L 12 AS 4597/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AS 756/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 4597/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung gegen den Gesichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 26.09.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen eine Absenkung seiner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in der Zeit vom 01.04.2013 bis 30.06.2013 (I.), gegen eine Absenkung der Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 01.09.2013 bis 30.11.2013 (II.) sowie gegen eine Eingliederungsvereinbarung, die durch Verwaltungsakt (Eingliederungsbescheid) erlassen wurde (III.), und gegen eine Sanktion, die auf Grund des Eingliederungsbescheides ergangen ist (IV.).

Der 1955 geborene erwerbsfähige Kläger ist wohnsitzlos und lebt in einem Kfz, das er auf wechselnden öffentlichen Stellplätzen abstellt. Am 01.07.2010 beantragte er erstmals beim Beklagten die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende. Zuvor hatte er diese Leistungen vom J. K. erhalten. Am 15.07.2014 teilte der Kläger mit, dass er nach B. weitergezogen sei, im Erörterungstermin am 17.04.2015 teilte er mit, nunmehr nach R. weitergezogen zu sein.

Mit Bescheid vom 12.12.2012, geändert durch Bescheid vom 29.01.2013, bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen in Höhe von 450 EUR monatlich (Regelleistung in Höhe von 382 EUR, Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 68 EUR) für die Zeit vom 01.01.2013 bis 31.12.2013.

I. Absenkung der Leistungen um 10% für die Zeit vom 01.04.2013 bis 30.06.2013

Mit Schreiben vom 28.01.2013 lud der Beklagte den Kläger für 04.02.2013 um 10 Uhr zu einem Gespräch über die Planung der weiteren Vorgehensweise und Vorbereitung aktiver Arbeitsförderungsleistungen mit seinem neuen persönlichen Ansprechpartner in ein genau bezeichnetes Zimmer im Jobcenter Friedrichshafen ein. Der Kläger wurde darauf hingewiesen, dass, sollte er nicht erscheinen, sein Arbeitslosengeld II für drei Monate um 10 % des für ihn maßgeblichen Regelbedarfs abgesenkt werde.

Am 04.02.2013 erschien der Kläger zwar pünktlich zum Termin, jedoch fand kein Gespräch statt. Der Kläger blieb in der Türe stehen und erklärte, dass er zu keinem Gespräch bereit sei. Er gab am Empfang ein Schreiben an den L. ab, in dem er sich u.a. gegen die diktierende Vorgehensweise sowie die unverschämten Anmaßungen und Forderungen und Auflagen des J. wandte. Er sehe sich durch das Verhalten des J. in seinen Grundrechten verletzt. Es sei Aufgabe der Volkswirtschaft, die Bürger mit (Nominal-) Einkommen zu versorgen. Das steuerfreie Existenzminimum stehe auch nicht erwerbstätigen Bürgern zu. Nach Art. 1 des Grundgesetzes (GG) sei die Würde des Menschen unverletzlich – auch unveräußerlich. Dies mache auch jedwede beidseitig abgeschlossene Eingliederungsvereinbarung, so diese nicht schon wegen Verletzung des Rechts auf Vertragsfreiheit nichtig sei, dann wenigstens wegen Sittenwidrigkeit grundrechtswidrig.

Mit Schreiben vom 04.02.2013 hörte der Beklagte den Kläger zu dem Vorwurf an, dass er zwar zu dem vorgegebenen Termin am 04.02.2013 um 10 Uhr erschienen sei, der Meldezweck jedoch angesichts der fehlenden Gesprächsbereitschaft nicht habe erreicht werden können. Es sei beabsichtigt, die dem Kläger zustehende Regelleistung für drei Monate um 10 % zu kürzen. Mit Schreiben vom 08.02.2013 nahm der Kläger Bezug auf seine Ausführungen in dem am 04.02.2013 übergebenen Schreiben.

