Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 25 R 6000/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 5218/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 27. Oktober 2011 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Der endgültige Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger zur Entrichtung von Nachversicherungsbeiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung zugunsten des Beigeladenen verpflichtet ist.
Der 1942 geborene Beigeladene war zuletzt Universitätsprofessor an der Universität Köln und war zum Ende des Monats März 2009 in den Ruhestand versetzt worden. Am 29.10.2009 beantragte er bei der Beklagten die Gewährung einer Regelaltersrente wegen Vollendung des 65. Lebensjahres. Der Beigeladene war am 04.04.1967 in den Schuldienst des Landes Baden-Württemberg eingestellt und mit Aushändigung der Ernennungsurkunde unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Hauptlehrer zur Anstellung ernannt worden und der Sonderschule für Lernbehinderte in M. zugewiesen worden. Mit Verfügung vom 04.09.1969 wurde der Beigeladene auf dessen Antrag vom 25.08.1969 aus dem baden-württembergischen Landesdienst entlassen. Ihm gegenüber kündigte die Klägerin an, dass für die Zeit der Verwendung im baden-württembergischen Landesdienst eine Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung der Angestellten erfolgen werde. Die Entlassungsverfügung nahm der Kläger am 18.09.1969 in Empfang. Nach eigenen Angaben war der Beigeladene in der Zeit vom 22.04.1968 bis 30.07.1969 wegen eines Studiums am Institut für Sozialpädagogik in Reutlingen beurlaubt. In der Zeit vom 01.09.1969 bis 30.09.1970 war der Beigeladene wissenschaftlicher Assistent im Rahmen eines Angestelltenverhältnisses zur Universität Tübingen. Mit Verfügung vom 12.12.1970 wurde der Beigeladene durch Verfügung des Oberschulamtes Nord-Württemberg unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Sonderschullehrer zur Anstellung ernannt und mit Aushändigung der Ernennungsurkunde zur Übernahme eines Lehrauftrages an einer Privatschule unter Fortfall der Dienstbezüge bis zum 31.07.1975 beurlaubt. Schließlich wurde der Beigeladene auf eigenen Antrag mit Verfügung vom 31.08.1972 des Oberschulamtes Nordwürttemberg, die ihm am 17.10.1972 ausgehändigt wurde, aus dem Landesdienst entlassen. Der Beigeladene wurde darauf hingewiesen, dass nach § 9 AVG (Angestelltenversicherungsgesetz) die Beiträge zur Angestelltenversicherung (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile) für die Zeit der Verwendung im Schuldienst aus der Staatskasse nachzuentrichten seien. Die Nachversicherung könne unter den in § 125 AVG näher bestimmten Voraussetzungen aufgeschoben werden. Von der Beklagten sind im Versicherungsverlauf des Beigeladenen vom 19.11.2009 für die Zeit vom 01.09.1969 bis 05.04.1974 Pflichtversicherungszeiten aufgrund abhängiger Beschäftigung vermerkt ...T im weiteren Verlauf fort. Er promovierte dort am 21.08.1978 und war sodann wissenschaftlicher Assistent an der Universität W ... Nach seiner Habilitation wurde ihm am 28.02.1985 die Lehrbefugnis an der Universität W. erteilt. Am 01.05.1985 übernahm er eine Professur an der Universität Augsburg. Bis zum Eintritt in den Ruhestand war er an der Universität zu Köln als Universitätsprofessor tätig.
Nach dem - unversorgten - Ausscheiden des Beigeladenen aus dem Beamtenverhältnis auf Probe versäumte es der Kläger, eine Nachversicherungs- oder Aufschubbescheinigung zu erteilen.
Im Rahmen der Kontenklärung nach dem gestellten Rentenantrag wandte sich die Beklagte an den Kläger zur Klärung der Nachversicherung. Mit Schreiben vom 16.08.2010 machte der Kläger die Einrede der Verjährung gem. § 25 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) geltend.
Mit Bescheid vom 02.09.2010 forderte die Beklagte den Kläger auf, die Nachversicherungsbeiträge für die Zeit vom 04.04.1967 bis 17.09.1969 zu entrichten. Die Nachversicherungsvoraussetzungen seien am 17.09.1969 eingetreten gewesen. Die Beiträge seien jedoch nicht gezahlt worden. Die erhobene Einrede der Verjährung verstoße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben.
Am 24.09.2010 hat der Kläger hiergegen Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und weiterhin geltend gemacht, die Ansprüche auf Nachversicherungsbeiträge seien verjährt. Die Auffassung der Beklagten, die Erhebung der Verjährungseinrede verstoße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, sei falsch. Die Erhebung der Verjährungseinrede sei nicht rechtsmissbräuchlich. Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung könne nur gegenüber einem wirklich groben Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben durchgreifen. Das unabsichtliche Unterlassen der Nachversicherung stelle keinen groben Verstoß gegen Treu und Glauben dar, welcher den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung begründen könnte. Die bloße Untätigkeit des klagenden Landes sei nicht geeignet, die Verwirkung der Verjährungseinrede aufgrund widersprüchlichen Verhaltens zu begründen. Auch fehle es hinsichtlich der Verletzung der Pflicht zur Durchführung der Nachversicherung an einem hinreichenden Bezug zur Verjährungseinrede. Die Pflichtverletzung habe die Erhebung der Verjährungseinrede weder ermöglicht noch erleichtert, sodass diese Pflichtverletzung die Wertung der Erhebung der Verjährungseinrede als unzulässige Rechtsausübung nicht rechtfertigen könne.
Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten. Sie hat ausgeführt, dass unbestritten sei, dass die Forderung der Deutschen Rentenversicherung Bund auf Zahlung der Nachversicherungsbeiträge verjährt sei, weil die Fälligkeit länger als 30 Jahre zurückliege. Es gehe mithin nur um die Frage der Rechtsmissbräuchlichkeit der Verjährungseinrede. Hierfür sei das Gläubiger-Schuldner-Verhältnis maßgebend. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung verstoße die Verjährungseinrede gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, wenn der Verpflichtete (der Nachversicherungsschuldner) den Berechtigten (den Rentenversicherungsträger) durch sein Verhalten von der rechtzeitigen Geltendmachung des Anspruchs abgehalten habe. Die Verjährungseinrede sei im Ergebnis rechtsmissbräuchlich, wenn der Nachversicherungsschuldner innerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist weder eine Aufschub- noch eine Nachversicherungsbescheinigung erteilt habe, er also den Rentenversicherungsträger nicht über das unversorgte Ausscheiden aus dem versicherungsfreien Beschäftigungsverhältnis informiert und ihn damit von der rechtzeitigen Geltendmachung des Anspruches abgehalten habe. Der Kläger sei mit Ausscheiden des Versicherten grundsätzlich verpflichtet gewesen, die Nachversicherung durchzuführen. Nur für den Fall des Aufschubs der Nachversicherung nach § 125 Abs. 1 AVG hätte keine sofortige Verpflichtung zur Beitragsentrichtung bestanden. Weil vom Kläger keine Aufschubbescheinigung erteilt worden sei, seien die Nachversicherungsbeträge bereits am 18.09.1969 fällig gewesen. Ferner sei die Einrede der Verjährung dann unzulässig, wenn der Schuldner den Gläubiger von verjährungsunterbrechenden oder -hemmenden Handlungen abgehalten habe. Ein solches Verhalten sei dem Kläger auch hier vorzuwerfen.
