L 11 KR 4684/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 3 KR 3878/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 4684/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 14.10.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Krankengeld (Krg) für den Zeitraum 09.03 bis 22.09.2013.

Die 1962 geborene Klägerin ist seit 1989 als Exportsachbearbeiterin versicherungspflichtig beschäftigt. Es handelt sich um eine sitzende Tätigkeit in Vollzeit ohne Vorgesetztenfunktion. Im November 2011 erlitt die Klägerin einen Hirninfarkt. Sie war deswegen arbeitsunfähig vom 16.11. bis 02.12.2011, 26.03. bis 05.04.2012, 23. bis 30.04.2012, 29.05. bis 06.07.2012 und ab 23.07.2012. Vom 24.07. bis 21.08.2012 absolvierte sie eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme zu Lasten der Deutschen Rentenversicherung Bund. Die Entlassung erfolgte arbeitsfähig für leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung überwiegend im Sitzen entsprechend der bisherigen Tätigkeit (Entlassungsdiagnosen: Stammganglieninfarkt links mit Hemiparese rechts bei Carotisdissektion links mit Horner-Syndrom links, Dysarthrie am 16.11.2012, Hypercholesterinämie, Migräne, Hypothyreose, Radiojodtherapie vor zwei Jahren, Tabakabusus). Gleichwohl bescheinigte der Hausarzt Dr. H. weiter Arbeitsunfähigkeit (AU) mit den Diagnosen Hirninfarkt durch Embolie (I63.4) und leichtgradige depressive Episode (F33.0). Die Beklagte gewährte der Klägerin weiterhin Krg. In einem Telefonat am 27.11.2012 gab die Klägerin laut Aktenvermerk (Blatt 20 Verwaltungsakte) an, es gebe Probleme mit ihrem Arbeitgeber, sie möchte gerne die Kündigung von ihm, er habe sich bislang nicht geäußert. Die Klägerin wurde gebeten, sich hinsichtlich der Möglichkeit des Abschlusses eines Aufhebungsvertrags zu erkundigen.

Nach sozialmedizinischer Fallberatung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) teilte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 05.03.2013 mit, dass über den 08.03.2013 hinaus AU nicht anerkannt und ab 09.03.2013 kein Krg geleistet werde. In einem Telefonat am 05.03.2013 merkte die Klägerin laut Aktenvermerk (Blatt 27 Verwaltungsakte) an, dass sie bei diesem Arbeitgeber nicht mehr arbeiten wolle und werde. Von der Sachbearbeitung wurde ihr mitgeteilt, dass dies nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung gelöst werden könne; sie solle sich um eine Lösung mit dem Arbeitgeber bemühen, Zeit genug dazu habe sie inzwischen gehabt. Die Klägerin legte am 13.03.2013 Widerspruch ein unter Vorlage eines Attestes von Dr. H., der ausführte, insbesondere die Depression sei schwerwiegend, deswegen finde derzeit eine psychotherapeutische Behandlung statt. Dr. H. stellte in der Folgezeit weiter Auszahlscheine aus mit der Diagnose F33.0.

Am 24.04.2013 begehrte die Klägerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes beim Sozialgericht Ulm (SG) die Gewährung von Krg ab Antragsdatum. Sie befinde sich seit November 2012 in nervenärztlicher Behandlung bei Dr. D. und seit Januar 2013 in wöchentlicher Behandlung bei der Psychotherapeutin J ... Bei der beruflichen Tätigkeit sei entscheidend, dass sie fünf Sprachen spreche und bei der Bearbeitung ihrer Fälle durch ihre Berufserfahrung und Sozialkompetenz gefordert sei. Ein neuer Facharzttermin sei erst für Juli vergeben worden. Sie sei auf das Krg zum Lebensunterhalt angewiesen. Das SG befragte die Behandler und holte eine Arbeitsplatzbeschreibung der Firma G. Service GmbH vom 06.06.2013 ein. Beigefügt war ein Bericht des Betriebsarztes vom 25.06.2012, der empfahl, die Klägerin für drei Monate von ihrer Tätigkeit zu befreien. Mit Beschluss vom 17.06.2013 lehnte das SG den Erlass einer einstweiligen Anordnung ab (S 3 KR 1201/13 ER). Die Beschwerde der Klägerin blieb erfolglos (Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg 19.08.2013, L 4 KR 2759/13 ER-B).

