prof. Dr. S. empfahl in seinem Arztbrief, der auf den 14. Mai (sic!) 2012 datiert ist, angesichts der zuletzt zahlreichen Hypoglykämien tagsüber eine Umstellung der Basalrate. Die Klägerin könne sich hierfür gerne wieder dort vorstellen. Zwischen dem 5. und 11. Juni 2012 wurden bei der Klägerin erneut Blutzuckerwerte zwischen 56 mg/dl und 348 mg/dl gemessen. In dieser Zeit wurden 17 Hyperglykämien und sechs Hypoglykämien festgestellt. Am 15. Juni 2012 schwankte der Blutzuckerspiegel zwischen 119 und 310 mg/dl.

Vom 19. Juni 2012 bis zum 6. Juli 2012 absolvierte die Klägerin die beantragte Patientenschulung im Diabetes-D. Hierfür entstanden ihr Kosten in Höhe einer "Fallpauschale" von EUR 1.224,03 für Unterkunft und Verpflegung, die die Klägerin zahlte, weil sie nicht von der Beklagten übernommen wurden. Die Kosten der ärztlichen Behandlung übernahm die Beklagte.

Die Klägerin trug im Klageverfahren vor, dass andere gesetzliche Krankenkassen in mehr als 4.000 Fällen die Kosten des Schulungsprogrammes übernommen hätten. Nach Durchführung der Maßnahme sei bei ihr am 4. September 2012 in den St. V.-Kliniken K. ein HbA1c-Wert von nunmehr 6,7 Prozent festgestellt worden. Es zeige sich also, dass sich bereits nach Abschluss der Maßnahme ihr Blutzuckerlangzeitwert nachhaltig gebessert habe, so dass sie bereits fast wieder Normalwerte aufweise. Allein dies belege, dass die durchgeführte Schulungsmaßnahme sehr erfolgreich gewesen sei. Im Übrigen liege auch ein Fall des Systemversagens vor. Dass im vorliegenden Fall weder die Vertragsärzte noch die St. V.-Kliniken K. ihr mit einer entsprechenden Schulung zu helfen vermocht hätten, belege mehr als nachdrücklich, dass hier eine Lücke in der medizinischen Versorgung bestehe. Sie sei am "1. April 2010" (richtig 23. März 2010) aufgrund eines entgleisten Blutzuckerstoffwechsels in der Internistischen Notfall-Ambulanz des St. V.-Klinikums K. stationär aufgenommen worden. Die dortigen Bemühungen in den Folgejahren, den HbA1c-Wert deutlich zu senken, seien gescheitert. Auch die Teilnahme an einem DMP habe keine relevante Besserung zur Folge gehabt. Angesichts des für sie lebensbedrohlichen Zustandes mit der Gefahr jederzeit plötzlich auftretender Hypoglykämien sei sie dringend auf eine qualifizierte Schulung angewiesen gewesen. Die Beklagte habe schließlich das ihr eingeräumte Ermessen bislang nicht bzw. fehlerhaft ausgeübt.

