Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 11 U 2964/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 4031/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 12. August 2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Feststellung eines Ereignisses vom 23. August 2011 als Arbeitsunfall.
Die 1967 geborene Klägerin nahm im Juni 2011 eine Beschäftigung als Kommissioniererin bei der T. S. Fleischwaren GmbH & Co. KG in N. (im Folgenden: Arbeitgeberin) auf. Das Arbeitsverhältnis wurde durch die Kündigung der Arbeitgeberin bereits mit Ablauf des Oktober 2011 wieder beendet. In dem Unternehmen gibt es im Bereich Kommissionierung drei sogenannte "Verwiegeterminals". An jedem Terminal arbeiten unmittelbar zwei Beschäftigte, eine Person, welche die Produkte trennt ("sammelt"), und eine, die sie identifiziert ("verwiegt").
Im Mai 2012 meldete die AOK Baden-Württemberg, bei der die Klägerin gesetzlich krankenversichert ist, gegenüber der Beklagten schriftlich einen Erstattungsanspruch nach § 111 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) unter Hinweis auf ein Unfallereignis im August 2011 an. Weiter wurde aufgeführt, dass der die Klägerin behandelnde Arzt Dr. S. einen Morbus Sudeck und eine Neurodystrophie diagnostiziert habe. Ferner wurde ein Arztbericht des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. T. nach einer schmerztherapeutischen Behandlung der Klägerin vom 12. April 2012 vorgelegt. Im Rahmen der Anamnese wurde ausgeführt, die Klägerin habe berichtet, sich im August 2011 die rechte Hand dorsal an einer Regalplatte am Arbeitsplatz aufgeschürft zu haben. Die Wunde habe daraufhin etwa eine Stunde lang leicht geblutet. Dieser habe die Klägerin hingegen keine große Aufmerksamkeit geschenkt. In der darauffolgenden Nacht habe sie jedoch stechende und ziehende Schmerzen an der Hand verspürt. Am nächsten Tag seien die Schmerzen an der linken Hand aufgetreten, jedoch nicht so intensiv wie an der rechten. Die Beschwerden an der linken Hand seien innerhalb von vier Wochen wieder verschwunden gewesen. Die Schmerzen an der rechten Hand hätten hingegen fortbestanden, so dass sie mehrfach neurologisch untersucht und schließlich auch mit Vitamin B 12 und homöopathischen Mitteln behandelt worden sei. Als keinerlei Besserung eingetreten sei, habe sie eine handchirurgische Konsultation eingeholt. Hierbei seien keinerlei relevante Befunde festgestellt worden, weshalb schließlich von ihrer Arbeitsfähigkeit ausgegangen worden sei. Die Gebrauchsfähigkeit der rechten Hand sei seit der Verletzung im August 2011 zunehmend beeinträchtigt gewesen, so dass die Klägerin im Herbst 2011 mit der rechten Hand keinerlei Gegenstände habe halten können. Seit August 2011 sei sie wegen der Schmerzen in diesem Bereich arbeitsunfähig krank gewesen. Vier Monate nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit habe sie von der Arbeitgeberin die Kündigung erhalten. Dr. T. diagnostizierte schließlich chronische Schmerzen bei Reflexdystrophie der rechten Hand (CRPS) vom Chronifizierungsstadium 2 nach Gerbershagen. Eine Magnetresonanz-Tomographie der rechten Hand habe hingegen ein unauffälliges Kernspintomogramm der rechten Hand bei regelrechter Darstellung der Weichteile und der knöchernen Strukturen gezeigt. Es hätten keine entzündlichen Affektionen vorgelegen. Die Bänder seien unauffällig gewesen. Zeichen für eine rheumatoide Arthritis hätten sich nicht gefunden. Die Schmerzanamnese und der klinische Befund sprächen eindeutig für eine lokale Reflexdystrophie, die höchstwahrscheinlich auf die minimale Verletzung am Handgelenk zurückzuführen sei. Ein weiteres relevantes Ereignis habe nicht eruiert werden können.
Nach einem Aktenvermerk der Beklagten vom 23. Mai 2012 über ein Telefongespräch mit Elisabeth Kramer, der Personalleiterin der Arbeitgeberin, habe diese erklärt, dass über einen Unfall im August 2011 nichts bekannt sei. Die Klägerin habe diesen weder im Unfallbuch eingetragen noch hätten Zeugen für den Unfall ermittelt werden können. Selbst die direkte Kollegin der Klägerin habe nichts bemerkt.
Auf Nachfrage der Beklagten teilte die Klägerin im Mai 2012 schriftlich mit, dass sie sich die Verletzung am 23. August 2011 gegen 11 Uhr am Arbeitsplatz beim Kommissionieren zugezogen habe. Der Arbeitgeberin sei nicht davon berichtet worden, weil es sich lediglich um eine Hautabschürfung und keine blutende Wunde gehandelt habe, der sie keine große Bedeutung beigemessen habe. Ihre Arbeitskollegin E.-M. M. habe sie darauf aufmerksam gemacht, dass sie blute. Wegen der Verletzung habe sie sich bei ihrem Hausarzt Dr. S. vorgestellt.
Die Personalleiterin der Arbeitgeberin Kramer teilte mit Schreiben vom 2. Juli 2012 nochmals mit, dass nichts von einem Arbeitsunfall der Klägerin bekannt sei. Ein Unfall sei weder dem Sicherheitsbeauftragten noch den Ersthelfern gemeldet worden. Die Mitarbeiter würden bei Arbeitsantritt bezüglich der betrieblichen Sicherheitsbestimmungen explizit unterwiesen und wüssten, wie sie sich im Fall eines Arbeitsunfalles zu verhalten hätten und bei welchen Personen sie sich melden müssten. Im April oder Mai dieses Jahres habe eine Versicherung der Klägerin auf diesen Unfall hingewiesen. Die Klägerin habe sich danach nochmals persönlich bei ihr gemeldet und wörtlich versichert, dass der Unfall etwa vier Wochen vor dem 29. September 2011 passiert sein müsse. Sie habe sich an einem Regal verletzt, am rechten Handgelenk. Die Personalleiterin führte weiter aus, dass sie nicht behaupten möge, dass die Klägerin die Unwahrheit sage. Leider sei es aber nun mal so, dass alle Recherchen ihrerseits ergeben hätten, dass niemandem etwas von einem Arbeitsunfall bekannt geworden sei. Die Klägerin habe am 23. August 2011 abzüglich Pausen von 6:50 Uhr bis 17:13 Uhr gearbeitet. Die Klägerin sei ab dem 23. September 2011 bis zum Kündigungszeitpunkt arbeitsunfähig gewesen. Auf Nachfrage bei der Klägerin wegen der Arbeitsunfähigkeit habe diese mitgeteilt, dass sie Kreuzbeschwerden habe, wobei natürlich eine Arbeitnehmerin nicht verpflichtet sei, ihr ihre wahre Krankheitsdiagnose mitzuteilen.
Der Hauptabteilungsleiter des Unternehmens im Bereich Verpackung und Versand P. N., der im August 2011 auch als Sicherheitsfachkraft tätig war, teilte der Beklagten mit Schreiben vom 2. Juli 2012 mit, dass ihm während der Arbeitszeit der Klägerin am 23. August 2011 kein Arbeitsunfall gemeldet worden sei. Einen solchen habe er auch nicht beobachtet. Nachdem das Verbandbuch ausschließlich von ihm persönlich geführt werde sowie die Mitarbeitenden seitens des Unternehmens persönlich und schriftlich darauf hingewiesen würden, wie sie sich im Falle eines Arbeitsunfalles zu verhalten hätten beziehungsweise wo sie sich melden müssten, weise er nochmals darauf hin, dass an dem besagten Tag, wie auch für die Zeit davor oder danach, ein Unfallhergang der Klägerin nicht eingetragen worden sei, weder von ihm noch von den Ersthelfern. Von dieser sei ein solcher Vorgang auch nicht gemeldet worden. Über einen Unfall sei weder ihm noch der Betriebsleitung berichtet worden.
Die Arbeitskollegin der Klägerin Martini, die im August 2011 ebenfalls im Bereich Kommissionierung arbeitete und als Ersthelferin tätig war, teilte mit Schreiben vom 2. Juli 2012 mit, dass sie von der Personalleiterin K. auf den angeblichen Unfall vom 23. August 2011 angesprochen worden sei. Als direkte Kollegin könne sie mitteilen, dass sie keinen Unfall während der Arbeitszeit der Klägerin beobachtet habe und dass ihr kein Arbeitsunfall der Klägerin bekannt geworden sei.
Mit Bescheid vom 17. Juli 2012 lehnte die Beklagte "Leistungen wegen des Ereignisses vom 23.08.2011" ab. Die Arbeitgeberin habe auf entsprechende Nachfrage einen Arbeitsunfall nicht bestätigen können. Dessen Anerkennung setze voraus, dass das Unfallereignis, die versicherte Tätigkeit und der Körperschaden bewiesen seien. Ein Tatbestand gelte als erwiesen, wenn an seinem Vorliegen kein vernünftiger Zweifel bestehe, so dass die Überzeugung nach der Lebenserfahrung praktisch Gewissheit bekomme. Fehle es nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen, an diesem Beweis, so seien die Folgen der objektiven Beweislosigkeit von denjenigen Beteiligten zu tragen, die aus den feststellungsbedürftigen, aber nicht feststellbaren Tatsachen ein Recht herleiten wollten (Grundsatz der objektiven Beweis- und Feststellungslast). Nach den Ermittlungen habe das von der Klägerin geschilderte Ereignis weder von der Arbeitgeberin noch von der seitens der Klägerin als Zeugin angegebenen E.-M. M. bestätigt werden können. Zudem sei der Arbeitgeberin erst im April oder Mai 2012 bekannt geworden, dass sich die Klägerin während der betrieblichen Tätigkeit verletzt haben soll. Es lägen Erklärungen der Zeugin M. und des Zeugen N. vor, die ein Unfallereignis weder gesehen noch zeitnah davon Kenntnis erhalten hätten. Im Verbandbuch sei ebenfalls kein Eintrag über dieses Ereignis verzeichnet worden. Ein Unfall im Zusammenhang mit einer versicherten Tätigkeit der Klägerin könne daher nicht mit dem erforderlichen Beweisgrad festgestellt werden. Da die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalles damit nicht erfüllt seien, könnten Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht erbracht werden.
Hiergegen legte die Klägerin, erstmals anwaltlich vertreten, Widerspruch ein und trug im August 2012 zur Begründung vor, dass sie sich an dem 23. August 2011 im Kühllager des Unternehmens befunden habe. Die Zeugin M. sei ebenfalls dorthin gekommen und habe sie darauf angesprochen, dass sie am rechten Handgelenk blute. Bis zu diesem Zeitpunkt habe sie dies selbst nicht bemerkt gehabt. Nachdem sie die Zeugin M. darauf hingewiesen habe, habe sie sich daran erinnert, dass sie kurz zuvor ihr Handgelenk an einem Regal im Kühllager angestoßen habe. Nachdem sie gesehen habe, dass sie lediglich geringfügig blute, habe sie das Blut immer wieder weggewischt. Nachdem sie nach etwa einer Stunde festgestellt habe, dass die Wunde immer noch blute, sei sie zu der Zeugin M. gegangen. Dies sei kurz vor der Mittagspause, also vor 12 Uhr, gewesen. Sie habe die Zeugin M. nach einem Pflaster gefragt. Diese sei dann gemeinsam mit ihr ins Büro des Zeugen N. gegangen und habe ihn um ein Pflaster gebeten. Dieser habe dann gegenüber der Zeugin M. kundgetan, wo die Pflaster lägen, nämlich in seinem Schreibtisch oben rechts in der Schublade. Es sei die Zeugin M. selbst gewesen, die bei ihr das Pflaster angebracht habe. Bei dieser Gelegenheit habe sie erwähnt, dass sie beim Roten Kreuz sei und deshalb das Pflaster anbringen könne. Danach sei sie mit der Zeugin M. in die Mittagspause gegangen. Da es sich um eine verhältnismäßig geringfügige Verletzung am rechten Handgelenk gehandelt habe, sei ein Pflaster ausreichend gewesen, um die geringfügige Blutung zu stoppen. Dass sie am rechten Handgelenk ein Pflaster gehabt habe, sei auch von dem Zeugen Ralf Jauch, einem weiteren Mitarbeiter des Unternehmens, gesehen worden. Dieser habe sie darauf angesprochen und gefragt, was sie da gemacht habe. Daraufhin habe sie ihm erzählt, dass sie ihre Hand am Regal angeschlagen habe und es deshalb zu einer geringfügigen Blutung am rechten Handgelenk gekommen sei.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. Oktober 2012 mit der Begründung zurück, auch nach den weiteren Ausführungen der Klägerin ergäben sich keine Anhaltspunkte, die eine andere Beurteilung gebieten könnten.
Hiergegen hat die Klägerin am 26. Oktober 2012 beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage erhoben und nochmal den Unfallhergang entsprechend der Darstellung, wie sie bereits in der Widerspruchsbegründung erfolgte, geschildert. Des Weiteren hat sie unter anderem einen Bericht der Leiterin der Schmerzambulanz der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin des Universitätsklinikums T. Dr. S. nach ambulanter Untersuchung am 12. Juli 2012 vorgelegt. Darin wird auf algesiologischem Fachgebiet ein komplexes regionales Schmerzsyndrom (CRPS) vom Typ II, Chronifizierungsstadium 2 nach Gerbershagen diagnostiziert. Zur Anamnese und aktuellen Situation ist ausgeführt, dass die Klägerin berichtet habe, sich am 23. August 2011 an ihrer Arbeitsstelle eine in der Größe eines Ein-Euro-Stückes große Abschürfung am Handrücken der rechten Hand zugezogen zu haben. Sie sei an einem Metallregal mit ihrer Hand hängengeblieben. Die Verletzung habe eine Stunde lang geblutet und sei mit einem Pflaster versorgt worden. Die Arbeit habe sie trotzdem fortgesetzt. Nach etwa zwei bis drei Tagen seien Schmerzen im Bereich der Finger D II bis IV der rechten Hand sowie Schwellungen der kompletten rechten Hand und des rechten Unter- und Oberarmes aufgetreten. Zugleich sei es zu einer bläulich-lividen Verfärbung der rechten Hand gekommen. Außerdem habe sie eine Verkrümmung des rechten kleinen Fingers bemerkt. Innerhalb der ersten Woche nach dem Unfallereignis seien auch Schmerzen im Bereich der Fingergrund-, -mittel- und -endgelenke der rechten Hand hinzugekommen, wobei die Finger D II bis IV betroffen gewesen seien. Sie sei daraufhin beim Hausarzt vorstellig geworden. Nach entsprechender Diagnostik und anderweitigen Arztkonsultationen sei ein komplexes regionales Schmerzsyndrom diagnostiziert worden. Im weiteren Verlauf hätten sich Taubheitsgefühle der kompletten rechten Hand bemerkbar gemacht. Weiterhin sei es zu einer Hyperalgesie (Sensibilitätsstörung) beziehungsweise einer Allodynie (gesteigerte Schmerzempflindlichkeit) in diesem Bereich gekommen. Zeitgleich habe die Klägerin ein verringertes Nagelwachstum der Finger der rechten Hand bemerkt. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sei dieses jedoch wieder regelmäßig. Im weiteren Verlauf sei etwa vier Wochen nach der Verletzung parallel ein Anschwellen der linken Hand aufgetreten, was sich jedoch in der Folgezeit nach drei bis vier Wochen wieder spontan sistiert habe. Seit der Verletzung im August 2011 habe sich die Schmerzsymptomatik in der rechten Hand deutlich gebessert. Die Klägerin habe angegeben, regelmäßig zweimal in der Woche Krankengymnastik zu erhalten. Ebenso habe die Mobilität der rechten Hand wieder zugenommen. Ein Rückgang der Schwellung sei zu verzeichnen gewesen. Die Klägerin habe die Schmerzqualität als ziehend bis stechend beschrieben, zum Teil als brennende Schmerzen. Der Schmerz sei permanent vorhanden. Die Schmerzintensität sei auf einer zehnstufigen numerischen Skala bei sieben angegeben worden. Nur unter kontinuierlicher Bewegung der Finger der rechten Hand sei eine Schmerzreduktion von sieben auf fünf zu verzeichnen gewesen. Erfreulicherweise sei trotz der Schmerzsymptomatik der Nachtschlaf ungestört.
