L 12 AL 1669/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 21 AL 5671/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 1669/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 10.03.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten einen Existenzgründungszuschuss ab 01.05.2013 sowie nach Ablauf des Gewährungszeitraumes für die Dauer von neun Monaten einen Zuschuss zur Sozialversicherung in Höhe von 300,00 EUR monatlich.

Der 1984 geborene Kläger absolvierte eine Ausbildung zum Bürokaufmann und war im Anschluss daran mehrere Jahre als Vertriebs- und Personaldisponent im Bereich Personaldienstleistungen tätig. Am 28.08.2012 nahm der Kläger bei der IHK K. an einer Informationsveranstaltung zur Existenzgründung teil und wurde über die im Rahmen einer Existenzgründung zu beachtenden Aspekte informiert. Am 03.01.2013 meldete er sich mit Wirkung zum 01.02.2013 arbeitslos. Mit Bescheid vom 20.02.2013, geändert durch die Bescheide vom 24.04.2013 und 03.08.2013 bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 01.02.2013 bis 30.04.2013 Arbeitslosengeld in Höhe von 33,98 EUR täglich, zugrunde gelegt war eine Anspruchsdauer von 360 Tagen, durch die Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit endete der Arbeitslosengeldbezug zum 30.04.2013.

Am 21.03.2013 beantragte der Kläger die Gewährung eines Gründungszuschusses zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit nach § 93 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) zum 01.05.2013.

Am 30.04.2013 kaufte der Kläger die Hälfte der am 01.10.2012 durch Herrn J. M. gegründeten Firma U. P. K. GmbH zu einem Preis von 12.500,00 EUR. Er wurde neben Herrn M. zum zweiten allein vertretungsberechtigten Geschäftsführer der GmbH bestellt mit Befreiung von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), der Gesellschaftsvertrag wurde entsprechend geändert. Zum 01.05.2013 nahm der Kläger die Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer der U. P. K. GmbH auf.

Am 15.05.2013 ging bei der Beklagten das vom Kläger vollständig ausgefüllte Antragsformular ein. Darin gab er an, in der Gründungsphase sollten ehemalige Kundenkontakte reaktiviert werden und neue Kunden gewonnen werden, in dieser Phase könne noch nicht so viel Umsatz generiert werden. Um das Unternehmen in dieser Zeit nicht durch seine Gehaltskosten als Geschäftsführer finanziell zu stark zu belasten, beantrage er den Existenzgründungszuschuss. Seine Gehaltskosten werde er während der Anlaufphase mit ca. 500,00 EUR pro Monat selbstverständlich so gering wie möglich halten. Daher sei wünschenswert, den Zuschuss seitens der Beklagten zu erhalten, da er auch die Kosten für Krankenversicherung und sonstige Lebenshaltungskosten zu bewältigen habe. Vorgelegt wurden ein Businessplan, eine Rentabilitätsvorschau, die Urkunden über den Kauf der Gesellschaftsanteile der U. P.K.GmbH und die Bestellung des Klägers zu deren Geschäftsführer sowie die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle.

Mit Bescheid vom 26.07.2013 lehnte die Beklagte die Gewährung eines Existenzgründungszuschusses ab. Sie habe unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit die für den Einzelfall am besten geeignete Leistung oder Kombination von Leistungen zu wählen, die einen dauerhaften Eingliederungserfolg erwarten ließen. Der Kläger habe eine Ausbildung zum Bürokaufmann und mehrjährige Berufserfahrung als Personaldisponent. Auf dem für den Kläger fachlich und persönlich in Betracht kommenden Arbeitsmarkt bestünden ausreichend Integrationsmöglichkeiten in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung.