Die Klägerin legte eine Stellungnahme von Prof. Dr. S. vom 5. September 2012 vor. Darin führte dieser aus, dass es bei der Klägerin trotz der seit 2002 durchgeführten Insulinpumpentherapie und trotz intensiver ambulanter Bemühungen nicht gelungen sei, den HbA1c-Wert deutlich zu senken. Im Mai 2012 habe er noch bei 9,7 Prozent gelegen. Die Klägerin führe ihre Insulinpumpentherapie gründlich und akkurat durch. Sie wisse über die Therapie auch gut Bescheid. Es gebe dennoch immer wieder Typ 1-Diabetiker, die auch unter einer Insulinpumpentherapie und trotz ausreichender Schulung schwer einstellbar seien. Diese Patienten erführen in der Regel durch die Teilnahme an einem DMP keine relevante Besserung. Er habe der Klägerin daher geraten, an einer Schulungsmaßnahme im Diabetes-D. teilzunehmen. Nach Durchführung der Maßnahme habe sich die Klägerin am 4. September 2012 wieder bei ihm vorgestellt. Unter den dort durchgeführten Therapiemodifikationen habe sich ihr HbA1c-Wert dramatisch auf jetzt 6,7 Prozent gebessert.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Grundsätzlich seien Patientenschulungen für Diabetiker im Rahmen des DMP durchzuführen. Bei der Schulung im Diabetes-D. handele es sich nicht um eine Patientenschulung. Für die Übernahme der Kosten im Diabetes-D. gelte, dass neben dem Umgang und der Zubereitung von Nahrungsmitteln die Teilnehmer auch im Umgang mit der Technik der Insulinpumpe eingewiesen würden. Diese Unterweisungen in die Technik der Insulinpumpe sei als Gebrauch von Hilfsmitteln abzugrenzen von den Patientenschulungen. Ein weiterer Schwerpunkt bilde die ärztliche Betreuung in Form der Neueinstellung der Insulinpumpe. Im Rahmen täglicher Verlaufsbesprechungen gebe Dr. T. an die Schulungsteilnehmer individuell angepasste Hinweise. Dieser Teil sei vertragsärztliche Versorgung. Schließlich werde das Diabetes-D. auch als Alternative zur Krankenhaus-Behandlung beworben und – offenbar angelehnt an das Vergütungssystem der Krankenhaus-Behandlung – eine Fallpauschale erhoben. Da die Maßnahme auch Unterkunft und Verpflegung enthalte, seien noch Elemente einer stationären Rehabilitation enthalten. Diese Komplexbehandlung stelle insgesamt keine Patientenschulung dar. Aber selbst wenn man von einer Patientenschulung ausgehen würde, fehle auch weiterhin der Nachweis der Wirksamkeit und Effizienz. Das Programm sei nicht mit den Krankenkassen entwickelt oder abgestimmt worden. Eine Qualitätssicherung finde nicht statt.

Das SG wies die Klage mit Urteil mit 7. August 2013 ab. Die Beklagte habe weder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt noch habe es sich um eine unaufschiebbare Leistung gehandelt. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Krankenhausbehandlung in Gestalt der stationären Unterbringung im Diabetes-D., weil die dortige Behandlung nicht medizinisch notwendig und damit nicht erforderlich gewesen sei. Ausreichend und zweckmäßig wäre eine Schulung in einer wohnortnahen Diabetes-Praxis oder einem Diabetes-Schwerpunkt gewesen. Eine umfassende Schulung mit 100 Stunden sei medizinisch nicht notwendig. Der Gebrauch einer Insulinpumpe könne in wesentlich kürzerer Zeit erlernt werden. Auch habe die Klägerin nicht alle Möglichkeiten der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschöpft. Dies ergebe sich aus dem Befundbericht des Prof. Dr. S. vom 14. Mai 2012, in dem eine Umverteilung der Basalrate für notwendig gehalten und der Klägerin hierfür weitere Behandlungstermine angeboten worden seien. Im Übrigen scheitere ein Kostenerstattungsanspruch auch daran, dass zwischen der Beklagten und dem Diabetes-Dorf kein Versorgungsvertrag bestanden habe und es sich bei der Einrichtung auch nicht um eine Hochschulklinik oder um ein Krankenhaus, dass im Krankenhausplan eines Landes aufgenommen worden sei, handele. Für einen Versorgungs-notstand, der es rechtfertige, die Beklagte zur Erstattung der Behandlungskosten in einer Nichtvertragsklinik zu verpflichten, bestehe kein Anhalt. Die Behandlung im Diabetes-D. habe für die Klägerin auch keine unaufschiebbare Leistung dargestellt. Anhaltspunkte für eine entsprechende Dringlichkeit würden bei der Klägerin nicht bestehen. Schließlich handele es sich bei den Behandlungen in dem Diabetes-D. nicht um eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme, so dass ein Erstattungsanspruch für die Unterkunft und Verpflegungskosten auch unter diesem Gesichtspunkt nicht bestünde. Im Hinblick auf die weiteren Therapie- und Schulungsmöglich-keiten der vertragsärztlichen Versorgung sei auch ein Systemversagen nicht zu erkennen.