Die Beklagte schaltete im Widerspruchsverfahren erneut den MDK ein. Mit Gutachten nach Aktenlage vom 16.05.2013 führte Dr. B. aus, aus den vorliegenden Berichten lasse sich nicht ableiten, dass nach dem 07.03.2013 ein eingeschränktes oder gar aufgehobenes Leistungsvermögen bestehe. Die in den Nervenarztbefunden und auch von der Ambulanz der Neurologischen Klinik dargelegten Befunde ließen allenfalls noch eine leichte depressive Stimmungsstörung ableiten, die nicht medikamentös behandelt werde. Die ambulante Psychotherapie nach Hirninfarkt, der folgenlos abgeklungen sei, könne berufsbegleitend fortgeführt werden. Mit Fallberatung vom 29.05.2013 verblieb Dr. B. bei seiner Beurteilung. Auch die Verordnung eines niedrig dosierten, sedierenden Antidepressivums bedinge keine AU.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30.10.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der MDK habe mitgeteilt, dass bei der nervenärztlichen Untersuchung vom 13.03.2013 und bei der Untersuchung in der Neurologischen Ambulanz am 19.03.2012 keine Funktionsstörungen festgestellt worden seien, die gegen eine Wiederaufnahme der Tätigkeit sprächen. Da die Sach- und Aktenlage klar und schlüssig gewesen sei, habe der MDK eine persönliche Begutachtung nicht für notwendig befunden. Es sei verständlich, dass die Erkrankungen behandlungsbedürftig seien, dies sei jedoch mit AU nicht gleichzusetzen. Über den 08.03.2013 hinaus bestehe keine AU.

Hiergegen richtet sich die am 29.11.2013 zum SG erhobene Klage. Es werde beantragt, nunmehr ein Sachverständigengutachten betreffend die Bewertung der AU einzuholen. Arbeitsfähigkeit sei zum 23.09.2013 wieder eingetreten.

Das SG hat erneut Dr. H., Dr. D. und Dipl-Psych J. schriftlich befragt. Mit Urteil vom 14.10.2014 hat es sodann die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, der Anspruch auf Krg sei zum 03.09.2013 zwar noch nicht erschöpft gewesen, da lediglich 306 Tage mit Vorerkrankungszeiten ab 16.11.2011 auf den Gesamtanspruch von 546 Tagen anzurechnen seien. Eine weitere AU für die Tätigkeit als Exportsachbearbeiterin sei über den 08.03.2013 hinaus jedoch nicht zu erkennen. Es handele sich um eine sitzende Tätigkeit, Reisetätigkeit werde nur gelegentlich gefordert. Ansonsten sei die Klägerin für die Angebotserstellung und –verfolgung sowie die Reklamation der Exportkunden zuständig. Unter Berücksichtigung der Befundberichte aus dem Verwaltungs- und Klageverfahren sowie dem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ergebe sich nicht, dass diese Tätigkeit ab 09.03.2013 nicht wieder hätte verrichtet werden können. Die Entlassung aus der Reha-Maßnahme im August 2012 sei bereits arbeitsfähig erfolgt. Dennoch habe Dr. H. weiter durchgehend AU attestiert, was die Beklagte zunächst akzeptiert habe. Die dargelegte schwere psychische Erkrankung ergebe sich aus den Befundberichten so nicht. Dipl-Psych J. attestiere lediglich eine Anpassungsstörung (F43.22). Die Aussage, dass die Klägerin aufgrund Depressionen und Angstzuständen an der Ausübung ihrer Arbeitstätigkeit gehindert gewesen sein solle, überzeuge vor dieser Diagnose nicht. Zwischen dem 22.04. und 06.05.2013 liege darüber hinaus ein Behandlungsausfall von fast drei Wochen, zwischen dem 08.05. bis 05.06.2013 von vier Wochen und vom 05.06. bis 17.07.2013 von sechs Wochen, den die Therapeutin mit Erkrankung bzw Urlaub zu erklären suche. Die Behandlungslücken sprächen nicht für eine akut schwerwiegende psychische Erkrankung, sondern den Diagnosen entsprechend einer Erkrankung leichteren Grades. Bei Dr. D. hätten nur am 08.03. und 08.07.2013 Behandlungstermine stattgefunden. Die pauschale Aussage von Dr. D., er könne sich vorstellen, dass es der Klägerin ab 11.03.2013 schwer fallen könne, den Anforderungen des Alltags und der Arbeitsbelastung gerecht zu werden, überzeuge nicht, um weitere AU annehmen zu können. Die Inhalte der Karteikarte von Dr. H. widersprächen sich ebenfalls. Am 08.03.2013 solle die Klägerin sehr depressiv gewesen sein, am 02.04.2013 diagnostiziere er aber nur eine leichte depressive Episode. Darüber hinaus sei aus der Krankenakte ersichtlich, dass vorrangig eine Mobbingsituation am Arbeitsplatz gegeben gewesen sei. Die Mobbingsituation sei bereits in dem Reha-Entlassungsbericht angesprochen. Die Aussagen der behandelnden Ärzte zur AU seien mit deren Diagnosen nicht in Einklang zu bringen. Die Einholung eines Gutachtens sei nicht indiziert, da es sich um einen abgeschlossenen Zeitraum handele und die Auswertung der Befunde durch das Gericht erfolgen könne. Insbesondere vermöge eine leichte depressive Störung einer Arbeitsfähigkeit im dargelegten Beruf nicht entgegenzustehen.