Mit Bescheid vom 20.03.2013 senkte der Beklagte das dem Kläger zustehende Arbeitslosengeld II gemäß § 32 SGB II für die Zeit von 01.04.2013 bis 30.06.2013 um 10 % des für den Kläger maßgebenden Regelbedarfs (38,20 EUR) ab, da dieser es trotz schriftlicher Belehrung über die bzw. Kenntnis der Rechtsfolgen versäumt habe, seiner Meldepflicht bei seinem Fallmanager am 04.02.2013 nachzukommen. Er sei zu dem Termin zwar erschienen, jedoch sei er nicht bereit gewesen, ein Gespräch mit seinem Fallmanager zu führen, so dass der Meldezweck nicht habe erreicht werden können. Ein wichtiger Grund für die Pflichtverletzung sei nicht nachgewiesen worden und auch nicht ersichtlich. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.07.2013 zurück.

Am 27.03.2013 hat der Kläger beim Sozialgericht Konstanz (SG) einstweiligen Rechtschutz beantragt und gleichzeitig Klage (S 9 AS 756/13) erhoben.

Den Antrag im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (S 9 AS 1111/13 ER) hat das SG mit Beschluss vom 17.05.2013 abgelehnt.

II. Absenkung des Arbeitslosengeldes II für die Zeit vom 01.09.2013 bis 30.11.2013

Mit Schreiben vom 26.06.2013 lud der Beklagte den Kläger zur Planung der weiteren Vorgehensweise und Vorbereitung aktiver Arbeitsförderungsleistungen zu einem Gespräch ins L. für Dienstag, den 02.07.2013, um 9 Uhr ein. Der Kläger wurde darauf hingewiesen, dass, sollte er nicht erscheinen, sein Arbeitslosengeld II für drei Monate um 10 % des für ihn maßgeblichen Regelbedarfs abgesenkt werde. Zu dem Termin erschien der Kläger nicht.

Mit Schreiben vom 03.07.2013 hörte der Beklagte den Kläger zu dem Vorwurf an, dass er den Termin am 02.07.2013 unentschuldigt nicht wahrgenommen habe. Er wurde auf die Absenkung der Regelleistung in Höhe von 10 % der maßgeblichen Regelleistung für die nächsten drei Monate hingewiesen. Mit Schreiben vom 25.07.2013 verwies der Kläger erneut auf sein Schreiben an den L., dass bislang unbeantwortet geblieben sei. Ferner führte er aus: "Wer die auch mir verfassten Grundrechte nicht respektiert, den respektiere ich auch nicht."

Der Beklagte senkte mit Bescheid vom 05.08.2013 das dem Kläger zustehende Arbeitslosengeld II nach § 32 SGB II für die Zeit vom 01.09.2013 bis 30.11.2013 um 10 % des für den Kläger maßgebenden Regelbedarfs (38,20 EUR) ab. Der Kläger habe den Termin am 02.07.2013 trotz schriftlicher Belehrung über die bzw. Kenntnis der Rechtsfolgen versäumt, ohne hierfür einen wichtigen Grund nachgewiesen zu haben.

Mit Schreiben vom 08.08.2013 erhob der Kläger gegen den Sanktionsbescheid Widerspruch, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 07.11.2013 zurückwies.

Am 02.09.2013 hat der Kläger beim SG um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht (S 9 AS 2224/13 ER) und gleichzeitig Klage erhoben (S 9 AS 2244/13). Zur Begründung hat er auf die Ausführungen in den anhängigen Verfahren verwiesen.

Mit Beschluss vom 13.09.2013 hat das SG den Antrag des Klägers auf einstweiligen Rechtsschutz (S 9 AS 2224/13 ER) abgelehnt.

III. Eingliederungsbescheid

Der Beklagte wies den Kläger mit Schreiben vom 04.02.2013, dem Tag an dem der Kläger zwar zum Meldetermin erschien, jedoch ein Gespräch verweigerte (siehe I.), darauf hin, dass wenn eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustande komme, die Möglichkeit bestehe, einen Verwaltungsakt zu erlassen, der die Ziele der beruflichen Eingliederung sowie die Leistungen und Pflichten der Vertragsparteien festlege.

