Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 21 R 3546/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 2689/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Im Falle eines - hier nur unterstellten - vom Rentenversicherungsträger zu Unrecht unterlassenen Beitragsregresses nach § 119 SGB X können die nicht erhobenen Beiträge nicht fiktiv der Rentenberechnung zu Grunde gelegt werden. Denn nur tatsächlich gezahlte Beiträge sind bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen, sofern das Gesetz nicht ausdrücklich anderes anordnet, was bei § 119 SGB X gerade nicht der Fall ist.
2. Über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch kann die Zahlung von Beiträgen nicht ersetzt werden. "
2. Über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch kann die Zahlung von Beiträgen nicht ersetzt werden. "
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 07.05.2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens höhere Rente wegen voller Erwerbsminderung unter Berücksichtigung höherer Pflichtbeiträge für den Zeitraum April 1997 bis Januar 2002.
Der 1968 geborene Kläger war bis 1997 in seinem Ausbildungsberuf als Industriekaufmann bei der Firma K. tätig. Er absolvierte in dieser Zeit mit Erfolg einen berufsbegleitenden Studiengang zum Fachkaufmann (VWA) Finanz- und Rechnungswesen sowie die Fortbildungsprüfung zum Bilanzbuchhalter. Die von der Firma K. zum 06.02.1997 ausgesprochene fristlose Kündigung wurde im Rahmen eines Vergleichs vor dem Landesarbeitsgericht in eine ordentliche Kündigung zum 31.03.1997 umgewandelt. In der Folgezeit bezog der Kläger Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe. Ab Ende 2000 arbeitete der Kläger nochmals - teilweise gefördert durch die zuständige Agentur für Arbeit - als Bilanzbuchhalter in einem Autohaus ("Autohaus S. "). Den am 15.08.2001 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten gestellten Antrag auf Gewährung von Erwerbsminderungsrente begründete der Kläger mit "Mobbing" des früheren Arbeitgebers, der Firma K. , welches in der Folgezeit dann "von den Behörden" fortgesetzt worden sei. Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Stuttgart (S 22 RA 3589/02) diagnostizierte der vom Gericht beauftragte Sachverständige Dr. S. in seinem Gutachten vom Januar 2006 beim Kläger eine chronisch paranoide Psychose bei intellektuell durchschnittlich begabter, zwanghafter Primärpersönlichkeit mit schizoiden Zügen, auf Grund deren der Kläger nicht mehr auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einsetzbar sei. Mit Bescheid vom 04.07.2006 gewährte die Beklagte in Umsetzung ihres daraufhin im Klageverfahren abgegebenen Anerkenntnisses dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.02.2002 i. H. v. anfangs monatlich 892,17 EUR (brutto). Sie legte ihrer Berechnung Pflichtbeiträge für Januar bis März 1997 wegen der versicherungspflichtigen Beschäftigung und nachfolgend bis Dezember 1997 wegen des Bezuges von Arbeitslosengeld i.H.v. 35.832,82 DM, für 1998 und 1999 wegen des zeitweisen Bezuges von Arbeitslosengeld i.H.v. 7.187,00 DM bzw. 22.122,00 DM, für 2000 wegen des zeitweisen Bezuges von Arbeitslosengeld und im Übrigen wegen der versicherungspflichtigen Beschäftigung i.H.v. insgesamt 31.460,00 DM und nachfolgend wegen der versicherungspflichtigen Beschäftigung für 2001 i.H.v. 72,399,00 DM und für den Januar 2002 i.H.v. 3.098,18 EUR zu Grunde. Hinsichtlich der Einzelheiten, auch der Rentenberechnung, wird auf den Bescheid Bezug genommen.
In einem nachfolgenden, im Mai 2008 eingeleiteten Verfahren vor dem Sozialgericht Stuttgart (S 22 R 3731/09) machte der Kläger u.a. geltend, er sei Mobbingopfer. Auf Grund dessen stünden ihm Schmerzensgeldansprüche gegen die Firma K. zu, die u. a. Geldansprüche in Höhe der hypothetischen Differenz des Gehalts eines Bilanzbuchhalters/Fachkaufmann für Bilanz und Rechnungswesen gegenüber dem zuletzt bezogenen Gehalt im ausgeübten Beruf als Industriekaufmann bis zum Rentenalter beinhalten würden, da er auf Grund des Mobbings ersteren Beruf nicht habe ausüben können. Als Pflichtbeiträge würden auch diejenigen Beiträge gelten, für die ein Schädiger aufkommen müsse, wenn bei einem Versicherten in Folge eines verschuldeten Schadens Beitragsausfälle oder Minderungen eingetreten seien. Dies sei auf Grund der dargelegten Gehaltsdifferenz zwischen der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit des Klägers und dem hypothetischen Gehalt der durch das Mobbing verhinderten Berufsausübung als Bilanzbuchhalter/Fachkaufmann für Bilanz und Rechnungswesen gegeben. Im Rahmen eines verfahrensbeendenden Vergleiches verpflichtete sich die Beklagte, die vom Kläger erhobene Klage als Überprüfungsantrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), gerichtet gegen den Rentenbescheid vom 04.07.2006, zu werten und diesen Überprüfungsantrag unverzüglich zu bescheiden.
Mit Bescheid vom 26.01.2010 und Widerspruchsbescheid vom 10.05.2010 lehnte die Beklagte eine Rücknahme des Bescheides vom 04.07.2006 und die Anerkennung höherer Pflichtbeiträge für die Zeit vom 01.04.1997 bis 01.02.2002 ab. Bei der Rentenberechnung seien alle nachgewiesenen beziehungsweise glaubhaft gemachten Beitrags-, Ersatz- und Anrechnungszeiten berücksichtigt worden.
