Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 3 R 1421/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 R 4093/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 20. August 2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1975 geborene Klägerin ist ausgebildete Augenoptikerin und war in diesem Beruf bis Ende des Jahres 2003 erwerbstätig. Bereits seit ihrer Kindheit konnte sich die Klägerin nicht mit ihrem - männlichen - Geschlecht identifizieren. Ihren Angaben nach empfindet sie sich als geschlechtloses Wesen, also weder als Mann noch Frau, wobei nach ihrem Empfinden die weibliche Identität der Geschlechtslosigkeit am nächsten kommt. 1998 unterzog sie sich einer operativen Geschlechtsumwandlung zur Frau. Im Jahre 2004 kehrte sie ins Elternhaus zurück und gab auch ihre Tätigkeit als Optikerin auf. Nicht von anhaltendem Erfolg waren anschließende Versuche, als Vertretung weiterhin in diesem Beruf zu arbeiten.
Seit Januar 2005 bezieht die Klägerin Arbeitslosengeld II. Ihren Angaben zufolge wurde sie eine Zeitlang von der Agentur für Arbeit als nicht vermittelbar eingestuft und "in Ruhe gelassen". Nachdem sich dies nach einem Mitarbeiterwechsel in der Agentur für Arbeit geändert hatte, ließ sie sich ab dem Jahre 2010 durchgängig vom Hausarzt krankschreiben.
Die Eltern der Klägerin betreiben eine Frühstückspension. Dort arbeitet die Klägerin mit; sie hilft in der Küche, arbeitet in den Zimmern, macht Wäsche, bereitet das Frühstück und empfängt - wenn ihre Eltern durch Abwesenheit dazu nicht in der Lage sind - Gäste.
Am 11. September 2012 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Sie gab zur Begründung an, sie halte sich seit September 2010 wegen Depressionen und einer Sozialphobie für erwerbsgemindert.
Die Beklagte ließ daraufhin die Klägerin durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Hup. begutachten. Als Diagnosen führte er in seinem nervenfachärztlichen Gutachten vom 16. November 2012 Störungen der Geschlechtsidentität (ICD-10: F 64) und Anpassungsstörungen (ICD-10: F 43.2) auf. Wenn auch die Störung der Geschlechtsidentität im internationalen Diagnoseschlüssel aufgeführt sei, handele es sich dennoch um keine Krankheit. Es bestehe eine Anpassungsstörung im Rahmen der geschlechtlichen Sonderrolle mit Schwierigkeiten im sozialen Umfeld. Eine darüber hinausgehende psychopathologische Störung mit Krankheitswert liege nicht vor. Auch wenn die Klägerin soziale Kontakte vermeiden wolle, könne ihr dennoch zugemutet werden einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Sie habe sich dafür entschieden, im elterlichen Betrieb mitzuarbeiten, was beweise, dass keine Arbeitsunfähigkeit bestehe. Eine vollschichtige Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben und auch im zuletzt ausgeübten Beruf als Augenoptikerin liege bei der Klägerin vor.
Mit Bescheid vom 10. Dezember 2012 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab, da die Klägerin die medizinischen Voraussetzungen nicht erfülle. Sie sei noch in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein.
Dagegen erhob die Klägerin am 09. Januar 2013 Widerspruch mit der Begründung, auf Grund ihrer psychischen und physischen Einschränkungen, die durch ihre Lebenssituation entstünden, sei sie noch nicht einmal in der Lage, eine Stunde täglich unter den üblichen (für sie feindlichen) Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein. Weil sie sich als geschlechtlos empfinde und gezwungen sei, in einer geschlechtlichen, für sie kaum nachvollziehbaren Gesellschaft aufzuwachsen, habe sie von klein auf mit Depressionen und starken Stimmungsschwankungen zu tun gehabt. Erst seit sie wieder zu ihren Eltern in das "schützende" Haus ihrer Kindheit zurückgegangen sei und sich - soweit es möglich sei - von dieser Welt und ihren Mitmenschen fernhalte, gehe es ihr wieder etwas besser und sie habe die Depressionen einigermaßen unter Kontrolle. Allein schon der Gedanke, erneut täglich das Haus verlassen zu müssen, reiche aus, dass es wieder schlimmer werde. Weder therapeutische Maßnahmen noch Antidepressiva hätten etwas an ihrer Lebenssituation oder Lebenseinstellung verändern können.
Mit Widerspruchsbescheid vom 07. Mai 2013 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 23. Mai 2013 vor dem Sozialgericht (SG) Reutlingen Klage erhoben und vorgetragen, ihre behandelnden Ärzte sowie die Ärztin der Agentur für Arbeit gingen davon aus, dass aufgrund der schwerwiegenden psychischen Minderbelastbarkeit eine Beschäftigung auf dem Arbeitsmarkt zu den üblichen Bedingungen nicht erfolgen könne.
Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten.
Das SG hat zunächst bei den behandelnden Ärzten sachverständige Zeugenauskünfte eingeholt. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. Wä. hat ausgeführt, aufgrund der ausgeprägten Sozialphobie halte er es für unmöglich, das die Klägerin auch nur leichte Tätigkeiten für sechs Stunden pro Tag verrichte. Die psychologische Psychotherapeutin Beg. hat mitgeteilt, die Klägerin leide unter einer schweren Identifikationsstörung. Sie fühle sich weder als Mann, noch als Frau und wünsche ohne Geschlecht zu sein. Sie habe eine Fassade als Selbstwertschutz aufgebaut, sei dabei depressiv und ohne Zukunftsperspektiven. Die ambulante Therapie habe daran nichts ändern können. Sie wolle sich auf das häusliche Umfeld zurückziehen können. Sie (die Therapeutin) habe die Therapie nicht verlängern wollen.
