Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 7 R 1943/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 1395/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 05.02.2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung der Beklagten, für den Kläger ein anderes Geburtsdatum anstelle des 28.04.1961 anzuerkennen und die Versicherungsnummer dementsprechend abzuändern.
Der in der Türkei geborene Kläger wird von der Beklagten unter der Versicherungsnummer ... Y 002 geführt. Das darin enthaltene Geburtsdatum 28.04.1961 entspricht den Angaben, die der Kläger ursprünglich im Jahr 1979 gegenüber der früher zuständigen LVA Württemberg gemacht hatte. Eine Beanstandung erfolgte damals und auch bei Ausstellung des Sozialversicherungsausweises am 20.12.1979 nicht.
Mit Schreiben vom 23.10.2011 beantragte der Kläger die Berichtigung der Versicherungsnummer. Sein Geburtsdatum in der Türkei sei falsch beurkundet worden. Er sei tatsächlich entweder im Jahr 1955 oder 1956 geboren worden. Es sei seinerzeit nicht üblich gewesen, dass eine Geburt sofort beurkundet worden sei. Seine Eltern hätten auch nicht lesen oder schreiben können. 1966 habe die Familie wegen eines Erdbebens umziehen müssen. Er legte eine Schulbescheinigung vom 06.08.2010 vor, wonach er 1964/65 in der ersten Klasse Schüler gewesen sei. Hieraus ergebe sich, dass er nicht 1961 geboren sein könne.
Die Beklagte bat den Kläger um Vorlage einer Taufurkunde und ließ die vorgelegte Bescheinigung übersetzen. In der Schulbescheinigung heißt es ua, dass der Kläger im Schuljahr 1965/66 in der zweiten Klasse gewesen und als 1961 Geborener eingetragen gewesen sei (Blatt 5 Verwaltungsakte).
Der Kläger teilte mit, über keine Taufurkunde zu verfügen.
Mit Bescheid vom 11.01.2011 (Blatt 12 Verwaltungsakte) lehnte die Beklagte den Antrag auf Änderung der Versicherungsnummer und Anerkennung eines abweichenden Geburtsdatums ab. Der Kläger habe keine Urkunden vorgelegt, aus denen ein anderes Geburtsdatum als das bisher festgestellte hervorgehe. Rechtsmittel gegen diesen Bescheid wurden nicht eingelegt.
Am 24.04.2012 beantragte der Kläger erneut die Berichtigung des Geburtsdatums der Versicherungsnummer (Blatt 21 Verwaltungsakte). Er legte eine notariell beurkundete eidesstattliche Versicherung des Herrn T. A. vom 17.11.2010 vor (Blatt 30 Verwaltungsakte), in welcher dieser erklärt, dass der Kläger im Jahre 1955 bzw im Jahre 1956 geboren sei.
Die Beklagte teilte mit Schreiben vom 09.05.2012 (Bl 34 Verwaltungsakte) und 31.10.2012 mit, dass es bei der im Bescheid vom 11.01.2011 getroffenen Entscheidung verbleibe.
Mit Schriftsatz vom 28.11.2012 (Blatt 41 Verwaltungsakte) erklärten die Prozessbevollmächtigten des Klägers, das Begehren bleibe aufrecht erhalten. Es werde aber "nunmehr eine Berichtigung auf das Jahr 1957 angestrebt". Ein genauer Geburtstag des Klägers wurde nicht genannt. Es wurde die Kopie eines Schulabschlusszeugnisses des Klägers vom 08.10.1972 vorgelegt. Darin wird als Geburtsdatum der 28.04.1961 genannt (Blatt 42a Verwaltungsakte).
Mit Bescheid vom 11.12.2012 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Geburtsjahres 1957 und die Änderung der Versicherungsnummer ab.
Hiergegen erhob der Kläger am 07.01.2013 Widerspruch. Es sei zwar richtig, dass das Abschlusszeugnis von 1972 das Geburtsdatum 28.04.1961 bestätige, dies könne aber nicht stimmen. In der Türkei würden Kinder üblicherweise mit sieben Jahren eingeschult, die Schulzeit dauere üblicherweise acht Jahre, hieraus sei zu schlussfolgern, dass der Kläger 1957 geboren sei. Er legte einen Auszug aus dem Grundschulbuch vor, aus welchem sich ergebe, dass er mit sieben Jahren eingeschult worden sei (Blatt 57 Verwaltungsakte).
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 22.07.2013 als unbegründet zurückgewiesen (Blatt 61 Verwaltungsakte). Der Kläger habe keine Urkunden vorgelegt, die vor dem Eintritt in die deutsche gesetzliche Rentenversicherung erstellt worden seien, die ein anderes Geburtsdatum nachweise. Im Gegenteil bestätige das vorgelegte Abschlusszeugnis das bisher zu Grunde gelegte Geburtsdatum 28.04.1961.
Hiergegen hat der Kläger am 31.07.2013 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Zur Begründung hat er sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Er ist der Auffassung, dass nicht nur Urkunden, sondern sämtliche Umstände, die aus Unterlagen und Urkunden hervorgingen, bei der Bestimmung des richtigen Geburtsdatums zu berücksichtigen seien. Er hat eine Kopie der Einberufung seines Bruder zum Militärdienst 1958 vorgelegt. Seine Schwägerin könne bezeugen, dass er damals bereits gelebt und etwa ein Jahr alt gewesen sei.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Ein früheres Geburtsdatum des Klägers sei nicht nachgewiesen. In den fünfziger und sechziger Jahren hätte es in der Türkei eine große Spannweite beim Einschulalter gegeben, wie das Bayerische Landessozialgericht in einer Entscheidung vom 05.08.2009 (L 14 R 65/08) herausgearbeitet habe.