Mit Urteil vom 27.10.2011 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 02.09.2010 aufgehoben und zur Begründung ausgeführt, dass die Beklagte zwar einen Anspruch auf Nachversicherungsbeiträge für den Beigeladenen habe, was zwischen den Beteiligten auch ausdrücklich unstreitig sei, die Erhebung der Verjährungseinrede verstoße aber nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Es hat unter Bezugnahme auf Urteile des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg und des Bundessozialgerichts (BSG) ausgeführt, dass die Verjährung nicht nur dem Schuldnerschutz, sondern vor allem dem öffentlichen Interesse an einer abschließenden und endgültigen Schaffung von Rechtsfrieden und Rechtssicherheit diene. Die Erhebung der Verjährungseinrede sei an sich nicht rechtsmissbräuchlich, sondern eine gesetzlich vorgesehene Einrede. Der Zweck des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit des Rechtsverkehrs gebiete es, strenge Maßstäbe anzulegen und den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung nur gegenüber einem wirklich groben Verstoß gegen Treu und Glauben durchgreifen zu lassen. Die Berufung auf Verjährung werde daher grundsätzlich nur als unzulässige Rechtsausübung angesehen, wenn der Verpflichtete den Berechtigten, wenn auch unabsichtlich, durch sein Verhalten von der rechtzeitigen Geltendmachung des Anspruches abgehalten habe. Die Erhebung der Verjährungseinrede sei rechtsmissbräuchlich, wenn der Gläubiger im Vertrauen auf ein konkretes, ihm gegenüber an den Tag gelegtes Verhalten des Beitragsschuldners die Ansprüche nicht innerhalb der Verjährungsfrist verfolgt habe. Es sei allein maßgeblich, ob im Verhältnis des Klägers zum Beklagten ein Verstoß gegen Treu und Glauben vorliege. Die bloße Untätigkeit des Klägers, der die Nachversicherungsbeiträge trotz Fälligkeit nicht gezahlt habe, führe vorliegend nicht zur Rechtsmissbräuchlichkeit der Einrede der Verjährung. Dies würde nur dann in Betracht kommen, wenn eine Rechtspflicht zum Handeln bestanden und das Unterlassen einem aktiven Verhalten eines Gläubigers derart entsprochen hätte, dass das Unterlassen ebenfalls einen "wirklich groben Verstoß" darstelle. Zwar sei der Kläger mit Ausscheiden des Beigeladenen aus dem Dienst grundsätzlich verpflichtet gewesen, die Nachversicherung durchzuführen und nur für den Fall des Aufschubs der Nachversicherung habe keine sofortige Verpflichtung des vormaligen Arbeitgebers bzw. Dienstherren zur Beitragsentrichtung bestanden. In diesem Fall sei er jedoch nach § 125 Abs. 4 AVG (Angestelltenversicherungsgesetz) verpflichtet gewesen, sowohl dem unversorgt Ausgeschiedenen als auch dem zuständigen Rentenversicherungsträger eine Bescheinigung über die Nachversicherungszeiten und das gewährte Entgelt gegenüber dem Versicherungsträger unter Angabe des neuen Arbeitgebers zu erteilen. Dieser Verpflichtung sei der Kläger unzweifelhaft nicht nachgekommen. Ein einem aktiven Abhalten von der Geltendmachung der Nachversicherungsforderung entsprechendes Unterlassen liege jedoch nicht vor, denn es handele sich um keine weitere Pflichtverletzung als die Primärpflicht, die Beiträge für die Nachversicherung an die Beklagte zu leisten. Allein das Unterlassen stelle jedoch gegenüber der Beklagten keinen derart wirklich groben Verstoß dar, sondern sei der Regelfall des § 25 SGB IV, für den eine Verjährung in Betracht komme.
Gegen das ihr am 04.11.2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 21.11.2011 Berufung eingelegt.
Auf den übereinstimmenden Antrag der Beteiligten hat der Senat mit Beschluss vom 27.02.2012 das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Am 17.12.2012 hat die Beklagte den Rechtsstreit wieder angerufen und die Auffassung vertreten, sie sehe sich nach dem Urteil des BSG vom 27.06.2012 (B 5 R 88/11 R) in ihrer Auffassung bestätigt, dass die Erhebung der Einrede der Verjährung durch den Kläger gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoße und daher rechtsunwirksam sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 27. Oktober 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Der Kläger wertet die Entscheidung des BSG als Einzelfallentscheidung. Es sei nicht nachvollziehbar, wie bei der 30-jährigen Verjährungsfrist, die gerade auch bei vorsätzlichem Vorenthalten der Beiträge eingreifen soll, die Anwendung des Rechtsinstituts von Treu und Glauben mit der Begründung durchgreifen könne, die rentenrechtliche Nachversicherungspflicht sei verletzt worden. Diese Verletzung sei der Vorschrift gerade immanent. Mit diesem Widerspruch setze sich das BSG nicht auseinander, die Vorschrift des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV werde nicht einmal ausdrücklich erwähnt. Nach der zitierten Kommentarliteratur gelte die 30-jährige Verjährung auch unabhängig davon, ob der Sozialversicherungsträger Kenntnis von der versicherungspflichtigen Beschäftigung und deren Beitragspflicht hatte oder nicht. Der Gesetzgeber habe den Rechtsfrieden und die Rechtssicherheit über das Interesse an der Durchsetzung eines Anspruches, der geraume Zeit nicht geltend gemacht worden sei, gestellt. Hintergrund dieser Wertung im öffentlichen Recht sei nicht zuletzt auch das Interesse eines öffentlichen Schuldners an einer planbaren und möglichst zeitnahen Belastung seines öffentlichen Haushalts. Auch hierzu stehe der Einwand von Treu und Glauben mit der einfachen Begründung einer Primärpflichtverletzung in deutlichem Widerspruch.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten der Beteiligten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie bedarf auch nicht der Zulassung. Denn bei dem Streit um die Durchführung der Nachversicherung zu Gunsten des Beigeladenen handelt es sich nicht um eine Erstattungsstreitigkeit im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden. Das Bundessozialgericht (BSG) hat in seinem Urteil vom 24.05.2006 (B 3 KR 15/05 R, in Juris) die Auffassung vertreten, und dieser schließt sich der Senat an, dass der Begriff "Erstattungsstreitigkeit" als Ausnahme nicht weit, sondern eng auszulegen ist und daher nicht jeglichen Geldaustausch zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden umfasst, sondern nur Forderungen, die auf Erstattung von Kosten gerichtet sind. Es muss sich - so das BSG - in jedem Fall um einen Streit handeln, in dem es um den Ausgleich von Kosten geht, die der Kläger gehabt hat. Hiervon ist jedoch bei einem Streit um die Durchführung der Nachversicherung nicht auszugehen. Dieser ist kein Streit, der den wirtschaftlichen Ausgleich zwischen Versicherungsträgern betrifft und sich damit befasst, den erstattungsberechtigten Leistungsträger so zu stellen, wie er stehen würde, hätte er nicht gleistet. Im Hinblick auf die mit Bescheid vom 04.10.2010 dem Beigeladenen gewährte Regelaltersrente erbringt die Beklagte an den Beigeladenen gerade keine Leistungen, die möglicherweise vom Kläger zu erstatten wären, weil der dem Beigeladenen gewährten Altersrente gerade die den Gegenstand des Nachversicherungsstreits bildenden Beiträge nicht zu Grunde liegen.
Die Berufung ist auch begründet. Der angefochtene Bescheid erweist sich im Hinblick darauf, dass die Einrede der Verjährung gegen die Grundsätze von Treu und Glauben nach § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verstößt, als rechtmäßig. Das Sozialgericht hat der Klage daher zu Unrecht stattgegeben.
Die Klage war zulässig, insbesondere bedurfte es nicht der Durchführung eines Vorverfahrens nach § 78 SGG. Denn nach § 78 Abs. 1 Nr. 3 SGG bedarf es vor Erhebung der Anfechtungsklage keines besonderen Widerspruchsverfahrens, um die Recht- und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsaktes nachzuprüfen, wenn ein Land klagen will.
Für die Vollziehung der Nachversicherung hat die Beklagte zu Recht die Handlungsform des Verwaltungsaktes gewählt. Sie ist auch gegenüber einem öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber möglich, weil dieser bei der Nachversicherung keine anderen Aufgaben wahrnimmt als andere Arbeitgeber auch (vgl. BSG, Urteil vom 29.11.2007, B 13 R 48/06 R, in Juris).