Gegen das ihr am 29. August 2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 19. September 2013 Berufung eingelegt. Das SG habe sich mit der Stellungnahme des Prof. Dr. S. vom 5. September 2012 nicht auseinandergesetzt. Auch habe es nicht dargestellt, welche weitere Möglichkeiten im Rahmen einer vertragsärztlichen Versorgung offen gestanden hätten. Sie leide seit Jahren an unberechenbaren Blutzuckerschwankungen, in deren Folge sie mehrfach hilflos von Familienangehörigen angetroffen worden sei. Die bisherigen Versuche, den Blutzuckerspiegel zu reduzieren, seien nicht erfolgreich gewesen. Bei der von ihr in Anspruch genommenen Schulungsmaßnahme im Diabetes-D. handele es sich um eine unaufschiebbare Leistung, die die Beklagte zu Unrecht abgelehnt habe. Die Beklagte habe ihr auch keine adäquate Leistung angeboten, sondern lediglich auf einen erneuten stationären Aufenthalt im Krankenhaus verwiesen. Dort könnten jedoch die für die erfolgreiche Therapie unabdingbaren realistischen Lebensbedingungen (z. B. körperliche Aktivitäten, nach denen es besonders häufig zu Hypoglykämien gekommen sei) nicht dargestellt werden. Im Übrigen habe sie bereits einen erfolglosen Krankenhausaufenthalt absolviert, so dass hiervon eine Besserung nicht zu erwarten gewesen sei. Auch die von der Beklagten empfohlene weitere Teilnahme am DMP mit einer fünfminütigen Beratung pro Quartal in einer diabetologischen Praxis sei ebenfalls nicht geeignet, eine Besserung des Zustandes herbeizuführen. Im Übrigen stünde ihr ein Erstattungsanspruch auch unter dem Gesichtspunkt des Systemversagens zu. Obwohl die Schulungsmaßnahmen im Diabetes-D. bereits seit 1993 durchgeführt würden, hätten es die Beklagte und andere gesetzliche Krankenkassen versäumt, eine ihren Anforderungen genügende wissenschaftliche Evaluierung durchzuführen. Bis zur Durchführung der Schulungsmaßnahme habe mehr als zwei Jahre ein für sie massiv gesundheitsbedrohlicher, manchmal sogar lebensbedrohlicher Zustand aufgrund der ständigen Hyperglykämien mit der Gefahr eines Komas bestanden, der durch die Schulungs¬maßnahme habe behoben werden können. Aufgrund der ständigen Blutzuckerentgleisungen, insbesondere auch der Gefahr, durch eine Unterzuckerung in ein irreversibles Koma zu fallen, habe bei ihr ein potenziell tödlicher Krankheitsverlauf vorgelegen. Es habe zudem die erhebliche Gefahr des vorzeitigen Eintritts von Spätkomplikationen aufgrund der ständigen Blutzucker¬entgleisungen, die sich ohnehin schon durch die seit über mehrere Jahre hinziehenden erfolglosen Therapieversuche signifikant erhöht hätte, bestanden. Da auch die Beklagte bisher nicht vorgetragen habe, welche andere erfolgversprechende Behandlung innerhalb ihres Versorgungssystems zur Verfügung stehe, seien die Unterbringungs- und Verpflegungskosten der bei Dr. T. durchgeführten Schulung zu erstatten.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 7. August 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 8. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Mai 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Kosten in Höhe von EUR 1.224,03 nebst Prozesszinsen zu erstatten, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis für zutreffend. Eine Unaufschiebbarkeit der Leistung lasse sich genauso wie eine medizinische Notwendigkeit aus der Stellungnahme des Prof. Dr. S. vom 5. September 2012 nicht herleiten. Die dem Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 18. März 2013 (L 11 KR 3897/11) zugrunde liegende Konstellation, in der eine Unaufschiebbarkeit angenommen worden sei, sei im vorliegenden Fall nicht gegeben. Ausweislich des Kostenübernahmeantrages des Dr. T. vom 27. Februar 2012 habe die Klägerin den Besuch des Diabetes-D. deswegen beabsichtigt, weil sie sich Sorgen um mögliche Folgeschäden gemacht habe. Von einer Unaufschiebbarkeit der Maßnahme seien aber weder die Klägerin noch Dr. T. selbst ausgegangen. Abweichend von der angegriffenen Entscheidung und dem genannten Urteil des LSG sei sie zudem der Auffassung, dass es sich bei dem Aufenthalt im Diabetes-D. nicht um eine Krankenhausbehandlung handele. Das Diabetes-D. sei nach eigener Darstellung kein Krankenhaus, sondern es biete eine ambulante überwachte Insulinpumpentherapie-Korrektureinstellung mit intensiver Schulung an. Aus dem Umstand, dass in der Einrichtung eine Übernachtungsmöglichkeit angeboten werde, könne nicht auf das Vorliegen einer Krankenhausbehandlung geschlossen werden. Das Diabetes-D. werde auch keine gewerberechtliche Genehmigung zum Betrieb eines Krankenhauses beantragt haben. Bei der Behandlung im Diabetes-D. handele es sich vielmehr um eine sogenannte neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode. Die hierfür erforderliche positive Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses liege nicht vor, so dass sie Kosten der Behandlung nicht zu tragen hätte. Im Übrigen habe die Klägerin nicht alle Möglichkeiten der ambulanten Behandlung ausgeschöpft. Ausreichend und zweckmäßig wäre eine Schulung wohnortnah in einer Diabetes-Praxis oder einem Diabetes-Schwerpunkt gewesen. Auch ein Systemversagen liege nicht vor.

