Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 6 AS 4016/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 3177/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Dem Kläger zu 2 wird für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung unter Beiordnung von Rechtsanwalt F., F., bewilligt.
2. Der Antrag der Klägerin zu 1 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren wird abgelehnt.
3. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 23. April 2012 wird zurückgewiesen.
4. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Das Verfahren betrifft im Wesentlichen die Berücksichtigung des Einkommens des Partners des Elternteils bei der Deckung des Bedarfs eines - nicht mit diesem Partner verwandten - Kindes nach § 9 Abs. 2 Satz 2 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Die Kläger - Mutter und minderjähriger Sohn - bezogen von dem Beklagten laufend Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld nach dem SGB II. In ihrer Wohnung lebte auch eine ebenfalls minderjährige Tochter der Klägerin zu 1, die aber fast immer ihren Bedarf aus eigenem Einkommen decken konnte. Zu einem zunächst nicht bekannten Zeitpunkt heiratete die Klägerin zu 1. Ihr Ehemann zog spätestens ab Februar 2009 in die Wohnung ein.
Mit Bescheid vom 09.03.2009 bewilligte der Beklagte für April 2009 bis September 2009 der Bedarfsgemeinschaft der Klägerin insgesamt EUR 914,47 monatlich, und zwar EUR 394,47 für die Klägerin zu 1, EUR 394,50 für den Ehemann und EUR 125,50 für den Kläger zu 2. Der Beklagte rechnete bei der Klägerin als Einkommen zurückhängendes Kindergeld der Tochter (in geringfügiger Höhe von EUR 0,62 im Monat) an. Bei dem Ehemann wurde kein Einkommen berücksichtigt.
Am 19.06.2009 teilte die Klägerin zu 1 dem Beklagten mit, ihr Ehemann habe eine Beschäftigung aufgenommen. Im anschließenden Anhörungsverfahren legte sie Lohnbescheinigungen für ihren Ehemann für Mai und Juni 2009 vor. Daraus ergab sich für Mai ein Einkommen von brutto EUR 1.232,26 bzw. netto EUR 978,15. Der Arbeitgeber teilte in der Arbeitsbescheinigung vom 10.08.2009 - bezogen auf das Junigehalt - mit, das Gehalt werde am 5. des Folgemonats überwiesen.
Mit Bescheid vom 12.08.2009 hob der Beklagte "die Entscheidung vom 09.03.2009 ( ) vom 01.06.2009 bis 30.06.2009 für Sie und Ihr Kind ( ) teilweise in Höhe von EUR 395,13 auf" und forderte die Klägerin zu 1 zur Erstattung von EUR 299,76 und den Kläger zu 2 zu einer Erstattung von EUR 95,37 auf. Es ergebe sich eine Gesamtforderung von EUR 395,13. Soweit der Bescheid den Kläger zu 2 betreffe, ergehe er an die Klägerin zu 1 als gesetzliche Vertreterin. Ein ähnlich lautender Bescheid erging am gleichen Tage gegen den Ehemann (Erstattungsbetrag EUR 299,79). Ferner erging unter dem selben Datum ein Änderungsbescheid über die Bewilligung von Leistungen für Juli bis September 2009, auf den verwiesen wird.
Die Kläger erhoben über ihren Verfahrensbevollmächtigten am 15.09.2009 Widerspruch.
Unter dem 09.03.2010 erließ der Beklagte einen Änderungsbescheid. Hierin bewilligte er der Bedarfsgemeinschaft der Klägerin zu 1 für Juni 2009 insgesamt EUR 249,00, und zwar EUR 104,05 der Klägerin zu 1, EUR 104,07 dem Ehemann, EUR 33,11 dem Kläger zu 2 und der Tochter (erstmals) EUR 7,77. Anlass für die Änderung war die Anrechnung der Waisenrente der Tochter, allerdings wirkte sich diese auch auf die Anrechnung des Einkommens des Ehemannes aus: Aus der maßgeblichen Horizontalübersicht für Juni 2009 ergibt sich, dass der Beklagte das im Juni ausgezahlte Nettoeinkommen für Mai um EUR 283,23 bereinigt und den Restbetrag von EUR 694,92 (nunmehr) auf die Bedarfe der Klägerin zu 1 mit EUR 290,43 und des Klägers zu 2 mit EUR 92,40 angerechnet hat.
Entsprechend änderte der Beklagte mit weiterem Bescheid vom 09.03.2010 den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 12.08.2009 dahin ab, dass die Leistungen nur noch zu EUR 392,83 aufgehoben und Erstattungen von EUR 290,43 von der Klägerin zu 1 und von EUR 92,40 von dem Kläger zu 2 gefordert wurden.
Den weitergehenden Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 07.07.2010 zurück. Die Kosten des Vorverfahrens übernahm er zu 1/20. Der Beklagte führte aus, der im Juni 2009 hinzutretende Lohn des Ehemannes habe (auch) die Bedarfe der Kläger in genanntem Umfang gemindert. Bei der Berechnung habe der Beklagte die "Bedarfsanteilsmethode" angewandt.
Am 06.08.2010 haben die Kläger Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Sie haben vorgetragen, sie seien vor Erlass des Aufhebungs- und Erstattungsbescheids nicht angehört worden. Zu Lasten des Klägers zu 2 könne auch aus materiellen Gründen nicht aufgehoben werden, da sich das Einkommen des Ehemannes der Klägerin zu 1 aus ganz naheliegenden verfassungsrechtlichen Gründen nicht auf seinen Bedarf auswirken könne.
Mit Urteil vom 23.04.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Das Hinzutreten des Einkommens des Ehemannes sei eine wesentliche Änderung der Sachlage gewesen, die zu einer Aufhebung berechtigt habe. Die Jahresfrist sei eingehalten worden. Der Beklagte habe das anzurechnende Einkommen richtig berechnet und richtig auf die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft verteilt. Ein Anhörungsmangel liege nicht vor. Sofern die Anhörung nicht ohnehin entbehrlich gewesen sei, weil lediglich einkommensabhängige Leistungen geänderten Verhältnissen angepasst worden seien, sei ein etwaiger Mangel jedenfalls durch Nachholung im Widerspruchsverfahren geheilt worden. Die gesetzliche Regelung des § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II, die eine Verteilung von Einkommensteilen des Ehemannes auf den Bedarf des Klägers zu 2 zulasse, sei entgegen der von den Klägern nicht näher begründeten Auffassung verfassungsgemäß. In Folge der Aufhebung müssten die Kläger die geforderten Beträge erstatten. Die Berufung hat das SG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Zur Begründung hat es auf anhängige Verfahren vor dem Bundessozialgericht (B 4 AS 67/11 R) und dem Bundesverfassungsgericht (1 BvR 1083/09) hingewiesen.
Gegen dieses am 18.06.2012 zugestellte Urteil haben die Kläger am 18.07.2012 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt.
Auf Grund Beschlusses vom 09.04.2013 hat das Verfahren geruht, bis es die Kläger unter dem 18.07.2014 wieder angerufen haben.