Das SG hat Dr. S., Dr. S. und den die Klägerin behandelnden Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. R. als sachverständige Zeugen und Zeugin schriftlich vernommen.
Dr. S. hat mitgeteilt, die Klägerin habe erstmals Anfang Oktober 2011 zusätzlich über eine deutliche Kraftminderung in der rechten Hand berichtet. Ob es einen kausalen Zusammenhang zwischen der geringen Handverletzung und der Ausbildung des Schmerzsyndroms gebe, sei für ihn schwer zu beantworten. Sicherlich bestünde ein zeitlicher Zusammenhang, wohingegen die Zusammenhangsfrage schließlich gutachterlich durch einen auf dem Gebiet des CRPS erfahrenen Fachkollegen beantwortet werden müsse.
Dr. S. hat zudem einen Ärztlichen Entlassungsbericht des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie V., Reha-Klinik S. in D., vorgelegt, der über eine auf Veranlassung der T. der gesetzlichen Rentenversicherung erfolgte stationäre Rehabilitationsmaßnahme vom 27. März bis 18. April 2013 berichtet. Diagnostiziert worden seien unter anderem ein CRPS II an der rechten Hand nach Bagatellverletzung am rechten Handrücken am 23. August 2011 (ICD-10 M 89.00) und ein chronisches Schmerzsyndrom, Stadium 2 nach Gerbershagen (ICD-10 F 45.41). Als Abschlussbefund sei im Bereich der rechten Hand nach wie vor eine Schwellung und eine livide Verfärbung festgestellt worden. Die Haut sei schweißig glänzend und der Faustschluss nicht möglich gewesen. Dr. S. hat weiter Arztberichte des Facharztes unter anderem für Handchirurgie und Orthopädie Dr. K. vorgelegt, die nach Untersuchungen der Klägerin am 22. November 2011 und 19. Januar 2012 erstellt worden waren. Zunächst sei eine unklare Schmerzsymptomatik im Bereich der rechten Hand bei einem Verdacht auf eine rheumatische Erkrankung, sodann ein Verdacht auf ein grenzwertiges CRPS im Bereich der rechten Hand diagnostiziert worden. Dr. S. hat ferner einen Arztbericht des Facharztes für Neurologie Dr. N. vorgelegt, wonach die Klägerin bei einer Untersuchung am 11. Oktober 2011 über eine Veränderung der Finger an beiden Händen, rechts ausgeprägter als links, geklagt habe. Seit neun Monaten beobachte sie eine "Verkrümmung" der Finger an der rechten Hand. Auf beiden Seiten, rechts mehr als links, sei außerdem eine Schwellung aufgetreten, die zwischenzeitlich aber wieder etwas abgenommen habe. Sie habe Schmerzen in den Händen. Wegen der Einschränkung der Handfunktion habe sie inzwischen ihren Arbeitsplatz verloren.
Dr. R. hat kundgetan, dass die Klägerin in der Zeit vom 26. September bis 10. Oktober 2011 dreimal bei ihm vorstellig geworden sei. Es sei um die nachts einschlafenden Hände mit einer Betroffenheit aller Finger sowie darüber hinaus um eine Epicondylitis (chronisch schmerzhaftes Ellenbogengelenk) am linken Arm gegangen. Die vorhandenen Myogelosen (Muskelverhärtungen) im Schulter-Nacken-Bereich könnten durch die Handverletzung allein nicht erklärt werden. Insoweit seien vorbestehende Schultergürtelverspannungen vorhanden, die eventuell durch die Kühllagertätigkeit ungünstig beeinflusst worden seien.
Dr. S. hat über elf ambulante Behandlungen in der Zeit vom 12. Juli 2012 bis 15. Januar 2013 berichtet, bei denen sie ein CRPS vom Typ II, Stadium 2 diagnostiziert habe. Das von der Klägerin geschilderte Schmerzsyndrom sei typisch für eine CRPS-Erkrankung. Eine solche könne sich sowohl nach schweren Traumata entwickeln, aber auch nach Bagatelltraumen, wie es bei der Klägerin der Fall gewesen sei. Die Intensität des Traumas korreliere nicht mit der Ausbildung der Schmerzen und der Funktionsbeeinträchtigung oder mit der Inzidenz der Ausbildung einer CRPS-Erkrankung. Auch kleine Abschürfungen, Schnittverletzungen oder Prellungen könnten ein Schmerzsyndrom in diesem Ausmaß auslösen.
Das SG hat in einer nichtöffentlichen Sitzung am 18. März 2014 die Klägerin persönlich gehört. Sie hat ausgeführt, ab 7 Uhr mit der Arbeit begonnen zu haben. Gegen 11 Uhr sei die Zeugin M. zu ihr ins Kühllager gekommen. Sie habe an der Ware, die sie selbst zusammengestellt habe, gesehen, dass hier etwas blutig sei. Sie habe sie gefragt, ob sie sich verletzt habe. Sie habe dann am rechten Handgelenk, genau gesagt am Handrücken, eine Aufschürfung mit leichter Blutung festgestellt. Sie habe zuerst gedacht, dass diese wieder aufhöre, was allerdings nicht der Fall gewesen sei. Sie sei dann nach etwa einer Stunde zu der Zeugin M. gegangen und habe gesagt, dass sie ein Pflaster brauche. Sie seien zu dem Zeugen N. ins Büro gegangen und hätten auch ihn nach einem Pflaster gefragt. Die Zeugin M. habe dann ein Pflaster bei ihm herausgeholt und es ihr aufgeklebt. Dann habe sie weitergearbeitet. Zwei Wochen später sei sie wegen des Einschlafens der Hände und der Schmerzen in diesem Bereich bei Dr. S. gewesen. Sie habe ihm auch die Wunde mit der Kruste gezeigt. Daraufhin sei eine Untersuchung durch einen Neurologen erfolgt. Auf Nachfrage hat die Klägerin angegeben, sie habe sich nach der Kratzverletzung nicht erneut die Hand angestoßen oder verletzt. Weiter hat sie geäußert, dass am 23. August 2011 der Zeuge J., der Abteilungsleiter gewesen sei, sie in der Mittagspause gefragt habe, was ihr zugestoßen sei. Er habe das Pflaster gesehen. Sie habe mit ihm in einem Raum vor der Kantine im Freien in der Mittagspause gesessen.
Das SG hat den Zeugen J. schriftlich vernommen. Dieser hat mit Schreiben vom 5. Mai 2014 mitgeteilt, dass er sich vom 22. August bis 12. September 2011 im Urlaub befunden habe. Er könne daher definitiv keine Angaben zu einem angeblichen Arbeitsunfall der Klägerin am 23. August 2011 machen, da er an diesem Tag nicht im Unternehmen gearbeitet habe. Demnach sei die Behauptung der Klägerin, dass er mit ihr in der Mittagspause zusammengesessen habe, nicht wahr, da er nicht im Betrieb gewesen sei.
Auf telefonische Nachfrage des SG bei Dr. S. hat dieser am 10. Juni 2014 mitgeteilt, unter Berücksichtigung seiner Aufzeichnungen habe die Klägerin bei einer Untersuchung am 6. September 2011 über nächtliche Schmerzhaftigkeit und Sensibilitätsstörungen an beiden Armen, rechts mehr als links, geklagt (Bl. 125 SG-Akte). Er habe den Verdacht auf ein Karpaltunnelsyndrom geäußert. Die Klägerin habe ihm die Kratzverletzung mit der Kruste gezeigt. Es habe sich nach seiner und auch nach Einschätzung der Klägerin um Reste einer Bagatellverletzung gehandelt, weshalb er diese nicht behandelt habe. Bei der weiteren Vorstellung am 23. September 2011 sei der Status wie am 6. September 2011 gewesen. Hinsichtlich der die rechte Hand betreffenden Kraftminderung sei eine Verschlechterung eingetreten. Er habe ebenfalls eine livide Verfärbung im Handbereich rechts gesehen. Dies bedeute eine blass-bläuliche oder Lilaverfärbung, vergleichbar einer Verfärbung der Hand bei Kälte.
Nach vorheriger Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage, mit der - wörtlich - unter Aufhebung des Bescheides vom 17. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 2012 begehrt worden ist, den bei der Klägerin bestehenden Gesundheitsschaden als Folge des Arbeitsunfalles vom 23. August 2011 festzustellen und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab dem Unfalltag Verletztenrente in entsprechender Höhe zu gewähren, mit Gerichtsbescheid vom 12. August 2014 abgewiesen. Es bestehe kein Anspruch auf Gewährung von Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung. Die Voraussetzungen hierfür seien nicht erfüllt. Es sei bereits umstritten, ob die Klägerin am 23. August 2011 am Arbeitsplatz eine Kratzverletzung erlitten habe und somit überhaupt ein Arbeitsunfall eingetreten sei. Im Ergebnis könne dies offenbleiben. Selbst unter der Annahme eines solchen ergebe sich kein Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung. Durch den Unfall bedingte Störungen seien nicht mit Wahrscheinlichkeit festzustellen. Die Klägerin leide unter einem chronisch-regionalen Schmerzsyndrom vom Grad 2 (CRPS, Typ II) im Bereich der rechten Hand und einem chronischen Schmerzsyndrom (Morbus Sudeck-Erkrankung). Zwar könne sich eine CRPS-Erkrankung nicht nur nach Frakturen oder schweren Verletzungen, sondern auch nach kleineren Abschürfungen, Schnittverletzungen oder Prellungen entwickeln, worauf die sachverständige Zeugin Dr. S. hingewiesen habe. Es sei hingegen nur möglich, nicht hinreichend wahrscheinlich, dass es zur CRPS-Erkrankung infolge der Kratzverletzung am Arbeitsplatz gekommen sei. Allein der zeitliche Zusammenhang sei hierfür nicht ausreichend. Bei der Klägerin seien zunächst ab September 2011 Behandlungen durch Dr. S. und Dr. R. wegen eines rechtsbetonten nächtlichen Einschlafens der Hände und des Verdachts auf ein Karpaltunnelsyndrom erfolgt. Dr. R. habe eine globale Schultergürtelsymptomatik und eine Arthrose der rechten Hand diagnostiziert. Von Dr. S. sei der Verdacht auf eine Sudeck‘sche Dystrophie ab Oktober 2011 geäußert worden. Dr. N. sei aufgrund seiner Untersuchung im Oktober 2011 davon ausgegangen, der von ihm erhobene Befund erinnere an eine beginnende Sudeck´sche Dystrophie. Die Klägerin habe ihm gegenüber allerdings eine Verkrümmung der Finger der rechten Hand bereits seit neun Monaten beschrieben. Ein Trauma lasse sich laut Anamnese von Dr. N. nicht ausmachen. Die Beschwerden seien, wie Dr. S. berichtet habe, anfangs wechselnd und später kontinuierlich zunehmend gewesen. Den Berichten von Dr. K. nach den Untersuchungsterminen im November 2011 und Januar 2012 sei eine Rückbildung der Beschwerden zu entnehmen. Er habe ebenfalls den Verdacht auf ein grenzwertiges CRPS geäußert, habe aber auch andere mögliche Diagnosen angesprochen, etwa eine rheumatoide Arthritis oder eine Kollagenose. Bei zusammenfassender Würdigung des Behandlungsverlaufes und der Arztberichte erscheine es hiernach nur als möglich, jedoch nicht als wahrscheinlich, dass ein Zusammenhang zwischen der Kratzverletzung und der späteren Beschwerdeentwicklung bestehe. Auch andere Geschehensabläufe, etwa weitere Bagatelltraumen der Hand vor oder nach August 2011, seien möglich. Neben der Diagnose des CRPS würden weitere Krankheitsbilder als Ursachen der anhaltenden Beschwerden der Hand von den behandelnden Ärzten herangezogen. Die haftungsausfüllende Kausalität sei damit nicht gegeben. Die CRPS-Erkrankung sei nicht mit Wahrscheinlichkeit Folge eines Arbeitsunfalles.
Gegen den ihren Prozessbevollmächtigten am 25. August 2014 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 23. September 2014 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Zur Begründung hat sie auf die telefonische Auskunft von Dr. S. Bezug genommen, der eine Kratzverletzung mit einer Kruste bei einer ärztlichen Untersuchung am 6. September 2011 bestätigt habe. Dr. T. habe in seiner Stellungnahme vom 12. April 2012 ausgeführt, die bei ihr vorliegende Schmerzanamnese und der klinische Befund sprächen eindeutig für eine lokale Reflexdystrophie, die auf die minimale Verletzung am Handgelenk durch den Unfall am 23. August 2011 zurückzuführen sei. Auch nach Auffassung von Dr. S. habe die Schmerzerkrankung CRPS eine Trauma-Ursache, die auch in einer Bagatellverletzung gesehen werden könne. Anderweitige Verletzungen an der rechten Hand habe es um den 23. August 2011 herum nicht gegeben. Zur weiteren Begründung hat die Klägerin einen Arztbericht von Dr. S. vom 3. Dezember 2014 vorgelegt, wonach die Aussage der Beklagten, dass die Heilung der oberflächlichen Schürfwunde ohne Komplikationen eine CRPS-Erkrankung ausschließe beziehungsweise es nur bei einem komplizierten Heilungsverlauf der Wunde zu einer solchen Erkrankung kommen könne, medizinisch falsch sei. Die Schmerzerkrankung CRPS habe eine Traumaursache, welche vorliegend eine Bagatellverletzung sei. Diese sei während der beruflichen Tätigkeit entstanden. Ihr zu unterstellen, sie habe eventuell eine andere geringfügige Verletzung erlitten, an die sie sich nicht mehr erinnere und die ebenfalls ein CRPS ausgelöst haben könne, sei falsch und spekulativ.
