L 6 U 1017/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 7 U 3393/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 1017/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine Scheiden- und Gebärmuttersenkung (Descensus genitalis) stellt für die Berufsgruppe der Kneipp- und medizinischen Bademeisterinnen keine Wie-Berufskrankheit dar.
Dies gilt selbst dann, wenn es sich bei dieser Berufsgruppe um einen "Seltenheitsfall" handelt (vgl. BSG, Urteil vom 18.06.2013 - B 2 U 6/12 R - SozR 4-2700 § 9 Nr. 22).
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 4. Februar 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten im Wesentlichen darum, ob der bei der Klägerin vorliegende Descensus genitalis (Oberbegriff für Scheiden- und Gebärmuttersenkung) als Wie-Berufskrankheit anzuerkennen ist. Darüber hinaus begehrt die Klägerin die Anerkennung der Krankheit bereits als Listen-Berufskrankheit und die Gewährung von Verletztenrente.

Die 1952 geborene Klägerin ist Mutter von zwei Kindern, die 1973 und 1974 geboren wurden. Bei einer späteren, dritten Schwangerschaft erlitt sie eine Fehlgeburt.

Nach dem Hauptschulabschluss hatte die Klägerin eine Ausbildung zur Friseurin absolviert. Danach arbeitete sie bis Herbst 1971 ein Jahr in diesem Beruf. Anschließend übte sie, vor allem wegen der Kindererziehung, keine berufliche Tätigkeit aus. Ab August 1979 nahm sie wieder eine Beschäftigung auf und arbeitete als medizinische Badehilfe im Kurbad H. in B ... Nach den Angaben des Arbeitgebers machte sie zu Beginn des Jahres 1986 eine viermonatige Ausbildung zur Kneipp- und medizinischen Bademeisterin. Anschließend arbeitete sie in diesem Beruf weiter; zunächst bis Dezember 1991 beim Kurbad H., anschließend, mit einer einmonatigen Unterbrechung im Februar 2002, in der sie arbeitslos war, bis 16. September 2007 in der Neurologischen Klinik S. GmbH in B ... Danach erkrankte sie arbeitsunfähig, nach den Angaben der sie behandelnden Hausärztin Dr. W. wegen Depression und Lumbalgie. Ein am 7. Januar 2008 begonnener Wiedereingliederungsversuch mit einer täglichen Arbeitszeit von zunächst vier Stunden wurde am 24. Januar 2008 abgebrochen; die Hausärztin Dr. W. hatte eine akute Lumbalgie diagnostiziert. Mitte Februar 2008 teilte diese der AOK B., bei der die Klägerin krankenversichert war, demgegenüber mit, Hauptprobleme seien die Beschwerden wegen der Scheidensenkung und im Bereich der Schulter. Mittlerweile bezieht die Klägerin wegen einer Erkrankung auf nervenärztlichem Fachgebiet eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Im Dezember 2007 teilte die AOK B. der Beklagten mit, in einem Gespräch mit ihrem Sozialen Dienst habe die Klägerin angegeben, die bei ihr vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen in Form einer Scheidensenkung und einer Problematik im Halswirbelsäulenbereich seien auf ihre körperlich schwere Arbeit zurückzuführen. Bei ihrer derzeitigen beruflichen Tätigkeit habe sie überwiegend mit übergewichtigen und spastischen Menschen zu tun, die den Transfer sowie das Aus- und Ankleiden nicht selbstständig durchführen könnten. Einigen sei es nicht mehr möglich, auf eigenen Füßen zu stehen. Es wurde um Prüfung gebeten, ob beruflich bedingte Erkrankungen vorliegen.

Im Zusammenhang mit den Ermittlungen zu den arbeitstechnischen Voraussetzungen in Bezug auf die Berufskrankheiten nach Nrn. 2108 ff. der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV), welche die Wirbelsäule betreffen, hatte der Arbeitgeber, der das Kurbad H. betreibt, angegeben, die Klägerin habe in Teilzeit gearbeitet, wobei eine Tagesschicht vier Stunden umfasst habe. Besondere Belastungen seien durch Reinigungsarbeiten, insbesondere der Badewannen, Kneippsche Güsse, Unterwasser-massagen sowie durch das Heben und Tragen von Kanistern entstanden. Beim Hinein- und Herausheben der Personen in und aus der Badewanne habe sie Hilfestellung leisten müssen. Die Klägerin habe Kanister und Mooreimer mit einem Gewicht von jeweils 10 kg einhändig sowie Fangoplatten mit einem Gewicht von 7 kg beidhändig heben müssen. Die Neurologische Klinik S. GmbH gab die Auskunft, die Klägerin habe bis zu zwei Kanister mit Zusätzen mit einem Gewicht von 10 kg über 20 m und bis zu zwei Wäschekörbe mit einem Gewicht von 8 kg über 30 m, wenn auch nicht jeden Tag, tragen müssen. Sie habe montags bis donnerstags von 6:30 Uhr bis 15:30 Uhr und freitags von 6:30 Uhr bis 14 Uhr gearbeitet. Neben einer langjährigen Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung habe die Klägerin Sterilisationsbehälter, Wäschecontainer und Kartons beidhändig sowie Kanister einhändig tragen müssen. Zudem seien Wärmepackungen zu heben und zu tragen gewesen. Je Arbeitsschicht habe sie Menschen im Bett aus waagerechter Rückenlage aufsetzen oder zurücklegen müssen, gegebenenfalls sei hierbei das Kopfteil hochzustellen gewesen. Die Personen seien aus einer Position heraus, bei der sie sich in waagerechter Rückenlage befunden hätten, auf die Bettkante zu setzen oder in diese Ausgangsstellung zurückzubringen gewesen. In jeder Schicht seien etwa acht Personen ohne deren Mithilfe umzusetzen gewesen, etwa von der Bettkante auf einen Stuhl oder vom Rollstuhl auf die Toilette. In der Regel seien fünf Menschen je Schicht in die Badewanne hinein- oder von dort herauszuheben gewesen. Die Klägerin habe Umschläge gemacht, Güsse angewendet und den Fango eingesetzt. Die Personen seien von ihr abzutrocknen und anzuziehen gewesen. Weiterhin habe sie Ultraschallbehandlungen vorgenommen und Reinigungsarbeiten durchgeführt. Der Präventionsdienst der Beklagten errechnete im Rahmen der Ermittlungen zu den arbeitstechnischen Voraussetzungen der die Wirbelsäule betreffenden Berufskrankheiten die Belastungsdosis nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD), welcher die Klägerin während ihrer beruflichen Tätigkeiten ausgesetzt war. Die Betriebsdosis habe für das Kurbad H. 9,96 Mega-Newton-Stunden (MNh) und für die Neurologische Klinik S. GmbH 17,04 MNh, insgesamt also 27 MNh, betragen. Dies entspreche 159 % des Lebensdosiswertes von Frauen, der bei 17 MNh liege.

Nach einem von der Beklagten beigezogenen Arztbericht des die Klägerin behandelnden Arztes für Frauenheilkunde Dr. M. hatte dieser am 24. September 2007 einen Descensus uteri et vaginae III. Grades diagnostiziert. Die Klägerin habe über Unterbauchschmerzen geklagt. Nach dessen schriftlichen Auskünften vom 13. Januar und 2. Dezember 2009 sei die Krankheit erstmals am 15. September 2006 nach schwerem Heben aufgetreten.

Im Sozialmedizinischen Gutachten von Dr. B. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg vom 20. Dezember 2007, welches sich die Beklagte vorlegen ließ, wurde angeführt, die Klägerin habe Ende Oktober 2007 erklärt, sie leide möglicherweise an Multipler Sklerose, weshalb sie die Senkung wegen der Gefahr einer Querschnittlähmung nicht operieren lassen könne. Anfang November habe sie telefonisch erklärt, nach den Angaben des sie behandelnden Nervenarztes sei sie nun doch nicht an Multipler Sklerose erkrankt, gleichwohl dürfe sie nach Ansicht des sie behandelnden Arztes für Frauenheilkunde nach einer Operation dauerhaft nichts mehr heben. Diagnostiziert wurde ein Descensus uteri (ICD-10 N 81.3).

Die Beklagte beschaffte sich weiterhin den Entlassungsbericht des Ärztlichen Direktors der Klinik S. Dr. C., wo sich die Klägerin auf Veranlassung der Trägerin der gesetzlichen Rentenversicherung zur stationären Rehabilitationsmaßnahme vom 11. Juni bis 23. Juli 2008 aufhielt. Dort wurden eine depressive Anpassungsstörung in beruflicher Belastungssituation (ICD-10 F 43.2), zerebrale Entmarkungsherde unklarer Ätiologie (ICD-10 G 37.0), ein Descensus uteri et vaginae III. Grades (ICD-10 N 81.0) sowie eine Adipositas (ICD-10 E 66.90) diagnostiziert. Im Rahmen der Anamnese wurde die Situation am Arbeitsplatz derart beschrieben, dass die Klägerin in einer neurologischen Fachklinik überwiegend Menschen mit Multipler Sklerose behandelt habe und für alle Wasseranwendungen, aber auch für Ultraschallbehandlungen zuständig gewesen sei. Diese habe sie ganztägig dreimal pro Woche durchgeführt. Dabei seien die Menschen teilweise am gesamten Körper manuell bearbeitet worden, was Zeit und Geduld erfordert habe. Sehr gerne habe sie sich um die Terminplanung in der Bäderabteilung gekümmert, die sie aufgrund ihres Organisationstalentes deutlich besser als ihre Kollegin beherrscht habe. Die Tätigkeit sei in Tagesschicht ausgeübt worden, wobei termingenaues Arbeiten notwendig gewesen sei. Es habe ein ständiger Kontakt zu den Patientinnen und Patienten bestanden. Die Tätigkeit sei teilweise rückenbelastend gewesen. Bei der körperlichen Untersuchung sei die Körpergröße mit 168 cm bei einem Gewicht von 86 kg gemessen worden, woraus sich ein Body-Mass-Index von 30,4 errechne. Der Zugang zur Rehabilitation sei auf Initiative der AOK Baden-Württemberg erfolgt. Zuweisungsdiagnosen seien ein Impingementsyndrom im Bereich der linken Schulter, ein psychosomatisches Schmerzsyndrom, ein Descensus uteri et vaginae sowie multiple Entmarkungsherde in beiden Großhirnhemisphären gewesen.

