Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 4303/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 114/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 10.12.2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Mutterschaftsgeld.
Die 1980 geborene Klägerin ist seit November 2010 als selbständige Handelsvertreterin für eine Bausparkasse tätig. Am 01.09.2012 entband sie einen Sohn.
Ab 24.04.2012 (zuvor Bezug eines Gründungszuschusses der Arbeitsverwaltung) war die Klägerin bei der Beklagten freiwillig versichert im Tarif für hauptberuflich Selbstständige mit Anspruch auf Krankengeld. Mit Bescheid vom 09.05.2012 setzte die Beklagte (neben dem Pflegeversicherungsbeitrag) den Krankenversicherungsbeitrag der Klägerin nach Maßgabe der Mindestbemessungsgrundlage auf 305,16 EUR monatlich fest. Die Beitragsfestsetzung erfolgte vorläufig bis zur Einreichung des Einkommensteuerbescheids für 2010. Der Einkommensteuerbescheid des Finanzamts L. vom 25.11.2011 für 2010 weist (negative) Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb von -6.491 EUR aus (Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit: 28.254 EUR).
Mit Schreiben vom 05.05.2012 beantragte die Klägerin die Gewährung von Mutterschaftsgeld ab dem Beginn der Mutterschutzfrist (am 19.07.2012). Sie gab an, für das Jahr 2012 erwarte sie Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit von etwa 20.000 EUR. Die Klägerin legte die Steuererklärung und die Gewinnermittlung ihres Steuerberaters für 2011 vom 12.04.2012 vor; letztere geht von einem Gewinn aus selbständiger Tätigkeit für 2011 von 26.987,52 EUR aus. Unter dem 06.08.2012 teilte die Klägerin ergänzend mit, während der ersten 6 Monate des Jahres 2012 habe sie Provisionseinnahmen von durchschnittlich 3.695,28 EUR monatlich erzielt.
Mit Bescheid vom 14.08.2012 lehnte die Beklagte die Gewährung von Mutterschaftsgeld ab. Zur Begründung führte sie aus, für die Festsetzung des Mutterschaftsgeldes sei der zuletzt ergangene Einkommensteuerbescheid, hier der Einkommensteuerbescheid für 2010, maßgeblich. Dieser weise jedoch ein negatives Einkommen von -6.491 EUR aus. Aus Negativeinkommen könne weder Kranken- noch Mutterschaftsgeld gewährt werden.
Am 20.08.2012 legte die Klägerin den Einkommensteuerbescheid des Finanzamts L. vom 09.08.2012 für 2011 vor. Dieser weist Einkünfte aus Gewerbebetrieb von 26.995 EUR aus (Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit -200 EUR).
Mit Bescheid vom 28.08.2012 setzte die Beklagte (neben dem Pflegeversicherungsbeitrag) den Krankenversicherungsbeitrag der Klägerin aufgrund der Einkommensteuerbescheide für 2010 und 2011 neu - ab 01.09.2012 auf 348,68 EUR monatlich - fest.
Mit (weiterem) Bescheid vom 29.08.2012 lehnte die Beklagte die Gewährung von Mutterschaftsgeld (erneut) ab. Für die Berechnung des Mutterschaftsgeldes sei der letzte Einkommensteuerbescheid vor Beginn der Mutterschutzfrist maßgeblich. Die Mutterschutzfrist habe am 19.07.2012 begonnen. Der Einkommensteuerbescheid für 2011 (mit positivem Einkommen aus Gewerbebetrieb) sei erst am 09.08.2012 ergangen, weshalb es bei der Maßgeblichkeit des Einkommensteuerbescheids für 2010 (mit negativem Einkommen aus Gewerbebetrieb) bleibe. Mutterschaftsgeld könne daher nicht gewährt werden.
Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs trug die Klägerin vor, sie habe keinen Einfluss auf die Bearbeitungszeit ihrer Steuererklärung beim Finanzamt. Außerdem sei es in der Finanzverwaltung wegen einer EDV-Umstellung zu massiven Verzögerungen gekommen.
Mit Schreiben vom 06.09.2012 teilte die Beklagte der Klägerin mit, eine etwa viermonatige Bearbeitungszeit der Steuererklärung vom 12.04.2012 mit Ergehen des Steuerbescheids am 09.08.2012 liege im Rahmen des Üblichen.
Mit Bescheid vom 10.09.2012 setzte die Beklagte (neben dem Pflegeversicherungsbeitrag) den Krankenversicherungsbeitrag der Klägerin (rückwirkend) ab Beginn der Mutterschutzfrist am 19.07.2012 nach Maßgabe der Mindestbemessungsgrundlage auf 130,38 EUR fest. Sie stufte die Klägerin in den Tarif für im Nebenerwerb tätige Selbständige ohne Krankengeldanspruch ein
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.11.2012 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend aus, das Mutterschaftsgeld für Selbständige werde in Höhe des Krankengelds gezahlt. Für die Berechnung der Leistung sei das der Beitragsbemessung zugrunde gelegte Einkommen maßgeblich, weshalb es nach den Grundsätzen für die Bemessung der Beiträge freiwillig versicherter Selbständiger auf den Einkommensteuerbescheid für 2010 ankomme; dieser weise ein Negativeinkommen aus.
Am 19.12.2012 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Heilbronn. Zur Begründung trug sie vor, sie habe der Beklagten noch vor Erlass des Ablehnungsbescheids vom 14.08.2012 die Einkommensteuersteuererklärung für 2011 vorgelegt, aus der ein Gewinn von 26.995 EUR hervorgehe. Im Jahr 2010 habe sie nur zwei Monate (November und Dezember) gearbeitet. In der ersten Jahreshälfte 2012 habe sie Einkünfte von 22.171,70 EUR erzielt. Für die Festsetzung des Mutterschaftsgeldes dürfe deshalb der Einkommensteuerbescheid für 2010 (mit negativen Einkünften) nicht herangezogen werden. Die Beklagte habe sie mit dem Bescheid vom 10.09.2012 ab Beginn der Mutterschutzfrist rückwirkend in den Tarif für Selbstständige im Nebenerwerb ohne Krankengeldanspruch eingestuft; dies habe sie nicht beantragt. Außerdem habe sie den Einkommensteuerbescheid für 2011 am 20.08.2012 und damit noch vor Ergehen des Widerspruchsbescheids vom 26.11.2012 vorgelegt.
Die Beklagte trug ergänzend vor, der Klägerin könne auch deshalb Mutterschaftsgeld nicht gewährt werden, weil sie zum Beginn der Mutterschutzfrist am 19.07.2012 rückwirkend in den Tarif für Selbstständige im Nebenerwerb ohne Krankengeldanspruch eingestuft worden sei. Diese Einstufung habe man vorgenommen, weil die Klägerin mit Eintritt in den Mutterschutz nur noch nebenberuflich erwerbstätig gewesen sei.