Gegen das ihrer Bevollmächtigten am 22.10.2014 zugestellte Urteil richtet sich die am 12.11.2014 eingelegte Berufung der Klägerin. Zwei Behandler hätte in ihren sachverständigen Zeugenaussagen eindeutig die AU im streitgegenständlichen Zeitraum bejaht. Die Missstände, dass Fachärzte vor allem im hiesigen Bezirk nicht bereit seien, Patienten mehr als einmal im Quartal vorstellig werden zu lassen, seien bekannt und dürften sich daher nicht auf die Bewertung der AU auswirken. Die fachärztliche Behandlung sei hier lediglich begleitend zur engmaschigen hausärztlichen und vor allem psychotherapeutischen Behandlung erfolgt. Die Klägerin könne eine objektive medizinische Bewertung insbesondere unter dem Amtsermittlungsgrundsatz erwarten. Selbst der MDK habe eine persönliche Begutachtung der Klägerin empfohlen. Die Beklagte trage daher die Hauptverantwortung dafür, dass die Befunde nicht zureichend erhoben worden seien. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 23.04.2015 hat die Klägerin erklärt, der Beweisantrag auf Einholung eines Gutachtens von Amts wegen bleibe aufrecht erhalten.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 14.10.2014 und den Bescheid der Beklagten vom 05.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.10.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 09.03.2013 bis 22.09.2013 Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das SG habe den Sachverhalt umfassend ermittelt und aufgeklärt. Wenn das Gericht die Einholung eines Gutachtens nicht für erforderlich halte, könne hiervon abgesehen werden. Im Übrigen dürfe es nach fast zwei Jahren schwierig zu beurteilen sein, wie der psychische Zustand der Klägerin Anfang 2013 gewesen sei. Den Aussagen der behandelnden Ärzte komme dagegen ein hoher Beweiswert zu, denn diese hätten die Klägerin im streitigen Zeitraum behandelt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz auch im einstweiligen Rechtsschutz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und damit zulässig, aber unbegründet.

Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 05.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.10.2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Krg über den 08.03.2013 hinaus.

Rechtsgrundlage des zulässigerweise mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 iVm Abs 4 SGG) verfolgten Anspruchs auf Krg sind die §§ 44 ff Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Nach § 44 Abs 1 Halbs 1 SGB V haben Versicherte ua Anspruch auf Krg, wenn eine Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Die Klägerin ist als Beschäftigte nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V versicherungspflichtig. Die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger bleibt erhalten, solange der Anspruch auf Krankengeld besteht (§ 192 Abs 1 Nr 2 SGB V).

Der Anspruch auf Krg hat mit Ablauf des 08.03.2013 geendet, da zur Überzeugung des Senats jedenfalls ab diesem Zeitpunkt AU nicht mehr vorgelegen hat.

Die Voraussetzungen des Krankengeldanspruchs müssen bei zeitlich befristeter AU und dementsprechender Krankengeldgewährung für jeden Bewilligungsabschnitt erneut festgestellt werden. Der Begriff "arbeitsunfähig" ist ein Rechtsbegriff, dessen Voraussetzungen anhand ärztlich erhobener Befunde von den Krankenkassen und im Rechtsstreit von den Gerichten festzustellen sind. Maßgeblich ist grundsätzlich der versicherungsrechtliche Status des Betroffenen im Zeitpunkt der ärztlichen Feststellung der AU. Ein nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V versicherter Beschäftigter ist in diesem Sinne arbeitsunfähig, wenn er auf Grund gesundheitlicher Einschränkungen nicht mehr in der Lage ist, seine arbeitsvertraglich geschuldete, zuletzt ausgeübte Arbeit zu verrichten (Bundessozialgericht (BSG) 08.11.2005, B 1 KR 18/04 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 7). Maßgeblich ist daher die Tätigkeit der Klägerin als Exportsachbearbeiterin.