Nachdem die Klägerin zunächst den Klageantrag aus dem erstinstanzlichen Verfahren wiederholt hat, hat sie zuletzt - in der nichtöffentlichen Sitzung des Berichterstatters am 27. Februar 2015 - noch beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 12. August 2014 sowie den Bescheid vom 17. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 2012 aufzuheben und festzustellen, dass das Ereignis vom 23. August 2011 ein Arbeitsunfall ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat im Wesentlichen vorgetragen, soweit die Klägerin hinsichtlich des Ursachenzusammenhanges auf eine Infizierung oder eine bakterielle Erkrankung mit anschließender Entzündung hinweise, sei eine solche Gesundheitsschädigung zu keinem Zeitpunkt bewiesen. Im Gegenteil sei belegt, dass zunächst völlig unabhängig von der einseitigen oberflächlichen Hautabschürfung eine beidseitig bestehende Symptomatik der Grund für die ärztliche Vorstellung gewesen sei und diese beidseits ausgeprägte Symptomatik mit Sicherheit nicht auf die oberflächliche Hautabschürfung vom 23. August 2011 zurückgeführt werden könne. Wenn sich im Anschluss an eine langwierige Behandlung eindeutig unfallfremder Gesundheitsstörungen eine einseitige Schmerzerkrankung entwickele, bleibe offen, warum die Bagatellverletzung am Handrücken, die sich als oberflächliche Schürfwunde ohne jegliche Entzündung oder sonstige Komplikationen dargestellt habe und abgeheilt gewesen sei, eine wesentliche und unersetzliche Bedingung für den weiteren Krankheitsverlauf darstellen solle. Insoweit müsse berücksichtigt werden, dass die Diagnose einer Schmerzerkrankung nicht zwangsläufig bedeute, dass diese eine eindeutig identifizierbare Ursache habe, zumal die Pathogenese einer solchen Erkrankung noch gar nicht vollständig geklärt sei. Zwar treffe es zu, dass das Auftreten dieser Erkrankung nicht von der Schwere einer Verletzung abhänge. Dies zeige aber, dass es auch andere Bagatellverletzungen, die sogar so geringfügig gewesen sein könnten, dass sich die Klägerin nicht mehr an sie erinnere, gleichermaßen als Ursache der Erkrankung in Frage kämen, wie auch die eindeutig unfallfremden Gesundheitsstörungen als Ursache einer solchen irregulären Heilung des geschädigten Gewebes nicht auszuschließen seien.
Der Berichterstatter hat in einer nichtöffentlichen Sitzung am 27. Februar 2015 die Klägerin nochmals gehört sowie E.-M. M. als Zeugin und R. J. und P. N. als Zeugen vernommen. Die Klägerin hat im Wesentlichen ihren bisherigen Vortrag im gerichtlichen Verfahren aufrechterhalten und darüber hinaus erstmals vorgetragen, sie sei gemeinsam mit der Zeugin M. bei dem Zeugen J. wegen eines Pflasters gewesen, noch bevor sie deswegen den Zeugen N. aufgesucht hätten. Auf Nachfrage hat sie kundgetan, dies sei ihr erst jetzt eingefallen. Die Angaben der Klägerin sind weder durch die Zeugin Martini noch durch die Zeugen Jauch und Nielsen bestätigt worden, die sich insbesondere weder an ein Unfallereignis noch an die Hautverletzung oder den Vorgang mit dem Pflaster erinnert haben. Der Zeuge J. hat einen Fehlzeitenausdruck der Arbeitgeberin vorgelegt, wonach ihm vom 22. August bis 12. September 2011 Urlaub gewährt worden sei. Der Zeuge N. hat das Verbandbuch vorgelegt, woraus sich für den 23. August 2011 kein Eintrag ergebe.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und auf die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), ist statthaft (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG) und auch im Übrigen zulässig; insbesondere konnte auch das Begehren der Klägerin, unter Aufhebung der angefochtenen Verwaltungsentscheidung festzustellen, dass das Ereignis vom 23. August 2011 ein Arbeitsunfall ist, Gegenstand des Berufungsverfahrens werden.
Rechtsmittelführende sind beschwert, wenn die angefochtene Entscheidung hinter ihrem Begehren zurückbleibt. Das ist der Fall, wenn die Entscheidung etwas versagt, was sie ausdrücklich beantragt haben, aber auch, wenn das Ausgangsgericht unter Verstoß gegen § 123 SGG teilweise nicht entschieden hat (vgl. BSG, Urteil vom 21. Januar 1959 - 11/8 RV 181/57 -, BSGE 9, 80 (82); Wagner, in Hennig, Kommentar zum SGG, Stand: Oktober 2005, § 123 Rz. 47 f.; Eckertz, in Lüdtke, Kommentar zum SGG, 4. Aufl. 2012, § 143 Rz. 12). Nach dieser Norm entscheidet das Gericht über die erhobenen prozessualen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Ein Klageantrag ist unter Berücksichtigung des "Meistbegünstigungsprinzips" (vgl. BSG Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 8/06 R -, BSGE 97, 217 (219 m. w. N.)) unabhängig vom Wortlaut unter Berücksichtigung des wirklichen Willens so auszulegen, dass das Klagebegehren möglichst weitgehend zum Tragen kommt. Die Gerichte haben sich nicht daran zu orientieren, was als Klageantrag zulässig ist, sondern was nach dem klägerischen Vorbringen begehrt wird, soweit vernünftige Antragstellende mutmaßlich ihren Antrag bei entsprechender Beratung anpassen würden und keine Gründe für ein anderes Verhalten vorliegen (vgl. BSG, a. a. O.). Auch für die Auslegung von Prozesshandlungen einschließlich der Klageanträge ist die Auslegungsregel des § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) entsprechend anzuwenden (BSG, Urteil vom 22. März 1988 - 8/5a RKn 11/87 -, BSGE 63, 93 (94); BSG, Urteil vom 13. März 1991 - 6 RKa 20/89 -, BSGE 68, 190 (191)). Danach ist nicht an dem Wortlaut einer Erklärung zu haften, sondern der wirkliche Wille zu erforschen und zu berücksichtigen, soweit er für das Gericht und die Beteiligten erkennbar ist. Dabei muss der für diese erkennbare gesamte Klagevortrag einschließlich der Verwaltungsvorgänge herangezogen werden (BSG, Urteil vom 22. März 1988 - 8/5a RKn 11/87 -, BSGE 63, 93 (94 f.); Leitherer, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl. 2014, § 92 Rz. 12).
Die Klägerin hat vor dem SG den Bescheid vom 17. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 2012 angefochten und begehrt festzustellen, dass der bei ihr bestehende Gesundheitsschaden Folge des Arbeitsunfalles vom 23. August 2011 ist, sowie die Beklagte zu verurteilen, ihr ab dem Unfalltag Verletztenrente in entsprechender Höhe zu gewähren. Zum Gesundheitsschaden hat sie vorgetragen, dass sie am 23. August 2011 eine Schürfwunde am rechten Handgelenk erlitten habe, wodurch es mittlerweile zu einer lokalen Reflexdystrophie gekommen sei. Da es sich im vorliegenden Fall um einen Arbeitsunfall handele, sei die Beklagte verpflichtet, ihr Leistungen zu erbringen. Damit hat sich die Klägerin, die im auf Veranlassung der AOK B. eingeleiteten Verwaltungsverfahren, währenddessen sie einzig derart mit der Beklagen in Kontakt getreten war, dass sie die an sie zum Unfallhergang und zum Gesundheitszustand gerichteten Fragen beantwortete, und entgegen ihrem Vorbringen im Klageschriftsatz vom 25. Oktober 2012 dort selbst keinen Antrag stellte, erkennbar dagegen wehren wollen, dass die Beklagte mit der angefochtenen Verwaltungsentscheidung in ihre Rechtssphäre eingegriffen hat. Mit dem Bescheid vom 17. Juli 2012 wurde allerdings nicht etwa ein Anspruch auf eine konkrete Leistungsart wegen eines (angenommenen) Arbeitsunfalles versagt. Demgegenüber wurden nur unbestimmt "Leistungen" wegen des Ereignisses vom 23. August 2011 abgelehnt. Die rechtliche Würdigung unter Ziffer "II." beginnt mit dem Normtext von § 8 SGB VII, also der Vorschrift, die in Verbindung mit § 102 SGB VII die Anspruchsgrundlage für die Feststellung eines Arbeitsunfalles darstellt (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 27. März 2012 - B 2 U 7/11 R -, juris, Rz. 8). Zudem ist im Bescheid vom 17. Juli 2012 am Ende, nach der Subsumtion unter die Tatbestandsvoraussetzungen, ausgeführt, dass damit die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalles nicht erfüllt seien, weshalb - nicht näher konkretisierte - Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht erbracht werden könnten. Der Klageantrag der Klägerin, den bei ihr bestehenden Gesundheitsschaden als Folge des Arbeitsunfalles vom 23. August 2011 festzustellen, musste vor diesem Hintergrund, damit das Begehren möglichst weitgehend zum Tragen kommt, so ausgelegt werden, dass damit auch die Feststellung des Ereignisses vom 23. August 2011 als Arbeitsunfall beansprucht worden ist. Das SG hat demgegenüber ausdrücklich offengelassen, ob es sich bei dem von der Klägerin behaupteten Ereignis vom 23. August 2011 um einen Arbeitsunfall handelt, und folglich keine dahingehende Auslegung des Klageantrages vorgenommen. Damit hat es unter Verstoß gegen § 123 SGG nicht über diesen Anspruch entschieden. Eine Ergänzung des Gerichtsbescheides im Sinne von §§ 105 Abs. 1 Satz 3, 140 SGG ist demgegenüber nicht in Frage gekommen. Der Anwendungsbereich von § 140 SGG ist nur eröffnet, wenn mit einer gerichtlichen Entscheidung ein erhobener Anspruch versehentlich ganz oder teilweise übergangen worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 21. Januar 1959 - 11/8 RV 181/57 -, juris, Rz. 15 m. w. N.; BSG, Terminbericht Nr. 10/15 vom 19. März 2015, Ziff. 1 zu B 2 U 3/14 R, im Internet unter "www.bundessozialgericht.de").
Die Neufassung des Antrages der Klägerin, einschließlich einer Teilrücknahme der Berufung im Übrigen (vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18. September 2009 - L 8 U 5884/08 -, juris, Rz. 32 ff. zu einer Teilrücknahme der Klage durch spätere Antragsbeschränkung), in der nichtöffentlichen Sitzung beim LSG am 27. Februar 2015 hat damit keine Klageänderung im Sinne des § 99 SGG dargestellt. Die erfolgte Konkretisierung aufgrund des rechtlichen Hinweises des Berichterstatters gemäß §§ 106 Abs. 1, 155 Abs. 1 SGG ist eine Klarstellung des schon ursprünglich Gewollten gewesen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 13. März 1991 - 6 RKa 20/89 -, BSGE 68, 190 (191); BSG, Urteil vom 6. April 2011 - B 4 AS 119/10 R -, BSGE 108, 86 (93, Rz. 30)).
Die Berufung ist hingegen unbegründet, da die gemäß §§ 54 Abs. 1 Satz 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage erhobene Klage zwar zulässig, aber unbegründet ist.
Die Sachentscheidungsvoraussetzungen dieser Klagearten liegen vor. Insbesondere ist, bezogen auf die Anfechtungsklage, die Klägerin auch klagebefugt im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Insoweit reicht es aus, dass eine Verletzung in eigenen Rechten möglich ist und die Klägerin die Beseitigung einer in ihre Rechtssphäre eingreifenden Verwaltungsmaßnahme anstrebt, von der sie behauptet, sie sei nicht rechtmäßig (vgl. BSG, Urteil vom 5. Juli 2007 - B 9/9a SGB 2/06 R -, SozR 4-3250 § 69 Nr. 5 Rz. 18). An der Klagebefugnis fehlt es demgegenüber, wenn eine Verletzung subjektiver Rechte nicht in Betracht kommt (vgl. BSG, Urteil vom 14. November 2002 - B 13 RJ 19/01 R -, BSGE 90, 127 (130)), weil hinsichtlich des Klagebegehrens eine gerichtlich überprüfbare Verwaltungsentscheidung nicht vorliegt (BSG, Urteil vom 21. September 2010 - B 2 U 25/09 R -, juris, Rz. 12). Nach Auslegung des Bescheides vom 17. Juli 2012 hat die Beklagte festgestellt, dass das Ereignis vom 23. August 2011 kein Arbeitsunfall ist. Dabei ist Maßstab der Auslegung der "Empfängerhorizont" verständiger Beteiligter, die die Zusammenhänge berücksichtigen, welche die Behörde nach ihrem wirklichen Willen (§ 133 BGB) erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat (vgl. BSG, Urteil vom 29. Januar 2008 - B 5a/5 R 20/06 R -, BSGE 100, 1, (2, Rz. 11 m. w. N.)). Gemessen daran hat die Beklagte durch den Verfügungstenor, mit dem unbestimmt "Leistungen" wegen des Ereignisses vom 23. August 2011 abgelehnt worden sind, sowie den Ausführungen zur Begründung, innerhalb derer die rechtliche Würdigung unter Ziffer "II." mit dem Normtext von § 8 SGB VII (Arbeitsunfall) beginnt und am Ende, nach der Subsumtion unter die Tatbestandsvoraussetzungen, ausgeführt wird, dass damit die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalles nicht erfüllt seien, weshalb - nicht näher konkretisierte - Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht erbracht werden könnten, die Regelung getroffen, dass das Ereignis vom 23. August 2011 kein Arbeitsunfall ist.
Die Klägerin hat hingegen keinen Anspruch auf Feststellung des Ereignisses vom 23. August 2011 als Arbeitsunfall.