Das SG hat sodann bei Dr. Den. ein psychiatrisches Gutachten eingeholt. In seinem Gutachten vom 22. Februar 2014 hat Dr. Den. eine abnorme Persönlichkeitsentwicklung mit Depressivität, sozial phobischen Anteilen und narzisstischen Anteilen sowie eine Störung der Geschlechtsidentität, nicht näher bezeichnet diagnostiziert. Zu ihrem Alltag habe die Klägerin geäußert, dass sie in der Familienpension tätig sei, hier verschiedene Aufgaben erledige. Fragen im Hinblick auf die in den Akten vermerkte soziale Phobie habe sie dahingehend beantwortet, dass sie einen Modus gefunden habe, um mit den Gästen umzugehen, dass ein solcher Kontakt für sie weniger anstrengend sei als der Kontakt mit Kunden (als Optikerin). Sie habe eingeräumt, auch Telefon- bzw. Rezeptionsdienst zu verrichten und "Smalltalk" mit Gästen zu führen. Das Zusammensein mit Menschen strenge sie jedoch an und sie habe ihre Auffassung von einer feindseligen, bisher geschlechtlich besessenen Umwelt wiederholt. Kontakte außerhalb ihres familiären Kreises versuche sie nach Möglichkeit zu vermeiden. Kontakt habe sie nur noch mit zwei Freundinnen. Der psychopathologische Befund habe keine höhergradigen Auffälligkeiten gezeigt. Die schwierige Lebenssituation mit wiederholter Depressivität, dem Gefühl, in einer falschen und feindseligen Welt zu leben sowie die Wünsche nach Rückzug seien deutlich geworden. In der Untersuchung selbst habe sich keine höhergradige Ängstlichkeit oder Depressivität gezeigt. Auch wenn davon auszugehen sei, dass höhergradige psychische Störungen im engeren Sinne nicht bestünden, gerade weil die Klägerin derzeit einen Weg gefunden habe, um ihre Bedürfnisse zu leben und es eventuell zu einer psychopathologischen Verschlechterung kommen könne, wenn sie gezwungen wäre, einer - ungeliebten - Erwerbstätigkeit nachzugehen oder ihren heimischen "Kokon" zu verlassen, sei es so, dass solche Störungen nicht vorlägen und auch in der Vergangenheit nicht vorgelegen hätten. Zu der seitens des Hausarztes angegebenen sozialen Phobie sei zu sagen, dass Rückzugstendenzen und sozial phobische Verhaltensweisen zwar erkennbar seien, dass aber keine soziale Phobie im engeren Sinne bestehe. Jedenfalls sei bei der Klägerin keine unüberwindbare oder sehr ausgeprägte phobische Symptomatik erkennbar. Qualitative Einschränkungen der beruflichen Leistungsfähigkeit lägen nicht vor. Angesichts der Neigung der Klägerin zu einem Rückzug von Menschen, habe sie in der Vergangenheit und auch jetzt im häuslichen Umfeld eine ausreichende Anpassungsleistung gezeigt. Wegen des erlebten Andersseins komme es neben Rückzug von Menschen auch immer wieder zu Depressivität, die nach ärztlichem Urteil als leicht- bis mittelgradig einzustufen sei. Auch bei Anerkennung der besonderen Problematik der Klägerin sei festzuhalten, dass die Leistungsfähigkeit ausreiche, um Erwerbstätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich nachzugehen.
Die Klägerin hat sich in ihrer Stellungnahme vom 19. März 2014 mit dem Gutachten von Dr. Den. auseinandergesetzt und ihre Bevollmächtigte hat zu dem Gutachten ausgeführt, es werde nicht für überzeugend gehalten, weil es nicht schlüssig sei.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 24. Juni 2014 hat sich Dr. Den. mit den Stellungnahmen der Klägerin und ihrer Bevollmächtigten auseinandergesetzt. Der Umstand, dass er zum Gutachten von Dr. Hup. angemerkt habe, dass er nicht wie dieser keine Krankheit bei der Klägerin erkennen könne, bedeute nicht automatisch, dass die Voraussetzungen für eine Berentung vorlägen. Es sei ihm bekannt gewesen, dass Hausarzt Dr. Wä. die Erwerbsfähigkeit der Klägerin auf unter sechs Stunden eingestuft habe. Er teile aber dessen Diagnose einer ausgeprägten sozialen Phobie nicht. Zutreffend sei, dass er leichtere soziale phobische Anteile bei der Klägerin gesehen habe. Er habe den Eindruck, dass er recht sorgfältig und genau das während der Begutachtung Gesprochene in seinem Gutachten inhaltlich wiedergegeben habe.