Der Anspruch auf Krg entsteht bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung von ihrem Beginn an, im Übrigen von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt (§ 46 Satz 1 SGB V). Grundsätzlich setzt daher der Anspruch auf Krg die vorherige ärztliche Feststellung der AU voraus. Dem Attest des behandelnden Arztes mit der Feststellung der AU kommt lediglich die Bedeutung einer gutachtlichen Stellungnahme zu, welche die Grundlage für den über den Krg-Bezug zu erteilenden Verwaltungsakt der Krankenkasse bildet, ohne dass Krankenkasse und Gerichte an den Inhalt der ärztlichen Bescheinigung gebunden sind (BSG 08.11.2005, B 1 KR 18/04 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 7). Die Voraussetzungen eines Krg-Anspruchs, also nicht nur die AU, sondern auch die ärztliche Feststellung der AU, müssen bei zeitlich befristeter AU-Feststellung und dementsprechender Krg-Gewährung für jeden Bewilligungsabschnitt jeweils erneut vorliegen (BSG 26.06.2007, B 1 KR 8/07 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 12). Zudem muss der Versicherte die AU und deren Fortdauer grundsätzlich rechtzeitig ärztlich feststellen lassen und seiner Krankenkasse gemäß § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V melden (BSG 08.11.2005, B 1 KR 30/04 R, SozR 4-2500 § 46 Nr 1).

Zur Überzeugung des Senats war die Klägerin über den 08.03.2013 hinaus nicht arbeitsunfähig, da sie in ihrem Beruf als Exportsachbearbeiterin vollschichtig tätig sein konnte. Bei der Beurteilung der AU ist der Senat weder an die ärztlichen Bescheinigungen gebunden, noch an die Aussagen des MDK. Vielmehr hat der Senat aufgrund eigener Beweiswürdigung festzustellen, ob die Klägerin arbeitsunfähig war. Der Senat stützt sich insoweit auf die vorliegenden Ermittlungen des SG im Klageverfahren sowie im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Danach steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Folgen des Schlaganfalls im hier streitigen Zeitraum für die Beurteilung der AU keine Rolle mehr gespielt haben. Dies ergibt sich schon aus dem eigenen Vortrag der Klägerin im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Dort hat sie mit Schriftsatz vom 14.06.2013 ausgeführt, dass die AU nichts mehr mit dem Schlaganfall zu tun habe und es sich bei der depressiven Erkrankung um etwas ganz anderes handele. Darüber hinaus entspricht dies auch der Einschätzung der behandelnden Ärzte im Rahmen der stationären Rehabilitation, die aufgrund der Folgen des Schlaganfalls schon zum Zeitpunkt der Entlassung am 21.08.2012 keine Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit mehr gesehen haben. Maßgeblich ist daher allein, inwieweit die Klägerin aufgrund einer depressiven Erkrankung zur Ausübung ihrer Berufstätigkeit nicht in der Lage war. Aus den Aussagen der behandelnden Ärzte in den gerichtlichen Verfahren, dem Reha-Entlassungsbericht vom 31.08.2012 und den Stellungnahmen des MDK ergibt sich insoweit zur Überzeugung des Senats, dass keine Einschränkungen belegt sind, die hier eine AU begründen könnten.

Dr. D. hat die Klägerin lediglich am 08.03 und 08.07.2013 behandelt. Er hat als Diagnosen angegeben Angst und Depression; Kleinhirninfarkt links (Schreiben vom 10.02.2014 und Arztbrief vom 13.03.2013). Die Diagnose "Angst und depressive Störung, gemischt" ist nach dem Diagnosemanual ICD-10 F41.2 bei gleichzeitigem Bestehen von Angst und Depression zu verwenden, allerdings nur, wenn keine der beiden Störungen eindeutig vorherrscht und keine für sich genommen eine eigenständige Diagnose rechtfertigt. Treten ängstliche und depressive Symptome in so starker Ausprägung auf, dass sie einzelne Diagnosen rechtfertigen, sollen beide Diagnosen gestellt und auf diese Kategorie verzichtet werden. Die Diagnose von Dr. D. zeigt damit schon, dass er nicht einmal von einer relevanten depressiven Erkrankung ausgeht. Entsprechend enthalten auch seine Ausführungen, er könne sich vorstellen, dass es der Klägerin schwer falle, die Anforderungen des Alltags und die Arbeitsbelastungen zu bewältigen, keine eindeutige und belastbare Aussage zum Vorliegen von AU.