Die hiergegen vom Kläger am 10.06.2010 erhobene Klage hat das Sozialgericht Stuttgart mit Urteil vom 07.05.2012 abgewiesen.
Gegen das dem Kläger am 24.05.2012 zugestellte Urteil hat dieser am 24.06.2012 Berufung eingelegt. Das Sozialgericht habe verkannt, dass seine psychische Erkrankung durch die erlittenen Mobbinghandlungen während der Dauer des Arbeitsverhältnisses bei der Firma K. begründet worden sei und er deshalb nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei der Firma K. nicht mehr in der Lage gewesen sei, den erlernten Beruf des Bilanzbuchhalters/Fachkaufmann für Bilanz und Rechnungswesen auszuüben. Daher müssten als Pflichtbeiträge in seinem Rentenverlauf bereits ab dem Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei der Firma K. bis zum Bezug der Erwerbsminderungsrente das von ihm im Rahmen der Tätigkeit beim Autohaus S. im Jahr 2001 erzielte Einkommen i.H.v. 72.399,00 DM berücksichtigt werden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 07.05.2012 sowie den Bescheid vom 26.01.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.05.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 04.07.2006 zurückzunehmen und dem Kläger höhere Rente wegen Erwerbsminderung ab 01.02.2002 unter Berücksichtigung jährlicher Pflichtbeiträge im Zeitraum vom 01.04.1997 bis 01.02.2002 i. H. v. 72.399,00 DM zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie sieht einen Kausalzusammenhang zwischen der Psychose und den vermeintlichen Mobbingvorwürfen als nicht nachgewiesen an.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
II.
Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Gegenstand des klägerischen Begehrens und damit Streitgegenstand ist ausschließlich, ob dem Kläger deswegen im Rahmen des Überprüfungsverfahrens höhere Rente zusteht, weil für den Zeitraum vom 01.04.1997 bis zum 01.02.2002 höhere (fiktive) Pflichtbeiträge i.H.v. 72.399,00 DM (= 37.017,02 EUR) jährlich zu berücksichtigen sind. Nur hierauf, auf diesen, vom Kläger zulässigerweise eingeschränkten Streitgegenstand (zur Zulässigkeit einer solchen Beschränkung des Streitgegenstandes s. BSG, Urteil vom 12.12.2006, B 13 RJ 22/05 R in SozR 4-2600 § 70 Nr. 2) erstreckt sich die vorzunehmende Prüfung.
Indessen steht dem Kläger der geltend gemachte Anspruch nicht zu. Die Beklagte lehnte mit den angefochtenen Bescheiden zu Recht eine Rücknahme des Bescheids vom 04.07.2006 ab.
Rechtsgrundlage des vom Kläger geltend gemachten Anspruchs auf (teilweise) Rücknahme des Rentenbescheides vom 04.07.2006 und Gewährung höherer Rente ist § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Die Bestimmung ermöglicht eine Abweichung von der Bindungswirkung sozialrechtlicher Verwaltungsakte. Nach § 44 Abs. 4 SGB X werden im Falle der Aufhebung eines Verwaltungsakts mit Wirkung für die Vergangenheit Sozialleistungen längstens für einen Zeitraum von vier Jahren vor der Rücknahme bzw. Antragstellung erbracht. Der Zeitpunkt der Rücknahme wird dabei von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird (§ 44 Abs. 4 Satz 2 SGB X). Bei einer Rücknahme auf Antrag tritt bei der Berechnung des Zeitraums, für den die Leistungen rückwirkend zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag (§ 44 Abs. 4 Satz 3 SGB X).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Denn der Bescheid vom 04.07.2006 ist rechtmäßig. Die Beklagte legte der Berechnung der Rente die Pflichtbeiträge im streitgegenständlichen Zeitraum zutreffend und vollständig zu Grunde. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine höhere Erwerbsminderungsrente unter Berücksichtigung höherer (fiktiver) Pflichtbeiträge für den Zeitraum vom 01.04.1997 bis zum 01.02.2002. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Berücksichtigung höherer Pflichtbeiträge scheitert schon daran, dass nur solche Pflichtbeiträge bei der Rentenberechnung berücksichtigungsfähig sind, die tatsächlich wirksam entrichtet worden sind.
Rechtsgrundlage des Begehrens der Klägerin auf höhere Altersrente sind die Regelungen der §§ 63 ff Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) über die Rentenhöhe. Danach richtet sich die Höhe der Rente vor allem nach der in Entgeltpunkte umgerechneten Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen (§ 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Denn gemäß § 64 SGB VI ergibt sich der Monatsbetrag der Rente, wenn die unter Berücksichtigung des - vom Alter des Versicherten bei Rentenbeginn abhängigen (vgl. § 77 SGB VI) - Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte, der Rentenartfaktor und der aktuelle Rentenwert mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden. Nach § 64 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI fließen Entgeltpunkte für Beitragszeiten, wozu auch Pflichtbeitragszeiten gehören (§ 54 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 55 SGB VI), in die Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte ein. Damit wirken sich Pflichtbeitragszeiten auf die Höhe der Rente aus.
Nach § 70 Abs. 1 Satz 1 SGB VI werden für Beitragszeiten Entgeltpunkte ermittelt, indem die Beitragsbemessungsgrundlage durch das Durchschnittsentgelt (Anlage 1) für dasselbe Kalenderjahr geteilt wird. Beitragsbemessungsgrundlage für Versicherungspflichtige sind die beitragspflichtigen Einnahmen (§ 161 Abs.1 SGB VI). Beitragspflichtige Einnahmen sind bei Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt werden, das Arbeitsentgelt aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung (§ 162 Nr. 1 SGB VI) und bei Personen, die Arbeitslosengeld beziehen, 80 v.H. des der Leistung zu Grunde liegenden Arbeitsentgelts (§ 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI). Diesen gesetzlichen Grundlagen der Rentenberechnung entsprechend berechnete die Beklagte die Entgeltpunkte für die hier streitigen Zeiträume. Dies bestreitet auch der Kläger nicht.