Mit Urteil vom 20. August 2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat hierbei die Auffassung vertreten, dass bei der Klägerin die Voraussetzungen für eine Rente wegen voller (bzw. teilweiser) Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 1 und 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht vorliegen würden. Die Klägerin sei vielmehr nach Überzeugung des SG im gesamten streitigen Zeitraum seit der Antragstellung bis zur Entscheidung des Gerichts noch in der Lage gewesen, mindestens sechs Stunden täglich einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Das SG hat sich hierbei insbesondere auf das im Klageverfahren eingeholte Sachverständigengutachten von Dr. Den. und auch auf das im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten von Dr. Hup. gestützt. Es hat darauf verwiesen, dass diese beiden Gutachter übereinstimmend der Auffassung gewesen seien, dass der Klägerin zumindest noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich verrichten könne. Dr. Den. habe überzeugend festgestellt, dass die Klägerin zwar zu einem Rückzug von Menschen neige, da sie ihre Umgebung generell oder zumindest überwiegend als anders und feindselig erlebe. Sie habe jedoch in der Vergangenheit und auch aktuell im häuslichen Umfeld eine ausreichende Anpassungsleistung gezeigt. Ohne maßgebende Bedeutung sei, dass Dr. Den. und Dr. Hup. hinsichtlich der Diagnose zu einer anderen Beurteilung gelangt seien. Für die Beurteilung des Leistungsvermögens stelle die Diagnose nicht das wesentliche Kriterium dar, wobei insbesondere bei Gesundheitsstörungen auf nervenärztlichem Gebiet (und gerade bei einem Mischbild nach länger dauernder Kranken- und Vorgeschichte) diese häufig nicht exakt zu stellen seien. Maßgeblich seien vielmehr die vorliegenden Funktionseinschränkungen.
Die Klägerin hat gegen das ihren Bevollmächtigten gegen Empfangsbekenntnis am 27. August 2014 zugestellte Urteil am 26. September 2014 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Zur Begründung macht sie geltend, das SG gehe zu Unrecht davon aus, dass das Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht auf ein Maß von weniger als sechs Stunden täglich ab Rentenantragstellung herabgesunken sei. Das Gutachten von Dr. Den. sei widersprüchlich und unschlüssig; es sei keine geeignete Grundlage für eine gerichtliche Entscheidung. Die Klägerin stelle ganz offenkundig einen Fall dar, der bei dem Sachverständigen bisher noch nicht aufgetreten sei. Die Klägerin betrachte sich als geschlechtslos, was jedoch in der hiesigen Gesellschaft nicht akzeptiert werde. Soweit Dr. Den. davon ausgehe, dass hier eine Therapierbarkeit gegeben sei, müsse er sich schon fragen lassen, wie sich diese wohl gestalten könne. Die Klägerin habe eine ausgesprochene Sozialphobie entwickelt, die sich gravierend bei menschlichen Kontakten außerhalb des elterlichen Wohnbereichs zeige.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 20. August 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10. Dezember 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07. Mai 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab Antragstellung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie beruft sich zur Begründung auf das ergangene Urteil.
Mit Schreiben vom 01. April 2015 wurden die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Zurückweisung der Berufung auch ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss hingewiesen, sofern der Senat sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Den Beteiligten wurde Gelegenheit gegeben, hierzu Stellung zu nehmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligen werde auf die Verwaltungsakten der Beklagten (drei Bände) sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 Abs. 1, Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, unter Beachtung der maßgeblichen form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und 3 SGG) eingelegte zulässig Berufung nach Anhörung der Beteiligten, die für den Senat keinen Anlass zu einem anderen Verfahren ergeben hat, gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen. Das SG hat zutreffend in Darstellung der hier maßgeblichen gesetzlichen Normen sowie Prüfung und Würdigung der vorliegenden Gutachten und ärztlichen Auskünfte in nicht zu beanstandender Weise die medizinischen Voraussetzungen für eine Rente wegen voller und auch teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI verneint. Hierauf nimmt der Senat Bezug und sieht von der weiteren Darstellung ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend wird noch folgendes ausgeführt: Auch der Senat ist - wie das SG - davon überzeugt, dass insbesondere Dr. Den. in seinem Gutachten vom 22. Februar 2014 eine zutreffende Beurteilung des Leistungsvermögens der Klägerin ausgehend von ihren Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet vorgenommen hat. Er hat nach umfassender Aktenauswertung, Anamneseerhebung und Untersuchung der Klägerin nachvollziehbar die Diagnosen einer abnormen Persönlichkeitsentwicklung mit Depressivität, sozial phobischen Anteilen und narzisstischen Anteilen sowie eine Störung der Geschlechtsidentität gestellt. Überzeugend hat er allerdings die Leistungsfähigkeit der Klägerin im Hinblick auf eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich angesiedelt.
Dass vorliegend im Rahmen der den Senat treffenden Pflicht zur Amtsermittlung (§ 103 SGG) eine weitere Aufklärung der entscheidungserheblichen Tatsachen in medizinischer Hinsicht zur Prüfung des Vorliegens der Erwerbsminderung hätte vorgenommen werden müssen, sieht der Senat nicht so. Das SG ist seiner Pflicht der umfassenden Aufklärung des Sachverhalts nachgekommen. Es hat die von der Klägerin benannten Behandler (Hausarzt Dr. Wä., Psychotherapeutin Beg.) als sachverständige Zeugen schriftlich befragt (vgl. deren Auskünfte vom 23. Juli 2013 und 20 August 2013) und ein Sachverständigengutachten bei dem Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Den. eingeholt. Neue Tatsachen bzw. Gesichtspunkte, die im Rahmen des Berufungsverfahrens zu einer weiteren Sachaufklärung im Rahmen der Amtsermittlungspflichten Veranlassung gegeben hätten, gibt es nicht. Im Übrigen wurde insofern der Klägerin seitens des Gerichts mit gerichtlicher Verfügung vom 17. Februar 2015 die Gelegenheit eingeräumt, gemäß § 109 SGG einen von der Klägerin zu bestimmenden Arzt gutachtlich zu hören. Binnen der hierfür gesetzten Frist bis 30. März 2015 wurde ein solcher Antrag nicht gestellt.