Versicherte können vom zuständigen Unfallversicherungsträger nach § 102 SGB VII die Feststellung eines Versicherungsfalles, hier eines Arbeitsunfalles, beanspruchen, wenn ein solcher eingetreten ist (vgl. BSG, Urteil vom 5. Juli 2011 - B 2 U 17/10 R -, SozR 4-2700 § 11 Nr. 1 Rz. 15 f.). Die Voraussetzungen hierfür liegen jedoch nicht vor.
Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für einen Arbeitsunfall ist danach im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung der Versicherten zur Zeit des Unfalles einer versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung wesentlich ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis (Unfallereignis) verursacht hat (Unfallkausalität) und das Unfallereignis wesentlich einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität; vgl. BSG, Urteil vom 29. November 2011 - B 2 U 10/11 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 42; BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 - B 2 U 9/10 R -, BSGE 107, 197; BSG, Urteil vom 18. November 2008 - B 2 U 27/07 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 30 Rz. 10 m. w. N.).
Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt für die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen bei der Tatsachenfeststellung, dass die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfalles", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitsschaden" erfüllen sollen im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 2. April 2009 - B 2 U 30/07 R -, BSGE 103, 45).
Für den Senat steht bereits nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass sich, wie von der Klägerin behauptet, am 23. August 2011 ein Unfall ereignet hat. Das Ereignis, das auf ihren Körper eingewirkt haben soll, hat die Klägerin selbst nicht wahrgenommen. Daran habe sie sich, so ihre erstmalige Einlassung im Widerspruchsverfahren im August 2012, erst erinnert, als sie von der Zeugin M. auf eine blutende Verletzung an ihrem rechten Handgelenk aufmerksam gemacht worden sei. Sie habe sich an einem Regal im Kühllager angestoßen. An diesem Metallregal, wie sie es gegenüber der sie behandelnden Ärztin Dr. S. während einer ambulanten Untersuchung Mitte Juli 2012 nach deren Bericht beschrieben hat, will sie mit ihrer Hand hängen geblieben sein. Es verwundert bereits, wie eine solche Einwirkung auf den eigenen Körper unbemerkt geblieben sein kann, ohne dass die Wahrnehmung durch andere äußere Einflüsse, etwa visueller oder akustischer Art, beeinträchtigt gewesen ist. Solche hat die Klägerin nicht beschrieben. Dem Senat erschließt sich ferner nicht, wie es sein kann, dass eine von der Klägerin beschriebene Hautabschürfung, die nur leicht beziehungsweise geringfügig geblutet haben soll, eine Stunde lang blutet, ohne dass das Blut gerinnt. Eine Blutgerinnungsstörung, woran die Klägerin selbst nicht vorgibt zu leiden, wird in keinem der vorliegenden Arztberichte beschrieben. Darüber hinaus und für den Senat entscheidend ist jedoch, dass niemand der auf Anregung der Klägerin von der Beklagten und dem SG schriftlich sowie vom Berichterstatter des LSG persönlich vernommenen Zeuginnen und Zeugen die von der Klägerin mit ihrer Schilderung des Geschehensablaufes hergestellten Verknüpfungen bestätigen konnte. Die Zeugin M. konnte sich bei der Vernehmung durch den Berichterstatter, wie sie dies bereits schriftlich gegenüber der Beklagten im Verwaltungsverfahren kundgetan hatte, weder daran erinnern, dass am behaupteten Unfalltag, an dem sie den ganzen Tag und nicht wie sonst in Wechselschicht arbeitete, an der Kommissionierware Blut war und sie deswegen die Klägerin darauf angesprochen hatte, noch daran, dass sie mit dieser wegen eines Pflasters zur Versorgung der Wunde mit den Zeugen J. und N. in Kontakt trat. Auch an eine Schürfverletzung der Klägerin, die sie schließlich mit einem Pflaster versorgt haben soll, konnte sie sich nicht erinnern. Wenn es um ein Pflaster gegangen wäre, wäre sie deshalb auch nicht zum Zeugen Nielsen gegangen. Sie wäre in ihr eigenes Büro gegangen und hätte dort ein Pflaster geholt. Der Senat verkennt nicht, dass nach fast vier Jahren die Erinnerung an eine schwerwiegendere Verletzung eher geben wäre als an die von der Klägerin angeführte Schürfwunde. Allerdings hatte die Zeugin M. bereits mit Schreiben vom 2. Juli 2012 angegeben, keinen Unfall der Klägerin während der Arbeitszeit beobachtet zu haben. Ebenfalls hat sich der Zeuge N. weder überhaupt an eine Verletzung der bei der Arbeitgeberin nur vier Monate in einem Arbeitsverhältnis stehenden Klägerin am Arbeitsplatz noch an den von ihr geschilderten Vorgang, er sei von ihr und der Zeugin M. wegen eines Pflasters aufgesucht worden, erinnern können. Soweit die Klägerin zusammen mit der Zeugin M. den Zeugen J. wegen eines Pflaster aufgesucht haben will und dieser sie zudem in der Mittagspause auf die Verletzung angesprochen haben soll, ist dies ausgeschlossen. Wenig plausibel ist bereits, dass der Zeuge J. sie in der Mittagspause mit Blick auf ihre rechte Hand gefragt haben soll, was sie da gemacht habe. Denn die Klägerin hat sich in der nichtöffentlichen Sitzung beim LSG dahingehend eingelassen, dass sie mit der Zeugin M. schon am späten Vormittag den Zeugen J. wegen eines Pflasters aufgesucht habe. Hatte er jedoch schon Kenntnis von der Verletzung der Klägerin, ist nicht nachvollziehbar, wieso er zur Mittagszeit noch ein Auskunftsverlangen gehabt haben soll. Für den Senat steht darüber hinaus auch fest, dass zwischen der Klägerin und dem Zeugen J. am 23. August 2011 kein direkter Kontakt bestand. Nach den glaubhaften Angaben des Zeugen J. gegenüber dem Berichterstatter in der nichtöffentlichen Sitzung beim LSG startete er mit seiner Ehefrau und seinen beiden Töchtern in der Nacht vom 19. auf den 20. August 2011 zu einer Urlaubsfahrt nach C. in Spanien, wo er sich durchgängig aufhielt und nicht zwischenzeitlich an seinen Arbeitsplatz zurückkehrte. Der Zeuge J. hat zwar angegeben, am "17." losgefahren zu sein. Hierbei handelt es sich aber offensichtlich um eine Verwechslung. Denn er hat weiter ausgeführt, freitagnachts gestartet zu sein. Dies erscheint plausibel. Denn ausweislich des von ihm in dem Termin beim LSG vorgelegten Fehlzeitenausdruckes seiner Arbeitgeberin hatte diese ihm Urlaub vom 22. August, einem Montag, bis 12. September 2011 gewährt. Aus dem vom Zeugen N., der im August 2011 Sicherheitsbeauftragter bei der Arbeitgeberin war, geführten und in der nichtöffentlichen Sitzung beim LSG in Augenschein genommenen Verbandbuch, welches auf Veranlassung der Beklagten zu führen gewesen ist, hat sich ebenfalls kein Hinweis auf eine Handverletzung der Klägerin am 23. August 2011 ergeben. Nach der Einlassung des Zeugen N. wurde das gebundene Verbandbuch auch für den Arbeitsbereich der Klägerin geführt. Nach dessen Aufmachung sind bei einer Verletzung auf je einer gesonderten Seite der Name der verletzten Person, das verletzte Körperteil, die Art der Verletzung, der die Verletzung verursachende Gegenstand und die Art der Erste Hilfe-Leistung (u.a. Pflaster) einzutragen. Für den 23. August 2011 enthält es hingegen keinen Eintrag. Zwar fehlt die handschriftlich einzutragende laufende Nummer 25, diesbezüglich eine Verletzung zwischen dem 27. Mai 2011 (lfd. Nr. 24) und 30. November 2011 (lfd. Nr. 26) einzutragen gewesen wäre. Bei dem Eintrag der Verletzung Ende November dürfte allerdings versehentlich statt der zutreffenden laufenden Nummer 25 die "26" eingetragen worden sein. Denn die Folgeseite trägt ebenfalls die Nummer 26. Daher und aus dem Umstand, dass die Inaugenscheinnahme dem Berichterstatter nicht den Eindruck vermittelt hat, dass nachträglich eine für den 23. August 2011 verfasste Seite entnommen worden ist, geht der Senat davon aus, dass es für den 23. August 2011 nie einen Eintrag im Verbandbuch gegeben hat, der einen Hinweis auf eine Verletzung der Klägerin am Arbeitsplatz und eine deswegen erfolgte Entnahme eines Pflasters geben könnte. Allein hieraus schließt der Senat zwar nicht, dass die Klägerin keine Verletzung erlitten haben kann. Denn trotz der vorgesehenen Rubrik "Pflaster" bei der Art der Erste Hilfe-Leistung, ist nicht jede Entnahme eines Pflasters in das Verbandbuch eingetragen worden, wie der Zeuge Nielsen ausgesagt hat. So hätten sich diese in kleinen Schachteln in einem so genannten "Erstversorgerset" befunden, deren Entnahme nicht im Verbandbuch eingetragen worden sei. Zudem hat sich die Zeugin M. dahingehend eingelassen, dass es bei Hektik, die sich für den 23. August 2011 allerdings nicht hat feststellen lassen, schon habe vorkommen können, dass die Entnahme eines Pflasters nicht eingetragen worden sei. Nach einer Gesamtwürdigung aller Umstände ist ein Unfallereignis jedenfalls nicht erwiesen.
Darüber hinaus ist auch keine "Verrichtung zur Zeit des Unfalles", die unter einen gesetzlichen Versicherungstatbestand zu subsumieren wäre, erwiesen. Die Beweisaufnahme hat nicht ergeben, dass die Klägerin eine in einem sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehende Schürfwunde am rechten Handgelenk erlitten hat. Es steht bereits nicht fest, ob der Gesundheitsschaden in Form einer Schürfwunde am rechten Handgelenk am 23. August 2011 oder danach entstanden ist. Als abhängig beschäftigte Kommissioniererin hätte sie zur Zeit der Schädigung eine nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherte Tätigkeit nur verrichtet, wenn sie Haupt- oder Nebenpflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis erfüllt hätte oder eine nicht geschuldete Handlung mit der objektivierten Handlungstendenz vorgenommen hätte, ihre vertraglichen Pflichten zu erfüllen.
Fest steht zur Überzeugung des Senats zum einen, dass die Klägerin am behaupteten Unfalltag, dem 23. August 2011, die Arbeit um 6:50 Uhr aufgenommen und um 17:13 Uhr beendet hat. Dies ergibt sich aus der schriftlichen Auskunft der Personalleiterin der Arbeitgeberin K. vom 2. Juli 2012 im Verwaltungsverfahren. Die Angabe der Klägerin in der nichtöffentlichen Sitzung beim LSG, wonach sie am 23. August 2011 die Beschäftigung gegen 7 Uhr begonnen und ungefähr um 17 Uhr Feierabend gemacht habe, steht damit in Einklang. Zum anderen hält der Senat für erwiesen, dass bei der Untersuchung durch den sachverständigen Zeugen Dr. S. am 6. September 2011 eine Hautverletzung an der rechten Hand vorlag, die sich bereits in einem fortgeschrittenen Stadium des Heilungsprozesses befand. So hat Dr. S. gegenüber dem SG bei einem Telefonat am 10. Juni 2014 unter Berücksichtigung seiner Aufzeichnungen mitgeteilt, dass die Klägerin am 6. September vorstellig geworden sei und ihm eine Kratzverletzung mit Kruste gezeigt habe. Nach seiner Einschätzung habe es sich um eine Bagatellverletzung gehandelt, die er nicht für behandlungsbedürftig gehalten habe. Aus dem Gesamtzusammenhang des in einem schriftlichen Vermerk festgehaltenen Gesprächsinhaltes des Telefonats und der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage von Dr. S. vom 10. Juni 2013 ist hieraus noch hinreichend deutlich zu entnehmen, dass dieser eine Hautverletzung im Bereich der rechen Hand beschrieben hat, die ihm die Klägerin bei einer Untersuchung am 6. September 2011 zeigte. Darüber hinaus ist aber nach den vorstehenden Ausführungen nicht feststellbar gewesen, wann genau sich die Klägerin die Hautverletzung vor dieser ärztlichen Untersuchung durch Dr. S. zugezogen hatte, also ob diese bei einer versicherten oder einer nicht versicherten Verrichtung der Klägerin entstanden war. Eine Verrichtung zur Zeit des Unfalles, die unter den Versicherungstatbestand nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII zu subsumieren wäre, ist damit nicht erwiesen.
Bei der Beweiswürdigung kann der rechtliche Beweismaßstab des Vollbeweises bei der Prüfung der versicherten Tätigkeit eines Beschäftigten zwar auch dann erfüllt sein, wenn Versicherte an dem Arbeitsplatz, an dem sie zuletzt versicherte Tätigkeiten verrichtet hatten, aus ungeklärten Umständen einen Gesundheitsschaden oder den Tod erleiden, falls keine konkret festgestellten Tatsachen Zweifel daran begründen, dass sie auch noch zur Unfallzeit versichert gearbeitet haben (BSG, Urteil vom 31. Januar 2012 - B 2 U 2/11 R -, juris, Rz. 20). Die Umstände des vorliegenden Falles unterscheiden sich hingegen etwa von den Konstellationen, die den Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 4. September 2007 (Az. B 2 U 28/06 R, juris) und vom 26. Oktober 2004 (Az. B 2 U 24/03 R, BSGE 93, 279) zugrunde liegen. Beide Entscheidungen fußen auf Sachverhalten, in denen jeweils die Aufnahme einer versicherten Tätigkeit nachgewiesen war und die Versicherten aus nicht zu klärenden Umständen in einem engen zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz zu einem bekannten Zeitpunkt Unfälle erlitten hatten. "Beweiserleichterungen" kommen in diesem Zusammenhang folglich allenfalls in Betracht, wenn Versicherte den räumlichen Bereich, in dem sie zuletzt die versicherte Tätigkeit verrichtet haben, nicht verlassen und sie dort kurz zuvor versicherte Tätigkeiten verrichtet haben (vgl. BSG, Urteil vom 31. Januar 2012 - B 2 U 2/11 R -, juris, Rz. 23). Daran fehlt es hier. Es ist völlig offen, wann genau, wo und bei welcher Gelegenheit die Klägerin sich die Schürfverletzung am rechten Handgelenk zugezogen hat, als deren Folge möglicherweise das von der sachverständigen Zeugin Dr. S. diagnostizierte CRPS vom Typ II, Chronifizierungsstadium 2 nach Gerbershagen aufgetreten ist.