Vielmehr macht der Kläger geltend, die Entgeltpunkte für die streitigen Beitragszeiten hätten unter Berücksichtigung eines höheren (fiktiven) Arbeitsentgeltes berechnet werden müssen. Dies ist indessen nicht der Fall.
Wie bereits ausgeführt ergibt sich der Monatsbetrag der Rente unter Berücksichtigung u.a. persönlicher Entgeltpunkte (§ 64 Nr. 1 SGB VI), die sich nach § 66 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI u.a. aus Beitragszeiten errechnen, also von Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge bezahlt worden sind (Pflichtbeitragszeiten, § 55 Abs.1 Satz 1 SGB VI). Dementsprechend orientiert sich die Berechnung der Rente an der Zahlung von Beiträgen, im vorliegenden Fall also an der vom Arbeitgeber bzw. in Zeiten des Bezuges von Arbeitslosengeld den von der Arbeitsverwaltung entrichteten Pflichtbeiträgen. Erhoben werden Beiträge nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von der Beitragsbemessungsgrundlage (§ 157 SGB VI). Beitragsbemessungsgrundlage für Versicherungspflichtige sind die beitragspflichtigen Einnahmen (§ 161 SGB VI), im Falle von Beschäftigten das beitragspflichtige Arbeitsentgelt, im Fall von Beziehern von Arbeitslosengeld wiederum 80 v.H. des der Leistung zu Grunde liegenden Arbeitsentgelts (§ 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI). Aus diesem Regelungszusammenhang wird deutlich, dass die Höhe zu entrichtender Pflichtbeiträge einerseits und die Berechnung der Rente andererseits korrespondiert. Dementsprechend kann in die Beitragsbemessungsgrundlage für die Ermittlung der Entgeltpunkte (§ 70 Abs. 1 Satz 1 SGB VI) - von hier nicht interessierenden ausdrücklich geregelten gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - kein höheres oder niedrigeres Entgelt einfließen als für die Ermittlung der Beiträge selbst.
Für Pflichtbeitragszeiten nach § 66 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI ergibt sich darüber hinaus aus §§ 55, 197 Abs. 1 SGB, dass das bloße Vorliegen eines Versicherungspflichttatbestand (z.B. abhängige Beschäftigung § 1 Nr. 1 SGB VI) in einem bestimmten Zeitraum zur Berücksichtigung solcher Zeiten bei der Prüfung rentenrechtlicher Ansprüche, hier auf höhere Rente, nicht ausreicht. Denn nach § 197 Abs. 1 SGB VI sind Pflichtbeiträge wirksam, wenn sie gezahlt werden, solange der Anspruch auf ihre Zahlung noch nicht verjährt ist oder ausnahmsweise eine spätere Zahlung zulässig ist (s. beispielsweise § 197 Abs. 3 SGB VI). Auch dies und die in diesem Zusammenhang geregelten Sonderfälle (vgl. u.a. § 199, 201 SGB VI), die alle auf die Zahlung der Beiträge abstellen, zeigen, dass nur für Pflichtbeitragszeiten tatsächlich gezahlte Beiträge bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen sind. Gleiches gilt im Übrigen für freiwillige Beiträge (vgl. § 197 Abs. 2 SGB VI).
Schon aus diesem Grund kann der Kläger mit seinem Begehren nicht durchdringen. Denn es ist unstreitig, dass für die in Rede stehenden Zeiträume keine höheren Beiträge gezahlt wurden. Soweit § 55 Abs. 1 Satz 2 SGB VI die Berücksichtigung als gezahlt geltender Pflichtbeiträge im Falle entsprechender ausdrücklicher gesetzlicher Regelung vorsieht, sind die Voraussetzungen der entsprechenden Ausnahmeregelungen (s. z.B. § 203 SGB VI) nicht erfüllt.
Auch die Regelung des § 119 SGB X, auf die sich der Kläger beruft, ändert hieran nichts, sondern bestätigt die vorstehenden Ausführungen.
Gemäß § 119 Abs. 1 Satz 1 SGB X geht der Schadensersatzanspruch eines Versicherten, soweit jener den Anspruch auf Ersatz von Beiträgen zur Rentenversicherung umfasst, auf den Versicherungsträger über, wenn der Geschädigte im Zeitpunkt des Schadensereignis bereits Pflichtbeitragszeiten nachweist oder danach pflichtversichert wird. § 119 SGB X verpflichtet demnach den Schädiger - so das Bundessozialgericht in seiner hierzu grundlegenden Entscheidung vom 31.01.2002 (B 13 RJ 23/01 R, SozR 3-1300 § 44 Nr. 34) - in Fällen eines Beitragsausfalles Schadensersatz in Form von Beitragszahlungen an den Rentenversicherungsträger zu leisten. Hierbei steht das Ziel im Vordergrund, die soziale Sicherheit des Versicherten nach Eintritt des Schadensfalls zu verbessern. Ist der Schaden durch Zahlung von Beiträgen zur Sozialversicherung ausgleichbar, soll sichergestellt werden, dass der Versicherte später Sozialleistungen erhält, deren Berechnung auch die Zeit nach der Verletzung umfasst. Dem entsprechend sieht § 119 Abs. 3 SGB X vor, dass die eingegangenen Beiträge in der Rentenversicherung als Pflichtbeiträge gelten. Damit überträgt § 119 SGB X die Aktivlegitimation für den Anspruch auf Ersatz des dem Versicherten entstandenen Beitragsschadens treuhänderisch auf den Sozialversicherungsträger, der die Beitragsforderung (in fremden Interesse) einziehen und nach deren Eingang als Pflichtbeiträge verbuchen muss.