Nicht nachvollziehbar ist für den Senat auch die Auffassung der Klägerin, dass Dr. Den. im Rahmen der Begutachtung der Klägerin und Beurteilung ihres Leistungsvermögens die spezifische Problematik - sie betrachtet sich als geschlechtslos - nicht berücksichtigt habe. Er hat wörtlich darauf verwiesen, dass es sich bei der Klägerin "zweifelslos um ein Störungsbild außerhalb des breiten Bereichs des normalen handele". Allerdings sei schwierig festzulegen, was alles unter einer psychischen Pathologie zu subsumieren sei, wo gesellschaftliche Normsetzungen bestünden und wo eine Psychopathologie im engeren Sinne bestehe. Gerade auch in der Würdigung der "besonderen Problematik der Klägerin" ist Dr. Den. zum Schluss gelangt, dass die Leistungsfähigkeit der Klägerin ausreicht, um eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich nachzugehen.
Dr. Den. hat sich im Übrigen auch explizit und sorgfältig mit der - von der Klägerin gerade mit der Berufung betont vorgetragenen - Frage auseinandergesetzt, in wie weit die - vom Hausarzt attestierte - Sozialphobie die Klägerin an der Ausübung der Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt hindere. Er hat im psychischen Befund eine im Wesentlichen ausgeglichene Grundstimmung subdepressiv erhoben und die Klägerin in der Untersuchungssituation selbst nicht als ängstlich bei Angabe von sozialen Ängsten/sozialen Phobien und Rückzugstendenzen beschrieben. Der psychopathologische Befund zeigte keine höhergradigen Auffälligkeiten. Mit einbezogen in die Beurteilung des Leistungsvermögens der Klägerin hat Dr. Den. auch ihre schwierige Lebenssituation mit wiederholter Depressivität und das Gefühl der Klägerin, in einer falschen und feindseligen Welt zu leben und ihren Rückzugswunsch. Die Klägerin hat sich in der Untersuchungssituation Dr. Den. gegenüber jedoch als recht eloquent präsentiert und ihre Sicht der Welt deutlich gemacht. Nachvollziehbar für den Senat hat Dr. Den. auch aus den bisher erbrachten Anpassungsleistungen der Klägerin (tägliche Mitarbeit in der Pension ihrer Eltern, Umgang mit Gästen, Einkäufe, Kontakte mit Freundinnen) den Schluss gezogen, dass die Klägerin noch in der Lage ist, einer Erwerbstätigkeit in zeitlichem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich und regelmäßig nachzugehen. Mit dieser Einschätzung steht Dr. Den. im Übrigen auch im Einklang mit der Beurteilung des Leistungsvermögens der Klägerin durch Dr. Hup. in dessen Gutachten vom 16. November 2012. Ausdrücklich hat Dr. Den. nochmals in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 24. Juni 2014 mit Blick auf die hausärztliche Einschätzung der Klägerin darauf hingewiesen, dass er zwar leichtere sozial phobische Anteile, nicht jedoch eine ausgeprägte Sozialphobie festzustellen vermochte.
Soweit die Klägerin im Übrigen im Rahmen der Berufungsbegründung darauf verweist, dass sie nur unter Einnahme von Reisetabletten in der Lage sei, das Haus zu verlassen und dass sie Kontakt mit Gästen in der Pension ihrer Eltern nur habe, wenn ihre Eltern gerade verhindert seien, führt dies zu keiner anderen Einschätzung in der Hinsicht, dass der Senat nicht von einer ausgeprägten Sozialphobie der Klägerin überzeugt ist. Der Kontakt mit Dr. Den. im Rahmen der von ihm durchzuführenden Begutachtung der Klägerin war ihr möglich unter der Einnahme eines Johanniskrautpräparats; diesbezüglich hat sie Dr. Den. angegeben, dass sie lediglich gelegentlich ein solches Präparat einnehme, zuletzt am Vortag der Begutachtung. Außerdem ist unter Berücksichtigung der "Kontaktschwierigkeiten" der Klägerin als qualitative Einschränkung für den Senat nicht ersichtlich, in wie fern sie hierdurch in zeitlicher Hinsicht gehindert sein sollte, eine mindestens sechsstündige Erwerbstätigkeit ohne besonderen Kunden- oder Publikumskontakt auszuüben.
Nachdem der Senat - wie das SG - davon überzeugt ist, dass die Klägerin nicht erwerbsgemindert ist kommt es im Übrigen auf die von der Klägerin angesprochenen Frage der Therapierbarkeit nicht entscheidungserheblich an.
Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit scheidet - unabhängig vom Bestehen von Berufsschutz - bereits wegen des Alters der Klägerin aus, da sie nach dem 01.01.1961 geboren ist (§ 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI).
