L 10 U 5100/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 20 U 5638/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 5100/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der Verwertbarkeit eines Sachverständigengutachtens steht der unter Hinweis auf den Schutz seiner Daten und seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung erklärte Widerspruch des Klägers, die Akten an den Sachverständigen zu übersenden, jedenfalls dann nicht entgegen, wenn damit ein unliebsamer Sachverständiger verhindert werden soll (Anschluss an LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 28.05.2002, L 2 B 59/02, juris).
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 23.07.2010 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtzügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Anerkennung seiner beidseitigen Kniegelenkserkrankung als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2112 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV; nachfolgend BK 2112).

Der am 1953 geborene Kläger erlernte von 1968 bis 1971 den Beruf des Blechners und Installateurs und war anschließend in seinem Ausbildungsbetrieb in diesem Berufsbereich ohne Unterbrechung bis Ende 2003 beschäftigt. Seinen Angaben zufolge war er etwa zur Hälfte als Installateur bzw. Blechner eingesetzt, mit Ausnahme der Jahre 1987 bis 1993 (ein Drittel Installateur, zwei Drittel Blechner) und ab 1994 (ausschließlich Blechbearbeitung). Die Tätigkeit als Blechner bestand dabei jeweils zur Hälfte aus Baublechner- bzw. Falzdachblechnerarbeiten, wobei der Anteil der Baublechnerarbeiten zu ca. 20 bis 30 % und der Anteil der Falzdachblechnerarbeiten zu ca. 60 % kniebelastend war. Die Arbeiten als Sanitärinstallateur waren mit einem Zeitanteil von 30 % kniebelastend. Auf dieser Grundlage ermittelte der Mitarbeiter des Präventionsdienstes der Beklagten Dipl.-Ing. S. sog. Kniestunden im Umfang von insgesamt 20.226 Stunden (vgl. Expositionsermittlung vom 01.12.2008, Bl. 152/154, 147/149 der VerwA).

Nachdem der Kläger im Juni 1978 beim Fußballspielen umgeknickt war und sich dabei einen Längsriss am Hinterhorn des rechten medianen Meniskus zugezogen hatte, wurde Anfang Juli 1978 eine Meniskektomie (vollständige Entfernung) des medialen Meniskus durchgeführt (vgl. Arztbrief des Dr. T. vom 19.07.1978, Bl. 24 VerwA). Nach den Angaben des Klägers erfolgte insoweit 1981 eine Revisionsoperation und 1988 eine Nachresektion. Im Rahmen einer diagnostischen Arthroskopie wurde im November 2001 wegen erneuten Querrissen an der Innenmeniskusrandleiste und einem Lappenriss an der Hinterhornspitze darüber hinaus eine Innenmeniskusnachresektion rechts durchgeführt. Dabei wurde ein schwerer Knorpelschaden medial Grad 3 bis 4 festgestellt und ein Knorpel-Shaving durchgeführt. Beschrieben ist ferner ein sehr schmaler, aber fester vorderer Kreuzbandrest auf Grund einer wahrscheinlich alten Teilruptur (vgl. Op-Bericht vom 07.11.2001, Bl. 119/120 VerwA).

Im Bereich des linken Knies wurde nach den Angaben des Klägers ca. im Jahr 1987 eine arthroskopische Innenmeniskusteilentfernung durchgeführt. Nach einem Umknicken beim Joggen wurde im Dezember 1995 ferner eine diagnostische Kontrollarthroskopie links durchgeführt, im Rahmen derer sich eine ausgedehnte Innenmeniskushinterhornrestläsion zeigte, weshalb insoweit eine Nachresektion durchgeführt wurde. Diagnostiziert wurde ferner eine gut kompensierte geringe anteriore Instabilität nach vollständiger vorderer Kreuzbandruptur (vgl. OP-Bericht vom 04.12.1995, Bl. 116/117 VerwA).

Vom 30.07. bis 27.08.2002 wurde der Kläger in der Klinik im H. u.a. wegen Gonarthrose beidseits stationär behandelt, wobei die behandelnden Ärzte auf Grund röntgenologischer Untersuchung von einer medial- und rechtsbetonten Gonarthrose Grad 3 nach Jäger und Würth ausgingen.