Mit Urteil vom 10.12.2013 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es unter Bezugnahme auf die Begründung des Widerspruchsbescheids (§ 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz, SGG) aus, die Klägerin habe zwar vor Beginn der Mutterschutzfrist am 19.07.2012 tatsächlich (positive) Einkünfte aus selbstständiger Erwerbstätigkeit erzielt; das gehe aus dem nach Beginn der Mutterschutzfrist vorgelegten Einkommensteuerbescheid für 2011 vor. Dieses Einkommen sei jedoch gem. § 47 Abs. 4 Satz 2 Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (SGB V) nicht zu berücksichtigen. Nach der genannten Vorschrift gelte als Regelentgelt - für die Bemessung des Krankengeldes und hier auch für die Bemessung des Mutterschaftsgeldes - für Versicherte, die nicht Arbeitnehmer seien, der kalendertägliche Betrag, der zuletzt vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit für die Beitragsbemessung aus Arbeitseinkommen maßgebend gewesen sei. Deswegen komme es hier auf das im Einkommensteuerbescheid für 2010 ausgewiesene Arbeitseinkommen der Klägerin an. Der letzten Beitragsbemessung vor Beginn der Mutterschutzfrist habe nämlich nur dieser Einkommensteuerbescheid und nicht der erst nach Beginn der Mutterschutzfrist ergangene Einkommensteuerbescheid für 2011 zu Grunde gelegen. Dadurch werde ein Gleichgewicht zwischen der Beitragsbelastung und dem Leistungsanspruch hergestellt (vgl. auch SG Reutlingen, Urt. v. 24.06.2010, - S 14 KR 3892/09 -.). Offen bleiben könne, ob die zur Gewährung von Krankengeld ergangene Rechtsprechung des BSG (etwa Beschl. v. 28.07.2008, - B 1 KR 44/08 B -) auf die Gewährung von Mutterschaftsgeld zu übertragen sei. Dafür spreche, dass beide Leistungen Entgeltersatzfunktion hätten. Außerdem sei das Mutterschaftsgeld gemäß § 200 Abs. 2 Satz 7 Reichsversicherungsordnung (RVO) nach den für die Krankengeldberechnung geltenden Bestimmungen, also nach § 47 SGB V festzusetzen. Selbst wenn, wie hier, das der Beitragsbemessung zuletzt zu Grunde gelegte Einkommen geringer als das zu diesem Zeitpunkt tatsächlich erzielte Einkommen gewesen sei, müsse das vor Eintritt der Mutterschutzfrist erzielte Arbeitseinkommen nicht konkret ermittelt werden (so zum Krankengeld: BSG, Beschl. v. 28.07.2008, - B 1 KR 44/08 B -). Das gelte auch dann, wenn der zuletzt vor Beginn der Mutterschutzfrist ergangene und der Krankenkasse vorgelegte Einkommensteuerbescheid ein negatives Einkommen ausweise und daher trotz Beitragszahlung ein Anspruch auf Krankengeld ausscheide; verfassungsrechtliche Bedenken bestünden dagegen nicht (vgl. zum Krankengeld: BSG, Urt. v. 30.03.2004, - B 1 KR 32/02 R -).
Auf das ihr am 18.12.2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 09.01.2014 Berufung eingelegt. Sie bekräftigt ihr bisheriges Vorbringen. Ihr stehe Mutterschaftsgeld ab 19.07.2012 unter Berücksichtigung der im Einkommensteuerbescheid für 2011 ausgewiesenen Einkünfte zu. Die Vorschrift des § 47 Abs. 4 Satz 2 SGB V enthalte nur eine widerlegbare Vermutung. Diese Vermutung könne widerlegt werden, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass das Einkommen erkennbar nicht der tatsächlichen wirtschaftlichen Situation vor Beginn der Mutterschutzfrist entspreche, sondern höher ausgefallen sei. Wegen der Entgeltersatzfunktion des Mutterschaftsgeldes müsse auf das tatsächlich ausgefallene Arbeitseinkommen abgestellt werden. § 47 Abs. 4 Satz 2 SGB V nur dann als widerlegliche Vermutung einzustufen, wenn das Arbeitseinkommen vor Beginn des Leistungsanspruchs geringer ausgefallen sei als das Arbeitseinkommen, das der Beitragsbemessung zu Grunde liege, sei im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht überzeugend.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 10.12.2013 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 14. und 29.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.11.2012 zu verurteilen, ihr ab 19.07.2012 Mutterschaftsgeld unter Berücksichtigung der im Einkommensteuerbescheid für 2011 ausgewiesenen Einkünfte zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. § 47 Abs. 4 Satz 2 SGB V könne nicht als widerlegliche Vermutung ausgelegt werden.
Die Beklagte hat mitgeteilt, auf der Grundlage des im Einkommensteuerbescheid für 2011 ausgewiesenen Arbeitseinkommens der Klägerin ergäbe sich ein kalendertägliches Mutterschaftsgeld von 52,49 EUR. Im Streit sei damit die Gewährung von Mutterschaftsgeld von mindestens 5.196,51 EUR.
Die Beteiligten haben sich mit einer Senatsentscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).
Die Berufung der Klägerin ist gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthaft und auch sonst zulässig. Der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750 EUR) ist bei von der Klägerin begehrtem Mutterschaftsgeld i. H. v. über 5.000 EUR überschritten. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat die Gewährung von Mutterschaftsgeld zu Recht abgelehnt; die Klägerin hat darauf keinen Anspruch.
Streitgegenstand ist die Gewährung von Mutterschaftsgeld für den (Mutterschutz-)Zeitraum von 6 Wochen vor bis 8 Wochen nach der Entbindung des Kindes. Die Klägerin hat am 01.09.2012 entbunden, weswegen Mutterschaftsgeld vom 19.07.2012 bis 27.10.2012 im Streit ist. Rechtsgrundlage für die Gewährung von Mutterschaftsgeld ist daher (noch) die bis 29.10.2012 geltende Regelung in § 200 Reichsversicherungsordnung (im Folgenden nur: RVO; jetzt, seit 30.10.2012 (Gesetz vom 23.10.2012, BGBl. I S. 2246): § 24i SGB V; zur Leistungsdauer bzw. zur Mutterschutzfrist vgl. § 200 Abs. 3 Satz 1 RVO und § 24i SGB V bzw. §§ 3 Abs. 2, 6 Abs. 1 MuSchG). § 200 Abs. 1 RVO regelt den Anspruchsgrund, § 200 Abs. 2 RVO regelt die Höhe des Mutterschaftsgelds.