Nachdem der Kläger zu den Meldeterminen am 04.02.2013 und am 02.07.2013 wortlos oder nicht erschienen war und sich geweigert hatte, eine Eingliederungsvereinbarung zu unterschreiben, erließ der Beklagte am 02.07.2013 einen Bescheid über den Ersatz einer Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt für den Zeitraum 08.07.2013 bis 30.09.2013. Darin wurde der Kläger verpflichtet, sich auf Vermittlungsangebote des Arbeitsvermittlers bzw. des Fallmanagers unverzüglich zu bewerben. Darüber hinaus wurde der Kläger verpflichtet, sich monatlich (Juli 2013, August 2013 und September 2013) aktiv auf weitere acht Stellenangebote zu bewerben. Die Bewerbungsbemühungen habe er nachzuweisen und jeweils zum 15. des Folgemonats unaufgefordert bei seinem Fallmanager vorzulegen. Der Beklagte verpflichtete sich als Träger der Grundsicherung nach dem SGB II zur Erstattung der Bewerbungskosten bezüglich Bewerbungen auf sozialversicherungspflichtige Stellen mit einer Beschäftigung ab 15 Stunden pro Woche. Darüber hinaus wurde der Kläger zur Teilnahme am Beschäftigungspaket 50plus verpflichtet.

Der Kläger erhob gegen den Eingliederungsbescheid am 05.08.2013 Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.10.2013 als unbegründet zurückwies.

Am 30.10.2013 hat sich der Kläger mit einer Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 16.10.2013 an das SG gewandt (S 9 AS 2744/2013).

IV. Sanktion wegen Verstoßes gegen den Eingliederungsbescheid

Da der Kläger in der Folgezeit keine Bewerbungsbemühungen vorlegte, hörte der Beklagte ihn mit Schreiben vom 03.09.2013 dazu an, dass beabsichtigt sei, das ihm gewährte Arbeitslosengeld II in Höhe von 30 % der Regelleistung – zusätzlich zu den Kürzungen wegen Meldeversäumnissen – zu kürzen, da er eine Pflicht aus der Eingliederungsvereinbarung in Form des Nachweises von Eigenbemühungen verletzt habe. Nachdem der Kläger sich zu den vorgeworfenen Pflichtverletzungen nicht äußerte, senkte der Beklagte mit Bescheid vom 21.10.2013 das dem Kläger zustehende Arbeitslosengeld II um 30 % (114,00 EUR) für den Zeitraum vom 01.11.2013 bis 31.01.2014 ab. Der Kläger sei auf Grund des Eingliederungsbescheides vom 02.07.2013 verpflichtet gewesen, sich auf durchschnittlich acht sozialversicherungspflichtige Stellen pro Monat zu bewerben und diese Bewerbungen unaufgefordert nachzuweisen. Die erste Fälligkeit des Nachweises wäre somit der 15.08.2013 gewesen. Bis zum heutigen Tag sei kein Nachweis über erfolgte Bewerbungen eingegangen.

Am 29.10.2013 hat der Kläger Widerspruch gegen den Sanktionsbescheid erhoben.

Am 31.10.2013 hat der Kläger beim SG um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht (S 9 AS 2752/13 ER) und gleichzeitig Klage erhoben (S 9 AS 2895/13). Zur Begründung hat er im Wesentlichen auf die Begründungen in den anhängigen Klage- und einstweiligen Rechtsschutzverfahren verwiesen.

Nachdem das Gericht mit Beschluss vom 06.12.2013 im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (S 9 AS 2752/13 ER) die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 29.10.2013 gegen den Sanktionsbescheid vom 21.10.2013 angeordnet hat, da ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides bestanden hätten, hat der Beklagte mit Abhilfebescheid vom 20.03.2014 den Eingliederungsbescheid vom 02.07.2013 und den Sanktionsbescheid vom 21.10.2013 sowie den Widerspruchsbescheid vom 16.10.2013 aufgehoben. Der Kläger hat daraufhin erklärt, die Verfahren S 9 AS 2744/13 und S 9 AS 2895/13 in Form der Fortsetzungsfeststellungsklage fortführen zu wollen, da der Beklagte nach wie vor zu erkennen gebe, dass ihm rechtswidrig eine Eingliederungsvereinbarung in Form eines Verwaltungsaktes aufgedrängt werden solle.

Mit Beschluss vom 16.05.2014 hat das SG die Verfahren S 9 AS 756/13, S 9 AS 2244/13, S 9 AS 2744/13 und S 9 AS 2895/13 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen S 9 AS 756/13 verbunden.