Mit Urteil vom 05.02.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Die angegriffenen Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten. Er habe keinen Anspruch auf Berichtigung seiner Versicherungsnummer auf das Geburtsjahr 1957. Es würde keine Urkunde vorliegen, deren Original vor dem Zeitpunkt der ersten Angabe des Klägers gegenüber der Deutschen Rentenversicherungen 1979 ausgestellt worden sei. Das vorgelegte Schulabschlusszeugnis von 1972 weise als Geburtsdatum den 28.04.1961 aus. Aus der Einberufung des Bruders des Klägers zum Militärdienst ergebe sich nicht, wann der Kläger geboren sei. Andere Urkunden würden nicht vorliegen.
Gegen das seinem Bevollmächtigten gegen Empfangsbekenntnis am 25.02.2014 zugestellte Urteil des SG hat der Kläger am 21.03.2014 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Er hat sein bisheriges Vorbringen wiederholt. Der im Verwaltungsverfahren vorgelegte undatierte Auszug aus dem Grundschulbuch, in welchem er als Siebenjähriger bezeichnet werde, sei aus dem Jahr 1964/65 wie sich mittlerweile herausgestellt habe (Blatt 25 Senatsakte).
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 05.02.2014 und den Bescheid der Beklagten vom 09.05.2012 in der Fassung des Bescheids vom 11.12.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.07.2013 aufzuheben und die Beklagte unter Zurücknahme des Bescheids vom 11.01.2011 zu verurteilen, ihm eine neue Versicherungsnummer unter Zugrundelegung des Geburtsjahres 1957 zu vergeben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie nimmt auf die Begründungen der angefochtenen Bescheide und die Ausführungen des SG Bezug.
In einem Erörterungstermin am 25.09.2014 hat der Berichterstatter insbesondere auf die veranlasste und vorgelegte notariell beurkundete eidesstattliche Versicherung des Herrn A. vom 16.11.2010 und die Tatsache, dass der Kläger im bisherigen Verfahren drei verschiedene Geburtsjahre (1955, 1956, 1957) angegeben habe, hingewiesen. Der Berichterstatter hat weiter darauf hingewiesen, dass der Senat erwäge, nach § 192 Sozialgerichtsgesetz (SGG) dem Kläger Kosten aufzuerlegen, weil die Fortführung des Rechtsstreits missbräuchlich und offensichtlich aussichtslos sei. Der Berichterstatter hat die Beteiligten auch darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtige, die Berufung gemäß § 153 Abs 4 SGG durch Beschluss ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter zurückzuweisen, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte.
Der Kläger hat hierauf mitgeteilt, dass er weitere Unterlagen bei der türkischen Botschaft beschaffen wolle, die sein richtiges Geburtsdatum nachweisen würden.
Mit Schriftsatz vom 12.01.2015 hat der Kläger ein Schreiben des Amtsbezirks Varto vom 19.11.2014 vorgelegt, wonach im Jahr 1967 das Mindestalter für eine Grundschulaufnahme sieben Jahre betragen habe. Da er 1964 eingeschult worden sei, müsse er 1957 geboren sein.
Mit Schreiben vom 23.03.2015 hat der Berichterstatter den Beteiligten mitgeteilt, dass der Senat weiterhin beabsichtige, die Berufung nach § 153 Abs 4 SGG ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss zurückzuweisen, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte. Die Beteiligten Gelegenheit zur Äußerung bis zum 15.04.2015 erhalten.
Die Beklagte hat sich mit der vorgesehenen Verfahrensweise einverstanden erklärt.
Der Kläger hat mit Schreiben vom 07.04.2015 beantragt, seine Schwägerin Frau G. Y. als Zeugin zu vernehmen. Da ein Erdbeben im Jahr 1966 viele Dokumente zerstört habe, müsse es ihm ermöglicht werden, auch auf andere Art und Weise sein tatsächliches Geburtsdatum nachzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.
Streitgegenstand ist nicht nur der Bescheid vom 11.12.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.07.2013, sondern, da die Beklagte mit Bescheid vom 09.05.2012 die Rücknahme des bestandskräftigen Bescheids vom 11.01.2011 abgelehnt hat, auch diese Bescheide. Der Senat hat unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsprinzips das Begehren des Klägers dahingehend ausgelegt, dass er auch gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) die Rücknahme des Bescheids vom 11.01.2011 begehrt, mit dem die Beklagte bestandskräftig die Änderung der Versicherungsnummer abgelehnt hatte. Der Bescheid vom 09.05.2012 hat keine Rechtsmittelbelehrung enthalten, weshalb der Widerspruch (Schreiben des Klägers vom 05.10.2012, bei der Beklagten am 22.10.2012 eingegangen), rechtzeitig war (§ 66 Abs 2 S 1 SGG).
Der Kläger verfolgt sein Begehren zulässigerweise im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG; Bundessozialgericht (BSG) 28.04.2004, B 5 RJ 33/03 R, juris), denn jedenfalls die Neuvergabe einer Versicherungsnummer stellt einen Verwaltungsakt dar (BSG 05.04.2001, B 13 RJ 35/00 R, BSGE 88, 89 = SozR 3-1200 § 33a Nr 4).
Der Bescheid der Beklagten vom 09.05.2012 in der Fassung des Bescheids vom 11.12.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.07.2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Auch der Bescheid der Beklagten vom 11.01.2011 ist rechtmäßig und hat weder das Recht unrichtig angewandt, noch ist er von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen.
Der Senat weist die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter gemäß § 153 Abs 4 SGG zurück, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden.
Die Voraussetzungen des § 44 Abs 2 SGB X für die Rücknahme des Bescheids vom 11.01.2011 liegen nicht vor. Danach ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
Der Bescheid vom 11.02.2011 ist rechtmäßig. Dies gilt auch für den Bescheid vom 09.05.2012, mit dem die Zurücknahme des Bescheids vom 11.01.2011 abgelehnt worden ist und den Bescheid vom 11.12.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.07.2013, mit dem erneut die Neuvergabe einer Versicherungsnummer abgelehnt worden ist. All diesen Bescheiden liegt jeweils die zutreffende Annahme der Beklagten zu Grunde, dass die Versicherungsnummer des Klägers nicht neu zu vergeben ist, weder unter Berücksichtigung eines Geburtsjahres 1957 noch 1956 noch 1955.
Rechtsgrundlagen für die Neuvergabe einer Versicherungsnummer sind § 147 und § 152 Nr 3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) iVm der Verordnung über die Versicherungsnummer, die Kontoführung und den Versicherungsverlauf in der gesetzlichen Rentenversicherung (Versicherungsnummern-, Kontoführungs- und Versicherungsverlauf-Verordnung - VKVV) vom 30.03.2001 (BGBl I S 475) in der Fassung vom 09.12.2004 (BGBl I S 3242). Danach kann die Datenstelle der Träger der Rentenversicherung für Personen eine Versicherungsnummer vergeben, wenn dies zur personenbezogenen Zuordnung der Daten für die Erfüllung einer gesetzlichen Aufgabe nach diesem Gesetzbuch erforderlich oder dies durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmt ist. Für die nach diesem Buche versicherten Personen hat sie eine Versicherungsnummer zu vergeben (§ 147 Abs 1 SGB VI). Nach Abs 2 der Regelung setzt sich die Versicherungsnummer zusammen aus der Bereichsnummer des zuständigen Trägers der Rentenversicherung, dem Geburtsdatum, dem Anfangsbuchstaben des Geburtsnamens, der Seriennummer, die auch eine Aussage über das Geschlecht einer Person enthalten darf, und der Prüfziffer. § 152 Nr 3 SGB VI ermächtigt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über die Zusammensetzung der Versicherungsnummer sowie über ihre Änderung zu bestimmen. Die auf dieser Ermächtigungsgrundlage erlassene VKVV regelt in § 3 Abs 1 das Nähere über die Berichtigung der Versicherungsnummer. Hiernach wird eine Versicherungsnummer nur einmal vergeben und nicht berichtigt (Satz 1). Versicherungsnummern, in denen das Geburtsdatum oder die Seriennummer unrichtig sind oder Versicherungsnummern, die aufgrund einer nach § 33a SGB I zu berücksichtigenden Änderung des Geburtsdatums fehlerhaft geworden sind, werden gesperrt (Satz 2). Die Versicherten erhalten eine neue Versicherungsnummer (Satz 3).
Die Frage, welches Geburtsdatum Bestandteil der Versicherungsnummer ist, richtet sich nach § 33a SGB I. Nach dessen Abs 1 iVm Abs 3 ist das Geburtsdatum maßgebend, das sich aus der ersten Angabe des Berechtigten oder Verpflichteten oder seiner Angehörigen gegenüber einem Sozialleistungsträger oder, soweit es sich um eine Angabe im Rahmen des 3. oder 6. Abschnitt des 4. Buches handelt, gegenüber dem Arbeitgeber ergibt. Nach Abs 2 der Regelung darf von einem nach Abs 1 maßgebenden Geburtsdatum nur abgewichen werden, wenn der zuständige Leistungsträger feststellt, dass (1.) ein Schreibfehler vorliegt oder (2.) sich aus einer Urkunde, deren Original vor dem Zeitpunkt der Angabe nach Abs 1 ausgestellt worden ist, ein anderes Geburtsdatum ergibt.
Mit § 33a SGB I hat der Gesetzgeber die Anknüpfung an das "wahre" Geburtsdatum aufgegeben und - zur Vermeidung einer dafür besonders verwaltungsintensiven Prüfung und um missbräuchliche Inanspruchnahme von Leistungen vorzubeugen - das im Geltungsbereich des SGB für altersabhängige Rechte und Pflichten maßgebende Geburtsdatum eigenständig definiert (BSG 28.04.2004, aaO unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung BT-Drucks 13/8994, S 67 zu Art 1a). Für die Beurteilung der Frage, ob sich aus einer Urkunde, deren Original vor dem Zeitpunkt der Angabe nach Abs 1 ausgestellt worden ist, ein anderes Geburtsdatum ergibt, können nicht nur Personenstandsunterlagen oder nur solche Urkunden herangezogen werden, die das Geburtsdatum unmittelbar selbst dokumentieren (BSG 28.04.2004, aaO). Durch § 33a SGB I wird vom Zeitpunkt der Erstangabe an der Untersuchungsgrundsatz dahingehend eingeschränkt, dass nur Urkunden, die (im Original) vor diesem Zeitpunkt ausgestellt worden sind, zulässigerweise als Beweismittel verwendet werden dürfen. § 33a Abs 2 SGB I gilt insoweit als spezielle Regelung mit Vorrang vor § 60 und den §§ 20 f Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X; vgl Senatsurteil vom 24.06.2014, L 11 R 2651/13).
Unter Berücksichtigung der genannten Vorschriften hat der Kläger keinen Anspruch auf Vergabe einer neuen Versicherungsnummer unter Berücksichtigung eines Geburtsjahres 1957, auch nicht 1955 oder 1956. Nach den in der Verwaltungsakte enthaltenen Unterlagen hat der Kläger erstmals 1979 gegenüber einem Sozialleistungsträger, der LVA Württemberg, das Geburtsdatum 28.04.1961 angegeben. Nicht entscheidend ist, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt möglicherweise keine Kenntnis seines tatsächlichen Geburtsdatums hatte (LSG Berlin-Brandenburg 17.03.2009, L 3 R 966/07, juris; Fastabend in Hauck/Noftz, SGB I, § 33a Rn 12).
Ein Schreibfehler hat 1979 nicht vorgelegen. Dies setzt nach allgemeinem Sprachgebrauch voraus, dass von einer mündlichen oder schriftlichen Vorgabe schriftlich unbewusst abgewichen wird, also sich das Gewollte von dem tatsächlich Geschriebenen unterscheidet. Eine bewusst falsche Angabe oder die Angabe eines fiktiven Datums kann daher kein Schreibfehler sein (vgl Weselski in JurisPK-SGB I, § 33a Rn 41). Da ein Schreibfehler im Sinne von § 33a Abs 2 Nr 1 SGB I offensichtlich nicht vorliegt, ist das Geburtsdatum nur dann nach Maßgabe des § 33a Abs 2 Nr 2 SGB I unrichtig, wenn eine Urkunde vorgelegt wird, deren Original vor 1979 ausgestellt worden ist und sich aus dieser ein Geburtsdatum mit dem Jahr 1957 (bzw 1955 oder 1956) ergäbe.
Für die Frage, welche Tatsachen durch eine Urkunde bewiesen werden, und für deren Echtheit gelten nach § 118 SGG die besonderen Beweisregeln der §§ 415 bis 419 ZPO bzw die §§ 437 bis 440 ZPO entsprechend. Dabei besteht die Verpflichtung, von der Behörde eines anderen Mitgliedstaates ausgestellte Urkunden zu beachten, sofern deren Richtigkeit nicht durch konkrete, auf den Einzelfall bezogene Anhaltspunkte ernstlich in Frage gestellt ist (EuGH 02.12.1997, C-336/94, SozR 3-7670 § 66 Nr 1). Im Übrigen entscheidet das Gericht insbesondere über die Frage, welche Bedeutung die durch eine Urkunde iS der Beweisregeln bewiesenen Tatsachen für das Beweisthema haben, in freier Beweiswürdigung (BSG 28.04.2004, B 5 RJ 33/03 R, SGb 2004, 697). Ausschlaggebend ist, ob zur vollen Überzeugung des Gerichts (BSG 05.04.2001, B 13 RJ 35/00 R, BSGE 88, 89, SozR 3-1200 § 33a Nr 4 Rn 24) festgestellt werden kann, dass eine Urkunde, deren Original vor dem Zeitpunkt der ersten Angabe iS des § 33a Abs 1 SGB I ausgestellt worden ist, ein anderes Geburtsdatum ergibt. Dies ist jedoch vorliegend nicht der Fall. Der Senat konnte sich nach dem Ergebnis des Akteninhalts und der vorgelegten Urkunden nicht davon überzeugen, dass der Kläger 1957 geboren ist.
Die vom Kläger vorgelegte eidesstattliche Versicherung des Herrn T. A. vom 17.11.2010 ist zwar eine Urkunde, die aber ein Geburtsjahr 1955 oder 1956 nennt, was mit dem zuletzt vorgebrachten Klagebegehren – Geburtsjahr 1957 - nicht übereinstimmt. Sie stammt auch nicht aus einer Zeit vor der Erstangabe des Klägers gegenüber einem Sozialleistungsträger aus dem Jahr 1979. Der Inhalt der eidesstattlichen Versicherung spricht allerdings dagegen, aus dem vorgelegten Schülerregister die vom Kläger gewünschte Schlussfolgerung zu ziehen, 1957 sei das Geburtsjahr des Klägers. Der vorgelegte Auszug aus dem Grundschulbuch, in welchem der Kläger als Siebenjähriger bezeichnet wird, nennt kein Geburtsdatum. Ein Schülerregister kann zwar eine Urkunde iSv § 33a Abs 2 SGB I sein und es ist auch nicht erforderlich, dass eine Urkunde ein konkretes Geburtsdatum enthält (vgl BSG 28.04.2004, B 5 RJ 33/03 R, SGb 2004, 697). Es genügt, wenn die durch die Urkunde bewiesenen Tatsachen zur vollen Überzeugung des Gerichts auf ein abweichendes Geburtsdatum iSv § 33a Abs 2 SGB I schließen lassen (BSG 05.04.2001, B 13 RJ 35/00 R aaO; 28.04.2004, B 5 RJ 33/03 R aaO). Der vom Kläger gewünschten Schlussfolgerung aus dem Schülerregister widerspricht neben der vom Kläger selbst vorgelegten eidesstaatlichen Versicherung insbesondere das Schulabschlusszeugnis des Klägers vom 08.10.1972, das als einzige Urkunde, die vor dem Jahr 1979 ausgestellt worden ist, ein genaues Geburtsdatum ausweist. Das darin enthaltene Geburtsdatum 28.04.1961 entspricht genau den Angaben, die der Kläger ursprünglich im Jahr 1979 gegenüber der früher zuständigen LVA Württemberg gemacht hatte. Eine Beanstandung erfolgte damals und auch bei Ausstellung des Sozialversicherungsausweises am 20.12.1979 nicht. Der Senat ist daher von der inhaltlichen Richtigkeit dieser Urkunde überzeugt und konnte sich umgekehrt nicht davon überzeugen, dass sich aus dem Schülerregister ein abweichendes Geburtsdatum ergibt. Weitere Urkunden, die vor dem Jahr 1979 ausgestellt worden sind, liegen nicht vor.
Auf das Beweisangebot der Vernehmung der Schwägerin des Klägers konnte der Senat mangels Urkundenqualität verzichten. Es ist auch weder ersichtlich noch vorgetragen, dass die Schwägerin des Klägers konkrete Angaben zu den bereits vorliegenden Urkunden machen könnte. Der mit Schriftsatz vom 07.04.2015 gestellt Antrag, Frau G. Y. als Zeugin zu vernehmen, wird daher abgelehnt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGB).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung der Beklagten, für den Kläger ein anderes Geburtsdatum anstelle des 28.04.1961 anzuerkennen und die Versicherungsnummer dementsprechend abzuändern.
Der in der Türkei geborene Kläger wird von der Beklagten unter der Versicherungsnummer ... Y 002 geführt. Das darin enthaltene Geburtsdatum 28.04.1961 entspricht den Angaben, die der Kläger ursprünglich im Jahr 1979 gegenüber der früher zuständigen LVA Württemberg gemacht hatte. Eine Beanstandung erfolgte damals und auch bei Ausstellung des Sozialversicherungsausweises am 20.12.1979 nicht.
Mit Schreiben vom 23.10.2011 beantragte der Kläger die Berichtigung der Versicherungsnummer. Sein Geburtsdatum in der Türkei sei falsch beurkundet worden. Er sei tatsächlich entweder im Jahr 1955 oder 1956 geboren worden. Es sei seinerzeit nicht üblich gewesen, dass eine Geburt sofort beurkundet worden sei. Seine Eltern hätten auch nicht lesen oder schreiben können. 1966 habe die Familie wegen eines Erdbebens umziehen müssen. Er legte eine Schulbescheinigung vom 06.08.2010 vor, wonach er 1964/65 in der ersten Klasse Schüler gewesen sei. Hieraus ergebe sich, dass er nicht 1961 geboren sein könne.
Die Beklagte bat den Kläger um Vorlage einer Taufurkunde und ließ die vorgelegte Bescheinigung übersetzen. In der Schulbescheinigung heißt es ua, dass der Kläger im Schuljahr 1965/66 in der zweiten Klasse gewesen und als 1961 Geborener eingetragen gewesen sei (Blatt 5 Verwaltungsakte).
Der Kläger teilte mit, über keine Taufurkunde zu verfügen.
Mit Bescheid vom 11.01.2011 (Blatt 12 Verwaltungsakte) lehnte die Beklagte den Antrag auf Änderung der Versicherungsnummer und Anerkennung eines abweichenden Geburtsdatums ab. Der Kläger habe keine Urkunden vorgelegt, aus denen ein anderes Geburtsdatum als das bisher festgestellte hervorgehe. Rechtsmittel gegen diesen Bescheid wurden nicht eingelegt.
Am 24.04.2012 beantragte der Kläger erneut die Berichtigung des Geburtsdatums der Versicherungsnummer (Blatt 21 Verwaltungsakte). Er legte eine notariell beurkundete eidesstattliche Versicherung des Herrn T. A. vom 17.11.2010 vor (Blatt 30 Verwaltungsakte), in welcher dieser erklärt, dass der Kläger im Jahre 1955 bzw im Jahre 1956 geboren sei.
Die Beklagte teilte mit Schreiben vom 09.05.2012 (Bl 34 Verwaltungsakte) und 31.10.2012 mit, dass es bei der im Bescheid vom 11.01.2011 getroffenen Entscheidung verbleibe.
Mit Schriftsatz vom 28.11.2012 (Blatt 41 Verwaltungsakte) erklärten die Prozessbevollmächtigten des Klägers, das Begehren bleibe aufrecht erhalten. Es werde aber "nunmehr eine Berichtigung auf das Jahr 1957 angestrebt". Ein genauer Geburtstag des Klägers wurde nicht genannt. Es wurde die Kopie eines Schulabschlusszeugnisses des Klägers vom 08.10.1972 vorgelegt. Darin wird als Geburtsdatum der 28.04.1961 genannt (Blatt 42a Verwaltungsakte).
Mit Bescheid vom 11.12.2012 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Geburtsjahres 1957 und die Änderung der Versicherungsnummer ab.
Hiergegen erhob der Kläger am 07.01.2013 Widerspruch. Es sei zwar richtig, dass das Abschlusszeugnis von 1972 das Geburtsdatum 28.04.1961 bestätige, dies könne aber nicht stimmen. In der Türkei würden Kinder üblicherweise mit sieben Jahren eingeschult, die Schulzeit dauere üblicherweise acht Jahre, hieraus sei zu schlussfolgern, dass der Kläger 1957 geboren sei. Er legte einen Auszug aus dem Grundschulbuch vor, aus welchem sich ergebe, dass er mit sieben Jahren eingeschult worden sei (Blatt 57 Verwaltungsakte).
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 22.07.2013 als unbegründet zurückgewiesen (Blatt 61 Verwaltungsakte). Der Kläger habe keine Urkunden vorgelegt, die vor dem Eintritt in die deutsche gesetzliche Rentenversicherung erstellt worden seien, die ein anderes Geburtsdatum nachweise. Im Gegenteil bestätige das vorgelegte Abschlusszeugnis das bisher zu Grunde gelegte Geburtsdatum 28.04.1961.
Hiergegen hat der Kläger am 31.07.2013 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Zur Begründung hat er sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Er ist der Auffassung, dass nicht nur Urkunden, sondern sämtliche Umstände, die aus Unterlagen und Urkunden hervorgingen, bei der Bestimmung des richtigen Geburtsdatums zu berücksichtigen seien. Er hat eine Kopie der Einberufung seines Bruder zum Militärdienst 1958 vorgelegt. Seine Schwägerin könne bezeugen, dass er damals bereits gelebt und etwa ein Jahr alt gewesen sei.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Ein früheres Geburtsdatum des Klägers sei nicht nachgewiesen. In den fünfziger und sechziger Jahren hätte es in der Türkei eine große Spannweite beim Einschulalter gegeben, wie das Bayerische Landessozialgericht in einer Entscheidung vom 05.08.2009 (L 14 R 65/08) herausgearbeitet habe.
Mit Urteil vom 05.02.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Die angegriffenen Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten. Er habe keinen Anspruch auf Berichtigung seiner Versicherungsnummer auf das Geburtsjahr 1957. Es würde keine Urkunde vorliegen, deren Original vor dem Zeitpunkt der ersten Angabe des Klägers gegenüber der Deutschen Rentenversicherungen 1979 ausgestellt worden sei. Das vorgelegte Schulabschlusszeugnis von 1972 weise als Geburtsdatum den 28.04.1961 aus. Aus der Einberufung des Bruders des Klägers zum Militärdienst ergebe sich nicht, wann der Kläger geboren sei. Andere Urkunden würden nicht vorliegen.
Gegen das seinem Bevollmächtigten gegen Empfangsbekenntnis am 25.02.2014 zugestellte Urteil des SG hat der Kläger am 21.03.2014 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Er hat sein bisheriges Vorbringen wiederholt. Der im Verwaltungsverfahren vorgelegte undatierte Auszug aus dem Grundschulbuch, in welchem er als Siebenjähriger bezeichnet werde, sei aus dem Jahr 1964/65 wie sich mittlerweile herausgestellt habe (Blatt 25 Senatsakte).
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 05.02.2014 und den Bescheid der Beklagten vom 09.05.2012 in der Fassung des Bescheids vom 11.12.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.07.2013 aufzuheben und die Beklagte unter Zurücknahme des Bescheids vom 11.01.2011 zu verurteilen, ihm eine neue Versicherungsnummer unter Zugrundelegung des Geburtsjahres 1957 zu vergeben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie nimmt auf die Begründungen der angefochtenen Bescheide und die Ausführungen des SG Bezug.
In einem Erörterungstermin am 25.09.2014 hat der Berichterstatter insbesondere auf die veranlasste und vorgelegte notariell beurkundete eidesstattliche Versicherung des Herrn A. vom 16.11.2010 und die Tatsache, dass der Kläger im bisherigen Verfahren drei verschiedene Geburtsjahre (1955, 1956, 1957) angegeben habe, hingewiesen. Der Berichterstatter hat weiter darauf hingewiesen, dass der Senat erwäge, nach § 192 Sozialgerichtsgesetz (SGG) dem Kläger Kosten aufzuerlegen, weil die Fortführung des Rechtsstreits missbräuchlich und offensichtlich aussichtslos sei. Der Berichterstatter hat die Beteiligten auch darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtige, die Berufung gemäß § 153 Abs 4 SGG durch Beschluss ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter zurückzuweisen, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte.
Der Kläger hat hierauf mitgeteilt, dass er weitere Unterlagen bei der türkischen Botschaft beschaffen wolle, die sein richtiges Geburtsdatum nachweisen würden.
Mit Schriftsatz vom 12.01.2015 hat der Kläger ein Schreiben des Amtsbezirks Varto vom 19.11.2014 vorgelegt, wonach im Jahr 1967 das Mindestalter für eine Grundschulaufnahme sieben Jahre betragen habe. Da er 1964 eingeschult worden sei, müsse er 1957 geboren sein.
Mit Schreiben vom 23.03.2015 hat der Berichterstatter den Beteiligten mitgeteilt, dass der Senat weiterhin beabsichtige, die Berufung nach § 153 Abs 4 SGG ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss zurückzuweisen, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte. Die Beteiligten Gelegenheit zur Äußerung bis zum 15.04.2015 erhalten.
Die Beklagte hat sich mit der vorgesehenen Verfahrensweise einverstanden erklärt.
Der Kläger hat mit Schreiben vom 07.04.2015 beantragt, seine Schwägerin Frau G. Y. als Zeugin zu vernehmen. Da ein Erdbeben im Jahr 1966 viele Dokumente zerstört habe, müsse es ihm ermöglicht werden, auch auf andere Art und Weise sein tatsächliches Geburtsdatum nachzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.
Streitgegenstand ist nicht nur der Bescheid vom 11.12.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.07.2013, sondern, da die Beklagte mit Bescheid vom 09.05.2012 die Rücknahme des bestandskräftigen Bescheids vom 11.01.2011 abgelehnt hat, auch diese Bescheide. Der Senat hat unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsprinzips das Begehren des Klägers dahingehend ausgelegt, dass er auch gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) die Rücknahme des Bescheids vom 11.01.2011 begehrt, mit dem die Beklagte bestandskräftig die Änderung der Versicherungsnummer abgelehnt hatte. Der Bescheid vom 09.05.2012 hat keine Rechtsmittelbelehrung enthalten, weshalb der Widerspruch (Schreiben des Klägers vom 05.10.2012, bei der Beklagten am 22.10.2012 eingegangen), rechtzeitig war (§ 66 Abs 2 S 1 SGG).
Der Kläger verfolgt sein Begehren zulässigerweise im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG; Bundessozialgericht (BSG) 28.04.2004, B 5 RJ 33/03 R, juris), denn jedenfalls die Neuvergabe einer Versicherungsnummer stellt einen Verwaltungsakt dar (BSG 05.04.2001, B 13 RJ 35/00 R, BSGE 88, 89 = SozR 3-1200 § 33a Nr 4).
Der Bescheid der Beklagten vom 09.05.2012 in der Fassung des Bescheids vom 11.12.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.07.2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Auch der Bescheid der Beklagten vom 11.01.2011 ist rechtmäßig und hat weder das Recht unrichtig angewandt, noch ist er von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen.
Der Senat weist die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter gemäß § 153 Abs 4 SGG zurück, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden.
Die Voraussetzungen des § 44 Abs 2 SGB X für die Rücknahme des Bescheids vom 11.01.2011 liegen nicht vor. Danach ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
Der Bescheid vom 11.02.2011 ist rechtmäßig. Dies gilt auch für den Bescheid vom 09.05.2012, mit dem die Zurücknahme des Bescheids vom 11.01.2011 abgelehnt worden ist und den Bescheid vom 11.12.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.07.2013, mit dem erneut die Neuvergabe einer Versicherungsnummer abgelehnt worden ist. All diesen Bescheiden liegt jeweils die zutreffende Annahme der Beklagten zu Grunde, dass die Versicherungsnummer des Klägers nicht neu zu vergeben ist, weder unter Berücksichtigung eines Geburtsjahres 1957 noch 1956 noch 1955.
Rechtsgrundlagen für die Neuvergabe einer Versicherungsnummer sind § 147 und § 152 Nr 3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) iVm der Verordnung über die Versicherungsnummer, die Kontoführung und den Versicherungsverlauf in der gesetzlichen Rentenversicherung (Versicherungsnummern-, Kontoführungs- und Versicherungsverlauf-Verordnung - VKVV) vom 30.03.2001 (BGBl I S 475) in der Fassung vom 09.12.2004 (BGBl I S 3242). Danach kann die Datenstelle der Träger der Rentenversicherung für Personen eine Versicherungsnummer vergeben, wenn dies zur personenbezogenen Zuordnung der Daten für die Erfüllung einer gesetzlichen Aufgabe nach diesem Gesetzbuch erforderlich oder dies durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmt ist. Für die nach diesem Buche versicherten Personen hat sie eine Versicherungsnummer zu vergeben (§ 147 Abs 1 SGB VI). Nach Abs 2 der Regelung setzt sich die Versicherungsnummer zusammen aus der Bereichsnummer des zuständigen Trägers der Rentenversicherung, dem Geburtsdatum, dem Anfangsbuchstaben des Geburtsnamens, der Seriennummer, die auch eine Aussage über das Geschlecht einer Person enthalten darf, und der Prüfziffer. § 152 Nr 3 SGB VI ermächtigt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über die Zusammensetzung der Versicherungsnummer sowie über ihre Änderung zu bestimmen. Die auf dieser Ermächtigungsgrundlage erlassene VKVV regelt in § 3 Abs 1 das Nähere über die Berichtigung der Versicherungsnummer. Hiernach wird eine Versicherungsnummer nur einmal vergeben und nicht berichtigt (Satz 1). Versicherungsnummern, in denen das Geburtsdatum oder die Seriennummer unrichtig sind oder Versicherungsnummern, die aufgrund einer nach § 33a SGB I zu berücksichtigenden Änderung des Geburtsdatums fehlerhaft geworden sind, werden gesperrt (Satz 2). Die Versicherten erhalten eine neue Versicherungsnummer (Satz 3).
Die Frage, welches Geburtsdatum Bestandteil der Versicherungsnummer ist, richtet sich nach § 33a SGB I. Nach dessen Abs 1 iVm Abs 3 ist das Geburtsdatum maßgebend, das sich aus der ersten Angabe des Berechtigten oder Verpflichteten oder seiner Angehörigen gegenüber einem Sozialleistungsträger oder, soweit es sich um eine Angabe im Rahmen des 3. oder 6. Abschnitt des 4. Buches handelt, gegenüber dem Arbeitgeber ergibt. Nach Abs 2 der Regelung darf von einem nach Abs 1 maßgebenden Geburtsdatum nur abgewichen werden, wenn der zuständige Leistungsträger feststellt, dass (1.) ein Schreibfehler vorliegt oder (2.) sich aus einer Urkunde, deren Original vor dem Zeitpunkt der Angabe nach Abs 1 ausgestellt worden ist, ein anderes Geburtsdatum ergibt.
Mit § 33a SGB I hat der Gesetzgeber die Anknüpfung an das "wahre" Geburtsdatum aufgegeben und - zur Vermeidung einer dafür besonders verwaltungsintensiven Prüfung und um missbräuchliche Inanspruchnahme von Leistungen vorzubeugen - das im Geltungsbereich des SGB für altersabhängige Rechte und Pflichten maßgebende Geburtsdatum eigenständig definiert (BSG 28.04.2004, aaO unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung BT-Drucks 13/8994, S 67 zu Art 1a). Für die Beurteilung der Frage, ob sich aus einer Urkunde, deren Original vor dem Zeitpunkt der Angabe nach Abs 1 ausgestellt worden ist, ein anderes Geburtsdatum ergibt, können nicht nur Personenstandsunterlagen oder nur solche Urkunden herangezogen werden, die das Geburtsdatum unmittelbar selbst dokumentieren (BSG 28.04.2004, aaO). Durch § 33a SGB I wird vom Zeitpunkt der Erstangabe an der Untersuchungsgrundsatz dahingehend eingeschränkt, dass nur Urkunden, die (im Original) vor diesem Zeitpunkt ausgestellt worden sind, zulässigerweise als Beweismittel verwendet werden dürfen. § 33a Abs 2 SGB I gilt insoweit als spezielle Regelung mit Vorrang vor § 60 und den §§ 20 f Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X; vgl Senatsurteil vom 24.06.2014, L 11 R 2651/13).
Unter Berücksichtigung der genannten Vorschriften hat der Kläger keinen Anspruch auf Vergabe einer neuen Versicherungsnummer unter Berücksichtigung eines Geburtsjahres 1957, auch nicht 1955 oder 1956. Nach den in der Verwaltungsakte enthaltenen Unterlagen hat der Kläger erstmals 1979 gegenüber einem Sozialleistungsträger, der LVA Württemberg, das Geburtsdatum 28.04.1961 angegeben. Nicht entscheidend ist, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt möglicherweise keine Kenntnis seines tatsächlichen Geburtsdatums hatte (LSG Berlin-Brandenburg 17.03.2009, L 3 R 966/07, juris; Fastabend in Hauck/Noftz, SGB I, § 33a Rn 12).
Ein Schreibfehler hat 1979 nicht vorgelegen. Dies setzt nach allgemeinem Sprachgebrauch voraus, dass von einer mündlichen oder schriftlichen Vorgabe schriftlich unbewusst abgewichen wird, also sich das Gewollte von dem tatsächlich Geschriebenen unterscheidet. Eine bewusst falsche Angabe oder die Angabe eines fiktiven Datums kann daher kein Schreibfehler sein (vgl Weselski in JurisPK-SGB I, § 33a Rn 41). Da ein Schreibfehler im Sinne von § 33a Abs 2 Nr 1 SGB I offensichtlich nicht vorliegt, ist das Geburtsdatum nur dann nach Maßgabe des § 33a Abs 2 Nr 2 SGB I unrichtig, wenn eine Urkunde vorgelegt wird, deren Original vor 1979 ausgestellt worden ist und sich aus dieser ein Geburtsdatum mit dem Jahr 1957 (bzw 1955 oder 1956) ergäbe.
Für die Frage, welche Tatsachen durch eine Urkunde bewiesen werden, und für deren Echtheit gelten nach § 118 SGG die besonderen Beweisregeln der §§ 415 bis 419 ZPO bzw die §§ 437 bis 440 ZPO entsprechend. Dabei besteht die Verpflichtung, von der Behörde eines anderen Mitgliedstaates ausgestellte Urkunden zu beachten, sofern deren Richtigkeit nicht durch konkrete, auf den Einzelfall bezogene Anhaltspunkte ernstlich in Frage gestellt ist (EuGH 02.12.1997, C-336/94, SozR 3-7670 § 66 Nr 1). Im Übrigen entscheidet das Gericht insbesondere über die Frage, welche Bedeutung die durch eine Urkunde iS der Beweisregeln bewiesenen Tatsachen für das Beweisthema haben, in freier Beweiswürdigung (BSG 28.04.2004, B 5 RJ 33/03 R, SGb 2004, 697). Ausschlaggebend ist, ob zur vollen Überzeugung des Gerichts (BSG 05.04.2001, B 13 RJ 35/00 R, BSGE 88, 89, SozR 3-1200 § 33a Nr 4 Rn 24) festgestellt werden kann, dass eine Urkunde, deren Original vor dem Zeitpunkt der ersten Angabe iS des § 33a Abs 1 SGB I ausgestellt worden ist, ein anderes Geburtsdatum ergibt. Dies ist jedoch vorliegend nicht der Fall. Der Senat konnte sich nach dem Ergebnis des Akteninhalts und der vorgelegten Urkunden nicht davon überzeugen, dass der Kläger 1957 geboren ist.
Die vom Kläger vorgelegte eidesstattliche Versicherung des Herrn T. A. vom 17.11.2010 ist zwar eine Urkunde, die aber ein Geburtsjahr 1955 oder 1956 nennt, was mit dem zuletzt vorgebrachten Klagebegehren – Geburtsjahr 1957 - nicht übereinstimmt. Sie stammt auch nicht aus einer Zeit vor der Erstangabe des Klägers gegenüber einem Sozialleistungsträger aus dem Jahr 1979. Der Inhalt der eidesstattlichen Versicherung spricht allerdings dagegen, aus dem vorgelegten Schülerregister die vom Kläger gewünschte Schlussfolgerung zu ziehen, 1957 sei das Geburtsjahr des Klägers. Der vorgelegte Auszug aus dem Grundschulbuch, in welchem der Kläger als Siebenjähriger bezeichnet wird, nennt kein Geburtsdatum. Ein Schülerregister kann zwar eine Urkunde iSv § 33a Abs 2 SGB I sein und es ist auch nicht erforderlich, dass eine Urkunde ein konkretes Geburtsdatum enthält (vgl BSG 28.04.2004, B 5 RJ 33/03 R, SGb 2004, 697). Es genügt, wenn die durch die Urkunde bewiesenen Tatsachen zur vollen Überzeugung des Gerichts auf ein abweichendes Geburtsdatum iSv § 33a Abs 2 SGB I schließen lassen (BSG 05.04.2001, B 13 RJ 35/00 R aaO; 28.04.2004, B 5 RJ 33/03 R aaO). Der vom Kläger gewünschten Schlussfolgerung aus dem Schülerregister widerspricht neben der vom Kläger selbst vorgelegten eidesstaatlichen Versicherung insbesondere das Schulabschlusszeugnis des Klägers vom 08.10.1972, das als einzige Urkunde, die vor dem Jahr 1979 ausgestellt worden ist, ein genaues Geburtsdatum ausweist. Das darin enthaltene Geburtsdatum 28.04.1961 entspricht genau den Angaben, die der Kläger ursprünglich im Jahr 1979 gegenüber der früher zuständigen LVA Württemberg gemacht hatte. Eine Beanstandung erfolgte damals und auch bei Ausstellung des Sozialversicherungsausweises am 20.12.1979 nicht. Der Senat ist daher von der inhaltlichen Richtigkeit dieser Urkunde überzeugt und konnte sich umgekehrt nicht davon überzeugen, dass sich aus dem Schülerregister ein abweichendes Geburtsdatum ergibt. Weitere Urkunden, die vor dem Jahr 1979 ausgestellt worden sind, liegen nicht vor.
Auf das Beweisangebot der Vernehmung der Schwägerin des Klägers konnte der Senat mangels Urkundenqualität verzichten. Es ist auch weder ersichtlich noch vorgetragen, dass die Schwägerin des Klägers konkrete Angaben zu den bereits vorliegenden Urkunden machen könnte. Der mit Schriftsatz vom 07.04.2015 gestellt Antrag, Frau G. Y. als Zeugin zu vernehmen, wird daher abgelehnt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGB).
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