Der frühere Berichterstatter hat den Sachverhalt mit den Beteiligten am 16. Mai 2014 erörtert. Die Beklagte hat sich in dem Termin, die Klägerin im Nachgang zum Termin mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogene Akte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die gemäß § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, die gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG nicht der Zulassung bedurfte und über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist auch im Übrigen zulässig.

Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 SGG) ist der Bescheid der Beklagten vom 8. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Mai 2012, mit dem die Beklagte die Übernahme der Kosten für Unterkunft und Verpflegung abgelehnt hat. Nachdem die Klägerin sich die entsprechenden Leistungen selbst beschafft hat, richtet sich ihr Leistungsbegehren auf einen Kostenerstattungsanspruch in Höhe von EUR 1.224,03. Die ursprünglichen Bescheide bleiben aber Gegenstand des Verfahrens (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 28. Februar 2008 – B 1 KR 19/07 R – in juris, Rn. 22).

2. Die Berufung ist auch überwiegend begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 8. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Mai 2012 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung der ihr durch den Aufenthalt im Diabetes-D. entstandenen Kosten für Unterkunft und Verpflegung in Höhe von EUR 1.224,03 (dazu unter a). Die Klägerin hat indes keinen Anspruch auf Zahlung von Prozesszinsen (dazu unter b).

a) Der Anspruch auf Erstattung der durch den Aufenthalt im Diabetes-D. entstandenen Kosten für Unterkunft und Verpflegung in Höhe von EUR 1.224,03 folgt aus § 13 Abs. 3 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Danach sind, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dem Versicherten dadurch Kosten für die selbstbeschaffte Leistung entstanden sind, diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Vorschrift ersetzt einen Sachleistungsanspruch durch einen Kostenerstattungsanspruch, wenn die Krankenkasse eine Leistung wegen ihrer Dringlichkeit nicht mehr rechtzeitig erbringen konnte oder zu Unrecht abgelehnt hat. In anderen Fällen selbstbeschaffter Leistungen besteht keine Leistungspflicht der Krankenkasse. Die Regelung des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V will Versicherten einerseits die Möglichkeit eröffnen, sich eine von der Krankenkasse geschuldete, aber als Naturalleistung nicht erhältliche Behandlung selbst zu beschaffen, andererseits jedoch die Befolgung des Naturalleistungsgrundsatzes dadurch absichern, dass eine Kostenerstattung nur erfolgt, wenn tatsächlich eine Versorgungslücke besteht. Eine Versorgungslücke besteht nicht, wenn der Versicherte eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in Anspruch nehmen kann, aber nicht will (zum Ganzen BSG, Urteil vom 3. Juli 2012 – B 1 KR 6/11 R – in juris, Rn. 22).

