Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 8 AS 741/15 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 1277/15 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30. März 2015 aufgehoben und der Antrag der Antragstellerin auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.
Der Antrag der Beschwerdegegnerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren L 13 AS 1227/15 ER-B wird abgelehnt.
Gründe:
Die statthafte und zulässige Beschwerde (vgl. §§ 172 Abs. 1 und 173 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) des Antragsgegners und Beschwerdeführers (so im folgenden) ist begründet. Das Sozialgericht Karlsruhe (SG) hat zu Unrecht eine leistungsgewährende Anordnung erlassen. Auf das alleinige Ergebnis einer Folgenabwägung, wie sie im Beschluss vom 30. März 2015 vorgenommen worden ist, kommt es nicht an, da bereits ein Anordnungsgrund ausscheidet. Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (so im folgenden) hat für den Zeitraum vom 4. März 2015 bis 30. April 2015 keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts der Antragsteller vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.).
Vorliegend kommt nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs in der Hauptsache (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der angestrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)). Ist ein Erfolg in der Hauptsache nur möglich, ist im Wege einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange der Antragstellerin zu entscheiden, wenn schwere, über einen wesentlichen Nachteil hinausgehende Beeinträchtigungen drohen (Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 3. Auflage, Rdnr. 359 ff. m.w.N auf die Rechtsprechung des BVerfG). Dies gilt auch im Falle einer komplexen Rechtslage (BVerfG, z.B. Beschlüsse vom 12. Mai 2005, 1 BvR 569/05 und 22. November 2002, 1 BvR 1586/02, veröffentlicht in Juris).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind der Beschwerdegegnerin keine vorläufigen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zur Gewährleistung des Existenzminimums im streitgegenständlichen Zeitraum dem Grunde nach zuzusprechen, denn es fehlt bereits an der Eilbedürftigkeit der angestrebten Regelung, dem Anordnungsgrund. Die Beschwerdegegnerin erfüllt zwar die materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen für die begehrten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II als sie das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze des nach § 7a noch nicht erreicht hat (Nr. 1), erwerbsfähig ist (Nr. 2) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat (Nr. 4).
Umstritten ist, ob sie auch die hilfebedürftig ist (§ 7 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 SGB II). Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält (§ 9 Abs. 1 SGB II). Dabei sind - neben Einkommen (§ 11 SGB II) - als Vermögen alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen (§ 12 Abs. 1 SGB II). Die hier durchzuführende Beweisaufnahme ist Aufgabe des Hauptsacheverfahrens. Vorliegend ist auf Basis der von der Beschwerdegegnerin bereits selbst getätigten Angaben bzw. eingeräumten Sachverhalte eine finanziellen Unterstützung durch Angehörige im Monat März 2015 zugrunde zu legen. Die Zahlung von monatlich 1.000 EUR durch Herrn Ste. ist - ungeachtet dessen persönlicher Stellung zur Beschwerdegegnerin- ebenso unwiderlegt wie Zahlungen von Eltern / Verwandten in Höhe von 650 EUR und wird von der Beschwerdegegnerin auch eingeräumt (Bl. 34 LSG-Akte). Für den Monat April 2015 ist mittlerweile Erwerbseinkommen von 988,00 EUR bestätigt (Bl. 51 LSG-Akte). Die Berechnungen des Beschwerdeführers (Bl. 30 LSG-Akte) sind daher - unabhängig von der Höhe des Trinkgeldes im Einzelnen- nicht zu beanstanden. Danach ist die wirtschaftliche Existenz in dem streitgegenständlichen Zeitraum von 4. März bis 30. April 2015 jedenfalls sichergestellt.
Auf die Ausführungen der Beschwerdegegnerin im Schriftsatz vom 11. April 2015 zu den Lebensumständen des Herrn Ste. kommt es vorliegend nicht an.
Auch nach dem weiteren Vorbringen im Beschwerdeverfahren ergeben sich somit keine Anhaltspunkte, dass ein Anordnungsgrund im Sinne von § 86 b Abs. 2 SGG vorliegt.
Somit ist auch nicht glaubhaft gemacht, dass die Beschwerdegegnerin ohne den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung schwere und unzumutbare anders nicht abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht in der Lage wäre. Auf weitere Umstände und Einzelheiten kommt es angesichts dessen nicht mehr an. Auch die weiteren, von der Beschwerdegegnerin geschilderten Umstände zur Tätigkeit in der Gastronomie sind in diesem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht relevant.
Weiteres zur Rechtsnatur der Zahlungen als Darlehen oder nicht rückzahlbare Zuschüsse zu klären, bleibt Aufgabe eines etwaigen Hauptsacheverfahrens.
Der Beschwerde des Beschwerdeführers war daher stattzugeben, der Beschluss des SG aufzuheben und der Antrag der Beschwerdegegnerin auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abzulehnen.
Da die Beschwerdegegnerin als Antragstellerin zur PKH die nach § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO gesetzte Frist zur Vorlage einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht eingehalten hat und entsprechende aktuelle Angaben nicht vorliegen, lehnt der Senat auch den Antrag von Bewilligung von PKH der Antragstellerin vom 11. April 2015 ab.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.