Mit Gerichtsbescheid vom 26.09.2014 hat das SG die Klagen abgewiesen. Soweit es in den Verfahren S 9 AS 2244/13 und S 9 AS 2744/13 (gemeint war wohl S 9 AS 756/13) zunächst an der Durchführung eines Vorverfahrens gemangelt habe, sei mit den Widerspruchsbescheiden vom 18.07.2013 und vom 07.11.2013 Heilung während des Klageverfahrens eingetreten; die Klagen seien jedoch unbegründet. Soweit sich der Kläger in den Verfahren S 9 AS 2744/13 und S 9 AS 2895/13 zunächst mit der Anfechtungsklage gegen den Eingliederungsbescheid und den auf der Pflichtverletzung aus dem Eingliederungsbescheid beruhenden Sanktionsbescheid gewandt habe, sei zunächst die Anfechtungsklage statthaft gewesen. Nachdem der Beklagte jedoch mit Abhilfebescheid vom 20.03.2014 die Bescheide vom 02.07.2013, 16.10.2013 und 21.10.2013 aufgehoben habe, hätten sich die angegriffenen Bescheide erledigt, so dass die Anfechtungsklagen unzulässig wurden. Zwar habe der Kläger zulässigerweise auf eine Fortfeststellungsklage nach § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG umgestellt, jedoch sei eine Wiederholungsgefahr – der Kläger sei nicht mehr im Zuständigkeitsbereich des Beklagten – zu verneinen.

Gegen den Gerichtsbescheid wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. In der Sache wende er sich gegen die Anwendung der Sanktionsregeln des SGB II. Der Bund trage die Verantwortung für die Sicherstellung des gesamten menschenwürdigen Existenzminimums, das von Verfassungswegen durch (einklagbare) Rechtsansprüche gewährleistet sein müsse. Ihm sei es in seiner Lebenssituation unmöglich, Rücklagen zu bilden, er müsse dies auch nicht tun, denn das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums sei dem Grunde nach unverfügbar und müsse eingelöst werden, der darauf beruhende gesetzliche Leistungsanspruch müsse so ausgestaltet sein, dass er stets den gesamten existenznotwendigen Bedarf jedes individuellen Grundrechtsträgers decke; der Hilfebedürftige, dem ein Pauschalgeldbetrag zur Verfügung gestellt werde, könne über dessen Verwendung im Einzelnen selbst bestimmen. Zwar sei das Vorgehen des Beklagten möglicherweise rechtmäßig nach den Bestimmungen des SGB II, jedenfalls verletze es ihn aber in seinem Recht aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG. Der Anspruch auf Gewährung des menschenwürdigen Existenzminimums biete absolut keinen Spielraum für Absenkungen aus Sanktion.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 26.09.2014 aufzuheben und

1. den Bescheid vom 20.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.07.2013 aufzuheben, 2. den Bescheid vom 05.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.11.2013 aufzuheben, 3. festzustellen, dass der Bescheid vom 02.07.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.10.2013 rechtswidrig war sowie 4. festzustellen, dass der Bescheid vom 21.10.2013 rechtswidrig war.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge (auch im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes) sowie die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat kann auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 17.04.2015 trotz der Abwesenheit des Klägers entscheiden. Der Kläger hat – wie schon früher – auch im Berufungsverfahren nur eine "postlagernd"-Adresse angegeben, zuletzt in Rl; dorthin ist ihm die Ladung gleichzeitig mit Postzustellungsurkunde und mit einfachem Brief zugesandt worden (vgl. BSG, Urteil vom 16.10.2010 – B 8 SO 12/10 – juris Rn. 7)