Diese Voraussetzungen für den Kostenerstattungsanspruch liegen vor. Die Voraussetzungen der zweiten Alternative sind gegeben. Denn die Beklagte lehnte die Leistung zu Unrecht ab.

Die von der Klägerin geltend gemachten Unterkunfts- und Verpflegungskosten im Diabetes-D. sind als im Rahmen einer stationären Krankenhausbehandlung angefallene Kosten zu erstatten. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst auch die Krankenhausbehandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V). Gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB V wird Krankenhausbehandlung vollstationär, teilstationär, vor- und nachstationär (§ 115a SGB V) sowie ambulant (§ 115b SGB V) erbracht. Versicherte haben gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus (§ 108 SGB V), wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Ob und ggf. mit welcher Dauer Krankenhausbehandlung erforderlich ist, ist nach der Rechtsprechung des BSG von der Krankenkasse und im Streitfall von den Gerichten selbständig zu prüfen und zu entscheiden, ohne dass dabei den Krankenhausärzten eine Einschätzungsprärogative zukommt. Entscheidend ist, ob nach den objektiven medizinischen Befunden und wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Behandlung eine Krankenhausbehandlung erforderlich war, eine solche den medizinischen Richtlinien, Leitlinien und Standards entsprach und nicht im Widerspruch zur allgemeinen oder besonderen ärztlichen Erfahrung stand (so zum Abrechnungsstreit zwischen Krankenhaus und Krankenkasse BSG, Urteil vom 22. April 2009 – B 3 KR 24/07 R – in juris, Rn. 13).

Die Klägerin hatte einen Anspruch auf Krankenbehandlung. Dabei ist der Beklagten zuzugeben, dass sich die hier vorliegende Konstellation von dem Sachverhalt unterscheidet, der dem Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 18. Juni 2013 (L 11 KR 3897/11 – in juris, Rn. 24) zugrunde lag. Insbesondere leidet die Klägerin nicht an einer besonders seltenen und nur schwer präzise zu diagnostizierenden Form des Diabetes. Der vorliegende Sachverhalt entspricht dem, der diesem Urteil des LSG Baden-Württemberg zugrunde lag, jedoch insoweit, als eine Erfolg versprechende Behandlung innerhalb des Versorgungssystems nicht mehr zur Verfügung stand und allein die Teilnahme an der Schulung im Diabetes-D. eine Aussicht auf eine bessere Einstellung der Blutzuckerwerte hatte. Der Blutzuckerspiegel der Klägerin wies in der Vergangenheit regelmäßig Werte außerhalb des Normbereiches auf, die mit den bisherigen ambulanten Maßnahmen und der Insulinpumpentherapie nicht reguliert werden konnten. So steht aufgrund der von der Klägerin vorgelegten Messprotokolle zur Überzeugung des Senats fest, dass zwischen dem 31. März und dem 6. April 2010 sowie zwischen dem 13. und 26. Mai 2010 wiederholt Blutzuckerwerte von über 200 bis hin zu 326 mg/dl, aber auch von unter 50 mg/dl vorlagen und zwischen dem 5. und 11. Juni 2012 Blutzuckerwerte zwischen 56 mg/dl und 348 mg/dl. Im zuletzt genannten Zeitraum wurden 17 Hyperglykämien und sechs Hypoglykämien festgestellt. Am 15. Juni 2012 schwankte der Blutzuckerspiegel zwischen 119 und 310 mg/dl. Das Therapieziel liegt bei 80 bis 120 mg/dl (Usadel/Wahl, in: Innere Medizin, 2. Aufl. 2009, S. 688). Bei Blutzuckerwerten unter 50 mg/dl liegt eine Hypoglykämie vor, die bis zum Koma führen kann (Usadel/Wahl, in: Innere Medizin, 2. Aufl. 2009, S. 690). Bei Blutzuckerwerten jedenfalls über 200 mg/dl kann es demgegenüber zu hyperglykämischem Koma kommen (Usadel/Wahl, in: Innere Medizin, 2. Aufl. 2009, S. 673). Der Langzeitblutzuckerwert HbA1c betrug bei der Klägerin etwa am 23. März 2010 9,2 Prozent (Arztbrief des Prof. Dr. S. vom 1. April 2014); am 5. Juni 2012 betrug der HbA1c-Wert 9,7 Prozent (Arztbrief von Prof. Dr. S. vom 14. Mai [sic!] 2012). Der Zielwert der Diabetestherapie ist ein Wert unter 6,5 Prozent (Usadel/Wahl, in: Innere Medizin, 2. Aufl. 2009, S. 671).