Der Verwaltungsakt ist auch nicht aus formellen Gründen rechtswidrig. Insbesondere hat die Beklagte den Kläger vor Erlass des Verwaltungsaktes mit der Aufforderung, die Nachversicherung durchzuführen (Schreiben vom 27.04.2010), zu den entscheidungserheblichen Umständen und Tatsachen gehört (§ 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch).
Die Berufung ist auch in der Sache begründet. Das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Der Bescheid vom 02.09.2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat zu Recht Nachversicherungsbeiträge für die Nachversicherung des Beigeladenen für den Zeitraum 04.04.1967 bis 17.09.1969 erhoben. Die Einrede der Verjährung durch den Kläger ist rechtsmissbräuchlich und stellt eine unzulässige Rechtsausübung dar.
Gemäß § 233 Abs. 1 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) werden Personen, die vor dem 1. Januar 1992 aus einer Beschäftigung ausgeschieden sind, in der sie nach dem jeweils geltenden, den §§ 5 Abs. 1, 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 230 Abs. 1 Nr. 1 und 3 oder § 231 Abs. 1 Satz 1 sinngemäß entsprechenden Recht nicht versicherungspflichtig, versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit waren, weiterhin nach den bisherigen Vorschriften nachversichert, wenn sie ohne Anspruch oder Anwartschaft auf Versorgung aus der Beschäftigung ausgeschieden sind. § 233 Abs. 1 Satz 1 SGB VI ist eine Übergangsregelung zu § 8 SGB VI. Sie beruht auf dem allgemeinen Grundsatz des Sozialversicherungsrechts, dass die im Zeitpunkt des unversorgten Ausscheidens aus dem versicherungsfreien Beschäftigungsverhältnis geltenden Vorschriften maßgeblich dafür sind, ob damit eine Verpflichtung zur Nachversicherung eingetreten ist (Gürtner in Kasseler Kommentar, Stand Dezember 2014, § 233 SGB VI, Rn. 2 f.). Hinsichtlich der Durchführung der Nachversicherung ist das ab 01.01.1992 geltende Recht maßgeblich. Dies betrifft die Berechnung, Zahlung und Tragung der Nachversicherungsbeiträge. Denn nach § 277 SGB VI richtet sich die Durchführung der Nachversicherung von Personen, die vor dem 1. Januar 1992 aus einer nachversicherungspflichtigen Beschäftigung ausgeschieden sind oder ihren Anspruch auf Versorgung verloren haben und bis zum 31. Dezember 1991 nicht nachversichert worden sind, nach den vom 01.01.1992 an geltenden Vorschriften, soweit nicht nach Vorschriften außerhalb des SGB VI anstelle einer Zahlung von Beiträgen für die Nachversicherung eine Erstattung der Aufwendungen aus der Nachversicherung vorgesehen ist (Satz 1).
Der beigeladene Versicherte übte vom 04.04.1967 bis 17.09.1969 eine versicherungsfreie Tätigkeit aus. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 AVG waren Beamte des Bundes, der Länder, der Gemeindeverbände, der Gemeinden, der Träger der Sozialversicherung usw. solange sie lediglich für ihren Beruf ausgebildet werden, versicherungsfrei. Für den Fall des unversorgten Ausscheidens aus einer versicherungsfreien Beschäftigung nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 AVG bestimmt § 9 Abs. 1 AVG, dass die Personen für die Zeit, in der sie sonst in der Rentenversicherung der Angestellten versicherungspflichtig gewesen wären, nachzuversichern sind. Der Beigeladene ist am 18.09.1969 unversorgt aus dem versicherungsfreien Beamtenverhältnis ausgeschieden, sodass die Versicherungsfreiheit beendet war und die Nachversicherung durchzuführen war.
Der Nachversicherungsfall ist am 18.09.1969 eingetreten, da auch ein Aufschubgrund nicht vorlag und der Kläger über einen solchen Aufschubtatbestand nicht entschieden hatte. Bei einem Ausscheiden aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung vor dem 01.01.1992 bleiben nach § 233 Abs. 1 SGB VI die Aufschubgründe des derzeitigen Rechts maßgebend (Fink in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 277, Rn. 10). Die Nachentrichtung von Beiträgen war u. a. nach § 125 Abs. 1 Buchstabe b AVG aufgeschoben, solange die versicherungsfreie Beschäftigung nur vorübergehend unterbrochen wird. Eine solche vorübergehende Unterbrechung lag mit der Aufnahme der versicherungspflichtigen Beschäftigungen als wissenschaftlicher Assistent im Angestelltenverhältnis ab 01.09.1969 und der Beschäftigung als Lehrer im Privatschuldienst ab 23.12.1970 (mit einer beabsichtigten Tätigkeit bis 31.07.1975, vgl. Bl. 17 der Akten des Klägers) schon nicht vor. Voraussetzung für die Annahme einer vorübergehenden Unterbrechung nach § 125 Abs. 1 Buchstabe b) AVG wäre aber zudem, dass Arbeitgeber und Beschäftigter sich bereits zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Beamtenverhältnis rechtsverbindlich über die Fortsetzung der Beschäftigung verständigt haben (vgl. BSG, Urteil vom 27.04.1982, 1 RA 33/81 in SozR 2200 § 1403 Nr. 4). Der vorübergehende Charakter muss mit großer Sicherheit feststehen (BSG, Urteil vom 30.06.1983, 11 RA 34/82 in SozR 5750 Art. 2 § 3 Nr. 5). Der Tatbestand der vorübergehenden Unterbrechung einer versicherungsfreien Beschäftigung verlangt daher einen objektivierten Rückkehrwillen des Beschäftigten sowie die Absicht des Dienstherren, das Beschäftigungsverhältnis nach der Unterbrechung fortzusetzen. Für beide Umstände fehlt es hier aber sowohl an Anhaltspunkten als auch an Nachweisen, jedenfalls aber an der Vorlage einer rechtsverbindlichen Verständigung über die Fortsetzung der Beschäftigung.
Denn gemäß § 125 Abs. 3 AVG (jetzt: § 184 Abs. 3 SGB VI) entscheiden die Arbeitgeber über den Aufschub der Beitragszahlung. Die somit in der Form der Aufschubbescheinigung (§ 125 Abs. 3 AVG bzw. § 184 Abs. 4 SGB VI) unverzüglich nach dem Ausscheiden des Beschäftigten zu treffende (BSG, Urteil vom 29.07.1997, 4 RA 107/95 in SozR 3-2600 § 8 Nr. 4) Aufschubentscheidung ist notwendige Voraussetzung dafür, dass die Rentenversicherungsträger (und die Sozialgerichtsbarkeit) das Vorliegen von Aufschubgründen prüfen müssen oder dürfen (ständige Rechtsprechung des BSG, BSG, a.a.O. m.w.N.). Insbesondere tritt der "Aufschub" nicht bereits dann ein, wenn die gesetzlichen Tatbestände eines Aufschubgrundes erfüllt sind (BSG, a.a.O.). Entsprechend muss der Rentenversicherungsträger dann, wenn unmittelbar nach dem Ausscheiden eine konkrete Aufschubentscheidung in Form einer Aufschubbescheinigung des Arbeitgebers nicht vorliegt, seinen Beitragsanspruch gegen den Arbeitgeber geltend machen. Hieran würde auch eine spätere (und damit verspätete) Aufschubentscheidung nichts ändern, weil die Rechtsfolgen der Nachversicherung einschließlich der Fälligkeit bereits eintraten (BSG, a.a.O.). Da der Kläger unmittelbar nach dem Ausscheiden des Beigeladenen keine derartige Aufschubentscheidung traf, war die Forderung auf Entrichtung der Nachversicherungsbeiträge fällig und musste vom Kläger gezahlt werden.