Die Kläger tragen vor, die Anrechnung des Einkommens des Partners eines Elternteils auf den Bedarf eines hilfebedürftigen Kindes sei verfassungswidrig. Zur Begründung legen sie die Stellungnahme des Deutschen Sozialgerichtstags e.V. vom 20.06.2011 in dem Verfassungsbeschwerdeverfahren 1 BvR 1083/09 vor. Auf die dortigen Ausführungen wird Bezug genommen.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 23. April 2012 und den Bescheid des Beklagten vom 12. August 2009 in Gestalt des Teil-Abhilfe-Bescheids vom 09. März 2010 und des Widerspruchsbescheids vom 07. Juli 2010 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er trägt vor, er sei an die gesetzlichen Vorschriften gebunden, die im Übrigen keinen verfassungsrechtlichen Zweifeln unterlägen.
Ferner beantragen die Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten für das Berufungsverfahren.
Der Senat hat bei dem Standesamt F. einen Auszug aus dem Familienbuch des Ehemannes der Klägerin zu 1 beigezogen. Daraus ergibt sich eine Eheschließung am 26.09.2008.
Der Senat hat zuletzt unter dem 02.12.2014 mitgeteilt, er beabsichtige, durch Beschluss zu entscheiden, und Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 31.12.2014 gegeben. Der Beklagte hat zugestimmt. Die Kläger haben ausgeführt, wegen der komplexen verfassungsrechtlichen Fragen spreche Einiges dagegen, dass durch Beschluss entschieden werden könne.
II.
1. Die Berufungen der Kläger waren zurückzuweisen.
a) Der Senat konnte insoweit nach § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden. Der Widerspruch der Kläger zwingt nicht zu einer anderen Entscheidungsform. Der Senat hält die Berufung einstimmig für unbegründet. Eine mündliche Verhandlung ist entbehrlich, da keine tatsächlichen Fragen streitig sind. Sofern in einem Verfahren allein Rechtsfragen zu bescheiden sind, kann durch Beschluss entschieden werden, auch wenn die Fragen schwierig sind (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 153 Rn. 15). Auch Art. 6 Abs. 1 der (Europäischen) Menschenrechtskonvention (EMRK) lässt eine Beschlussentscheidung in zweiter Instanz zu, wenn in erster Instanz - wie hier - mündlich verhandelt worden ist und nur noch Rechtsfragen offen sind (Keller, a.a.O., Rn. 13a m.w.N.). Die - anwaltlich vertretenen - Kläger konnten ihre verfassungsrechtliche Meinung darlegen.
b) Die Berufung der Kläger ist auf Grund der Zulassung durch das SG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt.
c) Der Senat sieht keine Voraussetzungen dafür, das Verfahren auszusetzen und die Frage, ob Normen des SGB II verfassungswidrig und ggfs. nichtig seien, nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. § 80 Abs. 1 Gesetz über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorzulegen.
aa) Eine solche Vorlage ist zwar nach § 80 Abs. 3 BVerfGG auch von Amts wegen möglich, sodass es unschädlich ist, dass die Kläger keinen entsprechenden Antrag gestellt haben.
bb) Ebenso kommt es für die Entscheidung in diesem Verfahren auf die Verfassungsmäßigkeit und Gültigkeit der angegriffenen Norm an im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG.
Hier ist allerdings darauf hinzuweisen, dass § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II, also jene Norm, gegen die sich die Kläger ausschließlich wenden, nur für den Kläger zu 2 relevant ist. Jene Norm ermöglicht die vertikale Abwärtsverteilung von Einkommen des Partners eines Elternteils auf den Bedarf des Kindes. Für die Klägerin zu 1 richtete sich die Einkommensverteilung dagegen nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II. Zwischen Partnern wird Einkommen horizontal angerechnet. Außerdem kann hier wechselseitig angerechnet werden, während eine vertikale Aufwärtsverteilung von Einkommen des Kindes auf Bedarfe der Eltern (mit Ausnahme zurückhängenden Kinderzuschlags oder Kindergeldes, vgl. § 11 Abs. 1 Sätze 3 und 4 SGB II) ausgeschlossen ist. Aus diesen Gründen muss der Senat in diesem Verfahren beide Normen, § 9 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB II, überprüfen. Nicht Gegenstand des Verfahrens ist dagegen § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II. Nach dieser Vorschrift galt im Juni 2009 auch der Ehemann der Klägerin zu 1 als hilfebedürftig und ihm wurden daher Leistungen nach dem SGB II bewilligt, obwohl er - bei isolierter Betrachtung - mit seinem Eigeneinkommen seinen Bedarf hätte decken können. Die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung hätte allenfalls der Ehemann rügen können, der aber in diesem Verfahren nicht als Kläger aufgetreten ist.
Der Beklagte hat in entscheidungserheblicher Weise § 9 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB II angewandt. Er hat für Juni 2009 einen Teil des Erwerbseinkommens des Ehemannes nach diesen Vorschriften bei den Klägern angerechnet (nämlich EUR 290,43 bei der Klägerin zu 1 und EUR 92,40 bei dem Kläger zu 2) und so ihre Leistungsansprüche gegen den Beklagten gemindert.
cc) Der Senat hält § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II nicht für verfassungswidrig und damit für gültig. Dies gilt zumindest in der hier vorliegenden Konstellation, bei der Einkommen eines "echten" Stiefelternteils, also des Ehegatten (oder Lebenspartners, vgl. § 7 Abs. 3 Nr. 3 lit. b SGB II) auf den Bedarf des Kindes angerechnet wird. Die Klägerin zu 1 und ihr Ehemann hatten schon im September 2008 geheiratet, also vor dem hier streitigen Monat. Dies hat die Anfrage bei dem Standesamt F. ergeben. Daher ist nicht zu entscheiden, ob die Einkommensanrechnung ggfs. bei "faktischen" Stiefelternteilen, also den eheähnlichen oder lebenspartnerschaftsähnlichen Lebensgefährten eines Elternteils (§ 7 Abs. 3 Nr. 3 lit. c SGB II) verfassungsmäßig ist. Jene Konstellation war Gegenstand des Urteils des BSG vom 13.11.2008 (B 14 AS 20/08 R, Juris) und des Beschlusses des BVerfG vom 29.05.2013 (1 BvR 1083/09, Juris), auf die sich die Kläger bezogen hatten.