Angesichts dieser Werte und der daraus resultierenden Risiken sowohl bezüglich des Eintritts eines Komas als auch bezüglich der Langzeitfolgen musste sich die Klägerin nicht auf weitere ambulante Maßnahmen verweisen lassen, zumal die entsprechenden Angebote der Beklagten – auch noch während des gerichtlichen Verfahrens – äußerst vage geblieben sind. Die Beklagte verweist auf eine wohnortnahe Schulung in einer Diabetespraxis oder einem Diabetesschwer-punkt. Grundsätzlich ist dies zwar zutreffend (vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 28. Juni 2006 – L 11 KR 1984/06 – nicht veröffentlicht), wird aber dem konkreten Fall der Klägerin nicht gerecht. Die Klägerin war seit dem Jahr 2005 im Rahmen des von der Beklagten angebotenen DMP in ambulanter ärztlicher Behandlung, ohne dass dies zu einer Verbesserung des Blutzuckerspiegels geführt hätte. Dass ambulante Maßnahmen nicht mehr ausreichen, entnimmt der Senat auch der Stellungnahme des Prof. Dr. S. vom 5. September 2012, in dem dieser ausführt, dass es trotz intensiver ambulanter Bemühungen nicht gelungen sei, den HbA1c-Wert deutlich zu senken, obwohl die Klägerin die Insulinpumpentherapie gründlich und akkurat durchführe und über diese Therapie auch gut Bescheid wisse. Es gebe immer wieder Typ 1-Diabetiker, die auch unter einer Insulinpumpentherapie und trotz ausreichender Schulung schwer einstellbar seien. Diese Patienten erführen in der Regel auch durch die Teilnahme am einem DMP keine relevante Besserung. Er habe der Klägerin daher geraten, an einer Schulungsmaßnahme im Diabetes-D. teilzunehmen. Vor diesem Hintergrund teilt der Senat nicht die Auffassung des SG, dass sich dem Arztbrief des Prof. Dr. S. vom 14. Mai (sic!) 2012 entnehmen lasse, dass die Möglichkeiten ambulanter Behandlung noch nicht erschöpft seien. Zwar bot Prof. Dr. S. in diesem Arztbrief gegenüber dem Hausarzt der Klägerin an, dass sich die Klägerin erneut in der Diabetes-Sprechstunde vorstellen könne. Eine Aussage über die Erfolgsaussichten ist hiermit jedoch nicht verbunden gewesen; jedenfalls ist dieser Arztbrief durch die spätere Stellungnahme vom 5. September 2012 überholt.

Weil allein die Teilnahme der Klägerin an der Schulung im Diabetes-D. eine Aussicht auf eine bessere Einstellung der Blutzuckerwerte hatte, bestand eine Lücke im Naturalleistungssystem und damit ein Systemversagen. Die Klägerin war nicht in der Lage, sich die notwendige Leistung der Insulinpumpenschulung auf dem üblichen Weg der Naturalleistung zu verschaffen. Das BSG (Urteil vom 2. September 2014 - B 1 KR 11/13 R -, in juris Rn. 16) erstreckt den Anwendungsbereich der Regelung des § 13 Abs. 3 Satz 1 zweite Alternative SGB V über den ausdrücklich geregelten Kostenerstattungsanspruch hinaus auch auf Fälle der Kostenfreistellung, wenn aufgrund Systemversagens eine Lücke im Naturalleistungssystem besteht, die verhindert, dass Versicherte sich die begehrte Leistung im üblichen Weg der Naturalleistung verschaffen können.