Die Anspruchsvoraussetzungen für die Feststellung eines Arbeitsunfalles im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB VII sind deshalb nicht erfüllt.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Feststellung eines Ereignisses vom 23. August 2011 als Arbeitsunfall.
Die 1967 geborene Klägerin nahm im Juni 2011 eine Beschäftigung als Kommissioniererin bei der T. S. Fleischwaren GmbH & Co. KG in N. (im Folgenden: Arbeitgeberin) auf. Das Arbeitsverhältnis wurde durch die Kündigung der Arbeitgeberin bereits mit Ablauf des Oktober 2011 wieder beendet. In dem Unternehmen gibt es im Bereich Kommissionierung drei sogenannte "Verwiegeterminals". An jedem Terminal arbeiten unmittelbar zwei Beschäftigte, eine Person, welche die Produkte trennt ("sammelt"), und eine, die sie identifiziert ("verwiegt").
Im Mai 2012 meldete die AOK Baden-Württemberg, bei der die Klägerin gesetzlich krankenversichert ist, gegenüber der Beklagten schriftlich einen Erstattungsanspruch nach § 111 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) unter Hinweis auf ein Unfallereignis im August 2011 an. Weiter wurde aufgeführt, dass der die Klägerin behandelnde Arzt Dr. S. einen Morbus Sudeck und eine Neurodystrophie diagnostiziert habe. Ferner wurde ein Arztbericht des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. T. nach einer schmerztherapeutischen Behandlung der Klägerin vom 12. April 2012 vorgelegt. Im Rahmen der Anamnese wurde ausgeführt, die Klägerin habe berichtet, sich im August 2011 die rechte Hand dorsal an einer Regalplatte am Arbeitsplatz aufgeschürft zu haben. Die Wunde habe daraufhin etwa eine Stunde lang leicht geblutet. Dieser habe die Klägerin hingegen keine große Aufmerksamkeit geschenkt. In der darauffolgenden Nacht habe sie jedoch stechende und ziehende Schmerzen an der Hand verspürt. Am nächsten Tag seien die Schmerzen an der linken Hand aufgetreten, jedoch nicht so intensiv wie an der rechten. Die Beschwerden an der linken Hand seien innerhalb von vier Wochen wieder verschwunden gewesen. Die Schmerzen an der rechten Hand hätten hingegen fortbestanden, so dass sie mehrfach neurologisch untersucht und schließlich auch mit Vitamin B 12 und homöopathischen Mitteln behandelt worden sei. Als keinerlei Besserung eingetreten sei, habe sie eine handchirurgische Konsultation eingeholt. Hierbei seien keinerlei relevante Befunde festgestellt worden, weshalb schließlich von ihrer Arbeitsfähigkeit ausgegangen worden sei. Die Gebrauchsfähigkeit der rechten Hand sei seit der Verletzung im August 2011 zunehmend beeinträchtigt gewesen, so dass die Klägerin im Herbst 2011 mit der rechten Hand keinerlei Gegenstände habe halten können. Seit August 2011 sei sie wegen der Schmerzen in diesem Bereich arbeitsunfähig krank gewesen. Vier Monate nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit habe sie von der Arbeitgeberin die Kündigung erhalten. Dr. T. diagnostizierte schließlich chronische Schmerzen bei Reflexdystrophie der rechten Hand (CRPS) vom Chronifizierungsstadium 2 nach Gerbershagen. Eine Magnetresonanz-Tomographie der rechten Hand habe hingegen ein unauffälliges Kernspintomogramm der rechten Hand bei regelrechter Darstellung der Weichteile und der knöchernen Strukturen gezeigt. Es hätten keine entzündlichen Affektionen vorgelegen. Die Bänder seien unauffällig gewesen. Zeichen für eine rheumatoide Arthritis hätten sich nicht gefunden. Die Schmerzanamnese und der klinische Befund sprächen eindeutig für eine lokale Reflexdystrophie, die höchstwahrscheinlich auf die minimale Verletzung am Handgelenk zurückzuführen sei. Ein weiteres relevantes Ereignis habe nicht eruiert werden können.
Nach einem Aktenvermerk der Beklagten vom 23. Mai 2012 über ein Telefongespräch mit Elisabeth Kramer, der Personalleiterin der Arbeitgeberin, habe diese erklärt, dass über einen Unfall im August 2011 nichts bekannt sei. Die Klägerin habe diesen weder im Unfallbuch eingetragen noch hätten Zeugen für den Unfall ermittelt werden können. Selbst die direkte Kollegin der Klägerin habe nichts bemerkt.
Auf Nachfrage der Beklagten teilte die Klägerin im Mai 2012 schriftlich mit, dass sie sich die Verletzung am 23. August 2011 gegen 11 Uhr am Arbeitsplatz beim Kommissionieren zugezogen habe. Der Arbeitgeberin sei nicht davon berichtet worden, weil es sich lediglich um eine Hautabschürfung und keine blutende Wunde gehandelt habe, der sie keine große Bedeutung beigemessen habe. Ihre Arbeitskollegin E.-M. M. habe sie darauf aufmerksam gemacht, dass sie blute. Wegen der Verletzung habe sie sich bei ihrem Hausarzt Dr. S. vorgestellt.
Die Personalleiterin der Arbeitgeberin Kramer teilte mit Schreiben vom 2. Juli 2012 nochmals mit, dass nichts von einem Arbeitsunfall der Klägerin bekannt sei. Ein Unfall sei weder dem Sicherheitsbeauftragten noch den Ersthelfern gemeldet worden. Die Mitarbeiter würden bei Arbeitsantritt bezüglich der betrieblichen Sicherheitsbestimmungen explizit unterwiesen und wüssten, wie sie sich im Fall eines Arbeitsunfalles zu verhalten hätten und bei welchen Personen sie sich melden müssten. Im April oder Mai dieses Jahres habe eine Versicherung der Klägerin auf diesen Unfall hingewiesen. Die Klägerin habe sich danach nochmals persönlich bei ihr gemeldet und wörtlich versichert, dass der Unfall etwa vier Wochen vor dem 29. September 2011 passiert sein müsse. Sie habe sich an einem Regal verletzt, am rechten Handgelenk. Die Personalleiterin führte weiter aus, dass sie nicht behaupten möge, dass die Klägerin die Unwahrheit sage. Leider sei es aber nun mal so, dass alle Recherchen ihrerseits ergeben hätten, dass niemandem etwas von einem Arbeitsunfall bekannt geworden sei. Die Klägerin habe am 23. August 2011 abzüglich Pausen von 6:50 Uhr bis 17:13 Uhr gearbeitet. Die Klägerin sei ab dem 23. September 2011 bis zum Kündigungszeitpunkt arbeitsunfähig gewesen. Auf Nachfrage bei der Klägerin wegen der Arbeitsunfähigkeit habe diese mitgeteilt, dass sie Kreuzbeschwerden habe, wobei natürlich eine Arbeitnehmerin nicht verpflichtet sei, ihr ihre wahre Krankheitsdiagnose mitzuteilen.
Der Hauptabteilungsleiter des Unternehmens im Bereich Verpackung und Versand P. N., der im August 2011 auch als Sicherheitsfachkraft tätig war, teilte der Beklagten mit Schreiben vom 2. Juli 2012 mit, dass ihm während der Arbeitszeit der Klägerin am 23. August 2011 kein Arbeitsunfall gemeldet worden sei. Einen solchen habe er auch nicht beobachtet. Nachdem das Verbandbuch ausschließlich von ihm persönlich geführt werde sowie die Mitarbeitenden seitens des Unternehmens persönlich und schriftlich darauf hingewiesen würden, wie sie sich im Falle eines Arbeitsunfalles zu verhalten hätten beziehungsweise wo sie sich melden müssten, weise er nochmals darauf hin, dass an dem besagten Tag, wie auch für die Zeit davor oder danach, ein Unfallhergang der Klägerin nicht eingetragen worden sei, weder von ihm noch von den Ersthelfern. Von dieser sei ein solcher Vorgang auch nicht gemeldet worden. Über einen Unfall sei weder ihm noch der Betriebsleitung berichtet worden.
Die Arbeitskollegin der Klägerin Martini, die im August 2011 ebenfalls im Bereich Kommissionierung arbeitete und als Ersthelferin tätig war, teilte mit Schreiben vom 2. Juli 2012 mit, dass sie von der Personalleiterin K. auf den angeblichen Unfall vom 23. August 2011 angesprochen worden sei. Als direkte Kollegin könne sie mitteilen, dass sie keinen Unfall während der Arbeitszeit der Klägerin beobachtet habe und dass ihr kein Arbeitsunfall der Klägerin bekannt geworden sei.
Mit Bescheid vom 17. Juli 2012 lehnte die Beklagte "Leistungen wegen des Ereignisses vom 23.08.2011" ab. Die Arbeitgeberin habe auf entsprechende Nachfrage einen Arbeitsunfall nicht bestätigen können. Dessen Anerkennung setze voraus, dass das Unfallereignis, die versicherte Tätigkeit und der Körperschaden bewiesen seien. Ein Tatbestand gelte als erwiesen, wenn an seinem Vorliegen kein vernünftiger Zweifel bestehe, so dass die Überzeugung nach der Lebenserfahrung praktisch Gewissheit bekomme. Fehle es nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen, an diesem Beweis, so seien die Folgen der objektiven Beweislosigkeit von denjenigen Beteiligten zu tragen, die aus den feststellungsbedürftigen, aber nicht feststellbaren Tatsachen ein Recht herleiten wollten (Grundsatz der objektiven Beweis- und Feststellungslast). Nach den Ermittlungen habe das von der Klägerin geschilderte Ereignis weder von der Arbeitgeberin noch von der seitens der Klägerin als Zeugin angegebenen E.-M. M. bestätigt werden können. Zudem sei der Arbeitgeberin erst im April oder Mai 2012 bekannt geworden, dass sich die Klägerin während der betrieblichen Tätigkeit verletzt haben soll. Es lägen Erklärungen der Zeugin M. und des Zeugen N. vor, die ein Unfallereignis weder gesehen noch zeitnah davon Kenntnis erhalten hätten. Im Verbandbuch sei ebenfalls kein Eintrag über dieses Ereignis verzeichnet worden. Ein Unfall im Zusammenhang mit einer versicherten Tätigkeit der Klägerin könne daher nicht mit dem erforderlichen Beweisgrad festgestellt werden. Da die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalles damit nicht erfüllt seien, könnten Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht erbracht werden.
Hiergegen legte die Klägerin, erstmals anwaltlich vertreten, Widerspruch ein und trug im August 2012 zur Begründung vor, dass sie sich an dem 23. August 2011 im Kühllager des Unternehmens befunden habe. Die Zeugin M. sei ebenfalls dorthin gekommen und habe sie darauf angesprochen, dass sie am rechten Handgelenk blute. Bis zu diesem Zeitpunkt habe sie dies selbst nicht bemerkt gehabt. Nachdem sie die Zeugin M. darauf hingewiesen habe, habe sie sich daran erinnert, dass sie kurz zuvor ihr Handgelenk an einem Regal im Kühllager angestoßen habe. Nachdem sie gesehen habe, dass sie lediglich geringfügig blute, habe sie das Blut immer wieder weggewischt. Nachdem sie nach etwa einer Stunde festgestellt habe, dass die Wunde immer noch blute, sei sie zu der Zeugin M. gegangen. Dies sei kurz vor der Mittagspause, also vor 12 Uhr, gewesen. Sie habe die Zeugin M. nach einem Pflaster gefragt. Diese sei dann gemeinsam mit ihr ins Büro des Zeugen N. gegangen und habe ihn um ein Pflaster gebeten. Dieser habe dann gegenüber der Zeugin M. kundgetan, wo die Pflaster lägen, nämlich in seinem Schreibtisch oben rechts in der Schublade. Es sei die Zeugin M. selbst gewesen, die bei ihr das Pflaster angebracht habe. Bei dieser Gelegenheit habe sie erwähnt, dass sie beim Roten Kreuz sei und deshalb das Pflaster anbringen könne. Danach sei sie mit der Zeugin M. in die Mittagspause gegangen. Da es sich um eine verhältnismäßig geringfügige Verletzung am rechten Handgelenk gehandelt habe, sei ein Pflaster ausreichend gewesen, um die geringfügige Blutung zu stoppen. Dass sie am rechten Handgelenk ein Pflaster gehabt habe, sei auch von dem Zeugen Ralf Jauch, einem weiteren Mitarbeiter des Unternehmens, gesehen worden. Dieser habe sie darauf angesprochen und gefragt, was sie da gemacht habe. Daraufhin habe sie ihm erzählt, dass sie ihre Hand am Regal angeschlagen habe und es deshalb zu einer geringfügigen Blutung am rechten Handgelenk gekommen sei.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. Oktober 2012 mit der Begründung zurück, auch nach den weiteren Ausführungen der Klägerin ergäben sich keine Anhaltspunkte, die eine andere Beurteilung gebieten könnten.
Hiergegen hat die Klägerin am 26. Oktober 2012 beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage erhoben und nochmal den Unfallhergang entsprechend der Darstellung, wie sie bereits in der Widerspruchsbegründung erfolgte, geschildert. Des Weiteren hat sie unter anderem einen Bericht der Leiterin der Schmerzambulanz der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin des Universitätsklinikums T. Dr. S. nach ambulanter Untersuchung am 12. Juli 2012 vorgelegt. Darin wird auf algesiologischem Fachgebiet ein komplexes regionales Schmerzsyndrom (CRPS) vom Typ II, Chronifizierungsstadium 2 nach Gerbershagen diagnostiziert. Zur Anamnese und aktuellen Situation ist ausgeführt, dass die Klägerin berichtet habe, sich am 23. August 2011 an ihrer Arbeitsstelle eine in der Größe eines Ein-Euro-Stückes große Abschürfung am Handrücken der rechten Hand zugezogen zu haben. Sie sei an einem Metallregal mit ihrer Hand hängengeblieben. Die Verletzung habe eine Stunde lang geblutet und sei mit einem Pflaster versorgt worden. Die Arbeit habe sie trotzdem fortgesetzt. Nach etwa zwei bis drei Tagen seien Schmerzen im Bereich der Finger D II bis IV der rechten Hand sowie Schwellungen der kompletten rechten Hand und des rechten Unter- und Oberarmes aufgetreten. Zugleich sei es zu einer bläulich-lividen Verfärbung der rechten Hand gekommen. Außerdem habe sie eine Verkrümmung des rechten kleinen Fingers bemerkt. Innerhalb der ersten Woche nach dem Unfallereignis seien auch Schmerzen im Bereich der Fingergrund-, -mittel- und -endgelenke der rechten Hand hinzugekommen, wobei die Finger D II bis IV betroffen gewesen seien. Sie sei daraufhin beim Hausarzt vorstellig geworden. Nach entsprechender Diagnostik und anderweitigen Arztkonsultationen sei ein komplexes regionales Schmerzsyndrom diagnostiziert worden. Im weiteren Verlauf hätten sich Taubheitsgefühle der kompletten rechten Hand bemerkbar gemacht. Weiterhin sei es zu einer Hyperalgesie (Sensibilitätsstörung) beziehungsweise einer Allodynie (gesteigerte Schmerzempflindlichkeit) in diesem Bereich gekommen. Zeitgleich habe die Klägerin ein verringertes Nagelwachstum der Finger der rechten Hand bemerkt. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sei dieses jedoch wieder regelmäßig. Im weiteren Verlauf sei etwa vier Wochen nach der Verletzung parallel ein Anschwellen der linken Hand aufgetreten, was sich jedoch in der Folgezeit nach drei bis vier Wochen wieder spontan sistiert habe. Seit der Verletzung im August 2011 habe sich die Schmerzsymptomatik in der rechten Hand deutlich gebessert. Die Klägerin habe angegeben, regelmäßig zweimal in der Woche Krankengymnastik zu erhalten. Ebenso habe die Mobilität der rechten Hand wieder zugenommen. Ein Rückgang der Schwellung sei zu verzeichnen gewesen. Die Klägerin habe die Schmerzqualität als ziehend bis stechend beschrieben, zum Teil als brennende Schmerzen. Der Schmerz sei permanent vorhanden. Die Schmerzintensität sei auf einer zehnstufigen numerischen Skala bei sieben angegeben worden. Nur unter kontinuierlicher Bewegung der Finger der rechten Hand sei eine Schmerzreduktion von sieben auf fünf zu verzeichnen gewesen. Erfreulicherweise sei trotz der Schmerzsymptomatik der Nachtschlaf ungestört.