(1) Die hier relevante Konstellation - "echter" Stiefelternteil - hat das BSG in dem Urteil vom 23.05.2013 (B 4 AS 67/11 R, Juris) behandelt, das in einem Revisionsverfahren gegen den Beschluss des LSG Nordrhein-Westfalen vom 16.02.2011, L 20 AS 21/09, Juris) erging, auf den auch das SG hingewiesen hatte. In jenem Urteil hat das BSG ausgeführt (a.a.O., Rn. 18 ff.):
"Die zur Anwendung kommenden Vorschriften verstoßen für den hier zu entscheidenden Fall eines Stiefkindes und unter Berücksichtigung der Einkommensverhältnisse des Stiefvaters nicht gegen den Anspruch der Klägerin auf ein verfassungsmäßig gesichertes Existenzminimum aus Art. 1 i.V.m. Art. 20 GG. Der Senat folgt insofern der Rechtsprechung, (wonach) der Gesetzgeber mit einem Zusammenleben von Personen bei Vorliegen der besonderen tatbestandlichen Voraussetzungen der verschiedenen Formen von Bedarfsgemeinschaften auch jenseits von gesetzlichen Unterhaltsansprüchen Einstehens- und Unterstützungsvermutungen verbinden dürfe. Bei Vorliegen bestimmter familiär geprägter Lebensumstände könne er typisierend Haushaltseinsparungen und Unterstützungsleistungen innerhalb dieser Gemeinschaften unterstellen, die die Gewährung staatlicher Hilfe nicht oder nur in eingeschränktem Umfang gerechtfertigt erscheinen ließen. Vor dem Hintergrund der staatlichen Verpflichtung aus Art. 1 und Art. 20 GG bedürfe es aber einer besonderen Rechtfertigung, weshalb typisierend von so engen Bindungen ausgegangen werden könne, dass von den Mitgliedern dieser Gemeinschaft ein Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden könne. ( ) Bei einem minderjährigen Kind, das - wie hier - in einer Stiefkindfamilie lebt, reicht das durch die Ehe zwischen dem Elternteil und dem Stiefelternteil vermittelte rechtliche Band als ausreichende Grundlage für die typisierende Annahme des Gesetzgebers, dass die gesteigerte Elternverantwortung des einen Ehepartners gegenüber seinem minderjährigen Kind und das Wissen des Stiefelternteils um diesen Umstand von vornherein Grundlage des Zusammenlebens der Partner und der Gestaltung der Ehe (z.B. bezogen auf die Verteilung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit) sein werde. Für die Berücksichtigung des Partnereinkommen beim Kind ist daher nicht gesondert zu ermitteln und jeweils im Einzelfall festzustellen, ob und ggf. in welchem Umfang im Verhältnis des Ehepartners zu dem Kind ein "Einstandswille" ( ) besteht. ( ) Bezogen auf Eheleute hat der Senat bereits in anderem Zusammenhang ausgeführt, dass der Grundgedanke dieser Form der Bedarfsgemeinschaft auf der Annahme beruht, dass in dieser Gemeinschaft alle Mitglieder füreinander Verantwortung, auch im finanziellen Sinne, übernähmen. ( ) Hieran anknüpfend besteht die Typisierung des § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II dar¬in, dass von der bestehenden Bereitschaft des Einkommensbeziehers, für seinen (Ehe)Partner wirtschaftlich zu sorgen und dessen Lebensunterhalt bei Bedürftigkeit zu sichern, darauf geschlossen wird, dass sich diese Einstehensbereitschaft auch auf dessen Kind erstreckt und auch die tatsächlichen Lebensumstände des Kindes hierdurch beeinflusst sind, etwa durch das gemeinsame Wirtschaften (Einkauf von Lebensmitteln, Zubereitung von Mahlzeiten), die gemeinsame Beschaffung und Nutzung von Haushaltsgeräten und Möbeln sowie auch eine z.T. gemeinsame Freizeitgestaltung."
(2) Diesen Ausführungen schließt sich der Senat vollumfänglich an. Ergänzend ist lediglich Folgendes auszuführen:
(a) § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II verletzt nicht das Grundrecht des Kindes auf staatliche Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip aus Art. 20, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG).
Anders als bei faktischen Stiefelternteilen ist der Gesetzgeber in einer Konstellation wie hier bei der Ausgestaltung des Grundrechts auf Existenzsicherung nicht allein auf den Gedanken der Typisierung angewiesen. Dort kann er sich lediglich auf die - allerdings in aller Regel zutreffende - Vermutung stützen, dass in einer Partnerschaft, wie sie § 7 Abs. 3 Nr. 3 lit. c SGB II beschreibt (vgl. auch § 7 Abs. 3a SGB II), auch der Bedarf eines einseitigen Kindes von beiden Partnern gedeckt wird. Es ist nahezu nicht vorstellbar, dass dort die Partner gemeinsam wirtschaften und haushalten, wie es eine Partnerbedarfsgemeinschaft begrifflich vor¬aussetzt, dass dann aber der nicht mit dem Kind verwandte Partner peinlichst darauf achtet, dass das Kind des anderen Partners von dieser gemeinsamen Versorgung ausgeschlossen bleibt. Bei echten Stiefelternteilen besteht über diese rein tatsächliche Vermutung hinaus auch ein "rechtliches Band", die eine Grundlage für die Mitversorgung des einseitigen Kindes durch den Stiefelternteil bildet.
Grundlage dieser rechtlichen Verbindung, die auch das BSG in dem zitierten Ausschnitt aus dem Urteil vom 23.05.2013 erwähnt hat, ist § 1590 i.V.m. §§ 1360 f., 1601 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Das Stiefkind ist mit dem Stiefelternteil im Rechtssinne verschwägert. Zwischen ihnen besteht zwar kein direkter Unterhaltsanspruch, weil nach § 1601 BGB nur Verwandte (in gerader Linie) unterhaltsverpflichtet sind. Aber der Elternteil des Kindes kann nach § 1360 Satz 1 BGB Familienunterhalt einfordern. Dieser ist nach § 1360a Abs. 2 Satz 1 BGB grundsätzlich in natura zu gewähren. Zwar umfasst auch dieser Familienunterhalt formal betrachtet nicht den Unterhalt des Kindes, weil § 1360a Abs. 1 BGB nur die Bedarfe der Ehegatten und der "gemeinsamen" Kinder erwähnt. Aber der Ehegatte ist berechtigt - und nach § 1601 Abs. 1 BGB auch verpflichtet - sein Kind aus dem Familienunterhalt mitzuversorgen. Anders als ein nichtehelicher Partner kann der Ehegatte diesen Familienunterhalt auch einfordern. Die Existenz des Kindes ist hier in stärkerem Maße als gegenüber einem nur faktischen Stiefelternteil abgesichert.
Konkret erfasst und fördert der Staat auch im Einkommens- und Kindergeldrecht die Unterhaltsgewährung an Stiefkinder; auch auf diese Weise stellt er durch Anreize für den Stiefelternteil sicher, dass die Kinder tatsächlich versorgt werden. Wie das BSG zutreffend erwähnt hat, wird eine Unterhaltsgewährung durch den Stiefelternteil einkommensteuerlich berücksichtigt (vgl. § 32 Abs. 6 Satz 1 Var. 1 Einkommensteuergesetz [EStG]). Ferner kann der Stiefelternteil, wenn er Unterhalt gewährt, nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Bundeskindergeldgesetz (BKKG) das Kindergeld für das Stiefkind beanspruchen.