Der Aufenthalt der Klägerin im Diabetes-D. diente der Therapie der Erkrankung, in dem dort die Insulinpumpentherapie optimiert wurde. Die Klägerin hat im Diabetes-D. auch rein tatsächlich eine vollstationäre Krankenhausbehandlung erhalten (siehe – auch zum Folgenden – LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18. Juni 2013 – L 11 KR 3897/11 – in juris, Rn. 26). Erstreckt sich eine Krankenbehandlung nach dem zeitlichen Ausmaß über mehrere Tage und Wochen und ist die ständige Anwesenheit des Versicherten erforderlich, handelt es sich nach dem Umfang und den Anforderungen nicht mehr um ambulante Behandlungsmaßnahmen, sondern um eine stationäre Krankenbehandlung, die nach der Überwachungsintensität und der Therapiefrequenz die sachlichen und personellen Mittel eines Krankenhauses erfordert. Eine vollstationäre Behandlung im Sinne einer physischen und organisatorischen Eingliederung in das spezifische Versorgungssystem eines Krankenhauses ist dann gegeben, wenn sie sich nach dem ärztlichen Behandlungsplan in der Vorausschau zeitlich auf mindestens einen Tag und eine Nacht erstreckt (vgl. BSG, Urteil vom 28. Februar 2007 – B 3 KR 17/06 R – in juris, Rn. 21).

Die Behandlung im Diabetes-D. ist nicht als stationäre Rehabilitationsmaßnahme anzusehen (so – auch zum Folgenden – bereits LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18. Juni 2013 – L 11 KR 3897/11 – in juris, Rn. 27). Die Abgrenzung zwischen vollstationärer Krankenhausbehandlung und stationärer medizinischer Rehabilitation ist bisweilen schwierig, weil Rehabilitationseinrich-tung und Krankenhaus sich darin decken, dass beide auf die Behandlung von Krankheiten und die Beseitigung ihrer Folgen beim Betroffenen gerichtet sind (BSG, Urteil vom 20. Januar 2005 – B 3 KR 9/03 R – in juris, Rn. 20). Deshalb kann eine Unterscheidung im Wesentlichen nur nach der Art der Einrichtung, den Behandlungsmethoden und dem Hauptziel der Behandlung getroffen werden, die sich auch in der Organisation der Einrichtung widerspiegeln (BSG, Urteil vom 19. November 1997 – 3 RK 21/96 – in juris, Rn. 18). Anhaltspunkte zur Differenzierung bietet § 107 SGB V: Nach § 107 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b und Nr. 2 SGB V dienen Rehabilitationseinrichtungen der stationären Behandlung der Patienten, um "eine Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern oder im Anschluss an eine Krankenhausbehandlung den dabei erzielten Behandlungserfolg zu sichern oder zu festigen, auch mit dem Ziel, eine drohende Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern (Rehabilitation)". Es ist zudem erforderlich, dass diese Einrichtungen "fachlich-medizinisch unter ständiger ärztlicher Verantwortung und unter Mitwirkung von besonders geschultem Personal darauf eingerichtet sind, den Gesundheitszustand der Patienten nach einem ärztlichen Behandlungsplan vorwiegend durch Anwendung von Heilmitteln einschließlich Krankengymnastik, Bewegungstherapie, Sprachtherapie oder Arbeits- und Beschäftigungstherapie, ferner durch andere geeignete Hilfen, auch durch geistige und seelische Einwirkungen, zu verbessern und den Patienten bei der Entwicklung eigener Abwehr- und Heilungskräfte zu helfen". Krankenhäuser sind demgegenüber "Einrichtungen, die der Krankenhausbehandlung oder Geburtshilfe dienen, fachlich-medizinisch unter ständiger ärztlicher Leitung stehen, über ausreichende, ihrem Versorgungsauftrag entsprechende diagnostische und therapeutische Möglichkeiten verfügen und nach wissenschaftlich anerkannten Methoden arbeiten und mit Hilfe von jederzeit verfügbarem ärztlichem, Pflege-, Funktions- und medizinisch-technischem Personal darauf eingerichtet sind, vorwiegend durch ärztliche und pflegerische Hilfeleistung Krankheiten der Patienten zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten, Krankheitsbeschwerden zu lindern oder Geburtshilfe zu leisten" (§ 107 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 SGB V). Die Rechtsprechung hat unter anderem daraus als besondere Mittel des Krankenhauses auf eine apparative Mindestausstattung, ein geschultes Pflegepersonal und einen jederzeit präsenten bzw. rufbereiten Arzt geschlossen (vgl. BSG, Urteil vom 20. Januar 2005 – B 3 KR 9/03 R – in juris, Rn. 20 m.w.N.), jedoch im Hinblick auf das Merkmal "Krankenhausbehandlung" weder den Einsatz aller dieser Mittel gefordert noch stets als ausreichend angesehen. Regelmäßig ist eine Gesamtschau unter Berücksichtigung der Verhältnisse des einzelnen Falles erforderlich, die jedoch nur nach objektiven Merkmalen und Kriterien erfolgen kann (BSG, Urteil vom 20. Januar 2005 – B 3 KR 9/03 R – in juris, Rn. 20 m.w.N.; zum Ganzen auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 14. Mai 2013 – L 11 KR 567/12 – in juris, Rn. 34 f.).