Mit Schreiben vom 19.08.2013 legte der Kläger Widerspruch ein. Mit Antrag vom 21.03.2013 habe er formgerecht die Gewährung eines Gründungszuschusses für Selbstständige beantragt. Alle formellen Anforderungen, die das Gesetz stelle, seien von ihm zu 100 % erfüllt worden. Weder das Gesetz noch die Geschäftsanweisungen der Beklagten sprächen von der Vermittelbarkeit als Ausschlussgrund für die Gewährung eines Existenzgründungszuschusses. Er habe sich auch auf dem ersten Arbeitsmarkt beworben, leider habe er auf alle Bewerbungen, die er bis Mitte März geschrieben habe, nur Absagen erhalten. Daher habe er sich entschieden, den Antrag auf Gewährung eines Zuschusses zu stellen und den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10.09.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. § 93 Abs. 1 SGB III räume Ermessen ein. Bei der Ermessensausübung sei zu berücksichtigen, dass Haushaltsmittel nur begrenzt zur Verfügung stünden und wirtschaftlich verwendet werden müssten. Im Rahmen der ermessenslenkenden Weisungen habe die Agentur für Arbeit Stuttgart festgelegt, dass die Gewährung eines Gründungszuschusses nicht möglich sei, wenn zumutbare Vermittlungsmöglichkeiten auf dem erreichbaren Arbeitsmarkt gegeben seien. Darüber hinaus habe nach § 4 Abs. 1 SGB III die Vermittlung in Arbeit Vorrang vor Leistungen zum Ersatz des Arbeitsentgelts bei Arbeitslosigkeit. Dies sei bei der Gewährung eines Gründungszuschusses analog zu berücksichtigen. Da dieser Vermittlungsvorrang auch im Verhältnis zu den sonstigen Leistungen der aktiven Arbeitsförderung, zu der auch der Gründungszuschuss gehöre, gelte, müsse die Beklagte prüfen, ob es ihr möglich sei, den Kläger in ein zumutbares Arbeitsverhältnis auf dem vom Kläger erreichbaren Arbeitsmarkt zu vermitteln. Der Kläger sei von Beruf Bürokaufmann und habe zuletzt bei einer Zeitarbeitsfirma als Personaldisponent gearbeitet. Bei der Prüfung, ob es ihr möglich gewesen wäre, den Kläger in ein zumutbares Beschäftigungsverhältnis zu vermitteln, sei sie zum Ergebnis gelangt, dass Vermittlungsmöglichkeiten als Bürokaufmann bzw. Personaldisponent vorhanden gewesen seien. Im Tagespendelbereich seien mehrere offene Stellen gemeldet gewesen, bei denen die Arbeitgeber einen Mitarbeiter wie den Kläger, zumal mit Berufserfahrung, gesucht hätten. Sie sei daher davon überzeugt, dass eine Vermittlung in ein Beschäftigungsverhältnis möglich gewesen wäre, sodass die Gewährung eines Gründungszuschusses nicht erforderlich gewesen sei. Weiterhin habe die Beklagte berücksichtigt, dass bei Selbstständigen, die ihre Tätigkeit als Selbstständige gerade erst aufgenommen haben, das Risiko zu scheitern weitaus höher sei, als bei Arbeitnehmern, die eine neue Stelle angetreten hätten, somit liege eine nachhaltige Integration auf den Arbeitsmarkt eher bei einem Arbeitnehmer vor, als bei einem Selbstständigen. Folglich habe die Ermessensausübung nicht zu Gunsten des Klägers erfolgen können.

Am 09.10.2013 hat der Kläger beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben. Er erfülle alle gesetzlichen Grundlagen für die Genehmigung des beantragten Zuschusses. Er zweifle an, dass die ermessenslenkenden Weisungen der Beklagten über dem Gesetz stünden. Die Beklagte sei ihrem Vermittlungsauftrag nicht nachgekommen, denn sie habe ihn schließlich nicht vermittelt. Die Aussage der Beklagten, dass eine Vermittlung in eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit nachhaltiger sei, als die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit, sei so nicht zu generalisieren, hier sollten die einzelnen Branchen differenziert betrachtet werden.

Den gleichzeitig mit der Klage gestellten Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz (S 21 AL 6275/13 ER) hat das SG mit Beschluss vom 09.12.2013 abgelehnt.