(b) Eine Verletzung des Gleichbehandlungsrechts des Klägers zu 2 (Art. 3 Abs. 1 GG) ist schon im Ansatz nicht erkennbar. Der Gesetzgeber behandelt mit § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II faktische Stiefkinder nicht ungleich zu echten, sondern vielmehr gleich. Eine Gleichbehandlung ist aber nur unter wesentlich weitergehenden Voraussetzungen verfassungswidrig als eine Ungleichbehandlung. Nur wesentlich Ungleiches muss der Staat seinem Wesen entsprechend ungleich behandeln. Die tatsächlichen und - wie ausgeführt - die rechtlichen Umstände, unter denen echte Stiefkinder in ihrer Familie leben, unterscheiden sich aber nicht wesentlich von jenen, die für eigene Kinder gelten.
dd) Auch die Klägerin zu 1 unterliegt keiner verfassungswidrigen Regelung. Bei ihr ist dies noch deutlicher als bei dem Kläger zu 2. Wie ausgeführt, haben die Kläger insoweit auch keine verfassungsrechtlichen Einwände erhoben.
Die menschenwürdige Existenz eines Ehegatten gewährleistet der Staat dadurch, dass er ihm, wenn er ihm keine Leistungen nach dem SGB II bewilligt, den bereits erwähnten Unterhaltsanspruch (§§ 1360 ff. BGB) gegen seinen Ehegatten einräumt und auch die Durchsetzbarkeit dieses Anspruchs sicherstellt, insbesondere in familiengerichtlichen Eilverfahren.
Auch ein Gleichheitsverstoß liegt nicht vor. Es ist schon keine vergleichbare Vergleichsgruppe erkennbar, die anders - besser - behandelt würde als ein verheirateter Partner. Für unverheiratete Partner gilt, wie ausgeführt, die Regelung in § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II ebenso. Und Ehegatten, die selbst nicht bedürftig sind, können schon von vornherein nicht mit bedürftigen Partnern verglichen werden, weil die Bedürftigkeit im Rahmen des § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II ein ausschlaggebendes Kriterium für die Bildung von Vergleichsgruppen ist.
d) Auch in der Sache ist die Berufung nicht begründet. Der angegriffene Bescheid ist - nach Erteilung des Änderungsbescheids vom 09.03.2010 - nicht zu beanstanden.
aa) Die rechtlichen Voraussetzungen für die Aufhebung bindender Bewilligungsbescheide nach dem Zufluss anrechenbaren Einkommens (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X] i.V.m. § 330 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch [SGB III]) und die Erstattung bereits gewährter höherer Leistungen (§ 50 Abs. 1 SGB X) hat das SG in dem angegriffenen Urteil zutreffend dargelegt, darauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG). Ebenso tritt der Senat den Ausführungen des SG zur Einhaltung der Frist des § 48 Abs. 4 SGB X, zur Anhörung der Kläger (§ 24 Abs. 2 SGB X) und zur Bestimmtheit des angegriffenen Bescheids (§ 33 Abs. 1 SGB X) bei.
bb) In materieller Hinsicht gilt: Der Beklagte hat § 9 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB II zutreffend angewandt. Dies gilt ebenso für die weiteren einschlägigen Vorschriften über die Einkommensberechnung. Für Juni 2009 galten dabei noch nicht die §§ 11 bis 11b SGB II in der heutigen Fassung, die erst ab dem 01.01.2011 in Kraft gesetzt wurden, sondern noch § 11 und § 30 SGB II in der Fassung des Freibetragsneuregelungsgesetzes vom 14.08.2005:
Bereits damals war aber das im Juni zugeflossene Einkommen für Mai auf die Bedarfe im Juni anzurechnen. Vom Bruttoeinkommen von EUR 1.232,26 waren nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 und 2 SGB II a.F. Steuern und Beiträge abzusetzen, es ergab sich das Nettoeinkommen von EUR 978,15, das der Lohnzettel nannte. Der Grundfreibetrag betrug nach § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II a.F. EUR 100,00, weil der Ehemann höhere Absetzbeträge nicht nach § 11 Abs. 2 Satz 3 SGB II a.F. geltend gemacht hatte. Der erste Erwerbstätigenfreibetrag nach § 30 Satz 1 Nr. 1 SGB II a.F. war in voller Höhe von EUR 140,00 (20 % aus den EUR 700,00 zwischen EUR 100,00 und - damals nur - EUR 800,00) abzusetzen, da das Bruttoeinkommen über EUR 800,00 lag. Es kam nach § 30 Satz 1 Nr. 2 SGB II a.F. ein zweiter Erwerbstätigenfreibetrag hinzu. Dieser war aus dem gesamten weiteren Einkommensteil bis 1.232,26 (also aus EUR 432,26) zu ziehen, da der Ehemann mit einem Kind in Bedarfsgemeinschaft lebte (§ 30 Satz 2 SGB II a.F.). Er betrug demnach (10 %) EUR 43,23. Insgesamt waren mithin EUR 283,23 abzusetzen. Entsprechend den Bedarfsquoten (vgl. § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II) von 41,79 % bei der Klägerin zu 1 (EUR 394,47 von einem ungedeckten restlichen Gesamtbedarf von EUR 943,85) und 13,29 % bei dem Kläger zu 2 (EUR 125,50/943,85) waren dann von dem anrechenbaren Einkommen von EUR 694,92 auf die Klägerin zu 1 EUR 290,43 und auf den Kläger zu 2 EUR 92,40 zu verteilen. Genau dies hat der Beklagte getan.
2. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
3. PKH für die Berufungsinstanz war nur dem Kläger zu 2 zu gewähren.
Für ihn bestanden, als der PKH-Antrag mit Schriftsatz vom 26.03.2013 gestellt wurde und entscheidungsreif war (die Bedürftigkeit war aus der beigezogenen Verwaltungsakte zu entnehmen), noch hinreichende Erfolgsaussichten im Sinne von § 73a Abs. 1 SGG i.V.m. § 114 ZPO a.F. Zu jenem Zeitpunkt lag die maßgebliche Entscheidung des BSG vom 23.05.2013 noch nicht vor. Das LSG Nordrhein-Westfalen hatte zwar als Vorinstanz in dem Beschluss vom 16.02.2011 § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II in einer Konstellation wie hier ebenfalls für verfassungsgemäß gehalten, aber die Revision zugelassen. Es bestanden also Zweifel, eine höchstrichterliche Entscheidung für diese Konstellation stand noch aus. Unter solchen Umständen ist PKH zu bewilligen.
Dagegen war die Klage der Klägerin zu 1 von Anfang an aussichtslos. Gegen die für sie maßgebliche Anrechnungsvorschrift in § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II hatten selbst die Kläger verfassungsrechtliche Einwände nicht erhoben. Die Klägerin hätte auch nicht von einer Verfassungswidrigkeit des § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II profitiert. Ohne jene Norm wäre ein noch höherer Anteil des Einkommens ihres Ehemannes auf ihren Bedarf angerechnet worden, wodurch sich ihr Leistungsanspruch stärker geschmälert hätte.
4. Soweit der Senat über die PKH-Anträge entschieden hat, ist dieser Beschluss nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG). Im Übrigen, hinsichtlich der Berufung, sind Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) nicht ersichtlich. Insbesondere liegt spätestens nach der Entscheidung des BSG vom 23.05.2013 keine Grundsatzbedeutung mehr vor.