Die Nachversicherungsbeiträge sind allerdings verjährt, was zwischen den Beteiligten ebenfalls nicht im Streit steht. Dies gilt unabhängig davon, ob eine vierjährige- oder eine 30-jährige Verjährungsfrist greift (vgl. § 25 SGB VI). Da die Nachversicherungsbeiträge bereits am 18.09.1969 fällig wurden, war auch die 30-jährige Verjährungsfrist abgelaufen, als die Beklagte mit Schreiben vom 27.04.2010 ein Verwaltungsverfahren zur Prüfung der Nachversicherung einleitete.
Trotz Verjährung ist der Kläger hinsichtlich der Nachversicherungsbeiträge jedoch nicht zur Leistungsverweigerung berechtigt. Die Erhebung der Einrede der Verjährung durch den Kläger ist nach der Rechtsauffassung des Senats rechtsmissbräuchlich und stellt eine unzulässige Rechtsausübung dar (zum Folgenden: BSG vom 27.06.2012, B 5 R 88/11 R, m.w.N., in Juris sowie LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 05.11.2013, L 11 R 5180/12). Das Rechtsinstitut der unzulässigen Rechtsausübung wegen Rechtsmissbrauchs ist eine aus dem Grundsatz von Treu und Glauben im Sinne des § 242 BGB abgeleitete, der gesamten Rechtsordnung immanente Schranke, die auch im Bereich des Sozialrechts zu beachten ist. Regelmäßige Voraussetzung für den Einwand unzulässiger Rechtsausübung ist, dass der Schuldner eine Tätigkeit entfaltet und Maßnahmen trifft, die den Gläubiger veranlassen, verjährungsunterbrechende Schritte zu unterlassen, sei es auch nur, weil ihm in Folge eines solchen Tuns Ansprüche unbekannt geblieben sind. Grundsätzlich hat es in Fallkonstellationen wie diesen allein der Nachversicherungsschuldner in der Hand, ob der Nachversicherungsgläubiger überhaupt von seinem Anspruch erfährt. Auch Sinn und Zweck der Nachversicherung sowie der systematische Zusammenhang zwischen der Nachversicherung, den Tatbeständen der Versicherungsfreiheit oder der Befreiung von der Versicherungspflicht begründen die Pflicht des Nachversicherungsschuldners, Nachversicherungsbeiträge rechtzeitig und zügig zu zahlen. Einer aktiven Pflichtverletzung des Schuldners der Nachversicherungsbeiträge bedarf es nicht (vgl. BSG, a.a.O.). Auch der Nachversicherungsschuldner, dessen pflichtwidriges Unterlassen den Rentenversicherungsträger von der Geltendmachung seines Beitragsanspruchs abgehalten hat, handelt grundsätzlich rechtsmissbräuchlich, wenn er sich dennoch auf Verjährung beruft.
Ein entsprechender Sachverhalt liegt hier vor. Allein der Kläger hat durch sein objektiv gesetzwidriges Verhalten bewirkt, dass der Beklagten ihre Beitragsansprüche unbekannt geblieben sind und in Folge dieser Unkenntnis nicht rechtzeitig verjährungsunterbrechende Maßnahmen eingeleitet hat. Da demnach das eigene pflichtwidrige Verhalten des Klägers dafür ursächlich ist, dass die Verjährungsfrist die Ansprüche der Beklagten abgelaufen ist, kann sich der Kläger nach Treu und Glauben auf den Ablauf der Verjährungsfrist nicht berufen, weil dies mit seinem eigenen Verhalten nicht in Einklang stehen würde. Bei dieser Sach- und Rechtslage kommt es auf ein Verschulden des Klägers nicht an.
Der Senat vermag auch nicht zu erkennen, dass die Beklagte zuvor bereits Kenntnis von "Anhaltspunkten" über die Dienstzeit des Beigeladenen gehabt haben könnte. Der dem Senat vorliegenden Akte lässt sich dies nicht entnehmen. Vor Ablauf der 30jährigen Verjährungsfrist ergingen lediglich am 20.09.1988 und 17.05.2000 Bescheide nach § 149 SGB VI, jeweils "ohne Mitwirkung des Versicherten". Damit erhielt die Beklagte erstmals nach der Rentenantragstellung des Beigeladenen am 29.10.2009 von der versicherungsfreien Beschäftigung Kenntnis. Ein Kontenklärungsverfahren dient darüber hinaus der Vervollständigung der rentenrechtlich relevanten Daten, ist aber nicht auf eine Beitreibung weiterer Beiträge ausgerichtet (vgl. in diesem Sinne auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.06.1999, L 8 RJ 3318/98, in Juris).
Die Tatsache, dass der nachzuversichernde Zeitraum bei der beamtenrechtlichen Altersversorgung des Beigeladenen als ruhegehaltsfähige Dienstzeit berücksichtigt sein könnte und diesem daher nach derzeitigem Stand durch das Unterlassen des Klägers keine Nachteile entstehen, vermag eine Ausnahme vom Grundsatz der Rechtsmissbräuchlichkeit des Unterlassens nicht zu begründen. Dadurch ist auch der einmal eingetretene Nachversicherungsfall nicht nachträglich wieder beseitigt worden. Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 27.06.2012 (B 5 R 88/11 R, a.a.O.) zwar ausgeführt, dass es der Zweck der Verjährung, Rechtsfrieden und Rechtssicherheit des Rechtsverkehrs, gebiete, bei der Frage der Rechtsmissbräuchlichkeit strenge Maßstäbe anzulegen und der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung nur gegenüber einem wirklich groben Verstoß gegen Treu und Glauben durchgreifen zu lassen sei. Bei der Beurteilung des Verhaltens des Nachversicherungsschuldners müssten auch Sinn und Zweck der Nachversicherung sowie der systematische Zusammenhang zwischen der Nachversicherung und den Tatbeständen der Versicherungsfreiheit bzw. der Befreiung von der Versicherungspflicht beachtet werden. Erst mit der wirksamen Zahlung der Nachversicherungsbeiträge erwerbe der zuvor versicherungsfrei Beschäftigte den Versichertenstatus und damit den Versicherungsschutz. Danach wäre der Beigeladene im vorliegenden Fall nicht schutzbedürftig, da ihm der nachzuversichernde Zeitraum im Rahmen der beamtenrechtlichen Altersversorgung anerkannt wird. Der Schutz des Versicherten ist jedoch nach den Ausführungen des BSG nicht alleiniger Sinn und Zweck der Nachversicherung. Die Nachversicherung dient zudem in dem im Umlageverfahren finanzierten System der gesetzlichen Rentenversicherung dazu, die Solidarlast zu tragen. Die Pflicht zur rechtzeitigen, also unverzüglichen Zahlung der Nachversicherungsbeiträge besteht demnach nicht nur im Interesse des einzelnen Beschäftigten, sondern auch im Interesse der Solidargemeinschaft der Versicherten. Verletzt ein - zumal öffentlich-rechtlicher Arbeitgeber - diese Beitragspflicht, ist ihm grundsätzlich und in aller Regel allein wegen dieses Unterlassens die Verjährungseinrede verwehrt. Die Tatsache, dass die Nachversicherung nicht zum Schutz des Versicherten erforderlich ist, begründet danach keine Ausnahme von der grundsätzlichen Rechtsmissbräuchlichkeit des Unterlassens (vgl. LSG B.-W., Urteil vom 12.11.2014, L 2 R 2647/14, a.a.O.).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG, 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Gerichtskosten sind nach § 2 Abs. 5 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG) vom Kläger allerdings nicht zu erheben, da er nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GKG von der Zahlung der Kosten befreit ist. Die Kosten des Beigeladenen hat der Kläger nicht zu tragen, da dieser keinen Antrag gestellt hat und somit kein Kostenrisiko eingegangen ist.
Die Festsetzung des Streitwerts i. H. v. 5.000,00 EUR für das Berufungsverfahren beruht auf § 197a Abs. 1 SGG sowie §§ 1 Abs. 2 Nr. 3, 63 Abs. 2 Satz 1, 6 Abs. 1 Nr. 5, 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) und ist gem. § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Der endgültige Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger zur Entrichtung von Nachversicherungsbeiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung zugunsten des Beigeladenen verpflichtet ist.