Mit Gerichtsbescheid vom 10.03.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Soweit der Kläger die Gewährung eines Zuschusses zur Sozialversicherung in Höhe von 300,00 EUR monatlich beantrage, sei die Klage mangels Vorverfahrens unzulässig, da die Gewährung des weiteren Zuschusses bei der Beklagten nicht beantragt worden sei. Im Übrigen sei die Klage unbegründet, da der Kläger zwar die tatbestandlichen Voraussetzungen erfülle, insbesondere habe er hauptberuflich eine selbstständige Tätigkeit aufgenommen, die Beklagte habe jedoch ihr Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt.

Gegen den Gerichtsbescheid wendet sich der Kläger mit seiner Berufung vom 11.04.2014. Er habe dem schriftlichen Verfahren in der ersten Instanz nur zugestimmt, weil er der Auffassung gewesen sei, dass dort die Rechte des Bürgers entsprechend gewürdigt würden und seinem Antrag mit hoher Wahrscheinlichkeit zugestimmt werde. In ihm bekannten Fällen, die ähnlich gelagert gewesen seien – gleiche Voraussetzungen wie bei ihm – hätten andere Bezirke der Beklagten im Sinne des Erwerbslosen entschieden. Im Übrigen wiederholt und vertieft er sein Vorbringen in erster Instanz.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 10.03.2014 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26.07.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.09.2013 zu verurteilen, ihm ab 01.05.2013 einen Gründungszuschuss zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit sowie nach Ablauf des Gewährungszeitraums von neun Monaten einen Zuschuss zur Sozialversicherung zu gewähren,

hilfsweise, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26.07.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.09.2013 zu verurteilen, den Antrag auf Gewährung eines Gründungszuschusses vom 21.03.2013 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Dadurch, dass sie darauf abgestellt habe, ob der Kläger voraussichtlich auch ohne die Förderung einer selbstständigen Tätigkeit in absehbarer Zeit in den Arbeitsmarkt eingegliedert worden wäre, habe sie einen legitimen, der Teleologie des § 93 SGB III entsprechenden Zweck verfolgt und ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung ausgeübt. Im Januar 2013 habe es im Agenturbezirk Stuttgart im Bereich Personaldienstleistung 40 offene Stellen gegeben, denen 43 Arbeitslose gegenüber gestanden hätten.

Im Erörterungstermin am 20.11.2014 hat die Beklagte Vermerke vorgelegt, wonach der Kläger bereits am 03.01.2013 erklärt habe, dass er überlege, sich selbstständig zu machen. Er habe am 22.03.2013 mitgeteilt, sich mit einem ehemaligen Kollegen als GmbH selbstständig machen zu wollen. Der Kläger hat Absagen auf Bewerbungen vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 10.03.2014 eingelegte Berufung ist statthaft, da Berufungsausschließungsgründe insoweit nicht eingreifen und auch im Übrigen zulässig; insbesondere sind die maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG –) beachtet.

Eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG ist im vorliegenden Fall nicht verfahrensfehlerhaft. Das SG hat die Beteiligten zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid mit Schreiben vom 15.01.2014 angehört, der Kläger hat sich ausdrücklich mit einer solchen Entscheidung einverstanden erklärt. Soweit der Kläger im Berufungsverfahren sinngemäß vorträgt, er sei durch die inhaltlich für ihn negative Entscheidung überrascht worden, so ist dem entgegen zu halten, dass das SG den Kläger mit Schreiben vom 13.12.2013 unter Hinweis auf die Ausführungen zum Anordnungsgrund im Beschluss vom 09.12.2013 – S 21 AL 6275/13 ER – gefragt hat, ob er dennoch die Klage fortführen wolle, was der Kläger (ohne weitere Begründung) bejaht hat. Dem Kläger hätte somit die fehlende Erfolgsaussicht seines Verfahrens bewusst sein müssen oder jedenfalls können.

Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 26.07.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.09.2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Nach § 93 Abs. 1 SGB III können Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbstständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhaltes und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten. Gemäß § 93 Abs. 2 SGB III kann ein Gründungszuschuss geleistet werden, wenn der Arbeitnehmer 1. bis zur Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt und nicht allein auf § 147 Abs. 3 beruht, 2. der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist uns 3. seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbstständigen Tätigkeit darlegt.