Indessen sieht auch § 119 SGB X - entsprechend dem oben dargelegten allgemeinen Grundsatz - vor, dass derartige Beiträge nur berücksichtigt werden, wenn sie - so ausdrücklich Abs. 3 der Regelung - "eingegangen" sind, also tatsächlich geleistet wurden (so auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.01.2014, L 7 R 4417/11 - juris; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11.01.2012, L 4 R 266/11 - juris; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17.06.2005, L 13 RA 44/04 - juris). Im Hinblick auf die vom Kläger behauptete Schädigung durch Mobbing durch Mitarbeiter der Firma K. wurde jedoch unstreitig kein Beitragsregress durchgeführt und demzufolge vom behaupteten Anspruchsgegner eines Schadensersatzanspruchs Beiträge tatsächlich nicht entrichtet.
Damit scheidet die Berücksichtigung höherer Pflichtbeiträge von vornherein aus. Auf die im Rechtsstreit zeitweise im Vordergrund der Beurteilung stehende Frage, ob es tatsächlich zu einer Schädigung des Klägers kam, insbesondere ob seine zur Berentung führende Gesundheitsstörung durch Mobbing seitens des Arbeitgebers ausgelöst wurde, kommt es somit nicht streitentscheidend an, so dass insoweit keine weiteren Ermittlungen veranlasst sind.
Soweit der Kläger einen von der Beklagten unterlassenen Beitragsregress behauptet, also einen fehlenden Beitragseinzug, ergibt sich - selbst wenn insoweit ein Versäumnis der Beklagten unterstellt würde - nichts anderes. § 119 SGB X selbst enthält keine Regelung darüber, welche Konsequenzen die Unterlassung eines vom Versicherten für geboten gehaltenen Beitragsregresses durch den Versicherungsträger hat (so bereits LSG Rheinland-Pfalz, a. a. O.; LSG Baden-Württemberg a. a. O.)., insbesondere ist weder eine Tragung der Beiträge durch die Beklagte als für den Beitragsregress und für Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung zuständiger Leistungsträger in solchen Fällen noch eine Regelung vorgesehen, wonach solche Beiträge als gezahlt gelten.
Aber auch unter dem Gesichtspunkt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kann der Kläger kein für ihn günstigeres Ergebnis erreichen.
Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch hat einen im Wesentlichen dreigliedrigen Tatbestand. Dieser fordert das Vorliegen einer Pflichtverletzung, die dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnen ist. Dadurch muss beim Berechtigten ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden eingetreten sei. Schließlich muss durch Vornahme einer Amtshandlung des Trägers der Zustand wieder hergestellt werden können, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt wäre (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, zuletzt BSG, Urteil vom 11.12.2014, B 11 AL 2/14 R - juris). Dabei ist zu beachten, dass der Herstellungsanspruch einen Versicherungsträger nur zu einem Tun oder Unterlassen verpflichten kann, das rechtlich zulässig ist. Voraussetzung ist also - abgesehen vom Erfordernis der Pflichtverletzung - , dass der dem Versicherten entstandene Nachteil mit verwaltungskonformen Mitteln im Rahmen der gesetzlichen Regelung, also durch eine vom Gesetz vorgesehene, zulässige und rechtmäßige Amtshandlung ausgeglichen werden kann (BSG, Urteil vom 11.03.2004, B 13 RJ 16/03 R, SozR 4-2600 § 58 Nr. 3). Der Herstellungsanspruch findet nur in denjenigen Fällen Anwendung, in denen der Leistungsträger mit seinem Instrumentarium durch eine an sich zulässige Amtshandlung zur Naturalrestitution in der Lage ist. Umgekehrt bedeutet dies: In Fällen, in denen der durch pflichtwidriges Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil nicht durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden kann, bleibt für die Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kein Raum. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist deshalb u. a. dann ausgeschlossen, wenn der Berechtigte selbst tatsächliche Handlungen vorzunehmen hatte (BSG, Urteil vom 21.03.1991, 4 RLw 1/90 - juris; Urteil vom 11.03.2004, a. a. O.) oder wenn die erforderliche Handlung von einer Stelle außerhalb des Zuständigkeitsbereichs des Leistungsträgers vorzunehmen war. Für den Bereich der Beitragsentrichtung hat der Senat (Beschluss vom 08.03.2012, L 10 LW 824/10) im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 21.03.1991, 4 RLw 1/90 - juris) bereits entschieden, dass die Zahlung von Beiträgen zur Rentenversicherung deshalb über einen Herstellungsanspruch nicht ersetzt werden kann. Dabei kommt es nicht maßgeblich darauf an, ob es sich - wie in den genannten Entscheidungen - um freiwillige, also vom Versicherten selbst zu leistende Beiträge, oder um ggf. vom Arbeitgeber oder anderweitig (auch nach § 119 SGB X) geschuldete Pflichtbeiträge handelt. Denn die oben dargelegten Grundsätze der Berücksichtigung von Beiträgen nur im Falle von deren Zahlung gelten für freiwillige und Pflichtbeiträge gleichermaßen.