Der 1942 geborene Beigeladene war zuletzt Universitätsprofessor an der Universität Köln und war zum Ende des Monats März 2009 in den Ruhestand versetzt worden. Am 29.10.2009 beantragte er bei der Beklagten die Gewährung einer Regelaltersrente wegen Vollendung des 65. Lebensjahres. Der Beigeladene war am 04.04.1967 in den Schuldienst des Landes Baden-Württemberg eingestellt und mit Aushändigung der Ernennungsurkunde unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Hauptlehrer zur Anstellung ernannt worden und der Sonderschule für Lernbehinderte in M. zugewiesen worden. Mit Verfügung vom 04.09.1969 wurde der Beigeladene auf dessen Antrag vom 25.08.1969 aus dem baden-württembergischen Landesdienst entlassen. Ihm gegenüber kündigte die Klägerin an, dass für die Zeit der Verwendung im baden-württembergischen Landesdienst eine Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung der Angestellten erfolgen werde. Die Entlassungsverfügung nahm der Kläger am 18.09.1969 in Empfang. Nach eigenen Angaben war der Beigeladene in der Zeit vom 22.04.1968 bis 30.07.1969 wegen eines Studiums am Institut für Sozialpädagogik in Reutlingen beurlaubt. In der Zeit vom 01.09.1969 bis 30.09.1970 war der Beigeladene wissenschaftlicher Assistent im Rahmen eines Angestelltenverhältnisses zur Universität Tübingen. Mit Verfügung vom 12.12.1970 wurde der Beigeladene durch Verfügung des Oberschulamtes Nord-Württemberg unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Sonderschullehrer zur Anstellung ernannt und mit Aushändigung der Ernennungsurkunde zur Übernahme eines Lehrauftrages an einer Privatschule unter Fortfall der Dienstbezüge bis zum 31.07.1975 beurlaubt. Schließlich wurde der Beigeladene auf eigenen Antrag mit Verfügung vom 31.08.1972 des Oberschulamtes Nordwürttemberg, die ihm am 17.10.1972 ausgehändigt wurde, aus dem Landesdienst entlassen. Der Beigeladene wurde darauf hingewiesen, dass nach § 9 AVG (Angestelltenversicherungsgesetz) die Beiträge zur Angestelltenversicherung (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile) für die Zeit der Verwendung im Schuldienst aus der Staatskasse nachzuentrichten seien. Die Nachversicherung könne unter den in § 125 AVG näher bestimmten Voraussetzungen aufgeschoben werden. Von der Beklagten sind im Versicherungsverlauf des Beigeladenen vom 19.11.2009 für die Zeit vom 01.09.1969 bis 05.04.1974 Pflichtversicherungszeiten aufgrund abhängiger Beschäftigung vermerkt ...T im weiteren Verlauf fort. Er promovierte dort am 21.08.1978 und war sodann wissenschaftlicher Assistent an der Universität W ... Nach seiner Habilitation wurde ihm am 28.02.1985 die Lehrbefugnis an der Universität W. erteilt. Am 01.05.1985 übernahm er eine Professur an der Universität Augsburg. Bis zum Eintritt in den Ruhestand war er an der Universität zu Köln als Universitätsprofessor tätig.
Nach dem - unversorgten - Ausscheiden des Beigeladenen aus dem Beamtenverhältnis auf Probe versäumte es der Kläger, eine Nachversicherungs- oder Aufschubbescheinigung zu erteilen.
Im Rahmen der Kontenklärung nach dem gestellten Rentenantrag wandte sich die Beklagte an den Kläger zur Klärung der Nachversicherung. Mit Schreiben vom 16.08.2010 machte der Kläger die Einrede der Verjährung gem. § 25 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) geltend.
Mit Bescheid vom 02.09.2010 forderte die Beklagte den Kläger auf, die Nachversicherungsbeiträge für die Zeit vom 04.04.1967 bis 17.09.1969 zu entrichten. Die Nachversicherungsvoraussetzungen seien am 17.09.1969 eingetreten gewesen. Die Beiträge seien jedoch nicht gezahlt worden. Die erhobene Einrede der Verjährung verstoße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben.
Am 24.09.2010 hat der Kläger hiergegen Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und weiterhin geltend gemacht, die Ansprüche auf Nachversicherungsbeiträge seien verjährt. Die Auffassung der Beklagten, die Erhebung der Verjährungseinrede verstoße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, sei falsch. Die Erhebung der Verjährungseinrede sei nicht rechtsmissbräuchlich. Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung könne nur gegenüber einem wirklich groben Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben durchgreifen. Das unabsichtliche Unterlassen der Nachversicherung stelle keinen groben Verstoß gegen Treu und Glauben dar, welcher den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung begründen könnte. Die bloße Untätigkeit des klagenden Landes sei nicht geeignet, die Verwirkung der Verjährungseinrede aufgrund widersprüchlichen Verhaltens zu begründen. Auch fehle es hinsichtlich der Verletzung der Pflicht zur Durchführung der Nachversicherung an einem hinreichenden Bezug zur Verjährungseinrede. Die Pflichtverletzung habe die Erhebung der Verjährungseinrede weder ermöglicht noch erleichtert, sodass diese Pflichtverletzung die Wertung der Erhebung der Verjährungseinrede als unzulässige Rechtsausübung nicht rechtfertigen könne.
Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten. Sie hat ausgeführt, dass unbestritten sei, dass die Forderung der Deutschen Rentenversicherung Bund auf Zahlung der Nachversicherungsbeiträge verjährt sei, weil die Fälligkeit länger als 30 Jahre zurückliege. Es gehe mithin nur um die Frage der Rechtsmissbräuchlichkeit der Verjährungseinrede. Hierfür sei das Gläubiger-Schuldner-Verhältnis maßgebend. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung verstoße die Verjährungseinrede gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, wenn der Verpflichtete (der Nachversicherungsschuldner) den Berechtigten (den Rentenversicherungsträger) durch sein Verhalten von der rechtzeitigen Geltendmachung des Anspruchs abgehalten habe. Die Verjährungseinrede sei im Ergebnis rechtsmissbräuchlich, wenn der Nachversicherungsschuldner innerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist weder eine Aufschub- noch eine Nachversicherungsbescheinigung erteilt habe, er also den Rentenversicherungsträger nicht über das unversorgte Ausscheiden aus dem versicherungsfreien Beschäftigungsverhältnis informiert und ihn damit von der rechtzeitigen Geltendmachung des Anspruches abgehalten habe. Der Kläger sei mit Ausscheiden des Versicherten grundsätzlich verpflichtet gewesen, die Nachversicherung durchzuführen. Nur für den Fall des Aufschubs der Nachversicherung nach § 125 Abs. 1 AVG hätte keine sofortige Verpflichtung zur Beitragsentrichtung bestanden. Weil vom Kläger keine Aufschubbescheinigung erteilt worden sei, seien die Nachversicherungsbeträge bereits am 18.09.1969 fällig gewesen. Ferner sei die Einrede der Verjährung dann unzulässig, wenn der Schuldner den Gläubiger von verjährungsunterbrechenden oder -hemmenden Handlungen abgehalten habe. Ein solches Verhalten sei dem Kläger auch hier vorzuwerfen.