Die in § 93 Abs. 2 SGB III genannten tatbestandlichen Voraussetzungen für die Gewährung eines Gründungszuschusses sind beim Kläger erfüllt. Er hatte bis zur Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit am 01.05.2013 einen Anspruch von Arbeitslosengeld von mehr als 150 Tagen, die Tragfähigkeit seiner Existenzgründung war nachgewiesen und die entsprechende Sachkenntnis dargelegt. Insbesondere handelte es sich bei der Tätigkeit des Klägers um eine selbstständige Tätigkeit. Insoweit wird nach § 153 Abs. 2 SGG auf die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid Bezug genommen, die der Senat sich nach eigener Prüfung zu eigen macht.

Gleichwohl hat die Beklagte die Bewilligung eines Existenzgründungszuschusses rechtmäßig abgelehnt. Denn der Gründungszuschuss stellt seit dem 28.12.2011 (wieder) eine Ermessensleistung dar. Nach der Gesetzesbegründung soll er für eine Übergangs- und Anfangszeit, in der aus der neu aufgenommenen selbstständigen Tätigkeit keine vollen Einnahmen zu erwarten sind, den Lebensunterhalt des vorher Arbeitslosen sichern (BT-Drucks. 16/1696 S. 30).

Soweit die Beklagte ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes nach § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Beklagte ist bei Ermessensentscheidungen nicht völlig frei, sie hat ihr Ermessen pflichtgemäß auszuüben. § 39 Abs. 1 Satz 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) bestimmt, dass die Leistungsträger, wenn sie ermächtigt sind, bei der Entscheidung über Sozialleistungen nach ihrem Ermessen zu handeln, das Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten haben. Auf pflichtgemäße Ermessensausübung besteht nach § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB I ein Anspruch.

Eine Ermessensentscheidung ist rechtwidrig bei Ermessensnichtgebrauch, d. h. wenn die Behörde ihr Ermessen nicht ausübt oder im Bescheid nicht zum Ausdruck gebracht hat, bei Ermessensunterschreitung, d. h. wenn die Verwaltung ihr Ermessen zu eng eingeschätzt hat, bei Ermessensüberschreitung, d. h. wenn die Behörde nicht im Rahmen der ihr vom Gesetz gegebenen Ermächtigung gehandelt hat und bei Ermessensfehlgebrauch, d. h. wenn die Behörde von ihrem Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat (Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 54 Rdnr. 27).

Das Gericht darf bei der Ermessensüberprüfung nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle des Verwaltungsermessens setzen. Bei der Überprüfung der eigentlichen Ermessensentscheidung findet nur eine Rechtskontrolle, keine Zweckmäßigkeitsüberprüfung statt. Das Gericht überprüft folglich nur, ob einer der oben aufgeführten Ermessensfehler vorliegt und ob der Kläger durch den Ermessensfehler beschwert ist (Keller, a.a.O., Rdnr. 28).

Da die Beklagte das ihr eingeräumte Ermessen erkannt und ausgeübt hat, liegt ein Ermessensnichtgebrauch nicht vor. Soweit sich die Beklagte auf ihre ermessenslenkenden Weisungen beruft, stellt dies keinen Ermessensnichtgebrauch oder Ermessensausfall dar. Ein Berufen auf ermessenslenkende Weisungen ist zulässig, wenn nicht sogar zur Gewährleistung einer dem allgemeinen Gleichheitssatz des Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) entsprechenden Ermessensausübung geboten (BSG, Urteil vom 16.06.1999 – B 9 V 4/99 RBSGE 84, 108 = SozR 3-3900 § 22 Nr. 1; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17.10.2013 – L 9 AL 150/12 –, juris). Entscheidend ist, dass die Beklagte neben ihren internen Weisungen die Besonderheiten des Einzelfalles beachtet (BSG, a.a.O.). Dies hat die Beklagte auch getan, indem sie die Ausbildung und Berufserfahrung des Klägers sowie die individuelle Stellensituation auf dem für den Kläger in Betracht kommenden Arbeitsmarkt berücksichtigt hat. Auch sind Anhaltspunkte für eine Ermessensunterschreitung oder eine Ermessensüberschreitung nicht ersichtlich.