Gem. § 200 Abs. 1 RVO erhalten weibliche Mitglieder (einer Krankenkasse), die bei Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Krankengeld haben oder denen wegen der Schutzfristen nach § 3 Abs. 2 und § 6 Abs. 1 MuSchG kein Arbeitsentgelt gezahlt wird, Mutterschaftsgeld. Danach hatte die Klägerin während der streitigen Zeit dem Grunde nach Anspruch auf Mutterschaftsgeld. Sie war bei Beginn der Mutterschutzfrist am 19.07.2012 - unstreitig - freiwilliges Mitglied der Beklagten und bei dieser im Tarif für hauptberuflich Selbständige mit Anspruch auf Krankengeld versichert. Der Bescheid der Beklagten vom 10.09.2012 ändert daran nichts. Mit diesem Bescheid ist der Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag der Klägerin ab Beginn der Mutterschutzfrist (19.07.2012) rückwirkend neu und niedriger als zuvor festgesetzt worden unter Anwendung des Tarifs für im Nebenerwerb tätige Selbständige ohne Krankengeldanspruch. Die Regelung des Bescheids vom 10.09.2012 erschöpft sich in der die Klägerin rückwirkend begünstigenden Verminderung des Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrags für die Zeit des gesetzlichen Mutterschutzes. Eine die Klägerin rückwirkend belastende Änderung ihres Versicherungsstatus - jetzt nur noch nebenberuflich Selbständige ohne Krankengeldanspruch - mit der Folge der rückwirkenden Entziehung eines bereits (dem Grunde nach) entstandenen Anspruchs auf Mutterschaftsgeld regelt der Bescheid nicht. Anderes wäre mit dem gesetzlichen Mutterschutz auch nicht zu vereinbaren, da das Mutterschaftsgeld gerade den Einkommensausfall ersetzen soll, den die hauptberuflich Selbständige mit einer mutterschaftsbedingten Verminderung der selbständigen Erwerbstätigkeit hinnehmen muss.
Gem. § 200 Abs. 1 Satz 1 bis 6 RVO richtet sich die Höhe des Mutterschaftsgelds von Arbeitnehmern (oder in Heimarbeit Beschäftigten) grundsätzlich nach dem durchschnittlichen kalendertäglichen Arbeitsentgelt der letzten drei abgerechneten Kalendermonate vor Beginn der Mutterschutzfrist. Gem. § 200 Abs. 2 Satz 7 RVO wird das Mutterschaftsgeld für andere Mitglieder, also auch für freiwillig versicherte Selbständige, wie die Klägerin, in Höhe des Krankengelds gezahlt.
Die Höhe des Krankengelds beträgt nach näherer Maßgabe der Berechnungsvorschriften in § 47 SGB V 70 v. H. des erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelts bzw. - für selbständig Erwerbstätige - des Arbeitseinkommens, soweit es der Beitragsberechnung unterliegt; das ist das so genannte "Regelentgelt" (§ 47 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Gem. § 15 Abs. 1 SGB IV ist das Arbeitseinkommen (auch) i. S. d. § 47 SGB V der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit. Gem. § 47 Abs. 4 Satz 2 SGB V gilt als Regelentgelt (i. S. d. § 47 Abs. 1 Satz 1 SGB V) für Versicherte die (wie die Klägerin) nicht Arbeitnehmer sind, der kalendertägliche Betrag, der zuletzt vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit für die Beitragsbemessung aus Arbeitseinkommen maßgebend war.
Mutterschaftsgeld und Krankengeld haben Entgeltersatzfunktion. Die Leistungen ersetzen das infolge mutterschutzrechtlicher Beschäftigungsverbote (§§ 3 Abs. 2, 6 Abs. 1 MuSchG) oder wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit (§ 44 SGB V) ausgefallene Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen. Daran anknüpfend trifft das Gesetz für die Höhe des Mutterschaftsgelds eine differenzierte und nach Anspruchsberechtigten - i. W. Arbeitnehmer und Selbständige - (vgl. zu den Gruppen der Anspruchsberechtigten auch BSG, Urt. v. 16.02.2005, - B 1 KR 13/03 R -) unterscheidende Regelung. Für Arbeitnehmer ist gem. § 200 Abs. 2 Satz 1 ff. RVO grundsätzlich das durchschnittliche Arbeitsentgelt der letzten 3 abgerechneten Kalendermonate vor Beginn der Mutterschutzfrist, für Selbständige ist gem. § 200 Abs. 2 Satz 7 RVO die Höhe des ihnen im Fall der Arbeitsunfähigkeit zustehenden Krankengelds maßgeblich. Die letztgenannte Vorschrift stellt nach ihrem eindeutigen und einer Auslegung daher nicht zugänglichen Wortlaut (auch) hinsichtlich der Anspruchshöhe (wie § 200 Abs. 1 RVO bereits hinsichtlich des Anspruchsgrunds) den Gleichklang von Mutterschafts- und Krankengeld her. Anzuwenden sind danach die Vorschriften, die die Berechnung des Krankengeldanspruchs selbständig Erwerbstätiger regeln, einschließlich der hierzu in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Auslegungsgrundsätze. Der Gesetzgeber hat die in § 200 Abs. 2 Satz 7 RVO für Selbständige festgelegte inhaltliche Verknüpfung von Mutterschafts- und Krankengeld hinsichtlich der Höhe und der Berechnung beider Leistungen in Kenntnis der einschlägigen Rechtsprechung des BSG, namentlich zum Nachweis der beitragspflichtigen Einnahmen allein durch den Steuerbescheid der Finanzverwaltung (Urt. v. 02.09.2009, - B 12 KR 21/08 R -) oder zur Anwendung des § 47 Abs. 4 Satz 2 SGB V (Urt. v. 14.12.2006, - B 1 KR 11/06 R -, dazu sogleich) zuletzt durch Gesetz vom 23.10.2012 (BGB. I, S. 2246) bestätigt und in die gleichlautende Regelung in § 24i Abs. 2 Satz 7 SGB V überführt und Änderungen insoweit nicht vorgenommen.
Nach der danach auch für die Berechnung und die Höhe des Mutterschaftsgelds selbständig Erwerbstätiger maßgeblichen Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, ist bei hauptberuflich selbständig Erwerbstätigen (freiwillig Versicherten) eine Änderung des der Beitragsbemessung zugrunde zu legenden Gewinns nur durch den Einkommensteuerbescheid der Finanzverwaltung möglich (BSG, Urt. v. 02.09.2009, - B 12 KR 21/08 R -; insbesondere juris Rdnr. 16; vgl. auch BSG, Urt. v. 18.12.2013, - B 12 KR 24/12 R -). Das gilt nicht nur für die (regelmäßig allein streitige) Beitragsanpassung an eine verschlechterte Einkommenssituation, sondern in gleicher Weise für den Nachweis einer verbesserten Einkommenssituation und die Erhebung höherer Beiträge. Die auch verfahrensrechtliche Verknüpfung des Beitragsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung mit dem Einkommensteuerrecht beruht letztendlich darauf, dass das Sozialversicherungsrecht in § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB IV das (u.a. für die Beitragsbemessung maßgebliche) Arbeitseinkommen mit dem nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelten Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit gleichsetzt. Dieser steht nicht vor Schluss des Kalenderjahrs fest, mit dessen Ablauf auch die Einkommensteuer entsteht (BSG, Urt. v. 02.09.2009, a. a. O. unter Hinweis auf § 36 EStG). Das BSG hat außerdem entschieden, dass das Krankengeld - bzw. hier: das Mutterschaftsgeld - bei freiwillig versicherten hauptberuflich Selbstständigen gem. § 47 Abs. 4 Satz 2 SGB V im Sinne einer widerlegbaren Vermutung nach dem Regelentgelt zu berechnen ist, das dem Betrag entspricht, aus dem zuletzt vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit Beiträge entrichtet worden sind. So kann in den Fällen der fiktiven Beitragsbemessung nach § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V (Mindest- und Höchstbeitrag) wegen der Entgeltersatzfunktion des Krankengelds grundsätzlich nicht auf das der Beitragsbemessung zugrunde liegende Arbeitseinkommen zurückgegriffen werden. Die Vermutung kann widerlegt werden, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass dieses Einkommen erkennbar nicht der tatsächlichen wirtschaftlichen Situation des Versicherten vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit entspricht, weil sein tatsächliches Arbeitseinkommen wesentlich geringer war (BSG; Urt. v. 14.12.2006, - B 1 KR 11/06 R -, bestätigend: Urt. v. 12.03.2013, - B 1 KR 4/12 R -). Der Senat schließt sich auch insoweit der Rechtsprechung des BSG an.