Aus diesen Gründen ist die Berufung zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1975 geborene Klägerin ist ausgebildete Augenoptikerin und war in diesem Beruf bis Ende des Jahres 2003 erwerbstätig. Bereits seit ihrer Kindheit konnte sich die Klägerin nicht mit ihrem - männlichen - Geschlecht identifizieren. Ihren Angaben nach empfindet sie sich als geschlechtloses Wesen, also weder als Mann noch Frau, wobei nach ihrem Empfinden die weibliche Identität der Geschlechtslosigkeit am nächsten kommt. 1998 unterzog sie sich einer operativen Geschlechtsumwandlung zur Frau. Im Jahre 2004 kehrte sie ins Elternhaus zurück und gab auch ihre Tätigkeit als Optikerin auf. Nicht von anhaltendem Erfolg waren anschließende Versuche, als Vertretung weiterhin in diesem Beruf zu arbeiten.
Seit Januar 2005 bezieht die Klägerin Arbeitslosengeld II. Ihren Angaben zufolge wurde sie eine Zeitlang von der Agentur für Arbeit als nicht vermittelbar eingestuft und "in Ruhe gelassen". Nachdem sich dies nach einem Mitarbeiterwechsel in der Agentur für Arbeit geändert hatte, ließ sie sich ab dem Jahre 2010 durchgängig vom Hausarzt krankschreiben.
Die Eltern der Klägerin betreiben eine Frühstückspension. Dort arbeitet die Klägerin mit; sie hilft in der Küche, arbeitet in den Zimmern, macht Wäsche, bereitet das Frühstück und empfängt - wenn ihre Eltern durch Abwesenheit dazu nicht in der Lage sind - Gäste.
Am 11. September 2012 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Sie gab zur Begründung an, sie halte sich seit September 2010 wegen Depressionen und einer Sozialphobie für erwerbsgemindert.
Die Beklagte ließ daraufhin die Klägerin durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Hup. begutachten. Als Diagnosen führte er in seinem nervenfachärztlichen Gutachten vom 16. November 2012 Störungen der Geschlechtsidentität (ICD-10: F 64) und Anpassungsstörungen (ICD-10: F 43.2) auf. Wenn auch die Störung der Geschlechtsidentität im internationalen Diagnoseschlüssel aufgeführt sei, handele es sich dennoch um keine Krankheit. Es bestehe eine Anpassungsstörung im Rahmen der geschlechtlichen Sonderrolle mit Schwierigkeiten im sozialen Umfeld. Eine darüber hinausgehende psychopathologische Störung mit Krankheitswert liege nicht vor. Auch wenn die Klägerin soziale Kontakte vermeiden wolle, könne ihr dennoch zugemutet werden einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Sie habe sich dafür entschieden, im elterlichen Betrieb mitzuarbeiten, was beweise, dass keine Arbeitsunfähigkeit bestehe. Eine vollschichtige Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben und auch im zuletzt ausgeübten Beruf als Augenoptikerin liege bei der Klägerin vor.
Mit Bescheid vom 10. Dezember 2012 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab, da die Klägerin die medizinischen Voraussetzungen nicht erfülle. Sie sei noch in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein.
Dagegen erhob die Klägerin am 09. Januar 2013 Widerspruch mit der Begründung, auf Grund ihrer psychischen und physischen Einschränkungen, die durch ihre Lebenssituation entstünden, sei sie noch nicht einmal in der Lage, eine Stunde täglich unter den üblichen (für sie feindlichen) Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein. Weil sie sich als geschlechtlos empfinde und gezwungen sei, in einer geschlechtlichen, für sie kaum nachvollziehbaren Gesellschaft aufzuwachsen, habe sie von klein auf mit Depressionen und starken Stimmungsschwankungen zu tun gehabt. Erst seit sie wieder zu ihren Eltern in das "schützende" Haus ihrer Kindheit zurückgegangen sei und sich - soweit es möglich sei - von dieser Welt und ihren Mitmenschen fernhalte, gehe es ihr wieder etwas besser und sie habe die Depressionen einigermaßen unter Kontrolle. Allein schon der Gedanke, erneut täglich das Haus verlassen zu müssen, reiche aus, dass es wieder schlimmer werde. Weder therapeutische Maßnahmen noch Antidepressiva hätten etwas an ihrer Lebenssituation oder Lebenseinstellung verändern können.
Mit Widerspruchsbescheid vom 07. Mai 2013 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 23. Mai 2013 vor dem Sozialgericht (SG) Reutlingen Klage erhoben und vorgetragen, ihre behandelnden Ärzte sowie die Ärztin der Agentur für Arbeit gingen davon aus, dass aufgrund der schwerwiegenden psychischen Minderbelastbarkeit eine Beschäftigung auf dem Arbeitsmarkt zu den üblichen Bedingungen nicht erfolgen könne.
Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten.
Das SG hat zunächst bei den behandelnden Ärzten sachverständige Zeugenauskünfte eingeholt. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. Wä. hat ausgeführt, aufgrund der ausgeprägten Sozialphobie halte er es für unmöglich, das die Klägerin auch nur leichte Tätigkeiten für sechs Stunden pro Tag verrichte. Die psychologische Psychotherapeutin Beg. hat mitgeteilt, die Klägerin leide unter einer schweren Identifikationsstörung. Sie fühle sich weder als Mann, noch als Frau und wünsche ohne Geschlecht zu sein. Sie habe eine Fassade als Selbstwertschutz aufgebaut, sei dabei depressiv und ohne Zukunftsperspektiven. Die ambulante Therapie habe daran nichts ändern können. Sie wolle sich auf das häusliche Umfeld zurückziehen können. Sie (die Therapeutin) habe die Therapie nicht verlängern wollen.