Mit Urteil vom 27.10.2011 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 02.09.2010 aufgehoben und zur Begründung ausgeführt, dass die Beklagte zwar einen Anspruch auf Nachversicherungsbeiträge für den Beigeladenen habe, was zwischen den Beteiligten auch ausdrücklich unstreitig sei, die Erhebung der Verjährungseinrede verstoße aber nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Es hat unter Bezugnahme auf Urteile des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg und des Bundessozialgerichts (BSG) ausgeführt, dass die Verjährung nicht nur dem Schuldnerschutz, sondern vor allem dem öffentlichen Interesse an einer abschließenden und endgültigen Schaffung von Rechtsfrieden und Rechtssicherheit diene. Die Erhebung der Verjährungseinrede sei an sich nicht rechtsmissbräuchlich, sondern eine gesetzlich vorgesehene Einrede. Der Zweck des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit des Rechtsverkehrs gebiete es, strenge Maßstäbe anzulegen und den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung nur gegenüber einem wirklich groben Verstoß gegen Treu und Glauben durchgreifen zu lassen. Die Berufung auf Verjährung werde daher grundsätzlich nur als unzulässige Rechtsausübung angesehen, wenn der Verpflichtete den Berechtigten, wenn auch unabsichtlich, durch sein Verhalten von der rechtzeitigen Geltendmachung des Anspruches abgehalten habe. Die Erhebung der Verjährungseinrede sei rechtsmissbräuchlich, wenn der Gläubiger im Vertrauen auf ein konkretes, ihm gegenüber an den Tag gelegtes Verhalten des Beitragsschuldners die Ansprüche nicht innerhalb der Verjährungsfrist verfolgt habe. Es sei allein maßgeblich, ob im Verhältnis des Klägers zum Beklagten ein Verstoß gegen Treu und Glauben vorliege. Die bloße Untätigkeit des Klägers, der die Nachversicherungsbeiträge trotz Fälligkeit nicht gezahlt habe, führe vorliegend nicht zur Rechtsmissbräuchlichkeit der Einrede der Verjährung. Dies würde nur dann in Betracht kommen, wenn eine Rechtspflicht zum Handeln bestanden und das Unterlassen einem aktiven Verhalten eines Gläubigers derart entsprochen hätte, dass das Unterlassen ebenfalls einen "wirklich groben Verstoß" darstelle. Zwar sei der Kläger mit Ausscheiden des Beigeladenen aus dem Dienst grundsätzlich verpflichtet gewesen, die Nachversicherung durchzuführen und nur für den Fall des Aufschubs der Nachversicherung habe keine sofortige Verpflichtung des vormaligen Arbeitgebers bzw. Dienstherren zur Beitragsentrichtung bestanden. In diesem Fall sei er jedoch nach § 125 Abs. 4 AVG (Angestelltenversicherungsgesetz) verpflichtet gewesen, sowohl dem unversorgt Ausgeschiedenen als auch dem zuständigen Rentenversicherungsträger eine Bescheinigung über die Nachversicherungszeiten und das gewährte Entgelt gegenüber dem Versicherungsträger unter Angabe des neuen Arbeitgebers zu erteilen. Dieser Verpflichtung sei der Kläger unzweifelhaft nicht nachgekommen. Ein einem aktiven Abhalten von der Geltendmachung der Nachversicherungsforderung entsprechendes Unterlassen liege jedoch nicht vor, denn es handele sich um keine weitere Pflichtverletzung als die Primärpflicht, die Beiträge für die Nachversicherung an die Beklagte zu leisten. Allein das Unterlassen stelle jedoch gegenüber der Beklagten keinen derart wirklich groben Verstoß dar, sondern sei der Regelfall des § 25 SGB IV, für den eine Verjährung in Betracht komme.
Gegen das ihr am 04.11.2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 21.11.2011 Berufung eingelegt.
Auf den übereinstimmenden Antrag der Beteiligten hat der Senat mit Beschluss vom 27.02.2012 das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Am 17.12.2012 hat die Beklagte den Rechtsstreit wieder angerufen und die Auffassung vertreten, sie sehe sich nach dem Urteil des BSG vom 27.06.2012 (B 5 R 88/11 R) in ihrer Auffassung bestätigt, dass die Erhebung der Einrede der Verjährung durch den Kläger gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoße und daher rechtsunwirksam sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 27. Oktober 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Der Kläger wertet die Entscheidung des BSG als Einzelfallentscheidung. Es sei nicht nachvollziehbar, wie bei der 30-jährigen Verjährungsfrist, die gerade auch bei vorsätzlichem Vorenthalten der Beiträge eingreifen soll, die Anwendung des Rechtsinstituts von Treu und Glauben mit der Begründung durchgreifen könne, die rentenrechtliche Nachversicherungspflicht sei verletzt worden. Diese Verletzung sei der Vorschrift gerade immanent. Mit diesem Widerspruch setze sich das BSG nicht auseinander, die Vorschrift des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV werde nicht einmal ausdrücklich erwähnt. Nach der zitierten Kommentarliteratur gelte die 30-jährige Verjährung auch unabhängig davon, ob der Sozialversicherungsträger Kenntnis von der versicherungspflichtigen Beschäftigung und deren Beitragspflicht hatte oder nicht. Der Gesetzgeber habe den Rechtsfrieden und die Rechtssicherheit über das Interesse an der Durchsetzung eines Anspruches, der geraume Zeit nicht geltend gemacht worden sei, gestellt. Hintergrund dieser Wertung im öffentlichen Recht sei nicht zuletzt auch das Interesse eines öffentlichen Schuldners an einer planbaren und möglichst zeitnahen Belastung seines öffentlichen Haushalts. Auch hierzu stehe der Einwand von Treu und Glauben mit der einfachen Begründung einer Primärpflichtverletzung in deutlichem Widerspruch.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten der Beteiligten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie bedarf auch nicht der Zulassung. Denn bei dem Streit um die Durchführung der Nachversicherung zu Gunsten des Beigeladenen handelt es sich nicht um eine Erstattungsstreitigkeit im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden. Das Bundessozialgericht (BSG) hat in seinem Urteil vom 24.05.2006 (B 3 KR 15/05 R, in Juris) die Auffassung vertreten, und dieser schließt sich der Senat an, dass der Begriff "Erstattungsstreitigkeit" als Ausnahme nicht weit, sondern eng auszulegen ist und daher nicht jeglichen Geldaustausch zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden umfasst, sondern nur Forderungen, die auf Erstattung von Kosten gerichtet sind. Es muss sich - so das BSG - in jedem Fall um einen Streit handeln, in dem es um den Ausgleich von Kosten geht, die der Kläger gehabt hat. Hiervon ist jedoch bei einem Streit um die Durchführung der Nachversicherung nicht auszugehen. Dieser ist kein Streit, der den wirtschaftlichen Ausgleich zwischen Versicherungsträgern betrifft und sich damit befasst, den erstattungsberechtigten Leistungsträger so zu stellen, wie er stehen würde, hätte er nicht gleistet. Im Hinblick auf die mit Bescheid vom 04.10.2010 dem Beigeladenen gewährte Regelaltersrente erbringt die Beklagte an den Beigeladenen gerade keine Leistungen, die möglicherweise vom Kläger zu erstatten wären, weil der dem Beigeladenen gewährten Altersrente gerade die den Gegenstand des Nachversicherungsstreits bildenden Beiträge nicht zu Grunde liegen.
Die Berufung ist auch begründet. Der angefochtene Bescheid erweist sich im Hinblick darauf, dass die Einrede der Verjährung gegen die Grundsätze von Treu und Glauben nach § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verstößt, als rechtmäßig. Das Sozialgericht hat der Klage daher zu Unrecht stattgegeben.
Die Klage war zulässig, insbesondere bedurfte es nicht der Durchführung eines Vorverfahrens nach § 78 SGG. Denn nach § 78 Abs. 1 Nr. 3 SGG bedarf es vor Erhebung der Anfechtungsklage keines besonderen Widerspruchsverfahrens, um die Recht- und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsaktes nachzuprüfen, wenn ein Land klagen will.
Für die Vollziehung der Nachversicherung hat die Beklagte zu Recht die Handlungsform des Verwaltungsaktes gewählt. Sie ist auch gegenüber einem öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber möglich, weil dieser bei der Nachversicherung keine anderen Aufgaben wahrnimmt als andere Arbeitgeber auch (vgl. BSG, Urteil vom 29.11.2007, B 13 R 48/06 R, in Juris).