Der Antrag der Beschwerdegegnerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren L 13 AS 1227/15 ER-B wird abgelehnt.
Gründe:
Die statthafte und zulässige Beschwerde (vgl. §§ 172 Abs. 1 und 173 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) des Antragsgegners und Beschwerdeführers (so im folgenden) ist begründet. Das Sozialgericht Karlsruhe (SG) hat zu Unrecht eine leistungsgewährende Anordnung erlassen. Auf das alleinige Ergebnis einer Folgenabwägung, wie sie im Beschluss vom 30. März 2015 vorgenommen worden ist, kommt es nicht an, da bereits ein Anordnungsgrund ausscheidet. Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (so im folgenden) hat für den Zeitraum vom 4. März 2015 bis 30. April 2015 keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts der Antragsteller vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.).
Vorliegend kommt nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs in der Hauptsache (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der angestrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)). Ist ein Erfolg in der Hauptsache nur möglich, ist im Wege einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange der Antragstellerin zu entscheiden, wenn schwere, über einen wesentlichen Nachteil hinausgehende Beeinträchtigungen drohen (Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 3. Auflage, Rdnr. 359 ff. m.w.N auf die Rechtsprechung des BVerfG). Dies gilt auch im Falle einer komplexen Rechtslage (BVerfG, z.B. Beschlüsse vom 12. Mai 2005, 1 BvR 569/05 und 22. November 2002, 1 BvR 1586/02, veröffentlicht in Juris).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind der Beschwerdegegnerin keine vorläufigen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zur Gewährleistung des Existenzminimums im streitgegenständlichen Zeitraum dem Grunde nach zuzusprechen, denn es fehlt bereits an der Eilbedürftigkeit der angestrebten Regelung, dem Anordnungsgrund. Die Beschwerdegegnerin erfüllt zwar die materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen für die begehrten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II als sie das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze des nach § 7a noch nicht erreicht hat (Nr. 1), erwerbsfähig ist (Nr. 2) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat (Nr. 4).
Umstritten ist, ob sie auch die hilfebedürftig ist (§ 7 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 SGB II). Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält (§ 9 Abs. 1 SGB II). Dabei sind - neben Einkommen (§ 11 SGB II) - als Vermögen alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen (§ 12 Abs. 1 SGB II). Die hier durchzuführende Beweisaufnahme ist Aufgabe des Hauptsacheverfahrens. Vorliegend ist auf Basis der von der Beschwerdegegnerin bereits selbst getätigten Angaben bzw. eingeräumten Sachverhalte eine finanziellen Unterstützung durch Angehörige im Monat März 2015 zugrunde zu legen. Die Zahlung von monatlich 1.000 EUR durch Herrn Ste. ist - ungeachtet dessen persönlicher Stellung zur Beschwerdegegnerin- ebenso unwiderlegt wie Zahlungen von Eltern / Verwandten in Höhe von 650 EUR und wird von der Beschwerdegegnerin auch eingeräumt (Bl. 34 LSG-Akte). Für den Monat April 2015 ist mittlerweile Erwerbseinkommen von 988,00 EUR bestätigt (Bl. 51 LSG-Akte). Die Berechnungen des Beschwerdeführers (Bl. 30 LSG-Akte) sind daher - unabhängig von der Höhe des Trinkgeldes im Einzelnen- nicht zu beanstanden. Danach ist die wirtschaftliche Existenz in dem streitgegenständlichen Zeitraum von 4. März bis 30. April 2015 jedenfalls sichergestellt.
Auf die Ausführungen der Beschwerdegegnerin im Schriftsatz vom 11. April 2015 zu den Lebensumständen des Herrn Ste. kommt es vorliegend nicht an.
Auch nach dem weiteren Vorbringen im Beschwerdeverfahren ergeben sich somit keine Anhaltspunkte, dass ein Anordnungsgrund im Sinne von § 86 b Abs. 2 SGG vorliegt.
Somit ist auch nicht glaubhaft gemacht, dass die Beschwerdegegnerin ohne den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung schwere und unzumutbare anders nicht abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht in der Lage wäre. Auf weitere Umstände und Einzelheiten kommt es angesichts dessen nicht mehr an. Auch die weiteren, von der Beschwerdegegnerin geschilderten Umstände zur Tätigkeit in der Gastronomie sind in diesem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht relevant.
Weiteres zur Rechtsnatur der Zahlungen als Darlehen oder nicht rückzahlbare Zuschüsse zu klären, bleibt Aufgabe eines etwaigen Hauptsacheverfahrens.
Der Beschwerde des Beschwerdeführers war daher stattzugeben, der Beschluss des SG aufzuheben und der Antrag der Beschwerdegegnerin auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abzulehnen.
Da die Beschwerdegegnerin als Antragstellerin zur PKH die nach § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO gesetzte Frist zur Vorlage einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht eingehalten hat und entsprechende aktuelle Angaben nicht vorliegen, lehnt der Senat auch den Antrag von Bewilligung von PKH der Antragstellerin vom 11. April 2015 ab.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
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