Davon ausgehend kann der Klägerin Mutterschaftsgeld für die streitige Zeit (ab 19.07.2012) nicht gezahlt werden, da sich hinsichtlich der Höhe des ihr dem Grunde nach zustehenden Anspruchs ein (positiver) Zahlbetrag nicht ergibt.
Gem. § 200 Abs. 2 Satz 7 RVO i. V. m. § 47 Abs. 4 Satz 2 SGB V entspricht die Höhe des Mutterschaftsgelds der Höhe des Krankengelds, das der Klägerin im Fall krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit während der streitigen Zeit (19.07.2012 bis 27.10.2012) zu zahlen wäre. Das für die Berechnung dieses Krankengeldbetrags maßgebliche Regelentgelt i. S. d. § 47 Abs. 1 Satz 1 SGB V ist gem. § 47 Abs. 4 Satz 2 SGB V der kalendertägliche Betrag, der zuletzt vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit für die Beitragsbemessung aus dem Arbeitseinkommen der Klägerin maßgebend war. An die Stelle des "Beginns der Arbeitsunfähigkeit" tritt bei Anwendung des § 47 Abs. 4 Satz 2 SGB V über die Verweisungsnorm des § 200 Abs. 2 Satz 7 RVO der Beginn der Mutterschutzfrist nach § 3 Abs. 2 MuSchG, hier also der 19.07.2012. Für die Beitragsbemessung aus Arbeitseinkommen vor diesem Tag sind die zuletzt im Einkommensteuerbescheid des Finanzamts L. für 2010 ausgewiesenen Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb maßgebend gewesen. Diese sind indessen negativ ausgefallen (-6.491 EUR), so dass sich ein (positives) Arbeitseinkommen (§ 15 Abs. 1 SGB IV) nicht ergibt. Die Klägerin ist infolgedessen auch zur Zahlung des Mindestbeitrags herangezogen worden.
Die (positiven) Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb im Jahr 2011 (und auch im Jahr 2012) sind für die Beitragsbemessung zum Stichtag 19.07.2012 nicht von Belang. Die Krankenkassen haben der Beitragsbemessung hauptberuflich selbständig Erwerbstätiger die Einnahmen (Arbeitseinkünfte) zu Grunde zu legen, die die Finanzverwaltung im jeweiligen Steuerbescheid festsetzt. Andere Erkenntnismittel, wie die Angaben in einer Steuererklärung oder Gewinnermittlungen eines Steuerberaters, kommen hierfür nicht in Betracht (vgl. BSG, Urt. v. 02.09.2009, - B 12 KR 21/08 R -). Der Steuerbescheid des Finanzamts L. für 2011, der Einkünfte aus Gewerbebetrieb von 26.995 EUR ausweist, ist erst unter dem 09.08.2012 ergangen. Er kann daher für die Beitragsfestsetzung zum Stichtag 19.07.2012 nicht maßgeblich sein. Daran ändert es nichts, dass die Klägerin (wie alle Steuerpflichtige) keinen Einfluss auf die Bearbeitung der Steuererklärung durch das Finanzamt hat. Die an die Steuerbescheide der Finanzverwaltung gekoppelte und im Hinblick auf die Regelung in § 240 Abs. 4 Satz 6 SGB V (bei Festsetzung (insbesondere) des Höchstbetrags Berücksichtigung niedrigerer Einnahmen erst für die Zukunft ab Vorlage des Steuerbescheids) zeitversetzte Beitragsbemessung bzw. Beitragserhebung ist rechtlich, insbesondere verfassungsrechtlich unbedenklich. Im Hinblick darauf, dass das Gesetz für die Höhe des Mutterschaftsgelds auf die Höhe des Krankengelds Bezug nimmt und damit in der weiteren Folge auch auf die für die Krankengeldberechnung geltenden formellen und materiellen Maßgaben des Gesetzes und der Rechtsprechung verweist, kann für das Mutterschaftsgeld eine Ausnahme nicht gemacht werden, auch wenn die dargestellte Berechnungsweise hier im Einzelfall zum Anspruchsverlust führen kann, während bei der Bemessung der Beiträge selbständig Erwerbstätiger meist, wenngleich nicht immer, die zeitversetzte Beitragsbemessung über die Dauer durch teils zu hohe, teils zu niedrige Beiträge zu einem Ausgleich in der Beitragsbelastung führen wird (vgl. etwa jurisPK-SGB V/Bernsdorff § 240 Rdnr. 35 m. w. N.). Auch angesichts dessen sind die Grenzen der zulässigen Pauschalierung und Typisierung, die dem Gesetzgeber gerade bei zeitnah und ohne besonderen Verwaltungsaufwand auszuzahlenden Entgeltersatzleistungen, wie auch dem Mutterschaftsgeld, zukommt, nicht überschritten.
Die Rechtsprechung des BSG (Urt. v. 14.12.2006, - B 1 KR 11/06 R -) zur Eigenart des § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V als widerlegliche Vermutung kann der Klägerin nicht weiterhelfen, da sie nur die Fallgestaltung erfasst, dass (bei fiktiver Beitragsbemessung nach § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V) das tatsächliche Arbeitseinkommen vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit (hier vor Beginn der Mutterschutzfirst) niedriger, nicht jedoch, dass es höher war als das der Beitragsbemessung (fiktiv) zugrunde gelegte Arbeitseinkommen (auch LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 15.04.2008, - L 11 KR 3606/07 - sowie BSG, Beschl. v. 28.07.2008, - B 1 KR 44/08 B -). Das Krankengeld soll wegen seiner Entgeltersatzfunktion nur nach Maßgabe des tatsächlich ausgefallenen und nicht nach Maßgabe des der Festsetzung des Mindestbeitrags zugrunde gelegten höheren fiktiven Arbeitseinkommens gezahlt werden. Wird nach Festsetzung des Mindestbeitrags in der Folgezeit tatsächlich ein höheres Arbeitseinkommen erzielt, sind daraus zu gegebener Zeit auch höhere Beiträge zu entrichten und das höhere Arbeitseinkommen kann dann auch erst in der Folgezeit für die Berechnung von Krankengeld maßgeblich sein.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Mutterschaftsgeld.