Der Verwaltungsakt ist auch nicht aus formellen Gründen rechtswidrig. Insbesondere hat die Beklagte den Kläger vor Erlass des Verwaltungsaktes mit der Aufforderung, die Nachversicherung durchzuführen (Schreiben vom 27.04.2010), zu den entscheidungserheblichen Umständen und Tatsachen gehört (§ 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch).
Die Berufung ist auch in der Sache begründet. Das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Der Bescheid vom 02.09.2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat zu Recht Nachversicherungsbeiträge für die Nachversicherung des Beigeladenen für den Zeitraum 04.04.1967 bis 17.09.1969 erhoben. Die Einrede der Verjährung durch den Kläger ist rechtsmissbräuchlich und stellt eine unzulässige Rechtsausübung dar.
Gemäß § 233 Abs. 1 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) werden Personen, die vor dem 1. Januar 1992 aus einer Beschäftigung ausgeschieden sind, in der sie nach dem jeweils geltenden, den §§ 5 Abs. 1, 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 230 Abs. 1 Nr. 1 und 3 oder § 231 Abs. 1 Satz 1 sinngemäß entsprechenden Recht nicht versicherungspflichtig, versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit waren, weiterhin nach den bisherigen Vorschriften nachversichert, wenn sie ohne Anspruch oder Anwartschaft auf Versorgung aus der Beschäftigung ausgeschieden sind. § 233 Abs. 1 Satz 1 SGB VI ist eine Übergangsregelung zu § 8 SGB VI. Sie beruht auf dem allgemeinen Grundsatz des Sozialversicherungsrechts, dass die im Zeitpunkt des unversorgten Ausscheidens aus dem versicherungsfreien Beschäftigungsverhältnis geltenden Vorschriften maßgeblich dafür sind, ob damit eine Verpflichtung zur Nachversicherung eingetreten ist (Gürtner in Kasseler Kommentar, Stand Dezember 2014, § 233 SGB VI, Rn. 2 f.). Hinsichtlich der Durchführung der Nachversicherung ist das ab 01.01.1992 geltende Recht maßgeblich. Dies betrifft die Berechnung, Zahlung und Tragung der Nachversicherungsbeiträge. Denn nach § 277 SGB VI richtet sich die Durchführung der Nachversicherung von Personen, die vor dem 1. Januar 1992 aus einer nachversicherungspflichtigen Beschäftigung ausgeschieden sind oder ihren Anspruch auf Versorgung verloren haben und bis zum 31. Dezember 1991 nicht nachversichert worden sind, nach den vom 01.01.1992 an geltenden Vorschriften, soweit nicht nach Vorschriften außerhalb des SGB VI anstelle einer Zahlung von Beiträgen für die Nachversicherung eine Erstattung der Aufwendungen aus der Nachversicherung vorgesehen ist (Satz 1).
Der beigeladene Versicherte übte vom 04.04.1967 bis 17.09.1969 eine versicherungsfreie Tätigkeit aus. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 AVG waren Beamte des Bundes, der Länder, der Gemeindeverbände, der Gemeinden, der Träger der Sozialversicherung usw. solange sie lediglich für ihren Beruf ausgebildet werden, versicherungsfrei. Für den Fall des unversorgten Ausscheidens aus einer versicherungsfreien Beschäftigung nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 AVG bestimmt § 9 Abs. 1 AVG, dass die Personen für die Zeit, in der sie sonst in der Rentenversicherung der Angestellten versicherungspflichtig gewesen wären, nachzuversichern sind. Der Beigeladene ist am 18.09.1969 unversorgt aus dem versicherungsfreien Beamtenverhältnis ausgeschieden, sodass die Versicherungsfreiheit beendet war und die Nachversicherung durchzuführen war.
Der Nachversicherungsfall ist am 18.09.1969 eingetreten, da auch ein Aufschubgrund nicht vorlag und der Kläger über einen solchen Aufschubtatbestand nicht entschieden hatte. Bei einem Ausscheiden aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung vor dem 01.01.1992 bleiben nach § 233 Abs. 1 SGB VI die Aufschubgründe des derzeitigen Rechts maßgebend (Fink in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 277, Rn. 10). Die Nachentrichtung von Beiträgen war u. a. nach § 125 Abs. 1 Buchstabe b AVG aufgeschoben, solange die versicherungsfreie Beschäftigung nur vorübergehend unterbrochen wird. Eine solche vorübergehende Unterbrechung lag mit der Aufnahme der versicherungspflichtigen Beschäftigungen als wissenschaftlicher Assistent im Angestelltenverhältnis ab 01.09.1969 und der Beschäftigung als Lehrer im Privatschuldienst ab 23.12.1970 (mit einer beabsichtigten Tätigkeit bis 31.07.1975, vgl. Bl. 17 der Akten des Klägers) schon nicht vor. Voraussetzung für die Annahme einer vorübergehenden Unterbrechung nach § 125 Abs. 1 Buchstabe b) AVG wäre aber zudem, dass Arbeitgeber und Beschäftigter sich bereits zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Beamtenverhältnis rechtsverbindlich über die Fortsetzung der Beschäftigung verständigt haben (vgl. BSG, Urteil vom 27.04.1982, 1 RA 33/81 in SozR 2200 § 1403 Nr. 4). Der vorübergehende Charakter muss mit großer Sicherheit feststehen (BSG, Urteil vom 30.06.1983, 11 RA 34/82 in SozR 5750 Art. 2 § 3 Nr. 5). Der Tatbestand der vorübergehenden Unterbrechung einer versicherungsfreien Beschäftigung verlangt daher einen objektivierten Rückkehrwillen des Beschäftigten sowie die Absicht des Dienstherren, das Beschäftigungsverhältnis nach der Unterbrechung fortzusetzen. Für beide Umstände fehlt es hier aber sowohl an Anhaltspunkten als auch an Nachweisen, jedenfalls aber an der Vorlage einer rechtsverbindlichen Verständigung über die Fortsetzung der Beschäftigung.
Denn gemäß § 125 Abs. 3 AVG (jetzt: § 184 Abs. 3 SGB VI) entscheiden die Arbeitgeber über den Aufschub der Beitragszahlung. Die somit in der Form der Aufschubbescheinigung (§ 125 Abs. 3 AVG bzw. § 184 Abs. 4 SGB VI) unverzüglich nach dem Ausscheiden des Beschäftigten zu treffende (BSG, Urteil vom 29.07.1997, 4 RA 107/95 in SozR 3-2600 § 8 Nr. 4) Aufschubentscheidung ist notwendige Voraussetzung dafür, dass die Rentenversicherungsträger (und die Sozialgerichtsbarkeit) das Vorliegen von Aufschubgründen prüfen müssen oder dürfen (ständige Rechtsprechung des BSG, BSG, a.a.O. m.w.N.). Insbesondere tritt der "Aufschub" nicht bereits dann ein, wenn die gesetzlichen Tatbestände eines Aufschubgrundes erfüllt sind (BSG, a.a.O.). Entsprechend muss der Rentenversicherungsträger dann, wenn unmittelbar nach dem Ausscheiden eine konkrete Aufschubentscheidung in Form einer Aufschubbescheinigung des Arbeitgebers nicht vorliegt, seinen Beitragsanspruch gegen den Arbeitgeber geltend machen. Hieran würde auch eine spätere (und damit verspätete) Aufschubentscheidung nichts ändern, weil die Rechtsfolgen der Nachversicherung einschließlich der Fälligkeit bereits eintraten (BSG, a.a.O.). Da der Kläger unmittelbar nach dem Ausscheiden des Beigeladenen keine derartige Aufschubentscheidung traf, war die Forderung auf Entrichtung der Nachversicherungsbeiträge fällig und musste vom Kläger gezahlt werden.