2. Der Antrag der Klägerin zu 1 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren wird abgelehnt.
3. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 23. April 2012 wird zurückgewiesen.
4. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Das Verfahren betrifft im Wesentlichen die Berücksichtigung des Einkommens des Partners des Elternteils bei der Deckung des Bedarfs eines - nicht mit diesem Partner verwandten - Kindes nach § 9 Abs. 2 Satz 2 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Die Kläger - Mutter und minderjähriger Sohn - bezogen von dem Beklagten laufend Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld nach dem SGB II. In ihrer Wohnung lebte auch eine ebenfalls minderjährige Tochter der Klägerin zu 1, die aber fast immer ihren Bedarf aus eigenem Einkommen decken konnte. Zu einem zunächst nicht bekannten Zeitpunkt heiratete die Klägerin zu 1. Ihr Ehemann zog spätestens ab Februar 2009 in die Wohnung ein.
Mit Bescheid vom 09.03.2009 bewilligte der Beklagte für April 2009 bis September 2009 der Bedarfsgemeinschaft der Klägerin insgesamt EUR 914,47 monatlich, und zwar EUR 394,47 für die Klägerin zu 1, EUR 394,50 für den Ehemann und EUR 125,50 für den Kläger zu 2. Der Beklagte rechnete bei der Klägerin als Einkommen zurückhängendes Kindergeld der Tochter (in geringfügiger Höhe von EUR 0,62 im Monat) an. Bei dem Ehemann wurde kein Einkommen berücksichtigt.
Am 19.06.2009 teilte die Klägerin zu 1 dem Beklagten mit, ihr Ehemann habe eine Beschäftigung aufgenommen. Im anschließenden Anhörungsverfahren legte sie Lohnbescheinigungen für ihren Ehemann für Mai und Juni 2009 vor. Daraus ergab sich für Mai ein Einkommen von brutto EUR 1.232,26 bzw. netto EUR 978,15. Der Arbeitgeber teilte in der Arbeitsbescheinigung vom 10.08.2009 - bezogen auf das Junigehalt - mit, das Gehalt werde am 5. des Folgemonats überwiesen.
Mit Bescheid vom 12.08.2009 hob der Beklagte "die Entscheidung vom 09.03.2009 ( ) vom 01.06.2009 bis 30.06.2009 für Sie und Ihr Kind ( ) teilweise in Höhe von EUR 395,13 auf" und forderte die Klägerin zu 1 zur Erstattung von EUR 299,76 und den Kläger zu 2 zu einer Erstattung von EUR 95,37 auf. Es ergebe sich eine Gesamtforderung von EUR 395,13. Soweit der Bescheid den Kläger zu 2 betreffe, ergehe er an die Klägerin zu 1 als gesetzliche Vertreterin. Ein ähnlich lautender Bescheid erging am gleichen Tage gegen den Ehemann (Erstattungsbetrag EUR 299,79). Ferner erging unter dem selben Datum ein Änderungsbescheid über die Bewilligung von Leistungen für Juli bis September 2009, auf den verwiesen wird.
Die Kläger erhoben über ihren Verfahrensbevollmächtigten am 15.09.2009 Widerspruch.
Unter dem 09.03.2010 erließ der Beklagte einen Änderungsbescheid. Hierin bewilligte er der Bedarfsgemeinschaft der Klägerin zu 1 für Juni 2009 insgesamt EUR 249,00, und zwar EUR 104,05 der Klägerin zu 1, EUR 104,07 dem Ehemann, EUR 33,11 dem Kläger zu 2 und der Tochter (erstmals) EUR 7,77. Anlass für die Änderung war die Anrechnung der Waisenrente der Tochter, allerdings wirkte sich diese auch auf die Anrechnung des Einkommens des Ehemannes aus: Aus der maßgeblichen Horizontalübersicht für Juni 2009 ergibt sich, dass der Beklagte das im Juni ausgezahlte Nettoeinkommen für Mai um EUR 283,23 bereinigt und den Restbetrag von EUR 694,92 (nunmehr) auf die Bedarfe der Klägerin zu 1 mit EUR 290,43 und des Klägers zu 2 mit EUR 92,40 angerechnet hat.
Entsprechend änderte der Beklagte mit weiterem Bescheid vom 09.03.2010 den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 12.08.2009 dahin ab, dass die Leistungen nur noch zu EUR 392,83 aufgehoben und Erstattungen von EUR 290,43 von der Klägerin zu 1 und von EUR 92,40 von dem Kläger zu 2 gefordert wurden.
Den weitergehenden Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 07.07.2010 zurück. Die Kosten des Vorverfahrens übernahm er zu 1/20. Der Beklagte führte aus, der im Juni 2009 hinzutretende Lohn des Ehemannes habe (auch) die Bedarfe der Kläger in genanntem Umfang gemindert. Bei der Berechnung habe der Beklagte die "Bedarfsanteilsmethode" angewandt.
Am 06.08.2010 haben die Kläger Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Sie haben vorgetragen, sie seien vor Erlass des Aufhebungs- und Erstattungsbescheids nicht angehört worden. Zu Lasten des Klägers zu 2 könne auch aus materiellen Gründen nicht aufgehoben werden, da sich das Einkommen des Ehemannes der Klägerin zu 1 aus ganz naheliegenden verfassungsrechtlichen Gründen nicht auf seinen Bedarf auswirken könne.
Mit Urteil vom 23.04.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Das Hinzutreten des Einkommens des Ehemannes sei eine wesentliche Änderung der Sachlage gewesen, die zu einer Aufhebung berechtigt habe. Die Jahresfrist sei eingehalten worden. Der Beklagte habe das anzurechnende Einkommen richtig berechnet und richtig auf die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft verteilt. Ein Anhörungsmangel liege nicht vor. Sofern die Anhörung nicht ohnehin entbehrlich gewesen sei, weil lediglich einkommensabhängige Leistungen geänderten Verhältnissen angepasst worden seien, sei ein etwaiger Mangel jedenfalls durch Nachholung im Widerspruchsverfahren geheilt worden. Die gesetzliche Regelung des § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II, die eine Verteilung von Einkommensteilen des Ehemannes auf den Bedarf des Klägers zu 2 zulasse, sei entgegen der von den Klägern nicht näher begründeten Auffassung verfassungsgemäß. In Folge der Aufhebung müssten die Kläger die geforderten Beträge erstatten. Die Berufung hat das SG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Zur Begründung hat es auf anhängige Verfahren vor dem Bundessozialgericht (B 4 AS 67/11 R) und dem Bundesverfassungsgericht (1 BvR 1083/09) hingewiesen.
Gegen dieses am 18.06.2012 zugestellte Urteil haben die Kläger am 18.07.2012 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt.
Auf Grund Beschlusses vom 09.04.2013 hat das Verfahren geruht, bis es die Kläger unter dem 18.07.2014 wieder angerufen haben.