Die 1980 geborene Klägerin ist seit November 2010 als selbständige Handelsvertreterin für eine Bausparkasse tätig. Am 01.09.2012 entband sie einen Sohn.
Ab 24.04.2012 (zuvor Bezug eines Gründungszuschusses der Arbeitsverwaltung) war die Klägerin bei der Beklagten freiwillig versichert im Tarif für hauptberuflich Selbstständige mit Anspruch auf Krankengeld. Mit Bescheid vom 09.05.2012 setzte die Beklagte (neben dem Pflegeversicherungsbeitrag) den Krankenversicherungsbeitrag der Klägerin nach Maßgabe der Mindestbemessungsgrundlage auf 305,16 EUR monatlich fest. Die Beitragsfestsetzung erfolgte vorläufig bis zur Einreichung des Einkommensteuerbescheids für 2010. Der Einkommensteuerbescheid des Finanzamts L. vom 25.11.2011 für 2010 weist (negative) Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb von -6.491 EUR aus (Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit: 28.254 EUR).
Mit Schreiben vom 05.05.2012 beantragte die Klägerin die Gewährung von Mutterschaftsgeld ab dem Beginn der Mutterschutzfrist (am 19.07.2012). Sie gab an, für das Jahr 2012 erwarte sie Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit von etwa 20.000 EUR. Die Klägerin legte die Steuererklärung und die Gewinnermittlung ihres Steuerberaters für 2011 vom 12.04.2012 vor; letztere geht von einem Gewinn aus selbständiger Tätigkeit für 2011 von 26.987,52 EUR aus. Unter dem 06.08.2012 teilte die Klägerin ergänzend mit, während der ersten 6 Monate des Jahres 2012 habe sie Provisionseinnahmen von durchschnittlich 3.695,28 EUR monatlich erzielt.
Mit Bescheid vom 14.08.2012 lehnte die Beklagte die Gewährung von Mutterschaftsgeld ab. Zur Begründung führte sie aus, für die Festsetzung des Mutterschaftsgeldes sei der zuletzt ergangene Einkommensteuerbescheid, hier der Einkommensteuerbescheid für 2010, maßgeblich. Dieser weise jedoch ein negatives Einkommen von -6.491 EUR aus. Aus Negativeinkommen könne weder Kranken- noch Mutterschaftsgeld gewährt werden.
Am 20.08.2012 legte die Klägerin den Einkommensteuerbescheid des Finanzamts L. vom 09.08.2012 für 2011 vor. Dieser weist Einkünfte aus Gewerbebetrieb von 26.995 EUR aus (Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit -200 EUR).
Mit Bescheid vom 28.08.2012 setzte die Beklagte (neben dem Pflegeversicherungsbeitrag) den Krankenversicherungsbeitrag der Klägerin aufgrund der Einkommensteuerbescheide für 2010 und 2011 neu - ab 01.09.2012 auf 348,68 EUR monatlich - fest.
Mit (weiterem) Bescheid vom 29.08.2012 lehnte die Beklagte die Gewährung von Mutterschaftsgeld (erneut) ab. Für die Berechnung des Mutterschaftsgeldes sei der letzte Einkommensteuerbescheid vor Beginn der Mutterschutzfrist maßgeblich. Die Mutterschutzfrist habe am 19.07.2012 begonnen. Der Einkommensteuerbescheid für 2011 (mit positivem Einkommen aus Gewerbebetrieb) sei erst am 09.08.2012 ergangen, weshalb es bei der Maßgeblichkeit des Einkommensteuerbescheids für 2010 (mit negativem Einkommen aus Gewerbebetrieb) bleibe. Mutterschaftsgeld könne daher nicht gewährt werden.
Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs trug die Klägerin vor, sie habe keinen Einfluss auf die Bearbeitungszeit ihrer Steuererklärung beim Finanzamt. Außerdem sei es in der Finanzverwaltung wegen einer EDV-Umstellung zu massiven Verzögerungen gekommen.
Mit Schreiben vom 06.09.2012 teilte die Beklagte der Klägerin mit, eine etwa viermonatige Bearbeitungszeit der Steuererklärung vom 12.04.2012 mit Ergehen des Steuerbescheids am 09.08.2012 liege im Rahmen des Üblichen.
Mit Bescheid vom 10.09.2012 setzte die Beklagte (neben dem Pflegeversicherungsbeitrag) den Krankenversicherungsbeitrag der Klägerin (rückwirkend) ab Beginn der Mutterschutzfrist am 19.07.2012 nach Maßgabe der Mindestbemessungsgrundlage auf 130,38 EUR fest. Sie stufte die Klägerin in den Tarif für im Nebenerwerb tätige Selbständige ohne Krankengeldanspruch ein
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.11.2012 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend aus, das Mutterschaftsgeld für Selbständige werde in Höhe des Krankengelds gezahlt. Für die Berechnung der Leistung sei das der Beitragsbemessung zugrunde gelegte Einkommen maßgeblich, weshalb es nach den Grundsätzen für die Bemessung der Beiträge freiwillig versicherter Selbständiger auf den Einkommensteuerbescheid für 2010 ankomme; dieser weise ein Negativeinkommen aus.
Am 19.12.2012 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Heilbronn. Zur Begründung trug sie vor, sie habe der Beklagten noch vor Erlass des Ablehnungsbescheids vom 14.08.2012 die Einkommensteuersteuererklärung für 2011 vorgelegt, aus der ein Gewinn von 26.995 EUR hervorgehe. Im Jahr 2010 habe sie nur zwei Monate (November und Dezember) gearbeitet. In der ersten Jahreshälfte 2012 habe sie Einkünfte von 22.171,70 EUR erzielt. Für die Festsetzung des Mutterschaftsgeldes dürfe deshalb der Einkommensteuerbescheid für 2010 (mit negativen Einkünften) nicht herangezogen werden. Die Beklagte habe sie mit dem Bescheid vom 10.09.2012 ab Beginn der Mutterschutzfrist rückwirkend in den Tarif für Selbstständige im Nebenerwerb ohne Krankengeldanspruch eingestuft; dies habe sie nicht beantragt. Außerdem habe sie den Einkommensteuerbescheid für 2011 am 20.08.2012 und damit noch vor Ergehen des Widerspruchsbescheids vom 26.11.2012 vorgelegt.
Die Beklagte trug ergänzend vor, der Klägerin könne auch deshalb Mutterschaftsgeld nicht gewährt werden, weil sie zum Beginn der Mutterschutzfrist am 19.07.2012 rückwirkend in den Tarif für Selbstständige im Nebenerwerb ohne Krankengeldanspruch eingestuft worden sei. Diese Einstufung habe man vorgenommen, weil die Klägerin mit Eintritt in den Mutterschutz nur noch nebenberuflich erwerbstätig gewesen sei.