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 26.09.2014 ist statthaft, da Berufungsausschließungsgründe nicht eingreifen (vgl. §§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG). Insbesondere war sie nicht nach § 105 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig. Zwar übersteigt der Wert der Minderungen in den einzelnen Zeiträumen den Wert von 750 EUR nicht, auch wenn die Minderungsbeträge addiert werden, erreicht die Summe von 573,00 EUR den erforderlichen Wert nicht. Jedoch betreffen die verbundenen Klagen auch den Eingliederungsbescheid und damit keinen Bescheid über eine Geld-, Sach- oder Dienstleistung an den Kläger, auch nicht mittelbar, wie es ggfs. für den ebenfalls angefochtenen Sanktionsbescheid nach § 31 SGB II gilt. Dass ein späterer Verstoß gegen Obliegenheiten, die in einem Eingliederungsbescheid festgesetzt worden sind, Auswirkungen auf den Leistungsanspruch haben kann, ist hinsichtlich des Eingliederungsbescheides ein bloßer Rechtsreflex. Sein Regelungsgehalt ist grundsätzlich anders; er erlegt dem Betroffenen konkrete Verhaltensobliegenheiten im Bereich der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt auf und ist die Grundlage von Ansprüchen auf aktive Leistungen des Grundsicherungsträgers zu eben dieser Wiedereingliederung. Es kommt daher nicht darauf an, ob die Beschwer eines Klägers, der mit einer Klage gegen einen Eingliederungsbescheid unterlegen ist, mit mehr oder weniger als 750,00 EUR zu beziffern ist (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 12.12.2012 – L 3 AS 2192/12 – juris). Folglich war die Berufung insgesamt zulässig.

Die Berufung ist aber nicht begründet. Das SG hat die Anfechtungsklagen des Klägers (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Variante 1 SGG) gegen die Minderungen wegen der Meldeversäumnisse (I. und II.) sowie die Fortsetzungsfeststellungsklagen auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Eingliederungsbescheides und des Sanktionsbescheides (III.) zu Recht abgewiesen.

I. Absenkung der Leistungen um 10% für die Zeit vom 01.04.2013 bis 30.06.2013

Der Bescheid des Beklagten vom 20.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.07.2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Zutreffend ist das SG davon ausgegangen, dass die Klage vom 27.03.2013, nachdem das Vorverfahren nachgeholt worden war, im Zeitpunkt der Entscheidung zulässig war (Leitherer, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 12. Auflage 2014, § 78 Rn. 3).

Der Bescheid des Beklagten ist formell rechtmäßig. Allein, dass er keine Unterschrift trägt, führt nicht zur Rechtswidrigkeit des Bescheides. Nach § 33 Abs. 3 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) muss ein schriftlicher Verwaltungsakt die ausstellende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten. Aus dem Absenkungsbescheid sind sowohl die ausstellende Behörde als auch der namentlich genannte Behördenbedienstete klar erkennbar, so dass den Erfordernissen des § 33 SGB X Genüge getan ist.

Der Bescheid des Beklagten ist materiell rechtmäßig. Der Beklagte hat die Leistungen für die Zeit vom 01.04.2013 bis 30.06.2013 zu Recht um 10 % der maßgeblichen Regelleistung abgesenkt. Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 SGB II mindert sich das Arbeitslosengeld II jeweils um 10 Prozent des für den Leistungsberechtigten nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs, wenn er trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis einer Aufforderung des zuständigen Trägers, sich bei ihm zu melden nicht nachkommt. Dies gilt nach § 32 Abs. 1 Satz 1 SGB II nicht, wenn der Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegt und nachweist.

Das Einladungsschreiben des Beklagten beinhaltete eine konkrete Bezeichnung des Meldezwecks sowie eine genaue Angabe von Zeit und Ort der Meldung. Das Schreiben enthielt eine konkrete, verständliche, richtige und vollständige Rechtsfolgenbelehrung. Der Kläger ist zwar zum genannten Termin am 04.02.2013 erschienen, hat jedoch bei diesem Termin jegliche Mitwirkung verweigert. Dieses kurze Erscheinen des Klägers, bei dem er jegliche Kommunikation mit dem Sachbearbeiter verweigerte, stellt keine Erfüllung der Meldepflicht nach § 32 Abs. 1 Satz 1 SGB II dar (Bayerisches LSG, Beschluss vom 03.01.2011 – L 7 AS 921/10 B ER –, Rn. 24, juris, Beschluss vom 10.02.2015 – L 11 AS 59/15 NZB –, juris; Sonnhoff, in jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 32 Rn. 22; Harks, in jurisPK-SGB III, 1. Aufl. 2014, § 309 SGB III Rn. 37). Für die Arbeitsförderung nach SGB III wird zwar teilweise vertreten, dass der Meldepflichtige nur ein persönliches Erscheinen schuldet (Düe, in Brand, SGB III, 6. Auflage 2012, § 309 Rn. 18). Dem wird für die Grundsicherung für Arbeitsuchende jedoch widersprochen (Knickrehm/Hahn, in Eicher SGB II, 3. Auflage 2013, § 32 Rn. 16). Der Zweck eines Meldetermins wird mit einem derartigen passiven Verständnis der Meldepflicht vereitelt. Außerdem verträgt sich das passive Verständnis nicht mit dem ausgeprägten Grundsatz des Forderns in § 2 SGB II. Inwieweit das aktive Verständnis der Meldepflicht zu Abgrenzungsproblemen führt (mit welchen Aktivitäten ist der Meldepflicht genüge getan?), muss hier nicht entschieden werden. Das bloße wortlose Erscheinen zum Meldetermin mit einer völligen Verweigerung ist wie ein Nichterscheinen zu werten (Bayerisches LSG, Beschluss vom 03.01.2011 – L 7 AS 921/10 B ER –, juris).