Nachdem die Beklagte der Klägerin drei Gutachter für die Erstattung eines gynäkologischen Gutachtens zur Auswahl vorgeschlagen hatte, beauftragte sie auf Wunsch der Klägerin hiermit den Ärztlichen Direktor der Frauenklinik des Universitätsklinikums T. Prof. Dr. W ... Dieses verfasste hingegen die in der Frauenklinik tätige Priv.-Doz. Dr. R ... Nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am 28. Juli 2009 führte sie aus, auf ihrem Fachgebiet liege ein symptomatischer Descensus genitalis (ICS POP-Q Stage III) vor. Nach den Angaben der Klägerin sei eine symptomatische genitale Senkung seit etwa zwei Jahren bekannt. Sie habe über ziehende Unterbauchbeschwerden und ein Fremdkörpergefühl im Genitalbereich berichtet. Die Miktion sei nur noch in mehreren Portionen möglich. Beim Verspüren von Harndrang müsse sie die Toilette rasch aufsuchen, ansonsten würde es zu nicht kontrollierbarem Urinabgang kommen. Bei körperlicher Belastung würde ebenfalls ungewollt Urin in kleinen Mengen austreten. Die Miktionsintervalle betrügen nach den Angaben der Klägerin tagsüber ein bis zwei Stunden; in der Nacht müsse sie allenfalls einmal zur Toilette gehen, bei einer durchschnittlichen Trinkmenge von einem Liter pro Tag. Wegen der Beschwerden reduziere sie die Trinkmenge bewusst und suche die Toilette oft prophylaktisch auf. Nach Einschätzung von Priv.-Doz. Dr. R. sei die genitale Senkung eine häufige Erkrankung und betreffe 50 % der Frauen, die Kinder geboren hätten. Eine nordamerikanische Studie habe gezeigt, dass 11 % der Frauen wegen einer genitalen Senkung oder einer Belastungsharninkontinenz in ihrem Leben operiert werden müssten. Davon müsse sich jede Dritte mindestens einer weiteren Senkungs- oder Inkontinenzoperation unterziehen. Neben einer Bindegewebsschwäche trügen auch die Belastungen des Beckenbodens zum Entstehen oder zur Verschlechterung einer genitalen Senkung bei. Bei einer Größe von 168 cm belaste das Übergewicht von 83,5 kg den Beckenboden der Klägerin. Eine Obstipation, also eine Verstopfung, bestehe nicht. Schwere körperliche Arbeit könne die Entstehung oder Verschlechterung der genitalen Senkung begünstigt haben. Die Ursachen einer solchen Krankheit seien nach dem jetzigen wissenschaftlichen Stand vielfältig. Eine Bindegewebsschwäche im Bereich des Beckenbodens sei nicht obligat verbunden mit einer Bindegewebsschwäche im Bereich des restlichen Körpers in Form etwa von Striae (Dehnungsstreifen der Haut) oder Varizen (Krampfadern). Alle Belastungen des Beckenbodens könnten eine genitale Senkung begünstigen. Zu erwähnen seien hier Schwangerschaften, Geburten, Übergewicht, körperliche Arbeit und Obstipation. Die berufliche Tätigkeit der Klägerin könne die Entstehung der genitalen Senkung begünstigt oder zur Verschlimmerung beigetragen haben. Am ehesten sei die Krankheit jedoch als schicksalhaft zu betrachten.

Nach der Stellungnahme der Staatlichen Gewerbeärztin des Landes Baden-Württemberg Dr. E. vom 2. September 2009 sei der seit zwei Jahren bei der Klägerin bekannte symptomatische Descensus genitalis nicht Gegenstand der Liste der Berufskrankheiten. Auch gebe es keine neuen gesicherten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse, wonach dieses sehr häufige Krankheitsbild durch berufliche Einflüsse verursacht werde. Unabhängig davon könne die infrage stehende Erkrankung durch die anscheinend körperlich schwere Arbeit der Klägerin als medizinische Bademeisterin ungünstig beeinflusst worden sein.

Bereits Ende 2008 hatte die Beklagte von ihrem Spitzenverband, der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e.V. (DGUV), die Auskunft über drei Fälle erhalten, bei denen im Zusammenhang mit Pflegeberufen weiblicher Versicherter eine Wie-Berufskrankheit anerkannt worden war: 1. Altenpflegerin, Scheidensenkung mit Harninkontinenz, regelmäßiges schweres Heben, Meldejahr 1989; 2. Altenpflegerin, ballonförmige Zystozele, schweres Heben durch die Betreuung der im Heim untergebrachten Senioren, Meldejahr 1996; 3. Krankenpflegerin, berufsbedingte wesentliche Verschlimmerung eines nicht beruflich bedingten Grundleidens in Form einer Scheidensenkung mit reaktiver Absenkung des Blasenbodens, ständiges Heben und Tragen, Meldejahr 2000. Nach einem internen schriftlichen Vermerk der Beklagten vom 18. September 2009 sei, bezogen auf die Auskunft der DGUV, in drei Versichertenfällen, bei denen ebenfalls die Krankheit, an der die Klägerin leide, Gegenstand der Verfahren gewesen sei, eine Wie-Berufskrankheit durch sie anerkannt worden. Auch eine berufliche Verschlimmerung habe Berücksichtigung gefunden. Es werde daher vorgeschlagen, den vorliegenden Fall wie diese so genannten "Referenzfälle" zu behandeln. Zumindest müsse die Verschlimmerung der schicksalhaften Erkrankung als Berufskrankheit oder Wie-Berufskrankheit anerkannt werden. Nach einem auf dem Dokument vorgenommenen weiteren, handschriftlichen Vermerk, wohl der oder des Vorgesetzten der unterzeichnenden Person, vom 22. September 2009 sei dem Vorschlag grundsätzlich zu folgen, es solle jedoch noch ein ausführlicher Befund- und Behandlungsbericht über den kompletten Krankheitsverlauf bei dem die Klägerin behandelnden Arzt für Frauenheilkunde eingeholt werden. Ergänzend zur MDD-Berechnung sei noch eine detaillierte Arbeitsplatzbeschreibung durch den Präventionsdienst einzuholen. Insbesondere sei zu klären, welches Patientinnen- und Patientenklientel habe getragen oder gehoben werden müssen sowie welche Hilfsmittel zur Verfügung gestanden hätten.

Ende Januar 2010 hatte der Präventionsdienst der Beklagten den früheren Arbeitsplatz der Klägerin bei der Neurologischen Klinik S. GmbH aufgesucht. Bei dem Termin war auch die Klägerin anwesend. Nach dem Bericht vom 3. Februar 2010 habe diese in Vollzeit in der Bäderabteilung im Bereich Wannenbäder (Sprudel-, Sauerstoff-, Arm-/Fußwechsel-, 4-Zellenbäder, Fango) gearbeitet. Täglich seien zwischen 20 und 25 Personen in der Bäderabteilung behandelt und gepflegt worden. Davon seien etwa die Hälfte schwere Fälle gewesen, die Hilfe gebraucht hätten, also etwa vom Rollstuhl auf den Badelift zu heben und in die Ausgangsposition zurückzubringen gewesen seien. Das Heben und Tragen dieser Menschen werde auf etwa je zehn Minuten geschätzt. In der Zeit zwischen 7 Uhr und 9:30 Uhr seien täglich etwa fünf schwere Fälle behandelt worden. Dann sei das Heben und Tragen in gebückter Haltung mit einem Winkel zwischen dem Oberkörper und den gestreckten Beinen von 45° bis 80° vorgenommen worden. Die Belastung hierfür sei je Person auf etwa fünf Minuten geschätzt worden. Tätigkeiten in gebückter Haltung, bei der der Oberkörper zu den gestreckten Beinen einen Winkel von 90° eingenommen habe, hätten das Abtrocknen der Füße und Unterwassermassagen beinhaltet. Je Person habe dies zwischen drei und fünf Minuten gedauert. Sämtliche Tätigkeiten in gebückter Haltung hätten täglich etwa vier bis fünf Stunden umfasst. Darin enthalten gewesen seien etwa auch Hilfestellungen bei Fußbädern (Füße heben, in die Wanne setzen, zurück in den Rollstuhl bringen), Personen beim Ultraschall auf den Badelift zu heben und sie zurück in den Rollstuhl zu setzen (etwa sechs Stunden je Tag und drei Tage je Woche), Tätigkeiten im Bad mit einer Dauer von etwa zwei Stunden am Tag sowie zweimal pro Woche Fangoanwendungen, die in diesem Zeitraum einen Umfang von insgesamt zwei Stunden eingenommen hätten. Jede Fangopackung habe 1 kg gewogen. Diese seien auf den Stationen verteilt und wieder eingesammelt worden, wobei ein Rollwagen zum Einsatz gekommen sei. Im Schwimmbad seien folgende Tätigkeiten vorzunehmen gewesen: Hilfe vom Rollstuhl zum Badelift und zurück, etwa drei Personen je Woche, jeweils fünf Minuten je Vorgang. Tätigkeiten im Gymnastikraum in gebückter Haltung seien gewesen: den Menschen aufs Fahrrad oder Laufband zu helfen, die Füße anzuheben oder sie in Stellung zu bringen. In der Bäderabteilung sei ein etwa 5 kg schwerer Kanister täglich etwa ein bis zwei Minuten getragen worden, außerdem seien dort Fußbodenreinigungsarbeiten durchzuführen gewesen. Hilfsmittel wie Badelifte und Rollstühle hätten zur Verfügung gestanden und seien benutzt worden. Kleine Hebehilfen wie ein Rutschbrett oder eine Drehscheibe seien nicht bekannt, würden möglicherweise erst künftig angeschafft. Zusammengefasst wurde ausgeführt, dass die Klägerin eine Tätigkeit in gebückter Haltung täglich etwa vier bis fünf Stunden ausgeübt habe. Dabei hätten die Personen vom Rollstuhl zum Badelift getragen oder ihnen zumindest geholfen werden müssen, je nach Schwere des Falles. Die schweren Fälle seien auf etwa zehn bis dreizehn täglich geschätzt worden. Hilfsmittel wie Badelifte seien verwendet worden.

Nach einem internen Vermerk der Beklagten vom 6. April 2010 habe der Präventionsdienst eine Arbeitsplatzanalyse vorgenommen, aus der nicht wirklich hervorgehe, in welchem Maße die Klägerin schwer gehoben und getragen habe. Es sei davon ausgegangen worden, dass ein Umsetzen von Patientinnen und Patienten vom Rollstuhl auf den Badelift fünf Minuten gedauert habe. Es sei jedoch kaum vorstellbar, dass die Klägerin die Personen wie einen Kasten Bier aus dem Rollstuhl gehoben, sie fünf Minuten durch das Bad getragen und anschließend auf dem Badelift abgesetzt habe. Dies solle dann auch noch mit zehn bis dreizehn Menschen nacheinander durchgeführt worden sein und die Prozedur sich in umgekehrter Richtung vom Badelift bis zum Rollstuhl wiederholt haben. Im Ergebnis sei die Anerkennung als Berufskrankheit oder Wie-Berufskrankheit jedenfalls anhand der medizinischen Unterlagen abzulehnen. Nach einem weiteren internen Vermerk vom 29. April 2010 sollte wegen neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse allerdings nochmals bei der Abteilung der Beklagten für Grundlagen der Prävention und Rehabilitation nachgefragt werden. Von dort wurde durch die Ärztin für Arbeits- und Umweltmedizin Dr. S. mit Schreiben vom 3. Juni 2010 mitgeteilt, dass nach umfangreicher Literaturrecherche in der PubMed-Datenbank, abgesehen von bereits genannten Risikofaktoren für Scheidensenkungen, keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse zu der vorliegend maßgeblichen Fragestellung hätten identifiziert werden können. Eine italienische Studie von Fontana et al. aus dem Jahre 2008 beleuchte Prävalenzen und Risikofaktoren von Urininkontinenzen bei weiblichen Hotelarbeiterinnen. Scheidensenkungen seien eine mögliche Ursache für eine derartige Erkrankung bei Frauen. In der Untersuchung seien 50 Mitarbeiterinnen eines Hotels, 30 Servicekräfte mit Arbeitsvorgängen im Stehen mit Heben und Tragen von Lasten undefinierter Art sowie 20 Bildschirmarbeitskräfte, befragt worden. Von den 30 Servicekräften hätten 23,3 % eine Urininkontinenz angegeben, bei den Bildschirmarbeitskräften sei eine solche Erkrankung nicht aufgetreten. Es hätten sich keine statistisch signifikanten Erhöhungen des Risikos eines Zusammenhanges von Scheidensenkungen und Urininkontinenzen zur beruflichen Belastung als Servicekraft in einem Hotel gezeigt. Ohnehin habe die Studie große Schwächen offenbart. Die Untersuchungsgruppen seien nicht vergleichbar (durchschnittliches Alter bei Servicekräften 42,6 Jahre gegenüber 33,4 Jahre bei Bildschirmarbeiterinnen, durchschnittliche Anzahl vaginaler Geburten 0,6 bei Servicekräften gegenüber 0,1 bei Bildschirmarbeiterinnen, durchschnittliche Anzahl Sectiones 0,4 bei Servicekräften gegenüber 0,1 bei Bildschirmarbeiterinnen). Zudem seien die Untersuchungsgruppen mit 30 und 20 Personen sehr klein gewesen. Zusammenfassend habe bei der Recherche lediglich eine Studie identifiziert werden können, die Aussagen zum Einfluss von Arbeitsbedingungen auf die Urininkontinenz getroffen habe. Diese habe hingegen insbesondere wegen der nichtvergleichbaren und zu kleinen Untersuchungsgruppen Schwächen aufgewiesen. Auch seien die Lasten, die die Servicekräfte zu heben gehabt hätten, nicht quantifiziert worden. Somit generiere diese Studie lediglich eine Hypothese, wie dies ihre Autoren auch angegeben hätten. Als Beleg für schweres Heben und Tragen als Risikofaktor für eine Scheidensenkung sei sie nicht zu verwenden. Demnach gebe es im Zeitraum von 2002 bis 2010 keine neueren Hinweise aus der Literatur auf ein erhöhtes Risiko für eine Scheidensenkung durch schweres Heben und Tragen. Eine Anerkennung des vorliegenden Falles nach der Öffnungsklausel erscheine daher nicht möglich.

Mit Bescheid vom 24. Juni 2010 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Gesundheitsstörung auf gynäkologischem Fachgebiet in Form eines symptomatischen Descensus genitalis als Listen-Berufskrankheit und auch als Wie-Berufskrankheit ab. Die Krankheit sei nicht in der Berufskrankheitenliste aufgeführt. Außerdem lägen der medizinischen Wissenschaft keine Erkenntnisse vor, wonach die Tätigkeit als Kneipp- und medizinische Bademeisterin grundsätzlich geeignet sei, die Erkrankung zu verursachen. Die genitale Senkung sei eine häufige Erkrankung, die die Hälfte aller Frauen betreffe, die Kinder geboren hätten. Auch Übergewicht trage zu einer Belastung des Beckenbodens bei, was zur Entstehung oder Verschlechterung einer genitalen Senkung führen könne. Schweres Heben und Tragen könne zwar die Entstehung oder Verschlechterung einer genitalen Senkung hervorrufen, jedoch trete diese Erkrankung zu oft in der Allgemeinbevölkerung auf, als dass als auslösendes Moment überwiegend schwere körperliche Arbeit vermutet werden könne. Seit 1990 gebe es mehrere internationale Studien zu diesem Thema. Es fänden sich allerdings in der Literatur keine neueren Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für eine Scheidensenkung durch schweres Heben oder Tragen. Aus diesen Gründen könne die Scheidensenkung der Klägerin weder als Listen-Berufskrankheit noch als Wie-Berufskrankheit anerkannt werden. Die Entscheidung stütze sich auf das Gutachten von Priv.-Doz. Dr. R ...

Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 29. Juni 2010 Widerspruch ein und trug zur Begründung vor, sie habe ihre Kinder vor über 30 Jahren geboren und weder in der Schwangerschaft noch danach irgendwelche Probleme im Bereich des Unterleibes gehabt. Die Beschwerden seien erst aufgetreten, als sie bei der Arbeit die schweren Menschen gehoben habe. Auch der sie behandelnde Arzt für Frauenheilkunde sei der Auffassung, dass die Scheidensenkung in direktem Zusammenhang mit der schweren Belastung stehe, der sie beruflich ausgesetzt gewesen sei.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 22. September 2010 zurückgewiesen. Zur Begründung hat die Beklagte ausgeführt, die bei der Klägerin bestehende Erkrankung im Bereich des Unterleibes sei nicht in der Berufskrankheitenliste aufgeführt. Für die Ablehnung der Anerkennung als Wie-Berufskrankheit stützte sie sich darauf, es lägen bislang keine neuen Erkenntnisse darüber vor, dass medizinische Bademeisterinnen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung krankheitsverursachenden Einwirkungen ausgesetzt seien, die zu einer Scheidensenkung führen könnten. Ein Zeichen dafür wäre das zahlenmäßig häufigere Auftreten von Scheidensenkungen in dieser Berufssparte. Gerade dies sei aber nicht festzustellen gewesen. Nach der Auskunft der DGUV gebe es bislang keine gesicherten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Überhäufung dieser Erkrankung in der Berufssparte der Klägerin. Unstreitig sei, dass sie in ihrem Beruf schwer gehoben und getragen habe. So komme auch die Priv.-Doz. Dr. R. in ihrem Gutachten zu dem Ergebnis, die berufliche Tätigkeit habe zwar die Entstehung der genitalen Senkung begünstigen oder verschlimmern können, die Beschwerden seien hingegen am ehesten als schicksalhaft zu betrachten. Außerdem gebe es im Zeitraum von 2002 bis 2010 in der Literatur keine neueren Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für eine Scheidensenkung durch schweres Heben oder Tragen. Zwar seien bereits ähnlich gelagerte Erkrankungsfälle als Berufskrankheit anerkannt und entschädigt worden. Vorliegend sei eine Anerkennung gleichwohl nicht möglich. Aktuell gebe es keine gesicherten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse über ein gehäuftes Auftreten von Scheidensenkungen bei bestimmten Berufsgruppen. Ferner habe keine Beratung des Ärztlichen Sachverständigenbei¬rates, Sektion Berufskrankheiten, stattgefunden, weshalb nichts in diese Richtung deute.

Hiergegen hat die Klägerin am 20. Oktober 2010 beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit erfüllt seien. Die vom Präventionsdienst der Beklagten errechnete Belastungsdosis der beruflich bedingten Einwirkungen auf den Unterleib reiche aus, die Verursachung der Erkrankung zu begründen. Auch erkläre die körperliche Belastung, der sie täglich ausgesetzt gewesen sei, das Krankheitsbild. Andere konkurrierende Ursachen seien nicht ersichtlich. Nicht nachvollziehbar sei, weshalb Priv.-Doz. Dr. R. in ihrem Gutachten zu dem Ergebnis komme, die genitale Senkung sei am ehesten als schicksalhaft zu betrachten. Eine Begründung hierfür werde nicht vorgenommen.

Das SG hat auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten des Direktors der Frauenklinik der V.-Kliniken K. Dr. T. eingeholt, welches auf eine ambulante Untersuchung der Klägerin am 3. Januar 2012 hin erstattet worden ist. Auf seinem Fachgebiet liege bei der Klägerin eine postmenopausale Gravida 2 (zwei Schwangerschaften) und Para 2 (zwei Geburten) mit Descensus genitalis im vorderen Kompartiment vom zentralen Typ, entsprechend der Einteilung nach dem Pelvic-Organ-Prolapse-quantification-system (POP-Q) nach ICL in den AWMF-Leitlinien im Stadium 3, vor. Es zeige sich eine akontraktile Beckenbodenmuskulatur (Oxfordgrading 0). Die Zervix deszendiere beim Pressen bis ins obere/mittlere Scheidendrittel. Im Bereich der Scheidenhinterwand bestehe keine Zelenbildung. Anamnestisch habe die Klägerin über Beschwerden im Zusammenhang mit der Gebärmuttersenkung seit 2007 berichtet. Diese seien im Verlauf konstant geblieben und hätten sich nach den Angaben der Klägerin in den letzten Jahren insbesondere nicht verschlechtert. Für die Gesundheitsstörung komme mit Wahrscheinlichkeit den von der beruflichen Tätigkeit unabhängigen Umständen eine überragende Bedeutung zu. Eine umfangreiche Literaturrecherche in der PubMed-Datenbank habe keine Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft hervorgebracht, mit denen nachweisbar wäre, dass die Gruppe der Kneipp- und medizinischen Bademeisterinnen in einem höheren Maße als die Allgemeinbevölkerung von Senkungsbeschwerden betroffen sei. Danach lägen zum aktuellen Zeitpunkt keine wissenschaftlichen Erkenntnisse vor, wonach Einwirkungen oder Bedingungen im Arbeitsbereich der Klägerin bestünden, die generell geeignet seien, eine Senkungserkrankung zu verursachen. Wie bereits im Gutachten von Priv.-Doz. Dr. R. ausgeführt, sei nicht auszuschließen, dass schwere körperliche Arbeit als einer der zahlreichen Risikofaktoren (schweres Heben und Tragen, Schwangerschaft, Geburt, Übergewicht, Obstipation) die Entstehung oder Verschlechterung einer genitalen Senkung begünstige; diese sei jedoch nicht Ursache der Erkrankung.

Hierauf hat die Klägerin ergänzend vorgetragen, auch Dr. T. habe festgestellt, dass schwere körperliche Arbeit ein Risikofaktor für eine Scheidensenkung darstellen könne. Er stütze sich allerdings vorrangig auf einschlägige wissenschaftliche Literatur, ohne die von ihm im Rahmen der körperlichen Untersuchung gewonnenen Befunde hinreichend zu würdigen. Allgemeine Erfahrungswerte zu medizinischen Bademeisterinnen könnten vorliegend ohnehin nicht herangezogen werden, da ihre Tätigkeit sehr speziell gewesen sei.