Mit Urteil vom 10.12.2013 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es unter Bezugnahme auf die Begründung des Widerspruchsbescheids (§ 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz, SGG) aus, die Klägerin habe zwar vor Beginn der Mutterschutzfrist am 19.07.2012 tatsächlich (positive) Einkünfte aus selbstständiger Erwerbstätigkeit erzielt; das gehe aus dem nach Beginn der Mutterschutzfrist vorgelegten Einkommensteuerbescheid für 2011 vor. Dieses Einkommen sei jedoch gem. § 47 Abs. 4 Satz 2 Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (SGB V) nicht zu berücksichtigen. Nach der genannten Vorschrift gelte als Regelentgelt - für die Bemessung des Krankengeldes und hier auch für die Bemessung des Mutterschaftsgeldes - für Versicherte, die nicht Arbeitnehmer seien, der kalendertägliche Betrag, der zuletzt vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit für die Beitragsbemessung aus Arbeitseinkommen maßgebend gewesen sei. Deswegen komme es hier auf das im Einkommensteuerbescheid für 2010 ausgewiesene Arbeitseinkommen der Klägerin an. Der letzten Beitragsbemessung vor Beginn der Mutterschutzfrist habe nämlich nur dieser Einkommensteuerbescheid und nicht der erst nach Beginn der Mutterschutzfrist ergangene Einkommensteuerbescheid für 2011 zu Grunde gelegen. Dadurch werde ein Gleichgewicht zwischen der Beitragsbelastung und dem Leistungsanspruch hergestellt (vgl. auch SG Reutlingen, Urt. v. 24.06.2010, - S 14 KR 3892/09 -.). Offen bleiben könne, ob die zur Gewährung von Krankengeld ergangene Rechtsprechung des BSG (etwa Beschl. v. 28.07.2008, - B 1 KR 44/08 B -) auf die Gewährung von Mutterschaftsgeld zu übertragen sei. Dafür spreche, dass beide Leistungen Entgeltersatzfunktion hätten. Außerdem sei das Mutterschaftsgeld gemäß § 200 Abs. 2 Satz 7 Reichsversicherungsordnung (RVO) nach den für die Krankengeldberechnung geltenden Bestimmungen, also nach § 47 SGB V festzusetzen. Selbst wenn, wie hier, das der Beitragsbemessung zuletzt zu Grunde gelegte Einkommen geringer als das zu diesem Zeitpunkt tatsächlich erzielte Einkommen gewesen sei, müsse das vor Eintritt der Mutterschutzfrist erzielte Arbeitseinkommen nicht konkret ermittelt werden (so zum Krankengeld: BSG, Beschl. v. 28.07.2008, - B 1 KR 44/08 B -). Das gelte auch dann, wenn der zuletzt vor Beginn der Mutterschutzfrist ergangene und der Krankenkasse vorgelegte Einkommensteuerbescheid ein negatives Einkommen ausweise und daher trotz Beitragszahlung ein Anspruch auf Krankengeld ausscheide; verfassungsrechtliche Bedenken bestünden dagegen nicht (vgl. zum Krankengeld: BSG, Urt. v. 30.03.2004, - B 1 KR 32/02 R -).
Auf das ihr am 18.12.2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 09.01.2014 Berufung eingelegt. Sie bekräftigt ihr bisheriges Vorbringen. Ihr stehe Mutterschaftsgeld ab 19.07.2012 unter Berücksichtigung der im Einkommensteuerbescheid für 2011 ausgewiesenen Einkünfte zu. Die Vorschrift des § 47 Abs. 4 Satz 2 SGB V enthalte nur eine widerlegbare Vermutung. Diese Vermutung könne widerlegt werden, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass das Einkommen erkennbar nicht der tatsächlichen wirtschaftlichen Situation vor Beginn der Mutterschutzfrist entspreche, sondern höher ausgefallen sei. Wegen der Entgeltersatzfunktion des Mutterschaftsgeldes müsse auf das tatsächlich ausgefallene Arbeitseinkommen abgestellt werden. § 47 Abs. 4 Satz 2 SGB V nur dann als widerlegliche Vermutung einzustufen, wenn das Arbeitseinkommen vor Beginn des Leistungsanspruchs geringer ausgefallen sei als das Arbeitseinkommen, das der Beitragsbemessung zu Grunde liege, sei im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht überzeugend.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 10.12.2013 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 14. und 29.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.11.2012 zu verurteilen, ihr ab 19.07.2012 Mutterschaftsgeld unter Berücksichtigung der im Einkommensteuerbescheid für 2011 ausgewiesenen Einkünfte zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. § 47 Abs. 4 Satz 2 SGB V könne nicht als widerlegliche Vermutung ausgelegt werden.
Die Beklagte hat mitgeteilt, auf der Grundlage des im Einkommensteuerbescheid für 2011 ausgewiesenen Arbeitseinkommens der Klägerin ergäbe sich ein kalendertägliches Mutterschaftsgeld von 52,49 EUR. Im Streit sei damit die Gewährung von Mutterschaftsgeld von mindestens 5.196,51 EUR.
Die Beteiligten haben sich mit einer Senatsentscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).
Die Berufung der Klägerin ist gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthaft und auch sonst zulässig. Der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750 EUR) ist bei von der Klägerin begehrtem Mutterschaftsgeld i. H. v. über 5.000 EUR überschritten. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat die Gewährung von Mutterschaftsgeld zu Recht abgelehnt; die Klägerin hat darauf keinen Anspruch.
Streitgegenstand ist die Gewährung von Mutterschaftsgeld für den (Mutterschutz-)Zeitraum von 6 Wochen vor bis 8 Wochen nach der Entbindung des Kindes. Die Klägerin hat am 01.09.2012 entbunden, weswegen Mutterschaftsgeld vom 19.07.2012 bis 27.10.2012 im Streit ist. Rechtsgrundlage für die Gewährung von Mutterschaftsgeld ist daher (noch) die bis 29.10.2012 geltende Regelung in § 200 Reichsversicherungsordnung (im Folgenden nur: RVO; jetzt, seit 30.10.2012 (Gesetz vom 23.10.2012, BGBl. I S. 2246): § 24i SGB V; zur Leistungsdauer bzw. zur Mutterschutzfrist vgl. § 200 Abs. 3 Satz 1 RVO und § 24i SGB V bzw. §§ 3 Abs. 2, 6 Abs. 1 MuSchG). § 200 Abs. 1 RVO regelt den Anspruchsgrund, § 200 Abs. 2 RVO regelt die Höhe des Mutterschaftsgelds.