Das SG hat sodann bei Dr. Den. ein psychiatrisches Gutachten eingeholt. In seinem Gutachten vom 22. Februar 2014 hat Dr. Den. eine abnorme Persönlichkeitsentwicklung mit Depressivität, sozial phobischen Anteilen und narzisstischen Anteilen sowie eine Störung der Geschlechtsidentität, nicht näher bezeichnet diagnostiziert. Zu ihrem Alltag habe die Klägerin geäußert, dass sie in der Familienpension tätig sei, hier verschiedene Aufgaben erledige. Fragen im Hinblick auf die in den Akten vermerkte soziale Phobie habe sie dahingehend beantwortet, dass sie einen Modus gefunden habe, um mit den Gästen umzugehen, dass ein solcher Kontakt für sie weniger anstrengend sei als der Kontakt mit Kunden (als Optikerin). Sie habe eingeräumt, auch Telefon- bzw. Rezeptionsdienst zu verrichten und "Smalltalk" mit Gästen zu führen. Das Zusammensein mit Menschen strenge sie jedoch an und sie habe ihre Auffassung von einer feindseligen, bisher geschlechtlich besessenen Umwelt wiederholt. Kontakte außerhalb ihres familiären Kreises versuche sie nach Möglichkeit zu vermeiden. Kontakt habe sie nur noch mit zwei Freundinnen. Der psychopathologische Befund habe keine höhergradigen Auffälligkeiten gezeigt. Die schwierige Lebenssituation mit wiederholter Depressivität, dem Gefühl, in einer falschen und feindseligen Welt zu leben sowie die Wünsche nach Rückzug seien deutlich geworden. In der Untersuchung selbst habe sich keine höhergradige Ängstlichkeit oder Depressivität gezeigt. Auch wenn davon auszugehen sei, dass höhergradige psychische Störungen im engeren Sinne nicht bestünden, gerade weil die Klägerin derzeit einen Weg gefunden habe, um ihre Bedürfnisse zu leben und es eventuell zu einer psychopathologischen Verschlechterung kommen könne, wenn sie gezwungen wäre, einer - ungeliebten - Erwerbstätigkeit nachzugehen oder ihren heimischen "Kokon" zu verlassen, sei es so, dass solche Störungen nicht vorlägen und auch in der Vergangenheit nicht vorgelegen hätten. Zu der seitens des Hausarztes angegebenen sozialen Phobie sei zu sagen, dass Rückzugstendenzen und sozial phobische Verhaltensweisen zwar erkennbar seien, dass aber keine soziale Phobie im engeren Sinne bestehe. Jedenfalls sei bei der Klägerin keine unüberwindbare oder sehr ausgeprägte phobische Symptomatik erkennbar. Qualitative Einschränkungen der beruflichen Leistungsfähigkeit lägen nicht vor. Angesichts der Neigung der Klägerin zu einem Rückzug von Menschen, habe sie in der Vergangenheit und auch jetzt im häuslichen Umfeld eine ausreichende Anpassungsleistung gezeigt. Wegen des erlebten Andersseins komme es neben Rückzug von Menschen auch immer wieder zu Depressivität, die nach ärztlichem Urteil als leicht- bis mittelgradig einzustufen sei. Auch bei Anerkennung der besonderen Problematik der Klägerin sei festzuhalten, dass die Leistungsfähigkeit ausreiche, um Erwerbstätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich nachzugehen.
Die Klägerin hat sich in ihrer Stellungnahme vom 19. März 2014 mit dem Gutachten von Dr. Den. auseinandergesetzt und ihre Bevollmächtigte hat zu dem Gutachten ausgeführt, es werde nicht für überzeugend gehalten, weil es nicht schlüssig sei.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 24. Juni 2014 hat sich Dr. Den. mit den Stellungnahmen der Klägerin und ihrer Bevollmächtigten auseinandergesetzt. Der Umstand, dass er zum Gutachten von Dr. Hup. angemerkt habe, dass er nicht wie dieser keine Krankheit bei der Klägerin erkennen könne, bedeute nicht automatisch, dass die Voraussetzungen für eine Berentung vorlägen. Es sei ihm bekannt gewesen, dass Hausarzt Dr. Wä. die Erwerbsfähigkeit der Klägerin auf unter sechs Stunden eingestuft habe. Er teile aber dessen Diagnose einer ausgeprägten sozialen Phobie nicht. Zutreffend sei, dass er leichtere soziale phobische Anteile bei der Klägerin gesehen habe. Er habe den Eindruck, dass er recht sorgfältig und genau das während der Begutachtung Gesprochene in seinem Gutachten inhaltlich wiedergegeben habe.