Das SG hat Dr. S., Dr. S. und den die Klägerin behandelnden Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. R. als sachverständige Zeugen und Zeugin schriftlich vernommen.
Dr. S. hat mitgeteilt, die Klägerin habe erstmals Anfang Oktober 2011 zusätzlich über eine deutliche Kraftminderung in der rechten Hand berichtet. Ob es einen kausalen Zusammenhang zwischen der geringen Handverletzung und der Ausbildung des Schmerzsyndroms gebe, sei für ihn schwer zu beantworten. Sicherlich bestünde ein zeitlicher Zusammenhang, wohingegen die Zusammenhangsfrage schließlich gutachterlich durch einen auf dem Gebiet des CRPS erfahrenen Fachkollegen beantwortet werden müsse.
Dr. S. hat zudem einen Ärztlichen Entlassungsbericht des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie V., Reha-Klinik S. in D., vorgelegt, der über eine auf Veranlassung der T. der gesetzlichen Rentenversicherung erfolgte stationäre Rehabilitationsmaßnahme vom 27. März bis 18. April 2013 berichtet. Diagnostiziert worden seien unter anderem ein CRPS II an der rechten Hand nach Bagatellverletzung am rechten Handrücken am 23. August 2011 (ICD-10 M 89.00) und ein chronisches Schmerzsyndrom, Stadium 2 nach Gerbershagen (ICD-10 F 45.41). Als Abschlussbefund sei im Bereich der rechten Hand nach wie vor eine Schwellung und eine livide Verfärbung festgestellt worden. Die Haut sei schweißig glänzend und der Faustschluss nicht möglich gewesen. Dr. S. hat weiter Arztberichte des Facharztes unter anderem für Handchirurgie und Orthopädie Dr. K. vorgelegt, die nach Untersuchungen der Klägerin am 22. November 2011 und 19. Januar 2012 erstellt worden waren. Zunächst sei eine unklare Schmerzsymptomatik im Bereich der rechten Hand bei einem Verdacht auf eine rheumatische Erkrankung, sodann ein Verdacht auf ein grenzwertiges CRPS im Bereich der rechten Hand diagnostiziert worden. Dr. S. hat ferner einen Arztbericht des Facharztes für Neurologie Dr. N. vorgelegt, wonach die Klägerin bei einer Untersuchung am 11. Oktober 2011 über eine Veränderung der Finger an beiden Händen, rechts ausgeprägter als links, geklagt habe. Seit neun Monaten beobachte sie eine "Verkrümmung" der Finger an der rechten Hand. Auf beiden Seiten, rechts mehr als links, sei außerdem eine Schwellung aufgetreten, die zwischenzeitlich aber wieder etwas abgenommen habe. Sie habe Schmerzen in den Händen. Wegen der Einschränkung der Handfunktion habe sie inzwischen ihren Arbeitsplatz verloren.
Dr. R. hat kundgetan, dass die Klägerin in der Zeit vom 26. September bis 10. Oktober 2011 dreimal bei ihm vorstellig geworden sei. Es sei um die nachts einschlafenden Hände mit einer Betroffenheit aller Finger sowie darüber hinaus um eine Epicondylitis (chronisch schmerzhaftes Ellenbogengelenk) am linken Arm gegangen. Die vorhandenen Myogelosen (Muskelverhärtungen) im Schulter-Nacken-Bereich könnten durch die Handverletzung allein nicht erklärt werden. Insoweit seien vorbestehende Schultergürtelverspannungen vorhanden, die eventuell durch die Kühllagertätigkeit ungünstig beeinflusst worden seien.
Dr. S. hat über elf ambulante Behandlungen in der Zeit vom 12. Juli 2012 bis 15. Januar 2013 berichtet, bei denen sie ein CRPS vom Typ II, Stadium 2 diagnostiziert habe. Das von der Klägerin geschilderte Schmerzsyndrom sei typisch für eine CRPS-Erkrankung. Eine solche könne sich sowohl nach schweren Traumata entwickeln, aber auch nach Bagatelltraumen, wie es bei der Klägerin der Fall gewesen sei. Die Intensität des Traumas korreliere nicht mit der Ausbildung der Schmerzen und der Funktionsbeeinträchtigung oder mit der Inzidenz der Ausbildung einer CRPS-Erkrankung. Auch kleine Abschürfungen, Schnittverletzungen oder Prellungen könnten ein Schmerzsyndrom in diesem Ausmaß auslösen.
Das SG hat in einer nichtöffentlichen Sitzung am 18. März 2014 die Klägerin persönlich gehört. Sie hat ausgeführt, ab 7 Uhr mit der Arbeit begonnen zu haben. Gegen 11 Uhr sei die Zeugin M. zu ihr ins Kühllager gekommen. Sie habe an der Ware, die sie selbst zusammengestellt habe, gesehen, dass hier etwas blutig sei. Sie habe sie gefragt, ob sie sich verletzt habe. Sie habe dann am rechten Handgelenk, genau gesagt am Handrücken, eine Aufschürfung mit leichter Blutung festgestellt. Sie habe zuerst gedacht, dass diese wieder aufhöre, was allerdings nicht der Fall gewesen sei. Sie sei dann nach etwa einer Stunde zu der Zeugin M. gegangen und habe gesagt, dass sie ein Pflaster brauche. Sie seien zu dem Zeugen N. ins Büro gegangen und hätten auch ihn nach einem Pflaster gefragt. Die Zeugin M. habe dann ein Pflaster bei ihm herausgeholt und es ihr aufgeklebt. Dann habe sie weitergearbeitet. Zwei Wochen später sei sie wegen des Einschlafens der Hände und der Schmerzen in diesem Bereich bei Dr. S. gewesen. Sie habe ihm auch die Wunde mit der Kruste gezeigt. Daraufhin sei eine Untersuchung durch einen Neurologen erfolgt. Auf Nachfrage hat die Klägerin angegeben, sie habe sich nach der Kratzverletzung nicht erneut die Hand angestoßen oder verletzt. Weiter hat sie geäußert, dass am 23. August 2011 der Zeuge J., der Abteilungsleiter gewesen sei, sie in der Mittagspause gefragt habe, was ihr zugestoßen sei. Er habe das Pflaster gesehen. Sie habe mit ihm in einem Raum vor der Kantine im Freien in der Mittagspause gesessen.
Das SG hat den Zeugen J. schriftlich vernommen. Dieser hat mit Schreiben vom 5. Mai 2014 mitgeteilt, dass er sich vom 22. August bis 12. September 2011 im Urlaub befunden habe. Er könne daher definitiv keine Angaben zu einem angeblichen Arbeitsunfall der Klägerin am 23. August 2011 machen, da er an diesem Tag nicht im Unternehmen gearbeitet habe. Demnach sei die Behauptung der Klägerin, dass er mit ihr in der Mittagspause zusammengesessen habe, nicht wahr, da er nicht im Betrieb gewesen sei.
Auf telefonische Nachfrage des SG bei Dr. S. hat dieser am 10. Juni 2014 mitgeteilt, unter Berücksichtigung seiner Aufzeichnungen habe die Klägerin bei einer Untersuchung am 6. September 2011 über nächtliche Schmerzhaftigkeit und Sensibilitätsstörungen an beiden Armen, rechts mehr als links, geklagt (Bl. 125 SG-Akte). Er habe den Verdacht auf ein Karpaltunnelsyndrom geäußert. Die Klägerin habe ihm die Kratzverletzung mit der Kruste gezeigt. Es habe sich nach seiner und auch nach Einschätzung der Klägerin um Reste einer Bagatellverletzung gehandelt, weshalb er diese nicht behandelt habe. Bei der weiteren Vorstellung am 23. September 2011 sei der Status wie am 6. September 2011 gewesen. Hinsichtlich der die rechte Hand betreffenden Kraftminderung sei eine Verschlechterung eingetreten. Er habe ebenfalls eine livide Verfärbung im Handbereich rechts gesehen. Dies bedeute eine blass-bläuliche oder Lilaverfärbung, vergleichbar einer Verfärbung der Hand bei Kälte.
Nach vorheriger Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage, mit der - wörtlich - unter Aufhebung des Bescheides vom 17. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 2012 begehrt worden ist, den bei der Klägerin bestehenden Gesundheitsschaden als Folge des Arbeitsunfalles vom 23. August 2011 festzustellen und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab dem Unfalltag Verletztenrente in entsprechender Höhe zu gewähren, mit Gerichtsbescheid vom 12. August 2014 abgewiesen. Es bestehe kein Anspruch auf Gewährung von Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung. Die Voraussetzungen hierfür seien nicht erfüllt. Es sei bereits umstritten, ob die Klägerin am 23. August 2011 am Arbeitsplatz eine Kratzverletzung erlitten habe und somit überhaupt ein Arbeitsunfall eingetreten sei. Im Ergebnis könne dies offenbleiben. Selbst unter der Annahme eines solchen ergebe sich kein Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung. Durch den Unfall bedingte Störungen seien nicht mit Wahrscheinlichkeit festzustellen. Die Klägerin leide unter einem chronisch-regionalen Schmerzsyndrom vom Grad 2 (CRPS, Typ II) im Bereich der rechten Hand und einem chronischen Schmerzsyndrom (Morbus Sudeck-Erkrankung). Zwar könne sich eine CRPS-Erkrankung nicht nur nach Frakturen oder schweren Verletzungen, sondern auch nach kleineren Abschürfungen, Schnittverletzungen oder Prellungen entwickeln, worauf die sachverständige Zeugin Dr. S. hingewiesen habe. Es sei hingegen nur möglich, nicht hinreichend wahrscheinlich, dass es zur CRPS-Erkrankung infolge der Kratzverletzung am Arbeitsplatz gekommen sei. Allein der zeitliche Zusammenhang sei hierfür nicht ausreichend. Bei der Klägerin seien zunächst ab September 2011 Behandlungen durch Dr. S. und Dr. R. wegen eines rechtsbetonten nächtlichen Einschlafens der Hände und des Verdachts auf ein Karpaltunnelsyndrom erfolgt. Dr. R. habe eine globale Schultergürtelsymptomatik und eine Arthrose der rechten Hand diagnostiziert. Von Dr. S. sei der Verdacht auf eine Sudeck‘sche Dystrophie ab Oktober 2011 geäußert worden. Dr. N. sei aufgrund seiner Untersuchung im Oktober 2011 davon ausgegangen, der von ihm erhobene Befund erinnere an eine beginnende Sudeck´sche Dystrophie. Die Klägerin habe ihm gegenüber allerdings eine Verkrümmung der Finger der rechten Hand bereits seit neun Monaten beschrieben. Ein Trauma lasse sich laut Anamnese von Dr. N. nicht ausmachen. Die Beschwerden seien, wie Dr. S. berichtet habe, anfangs wechselnd und später kontinuierlich zunehmend gewesen. Den Berichten von Dr. K. nach den Untersuchungsterminen im November 2011 und Januar 2012 sei eine Rückbildung der Beschwerden zu entnehmen. Er habe ebenfalls den Verdacht auf ein grenzwertiges CRPS geäußert, habe aber auch andere mögliche Diagnosen angesprochen, etwa eine rheumatoide Arthritis oder eine Kollagenose. Bei zusammenfassender Würdigung des Behandlungsverlaufes und der Arztberichte erscheine es hiernach nur als möglich, jedoch nicht als wahrscheinlich, dass ein Zusammenhang zwischen der Kratzverletzung und der späteren Beschwerdeentwicklung bestehe. Auch andere Geschehensabläufe, etwa weitere Bagatelltraumen der Hand vor oder nach August 2011, seien möglich. Neben der Diagnose des CRPS würden weitere Krankheitsbilder als Ursachen der anhaltenden Beschwerden der Hand von den behandelnden Ärzten herangezogen. Die haftungsausfüllende Kausalität sei damit nicht gegeben. Die CRPS-Erkrankung sei nicht mit Wahrscheinlichkeit Folge eines Arbeitsunfalles.
Gegen den ihren Prozessbevollmächtigten am 25. August 2014 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 23. September 2014 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Zur Begründung hat sie auf die telefonische Auskunft von Dr. S. Bezug genommen, der eine Kratzverletzung mit einer Kruste bei einer ärztlichen Untersuchung am 6. September 2011 bestätigt habe. Dr. T. habe in seiner Stellungnahme vom 12. April 2012 ausgeführt, die bei ihr vorliegende Schmerzanamnese und der klinische Befund sprächen eindeutig für eine lokale Reflexdystrophie, die auf die minimale Verletzung am Handgelenk durch den Unfall am 23. August 2011 zurückzuführen sei. Auch nach Auffassung von Dr. S. habe die Schmerzerkrankung CRPS eine Trauma-Ursache, die auch in einer Bagatellverletzung gesehen werden könne. Anderweitige Verletzungen an der rechten Hand habe es um den 23. August 2011 herum nicht gegeben. Zur weiteren Begründung hat die Klägerin einen Arztbericht von Dr. S. vom 3. Dezember 2014 vorgelegt, wonach die Aussage der Beklagten, dass die Heilung der oberflächlichen Schürfwunde ohne Komplikationen eine CRPS-Erkrankung ausschließe beziehungsweise es nur bei einem komplizierten Heilungsverlauf der Wunde zu einer solchen Erkrankung kommen könne, medizinisch falsch sei. Die Schmerzerkrankung CRPS habe eine Traumaursache, welche vorliegend eine Bagatellverletzung sei. Diese sei während der beruflichen Tätigkeit entstanden. Ihr zu unterstellen, sie habe eventuell eine andere geringfügige Verletzung erlitten, an die sie sich nicht mehr erinnere und die ebenfalls ein CRPS ausgelöst haben könne, sei falsch und spekulativ.