Gem. § 200 Abs. 1 RVO erhalten weibliche Mitglieder (einer Krankenkasse), die bei Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Krankengeld haben oder denen wegen der Schutzfristen nach § 3 Abs. 2 und § 6 Abs. 1 MuSchG kein Arbeitsentgelt gezahlt wird, Mutterschaftsgeld. Danach hatte die Klägerin während der streitigen Zeit dem Grunde nach Anspruch auf Mutterschaftsgeld. Sie war bei Beginn der Mutterschutzfrist am 19.07.2012 - unstreitig - freiwilliges Mitglied der Beklagten und bei dieser im Tarif für hauptberuflich Selbständige mit Anspruch auf Krankengeld versichert. Der Bescheid der Beklagten vom 10.09.2012 ändert daran nichts. Mit diesem Bescheid ist der Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag der Klägerin ab Beginn der Mutterschutzfrist (19.07.2012) rückwirkend neu und niedriger als zuvor festgesetzt worden unter Anwendung des Tarifs für im Nebenerwerb tätige Selbständige ohne Krankengeldanspruch. Die Regelung des Bescheids vom 10.09.2012 erschöpft sich in der die Klägerin rückwirkend begünstigenden Verminderung des Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrags für die Zeit des gesetzlichen Mutterschutzes. Eine die Klägerin rückwirkend belastende Änderung ihres Versicherungsstatus - jetzt nur noch nebenberuflich Selbständige ohne Krankengeldanspruch - mit der Folge der rückwirkenden Entziehung eines bereits (dem Grunde nach) entstandenen Anspruchs auf Mutterschaftsgeld regelt der Bescheid nicht. Anderes wäre mit dem gesetzlichen Mutterschutz auch nicht zu vereinbaren, da das Mutterschaftsgeld gerade den Einkommensausfall ersetzen soll, den die hauptberuflich Selbständige mit einer mutterschaftsbedingten Verminderung der selbständigen Erwerbstätigkeit hinnehmen muss.
Gem. § 200 Abs. 1 Satz 1 bis 6 RVO richtet sich die Höhe des Mutterschaftsgelds von Arbeitnehmern (oder in Heimarbeit Beschäftigten) grundsätzlich nach dem durchschnittlichen kalendertäglichen Arbeitsentgelt der letzten drei abgerechneten Kalendermonate vor Beginn der Mutterschutzfrist. Gem. § 200 Abs. 2 Satz 7 RVO wird das Mutterschaftsgeld für andere Mitglieder, also auch für freiwillig versicherte Selbständige, wie die Klägerin, in Höhe des Krankengelds gezahlt.
Die Höhe des Krankengelds beträgt nach näherer Maßgabe der Berechnungsvorschriften in § 47 SGB V 70 v. H. des erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelts bzw. - für selbständig Erwerbstätige - des Arbeitseinkommens, soweit es der Beitragsberechnung unterliegt; das ist das so genannte "Regelentgelt" (§ 47 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Gem. § 15 Abs. 1 SGB IV ist das Arbeitseinkommen (auch) i. S. d. § 47 SGB V der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit. Gem. § 47 Abs. 4 Satz 2 SGB V gilt als Regelentgelt (i. S. d. § 47 Abs. 1 Satz 1 SGB V) für Versicherte die (wie die Klägerin) nicht Arbeitnehmer sind, der kalendertägliche Betrag, der zuletzt vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit für die Beitragsbemessung aus Arbeitseinkommen maßgebend war.
Mutterschaftsgeld und Krankengeld haben Entgeltersatzfunktion. Die Leistungen ersetzen das infolge mutterschutzrechtlicher Beschäftigungsverbote (§§ 3 Abs. 2, 6 Abs. 1 MuSchG) oder wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit (§ 44 SGB V) ausgefallene Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen. Daran anknüpfend trifft das Gesetz für die Höhe des Mutterschaftsgelds eine differenzierte und nach Anspruchsberechtigten - i. W. Arbeitnehmer und Selbständige - (vgl. zu den Gruppen der Anspruchsberechtigten auch BSG, Urt. v. 16.02.2005, - B 1 KR 13/03 R -) unterscheidende Regelung. Für Arbeitnehmer ist gem. § 200 Abs. 2 Satz 1 ff. RVO grundsätzlich das durchschnittliche Arbeitsentgelt der letzten 3 abgerechneten Kalendermonate vor Beginn der Mutterschutzfrist, für Selbständige ist gem. § 200 Abs. 2 Satz 7 RVO die Höhe des ihnen im Fall der Arbeitsunfähigkeit zustehenden Krankengelds maßgeblich. Die letztgenannte Vorschrift stellt nach ihrem eindeutigen und einer Auslegung daher nicht zugänglichen Wortlaut (auch) hinsichtlich der Anspruchshöhe (wie § 200 Abs. 1 RVO bereits hinsichtlich des Anspruchsgrunds) den Gleichklang von Mutterschafts- und Krankengeld her. Anzuwenden sind danach die Vorschriften, die die Berechnung des Krankengeldanspruchs selbständig Erwerbstätiger regeln, einschließlich der hierzu in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Auslegungsgrundsätze. Der Gesetzgeber hat die in § 200 Abs. 2 Satz 7 RVO für Selbständige festgelegte inhaltliche Verknüpfung von Mutterschafts- und Krankengeld hinsichtlich der Höhe und der Berechnung beider Leistungen in Kenntnis der einschlägigen Rechtsprechung des BSG, namentlich zum Nachweis der beitragspflichtigen Einnahmen allein durch den Steuerbescheid der Finanzverwaltung (Urt. v. 02.09.2009, - B 12 KR 21/08 R -) oder zur Anwendung des § 47 Abs. 4 Satz 2 SGB V (Urt. v. 14.12.2006, - B 1 KR 11/06 R -, dazu sogleich) zuletzt durch Gesetz vom 23.10.2012 (BGB. I, S. 2246) bestätigt und in die gleichlautende Regelung in § 24i Abs. 2 Satz 7 SGB V überführt und Änderungen insoweit nicht vorgenommen.
Nach der danach auch für die Berechnung und die Höhe des Mutterschaftsgelds selbständig Erwerbstätiger maßgeblichen Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, ist bei hauptberuflich selbständig Erwerbstätigen (freiwillig Versicherten) eine Änderung des der Beitragsbemessung zugrunde zu legenden Gewinns nur durch den Einkommensteuerbescheid der Finanzverwaltung möglich (BSG, Urt. v. 02.09.2009, - B 12 KR 21/08 R -; insbesondere juris Rdnr. 16; vgl. auch BSG, Urt. v. 18.12.2013, - B 12 KR 24/12 R -). Das gilt nicht nur für die (regelmäßig allein streitige) Beitragsanpassung an eine verschlechterte Einkommenssituation, sondern in gleicher Weise für den Nachweis einer verbesserten Einkommenssituation und die Erhebung höherer Beiträge. Die auch verfahrensrechtliche Verknüpfung des Beitragsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung mit dem Einkommensteuerrecht beruht letztendlich darauf, dass das Sozialversicherungsrecht in § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB IV das (u.a. für die Beitragsbemessung maßgebliche) Arbeitseinkommen mit dem nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelten Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit gleichsetzt. Dieser steht nicht vor Schluss des Kalenderjahrs fest, mit dessen Ablauf auch die Einkommensteuer entsteht (BSG, Urt. v. 02.09.2009, a. a. O. unter Hinweis auf § 36 EStG). Das BSG hat außerdem entschieden, dass das Krankengeld - bzw. hier: das Mutterschaftsgeld - bei freiwillig versicherten hauptberuflich Selbstständigen gem. § 47 Abs. 4 Satz 2 SGB V im Sinne einer widerlegbaren Vermutung nach dem Regelentgelt zu berechnen ist, das dem Betrag entspricht, aus dem zuletzt vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit Beiträge entrichtet worden sind. So kann in den Fällen der fiktiven Beitragsbemessung nach § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V (Mindest- und Höchstbeitrag) wegen der Entgeltersatzfunktion des Krankengelds grundsätzlich nicht auf das der Beitragsbemessung zugrunde liegende Arbeitseinkommen zurückgegriffen werden. Die Vermutung kann widerlegt werden, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass dieses Einkommen erkennbar nicht der tatsächlichen wirtschaftlichen Situation des Versicherten vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit entspricht, weil sein tatsächliches Arbeitseinkommen wesentlich geringer war (BSG; Urt. v. 14.12.2006, - B 1 KR 11/06 R -, bestätigend: Urt. v. 12.03.2013, - B 1 KR 4/12 R -). Der Senat schließt sich auch insoweit der Rechtsprechung des BSG an.