Die Kläger tragen vor, die Anrechnung des Einkommens des Partners eines Elternteils auf den Bedarf eines hilfebedürftigen Kindes sei verfassungswidrig. Zur Begründung legen sie die Stellungnahme des Deutschen Sozialgerichtstags e.V. vom 20.06.2011 in dem Verfassungsbeschwerdeverfahren 1 BvR 1083/09 vor. Auf die dortigen Ausführungen wird Bezug genommen.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 23. April 2012 und den Bescheid des Beklagten vom 12. August 2009 in Gestalt des Teil-Abhilfe-Bescheids vom 09. März 2010 und des Widerspruchsbescheids vom 07. Juli 2010 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er trägt vor, er sei an die gesetzlichen Vorschriften gebunden, die im Übrigen keinen verfassungsrechtlichen Zweifeln unterlägen.
Ferner beantragen die Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten für das Berufungsverfahren.
Der Senat hat bei dem Standesamt F. einen Auszug aus dem Familienbuch des Ehemannes der Klägerin zu 1 beigezogen. Daraus ergibt sich eine Eheschließung am 26.09.2008.
Der Senat hat zuletzt unter dem 02.12.2014 mitgeteilt, er beabsichtige, durch Beschluss zu entscheiden, und Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 31.12.2014 gegeben. Der Beklagte hat zugestimmt. Die Kläger haben ausgeführt, wegen der komplexen verfassungsrechtlichen Fragen spreche Einiges dagegen, dass durch Beschluss entschieden werden könne.
II.
1. Die Berufungen der Kläger waren zurückzuweisen.
a) Der Senat konnte insoweit nach § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden. Der Widerspruch der Kläger zwingt nicht zu einer anderen Entscheidungsform. Der Senat hält die Berufung einstimmig für unbegründet. Eine mündliche Verhandlung ist entbehrlich, da keine tatsächlichen Fragen streitig sind. Sofern in einem Verfahren allein Rechtsfragen zu bescheiden sind, kann durch Beschluss entschieden werden, auch wenn die Fragen schwierig sind (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 153 Rn. 15). Auch Art. 6 Abs. 1 der (Europäischen) Menschenrechtskonvention (EMRK) lässt eine Beschlussentscheidung in zweiter Instanz zu, wenn in erster Instanz - wie hier - mündlich verhandelt worden ist und nur noch Rechtsfragen offen sind (Keller, a.a.O., Rn. 13a m.w.N.). Die - anwaltlich vertretenen - Kläger konnten ihre verfassungsrechtliche Meinung darlegen.
b) Die Berufung der Kläger ist auf Grund der Zulassung durch das SG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt.
c) Der Senat sieht keine Voraussetzungen dafür, das Verfahren auszusetzen und die Frage, ob Normen des SGB II verfassungswidrig und ggfs. nichtig seien, nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. § 80 Abs. 1 Gesetz über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorzulegen.
aa) Eine solche Vorlage ist zwar nach § 80 Abs. 3 BVerfGG auch von Amts wegen möglich, sodass es unschädlich ist, dass die Kläger keinen entsprechenden Antrag gestellt haben.
bb) Ebenso kommt es für die Entscheidung in diesem Verfahren auf die Verfassungsmäßigkeit und Gültigkeit der angegriffenen Norm an im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG.
Hier ist allerdings darauf hinzuweisen, dass § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II, also jene Norm, gegen die sich die Kläger ausschließlich wenden, nur für den Kläger zu 2 relevant ist. Jene Norm ermöglicht die vertikale Abwärtsverteilung von Einkommen des Partners eines Elternteils auf den Bedarf des Kindes. Für die Klägerin zu 1 richtete sich die Einkommensverteilung dagegen nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II. Zwischen Partnern wird Einkommen horizontal angerechnet. Außerdem kann hier wechselseitig angerechnet werden, während eine vertikale Aufwärtsverteilung von Einkommen des Kindes auf Bedarfe der Eltern (mit Ausnahme zurückhängenden Kinderzuschlags oder Kindergeldes, vgl. § 11 Abs. 1 Sätze 3 und 4 SGB II) ausgeschlossen ist. Aus diesen Gründen muss der Senat in diesem Verfahren beide Normen, § 9 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB II, überprüfen. Nicht Gegenstand des Verfahrens ist dagegen § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II. Nach dieser Vorschrift galt im Juni 2009 auch der Ehemann der Klägerin zu 1 als hilfebedürftig und ihm wurden daher Leistungen nach dem SGB II bewilligt, obwohl er - bei isolierter Betrachtung - mit seinem Eigeneinkommen seinen Bedarf hätte decken können. Die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung hätte allenfalls der Ehemann rügen können, der aber in diesem Verfahren nicht als Kläger aufgetreten ist.
Der Beklagte hat in entscheidungserheblicher Weise § 9 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB II angewandt. Er hat für Juni 2009 einen Teil des Erwerbseinkommens des Ehemannes nach diesen Vorschriften bei den Klägern angerechnet (nämlich EUR 290,43 bei der Klägerin zu 1 und EUR 92,40 bei dem Kläger zu 2) und so ihre Leistungsansprüche gegen den Beklagten gemindert.
cc) Der Senat hält § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II nicht für verfassungswidrig und damit für gültig. Dies gilt zumindest in der hier vorliegenden Konstellation, bei der Einkommen eines "echten" Stiefelternteils, also des Ehegatten (oder Lebenspartners, vgl. § 7 Abs. 3 Nr. 3 lit. b SGB II) auf den Bedarf des Kindes angerechnet wird. Die Klägerin zu 1 und ihr Ehemann hatten schon im September 2008 geheiratet, also vor dem hier streitigen Monat. Dies hat die Anfrage bei dem Standesamt F. ergeben. Daher ist nicht zu entscheiden, ob die Einkommensanrechnung ggfs. bei "faktischen" Stiefelternteilen, also den eheähnlichen oder lebenspartnerschaftsähnlichen Lebensgefährten eines Elternteils (§ 7 Abs. 3 Nr. 3 lit. c SGB II) verfassungsmäßig ist. Jene Konstellation war Gegenstand des Urteils des BSG vom 13.11.2008 (B 14 AS 20/08 R, Juris) und des Beschlusses des BVerfG vom 29.05.2013 (1 BvR 1083/09, Juris), auf die sich die Kläger bezogen hatten.