Während des Aufenthalts der Klägerin im Diabetes-D. führte Dr. T. therapeutische Maßnahmen durch, um den Blutzuckerspiegel der Klägerin zu regulieren. Hierbei handelt es sich eine ärztliche Hilfeleistung, die dazu dient, die Krankheit der Klägerin zumindest zu lindern, und die sich nicht in der Linderung der Krankheitsbeschwerden bzw. Sicherung des vorangegangenen Behandlungserfolges erschöpft.

Zwar richtet sich der Anspruch auf Krankenhausbehandlung nur auf eine Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus im Sinne des § 108 SGB V und das Diabetes-D. verfügt weder über eine Zulassung als Krankenhaus nach § 108 SGV noch als Rehabilitationseinrichtung nach § 111 SGB V. Dr. T. selbst verfügt nur über eine Zulassung zur ambulanten Krankenbehandlung als niedergelassener Vertragsarzt (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18. Juni 2013 – L 11 KR 3897/11 – in juris, Rn. 29). Doch steht die fehlende Zulassung der Einrichtung als Krankenhaus im vorliegenden Fall einem Anspruch auf Kostenerstattung nicht entgegen. Bei rechtswidriger Ablehnung stationärer Behandlung sind die Aufwendungen für die Inanspruchnahme eines nicht zugelassenen Krankenhauses nicht nur erstattungsfähig, wenn ein Vertragskrankenhaus mangels ausreichender Informationsmöglichkeiten des Versicherten nicht erreichbar gewesen ist. Versicherte, denen ihre Krankenkasse rechtswidrig Leistungen verwehrt, sind vielmehr nicht prinzipiell auf die Selbstbeschaffung der Leistungen bei zugelassenen Leistungserbringern verwiesen. Sie müssen sich nur eine der vorenthaltenen Naturalleistung entsprechende Leistung verschaffen, dies aber von vorneherein privatärztlich außerhalb des Leistungssystems (BSG, Urteil vom 11. September 2012 – B 1 KR 3/12 R – in juris, Rn. 33).

b) Soweit die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Prozesszinsen begehrt, hat die Berufung keinen Erfolg. Im sozialgerichtlichen Verfahren gibt es keine Rechtsgrundlage für die Zahlung von Prozesszinsen. Die Regelung des § 291 Bürgerliches Gesetzbuch ist im Verhältnis zwischen Versichertem und Sozialversicherungsträger nicht anwendbar (Urteil des Senats vom 23. Januar 2009 – L 4 KR 1535/07 – nicht veröffentlicht; vgl. auch LSG Schleswig–Holstein, Urteil vom 26. November 2014 – L 9 AY 70/12 – in juris, Rn. 61).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG. Dabei hat der Senat das ihm zustehende Ermessen dahingehend ausgeübt, das Unterliegen der Klägerin hinsichtlich der geltend gemachten Prozesszinsen angesichts des geringen Werts im Vergleich zum Umfang ihres Obsiegens nicht zu ihren Lasten zu berücksichtigen.

4. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (§ 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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