Die Nachversicherungsbeiträge sind allerdings verjährt, was zwischen den Beteiligten ebenfalls nicht im Streit steht. Dies gilt unabhängig davon, ob eine vierjährige- oder eine 30-jährige Verjährungsfrist greift (vgl. § 25 SGB VI). Da die Nachversicherungsbeiträge bereits am 18.09.1969 fällig wurden, war auch die 30-jährige Verjährungsfrist abgelaufen, als die Beklagte mit Schreiben vom 27.04.2010 ein Verwaltungsverfahren zur Prüfung der Nachversicherung einleitete.
Trotz Verjährung ist der Kläger hinsichtlich der Nachversicherungsbeiträge jedoch nicht zur Leistungsverweigerung berechtigt. Die Erhebung der Einrede der Verjährung durch den Kläger ist nach der Rechtsauffassung des Senats rechtsmissbräuchlich und stellt eine unzulässige Rechtsausübung dar (zum Folgenden: BSG vom 27.06.2012, B 5 R 88/11 R, m.w.N., in Juris sowie LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 05.11.2013, L 11 R 5180/12). Das Rechtsinstitut der unzulässigen Rechtsausübung wegen Rechtsmissbrauchs ist eine aus dem Grundsatz von Treu und Glauben im Sinne des § 242 BGB abgeleitete, der gesamten Rechtsordnung immanente Schranke, die auch im Bereich des Sozialrechts zu beachten ist. Regelmäßige Voraussetzung für den Einwand unzulässiger Rechtsausübung ist, dass der Schuldner eine Tätigkeit entfaltet und Maßnahmen trifft, die den Gläubiger veranlassen, verjährungsunterbrechende Schritte zu unterlassen, sei es auch nur, weil ihm in Folge eines solchen Tuns Ansprüche unbekannt geblieben sind. Grundsätzlich hat es in Fallkonstellationen wie diesen allein der Nachversicherungsschuldner in der Hand, ob der Nachversicherungsgläubiger überhaupt von seinem Anspruch erfährt. Auch Sinn und Zweck der Nachversicherung sowie der systematische Zusammenhang zwischen der Nachversicherung, den Tatbeständen der Versicherungsfreiheit oder der Befreiung von der Versicherungspflicht begründen die Pflicht des Nachversicherungsschuldners, Nachversicherungsbeiträge rechtzeitig und zügig zu zahlen. Einer aktiven Pflichtverletzung des Schuldners der Nachversicherungsbeiträge bedarf es nicht (vgl. BSG, a.a.O.). Auch der Nachversicherungsschuldner, dessen pflichtwidriges Unterlassen den Rentenversicherungsträger von der Geltendmachung seines Beitragsanspruchs abgehalten hat, handelt grundsätzlich rechtsmissbräuchlich, wenn er sich dennoch auf Verjährung beruft.
Ein entsprechender Sachverhalt liegt hier vor. Allein der Kläger hat durch sein objektiv gesetzwidriges Verhalten bewirkt, dass der Beklagten ihre Beitragsansprüche unbekannt geblieben sind und in Folge dieser Unkenntnis nicht rechtzeitig verjährungsunterbrechende Maßnahmen eingeleitet hat. Da demnach das eigene pflichtwidrige Verhalten des Klägers dafür ursächlich ist, dass die Verjährungsfrist die Ansprüche der Beklagten abgelaufen ist, kann sich der Kläger nach Treu und Glauben auf den Ablauf der Verjährungsfrist nicht berufen, weil dies mit seinem eigenen Verhalten nicht in Einklang stehen würde. Bei dieser Sach- und Rechtslage kommt es auf ein Verschulden des Klägers nicht an.
Der Senat vermag auch nicht zu erkennen, dass die Beklagte zuvor bereits Kenntnis von "Anhaltspunkten" über die Dienstzeit des Beigeladenen gehabt haben könnte. Der dem Senat vorliegenden Akte lässt sich dies nicht entnehmen. Vor Ablauf der 30jährigen Verjährungsfrist ergingen lediglich am 20.09.1988 und 17.05.2000 Bescheide nach § 149 SGB VI, jeweils "ohne Mitwirkung des Versicherten". Damit erhielt die Beklagte erstmals nach der Rentenantragstellung des Beigeladenen am 29.10.2009 von der versicherungsfreien Beschäftigung Kenntnis. Ein Kontenklärungsverfahren dient darüber hinaus der Vervollständigung der rentenrechtlich relevanten Daten, ist aber nicht auf eine Beitreibung weiterer Beiträge ausgerichtet (vgl. in diesem Sinne auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.06.1999, L 8 RJ 3318/98, in Juris).
Die Tatsache, dass der nachzuversichernde Zeitraum bei der beamtenrechtlichen Altersversorgung des Beigeladenen als ruhegehaltsfähige Dienstzeit berücksichtigt sein könnte und diesem daher nach derzeitigem Stand durch das Unterlassen des Klägers keine Nachteile entstehen, vermag eine Ausnahme vom Grundsatz der Rechtsmissbräuchlichkeit des Unterlassens nicht zu begründen. Dadurch ist auch der einmal eingetretene Nachversicherungsfall nicht nachträglich wieder beseitigt worden. Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 27.06.2012 (B 5 R 88/11 R, a.a.O.) zwar ausgeführt, dass es der Zweck der Verjährung, Rechtsfrieden und Rechtssicherheit des Rechtsverkehrs, gebiete, bei der Frage der Rechtsmissbräuchlichkeit strenge Maßstäbe anzulegen und der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung nur gegenüber einem wirklich groben Verstoß gegen Treu und Glauben durchgreifen zu lassen sei. Bei der Beurteilung des Verhaltens des Nachversicherungsschuldners müssten auch Sinn und Zweck der Nachversicherung sowie der systematische Zusammenhang zwischen der Nachversicherung und den Tatbeständen der Versicherungsfreiheit bzw. der Befreiung von der Versicherungspflicht beachtet werden. Erst mit der wirksamen Zahlung der Nachversicherungsbeiträge erwerbe der zuvor versicherungsfrei Beschäftigte den Versichertenstatus und damit den Versicherungsschutz. Danach wäre der Beigeladene im vorliegenden Fall nicht schutzbedürftig, da ihm der nachzuversichernde Zeitraum im Rahmen der beamtenrechtlichen Altersversorgung anerkannt wird. Der Schutz des Versicherten ist jedoch nach den Ausführungen des BSG nicht alleiniger Sinn und Zweck der Nachversicherung. Die Nachversicherung dient zudem in dem im Umlageverfahren finanzierten System der gesetzlichen Rentenversicherung dazu, die Solidarlast zu tragen. Die Pflicht zur rechtzeitigen, also unverzüglichen Zahlung der Nachversicherungsbeiträge besteht demnach nicht nur im Interesse des einzelnen Beschäftigten, sondern auch im Interesse der Solidargemeinschaft der Versicherten. Verletzt ein - zumal öffentlich-rechtlicher Arbeitgeber - diese Beitragspflicht, ist ihm grundsätzlich und in aller Regel allein wegen dieses Unterlassens die Verjährungseinrede verwehrt. Die Tatsache, dass die Nachversicherung nicht zum Schutz des Versicherten erforderlich ist, begründet danach keine Ausnahme von der grundsätzlichen Rechtsmissbräuchlichkeit des Unterlassens (vgl. LSG B.-W., Urteil vom 12.11.2014, L 2 R 2647/14, a.a.O.).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG, 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Gerichtskosten sind nach § 2 Abs. 5 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG) vom Kläger allerdings nicht zu erheben, da er nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GKG von der Zahlung der Kosten befreit ist. Die Kosten des Beigeladenen hat der Kläger nicht zu tragen, da dieser keinen Antrag gestellt hat und somit kein Kostenrisiko eingegangen ist.
Die Festsetzung des Streitwerts i. H. v. 5.000,00 EUR für das Berufungsverfahren beruht auf § 197a Abs. 1 SGG sowie §§ 1 Abs. 2 Nr. 3, 63 Abs. 2 Satz 1, 6 Abs. 1 Nr. 5, 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) und ist gem. § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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