Selbst wenn also zu Gunsten des Klägers unterstellt würde, dass durch ein pflichtwidriges Verwaltungshandeln der Beklagten (Unterlassen des Beitragsregresses) ein Nachteil zu Lasten des Klägers (niedrigere bzw. fehlende Pflichtbeiträge) eingetreten ist, kann dieser nicht durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden (so auch das bereits zitierte Urteil des 7. Senats des LSG Baden-Württemberg vom 30.01.2014, L 7 R 4417/11 - juris.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens höhere Rente wegen voller Erwerbsminderung unter Berücksichtigung höherer Pflichtbeiträge für den Zeitraum April 1997 bis Januar 2002.
Der 1968 geborene Kläger war bis 1997 in seinem Ausbildungsberuf als Industriekaufmann bei der Firma K. tätig. Er absolvierte in dieser Zeit mit Erfolg einen berufsbegleitenden Studiengang zum Fachkaufmann (VWA) Finanz- und Rechnungswesen sowie die Fortbildungsprüfung zum Bilanzbuchhalter. Die von der Firma K. zum 06.02.1997 ausgesprochene fristlose Kündigung wurde im Rahmen eines Vergleichs vor dem Landesarbeitsgericht in eine ordentliche Kündigung zum 31.03.1997 umgewandelt. In der Folgezeit bezog der Kläger Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe. Ab Ende 2000 arbeitete der Kläger nochmals - teilweise gefördert durch die zuständige Agentur für Arbeit - als Bilanzbuchhalter in einem Autohaus ("Autohaus S. "). Den am 15.08.2001 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten gestellten Antrag auf Gewährung von Erwerbsminderungsrente begründete der Kläger mit "Mobbing" des früheren Arbeitgebers, der Firma K. , welches in der Folgezeit dann "von den Behörden" fortgesetzt worden sei. Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Stuttgart (S 22 RA 3589/02) diagnostizierte der vom Gericht beauftragte Sachverständige Dr. S. in seinem Gutachten vom Januar 2006 beim Kläger eine chronisch paranoide Psychose bei intellektuell durchschnittlich begabter, zwanghafter Primärpersönlichkeit mit schizoiden Zügen, auf Grund deren der Kläger nicht mehr auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einsetzbar sei. Mit Bescheid vom 04.07.2006 gewährte die Beklagte in Umsetzung ihres daraufhin im Klageverfahren abgegebenen Anerkenntnisses dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.02.2002 i. H. v. anfangs monatlich 892,17 EUR (brutto). Sie legte ihrer Berechnung Pflichtbeiträge für Januar bis März 1997 wegen der versicherungspflichtigen Beschäftigung und nachfolgend bis Dezember 1997 wegen des Bezuges von Arbeitslosengeld i.H.v. 35.832,82 DM, für 1998 und 1999 wegen des zeitweisen Bezuges von Arbeitslosengeld i.H.v. 7.187,00 DM bzw. 22.122,00 DM, für 2000 wegen des zeitweisen Bezuges von Arbeitslosengeld und im Übrigen wegen der versicherungspflichtigen Beschäftigung i.H.v. insgesamt 31.460,00 DM und nachfolgend wegen der versicherungspflichtigen Beschäftigung für 2001 i.H.v. 72,399,00 DM und für den Januar 2002 i.H.v. 3.098,18 EUR zu Grunde. Hinsichtlich der Einzelheiten, auch der Rentenberechnung, wird auf den Bescheid Bezug genommen.
In einem nachfolgenden, im Mai 2008 eingeleiteten Verfahren vor dem Sozialgericht Stuttgart (S 22 R 3731/09) machte der Kläger u.a. geltend, er sei Mobbingopfer. Auf Grund dessen stünden ihm Schmerzensgeldansprüche gegen die Firma K. zu, die u. a. Geldansprüche in Höhe der hypothetischen Differenz des Gehalts eines Bilanzbuchhalters/Fachkaufmann für Bilanz und Rechnungswesen gegenüber dem zuletzt bezogenen Gehalt im ausgeübten Beruf als Industriekaufmann bis zum Rentenalter beinhalten würden, da er auf Grund des Mobbings ersteren Beruf nicht habe ausüben können. Als Pflichtbeiträge würden auch diejenigen Beiträge gelten, für die ein Schädiger aufkommen müsse, wenn bei einem Versicherten in Folge eines verschuldeten Schadens Beitragsausfälle oder Minderungen eingetreten seien. Dies sei auf Grund der dargelegten Gehaltsdifferenz zwischen der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit des Klägers und dem hypothetischen Gehalt der durch das Mobbing verhinderten Berufsausübung als Bilanzbuchhalter/Fachkaufmann für Bilanz und Rechnungswesen gegeben. Im Rahmen eines verfahrensbeendenden Vergleiches verpflichtete sich die Beklagte, die vom Kläger erhobene Klage als Überprüfungsantrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), gerichtet gegen den Rentenbescheid vom 04.07.2006, zu werten und diesen Überprüfungsantrag unverzüglich zu bescheiden.
Mit Bescheid vom 26.01.2010 und Widerspruchsbescheid vom 10.05.2010 lehnte die Beklagte eine Rücknahme des Bescheides vom 04.07.2006 und die Anerkennung höherer Pflichtbeiträge für die Zeit vom 01.04.1997 bis 01.02.2002 ab. Bei der Rentenberechnung seien alle nachgewiesenen beziehungsweise glaubhaft gemachten Beitrags-, Ersatz- und Anrechnungszeiten berücksichtigt worden.
Die hiergegen vom Kläger am 10.06.2010 erhobene Klage hat das Sozialgericht Stuttgart mit Urteil vom 07.05.2012 abgewiesen.