Dr. H. hat in seiner Aussage gegenüber dem SG vom 06.02.2014 hinsichtlich der psychischen Erkrankungen die Diagnosen rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichte Episode (F33.0) und Angst und depressive Störung, gemischt (F41.2) angegeben. Auch in den Auszahlscheinen hat er nur F33.0 kodiert. Dagegen hat er im Tagesprotokoll unter dem 08.03.2013 notiert: "ist weiter sehr depressiv, kaum belastbar"; bei der nächsten Behandlung am 04.04.2013: "ist psychisch weiter sehr wenig belastbar"; am 08.04.2013: "hat weiter Angst, Mobbingsituation"; am 25.04.2013: "ist jetzt mit der Krankenkasse vor Gericht, dadurch zusätzlich belastet psychische Situation wieder verschlechtert". Gleichwohl stellt Dr. H. im gesamten Zeitraum nur die Diagnose einer rezidivierenden Störung, gegenwärtig leichte Episode. Befunde, die eine darüber hinausgehende schwerere depressive Erkrankung begründen könnten, sind in den Tagesprotokollen nicht enthalten, diese enthalten keinerlei Anknüpfungstatsachen, die eine Bewertung als "schwer depressiv" stützen könnten. Darüber hinaus entsprechen auch die etwa von Dr. D. zeitgleich am 08.03.2013 erhobenen Befunde ebenfalls einer nur leichten depressiven Symptomatik. So wird im Arztbrief vom 13.03.2013 ausgeführt: "wach, allseits orientiert, leichte Beeinträchtigung der kognitiven Funktionen, Stimmung leicht gedrückt, kein Anhalt für formale oder inhaltliche Denkstörungen." Dies entspricht dem Befund im Entlassungsbericht des Rehabilitationsverfahrens. Auch dort wurden Hinweise auf Einschränkungen der konzentrativen Belastbarkeit beschrieben (keine Störung der Aufmerksamkeit, leichte Beeinträchtigung des Kurzzeit- und Arbeitsgedächtnisses), die Klägerin jedoch auch mit diesen Einschränkungen für fähig erachtet, ihren Beruf vollschichtig auszuüben – eine Einschätzung, der die Klägerin entsprechend den Angaben im Entlassungsbericht sogar ausdrücklich zugestimmt hat. Die Einschätzung von Dr. H., dass durchgehend bis 22.09.2013 AU bestanden habe, ist nach alledem nicht plaussibel und nachvollziehbar. Dipl-Psych J. stellt lediglich die Diagnose einer Anpassungsstörung (F43.22). Ihre Einschätzung, dass wegen vorherrschender depressiver Symptomatik AU im streitigen Zeitraum gegeben sei, überzeugt daher nicht. Vor diesem Hintergrund ist die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit sowohl im ausführlichen Reha-Entlassungsbericht als auch im Gutachten nach Aktenlage des MDK vom 16.05.2013 mit Ergänzung vom 29.05.2013 schlüssig und nachvollziehbar, der Senat stützt sich maßgeblich auf diese überzeugende medizinische Einschätzung.

Der Antrag auf Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens wird abgelehnt. Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Die umfassend herangezogenen, im maßgebenden Zeitraum erstellten ärztlichen Befundberichte und Behandlungsunterlagen, die vorhandenen Arzt-Auskünfte, der Reha-Entlassungsbericht und das MDK-Gutachten haben dem Senat die für die gerichtliche Überzeugung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs 1 Zivilprozessordnung). Die bei den Untersuchungen im streitigen Zeitraum erhobenen und dokumentierten Befunde belegen nur eine geringe funktionale Beeinträchtigung im Rahmen einer leichten depressiven Erkrankung, die der Ausübung der Tätigkeit als Exportsachbearbeiterin nicht entgegen steht. Weitere Beweiserhebungen waren daher von Amts wegen nicht mehr notwendig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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