(1) Die hier relevante Konstellation - "echter" Stiefelternteil - hat das BSG in dem Urteil vom 23.05.2013 (B 4 AS 67/11 R, Juris) behandelt, das in einem Revisionsverfahren gegen den Beschluss des LSG Nordrhein-Westfalen vom 16.02.2011, L 20 AS 21/09, Juris) erging, auf den auch das SG hingewiesen hatte. In jenem Urteil hat das BSG ausgeführt (a.a.O., Rn. 18 ff.):
"Die zur Anwendung kommenden Vorschriften verstoßen für den hier zu entscheidenden Fall eines Stiefkindes und unter Berücksichtigung der Einkommensverhältnisse des Stiefvaters nicht gegen den Anspruch der Klägerin auf ein verfassungsmäßig gesichertes Existenzminimum aus Art. 1 i.V.m. Art. 20 GG. Der Senat folgt insofern der Rechtsprechung, (wonach) der Gesetzgeber mit einem Zusammenleben von Personen bei Vorliegen der besonderen tatbestandlichen Voraussetzungen der verschiedenen Formen von Bedarfsgemeinschaften auch jenseits von gesetzlichen Unterhaltsansprüchen Einstehens- und Unterstützungsvermutungen verbinden dürfe. Bei Vorliegen bestimmter familiär geprägter Lebensumstände könne er typisierend Haushaltseinsparungen und Unterstützungsleistungen innerhalb dieser Gemeinschaften unterstellen, die die Gewährung staatlicher Hilfe nicht oder nur in eingeschränktem Umfang gerechtfertigt erscheinen ließen. Vor dem Hintergrund der staatlichen Verpflichtung aus Art. 1 und Art. 20 GG bedürfe es aber einer besonderen Rechtfertigung, weshalb typisierend von so engen Bindungen ausgegangen werden könne, dass von den Mitgliedern dieser Gemeinschaft ein Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden könne. ( ) Bei einem minderjährigen Kind, das - wie hier - in einer Stiefkindfamilie lebt, reicht das durch die Ehe zwischen dem Elternteil und dem Stiefelternteil vermittelte rechtliche Band als ausreichende Grundlage für die typisierende Annahme des Gesetzgebers, dass die gesteigerte Elternverantwortung des einen Ehepartners gegenüber seinem minderjährigen Kind und das Wissen des Stiefelternteils um diesen Umstand von vornherein Grundlage des Zusammenlebens der Partner und der Gestaltung der Ehe (z.B. bezogen auf die Verteilung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit) sein werde. Für die Berücksichtigung des Partnereinkommen beim Kind ist daher nicht gesondert zu ermitteln und jeweils im Einzelfall festzustellen, ob und ggf. in welchem Umfang im Verhältnis des Ehepartners zu dem Kind ein "Einstandswille" ( ) besteht. ( ) Bezogen auf Eheleute hat der Senat bereits in anderem Zusammenhang ausgeführt, dass der Grundgedanke dieser Form der Bedarfsgemeinschaft auf der Annahme beruht, dass in dieser Gemeinschaft alle Mitglieder füreinander Verantwortung, auch im finanziellen Sinne, übernähmen. ( ) Hieran anknüpfend besteht die Typisierung des § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II dar¬in, dass von der bestehenden Bereitschaft des Einkommensbeziehers, für seinen (Ehe)Partner wirtschaftlich zu sorgen und dessen Lebensunterhalt bei Bedürftigkeit zu sichern, darauf geschlossen wird, dass sich diese Einstehensbereitschaft auch auf dessen Kind erstreckt und auch die tatsächlichen Lebensumstände des Kindes hierdurch beeinflusst sind, etwa durch das gemeinsame Wirtschaften (Einkauf von Lebensmitteln, Zubereitung von Mahlzeiten), die gemeinsame Beschaffung und Nutzung von Haushaltsgeräten und Möbeln sowie auch eine z.T. gemeinsame Freizeitgestaltung."
(2) Diesen Ausführungen schließt sich der Senat vollumfänglich an. Ergänzend ist lediglich Folgendes auszuführen:
(a) § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II verletzt nicht das Grundrecht des Kindes auf staatliche Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip aus Art. 20, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG).
Anders als bei faktischen Stiefelternteilen ist der Gesetzgeber in einer Konstellation wie hier bei der Ausgestaltung des Grundrechts auf Existenzsicherung nicht allein auf den Gedanken der Typisierung angewiesen. Dort kann er sich lediglich auf die - allerdings in aller Regel zutreffende - Vermutung stützen, dass in einer Partnerschaft, wie sie § 7 Abs. 3 Nr. 3 lit. c SGB II beschreibt (vgl. auch § 7 Abs. 3a SGB II), auch der Bedarf eines einseitigen Kindes von beiden Partnern gedeckt wird. Es ist nahezu nicht vorstellbar, dass dort die Partner gemeinsam wirtschaften und haushalten, wie es eine Partnerbedarfsgemeinschaft begrifflich vor¬aussetzt, dass dann aber der nicht mit dem Kind verwandte Partner peinlichst darauf achtet, dass das Kind des anderen Partners von dieser gemeinsamen Versorgung ausgeschlossen bleibt. Bei echten Stiefelternteilen besteht über diese rein tatsächliche Vermutung hinaus auch ein "rechtliches Band", die eine Grundlage für die Mitversorgung des einseitigen Kindes durch den Stiefelternteil bildet.
Grundlage dieser rechtlichen Verbindung, die auch das BSG in dem zitierten Ausschnitt aus dem Urteil vom 23.05.2013 erwähnt hat, ist § 1590 i.V.m. §§ 1360 f., 1601 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Das Stiefkind ist mit dem Stiefelternteil im Rechtssinne verschwägert. Zwischen ihnen besteht zwar kein direkter Unterhaltsanspruch, weil nach § 1601 BGB nur Verwandte (in gerader Linie) unterhaltsverpflichtet sind. Aber der Elternteil des Kindes kann nach § 1360 Satz 1 BGB Familienunterhalt einfordern. Dieser ist nach § 1360a Abs. 2 Satz 1 BGB grundsätzlich in natura zu gewähren. Zwar umfasst auch dieser Familienunterhalt formal betrachtet nicht den Unterhalt des Kindes, weil § 1360a Abs. 1 BGB nur die Bedarfe der Ehegatten und der "gemeinsamen" Kinder erwähnt. Aber der Ehegatte ist berechtigt - und nach § 1601 Abs. 1 BGB auch verpflichtet - sein Kind aus dem Familienunterhalt mitzuversorgen. Anders als ein nichtehelicher Partner kann der Ehegatte diesen Familienunterhalt auch einfordern. Die Existenz des Kindes ist hier in stärkerem Maße als gegenüber einem nur faktischen Stiefelternteil abgesichert.
Konkret erfasst und fördert der Staat auch im Einkommens- und Kindergeldrecht die Unterhaltsgewährung an Stiefkinder; auch auf diese Weise stellt er durch Anreize für den Stiefelternteil sicher, dass die Kinder tatsächlich versorgt werden. Wie das BSG zutreffend erwähnt hat, wird eine Unterhaltsgewährung durch den Stiefelternteil einkommensteuerlich berücksichtigt (vgl. § 32 Abs. 6 Satz 1 Var. 1 Einkommensteuergesetz [EStG]). Ferner kann der Stiefelternteil, wenn er Unterhalt gewährt, nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Bundeskindergeldgesetz (BKKG) das Kindergeld für das Stiefkind beanspruchen.