Ein wichtiger Grund für das Versäumnis liegt nicht vor. Insbesondere ist die Meldeaufforderung entgegen der Auffassung des Klägers nicht verfassungswidrig. Die für eine Verletzung der Meldepflicht vorgesehenen Sanktionen sind wegen der damit verbundenen Absenkung des Leistungsniveaus vorliegend allein an dem aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs. 1 GG hergeleiteten Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums zu messen (BVerfG Urteil vom 9.2.2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09BVerfGE 125, 175, 223 = NJW 2010, 505, 508; BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 07.07.2010 – 1 BvR 2556/09NJW 2010, 2866, 2868). Die gesetzlich geregelten Absenkungsmöglichkeiten sind als ein dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns genügender Ausdruck der verfassungsrechtlich bestehenden Selbsthilfeobliegenheit als Kehrseite der Gewährleistungspflicht des Staates anzusehen (vgl. BSG Urteil vom 09.11.2010 – B 4 AS 27/10 R –, juris; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28.08.2013 – L 34 AS 224/13 –, juris).

Nach § 31 Abs. 2 i.V.m. § 31b Abs. 1 Satz 1 mindert sich der Auszahlungsanspruch mit Beginn des Kalendermonats, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes folgt, der das Meldeversäumnis feststellt. Der Beklagte hat die Minderung mit Bescheid vom 20.03.2013 für die Zeit vom 01.04.2013 bis 30.06.2013 festgestellt. Der Bescheid ist auch im März 2013 zugegangen und damit wirksam; der Kläger hat bereits am 27.03.2013 einstweiligen Rechtschutz beantragt.

II. Absenkung des Arbeitslosengeldes II für die Zeit vom 01.09.2013 bis 30.11.2013.

Der Bescheid des Beklagten vom 05.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.11.2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Zutreffend ist das SG davon ausgegangen, dass die Klage vom 08.08.2013, nachdem das Vorverfahren nachgeholt worden war, im Zeitpunkt der Entscheidung zulässig war (Leitherer, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 12. Auflage 2014, § 78 Rn. 3).

Der Bescheid des Beklagten ist formell rechtmäßig. Allein, dass er keine Unterschrift trägt, führt nicht zur Rechtswidrigkeit des Bescheides (s.o.).

Der Bescheid des Beklagten ist materiell rechtmäßig. Der Beklagte hat die Leistungen für die Zeit vom 01.09.2013 bis 30.11.2013 zu Recht um 10 % der maßgeblichen Regelleistung abgesenkt. Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 SGB II mindert sich das Arbeitslosengeld II jeweils um 10 Prozent des für den Leistungsberechtigten nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs, wenn er trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis einer Aufforderung des zuständigen Trägers, sich bei ihm zu melden nicht nachkommt. Dies gilt nach § 32 Abs. 1 Satz 1 SGB II nicht, wenn der Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegt und nachweist.

Das Einladungsschreiben des Beklagten beinhaltete eine konkrete Bezeichnung des Meldezwecks sowie eine genaue Angabe von Zeit und Ort der Meldung. Das Schreiben enthielt eine konkrete, verständliche, richtige und vollständige Rechtsfolgenbelehrung. Der Kläger zum Termin nicht erschienen. Ein wichtiger Grund für das Versäumnis liegt nicht vor. Insbesondere ist die Meldeaufforderung entgegen der Auffassung des Klägers nicht verfassungswidrig (s.o.).