Im April 2008 machte der Kläger bei der Beklagten eine BK 2112 geltend, worauf die Beklagte medizinische Unterlagen beizog, die bereits erwähnte Expositionsermittlung veranlasste und das Gutachten des Facharztes für Orthopädie und Chirurgie Prof. Dr. S. einholte, der den Kläger im Februar 2009 untersuchte. Der Gutachter ging rechtsseitig von einer Gonarthrose dritten bis vierten Grades und linksseitig von einer solchen zweiten bis dritten Grades nach Kellgren mit schmerzhafter Bewegungseinschränkung beidseits aus und beschrieb darüber hinaus eine Lockerung des medialen rechten Kollateralbandes und des rechten vorderen Kreuzbandes sowie ein mäßiges Genu varum beidseits. Zur Kausalität der beruflichen Tätigkeit führte er aus, dass beim Kläger zwar konkurrierende Faktoren für die Entwicklung einer Gonarthrose in Form von mehrfachen Meniskektomien sowie einer unbehandelten Kreuzbandruptur vorlägen, da sich die gonarthrotischen Beeinträchtigungen jedoch erst sehr viel später unter der beruflichen Belastung entwickelt hätten, deren Ausmaß übermäßig groß sei und eine Gonarthrose hinreichend erkläre, sei es hinreichend wahrscheinlich, dass sich der wesentliche Teil der Gonarthrose berufsbedingt entwickelt habe. Wegen der Mitbeteiligung konkurrierender Ursachen schlug er vor, die durch die Arthrose bedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) hälftig den konkurrierenden außerberuflichen Faktoren zuzuordnen. Der von der Beklagten sodann hinzugezogene Beratungsarzt Dr. T. , Arzt für Chirurgie, erachtete die Einschätzung des Prof. Dr. S. nicht für überzeugend und widersprach insbesondere dessen Annahme, dass die gonarthrotische Beeinträchtigung erst unter der beruflichen Belastung und weit nach den außerberuflichen Ereignissen eingetreten sei. Denn die berufliche Belastung habe bereits im Jahr 1968 begonnen, während der erste operative Eingriff im Juli 1978 durchgeführt und umformende Veränderungen im Bereich des rechten medialen Tibiofemoralgelenks erstmals im Jahr 1999, also 31 Jahre nach Beginn der beruflichen Exposition und 11 Jahre nach der Innenmeniskusentfernung nachzuweisen seien. Da die Entwicklung einer Gonarthrose nach operativer Meniskusentfernung einen Zeitraum von mindestens sieben bis zehn Jahren benötige, sei nicht zweifelhaft, dass die operative Entfernung des Innenmeniskus und nicht die berufliche Belastung der Gonarthrose Vorschub geleistet habe. Schließlich habe der Gutachter auch die beim Kläger bestehende O-Bein-Fehlstellung des rechten Kniegelenks und die vorhandene Polyarthrose, die als Indiz für eine anlagebedingte Minderwertigkeit des Gelenkknorpels anzusehen sei, nicht hinreichend als konkurrierende Ursachen in Erwägung gezogen.

Mit Bescheid vom 16.06.2009 und Widerspruchsbescheid vom 14.10.2009 lehnte die Beklagte die Anerkennung der beim Kläger bestehenden beiderseitigen Gonarthrose sowohl als BK nach § 9 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) als auch als Wie-BK mit der Begründung ab, eine berufliche Verursachung sei trotz ausreichender beruflicher Exposition nicht wahrscheinlich. Als konkurrierende Ursachen liege eine O-Bein-Fehlstellung der Kniegelenke, rechts mehr als links, sowie rechtsseitig ein Innenmeniskusschaden mit Totalentfernung, was das Gonarthroserisiko bis zum Neunfachen erhöhe, sowie eine unbehandelte Kreuzbandläsion vor.

Am 09.11.2009 hat der Kläger dagegen beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben und geltend gemacht, mit seiner langjährigen kniebelastenden Tätigkeit habe er die erforderliche Mindestbelastungsdosis erreicht, so dass die aufgetretene Gonarthrose als BK anzuerkennen sei. Dem stehe auch nicht die behauptete O-Bein-Fehlstellung entgegen, nachdem er in dem körperlichen Zustand versichert sei, in dem er sich befinde. Daher sei eine BK erst recht anzuerkennen, wenn eine O-Bein-Fehlstellung tatsächlich vorliegen sollte, da sich diese dann weiter nachteilig ausgewirkt habe. Im Übrigen sei es ein Irrglaube, dass konkurrierende Faktoren, deren Vorliegen im Übrigen bestritten werde, zum Ausschluss von Entschädigungsleistungen führen könnten.