Mit Urteil vom 20. August 2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat hierbei die Auffassung vertreten, dass bei der Klägerin die Voraussetzungen für eine Rente wegen voller (bzw. teilweiser) Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 1 und 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht vorliegen würden. Die Klägerin sei vielmehr nach Überzeugung des SG im gesamten streitigen Zeitraum seit der Antragstellung bis zur Entscheidung des Gerichts noch in der Lage gewesen, mindestens sechs Stunden täglich einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Das SG hat sich hierbei insbesondere auf das im Klageverfahren eingeholte Sachverständigengutachten von Dr. Den. und auch auf das im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten von Dr. Hup. gestützt. Es hat darauf verwiesen, dass diese beiden Gutachter übereinstimmend der Auffassung gewesen seien, dass der Klägerin zumindest noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich verrichten könne. Dr. Den. habe überzeugend festgestellt, dass die Klägerin zwar zu einem Rückzug von Menschen neige, da sie ihre Umgebung generell oder zumindest überwiegend als anders und feindselig erlebe. Sie habe jedoch in der Vergangenheit und auch aktuell im häuslichen Umfeld eine ausreichende Anpassungsleistung gezeigt. Ohne maßgebende Bedeutung sei, dass Dr. Den. und Dr. Hup. hinsichtlich der Diagnose zu einer anderen Beurteilung gelangt seien. Für die Beurteilung des Leistungsvermögens stelle die Diagnose nicht das wesentliche Kriterium dar, wobei insbesondere bei Gesundheitsstörungen auf nervenärztlichem Gebiet (und gerade bei einem Mischbild nach länger dauernder Kranken- und Vorgeschichte) diese häufig nicht exakt zu stellen seien. Maßgeblich seien vielmehr die vorliegenden Funktionseinschränkungen.
Die Klägerin hat gegen das ihren Bevollmächtigten gegen Empfangsbekenntnis am 27. August 2014 zugestellte Urteil am 26. September 2014 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Zur Begründung macht sie geltend, das SG gehe zu Unrecht davon aus, dass das Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht auf ein Maß von weniger als sechs Stunden täglich ab Rentenantragstellung herabgesunken sei. Das Gutachten von Dr. Den. sei widersprüchlich und unschlüssig; es sei keine geeignete Grundlage für eine gerichtliche Entscheidung. Die Klägerin stelle ganz offenkundig einen Fall dar, der bei dem Sachverständigen bisher noch nicht aufgetreten sei. Die Klägerin betrachte sich als geschlechtslos, was jedoch in der hiesigen Gesellschaft nicht akzeptiert werde. Soweit Dr. Den. davon ausgehe, dass hier eine Therapierbarkeit gegeben sei, müsse er sich schon fragen lassen, wie sich diese wohl gestalten könne. Die Klägerin habe eine ausgesprochene Sozialphobie entwickelt, die sich gravierend bei menschlichen Kontakten außerhalb des elterlichen Wohnbereichs zeige.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 20. August 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10. Dezember 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07. Mai 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab Antragstellung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie beruft sich zur Begründung auf das ergangene Urteil.
Mit Schreiben vom 01. April 2015 wurden die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Zurückweisung der Berufung auch ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss hingewiesen, sofern der Senat sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Den Beteiligten wurde Gelegenheit gegeben, hierzu Stellung zu nehmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligen werde auf die Verwaltungsakten der Beklagten (drei Bände) sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 Abs. 1, Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, unter Beachtung der maßgeblichen form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und 3 SGG) eingelegte zulässig Berufung nach Anhörung der Beteiligten, die für den Senat keinen Anlass zu einem anderen Verfahren ergeben hat, gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen. Das SG hat zutreffend in Darstellung der hier maßgeblichen gesetzlichen Normen sowie Prüfung und Würdigung der vorliegenden Gutachten und ärztlichen Auskünfte in nicht zu beanstandender Weise die medizinischen Voraussetzungen für eine Rente wegen voller und auch teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI verneint. Hierauf nimmt der Senat Bezug und sieht von der weiteren Darstellung ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend wird noch folgendes ausgeführt: Auch der Senat ist - wie das SG - davon überzeugt, dass insbesondere Dr. Den. in seinem Gutachten vom 22. Februar 2014 eine zutreffende Beurteilung des Leistungsvermögens der Klägerin ausgehend von ihren Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet vorgenommen hat. Er hat nach umfassender Aktenauswertung, Anamneseerhebung und Untersuchung der Klägerin nachvollziehbar die Diagnosen einer abnormen Persönlichkeitsentwicklung mit Depressivität, sozial phobischen Anteilen und narzisstischen Anteilen sowie eine Störung der Geschlechtsidentität gestellt. Überzeugend hat er allerdings die Leistungsfähigkeit der Klägerin im Hinblick auf eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich angesiedelt.
Dass vorliegend im Rahmen der den Senat treffenden Pflicht zur Amtsermittlung (§ 103 SGG) eine weitere Aufklärung der entscheidungserheblichen Tatsachen in medizinischer Hinsicht zur Prüfung des Vorliegens der Erwerbsminderung hätte vorgenommen werden müssen, sieht der Senat nicht so. Das SG ist seiner Pflicht der umfassenden Aufklärung des Sachverhalts nachgekommen. Es hat die von der Klägerin benannten Behandler (Hausarzt Dr. Wä., Psychotherapeutin Beg.) als sachverständige Zeugen schriftlich befragt (vgl. deren Auskünfte vom 23. Juli 2013 und 20 August 2013) und ein Sachverständigengutachten bei dem Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Den. eingeholt. Neue Tatsachen bzw. Gesichtspunkte, die im Rahmen des Berufungsverfahrens zu einer weiteren Sachaufklärung im Rahmen der Amtsermittlungspflichten Veranlassung gegeben hätten, gibt es nicht. Im Übrigen wurde insofern der Klägerin seitens des Gerichts mit gerichtlicher Verfügung vom 17. Februar 2015 die Gelegenheit eingeräumt, gemäß § 109 SGG einen von der Klägerin zu bestimmenden Arzt gutachtlich zu hören. Binnen der hierfür gesetzten Frist bis 30. März 2015 wurde ein solcher Antrag nicht gestellt.