Das SG hat die Klage, mit der - wörtlich - unter Aufhebung des Bescheides vom 24. Juni 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2010 begehrt worden ist, die Beklagte zu verurteilen, das Vorliegen einer Berufskrankheit und als deren Folge eine Scheidensenkung festzustellen sowie eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von mindestens 20 vom Hundert (v. H.) zu gewähren, mit Urteil vom 4. Februar 2013 abgewiesen. Eine Anerkennung der Scheidensenkung als Berufskrankheit sei nicht möglich, da es eine solche Listen-Berufskrankheit nicht gebe. Aber auch die Anerkennung als Wie-Berufskrankheit komme nicht in Betracht. Denn es könne nicht festgestellt werden, dass Scheidensenkungen durch Einwirkungen verursacht würden, denen Personengruppen durch ihre berufliche Tätigkeit in erheblich höherem Grade ausgesetzt seien als die übrige Bevölkerung. Bei der Verneinung des generellen Ursachenzusammenhanges stütze sich die Kammer auf die Ermittlungen der Beklagten, die keine höhere Gefährdung der Berufsgruppe, zu der die Klägerin gehöre, gegenüber anderen Berufsgruppen oder sonst Frauen, bei denen eine Scheidensenkung vorläge, ergeben hätten. Dieser Bewertung habe auch die Staatliche Gewerbeärztin des Landes Baden-Württemberg zugestimmt. Der im Gerichtsverfahren gehörte Sachverständige Dr. T. habe nach intensiver Literaturrecherche keine entsprechenden Anhaltspunkte für einen generellen Ursachenzusammenhang gefunden. Es bestehe daher kein Zweifel, dass ein solcher nach den aktuell vorliegenden medizinischen Erkenntnissen nicht bestehe. Für die Bejahung der Kausalität zwischen den beruflichen Einwirkungen und der Erkrankung sei es nicht ausreichend, dass die Gesundheitsstörung der Klägerin auf gynäkologischem Fachgebiet durch eine berufliche Einwirkung verursacht worden sei. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, sei für die Anerkennung als Wie-Berufskrankheit ein genereller Ursachenzusammenhang erforderlich, der sich nicht allein auf einzelne Versicherte, sondern auf eine Gruppe mit besonderen Einwirkungen und der dadurch verursachten Krankheit beziehe. Ob also bei der Klägerin schweres, beruflich bedingtes Heben und Tragen wesentlich zur Verursachung der Scheidensenkung beigetragen habe oder nicht, spiele keine Rolle. Im Übrigen sei der Verursachungsanteil der beruflich angefallenen Hebe- und Tragebelastungen der Klägerin nicht nachgewiesen. Zwar vertrete der die Klägerin behandelnde Arzt für Frauenheilkunde Dr. M. die Auffassung, dass eine solche Kausalität bestehe. Demgegenüber hätten jedoch weder Priv.-Doz. Dr. R. noch Dr. T. eine Kausalität bejaht. Der Umstand, dass die Beklagte in drei früheren Fällen bereits eine Scheidensenkung als Berufskrankheit anerkannt habe, führe zu keinem anderen Ergebnis. Die Anerkennung in diesen Einzelfällen möge darauf beruht haben, dass ein individueller Kausalzusammenhang bejaht worden sei. Dies ändere aber nichts daran, dass von einem rechtlich notwendigen generellen Zusammenhang für die vorliegende Erkrankung mit den beruflichen Belastungen keine Rede sein könne. Eine Selbstbindung der Verwaltung spiele, anders als die Klägerin in der mündlichen Verhandlung gemeint habe, nur für die Ermessensverwaltung und nicht bei gebundenen Verwaltungsentscheidungen eine Rolle. Aus früheren, eventuell rechtswidrigen Anerkennungen könne die Klägerin keinen Gleichbehandlungsanspruch herleiten. Ein solches Begehren liefe darauf hinaus, eine gleichfalls rechtswidrige Begünstigung erhalten zu wollen.

Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 14. Februar 2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 6. März 2013 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, bei der Prüfung einer gruppentypischen Risikoerhöhung sei nicht auf das Berufsbild der medizinischen Bademeisterinnen abzustellen, sondern allgemein auf weibliche Beschäftigte, deren Tätigkeit mit dem Heben schwerer Lasten verbunden sei. Andernfalls müssten die Voraussetzungen einer Wie-Berufskrankheit bei dieser Berufsgruppe stets verneint werden, da kein statistisch gesichertes Zahlenmaterial vorliege. Davon abgesehen könne nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Feststellung der generellen Geeignetheit der Einwirkung spezieller Noxen zur Verursachung einer bestimmten Krankheit auf Einzelfallstudien, auf Erkenntnisse aus anderen Staaten sowie auf frühere Anerkennungen entsprechender Krankheiten durch die Unfallversicherungsträger und damit zusammenhängende medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse zurückgegriffen werden. Der sie behandelnde Arzt für Frauenheilkunde Dr. M. sei der Auffassung, die Ursachen des "Nachgebens" des Beckenbodens lägen zum einen in der Beschaffenheit des Bindegewebes und zum anderen beim Druck nach unten durch zu starkes Heben und Tragen, wobei in Letzterem für ihre Berufsgruppe die Hauptursache einer Senkung zu sehen sei. Das SG habe zudem die Auffassung von Priv.-Doz. Dr. R. in keiner Weise berücksichtigt. Diese sei immerhin davon ausgegangen, dass ihre berufliche Tätigkeit die Entstehung der genitalen Senkung habe begünstigen oder zur Verschlimmerung beitragen können. Dr. T. habe zwar betont, dass die Ursachen von Senkungszuständen des weiblichen Genitales multifaktoriell seien. Er habe allerdings keine Abwägung der einzelnen Risikofaktoren vorgenommen. Somit sei weiter offen, ob dem schweren Heben und Tragen als Ursache wesentliche Bedeutung zukomme. Die Beklagte habe zudem in der Vergangenheit bei drei Versichertenfällen eine Scheidensenkung als Wie-Berufskrankheit anerkannt. Hinzuweisen sei ferner auf Berichte der Bundesregierung über den jeweiligen Stand der Unfallverhütung für die Jahre 1989 und 1994, worin der Fall einer Altenpflegerin mit Scheidensenkung Erwähnung gefunden habe. Ebenso sei eine Studie von Majomdar et al. aus Februar 2013 zu nennen, in welcher der Einfluss von schwerer körperlicher Arbeit auf die Entwicklung von Scheidenvorfällen diskutiert werde. Auch sei es unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar, wenn ihre Krankheit nicht als Wie-Berufskrankheit anerkannt werden könnte.

Auf einen Erörterungstermin beim LSG am 24. September 2013 hin hat die Beklagte die Gutachten vorgelegt, die sie in den Verfahren eingeholt hatte, in denen Scheidensenkungen als Wie-Berufskrankheiten anerkannt worden waren. Nach dem Gutachten des Direktors der Frauenklinik der Medizinischen Hochschule H. Prof. Dr. S. vom 8. Juli 1988 müsse die berufliche Tätigkeit der von ihm untersuchten Versicherten, die als Altenpflegerin über mehrere Jahre hinweg täglich schwer gehoben habe, als wesentliche Teilursache der Scheidensenkung mit Harninkontinenz angesehen werden. Schwere körperliche Arbeit werde nach allgemeinem ärztlichen Verständnis als Mitursache einer Senkung angesehen. Das Leiden sei durch die berufliche Tätigkeit auf Dauer verschlimmert worden. Bei der Berufsgruppe der Altenpflegerinnen bestehe ein Einwirkungsmodus insofern, als schwere körperliche Anstrengungen wie das Heben von Personen als wesentliche Teilursache einer Scheidensenkung angesehen werden müssten. Nach einer ergänzenden Stellungnahme des bei der Begutachtung mitwirkenden Priv.-Doz. Dr. L. sei er aufgrund von zwei Literaturstellen zu dieser Auffassung gelangt. Nach dem Lehrbuch "Vaginal Surgery" von Nichols und Randall aus dem Jahre 1983 könne ein Vorfall des Genitales ausgelöst sein, wenn der normale Stützapparat des Beckens einem chronischen intraabdominellen Druckanstieg ausgesetzt sei oder der bereits erheblich defekte Stützmechanismus einem normalen intraabdominellen Druck ausgesetzt werde. Eindrucksvoll werde der Einfluss des chronischen intraabdominellen Druckanstieges, wie er bei fortgesetzt schwerem Heben auftrete, durch die Tatsache demonstriert, dass ein Vorfall bei Frauen, die noch nicht geboren hätten, verknüpft sei mit lebenslanger schwerer Arbeit. Eine Untersuchung durch Dudkiewicz et al. im Jahre 1983 an Frauen, die schwere körperliche Arbeit in einer Zementfabrik verrichtet hätten, habe einen überdurchschnittlich hohen Prozentsatz von Scheidenvorfällen (39 %) und Inkontinenzbeschwerden (35 %) gezeigt. Nach einem Gutachten von Prof. Dr. S. vom 9. Januar 1995 habe die von ihm untersuchte Versicherte als Altenpflegerin über einen Zeitraum von achteinhalb Jahren hinweg Dauernachtwache in einem Seniorenheim geleistet. Schwere körperliche Arbeit, wie es das Heben von Personen darstelle, werde allgemein als Mitursache einer Senkung angesehen. Da bei der Versicherten als einzige Alternativursache lediglich die Geburt zweier Kinder ohne Dammschnitt vorliege, sei anzunehmen, dass die berufliche Tätigkeit die Scheidensenkung auf Dauer verschlimmert habe und, so der mittlerweile habilitierte Prof. Dr. L. in einer ergänzenden Stellungnahme vom 5. Februar 1998, zumindest als wesentlich teilursächlich angesehen werden könne. Nach den Ausführungen des Chefarztes der Urologischen Klinik des R.-Krankenhauses des Landkreises H. Dr. S. im Gutachten vom 25. Juni 2001 seien physikalische Belastungskräfte in Abhängigkeit von einigen individuellen Variablen wie Körpergewicht, Statur, genetisch veranlagter Bindegewebsstruktur, Geburtsmechanismen, Kinderzahl, Voroperationen im Bauchraum oder Medikamenten mit Beeinflussung der Bindegewebsstrukturen (z. B. Cortison) geeignet, den aus Bindegewebe bestehenden Aufhängeapparat und die muskuläre Beckenbodenplatte derart nachhaltig zu beeinflussen, dass Verlagerungen der Organe des kleinen Beckens mit entsprechenden Fehlfunktionen wie Harninkontinenz, Scheiden- und Mastdarmvorfall sowie abdominelle Schmerzzustände auftreten könnten. Die berufliche Tätigkeit der Versicherten als Kranken- und Gemeindeschwester sei demgemäß ursächlich oder teilursächlich dafür verantwortlich, dass die Bindegewebsschwäche und die geänderte Mechanik des Beckenbodens sich dauerhaft verschlimmert habe und hieraus letztlich schwerwiegende Folgezustände in den Bereichen der Blase und des Enddarmes resultierten. Hier hätten die berufsabhängigen Faktoren seines Erachtens auch bei vernünftiger und lebensnaher Betrachtung als wesentliche Teilursache zu einer Beckenbodeninsuffizienz mit Organsenkungen und Funktionsstörungen in Form von pelvinen, also das Becken betreffenden Schmerzen und Harninkontinenz geführt. Seines Erachtens bestehe bei der Berufsgruppe der Altenpflegerinnen, insbesondere hinsichtlich der Tätigkeitsgruppe der Gemeindeschwestern, die kranke und ältere Menschen im häuslichen Bereich pflegten, ein erheblich höheres Maß als bei der durchschnittlichen weiblichen Bevölkerung, an den Gesundheitsstörungen, die bei der Versicherten aufgetreten seien, zu erkranken. Diese beruflichen Einwirkungen, denen sie über viele Jahrzehnte ausgesetzt gewesen sei, seien generell geeignet, diese Krankheiten zu verursachen.