Das SG hat das Gutachten des Orthopäden Dr. H. auf Grund Untersuchung des Klägers im Februar 2010 eingeholt. Der Sachverständige hat eine fortgeschrittene Gonarthrose beider Kniegelenke dritten bis vierten Grades nach Kellgren diagnostiziert und diese mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit auf die berufliche Tätigkeit zurückgeführt, zumindest jedoch gleichwertig neben den weiteren Ursachen (Innenmeniskusentfernung rechts 1978 mit Nachresektionen 1994 und 2002, vordere Instabilität des rechten Kniegelenks wegen Insuffizienz des vorderen Kreuzbandes, Vorliegen der Stoffwechselerkrankung Chondrokalzinose). Der Einfluss der Innenmeniskusentfernung rechts auf die Entwicklung der Kniegelenksarthrose werde dadurch relativiert, dass diese sich am selben Kniegelenksanteil praktisch seitengleich entwickelt habe. Unterschiedlich sei lediglich die Entwicklung der Arthrose im Kniescheibengelenk, die rechts stärker ausgeprägt sei als links. Dies sei jedoch eher der vorderen Instabilität des rechten Kniegelenks geschuldet, die in Folge einer erhöhten Haltearbeit der Oberschenkelmuskulatur vermehrte Zeiten und erhöhte Werte des partellären Anpressdrucks bedinge. Links habe sich diese retropatteläre Arthrose bei intaktem vorderen Kreuzband nicht oder nur in geringerem Ausmaß entwickelt. Gegen die Einschätzung des Sachverständigen hat sich die Beklagte unter Vorlage einer beratungsärztlichen Stellungnahme des Dr. T. gewandt, der ausgeführt hat, der Sachverständige habe die Bedeutung außerberuflicher Faktoren mit Ausschlusscharakter für einen Kausalzusammenhang nicht einmal ansatzweise diskutiert, obwohl in der einschlägigen Gutachtenliteratur ausdrücklich auf das stark erhöhte Gonarthroserisiko nach Meniskektomie und unbehandelter vorderer Kreuzbandruptur hingewiesen werde. Auch habe er im Hinblick auf seinen Einwand, die Gonarthrose habe sich am selben Kniegelenksanteil praktisch seitengleich entwickelt, nicht beachtet, dass im Bereich des linken Kniegelenks nahezu identische außerberuflich entstandene Strukturveränderungen als potentielles Gonarthroserisiko vorgelegen haben.

Mit Urteil vom 23.07.2010 hat das SG - dem insoweit vom Kläger in der mündlichen Verhandlung allein auf die Feststellung einer BK nach der BKV gerichteten Antrag folgend - unter Aufhebung des Bescheids vom 10.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.10.2009 festgestellt, dass die beim Kläger vorliegende Gonarthrose eine BK "nach der Berufskrankheitenverordnung" ist. Gleichzeitig hat es die Beklagte verurteilt, dem Kläger Rente nach einer MdE um 20 vom Hundert (v.H.) zu gewähren. Es hat sich dabei auf das Gutachten des Dr. H. sowie ergänzend auf das Gutachten des Prof. Dr. S. gestützt, der es gleichermaßen für wahrscheinlich erachtet habe, dass sich der wesentliche Teil der Gonarthrose berufsbedingt entwickelt habe. Dessen Schlussfolgerung sei auch vor dem Hintergrund überzeugend, dass er irrtümlich nur von einer Meniskusentfernung rechts ausgegangen sei.

Gegen das der Beklagten am 11.10.2010 zugestellte Urteil hat diese am 02.11.2010 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und geltend gemacht, das SG habe nicht zutreffend gewürdigt, dass bezüglich beider Kniegelenke wegen der erforderlich gewesenen operativen Eingriffe weitere Ursachen für einen vorzeitigen Verschleiß, und zwar zusätzlich bei anlagebedingter beidseitiger O-Beinstellung vorgelegen hätten. Verschleißerscheinungen seien beim Kläger im Übrigen auch an anderen Körpergelenken aufgetreten und der Beginn, der zeitliche Verlauf und die Lokalisation der Kniegelenkserkrankung sei vor dem Hintergrund der stattgehabten beruflichen Einwirkung nicht zutreffend gewürdigt worden. Im weiteren Verlauf des Verfahrens hat sie sozialmedizinische Stellungnahmen des Facharztes für Orthopädie Dr. S. vom 11.02.2013 und 13.11.2013 vorgelegt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 20.07.2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt (Schriftsatz vom 18.11.2010),

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für richtig.