Nicht nachvollziehbar ist für den Senat auch die Auffassung der Klägerin, dass Dr. Den. im Rahmen der Begutachtung der Klägerin und Beurteilung ihres Leistungsvermögens die spezifische Problematik - sie betrachtet sich als geschlechtslos - nicht berücksichtigt habe. Er hat wörtlich darauf verwiesen, dass es sich bei der Klägerin "zweifelslos um ein Störungsbild außerhalb des breiten Bereichs des normalen handele". Allerdings sei schwierig festzulegen, was alles unter einer psychischen Pathologie zu subsumieren sei, wo gesellschaftliche Normsetzungen bestünden und wo eine Psychopathologie im engeren Sinne bestehe. Gerade auch in der Würdigung der "besonderen Problematik der Klägerin" ist Dr. Den. zum Schluss gelangt, dass die Leistungsfähigkeit der Klägerin ausreicht, um eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich nachzugehen.
Dr. Den. hat sich im Übrigen auch explizit und sorgfältig mit der - von der Klägerin gerade mit der Berufung betont vorgetragenen - Frage auseinandergesetzt, in wie weit die - vom Hausarzt attestierte - Sozialphobie die Klägerin an der Ausübung der Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt hindere. Er hat im psychischen Befund eine im Wesentlichen ausgeglichene Grundstimmung subdepressiv erhoben und die Klägerin in der Untersuchungssituation selbst nicht als ängstlich bei Angabe von sozialen Ängsten/sozialen Phobien und Rückzugstendenzen beschrieben. Der psychopathologische Befund zeigte keine höhergradigen Auffälligkeiten. Mit einbezogen in die Beurteilung des Leistungsvermögens der Klägerin hat Dr. Den. auch ihre schwierige Lebenssituation mit wiederholter Depressivität und das Gefühl der Klägerin, in einer falschen und feindseligen Welt zu leben und ihren Rückzugswunsch. Die Klägerin hat sich in der Untersuchungssituation Dr. Den. gegenüber jedoch als recht eloquent präsentiert und ihre Sicht der Welt deutlich gemacht. Nachvollziehbar für den Senat hat Dr. Den. auch aus den bisher erbrachten Anpassungsleistungen der Klägerin (tägliche Mitarbeit in der Pension ihrer Eltern, Umgang mit Gästen, Einkäufe, Kontakte mit Freundinnen) den Schluss gezogen, dass die Klägerin noch in der Lage ist, einer Erwerbstätigkeit in zeitlichem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich und regelmäßig nachzugehen. Mit dieser Einschätzung steht Dr. Den. im Übrigen auch im Einklang mit der Beurteilung des Leistungsvermögens der Klägerin durch Dr. Hup. in dessen Gutachten vom 16. November 2012. Ausdrücklich hat Dr. Den. nochmals in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 24. Juni 2014 mit Blick auf die hausärztliche Einschätzung der Klägerin darauf hingewiesen, dass er zwar leichtere sozial phobische Anteile, nicht jedoch eine ausgeprägte Sozialphobie festzustellen vermochte.
Soweit die Klägerin im Übrigen im Rahmen der Berufungsbegründung darauf verweist, dass sie nur unter Einnahme von Reisetabletten in der Lage sei, das Haus zu verlassen und dass sie Kontakt mit Gästen in der Pension ihrer Eltern nur habe, wenn ihre Eltern gerade verhindert seien, führt dies zu keiner anderen Einschätzung in der Hinsicht, dass der Senat nicht von einer ausgeprägten Sozialphobie der Klägerin überzeugt ist. Der Kontakt mit Dr. Den. im Rahmen der von ihm durchzuführenden Begutachtung der Klägerin war ihr möglich unter der Einnahme eines Johanniskrautpräparats; diesbezüglich hat sie Dr. Den. angegeben, dass sie lediglich gelegentlich ein solches Präparat einnehme, zuletzt am Vortag der Begutachtung. Außerdem ist unter Berücksichtigung der "Kontaktschwierigkeiten" der Klägerin als qualitative Einschränkung für den Senat nicht ersichtlich, in wie fern sie hierdurch in zeitlicher Hinsicht gehindert sein sollte, eine mindestens sechsstündige Erwerbstätigkeit ohne besonderen Kunden- oder Publikumskontakt auszuüben.
Nachdem der Senat - wie das SG - davon überzeugt ist, dass die Klägerin nicht erwerbsgemindert ist kommt es im Übrigen auf die von der Klägerin angesprochenen Frage der Therapierbarkeit nicht entscheidungserheblich an.
Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit scheidet - unabhängig vom Bestehen von Berufsschutz - bereits wegen des Alters der Klägerin aus, da sie nach dem 01.01.1961 geboren ist (§ 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI).
Aus diesen Gründen ist die Berufung zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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