Die Beklagte hat darüber hinaus in zulässiger Weise im Rahmen der Ermessensausübung den Vorrang der Vermittlung berücksichtigt. Der Vorrang der Vermittlung stellt eine zulässige Ermessenserwägung dar (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 02.04.2014 – L 3 AL 4184/13 –; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28.11.2013 – L 9 AL 81/13 –, juris; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.01.2013 – L 18 AL 5/13 B ER – juris; Kuhnke, in juris PK SGB III, 1. Auflage 2014, § 93 Rn. 21). Nach § 4 Abs. 2 SGB III gilt der Vermittlungsvorrang im Verhältnis zu den sonstigen Leistungen der aktiven Arbeitsförderung, es sei denn, die Leistung ist für eine dauerhafte Eingliederung erforderlich. Die Beklagte hat zutreffend berücksichtigt, dass der Kläger voraussichtlich in angemessener Zeit in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung hätte vermittelt werden können. Im Tagespendelbereich des Klägers waren im Januar 2013 40 offene Stellen im Bereich Personaldienstleistungen gemeldet, wie der von der Beklagten vorgelegten Statistik (Bl. 35 der LSG-Akte) entnommen werden kann. Im März 2013 wurden dem Kläger insgesamt sechs Stellenangebote vorgelegt, auf die er sich teilweise nicht beworben hatte. Die vom Kläger vorgelegten Absagen auf eigene Bewerbungen führen zu keiner anderen Bewertung, da sich der Kläger keineswegs auf alle aktenkundigen Stellen beworben und zudem nicht besonders viele Bewerbungen geschrieben hat (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28.11.2013 – L 9 AL 81/13 –, juris).

In jedem Fall kann eine belastbare negative Vermittlungsprognose erst getroffen werden, wenn bereits eine gewisse Zeit lang vergebliche Vermittlungsbemühungen der Beklagten stattgefunden haben. Dies kann bei einem hier insoweit maximal zu berücksichtigenden Zeitraum von etwa 2 1/2 Monaten nicht angenommen werden (vgl. Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28.11.2013 – L 9 AL 81/13 –, juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 02.04.2014 - L 3 AL 4184/13 -). Gerade auch § 93 Abs. 2 Nummer 2 SGB III, wonach bei Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit noch ein Restanspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer von mindestens 150 Tagen bestehen muss, spricht in Anbetracht der bereits nach einer zweijährigen Beschäftigung geltenden Anspruchsdauer von 360 Kalendertagen dafür, dass von einer Erforderlichkeit des Gründungszuschusses erst ausgegangen werden kann, wenn nach Eintritt der Arbeitslosigkeit während eines längeren Zeitraums keine erfolgreiche Vermittlung stattgefunden hat (LSG Nordrhein-Westfalen a.a.O., LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10.08.2006 – L 6 AL 1161/05 – juris; Kuhnke, in juris PK SGB III 1. Auflage 2014 § 93 Rdnr. 45.1). Eine exakte zeitliche Vorgabe, wie lange vergebliche Vermittlungsbemühungen vorgelegen haben müssen, kann nicht bestimmt werden. Dies muss vielmehr individuell ermittelt werden unter Berücksichtigung von in Betracht kommendem Arbeitsmarkt sowie Qualifikation, Berufserfahrung und Alter des Leistungsempfängers. Insgesamt ist somit bei der Berücksichtigung des Vorrangs der Vermittlung kein Ermessensfehler erkennbar.

Da die Beklagte ihr Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt hat, kann die Frage, inwieweit für die zweite Stufe der Förderung (§ 94 Abs. 2 SGB III) ein gesonderter Antrag erforderlich ist, offenbleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht.
Rechtskraft
Aus
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