(b) Eine Verletzung des Gleichbehandlungsrechts des Klägers zu 2 (Art. 3 Abs. 1 GG) ist schon im Ansatz nicht erkennbar. Der Gesetzgeber behandelt mit § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II faktische Stiefkinder nicht ungleich zu echten, sondern vielmehr gleich. Eine Gleichbehandlung ist aber nur unter wesentlich weitergehenden Voraussetzungen verfassungswidrig als eine Ungleichbehandlung. Nur wesentlich Ungleiches muss der Staat seinem Wesen entsprechend ungleich behandeln. Die tatsächlichen und - wie ausgeführt - die rechtlichen Umstände, unter denen echte Stiefkinder in ihrer Familie leben, unterscheiden sich aber nicht wesentlich von jenen, die für eigene Kinder gelten.
dd) Auch die Klägerin zu 1 unterliegt keiner verfassungswidrigen Regelung. Bei ihr ist dies noch deutlicher als bei dem Kläger zu 2. Wie ausgeführt, haben die Kläger insoweit auch keine verfassungsrechtlichen Einwände erhoben.
Die menschenwürdige Existenz eines Ehegatten gewährleistet der Staat dadurch, dass er ihm, wenn er ihm keine Leistungen nach dem SGB II bewilligt, den bereits erwähnten Unterhaltsanspruch (§§ 1360 ff. BGB) gegen seinen Ehegatten einräumt und auch die Durchsetzbarkeit dieses Anspruchs sicherstellt, insbesondere in familiengerichtlichen Eilverfahren.
Auch ein Gleichheitsverstoß liegt nicht vor. Es ist schon keine vergleichbare Vergleichsgruppe erkennbar, die anders - besser - behandelt würde als ein verheirateter Partner. Für unverheiratete Partner gilt, wie ausgeführt, die Regelung in § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II ebenso. Und Ehegatten, die selbst nicht bedürftig sind, können schon von vornherein nicht mit bedürftigen Partnern verglichen werden, weil die Bedürftigkeit im Rahmen des § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II ein ausschlaggebendes Kriterium für die Bildung von Vergleichsgruppen ist.
d) Auch in der Sache ist die Berufung nicht begründet. Der angegriffene Bescheid ist - nach Erteilung des Änderungsbescheids vom 09.03.2010 - nicht zu beanstanden.
aa) Die rechtlichen Voraussetzungen für die Aufhebung bindender Bewilligungsbescheide nach dem Zufluss anrechenbaren Einkommens (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X] i.V.m. § 330 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch [SGB III]) und die Erstattung bereits gewährter höherer Leistungen (§ 50 Abs. 1 SGB X) hat das SG in dem angegriffenen Urteil zutreffend dargelegt, darauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG). Ebenso tritt der Senat den Ausführungen des SG zur Einhaltung der Frist des § 48 Abs. 4 SGB X, zur Anhörung der Kläger (§ 24 Abs. 2 SGB X) und zur Bestimmtheit des angegriffenen Bescheids (§ 33 Abs. 1 SGB X) bei.
bb) In materieller Hinsicht gilt: Der Beklagte hat § 9 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB II zutreffend angewandt. Dies gilt ebenso für die weiteren einschlägigen Vorschriften über die Einkommensberechnung. Für Juni 2009 galten dabei noch nicht die §§ 11 bis 11b SGB II in der heutigen Fassung, die erst ab dem 01.01.2011 in Kraft gesetzt wurden, sondern noch § 11 und § 30 SGB II in der Fassung des Freibetragsneuregelungsgesetzes vom 14.08.2005:
Bereits damals war aber das im Juni zugeflossene Einkommen für Mai auf die Bedarfe im Juni anzurechnen. Vom Bruttoeinkommen von EUR 1.232,26 waren nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 und 2 SGB II a.F. Steuern und Beiträge abzusetzen, es ergab sich das Nettoeinkommen von EUR 978,15, das der Lohnzettel nannte. Der Grundfreibetrag betrug nach § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II a.F. EUR 100,00, weil der Ehemann höhere Absetzbeträge nicht nach § 11 Abs. 2 Satz 3 SGB II a.F. geltend gemacht hatte. Der erste Erwerbstätigenfreibetrag nach § 30 Satz 1 Nr. 1 SGB II a.F. war in voller Höhe von EUR 140,00 (20 % aus den EUR 700,00 zwischen EUR 100,00 und - damals nur - EUR 800,00) abzusetzen, da das Bruttoeinkommen über EUR 800,00 lag. Es kam nach § 30 Satz 1 Nr. 2 SGB II a.F. ein zweiter Erwerbstätigenfreibetrag hinzu. Dieser war aus dem gesamten weiteren Einkommensteil bis 1.232,26 (also aus EUR 432,26) zu ziehen, da der Ehemann mit einem Kind in Bedarfsgemeinschaft lebte (§ 30 Satz 2 SGB II a.F.). Er betrug demnach (10 %) EUR 43,23. Insgesamt waren mithin EUR 283,23 abzusetzen. Entsprechend den Bedarfsquoten (vgl. § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II) von 41,79 % bei der Klägerin zu 1 (EUR 394,47 von einem ungedeckten restlichen Gesamtbedarf von EUR 943,85) und 13,29 % bei dem Kläger zu 2 (EUR 125,50/943,85) waren dann von dem anrechenbaren Einkommen von EUR 694,92 auf die Klägerin zu 1 EUR 290,43 und auf den Kläger zu 2 EUR 92,40 zu verteilen. Genau dies hat der Beklagte getan.
2. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
3. PKH für die Berufungsinstanz war nur dem Kläger zu 2 zu gewähren.
Für ihn bestanden, als der PKH-Antrag mit Schriftsatz vom 26.03.2013 gestellt wurde und entscheidungsreif war (die Bedürftigkeit war aus der beigezogenen Verwaltungsakte zu entnehmen), noch hinreichende Erfolgsaussichten im Sinne von § 73a Abs. 1 SGG i.V.m. § 114 ZPO a.F. Zu jenem Zeitpunkt lag die maßgebliche Entscheidung des BSG vom 23.05.2013 noch nicht vor. Das LSG Nordrhein-Westfalen hatte zwar als Vorinstanz in dem Beschluss vom 16.02.2011 § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II in einer Konstellation wie hier ebenfalls für verfassungsgemäß gehalten, aber die Revision zugelassen. Es bestanden also Zweifel, eine höchstrichterliche Entscheidung für diese Konstellation stand noch aus. Unter solchen Umständen ist PKH zu bewilligen.
Dagegen war die Klage der Klägerin zu 1 von Anfang an aussichtslos. Gegen die für sie maßgebliche Anrechnungsvorschrift in § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II hatten selbst die Kläger verfassungsrechtliche Einwände nicht erhoben. Die Klägerin hätte auch nicht von einer Verfassungswidrigkeit des § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II profitiert. Ohne jene Norm wäre ein noch höherer Anteil des Einkommens ihres Ehemannes auf ihren Bedarf angerechnet worden, wodurch sich ihr Leistungsanspruch stärker geschmälert hätte.
4. Soweit der Senat über die PKH-Anträge entschieden hat, ist dieser Beschluss nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG). Im Übrigen, hinsichtlich der Berufung, sind Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) nicht ersichtlich. Insbesondere liegt spätestens nach der Entscheidung des BSG vom 23.05.2013 keine Grundsatzbedeutung mehr vor.
Rechtskraft
Aus
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