Davon ausgehend kann der Klägerin Mutterschaftsgeld für die streitige Zeit (ab 19.07.2012) nicht gezahlt werden, da sich hinsichtlich der Höhe des ihr dem Grunde nach zustehenden Anspruchs ein (positiver) Zahlbetrag nicht ergibt.
Gem. § 200 Abs. 2 Satz 7 RVO i. V. m. § 47 Abs. 4 Satz 2 SGB V entspricht die Höhe des Mutterschaftsgelds der Höhe des Krankengelds, das der Klägerin im Fall krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit während der streitigen Zeit (19.07.2012 bis 27.10.2012) zu zahlen wäre. Das für die Berechnung dieses Krankengeldbetrags maßgebliche Regelentgelt i. S. d. § 47 Abs. 1 Satz 1 SGB V ist gem. § 47 Abs. 4 Satz 2 SGB V der kalendertägliche Betrag, der zuletzt vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit für die Beitragsbemessung aus dem Arbeitseinkommen der Klägerin maßgebend war. An die Stelle des "Beginns der Arbeitsunfähigkeit" tritt bei Anwendung des § 47 Abs. 4 Satz 2 SGB V über die Verweisungsnorm des § 200 Abs. 2 Satz 7 RVO der Beginn der Mutterschutzfrist nach § 3 Abs. 2 MuSchG, hier also der 19.07.2012. Für die Beitragsbemessung aus Arbeitseinkommen vor diesem Tag sind die zuletzt im Einkommensteuerbescheid des Finanzamts L. für 2010 ausgewiesenen Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb maßgebend gewesen. Diese sind indessen negativ ausgefallen (-6.491 EUR), so dass sich ein (positives) Arbeitseinkommen (§ 15 Abs. 1 SGB IV) nicht ergibt. Die Klägerin ist infolgedessen auch zur Zahlung des Mindestbeitrags herangezogen worden.
Die (positiven) Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb im Jahr 2011 (und auch im Jahr 2012) sind für die Beitragsbemessung zum Stichtag 19.07.2012 nicht von Belang. Die Krankenkassen haben der Beitragsbemessung hauptberuflich selbständig Erwerbstätiger die Einnahmen (Arbeitseinkünfte) zu Grunde zu legen, die die Finanzverwaltung im jeweiligen Steuerbescheid festsetzt. Andere Erkenntnismittel, wie die Angaben in einer Steuererklärung oder Gewinnermittlungen eines Steuerberaters, kommen hierfür nicht in Betracht (vgl. BSG, Urt. v. 02.09.2009, - B 12 KR 21/08 R -). Der Steuerbescheid des Finanzamts L. für 2011, der Einkünfte aus Gewerbebetrieb von 26.995 EUR ausweist, ist erst unter dem 09.08.2012 ergangen. Er kann daher für die Beitragsfestsetzung zum Stichtag 19.07.2012 nicht maßgeblich sein. Daran ändert es nichts, dass die Klägerin (wie alle Steuerpflichtige) keinen Einfluss auf die Bearbeitung der Steuererklärung durch das Finanzamt hat. Die an die Steuerbescheide der Finanzverwaltung gekoppelte und im Hinblick auf die Regelung in § 240 Abs. 4 Satz 6 SGB V (bei Festsetzung (insbesondere) des Höchstbetrags Berücksichtigung niedrigerer Einnahmen erst für die Zukunft ab Vorlage des Steuerbescheids) zeitversetzte Beitragsbemessung bzw. Beitragserhebung ist rechtlich, insbesondere verfassungsrechtlich unbedenklich. Im Hinblick darauf, dass das Gesetz für die Höhe des Mutterschaftsgelds auf die Höhe des Krankengelds Bezug nimmt und damit in der weiteren Folge auch auf die für die Krankengeldberechnung geltenden formellen und materiellen Maßgaben des Gesetzes und der Rechtsprechung verweist, kann für das Mutterschaftsgeld eine Ausnahme nicht gemacht werden, auch wenn die dargestellte Berechnungsweise hier im Einzelfall zum Anspruchsverlust führen kann, während bei der Bemessung der Beiträge selbständig Erwerbstätiger meist, wenngleich nicht immer, die zeitversetzte Beitragsbemessung über die Dauer durch teils zu hohe, teils zu niedrige Beiträge zu einem Ausgleich in der Beitragsbelastung führen wird (vgl. etwa jurisPK-SGB V/Bernsdorff § 240 Rdnr. 35 m. w. N.). Auch angesichts dessen sind die Grenzen der zulässigen Pauschalierung und Typisierung, die dem Gesetzgeber gerade bei zeitnah und ohne besonderen Verwaltungsaufwand auszuzahlenden Entgeltersatzleistungen, wie auch dem Mutterschaftsgeld, zukommt, nicht überschritten.
Die Rechtsprechung des BSG (Urt. v. 14.12.2006, - B 1 KR 11/06 R -) zur Eigenart des § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V als widerlegliche Vermutung kann der Klägerin nicht weiterhelfen, da sie nur die Fallgestaltung erfasst, dass (bei fiktiver Beitragsbemessung nach § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V) das tatsächliche Arbeitseinkommen vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit (hier vor Beginn der Mutterschutzfirst) niedriger, nicht jedoch, dass es höher war als das der Beitragsbemessung (fiktiv) zugrunde gelegte Arbeitseinkommen (auch LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 15.04.2008, - L 11 KR 3606/07 - sowie BSG, Beschl. v. 28.07.2008, - B 1 KR 44/08 B -). Das Krankengeld soll wegen seiner Entgeltersatzfunktion nur nach Maßgabe des tatsächlich ausgefallenen und nicht nach Maßgabe des der Festsetzung des Mindestbeitrags zugrunde gelegten höheren fiktiven Arbeitseinkommens gezahlt werden. Wird nach Festsetzung des Mindestbeitrags in der Folgezeit tatsächlich ein höheres Arbeitseinkommen erzielt, sind daraus zu gegebener Zeit auch höhere Beiträge zu entrichten und das höhere Arbeitseinkommen kann dann auch erst in der Folgezeit für die Berechnung von Krankengeld maßgeblich sein.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved