Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 SF 1916/14 EK
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 4.684,- EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Zahlung einer Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer im Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes.
Die 2007 geborene Klägerin ist körperlich behindert. Bei ihr besteht durch eine Spina bifida und Hydrocephalus sowie eine neutrogene Stuhl- und Harnwegslähmung ein Grad der Behinderung von 100 und die Pflegestufe III ist festgestellt. Sie ist auf den Rollstuhl angewiesen, konnte aber auch bereits 2012 mithilfe von Orthesen und Unterstützung kurze Strecken gehen. Mehrfache Katheterisierung war erforderlich, bei Bedarf musste sie gewickelt werden. Nach Wechsel der Einrichtung besuchte sie ab September 2012 bis 31.7.2013 die Kindertageschule (Regelkindergarten) Am. in XXXXX R ... Am 1.8.2013 ist sie nach XXXXX Schö. im Landkreis W. verzogen und dort am 10.8.2013 eingeschult worden.
Mit Schreiben vom 13.8.2012 beantragte die Klägerin vertreten durch ihren Vater bei der m. Betriebskrankenkasse L. (BKK) ein trägerübergreifendes Persönliches Budget (TPB) für verschiedene Krankenkassen-, Pflegekasse und Eingliederungshilfeleistungen (Bl. 5 SG Akte). Mit Bescheid vom 18.1.2013 lehnte die m. BKK den Antrag ab. Die Voraussetzungen für die beantragten Teilhabeleistungen nach dem SGB XII seien nicht erfüllt (Bl. 8 SG Akte). Die anderen beantragten Leistungen würden bereits als Geldleistungen gewährt und ggf. als Persönliches Budget gezahlt. Dagegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 14.2.2013 Widerspruch ein. Am 18.3.2013 beantragte sie beim Sozialgericht Karlsruhe (SG Az. S 9 KR 982/13 ER) den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die m. BKK, den sie dahingehend konkretisierte, für die zurückliegende Zeit eine Aufwandsentschädigung und ab 1.4.2013 bis zum Abschluss eines TPB den Betrag von 3.929,20 EUR monatlich für die letzten vier Monate des Besuchs der Kinderschule zu begehren. Mit Beschluss vom 27.3.2013, der der Klägerin am 30.3.2013 zugestellt wurde, lehnte das SG den Antrag ab.
Die am 24.4.2013 beim SG eingegangene Beschwerde des Vaters der Klägerin, in der er darauf hinwies, sich einen Rechtsanwalt nicht leisten zu können und die Einschulung am 10.8.2013 im Landkreis W. bevorstehe, ging am 30.4.2013 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg ein und wurde dort unter dem Az. L 5 KR 1897/13 ER-B geführt. Mit Post vom gleichen Tag wurde der Eingang der Beschwerde bestätigt und die Beschwerdegegnerin zur Stellungnahme und Aktenvorlage binnen zwei Wochen aufgefordert. Die Stellungnahme und die Verwaltungsakten gingen am 13.5.2013 beim LSG ein.
Am 24.5.2013 zeigte Rechtsanwalt F. die anwaltliche Vertretung der Klägerin an und bat um Übersendung der Verwaltungsakten. Er verwies darauf, dass die an ihn lautende Originalvollmacht beigefügt sei. Dies war jedoch auch in Kopie nicht der Fall, was vom LSG dort telefonisch moniert wurde (Vermerk Bl. 17 LSG Akte). Am 3.6.2013 verfügte die Berichterstatterin das Abwarten des Eingangs der schriftlichen Vollmacht mit Wiedervorlage zum 15.6. Am 19.6.2013 wechselte die Berichterstatterin. Ebenfalls mit Post vom 19.6.2013 wurde der Klägervertreter schriftlich an die Vorlage der Vollmacht erinnert und ihm ein Schreiben an den Antragsgegner zur Kenntnis übersandt, mit dem nachgefragt wurde, ob eine am 22.3.2013 in Aussicht gestellte Abhilfe im Widerspruchsverfahren stattgefunden habe.
Am 26.6.2013 rief der Vater der Klägerin beim LSG an, wies auf die Einschulung am 12.8.2013 im Landkreis W. hin und bat um eine schnelle Entscheidung. Mit Fax vom 8.7.2013 übersandte er verschiedene Unterlagen und brachte dem LSG auch ein Schreiben an die Beschwerdegegnerin vom 8.7.2013 mit der Beantragung von Leistungen u.a. für Schulbegleitung, Fahrdienst sowie Katheterisierung für den ab 10.8.2013 bevorstehenden Schulbesuch in Schö. zur Kenntnis.
Am 8.7.2013 (Posteingang beim Klägervertreter am 10.7.2013) verfügte das LSG die Übersendung der Verwaltungsakte zur Einsichtnahme auf eine Woche an Rechtsanwalt F., dessen Vollmacht noch nicht eingegangen war. Im Hinblick auf die vom Vater der Klägerin gefaxten Unterlagen vertrat die Berichterstatterin die Ansicht, dass es sich bei den im Zusammenhang mit der Einschulung in Schö. beantragten Leistungen um einen nicht vom vorliegenden Verfahren umfassten neuen Antrag auf ein TPB handele. Hinsichtlich des anhängigen Beschwerdeverfahrens regte sie an, die Frage eines TPB für den Kindergartenbesuch im Hauptsacheverfahren zu klären und im Hinblick auf das bevorstehende Ende des Kindergartenbesuchs die Beschwerde zurückzunehmen.
Die Beschwerdegegnerin teilte am 15.7.2013 mit, dass ein Ergebnis der Abhilfeprüfung noch ausstehe. Dies wurde dem Klägervertreter unter dem gleichen Datum zur Kenntnis verfügt.
Der Klägervertreter teilte mit Schriftsatz vom 26.7.2013 vorab per Fax die Auffassung des SG hinsichtlich des Schreibens vom 8.7.2013. Im Hinblick auf das Beschwerdeverfahren sei ein Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe in Form eines TPB für den Besuch des Kindergartens im Kindergartenjahr 2012/2013 - im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes für Leistungen ab Antragstellung, also ab März 2013 - streitgegenständlich. Die unstreitig erforderlichen Unterstützungsleistungen könnten unter den Begriff der Assistenz subsumiert werden, die aus der Notlage heraus im Wesentlichen von den Eltern der Antragstellerin selbst erbracht worden seien. Zur Abgeltung aller Ansprüche auf Leistungen der Rehabilitation für den Zeitraum bis zum 31.7.2013 unterbreitete der Klägervertreter einen Vergleichsvorschlag, wonach die Beschwerdegegnerin 15.000 EUR bezahlen solle. Mit Eingang des Originals am 1.8.2013 ging die Vollmacht des Klägervertreters beim LSG ein.
Im Hinblick auf ihre vorläufige Leistungsträgerschaft und auf Regressforderungen gegenüber dem Landkreis R. (Anm.: für Eingliederungshilfe zuständiger Sozialhilfeträger) regte die Antragsgegnerin die Beiladung des Landkreises an, der mit Beiladungsbeschluss vom 20.8.2013 beigeladen wurde. Der Landkreis R. teilte unter dem 16.9.2013 mit, dass dem Vergleich nicht zugestimmt werden könne. Mit Schreiben vom 20.9.2013 übersandte das LSG dem Klägervertreter dieses Schreiben und regte erneut an, das Eilverfahren für erledigt zu erklären und die geltend gemachten Ansprüche gegebenenfalls in einem Hauptsacheverfahren weiterzuverfolgen.
Am 11.10.2013 erhob die Klägerin durch ihren Verfahrensbevollmächtigten Verzögerungsrüge. Zur Prüfung der Rücknahme der Beschwerde wurde um Übersendung der Gerichtsakten in beiden Instanzen gebeten. Nach Akteneinsicht nahm die Klägerin am 4.11.2013 die Beschwerde zurück und erklärte das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes für erledigt, weil der Anordnungsgrund durch Zeitablauf entfallen sei. Der Antrag, die Beschwerdegegnerin zur Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu verpflichten, blieb erfolglos. Nachdem die Beschwerdegegnerin eine Kostenübernahme abgelehnt hatte, entschied das LSG mit Beschluss vom 31.1.2014, dass die Kosten nicht zu erstatten seien. Nach dem Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der Erledigung (Ende des Kindergartenbesuchs zum 31.7.2013) habe die Beschwerde keine Aussicht auf Erfolg gehabt und wäre vermutlich zurückgewiesen worden. Der Rechtsbehelf in der Hauptsache (Widerspruch gegen die Ablehnung des Antrags auf Gewährung eines TPB) sei nicht offensichtlich begründet gewesen. Die bei offenen Erfolgsaussichten vorzunehmende Folgen- und Güterabwägung sei zugunsten des Vorrangs des öffentlichen Interesses zu treffen gewesen. Es sei der Antragstellerin zuzumuten gewesen, einstweilen bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren die Teilhabeleistungen als Sachleistung (anstatt im Rahmen eines persönlichen Budgets) in Anspruch zu nehmen.
Am 30.4.2014 hat die Klägerin vertreten durch ihre Eltern und ihren Bevollmächtigten Klage auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg erhoben. Zur Begründung macht sie geltend, die zweite Instanz habe das Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes unangemessen verzögert, nachdem die Verwaltung die gesetzlich vorgegebenen Fristen aus § 14 SGB IX bereits aufs Gröblichste missachtet habe. Es habe sich um dringend erforderliche Teilhabeleistungen für ein zum damaligen Zeitpunkt 5-jähriges Mädchen mit einer erheblichen Behinderung gehandelt. Die Beschwerde vom 23.4.2013 sei dem LSG jedenfalls vor dem 30.4.2013 zugegangen. Vom 30.4.2013 bis 19.6.2013 (ein Monat und knapp drei Wochen) habe das LSG keinerlei Tätigkeit im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes entfaltet, ohne dass Gründe hierfür ersichtlich seien. Mit Verfügung vom 19.6.2013 habe das LSG die Klägerin an die Übersendung der Originalvollmacht, die jedoch der Vertretungsanzeige und der Bitte um Aktenübersendung vom 21.5.2013 bereits beigefügt gewesen sei, erinnert. Die Verwaltungsakte habe das LSG dann erst mit Verfügung vom 9.7.2013 übersandt. Von der Bitte um Übersendung der Verwaltungsakte bis zu deren tatsächlichen Übersendung seien mehr als sechs Wochen vergangen, ohne dass hierfür ein sachlicher Grund ersichtlich sei. Insbesondere diese Verzögerung habe dazu geführt, dass im Beschwerdeverfahren vor Ende des Schuljahres (gemeint Kindergartenjahres) 2012/2013 eine Entscheidung nicht mehr habe ergehen können. Im inzwischen erstinstanzlich anhängigen Hauptsacheverfahren vor dem SG Braunschweig (Aktenzeichen S 31 KR 492/13) werde zu klären sein, ob überhaupt noch Ansprüche auf Leistungen zur Teilhabe bestehen, was umstritten sei. Aufgrund der Tatsache, dass ein TPB gegen geltendes Recht nicht bewilligt worden sei, habe die Klägerin im Schuljahr 2012/2013 für ihren Besuch im Kindergarten Teilhabeleistungen nicht in Anspruch nehmen können, die hätten vergütet werden müssen. Es könne nur noch darum gehen, inwieweit das Einspringen der Eltern im Rahmen eines TPB zu vergüten sei. Die Situation habe auch zu erheblichen Schwierigkeiten im Kindergarten geführt. Für den Schulbesuch sei der Klägerin im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (vor dem SG Braunschweig S 31 KR 467/13 ER) ein Vorschuss auf ein TPB zugesprochen worden. Im Schuljahr 2012/2013 sei das nicht der Fall gewesen, so dass die Klägerin hier darauf angewiesen gewesen wäre, dass das einstweilige Rechtsschutzverfahren zügig durchgeführt werde. Eine derart weitgehende Untätigkeit des Beschwerdegerichts bis zum Ende des Schuljahres 2012/2013 bedeute vor diesem Hintergrund ganz entschieden eine unangemessene Dauer des Beschwerdeverfahrens, aus der der Klägerin immaterielle Nachteile entstanden seien. Die Frist aus § 198 Abs. 5 S. 2 GVG habe mit dem 5.11.2013 begonnen und Ende mit dem 4.5.2014. In der mündlichen Verhandlung vom 15.4.2015 hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin den immateriellen Schaden auf 400 EUR und den materiellen Schaden für die Kosten der Katheterisierung auf 1.071 EUR pro Monat für vier Monate beziffert. Ihrer Meinung nach hätte das Verfahren Ende Juni 2013 erledigt sein müssen.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 4.684 EUR nach § 198 Abs. 2 GVG für die Verzögerung im Beschwerdeverfahren L 5 KR 1897/13 ER-B zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch nicht vorliegen, weil das Ausgangsverfahren nicht unangemessen lang gedauert habe und zudem eine rechtlich unbeachtliche Verzögerungsrüge vorliegen dürfte. Die Bedeutung des Verfahrens für die Klägerin sei deutlich abgeschwächt gewesen. Ausgehend davon, dass im einstweiligen Rechtsschutzverfahren eine Verpflichtung zur Leistungserbringung grundsätzlich nur für den Zeitraum ab Eingang des Rechtsschutzantrags in Betracht komme, hätten im Ausgangsverfahren im Hinblick auf den Wechsel von Leistungsträgern wegen des Umzugs Leistungen allein für April bis Juli 2013, also für vier Monate in Rede gestanden. Während dieses kurzen Zeitraums sei die Versorgung der Klägerin im Wesentlichen durch die Unterstützung ihrer Eltern aber auch des Kindergartens gesichert gewesen. Hinzu komme, dass die Klägerin nach Beurteilung des SG die Möglichkeit gehabt habe, zumindest einen Teil der begehrten Leistungen als Sachleistungsanspruch zu erhalten. Vorliegend habe die Klägerin, vertreten durch ihren Vater und später deren Verfahrensbevollmächtigten, ohne dies zum Vorwurf machen zu können, nicht unerheblich zur Dauer des Beschwerdeverfahrens beigetragen. Der Vater der Klägerin habe die Frist zur Einlegung der Beschwerde fast vollständig ausgeschöpft. Mit Schriftsatz vom 21.5.2013 habe sich sodann der Verfahrensbevollmächtigte für die Klägerin legitimiert und Einsicht in die Verwaltungsakten beantragt. Da die Originalvollmacht dem Schriftsatz nicht beigefügt gewesen sei, sei zunächst deren Übersendung angemahnt worden, die ausblieb. Sodann habe der Vater der Klägerin den neuen Antrag vom 8.7.2013 in das Verfahren eingebracht. Daraufhin habe der Verfahrensbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 26.7.2013 einen Vergleichsvorschlag unterbreitet, der ebenfalls zur Anhörung gegeben werden musste. Auch wenn man der Auffassung sein möge, das Gericht hätte das Verfahren zwischen dem 13. und 24.5.2013 besser fördern und nach dem 24.5.2013 früher an die Vollmacht erinnern und dem Verfahren bis zum 8.7.2013 zügiger Fortgang geben können, so dürfe nicht außer Betracht bleiben, dass kein Anspruch eines Verfahrensbeteiligten auf eine ausschließliche oder beinahe lückenlose Bearbeitung einer Sache bestehe, zumal stets Zeiten, die etwa für eine Prüfung und Meinungsbildung des angerufenen Gerichts erforderlich sind, nicht als Verzögerungszeit berücksichtigt werden könnten. Unter den konkret gegebenen Umständen könne bei der gebotenen Gesamtbetrachtung eine unangemessene Verfahrensdauer bis zur tatsächlichen Erledigung Ende Juli 2013 nicht festgestellt werden, danach sei eine besondere Beschleunigung nicht mehr geboten gewesen. Das Gericht habe das Verfahren ab 8.7.2013 ohnehin in der gebotenen Weise gefördert. Die vom Verfahrensbevollmächtigten erst mit Schriftsatz vom 11.10.2013 erhobene Verzögerungsrüge gehe nach tatsächlicher Erledigung bereits mit Ablauf des 31.7.2013 ins Leere. Sie habe ihrem Zweck als Vorwarnung, die das Gericht zur Prüfung hinsichtlich einer zügigen Bearbeitung veranlassen solle, nicht mehr gerecht werden können. Darüber hinaus seien Zeiten des Verwaltungsverfahrens bei der Prüfung der Angemessenheit der Verfahrensdauer nicht zu berücksichtigen.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Landessozialgericht Baden-Württemberg ist für die hier erhobene Klage zuständig (§ 51 Abs. 1 Nr. 10, § 202 Satz 2 SGG in Verbindung mit den §§ 198 ff. GVG), da es sich bei dem Ausgangsverfahren um ein Verfahren aus dem Bereich der Sozialgerichtsbarkeit handelt. Die Klage ist auch form- und fristgerecht (gem. § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG) innerhalb von sechs Monaten nach der Erledigung des Verfahrens durch die Rücknahme der Beschwerde im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes am 4.11.2013 erhoben worden. Es war auch mehr als sechs Monate zuvor - schriftlich am 4.11.2013 durch den Prozessbevollmächtigten - eine wirksame Verzögerungsrüge gem. § 198 Abs. 3 GVG erhoben worden. Selbst wenn diese verspätet war (zur Verspätung siehe unten), führt sie nicht die Ausschlusswirkung einer fehlenden oder verfrühten Rüge herbei (Marx in Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren, 1. Aufl. 2013, § 198 GVG Rn. 137). Nicht als Verzögerungsrüge zu qualifizieren war hingegen der Anruf des Vaters der Klägerin am 26.6.2013 auf der Geschäftsstelle des LSG, mit dem er im Hinblick auf die baldige Einschulung um eine schnelle Entscheidung in der Sache bat. Unabhängig davon, ob für die Erhebung der Verzögerungsrüge die Schriftform erforderlich ist (offen gelassen in BSG, Urteil vom 03. September 2014 – B 10 ÜG 2/14 R –, SozR 4-1720 § 198 Nr 5 - juris Rn. 28) lässt sie sich jedenfalls fernmündlich nicht wirksam erheben (Marx in Marx/Roderfeld, aaO., Rn. 111).
Die hier gegebene allgemeine Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG – vergleiche hierzu BSG Urteil vom 21. Februar 2013 – B 10 ÜG 1/12 KL – in juris Rn. 15; BSG, Urteil vom 03. September 2014 – B 10 ÜG 2/14 R –, SozR 4-1720 § 198 Nr 5 - juris Rn. 17) ist auch im Übrigen zulässig.
II.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Ein Anspruch der Klägerin auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer besteht nicht.
Ein Anspruch der Klägerin ist nach § 198 GVG zu beurteilen. Nach § 198 Abs. 1 GVG wird, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. Gem. § 198 Abs. 2 GVG wird ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1.200 EUR für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen. Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter gem. § 198 Abs. 3 GVG nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge. Nach § 198 Abs. 4 GVG ist Wiedergutmachung auf andere Weise insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind. Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar (§ 198 Abs. 5 GVG). Gem. § 198 Abs. 6 GVG ist im Sinne dieser Vorschrift 1. ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren; 2. ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.
Eine allgemein gültige Zeitvorgabe, wie lange ein (sozialgerichtliches) Verfahren, und zwar unabhängig davon, ob Hauptsache- oder Eilverfahren, höchstens dauern darf, um nicht als unangemessen lang zu gelten, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Auch sonst ist die generelle Festlegung, ab wann ein Verfahren unangemessen lange dauert – insbesondere als feste Jahresgrenze – angesichts der Unterschiedlichkeit der Verfahren nicht möglich (BVerfG stattgebender Kammerbeschluss vom 20. Juli 2000 – 1 BvR 352/00 –, NJW 2001, 214; Scholz, Sozialgerichtsbarkeit 2012 Seite 19, 21; Roller DRiZ 2012 Heft 6 Beilage S. 7; so auch u.a. BGH Urteil vom 14. November 2013 – III ZR 376/12 – in juris Rn. 25, 26, 27)
Ob der Anspruch eines Verfahrensbeteiligten auf Entscheidung seines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit verletzt wurde, ist vielmehr im Lichte der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 Abs. 1 EMRK sowie des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 19 Abs. 4, 20 Abs. 3 GG zu beurteilen (vgl. auch BT-Drs. 17/3802, S. 1, 15; BSG, Urteil vom 3.9.2014 - B 10 ÜG 2/14 R, juris Rn. 30). Als Maßstab nennt § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens sowie das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (vgl. insoweit auch EGMR, Urteil vom 24. Juni 2010, Beschwerde Nr. 21423/07, Rdnr. 32; Urteil vom 8. Juni 2006 Nr.75529/01 Rdnr. 128; Urteil vom 21. April 2011 Nr. 41599/09 Rdnr. 42; BVerfG Beschluss vom 27. September 2011 – 1 BvR 232/11 - Rdnr. 16 in juris; BGH Urteil vom 14. November 2013 – III ZR 376/12 – Rdnr. 25 in juris; BFH Urteil vom 7. November 2013 – X K 13/12 – Rdnr. 56 und 69 in juris; Roller aaO S. 9; Scholz aaO S. 22; Roderfeld in Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts und Ermittlungsverfahren, Handkommentar, 2012, § 198 GVG Rdnr. 5, 8 ff.).
1. Ausgangspunkt und erster Schritt der Angemessenheitsprüfung bildet die in § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG definierte Gesamtdauer des Gerichtsverfahrens von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss. Entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin ist das Verwaltungs- bzw. Widerspruchsverfahren nicht zu berücksichtigen. Das hier zu beurteilende Beschwerdeverfahren hat vom Eingang der Beschwerde beim SG am 24.4.2013 bis zur verfahrensbeendenden Rücknahme der Beschwerde am 4.11.2013 gedauert, mithin 6 Monate und gut 1 Woche. Ob auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, in dem mitunter eine Erledigung durch Zeitablauf auch innerhalb weniger Tage eintreten kann, im Geltungsbereich des ÜGG die kleinste relevante Zeiteinheit 1 Monat ist (BSG, Urteil vom 3.9.2014 - B 10 ÜG 2/14 R, juris Rn. 31), wird offengelassen, da auch ansonsten die Verfahrensdauer nicht als überlang zu werten ist.
2. Im Rahmen der Prüfung der Schwierigkeit des Falles sind sowohl rechtliche als auch tatsächliche Erschwernisse zu berücksichtigen, mithin etwa die Wichtigkeit und Sensibilität der zu beantwortenden rechtlichen Fragen und die sich daraus ergebenden Anforderungen an die Sorgfalt der gerichtlichen Prüfung und Untersuchung. Von Bedeutung sind auch der Umfang der gebotenen Anhörungen, das Ausmaß an erforderlicher Tatsachenaufklärung sowie das Erfordernis der Einholung von Sachverständigengutachten (EGMR, Entscheidung vom 25. September 2007, Nr. 71475/01, Rdnr. 172). Der EGMR unterscheidet hinsichtlich der Komplexität eines Falles 5 Kategorien in entsprechender Abstufung (siehe hierzu auch OVG Magdeburg Urteil vom 25. Juli 2012 - 7 KE 1/11 - juris Rdnr. 39ff).
Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass in Eilverfahren - wie vorliegend - bei schwierigen und komplexen Sach- und Rechtsfragen das Gericht gegebenenfalls im Wege einer Güter- und Folgenabwägung eine vorläufige Entscheidung zu treffen hat (vergl. BVerfG Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05-). Damit aber erhalten die Fragen nach der Bedeutung (dazu hier unter 3.) und dem Verhalten der Beteiligten und Dritter (dazu unter 4.) maßgebliches Gewicht.
3. Hinsichtlich der Bedeutung des Verfahrens ist hier vor allem auf das Interesse der Verfahrensbeteiligten an einer baldigen Entscheidung abzustellen (siehe hierzu u.a. EGMR Urteil vom 8. Juni 2006 Nr. 75529/01 Rdnr. 133; Roller aaO S.9 unter Hinweis u.a., wenn die wirtschaftliche Existenz betroffen ist, auf BVerfG Beschluss vom 2. September 2009 – 1 BvR 3171/08, EuGRZ 2009; 695; BVerfG Beschluss vom 20. Juli 2000 – 1 BvR 352/00, NJW 2001, 214, 215; EGMR Urteil vom 21. Oktober 2010 Nr. 43155/08, juris und Urteil vom 13. Januar 2011, Nr. 34236/06, juris; wenn um den Lebensunterhalt sichernde sozialrechtliche Ansprüche gestritten wird siehe BVerfG Beschluss vom 27. September 2011 – 1 BvR 232/11, info also 2012, 28 (Grundsicherung für Arbeitsuchende); EGMR Beschluss vom 25. März 2010 Nr. 901/05, juris (Rente nach dem OEG); anders EGMR Beschluss vom10. Februar 2009 Nr. 30209/05, juris (Erziehungsgeld für abgelaufenen Zeitraum); s.a. Roderfeld aaO Rdnr. 11 mwN). Von einem solchen Interesse ist insbesondere dann auszugehen, wenn sich bei einer Verzögerung der Entscheidung für einen Beteiligten schwere und nicht oder nur begrenzt reparable Nachteile ergeben.
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist das Interesse der Klägerin an einer baldigen Entscheidung über die vorläufige Zubilligung eines TPB auf Grund der zeitlichen Komponente im Beschwerdeverfahren nicht mehr als groß anzusehen gewesen. Den Eltern der Klägerin ging es im Wesentlichen um das Aussuchen und die Anstellung einer integrativen Kraft, die ihrer behinderten Tochter bei der Überwindung der Schwierigkeiten zur Integration in den Regelkindergarten behilflich ist, dies auf eigene Rechnung und finanziert über ein TPB. Als Sachleistung hatte die Klägerin eine Assistenz im vorher besuchten Kindergarten erhalten und wäre ihr diese auch für den Besuch der Kindertageschule Am. vom Landratsamt R. weiter bewilligt worden. Streitig war lediglich die Bewilligung im Rahmen eines TPB. Im Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde am 24.4.2013 stand bereits fest, dass die Klägerin den Kindergarten nur noch bis Ende Juli 2013 besuchen wird. Mithin kam eine Leistungsgewährung nur noch für 3 Monate in Betracht. Auf Grund des bevorstehenden Umzugs vom damaligen Heimatort in R. in den Landkreis W. zum August 2013 stand auch für die bevorstehende Schulzeit fest, dass dort ggf. neue Kräfte beschäftigt werden müssten. Von daher dürfte es schon aus tatsächlichen Gründen in der verbliebenen Zeit nicht mehr möglich gewesen sein, eine entsprechende Kraft auszusuchen und zu finden, die spontan bereit und in der Lage ist, für eine nur noch kurze Übergangszeit von - unter Einbeziehung einer kurzen Bearbeitungszeit durch das LSG - dann noch unter 3 Monaten in einem Anstellungsverhältnis die Aufgabe zu übernehmen. Der von den Eltern der Klägerin verfolgte Zweck war also bereits bei Einlegung der Beschwerde nicht mehr zu erreichen. Das kommt auch darin zum Ausdruck, dass der Vater der Klägerin in seiner Beschwerdebegründung (S. 9 LSG-Akte) wörtlich zum Ausdruck bringt: "Doch der Kindergarten ist jetzt Zeitlich gelaufen. Jetzt kommt die Schule ...Wir wollten das unsere Tochter eine gute Vorbereitung zur Regelschule/Grundschule hat. Dies wurde Ihr durch das Sozialamt/R. sowie durch die m. verbaut." Leitend für die Einlegung der Beschwerde war vielmehr die Frage, wie es im Hinblick auf die bevorstehende Schulzeit weitergehen werde, wie es auch im Telefonanruf des Vaters der Klägerin am 26.6.2013 zum Ausdruck kam. Die Sicherstellung der Betreuung während der Schulzeit war jedoch im Hinblick auf den Wechsel der örtlichen Zuständigkeit und den Wechsel vom Kindergarten in die Schule nicht Gegenstand des anhängigen Eilrechtsverfahrens für die Zeit des Kindergartenbesuchs, worauf das LSG hingewiesen und dem der Klägervertreter zugestimmt hat. Zudem war fraglich, ob die Leitung des Kindergartens die Betreuung durch eine von den Eltern ausgesuchte integrative Kraft überhaupt noch genehmigen würde, nachdem es vorher zu Unstimmigkeiten gekommen war. Unter Berücksichtigung dessen, dass im Eilrechtsverfahren grundsätzlich nur Leistungen vom Beginn der Antragstellung beim SG zugesprochen werden können, war die Bedeutung der Sache für die Klägerin bezogen auf den restlichen Kindergartenbesuch nicht mehr erheblich, zumal ein Teil der Versorgung (Katheterisierung) durch die Eltern sichergestellt war und Teile des als TPB begehrten Leistungen als Geldleistungen bereits erbracht wurden (u.a. Pflegegeld).
4. Des Weiteren ist Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch, dass die unangemessene Verfahrensdauer durch staatliches Fehlverhalten verursacht wurde, etwa organisatorisches Verschulden bei der ausreichenden personellen Ausstattung der Gerichte. D.h. auf der anderen Seite, Entschädigungsansprüche scheiden schon dann grundsätzlich aus, wenn und soweit die Verzögerung des Verfahrens ausschließlich durch die Verfahrensbeteiligten selbst oder durch Dritte verursacht worden ist und das Gericht keine Möglichkeit hatte, dem wirksam entgegen zu steuern (siehe Roller aaO S. 10/11 mit verschiedenen Beispielen und Fundstellen; Roderfeld aaO Rdnr. 12). Hier ist hinsichtlich des Verfahrensablaufes zu berücksichtigen, dass ein nicht unerheblicher Teil der Verfahrensdauer der Klägerseite zuzurechnen ist. So hat der Vater der Klägerin die Frist zur Einlegung der Beschwerde am 24.4.2013 gegen den am 30.3.2013 zugestellten Beschluss des SG nahezu ausgeschöpft. Eine weitere kurze Verzögerung ist durch die - zulässige - Einlegung der Beschwerde beim SG statt beim zur Entscheidung darüber berufenen LSG - Eingang dort am 30.4.2013 - eingetreten. Noch am gleichen Tag hat das LSG die Beschwerdegegnerin zur Beschwerdeerwiderung und Vorlage der Verwaltungsakten aufgefordert, die am 13.5.2013 beim LSG eingingen. Unter Berücksichtigung des Feiertages am Pfingstmontag, dem 20.5.2013, vergingen 7 Arbeitstage ohne erkennbaren Arbeitsschritt des LSG bis sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin am Freitag, den 24.5.2013 beim LSG erstmals in das Verfahren einschaltete und sich auf die tatsächlich jedoch nicht vorgelegte Vollmacht bezog und um Akteneinsicht bat. Die sich daraus ergebende Verzögerung geht zu einem gewissen Grad zu seinen Lasten, nachdem die Geschäftsstelle des LSG die Vollmacht noch am gleichen Tag telefonisch anforderte, die Berichterstatterin deren Eingang eine Woche später mit Verfügung vom 3.6.2013 weiter abwartete und nach dem Wechsel der Berichterstatterin diese neben anderem nochmals am 19.6.2013 schriftlich angemahnt wurde. Nach § 73 Abs. 6 Satz 5 SGG muss bei der Vertretung durch einen Rechtsanwalt der Mangel der Vollmacht zwar nicht von Amts wegen berücksichtigt werden. Dennoch darf das Gericht bei Vorliegen begründeter Zweifel eine Überprüfung vornehmen (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. § 73 Rn. 68). Nachdem der Vater der Klägerin in seiner Beschwerde ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, aus Geldmangel die Beschwerde selbst durchzuführen und dem LSG eine Mandatserteilung nicht mitgeteilt hatte, war die Aufforderung zur Vorlage der Vollmacht legitim. Letztlich legte der Prozessbevollmächtigte die Vollmacht erst am 1.8.2013 vor. Das Gericht ist aktiv verfahrensbeschleunigend dann weiter am 19.6.2013 tätig geworden, indem es sich bei der Beschwerdegegnerin nach dem Ergebnis des Widerspruchsverfahrens, in dem nach den Akten eine Abhilfeentscheidung in Aussicht gestellt worden war, erkundigt hat; die Antwort ging am 15.7.2013 ein. Zwischenzeitlich brachte der Vater der Klägerin den neuen Antrag an die Beschwerdegegnerin vom 8.7.2013 den zukünftigen Schulbesuch der Klägerin betreffend ins Verfahren ein, was dem Klägervertreter zur Kenntnis gebracht werden musste und in den vom Klägervertreter am 26.7.2013 unterbreiteten Vergleichsvorschlag auch für die Hauptsache mündete. Die Dauer der bis zur Ablehnung am 16.9.2013 geführten Vergleichsverhandlungen muss bei der Beurteilung als überlanges Verfahren unberücksichtigt bleiben. Die sich daran anschließende Zeit bis zur Rücknahme der Beschwerde geht ebenfalls zu Lasten des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, der der durch den Zeitablauf mit Ende des Kindergartenbesuchs am 31.7.2013 eingetretenen tatsächlichen Erledigung der Beschwerde trotz entsprechender Aufforderung des LSG vom 20.9.2013 erst mit nicht zu begründender Verzögerung durch die entsprechende Erklärung am 4.11.2013 Rechnung getragen hat. Insbesondere ist nicht nachvollziehbar, weshalb vor Abgabe der Erklärung nochmals eine Akteneinsicht notwendig geworden sein sollte. Demgegenüber könnte allenfalls die durch das weitere Abwarten des Eingangs der Vollmacht zwischen dem 3.6. und dem 19.6.2013 eingetretene Verzögerung von zweieinhalb Wochen dem Gericht anzulasten sein. Unter Berücksichtigung des og. ohnehin deutlich abgeschwächten objektiven Interesses der Klägerin an der Entscheidung des Gerichts kann hier eine unverhältnismäßige Pflichtverletzung bei der weiteren Verfahrensbeschleunigung nicht gesehen werden. Dass die Verfahrensdauer deshalb die äußerste Grenze des Angemessenen deutlich überschritten und deshalb das Recht auf Rechtsschutz in angemessener Zeit verletzt wurde, kann nicht festgestellt werden. In der wertenden Gesamtschau ist damit festzuhalten, dass das hier von der Klägerseite beanstandete Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem LSG nicht unangemessen lange gedauert hat, vielmehr die hier geltend gemachten Verzögerungen und damit geltend gemachten Nachteile ihre Ursache im Wesentlichen in den von Klägerseite selbst verursachten Verzögerungen haben.
5. Der Entschädigungsanspruch scheitert ebenfalls an der verspätet erhobenen Verzögerungsrüge. Durch Zeitablauf hatte sich das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes mit dem Ende des Kindergartenbesuches am 31.7.2013 erledigt. Die Verzögerungsrüge hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin jedoch erst wesentlich danach am 4.11.2013 erhoben. Grundsätzlich ist eine Verspätung der Verzögerungsrüge im laufenden Verfahren unschädlich, weil Geduld eines Verfahrensbeteiligten nicht "bestraft" werden soll (BT-Drucks. 17/3802, 21). Insbesondere schließt sie eine Entschädigung auch für die Zeit vor der Erhebung in der Regel nicht aus (Marx in Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren, § 198 GVG, Rn. 135). Bei Rügeerhebung soll die Wahrscheinlichkeit für eine Überlänge des Verfahrens allerdings nach dem Willen des Gesetzgebers noch nicht so hoch sein, dass sie schon den Grad einer Gewissheit erreicht. Dann würde die Verzögerungsrüge ihre präventive Warnfunktion großenteils verlieren. Ist - hier aus Sicht des Prozessbevollmächtigten der Klägerin - eine Verzögerung des Verfahrensabschlusses sicher und steht die unangemessene Verfahrensdauer fest, kann die Verzögerungsrüge allenfalls noch eine weitere Ausdehnung der Überlänge verhindern; zur Verhinderung der Überlänge selbst kommt sie zu spät. Eine derart bewusst sehr spät eingelegte Verzögerungsrüge lässt das Verhalten des Verfahrensbeteiligten nicht mehr als Geduld, sondern schon als Duldung erscheinen, um sodann hierfür Geldentschädigung zu verlangen. Das "dulde und liquidiere"-Verhalten fließt in die Beurteilung ein, ob es sich um eine angemessene Verfahrensdauer handelt oder jedenfalls eine Feststellung der Überlänge als Wiedergutmachung auf andere Weise genügt. Auch lässt sich deshalb nach § 198 Abs. 2 S. 4 GVG der volle Pauschalbetrag für die Entschädigung wegen immaterieller Nachteile verringern (Marx in Marx/Roderfeld aaO. Rn. 136 f. mit Hinweis auf BT-Drucks. 17/3802, 20, 21). Unter Berücksichtigung dessen konnte die am 4.11.2013 erhobene Verzögerungsrüge keinen Einfluss mehr auf die mit dem Verfahren verfolgten Ziele habe. Sie stellt sich vielmehr als nur noch zum Zwecke der Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen erfolgte Verfahrenshandlung dar, die die materiell-rechtliche Voraussetzung für die hier vorliegende Klage schaffen sollte.
Aus diesen Gründen ist die Klage auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer abzuweisen und auch nicht Wiedergutmachung auf andere Weise zu gewähren.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 197a i.Vm. 183 Satz 6 SGG.
Der Streitwert war in Höhe des bezifferten Leistungsantrags auf 4.684 EUR festzusetzen (§ 52 Abs. 1 GKG).
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG) liegen nicht vor.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 4.684,- EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Zahlung einer Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer im Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes.
Die 2007 geborene Klägerin ist körperlich behindert. Bei ihr besteht durch eine Spina bifida und Hydrocephalus sowie eine neutrogene Stuhl- und Harnwegslähmung ein Grad der Behinderung von 100 und die Pflegestufe III ist festgestellt. Sie ist auf den Rollstuhl angewiesen, konnte aber auch bereits 2012 mithilfe von Orthesen und Unterstützung kurze Strecken gehen. Mehrfache Katheterisierung war erforderlich, bei Bedarf musste sie gewickelt werden. Nach Wechsel der Einrichtung besuchte sie ab September 2012 bis 31.7.2013 die Kindertageschule (Regelkindergarten) Am. in XXXXX R ... Am 1.8.2013 ist sie nach XXXXX Schö. im Landkreis W. verzogen und dort am 10.8.2013 eingeschult worden.
Mit Schreiben vom 13.8.2012 beantragte die Klägerin vertreten durch ihren Vater bei der m. Betriebskrankenkasse L. (BKK) ein trägerübergreifendes Persönliches Budget (TPB) für verschiedene Krankenkassen-, Pflegekasse und Eingliederungshilfeleistungen (Bl. 5 SG Akte). Mit Bescheid vom 18.1.2013 lehnte die m. BKK den Antrag ab. Die Voraussetzungen für die beantragten Teilhabeleistungen nach dem SGB XII seien nicht erfüllt (Bl. 8 SG Akte). Die anderen beantragten Leistungen würden bereits als Geldleistungen gewährt und ggf. als Persönliches Budget gezahlt. Dagegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 14.2.2013 Widerspruch ein. Am 18.3.2013 beantragte sie beim Sozialgericht Karlsruhe (SG Az. S 9 KR 982/13 ER) den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die m. BKK, den sie dahingehend konkretisierte, für die zurückliegende Zeit eine Aufwandsentschädigung und ab 1.4.2013 bis zum Abschluss eines TPB den Betrag von 3.929,20 EUR monatlich für die letzten vier Monate des Besuchs der Kinderschule zu begehren. Mit Beschluss vom 27.3.2013, der der Klägerin am 30.3.2013 zugestellt wurde, lehnte das SG den Antrag ab.
Die am 24.4.2013 beim SG eingegangene Beschwerde des Vaters der Klägerin, in der er darauf hinwies, sich einen Rechtsanwalt nicht leisten zu können und die Einschulung am 10.8.2013 im Landkreis W. bevorstehe, ging am 30.4.2013 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg ein und wurde dort unter dem Az. L 5 KR 1897/13 ER-B geführt. Mit Post vom gleichen Tag wurde der Eingang der Beschwerde bestätigt und die Beschwerdegegnerin zur Stellungnahme und Aktenvorlage binnen zwei Wochen aufgefordert. Die Stellungnahme und die Verwaltungsakten gingen am 13.5.2013 beim LSG ein.
Am 24.5.2013 zeigte Rechtsanwalt F. die anwaltliche Vertretung der Klägerin an und bat um Übersendung der Verwaltungsakten. Er verwies darauf, dass die an ihn lautende Originalvollmacht beigefügt sei. Dies war jedoch auch in Kopie nicht der Fall, was vom LSG dort telefonisch moniert wurde (Vermerk Bl. 17 LSG Akte). Am 3.6.2013 verfügte die Berichterstatterin das Abwarten des Eingangs der schriftlichen Vollmacht mit Wiedervorlage zum 15.6. Am 19.6.2013 wechselte die Berichterstatterin. Ebenfalls mit Post vom 19.6.2013 wurde der Klägervertreter schriftlich an die Vorlage der Vollmacht erinnert und ihm ein Schreiben an den Antragsgegner zur Kenntnis übersandt, mit dem nachgefragt wurde, ob eine am 22.3.2013 in Aussicht gestellte Abhilfe im Widerspruchsverfahren stattgefunden habe.
Am 26.6.2013 rief der Vater der Klägerin beim LSG an, wies auf die Einschulung am 12.8.2013 im Landkreis W. hin und bat um eine schnelle Entscheidung. Mit Fax vom 8.7.2013 übersandte er verschiedene Unterlagen und brachte dem LSG auch ein Schreiben an die Beschwerdegegnerin vom 8.7.2013 mit der Beantragung von Leistungen u.a. für Schulbegleitung, Fahrdienst sowie Katheterisierung für den ab 10.8.2013 bevorstehenden Schulbesuch in Schö. zur Kenntnis.
Am 8.7.2013 (Posteingang beim Klägervertreter am 10.7.2013) verfügte das LSG die Übersendung der Verwaltungsakte zur Einsichtnahme auf eine Woche an Rechtsanwalt F., dessen Vollmacht noch nicht eingegangen war. Im Hinblick auf die vom Vater der Klägerin gefaxten Unterlagen vertrat die Berichterstatterin die Ansicht, dass es sich bei den im Zusammenhang mit der Einschulung in Schö. beantragten Leistungen um einen nicht vom vorliegenden Verfahren umfassten neuen Antrag auf ein TPB handele. Hinsichtlich des anhängigen Beschwerdeverfahrens regte sie an, die Frage eines TPB für den Kindergartenbesuch im Hauptsacheverfahren zu klären und im Hinblick auf das bevorstehende Ende des Kindergartenbesuchs die Beschwerde zurückzunehmen.
Die Beschwerdegegnerin teilte am 15.7.2013 mit, dass ein Ergebnis der Abhilfeprüfung noch ausstehe. Dies wurde dem Klägervertreter unter dem gleichen Datum zur Kenntnis verfügt.
Der Klägervertreter teilte mit Schriftsatz vom 26.7.2013 vorab per Fax die Auffassung des SG hinsichtlich des Schreibens vom 8.7.2013. Im Hinblick auf das Beschwerdeverfahren sei ein Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe in Form eines TPB für den Besuch des Kindergartens im Kindergartenjahr 2012/2013 - im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes für Leistungen ab Antragstellung, also ab März 2013 - streitgegenständlich. Die unstreitig erforderlichen Unterstützungsleistungen könnten unter den Begriff der Assistenz subsumiert werden, die aus der Notlage heraus im Wesentlichen von den Eltern der Antragstellerin selbst erbracht worden seien. Zur Abgeltung aller Ansprüche auf Leistungen der Rehabilitation für den Zeitraum bis zum 31.7.2013 unterbreitete der Klägervertreter einen Vergleichsvorschlag, wonach die Beschwerdegegnerin 15.000 EUR bezahlen solle. Mit Eingang des Originals am 1.8.2013 ging die Vollmacht des Klägervertreters beim LSG ein.
Im Hinblick auf ihre vorläufige Leistungsträgerschaft und auf Regressforderungen gegenüber dem Landkreis R. (Anm.: für Eingliederungshilfe zuständiger Sozialhilfeträger) regte die Antragsgegnerin die Beiladung des Landkreises an, der mit Beiladungsbeschluss vom 20.8.2013 beigeladen wurde. Der Landkreis R. teilte unter dem 16.9.2013 mit, dass dem Vergleich nicht zugestimmt werden könne. Mit Schreiben vom 20.9.2013 übersandte das LSG dem Klägervertreter dieses Schreiben und regte erneut an, das Eilverfahren für erledigt zu erklären und die geltend gemachten Ansprüche gegebenenfalls in einem Hauptsacheverfahren weiterzuverfolgen.
Am 11.10.2013 erhob die Klägerin durch ihren Verfahrensbevollmächtigten Verzögerungsrüge. Zur Prüfung der Rücknahme der Beschwerde wurde um Übersendung der Gerichtsakten in beiden Instanzen gebeten. Nach Akteneinsicht nahm die Klägerin am 4.11.2013 die Beschwerde zurück und erklärte das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes für erledigt, weil der Anordnungsgrund durch Zeitablauf entfallen sei. Der Antrag, die Beschwerdegegnerin zur Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu verpflichten, blieb erfolglos. Nachdem die Beschwerdegegnerin eine Kostenübernahme abgelehnt hatte, entschied das LSG mit Beschluss vom 31.1.2014, dass die Kosten nicht zu erstatten seien. Nach dem Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der Erledigung (Ende des Kindergartenbesuchs zum 31.7.2013) habe die Beschwerde keine Aussicht auf Erfolg gehabt und wäre vermutlich zurückgewiesen worden. Der Rechtsbehelf in der Hauptsache (Widerspruch gegen die Ablehnung des Antrags auf Gewährung eines TPB) sei nicht offensichtlich begründet gewesen. Die bei offenen Erfolgsaussichten vorzunehmende Folgen- und Güterabwägung sei zugunsten des Vorrangs des öffentlichen Interesses zu treffen gewesen. Es sei der Antragstellerin zuzumuten gewesen, einstweilen bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren die Teilhabeleistungen als Sachleistung (anstatt im Rahmen eines persönlichen Budgets) in Anspruch zu nehmen.
Am 30.4.2014 hat die Klägerin vertreten durch ihre Eltern und ihren Bevollmächtigten Klage auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg erhoben. Zur Begründung macht sie geltend, die zweite Instanz habe das Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes unangemessen verzögert, nachdem die Verwaltung die gesetzlich vorgegebenen Fristen aus § 14 SGB IX bereits aufs Gröblichste missachtet habe. Es habe sich um dringend erforderliche Teilhabeleistungen für ein zum damaligen Zeitpunkt 5-jähriges Mädchen mit einer erheblichen Behinderung gehandelt. Die Beschwerde vom 23.4.2013 sei dem LSG jedenfalls vor dem 30.4.2013 zugegangen. Vom 30.4.2013 bis 19.6.2013 (ein Monat und knapp drei Wochen) habe das LSG keinerlei Tätigkeit im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes entfaltet, ohne dass Gründe hierfür ersichtlich seien. Mit Verfügung vom 19.6.2013 habe das LSG die Klägerin an die Übersendung der Originalvollmacht, die jedoch der Vertretungsanzeige und der Bitte um Aktenübersendung vom 21.5.2013 bereits beigefügt gewesen sei, erinnert. Die Verwaltungsakte habe das LSG dann erst mit Verfügung vom 9.7.2013 übersandt. Von der Bitte um Übersendung der Verwaltungsakte bis zu deren tatsächlichen Übersendung seien mehr als sechs Wochen vergangen, ohne dass hierfür ein sachlicher Grund ersichtlich sei. Insbesondere diese Verzögerung habe dazu geführt, dass im Beschwerdeverfahren vor Ende des Schuljahres (gemeint Kindergartenjahres) 2012/2013 eine Entscheidung nicht mehr habe ergehen können. Im inzwischen erstinstanzlich anhängigen Hauptsacheverfahren vor dem SG Braunschweig (Aktenzeichen S 31 KR 492/13) werde zu klären sein, ob überhaupt noch Ansprüche auf Leistungen zur Teilhabe bestehen, was umstritten sei. Aufgrund der Tatsache, dass ein TPB gegen geltendes Recht nicht bewilligt worden sei, habe die Klägerin im Schuljahr 2012/2013 für ihren Besuch im Kindergarten Teilhabeleistungen nicht in Anspruch nehmen können, die hätten vergütet werden müssen. Es könne nur noch darum gehen, inwieweit das Einspringen der Eltern im Rahmen eines TPB zu vergüten sei. Die Situation habe auch zu erheblichen Schwierigkeiten im Kindergarten geführt. Für den Schulbesuch sei der Klägerin im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (vor dem SG Braunschweig S 31 KR 467/13 ER) ein Vorschuss auf ein TPB zugesprochen worden. Im Schuljahr 2012/2013 sei das nicht der Fall gewesen, so dass die Klägerin hier darauf angewiesen gewesen wäre, dass das einstweilige Rechtsschutzverfahren zügig durchgeführt werde. Eine derart weitgehende Untätigkeit des Beschwerdegerichts bis zum Ende des Schuljahres 2012/2013 bedeute vor diesem Hintergrund ganz entschieden eine unangemessene Dauer des Beschwerdeverfahrens, aus der der Klägerin immaterielle Nachteile entstanden seien. Die Frist aus § 198 Abs. 5 S. 2 GVG habe mit dem 5.11.2013 begonnen und Ende mit dem 4.5.2014. In der mündlichen Verhandlung vom 15.4.2015 hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin den immateriellen Schaden auf 400 EUR und den materiellen Schaden für die Kosten der Katheterisierung auf 1.071 EUR pro Monat für vier Monate beziffert. Ihrer Meinung nach hätte das Verfahren Ende Juni 2013 erledigt sein müssen.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 4.684 EUR nach § 198 Abs. 2 GVG für die Verzögerung im Beschwerdeverfahren L 5 KR 1897/13 ER-B zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch nicht vorliegen, weil das Ausgangsverfahren nicht unangemessen lang gedauert habe und zudem eine rechtlich unbeachtliche Verzögerungsrüge vorliegen dürfte. Die Bedeutung des Verfahrens für die Klägerin sei deutlich abgeschwächt gewesen. Ausgehend davon, dass im einstweiligen Rechtsschutzverfahren eine Verpflichtung zur Leistungserbringung grundsätzlich nur für den Zeitraum ab Eingang des Rechtsschutzantrags in Betracht komme, hätten im Ausgangsverfahren im Hinblick auf den Wechsel von Leistungsträgern wegen des Umzugs Leistungen allein für April bis Juli 2013, also für vier Monate in Rede gestanden. Während dieses kurzen Zeitraums sei die Versorgung der Klägerin im Wesentlichen durch die Unterstützung ihrer Eltern aber auch des Kindergartens gesichert gewesen. Hinzu komme, dass die Klägerin nach Beurteilung des SG die Möglichkeit gehabt habe, zumindest einen Teil der begehrten Leistungen als Sachleistungsanspruch zu erhalten. Vorliegend habe die Klägerin, vertreten durch ihren Vater und später deren Verfahrensbevollmächtigten, ohne dies zum Vorwurf machen zu können, nicht unerheblich zur Dauer des Beschwerdeverfahrens beigetragen. Der Vater der Klägerin habe die Frist zur Einlegung der Beschwerde fast vollständig ausgeschöpft. Mit Schriftsatz vom 21.5.2013 habe sich sodann der Verfahrensbevollmächtigte für die Klägerin legitimiert und Einsicht in die Verwaltungsakten beantragt. Da die Originalvollmacht dem Schriftsatz nicht beigefügt gewesen sei, sei zunächst deren Übersendung angemahnt worden, die ausblieb. Sodann habe der Vater der Klägerin den neuen Antrag vom 8.7.2013 in das Verfahren eingebracht. Daraufhin habe der Verfahrensbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 26.7.2013 einen Vergleichsvorschlag unterbreitet, der ebenfalls zur Anhörung gegeben werden musste. Auch wenn man der Auffassung sein möge, das Gericht hätte das Verfahren zwischen dem 13. und 24.5.2013 besser fördern und nach dem 24.5.2013 früher an die Vollmacht erinnern und dem Verfahren bis zum 8.7.2013 zügiger Fortgang geben können, so dürfe nicht außer Betracht bleiben, dass kein Anspruch eines Verfahrensbeteiligten auf eine ausschließliche oder beinahe lückenlose Bearbeitung einer Sache bestehe, zumal stets Zeiten, die etwa für eine Prüfung und Meinungsbildung des angerufenen Gerichts erforderlich sind, nicht als Verzögerungszeit berücksichtigt werden könnten. Unter den konkret gegebenen Umständen könne bei der gebotenen Gesamtbetrachtung eine unangemessene Verfahrensdauer bis zur tatsächlichen Erledigung Ende Juli 2013 nicht festgestellt werden, danach sei eine besondere Beschleunigung nicht mehr geboten gewesen. Das Gericht habe das Verfahren ab 8.7.2013 ohnehin in der gebotenen Weise gefördert. Die vom Verfahrensbevollmächtigten erst mit Schriftsatz vom 11.10.2013 erhobene Verzögerungsrüge gehe nach tatsächlicher Erledigung bereits mit Ablauf des 31.7.2013 ins Leere. Sie habe ihrem Zweck als Vorwarnung, die das Gericht zur Prüfung hinsichtlich einer zügigen Bearbeitung veranlassen solle, nicht mehr gerecht werden können. Darüber hinaus seien Zeiten des Verwaltungsverfahrens bei der Prüfung der Angemessenheit der Verfahrensdauer nicht zu berücksichtigen.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Landessozialgericht Baden-Württemberg ist für die hier erhobene Klage zuständig (§ 51 Abs. 1 Nr. 10, § 202 Satz 2 SGG in Verbindung mit den §§ 198 ff. GVG), da es sich bei dem Ausgangsverfahren um ein Verfahren aus dem Bereich der Sozialgerichtsbarkeit handelt. Die Klage ist auch form- und fristgerecht (gem. § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG) innerhalb von sechs Monaten nach der Erledigung des Verfahrens durch die Rücknahme der Beschwerde im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes am 4.11.2013 erhoben worden. Es war auch mehr als sechs Monate zuvor - schriftlich am 4.11.2013 durch den Prozessbevollmächtigten - eine wirksame Verzögerungsrüge gem. § 198 Abs. 3 GVG erhoben worden. Selbst wenn diese verspätet war (zur Verspätung siehe unten), führt sie nicht die Ausschlusswirkung einer fehlenden oder verfrühten Rüge herbei (Marx in Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren, 1. Aufl. 2013, § 198 GVG Rn. 137). Nicht als Verzögerungsrüge zu qualifizieren war hingegen der Anruf des Vaters der Klägerin am 26.6.2013 auf der Geschäftsstelle des LSG, mit dem er im Hinblick auf die baldige Einschulung um eine schnelle Entscheidung in der Sache bat. Unabhängig davon, ob für die Erhebung der Verzögerungsrüge die Schriftform erforderlich ist (offen gelassen in BSG, Urteil vom 03. September 2014 – B 10 ÜG 2/14 R –, SozR 4-1720 § 198 Nr 5 - juris Rn. 28) lässt sie sich jedenfalls fernmündlich nicht wirksam erheben (Marx in Marx/Roderfeld, aaO., Rn. 111).
Die hier gegebene allgemeine Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG – vergleiche hierzu BSG Urteil vom 21. Februar 2013 – B 10 ÜG 1/12 KL – in juris Rn. 15; BSG, Urteil vom 03. September 2014 – B 10 ÜG 2/14 R –, SozR 4-1720 § 198 Nr 5 - juris Rn. 17) ist auch im Übrigen zulässig.
II.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Ein Anspruch der Klägerin auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer besteht nicht.
Ein Anspruch der Klägerin ist nach § 198 GVG zu beurteilen. Nach § 198 Abs. 1 GVG wird, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. Gem. § 198 Abs. 2 GVG wird ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1.200 EUR für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen. Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter gem. § 198 Abs. 3 GVG nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge. Nach § 198 Abs. 4 GVG ist Wiedergutmachung auf andere Weise insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind. Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar (§ 198 Abs. 5 GVG). Gem. § 198 Abs. 6 GVG ist im Sinne dieser Vorschrift 1. ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren; 2. ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.
Eine allgemein gültige Zeitvorgabe, wie lange ein (sozialgerichtliches) Verfahren, und zwar unabhängig davon, ob Hauptsache- oder Eilverfahren, höchstens dauern darf, um nicht als unangemessen lang zu gelten, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Auch sonst ist die generelle Festlegung, ab wann ein Verfahren unangemessen lange dauert – insbesondere als feste Jahresgrenze – angesichts der Unterschiedlichkeit der Verfahren nicht möglich (BVerfG stattgebender Kammerbeschluss vom 20. Juli 2000 – 1 BvR 352/00 –, NJW 2001, 214; Scholz, Sozialgerichtsbarkeit 2012 Seite 19, 21; Roller DRiZ 2012 Heft 6 Beilage S. 7; so auch u.a. BGH Urteil vom 14. November 2013 – III ZR 376/12 – in juris Rn. 25, 26, 27)
Ob der Anspruch eines Verfahrensbeteiligten auf Entscheidung seines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit verletzt wurde, ist vielmehr im Lichte der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 Abs. 1 EMRK sowie des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 19 Abs. 4, 20 Abs. 3 GG zu beurteilen (vgl. auch BT-Drs. 17/3802, S. 1, 15; BSG, Urteil vom 3.9.2014 - B 10 ÜG 2/14 R, juris Rn. 30). Als Maßstab nennt § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens sowie das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (vgl. insoweit auch EGMR, Urteil vom 24. Juni 2010, Beschwerde Nr. 21423/07, Rdnr. 32; Urteil vom 8. Juni 2006 Nr.75529/01 Rdnr. 128; Urteil vom 21. April 2011 Nr. 41599/09 Rdnr. 42; BVerfG Beschluss vom 27. September 2011 – 1 BvR 232/11 - Rdnr. 16 in juris; BGH Urteil vom 14. November 2013 – III ZR 376/12 – Rdnr. 25 in juris; BFH Urteil vom 7. November 2013 – X K 13/12 – Rdnr. 56 und 69 in juris; Roller aaO S. 9; Scholz aaO S. 22; Roderfeld in Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts und Ermittlungsverfahren, Handkommentar, 2012, § 198 GVG Rdnr. 5, 8 ff.).
1. Ausgangspunkt und erster Schritt der Angemessenheitsprüfung bildet die in § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG definierte Gesamtdauer des Gerichtsverfahrens von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss. Entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin ist das Verwaltungs- bzw. Widerspruchsverfahren nicht zu berücksichtigen. Das hier zu beurteilende Beschwerdeverfahren hat vom Eingang der Beschwerde beim SG am 24.4.2013 bis zur verfahrensbeendenden Rücknahme der Beschwerde am 4.11.2013 gedauert, mithin 6 Monate und gut 1 Woche. Ob auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, in dem mitunter eine Erledigung durch Zeitablauf auch innerhalb weniger Tage eintreten kann, im Geltungsbereich des ÜGG die kleinste relevante Zeiteinheit 1 Monat ist (BSG, Urteil vom 3.9.2014 - B 10 ÜG 2/14 R, juris Rn. 31), wird offengelassen, da auch ansonsten die Verfahrensdauer nicht als überlang zu werten ist.
2. Im Rahmen der Prüfung der Schwierigkeit des Falles sind sowohl rechtliche als auch tatsächliche Erschwernisse zu berücksichtigen, mithin etwa die Wichtigkeit und Sensibilität der zu beantwortenden rechtlichen Fragen und die sich daraus ergebenden Anforderungen an die Sorgfalt der gerichtlichen Prüfung und Untersuchung. Von Bedeutung sind auch der Umfang der gebotenen Anhörungen, das Ausmaß an erforderlicher Tatsachenaufklärung sowie das Erfordernis der Einholung von Sachverständigengutachten (EGMR, Entscheidung vom 25. September 2007, Nr. 71475/01, Rdnr. 172). Der EGMR unterscheidet hinsichtlich der Komplexität eines Falles 5 Kategorien in entsprechender Abstufung (siehe hierzu auch OVG Magdeburg Urteil vom 25. Juli 2012 - 7 KE 1/11 - juris Rdnr. 39ff).
Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass in Eilverfahren - wie vorliegend - bei schwierigen und komplexen Sach- und Rechtsfragen das Gericht gegebenenfalls im Wege einer Güter- und Folgenabwägung eine vorläufige Entscheidung zu treffen hat (vergl. BVerfG Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05-). Damit aber erhalten die Fragen nach der Bedeutung (dazu hier unter 3.) und dem Verhalten der Beteiligten und Dritter (dazu unter 4.) maßgebliches Gewicht.
3. Hinsichtlich der Bedeutung des Verfahrens ist hier vor allem auf das Interesse der Verfahrensbeteiligten an einer baldigen Entscheidung abzustellen (siehe hierzu u.a. EGMR Urteil vom 8. Juni 2006 Nr. 75529/01 Rdnr. 133; Roller aaO S.9 unter Hinweis u.a., wenn die wirtschaftliche Existenz betroffen ist, auf BVerfG Beschluss vom 2. September 2009 – 1 BvR 3171/08, EuGRZ 2009; 695; BVerfG Beschluss vom 20. Juli 2000 – 1 BvR 352/00, NJW 2001, 214, 215; EGMR Urteil vom 21. Oktober 2010 Nr. 43155/08, juris und Urteil vom 13. Januar 2011, Nr. 34236/06, juris; wenn um den Lebensunterhalt sichernde sozialrechtliche Ansprüche gestritten wird siehe BVerfG Beschluss vom 27. September 2011 – 1 BvR 232/11, info also 2012, 28 (Grundsicherung für Arbeitsuchende); EGMR Beschluss vom 25. März 2010 Nr. 901/05, juris (Rente nach dem OEG); anders EGMR Beschluss vom10. Februar 2009 Nr. 30209/05, juris (Erziehungsgeld für abgelaufenen Zeitraum); s.a. Roderfeld aaO Rdnr. 11 mwN). Von einem solchen Interesse ist insbesondere dann auszugehen, wenn sich bei einer Verzögerung der Entscheidung für einen Beteiligten schwere und nicht oder nur begrenzt reparable Nachteile ergeben.
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist das Interesse der Klägerin an einer baldigen Entscheidung über die vorläufige Zubilligung eines TPB auf Grund der zeitlichen Komponente im Beschwerdeverfahren nicht mehr als groß anzusehen gewesen. Den Eltern der Klägerin ging es im Wesentlichen um das Aussuchen und die Anstellung einer integrativen Kraft, die ihrer behinderten Tochter bei der Überwindung der Schwierigkeiten zur Integration in den Regelkindergarten behilflich ist, dies auf eigene Rechnung und finanziert über ein TPB. Als Sachleistung hatte die Klägerin eine Assistenz im vorher besuchten Kindergarten erhalten und wäre ihr diese auch für den Besuch der Kindertageschule Am. vom Landratsamt R. weiter bewilligt worden. Streitig war lediglich die Bewilligung im Rahmen eines TPB. Im Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde am 24.4.2013 stand bereits fest, dass die Klägerin den Kindergarten nur noch bis Ende Juli 2013 besuchen wird. Mithin kam eine Leistungsgewährung nur noch für 3 Monate in Betracht. Auf Grund des bevorstehenden Umzugs vom damaligen Heimatort in R. in den Landkreis W. zum August 2013 stand auch für die bevorstehende Schulzeit fest, dass dort ggf. neue Kräfte beschäftigt werden müssten. Von daher dürfte es schon aus tatsächlichen Gründen in der verbliebenen Zeit nicht mehr möglich gewesen sein, eine entsprechende Kraft auszusuchen und zu finden, die spontan bereit und in der Lage ist, für eine nur noch kurze Übergangszeit von - unter Einbeziehung einer kurzen Bearbeitungszeit durch das LSG - dann noch unter 3 Monaten in einem Anstellungsverhältnis die Aufgabe zu übernehmen. Der von den Eltern der Klägerin verfolgte Zweck war also bereits bei Einlegung der Beschwerde nicht mehr zu erreichen. Das kommt auch darin zum Ausdruck, dass der Vater der Klägerin in seiner Beschwerdebegründung (S. 9 LSG-Akte) wörtlich zum Ausdruck bringt: "Doch der Kindergarten ist jetzt Zeitlich gelaufen. Jetzt kommt die Schule ...Wir wollten das unsere Tochter eine gute Vorbereitung zur Regelschule/Grundschule hat. Dies wurde Ihr durch das Sozialamt/R. sowie durch die m. verbaut." Leitend für die Einlegung der Beschwerde war vielmehr die Frage, wie es im Hinblick auf die bevorstehende Schulzeit weitergehen werde, wie es auch im Telefonanruf des Vaters der Klägerin am 26.6.2013 zum Ausdruck kam. Die Sicherstellung der Betreuung während der Schulzeit war jedoch im Hinblick auf den Wechsel der örtlichen Zuständigkeit und den Wechsel vom Kindergarten in die Schule nicht Gegenstand des anhängigen Eilrechtsverfahrens für die Zeit des Kindergartenbesuchs, worauf das LSG hingewiesen und dem der Klägervertreter zugestimmt hat. Zudem war fraglich, ob die Leitung des Kindergartens die Betreuung durch eine von den Eltern ausgesuchte integrative Kraft überhaupt noch genehmigen würde, nachdem es vorher zu Unstimmigkeiten gekommen war. Unter Berücksichtigung dessen, dass im Eilrechtsverfahren grundsätzlich nur Leistungen vom Beginn der Antragstellung beim SG zugesprochen werden können, war die Bedeutung der Sache für die Klägerin bezogen auf den restlichen Kindergartenbesuch nicht mehr erheblich, zumal ein Teil der Versorgung (Katheterisierung) durch die Eltern sichergestellt war und Teile des als TPB begehrten Leistungen als Geldleistungen bereits erbracht wurden (u.a. Pflegegeld).
4. Des Weiteren ist Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch, dass die unangemessene Verfahrensdauer durch staatliches Fehlverhalten verursacht wurde, etwa organisatorisches Verschulden bei der ausreichenden personellen Ausstattung der Gerichte. D.h. auf der anderen Seite, Entschädigungsansprüche scheiden schon dann grundsätzlich aus, wenn und soweit die Verzögerung des Verfahrens ausschließlich durch die Verfahrensbeteiligten selbst oder durch Dritte verursacht worden ist und das Gericht keine Möglichkeit hatte, dem wirksam entgegen zu steuern (siehe Roller aaO S. 10/11 mit verschiedenen Beispielen und Fundstellen; Roderfeld aaO Rdnr. 12). Hier ist hinsichtlich des Verfahrensablaufes zu berücksichtigen, dass ein nicht unerheblicher Teil der Verfahrensdauer der Klägerseite zuzurechnen ist. So hat der Vater der Klägerin die Frist zur Einlegung der Beschwerde am 24.4.2013 gegen den am 30.3.2013 zugestellten Beschluss des SG nahezu ausgeschöpft. Eine weitere kurze Verzögerung ist durch die - zulässige - Einlegung der Beschwerde beim SG statt beim zur Entscheidung darüber berufenen LSG - Eingang dort am 30.4.2013 - eingetreten. Noch am gleichen Tag hat das LSG die Beschwerdegegnerin zur Beschwerdeerwiderung und Vorlage der Verwaltungsakten aufgefordert, die am 13.5.2013 beim LSG eingingen. Unter Berücksichtigung des Feiertages am Pfingstmontag, dem 20.5.2013, vergingen 7 Arbeitstage ohne erkennbaren Arbeitsschritt des LSG bis sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin am Freitag, den 24.5.2013 beim LSG erstmals in das Verfahren einschaltete und sich auf die tatsächlich jedoch nicht vorgelegte Vollmacht bezog und um Akteneinsicht bat. Die sich daraus ergebende Verzögerung geht zu einem gewissen Grad zu seinen Lasten, nachdem die Geschäftsstelle des LSG die Vollmacht noch am gleichen Tag telefonisch anforderte, die Berichterstatterin deren Eingang eine Woche später mit Verfügung vom 3.6.2013 weiter abwartete und nach dem Wechsel der Berichterstatterin diese neben anderem nochmals am 19.6.2013 schriftlich angemahnt wurde. Nach § 73 Abs. 6 Satz 5 SGG muss bei der Vertretung durch einen Rechtsanwalt der Mangel der Vollmacht zwar nicht von Amts wegen berücksichtigt werden. Dennoch darf das Gericht bei Vorliegen begründeter Zweifel eine Überprüfung vornehmen (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. § 73 Rn. 68). Nachdem der Vater der Klägerin in seiner Beschwerde ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, aus Geldmangel die Beschwerde selbst durchzuführen und dem LSG eine Mandatserteilung nicht mitgeteilt hatte, war die Aufforderung zur Vorlage der Vollmacht legitim. Letztlich legte der Prozessbevollmächtigte die Vollmacht erst am 1.8.2013 vor. Das Gericht ist aktiv verfahrensbeschleunigend dann weiter am 19.6.2013 tätig geworden, indem es sich bei der Beschwerdegegnerin nach dem Ergebnis des Widerspruchsverfahrens, in dem nach den Akten eine Abhilfeentscheidung in Aussicht gestellt worden war, erkundigt hat; die Antwort ging am 15.7.2013 ein. Zwischenzeitlich brachte der Vater der Klägerin den neuen Antrag an die Beschwerdegegnerin vom 8.7.2013 den zukünftigen Schulbesuch der Klägerin betreffend ins Verfahren ein, was dem Klägervertreter zur Kenntnis gebracht werden musste und in den vom Klägervertreter am 26.7.2013 unterbreiteten Vergleichsvorschlag auch für die Hauptsache mündete. Die Dauer der bis zur Ablehnung am 16.9.2013 geführten Vergleichsverhandlungen muss bei der Beurteilung als überlanges Verfahren unberücksichtigt bleiben. Die sich daran anschließende Zeit bis zur Rücknahme der Beschwerde geht ebenfalls zu Lasten des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, der der durch den Zeitablauf mit Ende des Kindergartenbesuchs am 31.7.2013 eingetretenen tatsächlichen Erledigung der Beschwerde trotz entsprechender Aufforderung des LSG vom 20.9.2013 erst mit nicht zu begründender Verzögerung durch die entsprechende Erklärung am 4.11.2013 Rechnung getragen hat. Insbesondere ist nicht nachvollziehbar, weshalb vor Abgabe der Erklärung nochmals eine Akteneinsicht notwendig geworden sein sollte. Demgegenüber könnte allenfalls die durch das weitere Abwarten des Eingangs der Vollmacht zwischen dem 3.6. und dem 19.6.2013 eingetretene Verzögerung von zweieinhalb Wochen dem Gericht anzulasten sein. Unter Berücksichtigung des og. ohnehin deutlich abgeschwächten objektiven Interesses der Klägerin an der Entscheidung des Gerichts kann hier eine unverhältnismäßige Pflichtverletzung bei der weiteren Verfahrensbeschleunigung nicht gesehen werden. Dass die Verfahrensdauer deshalb die äußerste Grenze des Angemessenen deutlich überschritten und deshalb das Recht auf Rechtsschutz in angemessener Zeit verletzt wurde, kann nicht festgestellt werden. In der wertenden Gesamtschau ist damit festzuhalten, dass das hier von der Klägerseite beanstandete Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem LSG nicht unangemessen lange gedauert hat, vielmehr die hier geltend gemachten Verzögerungen und damit geltend gemachten Nachteile ihre Ursache im Wesentlichen in den von Klägerseite selbst verursachten Verzögerungen haben.
5. Der Entschädigungsanspruch scheitert ebenfalls an der verspätet erhobenen Verzögerungsrüge. Durch Zeitablauf hatte sich das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes mit dem Ende des Kindergartenbesuches am 31.7.2013 erledigt. Die Verzögerungsrüge hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin jedoch erst wesentlich danach am 4.11.2013 erhoben. Grundsätzlich ist eine Verspätung der Verzögerungsrüge im laufenden Verfahren unschädlich, weil Geduld eines Verfahrensbeteiligten nicht "bestraft" werden soll (BT-Drucks. 17/3802, 21). Insbesondere schließt sie eine Entschädigung auch für die Zeit vor der Erhebung in der Regel nicht aus (Marx in Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren, § 198 GVG, Rn. 135). Bei Rügeerhebung soll die Wahrscheinlichkeit für eine Überlänge des Verfahrens allerdings nach dem Willen des Gesetzgebers noch nicht so hoch sein, dass sie schon den Grad einer Gewissheit erreicht. Dann würde die Verzögerungsrüge ihre präventive Warnfunktion großenteils verlieren. Ist - hier aus Sicht des Prozessbevollmächtigten der Klägerin - eine Verzögerung des Verfahrensabschlusses sicher und steht die unangemessene Verfahrensdauer fest, kann die Verzögerungsrüge allenfalls noch eine weitere Ausdehnung der Überlänge verhindern; zur Verhinderung der Überlänge selbst kommt sie zu spät. Eine derart bewusst sehr spät eingelegte Verzögerungsrüge lässt das Verhalten des Verfahrensbeteiligten nicht mehr als Geduld, sondern schon als Duldung erscheinen, um sodann hierfür Geldentschädigung zu verlangen. Das "dulde und liquidiere"-Verhalten fließt in die Beurteilung ein, ob es sich um eine angemessene Verfahrensdauer handelt oder jedenfalls eine Feststellung der Überlänge als Wiedergutmachung auf andere Weise genügt. Auch lässt sich deshalb nach § 198 Abs. 2 S. 4 GVG der volle Pauschalbetrag für die Entschädigung wegen immaterieller Nachteile verringern (Marx in Marx/Roderfeld aaO. Rn. 136 f. mit Hinweis auf BT-Drucks. 17/3802, 20, 21). Unter Berücksichtigung dessen konnte die am 4.11.2013 erhobene Verzögerungsrüge keinen Einfluss mehr auf die mit dem Verfahren verfolgten Ziele habe. Sie stellt sich vielmehr als nur noch zum Zwecke der Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen erfolgte Verfahrenshandlung dar, die die materiell-rechtliche Voraussetzung für die hier vorliegende Klage schaffen sollte.
Aus diesen Gründen ist die Klage auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer abzuweisen und auch nicht Wiedergutmachung auf andere Weise zu gewähren.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 197a i.Vm. 183 Satz 6 SGG.
Der Streitwert war in Höhe des bezifferten Leistungsantrags auf 4.684 EUR festzusetzen (§ 52 Abs. 1 GKG).
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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