Gegen das dem Kläger am 24.05.2012 zugestellte Urteil hat dieser am 24.06.2012 Berufung eingelegt. Das Sozialgericht habe verkannt, dass seine psychische Erkrankung durch die erlittenen Mobbinghandlungen während der Dauer des Arbeitsverhältnisses bei der Firma K. begründet worden sei und er deshalb nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei der Firma K. nicht mehr in der Lage gewesen sei, den erlernten Beruf des Bilanzbuchhalters/Fachkaufmann für Bilanz und Rechnungswesen auszuüben. Daher müssten als Pflichtbeiträge in seinem Rentenverlauf bereits ab dem Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei der Firma K. bis zum Bezug der Erwerbsminderungsrente das von ihm im Rahmen der Tätigkeit beim Autohaus S. im Jahr 2001 erzielte Einkommen i.H.v. 72.399,00 DM berücksichtigt werden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 07.05.2012 sowie den Bescheid vom 26.01.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.05.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 04.07.2006 zurückzunehmen und dem Kläger höhere Rente wegen Erwerbsminderung ab 01.02.2002 unter Berücksichtigung jährlicher Pflichtbeiträge im Zeitraum vom 01.04.1997 bis 01.02.2002 i. H. v. 72.399,00 DM zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie sieht einen Kausalzusammenhang zwischen der Psychose und den vermeintlichen Mobbingvorwürfen als nicht nachgewiesen an.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
II.
Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Gegenstand des klägerischen Begehrens und damit Streitgegenstand ist ausschließlich, ob dem Kläger deswegen im Rahmen des Überprüfungsverfahrens höhere Rente zusteht, weil für den Zeitraum vom 01.04.1997 bis zum 01.02.2002 höhere (fiktive) Pflichtbeiträge i.H.v. 72.399,00 DM (= 37.017,02 EUR) jährlich zu berücksichtigen sind. Nur hierauf, auf diesen, vom Kläger zulässigerweise eingeschränkten Streitgegenstand (zur Zulässigkeit einer solchen Beschränkung des Streitgegenstandes s. BSG, Urteil vom 12.12.2006, B 13 RJ 22/05 R in SozR 4-2600 § 70 Nr. 2) erstreckt sich die vorzunehmende Prüfung.
Indessen steht dem Kläger der geltend gemachte Anspruch nicht zu. Die Beklagte lehnte mit den angefochtenen Bescheiden zu Recht eine Rücknahme des Bescheids vom 04.07.2006 ab.
Rechtsgrundlage des vom Kläger geltend gemachten Anspruchs auf (teilweise) Rücknahme des Rentenbescheides vom 04.07.2006 und Gewährung höherer Rente ist § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Die Bestimmung ermöglicht eine Abweichung von der Bindungswirkung sozialrechtlicher Verwaltungsakte. Nach § 44 Abs. 4 SGB X werden im Falle der Aufhebung eines Verwaltungsakts mit Wirkung für die Vergangenheit Sozialleistungen längstens für einen Zeitraum von vier Jahren vor der Rücknahme bzw. Antragstellung erbracht. Der Zeitpunkt der Rücknahme wird dabei von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird (§ 44 Abs. 4 Satz 2 SGB X). Bei einer Rücknahme auf Antrag tritt bei der Berechnung des Zeitraums, für den die Leistungen rückwirkend zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag (§ 44 Abs. 4 Satz 3 SGB X).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Denn der Bescheid vom 04.07.2006 ist rechtmäßig. Die Beklagte legte der Berechnung der Rente die Pflichtbeiträge im streitgegenständlichen Zeitraum zutreffend und vollständig zu Grunde. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine höhere Erwerbsminderungsrente unter Berücksichtigung höherer (fiktiver) Pflichtbeiträge für den Zeitraum vom 01.04.1997 bis zum 01.02.2002. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Berücksichtigung höherer Pflichtbeiträge scheitert schon daran, dass nur solche Pflichtbeiträge bei der Rentenberechnung berücksichtigungsfähig sind, die tatsächlich wirksam entrichtet worden sind.
Rechtsgrundlage des Begehrens der Klägerin auf höhere Altersrente sind die Regelungen der §§ 63 ff Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) über die Rentenhöhe. Danach richtet sich die Höhe der Rente vor allem nach der in Entgeltpunkte umgerechneten Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen (§ 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Denn gemäß § 64 SGB VI ergibt sich der Monatsbetrag der Rente, wenn die unter Berücksichtigung des - vom Alter des Versicherten bei Rentenbeginn abhängigen (vgl. § 77 SGB VI) - Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte, der Rentenartfaktor und der aktuelle Rentenwert mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden. Nach § 64 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI fließen Entgeltpunkte für Beitragszeiten, wozu auch Pflichtbeitragszeiten gehören (§ 54 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 55 SGB VI), in die Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte ein. Damit wirken sich Pflichtbeitragszeiten auf die Höhe der Rente aus.
Nach § 70 Abs. 1 Satz 1 SGB VI werden für Beitragszeiten Entgeltpunkte ermittelt, indem die Beitragsbemessungsgrundlage durch das Durchschnittsentgelt (Anlage 1) für dasselbe Kalenderjahr geteilt wird. Beitragsbemessungsgrundlage für Versicherungspflichtige sind die beitragspflichtigen Einnahmen (§ 161 Abs.1 SGB VI). Beitragspflichtige Einnahmen sind bei Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt werden, das Arbeitsentgelt aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung (§ 162 Nr. 1 SGB VI) und bei Personen, die Arbeitslosengeld beziehen, 80 v.H. des der Leistung zu Grunde liegenden Arbeitsentgelts (§ 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI). Diesen gesetzlichen Grundlagen der Rentenberechnung entsprechend berechnete die Beklagte die Entgeltpunkte für die hier streitigen Zeiträume. Dies bestreitet auch der Kläger nicht.