Nach § 31 Abs. 2 i.V.m. § 31b Abs. 1 Satz 1 mindert sich der Auszahlungsanspruch mit Beginn des Kalendermonats, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes folgt, der das Meldeversäumnis feststellt. Der Beklagte hat die Minderung mit Bescheid vom 05.08.2013 für die Zeit vom 01.09.2013 bis 30.11.2013 festgestellt. Der Bescheid ist auch im August 2013 zugegangen und damit wirksam; der Kläger hat bereits am 08.08.2013 Widerspruch erhoben.

III. Fortsetzungsfeststellungklagen – Eingliederungsbescheid

Das SG hat die Fortsetzungsfeststellungsklagen zu Recht als unzulässig abgewiesen. Durch den Abhilfebescheid vom 20.03.2014 haben sich der Eingliederungsbescheid sowie die Minderung des Arbeitslosengeldes erledigt. Die Umstellung auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage kommt nach § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG in Betracht, wenn der Kläger ein berechtigtes Fortsetzungsfeststellungsinteresse hat (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22.04.2013 – L 19 AS 149/13 –). Offenbleiben kann, ob die Klage gegen den Sanktionsbescheid bereits mangels Vorverfahrens unzulässig war. Jedenfalls fehlt es sowohl im Hinblick auf den Sanktionsbescheid als auch im Hinblick auf den Eingliederungsbescheid an einem berechtigten Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit. Ein solches Feststellungsinteresse kommt in Betracht bei Wiederholungsgefahr, Rehabilitationsinteresse und Präjudiziabilität für einen anderen Rechtsstreit. (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13.02.2012 – L 19 AS 1996/11 –). Für das berechtigte Interesse reicht es aus, wenn der Kläger entsprechende Tatsachen vorträgt, ohne dass große Anforderungen an die Substantiierungspflicht bestehen (BSG, Urteil vom 28.08.2007 – B 7/7a AL 16/06 R; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13.02.2012 – L 19 AS 1996/11; Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O. § 131 SGG Rn. 10). Ein solches Feststellungsinteresse liegt jedoch nicht vor. Wiederholungsgefahr ist in diesem Zusammenhang die Gefahr, dass in naher Zukunft bei im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen ein gleichartiger Verwaltungsakt erlassen wird (BSG, Urteil vom 14.02.2013 – B 14 AS 195/11 R –, BSGE 113, 70 = SozR 4-4200 § 15 Nr 2; Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 131 SGG Rn. 10b); dies liegt bereits deshalb nicht vor, da der Kläger seinen Aufenthalt nicht mehr im Zuständigkeitsbereich des Beklagten hat. Auch hat der Beklagte durch den Erlass des Abhilfebescheides eindeutig zu erkennen gegeben, dass er sein rechtswidriges Verhalten erkannt hat und dies nicht wiederholen wird. Da der Eingliederungsbescheid ein zulässiges Instrumentarium des SGB II darstellt, kann dem Beklagten – entgegen der Auffassung des Klägers, der sich gegen das SGB II an sich wendet – nicht untersagt werden, überhaupt einen Eingliederungsbescheid zu erlassen. Präjudiziabilität für einen anderen Rechtsstreit oder ein Rehabilitationsinteresse liegen ebenfalls nicht vor. Um ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zu begründen, muss der Verwaltungsakt ein Bedürfnis nach Genugtuung auf Grund diskriminierenden Verwaltungshandelns und diesen innewohnende Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsrechts (bzw. des mit Persönlichkeitsrechten der Kinder korrespondierenden elterlichen Erziehungsrechts) oder sonstiger grundrechtsgeschützter ideeller Interessen auslösen (BVerwG, Beschluss vom 3. März 2005 – 2 B 109/04 –, juris). Hierzu hat der Kläger nichts Konkretes dargetan, allein der Vortrag, der Verwaltungsakt sei rechtswidrig und verletzte ihn dadurch in seinen Grundrechten, ist hierzu nicht ausreichend. Im Übrigen wird nach § 153 Absatz 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen und nach eigener Prüfung durch den Senat auf die zutreffenden Ausführungen des SG Bezug genommen.

Nach alldem ist die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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