Nachdem die Klägerin zunächst den Klageantrag aus dem erstinstanzlichen Verfahren wiederholt hat, hat sie zuletzt - in der nichtöffentlichen Sitzung des Berichterstatters am 27. Februar 2015 - noch beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 12. August 2014 sowie den Bescheid vom 17. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 2012 aufzuheben und festzustellen, dass das Ereignis vom 23. August 2011 ein Arbeitsunfall ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat im Wesentlichen vorgetragen, soweit die Klägerin hinsichtlich des Ursachenzusammenhanges auf eine Infizierung oder eine bakterielle Erkrankung mit anschließender Entzündung hinweise, sei eine solche Gesundheitsschädigung zu keinem Zeitpunkt bewiesen. Im Gegenteil sei belegt, dass zunächst völlig unabhängig von der einseitigen oberflächlichen Hautabschürfung eine beidseitig bestehende Symptomatik der Grund für die ärztliche Vorstellung gewesen sei und diese beidseits ausgeprägte Symptomatik mit Sicherheit nicht auf die oberflächliche Hautabschürfung vom 23. August 2011 zurückgeführt werden könne. Wenn sich im Anschluss an eine langwierige Behandlung eindeutig unfallfremder Gesundheitsstörungen eine einseitige Schmerzerkrankung entwickele, bleibe offen, warum die Bagatellverletzung am Handrücken, die sich als oberflächliche Schürfwunde ohne jegliche Entzündung oder sonstige Komplikationen dargestellt habe und abgeheilt gewesen sei, eine wesentliche und unersetzliche Bedingung für den weiteren Krankheitsverlauf darstellen solle. Insoweit müsse berücksichtigt werden, dass die Diagnose einer Schmerzerkrankung nicht zwangsläufig bedeute, dass diese eine eindeutig identifizierbare Ursache habe, zumal die Pathogenese einer solchen Erkrankung noch gar nicht vollständig geklärt sei. Zwar treffe es zu, dass das Auftreten dieser Erkrankung nicht von der Schwere einer Verletzung abhänge. Dies zeige aber, dass es auch andere Bagatellverletzungen, die sogar so geringfügig gewesen sein könnten, dass sich die Klägerin nicht mehr an sie erinnere, gleichermaßen als Ursache der Erkrankung in Frage kämen, wie auch die eindeutig unfallfremden Gesundheitsstörungen als Ursache einer solchen irregulären Heilung des geschädigten Gewebes nicht auszuschließen seien.
Der Berichterstatter hat in einer nichtöffentlichen Sitzung am 27. Februar 2015 die Klägerin nochmals gehört sowie E.-M. M. als Zeugin und R. J. und P. N. als Zeugen vernommen. Die Klägerin hat im Wesentlichen ihren bisherigen Vortrag im gerichtlichen Verfahren aufrechterhalten und darüber hinaus erstmals vorgetragen, sie sei gemeinsam mit der Zeugin M. bei dem Zeugen J. wegen eines Pflasters gewesen, noch bevor sie deswegen den Zeugen N. aufgesucht hätten. Auf Nachfrage hat sie kundgetan, dies sei ihr erst jetzt eingefallen. Die Angaben der Klägerin sind weder durch die Zeugin Martini noch durch die Zeugen Jauch und Nielsen bestätigt worden, die sich insbesondere weder an ein Unfallereignis noch an die Hautverletzung oder den Vorgang mit dem Pflaster erinnert haben. Der Zeuge J. hat einen Fehlzeitenausdruck der Arbeitgeberin vorgelegt, wonach ihm vom 22. August bis 12. September 2011 Urlaub gewährt worden sei. Der Zeuge N. hat das Verbandbuch vorgelegt, woraus sich für den 23. August 2011 kein Eintrag ergebe.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und auf die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), ist statthaft (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG) und auch im Übrigen zulässig; insbesondere konnte auch das Begehren der Klägerin, unter Aufhebung der angefochtenen Verwaltungsentscheidung festzustellen, dass das Ereignis vom 23. August 2011 ein Arbeitsunfall ist, Gegenstand des Berufungsverfahrens werden.
Rechtsmittelführende sind beschwert, wenn die angefochtene Entscheidung hinter ihrem Begehren zurückbleibt. Das ist der Fall, wenn die Entscheidung etwas versagt, was sie ausdrücklich beantragt haben, aber auch, wenn das Ausgangsgericht unter Verstoß gegen § 123 SGG teilweise nicht entschieden hat (vgl. BSG, Urteil vom 21. Januar 1959 - 11/8 RV 181/57 -, BSGE 9, 80 (82); Wagner, in Hennig, Kommentar zum SGG, Stand: Oktober 2005, § 123 Rz. 47 f.; Eckertz, in Lüdtke, Kommentar zum SGG, 4. Aufl. 2012, § 143 Rz. 12). Nach dieser Norm entscheidet das Gericht über die erhobenen prozessualen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Ein Klageantrag ist unter Berücksichtigung des "Meistbegünstigungsprinzips" (vgl. BSG Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 8/06 R -, BSGE 97, 217 (219 m. w. N.)) unabhängig vom Wortlaut unter Berücksichtigung des wirklichen Willens so auszulegen, dass das Klagebegehren möglichst weitgehend zum Tragen kommt. Die Gerichte haben sich nicht daran zu orientieren, was als Klageantrag zulässig ist, sondern was nach dem klägerischen Vorbringen begehrt wird, soweit vernünftige Antragstellende mutmaßlich ihren Antrag bei entsprechender Beratung anpassen würden und keine Gründe für ein anderes Verhalten vorliegen (vgl. BSG, a. a. O.). Auch für die Auslegung von Prozesshandlungen einschließlich der Klageanträge ist die Auslegungsregel des § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) entsprechend anzuwenden (BSG, Urteil vom 22. März 1988 - 8/5a RKn 11/87 -, BSGE 63, 93 (94); BSG, Urteil vom 13. März 1991 - 6 RKa 20/89 -, BSGE 68, 190 (191)). Danach ist nicht an dem Wortlaut einer Erklärung zu haften, sondern der wirkliche Wille zu erforschen und zu berücksichtigen, soweit er für das Gericht und die Beteiligten erkennbar ist. Dabei muss der für diese erkennbare gesamte Klagevortrag einschließlich der Verwaltungsvorgänge herangezogen werden (BSG, Urteil vom 22. März 1988 - 8/5a RKn 11/87 -, BSGE 63, 93 (94 f.); Leitherer, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl. 2014, § 92 Rz. 12).
Die Klägerin hat vor dem SG den Bescheid vom 17. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 2012 angefochten und begehrt festzustellen, dass der bei ihr bestehende Gesundheitsschaden Folge des Arbeitsunfalles vom 23. August 2011 ist, sowie die Beklagte zu verurteilen, ihr ab dem Unfalltag Verletztenrente in entsprechender Höhe zu gewähren. Zum Gesundheitsschaden hat sie vorgetragen, dass sie am 23. August 2011 eine Schürfwunde am rechten Handgelenk erlitten habe, wodurch es mittlerweile zu einer lokalen Reflexdystrophie gekommen sei. Da es sich im vorliegenden Fall um einen Arbeitsunfall handele, sei die Beklagte verpflichtet, ihr Leistungen zu erbringen. Damit hat sich die Klägerin, die im auf Veranlassung der AOK B. eingeleiteten Verwaltungsverfahren, währenddessen sie einzig derart mit der Beklagen in Kontakt getreten war, dass sie die an sie zum Unfallhergang und zum Gesundheitszustand gerichteten Fragen beantwortete, und entgegen ihrem Vorbringen im Klageschriftsatz vom 25. Oktober 2012 dort selbst keinen Antrag stellte, erkennbar dagegen wehren wollen, dass die Beklagte mit der angefochtenen Verwaltungsentscheidung in ihre Rechtssphäre eingegriffen hat. Mit dem Bescheid vom 17. Juli 2012 wurde allerdings nicht etwa ein Anspruch auf eine konkrete Leistungsart wegen eines (angenommenen) Arbeitsunfalles versagt. Demgegenüber wurden nur unbestimmt "Leistungen" wegen des Ereignisses vom 23. August 2011 abgelehnt. Die rechtliche Würdigung unter Ziffer "II." beginnt mit dem Normtext von § 8 SGB VII, also der Vorschrift, die in Verbindung mit § 102 SGB VII die Anspruchsgrundlage für die Feststellung eines Arbeitsunfalles darstellt (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 27. März 2012 - B 2 U 7/11 R -, juris, Rz. 8). Zudem ist im Bescheid vom 17. Juli 2012 am Ende, nach der Subsumtion unter die Tatbestandsvoraussetzungen, ausgeführt, dass damit die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalles nicht erfüllt seien, weshalb - nicht näher konkretisierte - Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht erbracht werden könnten. Der Klageantrag der Klägerin, den bei ihr bestehenden Gesundheitsschaden als Folge des Arbeitsunfalles vom 23. August 2011 festzustellen, musste vor diesem Hintergrund, damit das Begehren möglichst weitgehend zum Tragen kommt, so ausgelegt werden, dass damit auch die Feststellung des Ereignisses vom 23. August 2011 als Arbeitsunfall beansprucht worden ist. Das SG hat demgegenüber ausdrücklich offengelassen, ob es sich bei dem von der Klägerin behaupteten Ereignis vom 23. August 2011 um einen Arbeitsunfall handelt, und folglich keine dahingehende Auslegung des Klageantrages vorgenommen. Damit hat es unter Verstoß gegen § 123 SGG nicht über diesen Anspruch entschieden. Eine Ergänzung des Gerichtsbescheides im Sinne von §§ 105 Abs. 1 Satz 3, 140 SGG ist demgegenüber nicht in Frage gekommen. Der Anwendungsbereich von § 140 SGG ist nur eröffnet, wenn mit einer gerichtlichen Entscheidung ein erhobener Anspruch versehentlich ganz oder teilweise übergangen worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 21. Januar 1959 - 11/8 RV 181/57 -, juris, Rz. 15 m. w. N.; BSG, Terminbericht Nr. 10/15 vom 19. März 2015, Ziff. 1 zu B 2 U 3/14 R, im Internet unter "www.bundessozialgericht.de").
Die Neufassung des Antrages der Klägerin, einschließlich einer Teilrücknahme der Berufung im Übrigen (vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18. September 2009 - L 8 U 5884/08 -, juris, Rz. 32 ff. zu einer Teilrücknahme der Klage durch spätere Antragsbeschränkung), in der nichtöffentlichen Sitzung beim LSG am 27. Februar 2015 hat damit keine Klageänderung im Sinne des § 99 SGG dargestellt. Die erfolgte Konkretisierung aufgrund des rechtlichen Hinweises des Berichterstatters gemäß §§ 106 Abs. 1, 155 Abs. 1 SGG ist eine Klarstellung des schon ursprünglich Gewollten gewesen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 13. März 1991 - 6 RKa 20/89 -, BSGE 68, 190 (191); BSG, Urteil vom 6. April 2011 - B 4 AS 119/10 R -, BSGE 108, 86 (93, Rz. 30)).
Die Berufung ist hingegen unbegründet, da die gemäß §§ 54 Abs. 1 Satz 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage erhobene Klage zwar zulässig, aber unbegründet ist.
Die Sachentscheidungsvoraussetzungen dieser Klagearten liegen vor. Insbesondere ist, bezogen auf die Anfechtungsklage, die Klägerin auch klagebefugt im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Insoweit reicht es aus, dass eine Verletzung in eigenen Rechten möglich ist und die Klägerin die Beseitigung einer in ihre Rechtssphäre eingreifenden Verwaltungsmaßnahme anstrebt, von der sie behauptet, sie sei nicht rechtmäßig (vgl. BSG, Urteil vom 5. Juli 2007 - B 9/9a SGB 2/06 R -, SozR 4-3250 § 69 Nr. 5 Rz. 18). An der Klagebefugnis fehlt es demgegenüber, wenn eine Verletzung subjektiver Rechte nicht in Betracht kommt (vgl. BSG, Urteil vom 14. November 2002 - B 13 RJ 19/01 R -, BSGE 90, 127 (130)), weil hinsichtlich des Klagebegehrens eine gerichtlich überprüfbare Verwaltungsentscheidung nicht vorliegt (BSG, Urteil vom 21. September 2010 - B 2 U 25/09 R -, juris, Rz. 12). Nach Auslegung des Bescheides vom 17. Juli 2012 hat die Beklagte festgestellt, dass das Ereignis vom 23. August 2011 kein Arbeitsunfall ist. Dabei ist Maßstab der Auslegung der "Empfängerhorizont" verständiger Beteiligter, die die Zusammenhänge berücksichtigen, welche die Behörde nach ihrem wirklichen Willen (§ 133 BGB) erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat (vgl. BSG, Urteil vom 29. Januar 2008 - B 5a/5 R 20/06 R -, BSGE 100, 1, (2, Rz. 11 m. w. N.)). Gemessen daran hat die Beklagte durch den Verfügungstenor, mit dem unbestimmt "Leistungen" wegen des Ereignisses vom 23. August 2011 abgelehnt worden sind, sowie den Ausführungen zur Begründung, innerhalb derer die rechtliche Würdigung unter Ziffer "II." mit dem Normtext von § 8 SGB VII (Arbeitsunfall) beginnt und am Ende, nach der Subsumtion unter die Tatbestandsvoraussetzungen, ausgeführt wird, dass damit die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalles nicht erfüllt seien, weshalb - nicht näher konkretisierte - Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht erbracht werden könnten, die Regelung getroffen, dass das Ereignis vom 23. August 2011 kein Arbeitsunfall ist.
Die Klägerin hat hingegen keinen Anspruch auf Feststellung des Ereignisses vom 23. August 2011 als Arbeitsunfall.