Vielmehr macht der Kläger geltend, die Entgeltpunkte für die streitigen Beitragszeiten hätten unter Berücksichtigung eines höheren (fiktiven) Arbeitsentgeltes berechnet werden müssen. Dies ist indessen nicht der Fall.
Wie bereits ausgeführt ergibt sich der Monatsbetrag der Rente unter Berücksichtigung u.a. persönlicher Entgeltpunkte (§ 64 Nr. 1 SGB VI), die sich nach § 66 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI u.a. aus Beitragszeiten errechnen, also von Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge bezahlt worden sind (Pflichtbeitragszeiten, § 55 Abs.1 Satz 1 SGB VI). Dementsprechend orientiert sich die Berechnung der Rente an der Zahlung von Beiträgen, im vorliegenden Fall also an der vom Arbeitgeber bzw. in Zeiten des Bezuges von Arbeitslosengeld den von der Arbeitsverwaltung entrichteten Pflichtbeiträgen. Erhoben werden Beiträge nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von der Beitragsbemessungsgrundlage (§ 157 SGB VI). Beitragsbemessungsgrundlage für Versicherungspflichtige sind die beitragspflichtigen Einnahmen (§ 161 SGB VI), im Falle von Beschäftigten das beitragspflichtige Arbeitsentgelt, im Fall von Beziehern von Arbeitslosengeld wiederum 80 v.H. des der Leistung zu Grunde liegenden Arbeitsentgelts (§ 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI). Aus diesem Regelungszusammenhang wird deutlich, dass die Höhe zu entrichtender Pflichtbeiträge einerseits und die Berechnung der Rente andererseits korrespondiert. Dementsprechend kann in die Beitragsbemessungsgrundlage für die Ermittlung der Entgeltpunkte (§ 70 Abs. 1 Satz 1 SGB VI) - von hier nicht interessierenden ausdrücklich geregelten gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - kein höheres oder niedrigeres Entgelt einfließen als für die Ermittlung der Beiträge selbst.
Für Pflichtbeitragszeiten nach § 66 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI ergibt sich darüber hinaus aus §§ 55, 197 Abs. 1 SGB, dass das bloße Vorliegen eines Versicherungspflichttatbestand (z.B. abhängige Beschäftigung § 1 Nr. 1 SGB VI) in einem bestimmten Zeitraum zur Berücksichtigung solcher Zeiten bei der Prüfung rentenrechtlicher Ansprüche, hier auf höhere Rente, nicht ausreicht. Denn nach § 197 Abs. 1 SGB VI sind Pflichtbeiträge wirksam, wenn sie gezahlt werden, solange der Anspruch auf ihre Zahlung noch nicht verjährt ist oder ausnahmsweise eine spätere Zahlung zulässig ist (s. beispielsweise § 197 Abs. 3 SGB VI). Auch dies und die in diesem Zusammenhang geregelten Sonderfälle (vgl. u.a. § 199, 201 SGB VI), die alle auf die Zahlung der Beiträge abstellen, zeigen, dass nur für Pflichtbeitragszeiten tatsächlich gezahlte Beiträge bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen sind. Gleiches gilt im Übrigen für freiwillige Beiträge (vgl. § 197 Abs. 2 SGB VI).
Schon aus diesem Grund kann der Kläger mit seinem Begehren nicht durchdringen. Denn es ist unstreitig, dass für die in Rede stehenden Zeiträume keine höheren Beiträge gezahlt wurden. Soweit § 55 Abs. 1 Satz 2 SGB VI die Berücksichtigung als gezahlt geltender Pflichtbeiträge im Falle entsprechender ausdrücklicher gesetzlicher Regelung vorsieht, sind die Voraussetzungen der entsprechenden Ausnahmeregelungen (s. z.B. § 203 SGB VI) nicht erfüllt.
Auch die Regelung des § 119 SGB X, auf die sich der Kläger beruft, ändert hieran nichts, sondern bestätigt die vorstehenden Ausführungen.
Gemäß § 119 Abs. 1 Satz 1 SGB X geht der Schadensersatzanspruch eines Versicherten, soweit jener den Anspruch auf Ersatz von Beiträgen zur Rentenversicherung umfasst, auf den Versicherungsträger über, wenn der Geschädigte im Zeitpunkt des Schadensereignis bereits Pflichtbeitragszeiten nachweist oder danach pflichtversichert wird. § 119 SGB X verpflichtet demnach den Schädiger - so das Bundessozialgericht in seiner hierzu grundlegenden Entscheidung vom 31.01.2002 (B 13 RJ 23/01 R, SozR 3-1300 § 44 Nr. 34) - in Fällen eines Beitragsausfalles Schadensersatz in Form von Beitragszahlungen an den Rentenversicherungsträger zu leisten. Hierbei steht das Ziel im Vordergrund, die soziale Sicherheit des Versicherten nach Eintritt des Schadensfalls zu verbessern. Ist der Schaden durch Zahlung von Beiträgen zur Sozialversicherung ausgleichbar, soll sichergestellt werden, dass der Versicherte später Sozialleistungen erhält, deren Berechnung auch die Zeit nach der Verletzung umfasst. Dem entsprechend sieht § 119 Abs. 3 SGB X vor, dass die eingegangenen Beiträge in der Rentenversicherung als Pflichtbeiträge gelten. Damit überträgt § 119 SGB X die Aktivlegitimation für den Anspruch auf Ersatz des dem Versicherten entstandenen Beitragsschadens treuhänderisch auf den Sozialversicherungsträger, der die Beitragsforderung (in fremden Interesse) einziehen und nach deren Eingang als Pflichtbeiträge verbuchen muss.