Zu dem Gutachten von Dr. S. befragt, hat der Arzt für Arbeitsmedizin und Epidemiologe Dr. N. im Schreiben vom 8. März 2003, welches ebenfalls von der Beklagten beigebracht worden ist, ausgeführt, zwischen 1990 und 2002 seien insgesamt sechs Originalarbeiten zur Häufigkeit von Harninkontinenz und möglichen Risikofaktoren erschienen. In einer britischen Kohorte von 1.333 Frauen im Alter von 48 Jahren hätten Kuh et al. im Jahre 1999 bei 50 % der Frauen leichte und bei 8 % davon schwere Symptome von Harninkontinenz gefunden. Als Risikofaktoren hätten sich ein erhöhtes Körpergewicht, ein höheres Alter bei der Geburt der Kinder und die Anzahl der Geburten erwiesen. In einem belgischen Survey von Schulmann et al. im Jahre 1997 von 2.770 Frauen, die 30 Jahre und älter gewesen seien, hätten bei der Befragung 16 % eine Harninkontinenz angegeben. Das Risiko für derartige Probleme sei mit der Anzahl der Geburten gestiegen. In einer amerikanischen Befragung von 2.370 Frauen einer gynäkologischen Klinik hätten 35 % Harninkontinenzprobleme angegeben. Weiße Frauen seien häufiger inkontinent gewesen als afro- oder hispanoamerikanische Frauen. Drei Studien, die Risikofaktoren für einen Scheidenprolaps als mögliche Ursache für eine Inkontinenz untersuchten, seien identifiziert worden. In einer italienischen Fall-Kontroll-Studie von Chiaffarino et al. aus dem Jahre 1999 seien 108 Frauen mit einem operationswürdigen Scheiden- oder Gebärmuttervorfall mit 100 Frauen, die aus anderen Gründen die Klinik aufgesucht hätten, verglichen worden. Hausfrauen hätten ein höheres Risiko für einen Prolaps gehabt als berufstätige Frauen. Bei zwei oder mehr Geburten habe sich das Risiko auf eine "Odds Ration" von 4,5 erhöht. Das Risiko für einen urogenitalen Vorfall sei ebenfalls erhöht gewesen, wenn die Mutter ("Odds Ration" von 3,2) oder die Schwester ("Odds Ration" von 2,4) ebenfalls einen Vorfall gehabt hätten. In einer schwedischen bevölkerungsbezogenen Untersuchung von 487 Frauen im Alter von 20 bis 59 Jahren durch Samuelsson et al. im Jahre 2000 sei bei 28 % eine Harninkontinenz festgestellt worden. Das Risiko für eine Inkontinenz sei bei einem Blasenvorfall um den Faktor 2,5 gestiegen. Mit zunehmendem Alter (Faktor 3,5) und zunehmender Geburtenzahl (Faktor 2,7) sei das Risiko hierfür ebenfalls erhöht gewesen. Der Einfluss von Arbeitsbedingungen sei bei dieser Studie nicht untersucht worden. In einer italienischen Studie von Benassi et al. aus dem Jahre 2002 sei über die Untersuchung von 58 Frauen berichtet worden, die in den letzten drei Monaten entbunden hätten. Im Ergebnis seien der Kaiserschnitt, die Pluriparität (mehrere Geburten), die schwere Arbeit und ein hoher Body-Mass-Index als Risikofaktoren für genitale Vorfälle und Harninkontinenz genannt worden. Zur Stärke des Zusammenhanges und der statistischen Signifikanz seien hingegen keine Ausführungen erfolgt. Zusammenfassend hätten lediglich zwei Studien identifiziert werden können, die Aussagen zum Einfluss der Arbeitsbedingungen auf Scheiden-, Gebärmutter- und Blasenvorfälle sowie der damit verbundenen Inkontinenz erlaubten. In einer Studie hätten Hausfrauen ein höheres Risiko gehabt als berufstätige Frauen, wobei der Effekt vorgetäuscht sein könne, da Hausfrauen vermutlich häufiger Kinder zur Welt bringen würden. Die Anzahl der Geburten habe sich in den genannten Studien als relativ konstanter Risikofaktor gezeigt. Bei der anderen Studie sei der Einfluss von schwerer Arbeit auf die Risikoerhöhung nicht quantifiziert worden. Als Beleg für schweres Heben und Tragen als Risikofaktor für einen Scheiden- oder Gebärmuttervorfall sei sie nicht zu verwerten. Es gebe folglich in der Literatur ab 1990 keine neueren Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für eine Scheiden- oder Beckenbodensenkung durch schweres Heben und Tragen. Demgegenüber gebe es Hinweise darauf, dass mehrfache Geburten ein Risikofaktor für das nicht seltene Krankheitsbild einer Harninkontinenz bei Scheiden- oder Beckenbodensenkung darstellten.

Die Beklagte hat des Weiteren den Beitrag "Die Gefährdung der Frau am Arbeitsplatz" des Arbeits-, Sozial- und Umweltmediziners Prof. Dr. K. aus ders./D., Handbuch der Arbeitsmedizin, (wohl) Stand Oktober 2002 übersandt. Zu Beginn wird angemerkt, dass die Ausführungen das Ziel verfolgten, die arbeitsmedizinisch relevanten anatomischen, physiologischen und pathologischen Besonderheiten hervorzuheben, in denen sich die Frau vom Mann unterscheide. Zu den Auswirkungen körperlicher Schwerarbeit auf den Deszensus ist ausgeführt, dass immer wieder behauptet werde, Schwerarbeit führe über die Erhöhung des intraabdominellen Druckes zu Lageveränderungen der Geschlechtsorgane. Dies sei hingegen nur in einer größeren Studie systematisch untersucht worden. Dabei habe sich herausgestellt, dass Lageveränderungen des Uterus, also der Gebärmutter, in Form eines Deszensus oder eines Prolaps bei Frauen, die entbunden hätten, sowohl mit zunehmender Arbeitsschwere als auch mit zunehmender Arbeitsdauer signifikant zunähmen. Diese Steigerung sei auch unabhängig vom Alter und von der Geburtenzahl beobachtet sowie zusätzlich durch das Körpergewicht beeinflusst worden.

Daraufhin hat die Klägerin ergänzend vorgetragen, auch nach den von der Beklagten im Berufungsverfahren vorgelegten Unterlagen sei ein Zusammenhang dokumentiert. So gehe aus dem Gutachten von Dr. S. klar und deutlich hervor, dass die berufliche Tätigkeit der Probandin, die Altenpflegerin gewesen sei, ursächlich oder zumindest teilursächlich dafür gewesen sei, dass die bereits vorhandene Bindegewebsschwäche und die geänderte Mechanik des Beckenbodens sicherlich dauerhaft verschlimmert worden seien und hieraus letztlich schwerwiegende Folgezustände im Bereich der Blase und des Enddarmes resultierten. Nach Ansicht von Dr. S. hätten die berufsabhängigen Faktoren auch unter Berücksichtigung vernünftiger und lebensnaher Betrachtung als wesentliche Teilursache den Gesundheitsschaden verursacht. Ferner habe er festgestellt, dass bei der Berufsgruppe der Altenpflegerinnen, die mit der Berufsgruppe der medizinischen Bademeisterinnen vergleichbar sei, ein erheblich höheres Maß als bei der durchschnittlichen weiblichen Bevölkerung bestehe, an einer Scheidensenkung zu erkranken. Weiterhin habe Dr. S. ausgeführt, dass die beruflichen Einwirkungen, denen solche Versicherte über viele Jahrzehnte ausgesetzt gewesen seien, generell geeignet seien, eine Scheidensenkung zu verursachen. Somit stehe fest, dass die Scheidensenkung Folge der berufsspezifischen Belastung sei, und ebenso, dass es sich um ein für ihre Berufsgruppe typisches arbeitsbedingtes Risiko handele.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 4. Februar 2013 und den Bescheid vom 24. Juni 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2010 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, den Descensus genitalis als Listen-Berufskrankheit oder Wie-Berufskrankheit anzuerkennen und ihr Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v. H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat ausgeführt, eine gruppenspezifische Risikoerhöhung für die Kneipp- und medizinischen Bademeisterinnen läge, was den Grad der schädigenden Einwirkungen anbelange, der im Vergleich zur übrigen Bevölkerung in erheblichem Maß erhöht sein müsse, nicht vor. Auch seien nach der Auskunft der DGUV weder gehäufte Meldungen derartiger Erkrankungen erfolgt noch lägen sonst Umstände vor, die eine Risikoerhöhung indizierten. Die Vergleichbarkeit der Berufe einer Altenpflegerin einerseits und einer Kneipp- und medizinischen Bademeisterin andererseits sei unter dem gebotenen Blickwinkel einer generellen Betrachtung nicht gegeben. Der von Dr. S. in seinem Gutachten gezogene Vergleich habe sich auf Altenpflegerinnen und Gemeindeschwestern bezogen, bleibe also innerhalb der pflegenden Berufe. Seine Schlussfolgerung habe seinerzeit ohnehin nicht auf wissenschaftlich belegbaren Fakten, sondern auf seinen eigenen Erfahrungen beruht. Der Gesetzgeber fordere demgegenüber für eine Anerkennung als Wie-Berufskrankheit einen Nachweis mittels einer epidemiologischen Studie oder anderer, hinreichend gesicherter neuer wissenschaftlich belegbarer Erkenntnisse, die vorliegend nicht gegeben seien. Im Falle der Klägerin sei weder ein genereller noch ein individueller Ursachenzusammenhang gegeben. Auch Dr. M. stütze sich nur auf seine Einzelerfahrung.

Zu einem von der Klägerin vorgelegten Schreiben von Dr. M. vom 28. Oktober 2013 hat dieser auf Nachfrage des Senates schriftlich mitgeteilt, dass er mit der Berufsgruppe, bei der das schwere Heben von Personen die Hauptursache einer Senkung sei, diejenige der Krankenschwestern, Pflegerinnen und Altenpflegerinnen gemeint habe. Seine Aussage habe er nach dem gesunden Menschenverstand mit der Erfahrung von 34 Jahren frauenärztlicher Tätigkeit getroffen und der Kenntnis davon, dass im Pflegeberuf oft und vor allem überraschend gehalten und gehoben werden müsse (Evidenz: Level 3-b). Studien gebe es mit Sicherheit auch.