Versicherte können vom zuständigen Unfallversicherungsträger nach § 102 SGB VII die Feststellung eines Versicherungsfalles, hier eines Arbeitsunfalles, beanspruchen, wenn ein solcher eingetreten ist (vgl. BSG, Urteil vom 5. Juli 2011 - B 2 U 17/10 R -, SozR 4-2700 § 11 Nr. 1 Rz. 15 f.). Die Voraussetzungen hierfür liegen jedoch nicht vor.
Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für einen Arbeitsunfall ist danach im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung der Versicherten zur Zeit des Unfalles einer versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung wesentlich ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis (Unfallereignis) verursacht hat (Unfallkausalität) und das Unfallereignis wesentlich einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität; vgl. BSG, Urteil vom 29. November 2011 - B 2 U 10/11 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 42; BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 - B 2 U 9/10 R -, BSGE 107, 197; BSG, Urteil vom 18. November 2008 - B 2 U 27/07 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 30 Rz. 10 m. w. N.).
Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt für die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen bei der Tatsachenfeststellung, dass die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfalles", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitsschaden" erfüllen sollen im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 2. April 2009 - B 2 U 30/07 R -, BSGE 103, 45).
Für den Senat steht bereits nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass sich, wie von der Klägerin behauptet, am 23. August 2011 ein Unfall ereignet hat. Das Ereignis, das auf ihren Körper eingewirkt haben soll, hat die Klägerin selbst nicht wahrgenommen. Daran habe sie sich, so ihre erstmalige Einlassung im Widerspruchsverfahren im August 2012, erst erinnert, als sie von der Zeugin M. auf eine blutende Verletzung an ihrem rechten Handgelenk aufmerksam gemacht worden sei. Sie habe sich an einem Regal im Kühllager angestoßen. An diesem Metallregal, wie sie es gegenüber der sie behandelnden Ärztin Dr. S. während einer ambulanten Untersuchung Mitte Juli 2012 nach deren Bericht beschrieben hat, will sie mit ihrer Hand hängen geblieben sein. Es verwundert bereits, wie eine solche Einwirkung auf den eigenen Körper unbemerkt geblieben sein kann, ohne dass die Wahrnehmung durch andere äußere Einflüsse, etwa visueller oder akustischer Art, beeinträchtigt gewesen ist. Solche hat die Klägerin nicht beschrieben. Dem Senat erschließt sich ferner nicht, wie es sein kann, dass eine von der Klägerin beschriebene Hautabschürfung, die nur leicht beziehungsweise geringfügig geblutet haben soll, eine Stunde lang blutet, ohne dass das Blut gerinnt. Eine Blutgerinnungsstörung, woran die Klägerin selbst nicht vorgibt zu leiden, wird in keinem der vorliegenden Arztberichte beschrieben. Darüber hinaus und für den Senat entscheidend ist jedoch, dass niemand der auf Anregung der Klägerin von der Beklagten und dem SG schriftlich sowie vom Berichterstatter des LSG persönlich vernommenen Zeuginnen und Zeugen die von der Klägerin mit ihrer Schilderung des Geschehensablaufes hergestellten Verknüpfungen bestätigen konnte. Die Zeugin M. konnte sich bei der Vernehmung durch den Berichterstatter, wie sie dies bereits schriftlich gegenüber der Beklagten im Verwaltungsverfahren kundgetan hatte, weder daran erinnern, dass am behaupteten Unfalltag, an dem sie den ganzen Tag und nicht wie sonst in Wechselschicht arbeitete, an der Kommissionierware Blut war und sie deswegen die Klägerin darauf angesprochen hatte, noch daran, dass sie mit dieser wegen eines Pflasters zur Versorgung der Wunde mit den Zeugen J. und N. in Kontakt trat. Auch an eine Schürfverletzung der Klägerin, die sie schließlich mit einem Pflaster versorgt haben soll, konnte sie sich nicht erinnern. Wenn es um ein Pflaster gegangen wäre, wäre sie deshalb auch nicht zum Zeugen Nielsen gegangen. Sie wäre in ihr eigenes Büro gegangen und hätte dort ein Pflaster geholt. Der Senat verkennt nicht, dass nach fast vier Jahren die Erinnerung an eine schwerwiegendere Verletzung eher geben wäre als an die von der Klägerin angeführte Schürfwunde. Allerdings hatte die Zeugin M. bereits mit Schreiben vom 2. Juli 2012 angegeben, keinen Unfall der Klägerin während der Arbeitszeit beobachtet zu haben. Ebenfalls hat sich der Zeuge N. weder überhaupt an eine Verletzung der bei der Arbeitgeberin nur vier Monate in einem Arbeitsverhältnis stehenden Klägerin am Arbeitsplatz noch an den von ihr geschilderten Vorgang, er sei von ihr und der Zeugin M. wegen eines Pflasters aufgesucht worden, erinnern können. Soweit die Klägerin zusammen mit der Zeugin M. den Zeugen J. wegen eines Pflaster aufgesucht haben will und dieser sie zudem in der Mittagspause auf die Verletzung angesprochen haben soll, ist dies ausgeschlossen. Wenig plausibel ist bereits, dass der Zeuge J. sie in der Mittagspause mit Blick auf ihre rechte Hand gefragt haben soll, was sie da gemacht habe. Denn die Klägerin hat sich in der nichtöffentlichen Sitzung beim LSG dahingehend eingelassen, dass sie mit der Zeugin M. schon am späten Vormittag den Zeugen J. wegen eines Pflasters aufgesucht habe. Hatte er jedoch schon Kenntnis von der Verletzung der Klägerin, ist nicht nachvollziehbar, wieso er zur Mittagszeit noch ein Auskunftsverlangen gehabt haben soll. Für den Senat steht darüber hinaus auch fest, dass zwischen der Klägerin und dem Zeugen J. am 23. August 2011 kein direkter Kontakt bestand. Nach den glaubhaften Angaben des Zeugen J. gegenüber dem Berichterstatter in der nichtöffentlichen Sitzung beim LSG startete er mit seiner Ehefrau und seinen beiden Töchtern in der Nacht vom 19. auf den 20. August 2011 zu einer Urlaubsfahrt nach C. in Spanien, wo er sich durchgängig aufhielt und nicht zwischenzeitlich an seinen Arbeitsplatz zurückkehrte. Der Zeuge J. hat zwar angegeben, am "17." losgefahren zu sein. Hierbei handelt es sich aber offensichtlich um eine Verwechslung. Denn er hat weiter ausgeführt, freitagnachts gestartet zu sein. Dies erscheint plausibel. Denn ausweislich des von ihm in dem Termin beim LSG vorgelegten Fehlzeitenausdruckes seiner Arbeitgeberin hatte diese ihm Urlaub vom 22. August, einem Montag, bis 12. September 2011 gewährt. Aus dem vom Zeugen N., der im August 2011 Sicherheitsbeauftragter bei der Arbeitgeberin war, geführten und in der nichtöffentlichen Sitzung beim LSG in Augenschein genommenen Verbandbuch, welches auf Veranlassung der Beklagten zu führen gewesen ist, hat sich ebenfalls kein Hinweis auf eine Handverletzung der Klägerin am 23. August 2011 ergeben. Nach der Einlassung des Zeugen N. wurde das gebundene Verbandbuch auch für den Arbeitsbereich der Klägerin geführt. Nach dessen Aufmachung sind bei einer Verletzung auf je einer gesonderten Seite der Name der verletzten Person, das verletzte Körperteil, die Art der Verletzung, der die Verletzung verursachende Gegenstand und die Art der Erste Hilfe-Leistung (u.a. Pflaster) einzutragen. Für den 23. August 2011 enthält es hingegen keinen Eintrag. Zwar fehlt die handschriftlich einzutragende laufende Nummer 25, diesbezüglich eine Verletzung zwischen dem 27. Mai 2011 (lfd. Nr. 24) und 30. November 2011 (lfd. Nr. 26) einzutragen gewesen wäre. Bei dem Eintrag der Verletzung Ende November dürfte allerdings versehentlich statt der zutreffenden laufenden Nummer 25 die "26" eingetragen worden sein. Denn die Folgeseite trägt ebenfalls die Nummer 26. Daher und aus dem Umstand, dass die Inaugenscheinnahme dem Berichterstatter nicht den Eindruck vermittelt hat, dass nachträglich eine für den 23. August 2011 verfasste Seite entnommen worden ist, geht der Senat davon aus, dass es für den 23. August 2011 nie einen Eintrag im Verbandbuch gegeben hat, der einen Hinweis auf eine Verletzung der Klägerin am Arbeitsplatz und eine deswegen erfolgte Entnahme eines Pflasters geben könnte. Allein hieraus schließt der Senat zwar nicht, dass die Klägerin keine Verletzung erlitten haben kann. Denn trotz der vorgesehenen Rubrik "Pflaster" bei der Art der Erste Hilfe-Leistung, ist nicht jede Entnahme eines Pflasters in das Verbandbuch eingetragen worden, wie der Zeuge Nielsen ausgesagt hat. So hätten sich diese in kleinen Schachteln in einem so genannten "Erstversorgerset" befunden, deren Entnahme nicht im Verbandbuch eingetragen worden sei. Zudem hat sich die Zeugin M. dahingehend eingelassen, dass es bei Hektik, die sich für den 23. August 2011 allerdings nicht hat feststellen lassen, schon habe vorkommen können, dass die Entnahme eines Pflasters nicht eingetragen worden sei. Nach einer Gesamtwürdigung aller Umstände ist ein Unfallereignis jedenfalls nicht erwiesen.
Darüber hinaus ist auch keine "Verrichtung zur Zeit des Unfalles", die unter einen gesetzlichen Versicherungstatbestand zu subsumieren wäre, erwiesen. Die Beweisaufnahme hat nicht ergeben, dass die Klägerin eine in einem sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehende Schürfwunde am rechten Handgelenk erlitten hat. Es steht bereits nicht fest, ob der Gesundheitsschaden in Form einer Schürfwunde am rechten Handgelenk am 23. August 2011 oder danach entstanden ist. Als abhängig beschäftigte Kommissioniererin hätte sie zur Zeit der Schädigung eine nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherte Tätigkeit nur verrichtet, wenn sie Haupt- oder Nebenpflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis erfüllt hätte oder eine nicht geschuldete Handlung mit der objektivierten Handlungstendenz vorgenommen hätte, ihre vertraglichen Pflichten zu erfüllen.
Fest steht zur Überzeugung des Senats zum einen, dass die Klägerin am behaupteten Unfalltag, dem 23. August 2011, die Arbeit um 6:50 Uhr aufgenommen und um 17:13 Uhr beendet hat. Dies ergibt sich aus der schriftlichen Auskunft der Personalleiterin der Arbeitgeberin K. vom 2. Juli 2012 im Verwaltungsverfahren. Die Angabe der Klägerin in der nichtöffentlichen Sitzung beim LSG, wonach sie am 23. August 2011 die Beschäftigung gegen 7 Uhr begonnen und ungefähr um 17 Uhr Feierabend gemacht habe, steht damit in Einklang. Zum anderen hält der Senat für erwiesen, dass bei der Untersuchung durch den sachverständigen Zeugen Dr. S. am 6. September 2011 eine Hautverletzung an der rechten Hand vorlag, die sich bereits in einem fortgeschrittenen Stadium des Heilungsprozesses befand. So hat Dr. S. gegenüber dem SG bei einem Telefonat am 10. Juni 2014 unter Berücksichtigung seiner Aufzeichnungen mitgeteilt, dass die Klägerin am 6. September vorstellig geworden sei und ihm eine Kratzverletzung mit Kruste gezeigt habe. Nach seiner Einschätzung habe es sich um eine Bagatellverletzung gehandelt, die er nicht für behandlungsbedürftig gehalten habe. Aus dem Gesamtzusammenhang des in einem schriftlichen Vermerk festgehaltenen Gesprächsinhaltes des Telefonats und der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage von Dr. S. vom 10. Juni 2013 ist hieraus noch hinreichend deutlich zu entnehmen, dass dieser eine Hautverletzung im Bereich der rechen Hand beschrieben hat, die ihm die Klägerin bei einer Untersuchung am 6. September 2011 zeigte. Darüber hinaus ist aber nach den vorstehenden Ausführungen nicht feststellbar gewesen, wann genau sich die Klägerin die Hautverletzung vor dieser ärztlichen Untersuchung durch Dr. S. zugezogen hatte, also ob diese bei einer versicherten oder einer nicht versicherten Verrichtung der Klägerin entstanden war. Eine Verrichtung zur Zeit des Unfalles, die unter den Versicherungstatbestand nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII zu subsumieren wäre, ist damit nicht erwiesen.
Bei der Beweiswürdigung kann der rechtliche Beweismaßstab des Vollbeweises bei der Prüfung der versicherten Tätigkeit eines Beschäftigten zwar auch dann erfüllt sein, wenn Versicherte an dem Arbeitsplatz, an dem sie zuletzt versicherte Tätigkeiten verrichtet hatten, aus ungeklärten Umständen einen Gesundheitsschaden oder den Tod erleiden, falls keine konkret festgestellten Tatsachen Zweifel daran begründen, dass sie auch noch zur Unfallzeit versichert gearbeitet haben (BSG, Urteil vom 31. Januar 2012 - B 2 U 2/11 R -, juris, Rz. 20). Die Umstände des vorliegenden Falles unterscheiden sich hingegen etwa von den Konstellationen, die den Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 4. September 2007 (Az. B 2 U 28/06 R, juris) und vom 26. Oktober 2004 (Az. B 2 U 24/03 R, BSGE 93, 279) zugrunde liegen. Beide Entscheidungen fußen auf Sachverhalten, in denen jeweils die Aufnahme einer versicherten Tätigkeit nachgewiesen war und die Versicherten aus nicht zu klärenden Umständen in einem engen zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz zu einem bekannten Zeitpunkt Unfälle erlitten hatten. "Beweiserleichterungen" kommen in diesem Zusammenhang folglich allenfalls in Betracht, wenn Versicherte den räumlichen Bereich, in dem sie zuletzt die versicherte Tätigkeit verrichtet haben, nicht verlassen und sie dort kurz zuvor versicherte Tätigkeiten verrichtet haben (vgl. BSG, Urteil vom 31. Januar 2012 - B 2 U 2/11 R -, juris, Rz. 23). Daran fehlt es hier. Es ist völlig offen, wann genau, wo und bei welcher Gelegenheit die Klägerin sich die Schürfverletzung am rechten Handgelenk zugezogen hat, als deren Folge möglicherweise das von der sachverständigen Zeugin Dr. S. diagnostizierte CRPS vom Typ II, Chronifizierungsstadium 2 nach Gerbershagen aufgetreten ist.
Die Anspruchsvoraussetzungen für die Feststellung eines Arbeitsunfalles im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB VII sind deshalb nicht erfüllt.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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