Indessen sieht auch § 119 SGB X - entsprechend dem oben dargelegten allgemeinen Grundsatz - vor, dass derartige Beiträge nur berücksichtigt werden, wenn sie - so ausdrücklich Abs. 3 der Regelung - "eingegangen" sind, also tatsächlich geleistet wurden (so auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.01.2014, L 7 R 4417/11 - juris; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11.01.2012, L 4 R 266/11 - juris; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17.06.2005, L 13 RA 44/04 - juris). Im Hinblick auf die vom Kläger behauptete Schädigung durch Mobbing durch Mitarbeiter der Firma K. wurde jedoch unstreitig kein Beitragsregress durchgeführt und demzufolge vom behaupteten Anspruchsgegner eines Schadensersatzanspruchs Beiträge tatsächlich nicht entrichtet.
Damit scheidet die Berücksichtigung höherer Pflichtbeiträge von vornherein aus. Auf die im Rechtsstreit zeitweise im Vordergrund der Beurteilung stehende Frage, ob es tatsächlich zu einer Schädigung des Klägers kam, insbesondere ob seine zur Berentung führende Gesundheitsstörung durch Mobbing seitens des Arbeitgebers ausgelöst wurde, kommt es somit nicht streitentscheidend an, so dass insoweit keine weiteren Ermittlungen veranlasst sind.
Soweit der Kläger einen von der Beklagten unterlassenen Beitragsregress behauptet, also einen fehlenden Beitragseinzug, ergibt sich - selbst wenn insoweit ein Versäumnis der Beklagten unterstellt würde - nichts anderes. § 119 SGB X selbst enthält keine Regelung darüber, welche Konsequenzen die Unterlassung eines vom Versicherten für geboten gehaltenen Beitragsregresses durch den Versicherungsträger hat (so bereits LSG Rheinland-Pfalz, a. a. O.; LSG Baden-Württemberg a. a. O.)., insbesondere ist weder eine Tragung der Beiträge durch die Beklagte als für den Beitragsregress und für Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung zuständiger Leistungsträger in solchen Fällen noch eine Regelung vorgesehen, wonach solche Beiträge als gezahlt gelten.
Aber auch unter dem Gesichtspunkt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kann der Kläger kein für ihn günstigeres Ergebnis erreichen.
Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch hat einen im Wesentlichen dreigliedrigen Tatbestand. Dieser fordert das Vorliegen einer Pflichtverletzung, die dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnen ist. Dadurch muss beim Berechtigten ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden eingetreten sei. Schließlich muss durch Vornahme einer Amtshandlung des Trägers der Zustand wieder hergestellt werden können, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt wäre (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, zuletzt BSG, Urteil vom 11.12.2014, B 11 AL 2/14 R - juris). Dabei ist zu beachten, dass der Herstellungsanspruch einen Versicherungsträger nur zu einem Tun oder Unterlassen verpflichten kann, das rechtlich zulässig ist. Voraussetzung ist also - abgesehen vom Erfordernis der Pflichtverletzung - , dass der dem Versicherten entstandene Nachteil mit verwaltungskonformen Mitteln im Rahmen der gesetzlichen Regelung, also durch eine vom Gesetz vorgesehene, zulässige und rechtmäßige Amtshandlung ausgeglichen werden kann (BSG, Urteil vom 11.03.2004, B 13 RJ 16/03 R, SozR 4-2600 § 58 Nr. 3). Der Herstellungsanspruch findet nur in denjenigen Fällen Anwendung, in denen der Leistungsträger mit seinem Instrumentarium durch eine an sich zulässige Amtshandlung zur Naturalrestitution in der Lage ist. Umgekehrt bedeutet dies: In Fällen, in denen der durch pflichtwidriges Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil nicht durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden kann, bleibt für die Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kein Raum. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist deshalb u. a. dann ausgeschlossen, wenn der Berechtigte selbst tatsächliche Handlungen vorzunehmen hatte (BSG, Urteil vom 21.03.1991, 4 RLw 1/90 - juris; Urteil vom 11.03.2004, a. a. O.) oder wenn die erforderliche Handlung von einer Stelle außerhalb des Zuständigkeitsbereichs des Leistungsträgers vorzunehmen war. Für den Bereich der Beitragsentrichtung hat der Senat (Beschluss vom 08.03.2012, L 10 LW 824/10) im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 21.03.1991, 4 RLw 1/90 - juris) bereits entschieden, dass die Zahlung von Beiträgen zur Rentenversicherung deshalb über einen Herstellungsanspruch nicht ersetzt werden kann. Dabei kommt es nicht maßgeblich darauf an, ob es sich - wie in den genannten Entscheidungen - um freiwillige, also vom Versicherten selbst zu leistende Beiträge, oder um ggf. vom Arbeitgeber oder anderweitig (auch nach § 119 SGB X) geschuldete Pflichtbeiträge handelt. Denn die oben dargelegten Grundsätze der Berücksichtigung von Beiträgen nur im Falle von deren Zahlung gelten für freiwillige und Pflichtbeiträge gleichermaßen.
Selbst wenn also zu Gunsten des Klägers unterstellt würde, dass durch ein pflichtwidriges Verwaltungshandeln der Beklagten (Unterlassen des Beitragsregresses) ein Nachteil zu Lasten des Klägers (niedrigere bzw. fehlende Pflichtbeiträge) eingetreten ist, kann dieser nicht durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden (so auch das bereits zitierte Urteil des 7. Senats des LSG Baden-Württemberg vom 30.01.2014, L 7 R 4417/11 - juris.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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