In der mündlichen Verhandlung des Senats am 26. März 2015 hat der als Unterbevollmächtigter der Klägerin aufgetretene Rechtsanwalt Dokumente zu den von Prof. Dr. L. in seiner ergänzenden Stellungnahme zum Gutachten von Prof. Dr. S. vom 8. Juli 1988 in Bezug genommenen Werken in englischer Sprache vorgelegt. Dabei ist der Auszug des Lehrbuchs "Vaginal Surgery" von Nichols und Randall der aktuellen 4. Auflage entnommen und das Dokument, welches sich mit der Untersuchung von Dudkiewicz et al. befasst, ein aus dem Polnischen ins Englische übersetztes "Abstract" aus der PubMed-Datenbank. Des Weiteren ist ein englisches "Abstract" aus dieser Datenbank zu einer Untersuchung von Miedel et al. in Schweden im Jahre 2009 übergeben worden, welche sich mit nichtgeburtshilflichen Risikofaktoren für einen Genitalprolaps in der gesamten weiblichen Bevölkerung befasst.

Die Klägerin hat parallel zum vorliegenden Verfahren die Anerkennung der Berufskrankheiten nach Nrn. 2108 und 2109 der Anlage 1 zur BKV begehrt. Die gegen die ablehnenden Verwaltungsentscheidungen gerichteten Klagen hat das SG mit Urteilen vom 26. März 2010 (Nr. 2108, Az. S 7 U 443/09) und vom 16. November 2011 (Nr. 2109, Az. S 7 U 3926/10) abgewiesen. Die gegen das Urteil des SG vom 26. März 2010 beim LSG eingelegte Berufung (Az. L 8 U 2898/10) ist am 1. April 2011 zurückgenommen worden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG) und auch im Übrigen zulässig, soweit die Klägerin unter Aufhebung des Urteils des SG und des Bescheides vom 24. Juni 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2010 die Verurteilung der Beklagten begehrt, den Descensus genitalis als Listen-Berufskrankheit oder Wie-Berufskrankheit anzuerkennen.

Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren darüber hinaus unter Aufhebung der angefochtenen Verwaltungsentscheidung die Verurteilung der Beklagten verfolgt, ihr Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v.H. zu gewähren, ist die Berufung mangels Beschwer (vgl. hierzu Leitherer, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl. 2014, Vor § 143 Rz. 9) unzulässig. Da das SG eine Entscheidung über diese im Tatbestand seines Urteils ausdrücklich erwähnte kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage offenbar versehentlich im Tenor, auch unter Heranziehung der Gründe seiner Entscheidung, nicht getroffen hat, wäre nur ein Antrag der Klägerin auf Urteilsergänzung gemäß § 140 SGG in Betracht gekommen (vgl. BSG, Urteil vom 21. Januar 1959 - 11/8 RV 181/57 -, juris, Rz. 15 m. w. N.; BSG, Terminbericht Nr. 10/15 vom 19. März 2015, Ziff. 1 zu B 2 U 3/14 R, im Internet unter "www.bundessozialgericht.de"; Senatsurteil vom 21. Februar 2013 - L 6 VG 3324/12 -, juris, Rz. 31 m. w. N.).

Die Berufung ist im Umfang ihrer Zulässigkeit unbegründet. Das SG hat die insoweit jeweils zutreffend als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG; zur Klageart vgl. BSG, Urteil vom 18. Juni 2013 - B 2 U 6/12 R -, juris, Rz. 13 m. w. N.) erhobene Klage zu Recht abgewiesen. Die Ablehnung der Anerkennung des Descensus genitalis der Klägerin als Listen-Berufskrankheit und Wie-Berufskrankheit im Bescheid vom 24. Juni 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2010 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Die Voraussetzungen für die Feststellung als Listen-Berufskrankheit liegen nicht vor, da ein Descensus genitalis als Krankheit durch Heben oder Tragen schwerer Lasten als besondere Einwirkung in § 1 BKV in Verbindung mit der Anlage 1 zur BKV nicht vorgesehen ist.

Die geltend gemachten Ansprüche richten sich nach den am 1. Januar 1997 in Kraft getretenen Bestimmungen des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII), da bei der Klägerin nach Auskunft des sie behandelnden Arztes für Frauenheilkunde Dr. M. der Descensus genitalis erstmals am 15. September 2006 aufgetreten ist (Art. 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz (UVEG), BGBl I 1996, S. 1254; § 212 SGB VII).

Nach § 9 Abs. 1 SGB VII sind Berufskrankheiten Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als Berufskrankheiten bezeichnet (Listen-Berufskrankheiten) und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden (Satz 1). Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann Berufskrankheiten auf bestimmte Gefährdungsbereiche beschränken oder mit dem Zwang zur Unterlassung einer gefährdenden Tätigkeit versehen (Satz 2). Für die Feststellung einer Listen-Berufskrankheit ist im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und die Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dass die berufsbedingte Erkrankung gegebenenfalls den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-Berufskrankheit. Dabei müssen die "versicherte Tätigkeit", die "Verrichtung", die "Einwirkungen" und die "Krankheit" im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 15. September 2011 - B 2 U 25/10 R -, juris, Rz. 14 m. w. N.).

Die Berufskrankheitenliste in der Anlage 1 zur BKV ist in sechs Gruppen unterteilt: durch chemische Einwirkungen verursachte Krankheiten; durch physikalische Einwirkungen verursachte Krankheiten; durch Infektionserreger oder Parasiten verursachte Krankheiten sowie Tropenkrankheiten; Erkrankungen der Atemwege und der Lungen, des Rippenfells und Bauchfells; Hautkrankheiten sowie Krankheiten sonstiger Ursache, worunter einzig das Augenzittern der Bergleute (Nr. 6101) gefasst ist. Die für einen Descensus genitalis durch Heben oder Tragen schwerer Lasten allenfalls in Betracht kommende Gruppe der physikalischen Einwirkungen erfasst eine solche Krankheit durch eine solche besondere Einwirkung hingegen nicht, sondern in diesem Zusammenhang lediglich bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten (Nr. 2108) sowie bandscheibenbedingte Erkrankungen der Halswirbelsäule durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter (Nr. 2109). Ein Descensus genitalis durch Heben oder Tragen schwerer Lasten erfüllt damit keinen Tatbestand einer Listen-Berufskrankheit.

Die Voraussetzungen für die Anerkennung des Descensus genitalis als Wie-Berufskrankheit liegen ebenfalls nicht vor.

Nach § 9 Abs. 2 SGB VII haben die Unfallversicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der BKV bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII erfüllt sind (sog. "Öffnungsklausel" für Wie-Berufskrankheiten). Die Feststellung einer Wie-Berufskrankheit nach dieser Vorschrift ist unter anderem vom Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen für die Bezeichnung der geltend gemachten Krankheit als Berufskrankheit nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen abhängig (vgl. BSG, Urteil vom 13. Februar 2013 - B 2 U 33/11 R -, SozR 4-2700 § 9 Nr. 21 Rz. 17 m. w. N.). Diese allgemeinen Voraussetzungen sind erfüllt, wenn bestimmte Personengruppen infolge einer versicherten Tätigkeit nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt sind, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft eine Krankheit hervorrufen. Die insoweit in früheren Entscheidungen des Bundessozialgerichts verwendeten Begriffe der Gruppentypik, generellen Geeignetheit und gruppentypischen oder -spezifischen Risikoerhöhung dienten allein der Erläuterung oder Umschreibung der aufgezeigten Voraussetzungen, ohne dass damit andere Anforderungen an die Anerkennung einer Wie-Berufskrankheit gestellt werden sollten (vgl. BSG, Urteil vom 27. April 2010 - B 2 U 13/09 R -, SozR 4-2700 § 9 Nr. 18 Rz. 15 m. w. N.).

Die Klägerin leidet zwar an einem Descensus genitalis, wie dies der die Klägerin behandelnde Arzt für Frauenheilkunde Dr. M., Dr. C. während des stationären Aufenthaltes der Klägerin in der Klinik S. vom 11. Juni bis 23. Juli 2008 und der Sachverständige Dr. T. diagnostiziert haben. Zu dieser Diagnose ist auch Priv.-Doz. Dr. R. in ihrem im Wege des Urkundenbeweises verwerteten Gutachten gekommen. Ein absolutes Beweisverwertungsverbot steht der Heranziehung dieser Expertise nicht entgegen. Eine mögliche Verletzung des Auswahlrechts gemäß § 200 Abs. 2 Halbsatz 1 SGB VII war unbeachtlich geworden und konnte schon deshalb keine Unzulässigkeit der Speicherung und Verwendung begründen. Die Klägerin ist ihrer verwaltungsverfahrensrechtlichen Obliegenheit nicht nachgekommen, der Beklagten unverzüglich mitzuteilen, dass nicht der von ihr ausgewählte Gutachter Prof. Dr. W., sondern die von ihr nicht ausgewählte Priv.-Doz. Dr. R. die Begutachtung übernommen hatte (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 20. Juli 2010 - B 2 U 17/09 R -, juris, Rz. 32 ff.). Die Klägerin war auch aufgrund ihrer versicherten Tätigkeiten im Kurbad H. und in der Neurologischen Klinik S. GmbH als Beschäftigte nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII und ihrer Zugehörigkeit zur Berufsgruppe der Kneipp- und medizinischen Bademeisterinnen besonderen Einwirkungen durch das Heben und Tragen von Personen und Gegenständen in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt. Als Einwirkung kommt jedes auf den Menschen einwirkende Geschehen in Betracht (BSG, Urteil vom 27. April 2010 - B 2 U 13/09 R -, SozR 4-2700 § 9 Nr. 18 Rz. 19). Es fehlt hingegen am generellen Ursachenzusammenhang zwischen der Erkrankung und der besonderen Einwirkung durch Heben oder Tragen schwerer Lasten für die Berufsgruppe der Kneipp- und medizinischen Bademeisterinnen.

Ob eine Krankheit innerhalb einer bestimmten Personengruppe im Rahmen der versicherten Tätigkeit häufiger auftritt als bei der übrigen Bevölkerung, erfordert in der Regel den Nachweis einer Fülle gleichartiger Gesundheitsbeeinträchtigungen und eine langfristige zeitliche Überwachung der Krankheitsbilder. Mit wissenschaftlichen Methoden und Überlegungen muss zu begründen sein, dass bestimmte Einwirkungen die generelle Eignung besitzen, eine bestimmte Krankheit zu verursachen. Erst dann lässt sich anhand von gesicherten "Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft" im Sinne des § 9 Abs. 2 SGB VII begründen, dass die Ursache für die Krankheit in einem schädigenden Arbeitsleben liegt. Solche Erkenntnisse setzen regelmäßig voraus, dass die Mehrheit der medizinischen Sachverständigen, die auf dem jeweils in Betracht kommenden Fachgebiet über besondere Erfahrungen und Kenntnisse verfügen, zu derselben wissenschaftlich fundierten Meinung gelangt ist. Es ist nicht erforderlich, dass diese Erkenntnisse die einhellige Meinung aller Medizinerinnen und Mediziner widerspiegeln. Andererseits reichen vereinzelte Meinungen einiger sachverständiger Personen grundsätzlich nicht aus (vgl. BSG, Urteil vom 18. Juni 2013 - B 2 U 6/12 R -, juris, Rz. 17 m. w. N.).

Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Berufskrankheiten grundsätzlich nur solche Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber das "Listensystem" als Grundprinzip des Berufskrankheitenrechts der gesetzlichen Unfallversicherung festgelegt. Mit der Einführung der Wie-Berufskrankheit in § 551 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) durch das Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz vom 30. April 1963 (BGBl I S. 241) wurde eine Ausnahme vom Listenprinzip nur für den Fall zugelassen, dass der Verordnungsgeber wegen der regelmäßig notwendigen mehrjährigen Intervalle zwischen den Anpassungen der BKV an die neuen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht rechtzeitig tätig wird (vgl. BSG, Urteil vom 25. August 1994 - 2 RU 42/93 -, BSGE 75, 51 (54)). Sinn des § 9 Abs. 2 SGB VII ist es, ausnahmsweise vom Listensystem abweichen zu können, um solche durch die Arbeit verursachten Krankheiten wie eine Berufskrankheit zu entschädigen, die nur deshalb nicht in die Liste der Berufskrankheiten aufgenommen worden sind, weil die Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über die besondere Gefährdung bestimmter Personengruppen in ihrer Arbeit bei der letzten Fassung der Liste noch nicht vorhanden waren oder vom Verordnungsgeber nicht hinreichend berücksichtigt wurden (vgl. BSG, Urteil vom 4. August 1981 - 5a/5 RKnU 1/80 -, SozR 2200 § 551 Nr. 18 S. 27). Die Anerkennung einer Wie-Berufskrankheit knüpft damit an dieselben materiellen Voraussetzungen an, die der Verordnungsgeber auch nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII für die Aufnahme einer Erkrankung in die Liste zu beachten hat.

Die damit zur Anerkennung einer Wie-Berufskrankheit notwendigen gesicherten Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft in Bezug auf die generelle Tatsache (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 2. April 2009 - B 2 U 9/08 R -, SozR 4-2700 § 9 Nr. 14 Rz. 15) des Zusammenhanges zwischen dem Heben oder Tragen schwerer Lasten während der Ausübung der beruflichen Tätigkeit von Kneipp- und medizinischen Bademeisterinnen und eines Descensus genitalis liegen zur Überzeugung des Senats nicht vor. Hinsichtlich eines solchen Zusammenhangs fehlt es an epidemiologischen Studien und statistisch relevanten Zahlen bezogen auf diese im Verband Physikalischer Therapie organisierte Berufsgruppe (vgl. im Internet unter "www.vpt.de" unter "Die Berufe", Stichwort "Masseur & medizinischer Bademeister"). Auf diese konkrete versicherte Tätigkeit, die die Klägerin als Beschäftigte nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII ausgeübt hat, ist entgegen ihrer Auffassung abzustellen (vgl. BSG, Urteil vom 27. April 2010 - B 2 U 13/09 R -, juris, Rz. 17). Auch wenn eine besondere Gefährdung dieser Berufsgruppe durch die Hebe- und Tragevorgänge bei der Ausübung der beruflichen Tätigkeit zu beobachten ist, lässt sich ein Zusammenhang zwischen der beruflichen Belastung und der morphologischen Veränderung der Gebärmutter oder Vagina mangels statistisch gesicherter Erkenntnisse nicht herstellen. Zwar versucht der die Klägerin behandelnde Arzt für Frauenheilkunde Dr. M. einen solchen Zusammenhang herzustellen, indem er ausgeführt hat, dass Ursachen des "Nachgebens" des Beckenbodens zum einen die Beschaffenheit des Bindegewebes und zum anderen der Druck nach unten durch das starke Heben und Tragen seien. Hierbei nimmt er auf die Berufsgruppe der Krankenschwestern, Pflegerinnen und Altenpflegerinnen Bezug, bei der das schwere Heben von Personen die Hauptursache einer Senkung darstelle. Da er in seine Aussage medizinische Bademeisterinnen als solche weder einbezogen noch hierfür einen Vergleich zu den von ihm genannten Berufen hergestellt hat, ist ein Zusammenhang schon nicht plausibel dargetan. Es ist jedenfalls nicht offensichtlich, dass sich die Tätigkeitsinhalte einer Krankenschwester und einer (Alten-)Pflegerin einerseits und einer medizinischen Bademeisterin andererseits gleichen. Denn im Gegensatz zu Altenpflegerinnen und Krankenschwestern, die zwar auch pflegerisch-medizinische Aufgaben wahrnehmen, führen medizinische Bademeisterinnen konkret an Personen Behandlungen mittels Verfahren der physikalischen Therapie durch (vgl. im Internet unter "http://berufenet.arbeitsagentur.de/berufe/", Suchbegriffe "Altenpflegerin", "Fachkranken-schwester" und "medizinische Bademeisterin"). Darüber hinaus hat Dr. M. auf Nachfrage des Senats angegeben, seine Auffassung beruhe auf dem gesunden Menschenverstand mit der Erfahrung von 34 Jahren frauenärztlicher Tätigkeit und der Kenntnis davon, dass im Pflegeberuf oft und vor allem überraschend gehalten und gehoben werden müsse. Um dies zu untermauern hat er als Stärke der Evidenz den Grad 3-b angeführt und die Vermutung geäußert, dass es hierzu Studien gebe. Die angegebene Evidenzstärke entspricht dem Empfehlungsgrad auf der Grundlage einer einzelnen Fall-Kontroll-Studie (vgl. im Internet unter "www.stuedeli.net/reto/ medizin/kdb/content/EBM/Evidenzstufen.html"). Damit liegen aber, auch unter der Berücksichtigung, dass Dr. M. eine konkrete Studie nicht benennen konnte, noch keine statistisch gesicherten Erkenntnisse vor. Für die Annahme gesicherter Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft im Sinne des § 9 Abs. 2 SGB VII genügt es vorliegend nicht, dass einzelne Medizinerinnen und Mediziner die Verursachung eines Descensus genitalis durch Heben oder Tragen schwerer Lasten bei Pflegeberufen für plausibel oder wahrscheinlich halten, ohne sich direkt mit der vorliegend maßgeblichen Berufsgruppe der Kneipp- und medizinischen Bademeisterinnen zu befassen oder zumindest einen hinreichend begründeten Vergleich zu dieser herzustellen. Es reicht nicht aus, dass überhaupt medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse zu dem jeweils relevanten Problemfeld existieren, vielmehr muss sich eine so genannte "herrschende Meinung" im einschlägigen medizinischen Fachgebiet gebildet haben (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juni 2002 - B 2 U 16/01 R -, juris, Rz. 19).

Aus diesen Gründen lässt sich bezogen auf die Berufsgruppe der Kneipp- und medizinischen Bademeisterinnen der zu fordernde generelle Ursachenzusammenhang anhand neuer gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse auch nach der von Prof. Dr. S. und Dr. S. in ihren jeweiligen Gutachten sowie von Prof. Dr. L. in seiner Stellungnahme geäußerten Meinung nicht feststellen. Abgesehen davon, dass diese sich bereits nicht in hinreichendem Maße mit der vorliegend maßgeblichen Berufsgruppe befassen, führt Prof. Dr. S. im Gutachten vom 8. Juli 1988 die schwere körperliche Arbeit gestützt auf ein allgemeines ärztliches Verständnis als Mitursache einer Senkung an, ohne aber konkret auf epidemiologische Studien oder statistisch relevante Zahlen Bezug zu nehmen. Auch der in seinem Gutachten vom 9. Januar 1995 angenommene Zusammenhang gründet auf seiner Einzelmeinung. Über die nicht näher begründete Behauptung, schwere körperliche Arbeit, wie es das Heben von Personen darstelle, werde allgemein als Mitursache einer Senkung angesehen, hinaus, führt er lediglich noch an, es sei anzunehmen, dass die berufliche Tätigkeit die Scheidensenkung auf Dauer verschlimmert habe. Ebenso stützt sich Dr. S. in seinem Gutachten vom 25. Juni 2001 für die Auffassung, die beruflichen Einwirkungen, denen die zu begutachtende Person ausgesetzt gewesen sei, seien generell geeignet gewesen, zu den von ihm auf gynäkologischem Fachgebiet festgestellten Gesundheitsstörungen zu führen, allein auf seine fachliche Einschätzung und seine für ihn plausible Sicht der Sachlage. So hätten die berufsabhängigen Faktoren seines Erachtens auch bei vernünftiger und lebensnaher Betrachtung als wesentliche Teilursache zu einer Beckenbodeninsuffizienz mit Organsenkungen und Funktionsstörungen in Form von pelvinen, also das Becken betreffenden Schmerzen und Harninkontinenz geführt. Weiter nimmt er an, seines Erachtens bestehe bei der Berufsgruppe von Altenpflegerinnen, insbesondere in der Tätigkeitsgruppe der Gemeindeschwestern, die kranke und ältere Menschen im häuslichen Bereich pflegten, ein erheblich höheres Maß als bei der durchschnittlich weiblichen Bevölkerung, an den Gesundheitsstörungen, die bei der Versicherten aufgetreten seien, zu erkranken. Somit stützt sich auch Dr. S. nicht auf epidemiologische Studien oder statistisch relevante Zahlen. Die von Prof. Dr. L. für seine Ansicht eines generellen Zusammenhangs zwischen schwerer körperlicher Arbeit und einer Scheidensenkung benannten zwei Literaturstellen aus dem Jahre 1983 befassen sich, bezogen auf das Lehrbuch "Vaginal Surgery" von Nichols und Randall, mit dem physiomechanischen Vorgang als solchem und nur allgemein bei Frauen sowie, hinsichtlich der Untersuchung durch Dudkiewicz et al., mit dem Zusammenhang bei Arbeiterinnen in einer Zementfabrik, liefern aber beide für die Berufsgruppe der Kneipp- und medizinischen Bademeisterinnen keine weiteren Erkenntnisse. Gleiches gilt für die Ausführungen von Prof. Dr. K. in dem von ihm und Prof. Dr. D. verfassten Handbuch der Arbeitsmedizin, wonach sich bei einer größeren systematischen Studie herausgestellt habe, dass Lageveränderungen des Uterus in Form eines Deszensus oder eines Prolaps allgemein bei Frauen, die entbunden hätten, sowohl mit zunehmender Arbeitsschwere als auch mit zunehmender Arbeitsdauer signifikant zunähmen und diese Steigerung unabhängig vom Alter und von der Geburtenzahl beobachtet sowie zusätzlich durch das Körpergewicht beeinflusst worden sei. Soweit die Klägerin auf eine von ihr nicht vorgelegte Untersuchung von Majomdar et al. aus dem Jahre 2013 hinweist, musste dem seitens des Senates nicht weiter nachgegangen werden, da sich diese nach ihrem Vorbringen mit dem Einfluss von schwerer körperlicher Arbeit auf die Entwicklung von Scheidenvorfällen befasst, woraus sich noch keine Anhaltspunkte ergeben, dass die Studie eine spezifische Aussage zu Kneipp- und medizinischen Bademeisterinnen trifft. Priv.-Doz. Dr. R. geht zwar, worauf die Klägerin hinweist, in ihrem Gutachten davon aus, dass die berufliche Tätigkeit der Klägerin die Entstehung der genitalen Senkung habe begünstigen oder zur Verschlimmerung beitragen können. Damit ist aber von ihr keine positive Aussage zum generellen Ursachenzusammenhang getroffen worden. Den Eingaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, die in englischer Sprache abgefasst waren, musste bereits deshalb nicht nachgegangen werden, da sie nicht der hiesigen Gerichtssprache (§ 202 Satz 1 SGG i. V. m. § 184 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG)) entsprechen (vgl. Zimmermann, in Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Aufl. 2013, § 184 GVG Rz. 6).

Allerdings hat das Bundessozialgericht zu so genannten "Seltenheitsfällen" entschieden, dass die den generellen Ursachenzusammenhang zwischen besonderer Einwirkung und Erkrankung belegenden medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht ausschließlich anhand von Methoden der Epidemiologie und statistischer Belege nachgewiesen werden müssen. Fehlt es an einer im Allgemeinen notwendigen langfristigen zeitlichen Überwachung von Krankheitsbildern, da aufgrund der Seltenheit einer Erkrankung medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse durch statistisch abgesicherte Zahlen nicht erbracht werden können, kommt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ausnahmsweise auch ein Rückgriff auf Einzelfallstudien, auf Erkenntnisse aus anderen Staaten und auf frühere Anerkennungen entsprechender Erkrankungen, auch in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, in Betracht (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juni 2002 - B 2 U 20/01 R -, juris, Rz. 22 m. w. N.; BSG, Urteil vom 14. November 1996 - 2 RU 9/96 -, BSGE 79, 250 (252)). Das Bundessozialgericht hat bislang offengelassen, ob eine solche Vorgehensweise unter Zugrundelegung eines geringeren wissenschaftlichen Standards überhaupt mit den gesetzlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 SGB VII (i. V. m. § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII) für die Anerkennung einer Wie-Berufskrankheit vereinbar ist (vgl. BSG, Urteil vom 18. Juni 2013 - B 2 U 6/12 R -, juris, Rz. 20). Ihre Zulässigkeit unterstellt, kann ferner dahingestellt bleiben, ob sie auch dann in Betracht kommt, wenn - wie hier, bezogen auf das Krankheitsbild eines Descensus genitalis - gar kein Seltenheitsfall gegeben, sondern stattdessen eine Berufsgruppe betroffen ist, die zwar in einem Berufsverband organisiert ist, bei der wegen ihrer wohl immer noch geringen Größe gleichwohl epidemiologische Studien nicht zu erwarten sind. Denn selbst bei Zugrundlegung eines geringeren wissenschaftlichen Standards reichen die Erkenntnisse nicht aus, einen generellen Zusammenhang zwischen den Hebe- und Tragevorgängen bei Kneipp- und medizinischen Bademeisterinnen und einem Descensus genitalis als hinreichend wissenschaftlich belegt zu betrachten. Der Sachverständige Dr. T. ist für den Senat überzeugend zu dem Ergebnis gekommen, dass bis aktuell keine wissenschaftlichen Erkenntnisse dafür vorliegen, dass Einwirkungen oder Bedingungen im Arbeitsbereich der Klägerin bestanden haben, die generell geeignet waren, die Senkungserkrankung zu verursachen. Seine mit dreizehn gesichteten einschlägigen Werken aus den Jahren 2002 bis 2012 umfangreiche Literaturrecherche in der PubMed-Datenbank, einer englischsprachigen, textbasierten Meta-Datenbank mit medizinischen Artikeln bezogen auf den gesamten Bereich der Biomedizin der nationalen medizinischen Bibliothek der Vereinigten Staaten von Amerika, hat keine Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft gezeigt, wonach die Berufsgruppe der Kneipp- und medizinischen Bademeisterinnen in höherem Maße als die Allgemeinbevölkerung von Senkungsbeschwerden betroffen ist. Damit hat sich, jedenfalls bezogen auf diese Berufsgruppe, die in der Stellungnahme der Staatlichen Gewerbeärztin des Landes Baden-Württemberg Dr. E. vom 2. September 2009 geäußerte Auffassung bestätigt, es gebe keine neuen gesicherten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse, wonach das sehr häufige Krankheitsbild eines Descensus genitalis nicht - im Sinne eines generellen Ursachenzusammenhanges - durch berufliche Einflüsse verursacht werde. Zu diesem Ergebnis war auch die in der Abteilung der Beklagten für Grundlagen der Prävention und Rehabilitation tätige Ärztin für Arbeits- und Umweltmedizin Dr. S., ebenfalls nach einer Literaturrecherche in der PubMed-Datenbank, gekommen. Im Schreiben vom 3. Juni 2010 teilte sie mit, dass, abgesehen von verschiedenen Risikofaktoren für Scheidensenkungen, keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse zu der vorliegend maßgeblichen Fragestellung hätten identifiziert werden können. Für die Zeit bis 2003 hat Dr. N. in seiner der Beklagten gegenüber abgegebenen Stellungnahme vom 8. März 2003 für den Senat überzeugend den wissenschaftlichen Nachweis eines erhöhten Risikos für eine Scheidensenkung durch schweres Heben oder Tragen nach Auswertung der Studien, die bis dahin vorlagen, sogar ausgeschlossen.

Darüber hinaus fehlt es vorliegend an medizinischen Belegen dafür, dass der Descensus genitalis mit Wahrscheinlichkeit auf berufliche Belastungen der Klägerin zurückzuführen ist, auch wenn dies nicht auszuschließen, also möglich ist. So errechnete der Präventionsdienst der Beklagten im Rahmen der Ermittlungen zu den arbeitstechnischen Voraussetzungen in Bezug auf die Berufskrankheiten, welche die Wirbelsäule betreffen, für die Zeit der versicherten Beschäftigungen der Klägerin eine Gesamtbelastungsdosis nach dem MDD von insgesamt 27 MNh. Dies entspricht 159 % des Lebensdosiswertes von Frauen, der bei 17 MNh liegt, also des Wertes, bei dessen Überschreitung nach aktuellem Stand epidemiologischer Erkenntnisse ein erhöhtes Risiko für eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Wirbelsäule im Bereich der Lendenwirbel anzunehmen ist (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 493). Ob dieses für die Klägerin errechneten Wertes liegt es damit zwar nahe, dass mit ihrer beruflichen Tätigkeit ebenso eine größere Belastung des Beckenbodens und folglich eine besondere Einwirkung auf die Gebärmutter und die Vagina verbunden war. Ein (individueller) Ursachenzusammenhang zwischen der Erkrankung und der beruflichen Einwirkung lässt sich damit allein aber nicht bejahen, zumal sich nach der Stellungnahme von Dr. N. vom 8. März 2003 nach Auswertung der bis dahin erhobenen Studien kein Hinweis auf ein erhöhtes Risiko für eine Scheiden- oder Beckenbodensenkung durch schweres Heben und Tragen gefunden hat.

Ob bereits bei drei Anerkennungen einer Scheidensenkung als Wie-Berufskrankheit durch die Beklagte in anderen Versichertenfällen, von denen die einer Altenpflegerin in den Unfallverhütungsberichten der Bundesregierung für die Jahre 1989 und 1994 Erwähnung fand, von einer behördlichen Praxis auszugehen ist, kann dahinstehen. Eine solche kann ohnehin allenfalls im Rahmen von Ermessensregelungen zu einer Selbstbindung der Verwaltung führen und damit letztlich eine Anspruchsberechtigung begründen. Eine behördliche Praxis kann in keinem Fall gesetzlich normierte Voraussetzungen eines Rechtsanspruchs (§ 38 SGB I) für einen bestimmten Personenkreis als gegeben unterstellen (vgl. BSG, Urteil vom 7. Juli 2011 - B 14 KG 2/09 R -, juris, Rz. 11 zu Dienstanweisungen). Um eine solche Anspruchsnorm und nicht um eine Ermessensregelung handelt es sich bei § 9 Abs. 2 SGB VII.

Billigkeitserwägungen führen ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis. § 9 Abs. 2 SGB VII enthält keine allgemeine "Härteklausel", nach der jede durch eine versicherte Tätigkeit verursachte Krankheit als Wie-Berufskrankheit anzuerkennen wäre (vgl. BSG, Urteil vom 13. Februar 2013 - B 2 U 33/11 R -, SozR 4-2700 § 9 Nr. 21 Rz. 17).

Dass die Anerkennung einer Wie-Berufskrankheit an das Vorliegen wissenschaftlich gesicherter Kausalbeziehungen anknüpft, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor.

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfGE 98, 365 (385)). Er gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen (vgl. BVerfGE 79, 1 (17); 126, 400 (416) m. w. N.). Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Unterscheidung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (vgl. BVerfGE 124, 199 (220)). Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 7. Februar 2012 - 1 BvL 14/07 -, juris, Rz. 40 m. w. N.).

§ 9 Abs. 2 SGB VII ist zwar dann mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht mehr vereinbar, wenn einer Personengruppe der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung allein deshalb versagt wird, weil der Verordnungsgeber vorliegende wissenschaftliche Erkenntnisse noch nicht geprüft und gewürdigt hat (BVerfGE 58, 369 (375 f.) = SozR 2200 § 551 Nr. 19 S. 32 f.). Denn die Vorschrift schließt solche Lücken, die sich daraus ergeben, dass neue Erkenntnisse über den Zusammenhang von beruflicher Exposition und Erkrankung vorliegen, bevor die BKV eine entsprechende Anpassung erfährt (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 9. Oktober 2000 - 1 BvR 791/95 -, SozR 3-2200 § 551 Nr. 15 S. 76). An medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen zu gesundheitsschädigenden Folgen in Form eines Descensus genitalis durch das beruflich bedingte schwere Heben oder Tragen von Kneipp- und medizinischen Bademeisterinnen fehlt es vorliegend aber gerade. Dass sich der Verord-nungsgeber mit den besonderen Einwirkungen dieser Berufsgruppe noch gar nicht befasst hat und eine Auseinandersetzung damit möglicherweise auch nicht geplant ist, befreit daher aus Gründen der Gleichbehandlung nicht vom Erfordernis der die generelle Geeignetheit einer besonderen Einwirkung für die Verursachung einer bestimmten Erkrankung belegenden medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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