Der Senat hat Dr. H. zu den von Dr. T. gegen sein Gutachten erhobenen Einwendungen ergänzend befragt, wobei dieser an seiner zuvor vertretenen Auffassung festgehalten hat. Zu der daraufhin von der Beklagten vorgelegten beratungsärztlichen Stellungnahme des Dr. S. hat Dr. H. auf Veranlassung des Senats nochmals unter Aufrechterhaltung seines bisherigen Standpunktes Stellung genommen. Hierzu hat die Beklagte die weitere Stellungnahme des Beratungsarztes Dr. S. vorgelegt. Im Hinblick auf die zwischenzeitlich veröffentlichte "Begutachtungsempfehlung für die Berufskrankheit Nr. 2112 (Gonarthrose)" hat der Senat Dr. H. erneut ergänzend befragt. Schließlich hat der Senat das Gutachten des Orthopäden Dr. H. eingeholt, nach dessen Auffassung die Kniearthrosen beim Kläger nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die beruflichen Belastungen zurückzuführen seien. Es lägen bedeutsame außerberufliche Schadensfaktoren vor, die das Auftreten einer Kniearthrose zwanglos auch ohne die berufliche Belastung erklären würden.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet in seiner normalen Besetzung. Der vom Kläger zuletzt, vorab per Telefax am 22.04.2015, gestellte Befangenheitsantrag (vgl. Bl. 1/3 der gesondert geführten Akte L 10 SF 1599/15 AB) hindert die dort aufgeführten Berufsrichter nicht an einer Mitwirkung bei der Entscheidung. Denn der Befangenheitsantrag ist unzulässig. In Bezug auf die Berichterstatterin folgt dies bereits daraus, dass dieselben Vorwürfe wiederholt werden, über die der Senat bereits mit Beschluss vom 24.03.2015 im Rahmen des früher gegen die Berichterstatterin gestellten Befangenheitsantrag (vgl. Bl. 1/2, 10/13 der gesondert geführten Akte L 10 SF 339/15 AB) rechtskräftig entschieden und die angeführten Befangenheitsgründe - Ignorieren des Sachvortrages und Weitergabe der Akten an Dr. H., Verstoß der Berichterstatterin gegen § 109 SGG - als nicht zutreffend erachtet hat, sodass ein erneutes Befangenheitsgesuch nicht mehr auf diese Gründe gestützt werden kann (s. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 60 Rdnr. 10b). Dies gilt auch, soweit die Behauptung aufgestellt wird, es sei erst mit dem Schreiben des Vorsitzenden bekannt geworden, dass Akten an den Sachverständigen Dr. H. weitergegeben worden seien. Tatsächlich hat der Kläger bereits sein früheres Ablehnungsgesuch gegen die Berichterstatterin hierauf gestützt (vgl. Bl. 12a der gesondert geführten Akte L 10 SF 339/15 AB). In Bezug auf die weiteren Berufsrichter des Senats enthält das Schreiben keine weiteren Ausführungen aus denen sich ergeben würde, aus welchen Gründen diese Richter befangen sein sollen. Die erhobenen Vorwürfe beziehen sich - s.o. - erkennbar allein auf die Berichterstatterin. Wird kein Ablehnungsgrund genannt, ist ein Ablehnungsgesuch unzulässig (Keller, a.a.O.). Auch wenn Anknüpfungspunkt für die Auflistung weiterer Richter aus Sicht des Senats nur der Beschluss vom 24.03.2015 sein kann, mit dem diese Richter - wie erwähnt - das Befangenheitsgesuch gegen die Berichterstatterin abgelehnt haben, könnte hierauf, auf die von diesen Richtern vertretene Rechtsansicht, ein Befangenheitsgesuch nicht zulässigerweise gestützt werden (Keller, a.a.O.).

Der Senat entscheidet auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung. Insoweit liegt auch seitens des Klägers - nach anfänglicher Unwirksamkeit (vgl. Bl. 109/110 LSG-Akte) - ein nunmehr vom Prozessbevollmächtigten des Klägers nach den Hinweisen des Senats im Schreiben vom 17.04.2015 unterschriebenes und am 21.04.2014 übermitteltes (Bl. 112 LSG-Akte) Einverständnis vor.

Der Senat sieht sich an einer Entscheidung auch nicht in Bezug auf eine zusammen mit dem letzten Befangenheitsantrag thematisierte Verletzung rechtlichen Gehörs, weil das in der gerichtlichen Verfügung vom 17.04.2015 in Bezug genommene Schreiben des Dr. H. nicht vorliege, gehindert. Denn tatsächlich ist das Gutachten von Dr. H. als Anlage zum gerichtlichen Schreiben vom 26.02.2015 beim Prozessbevollmächtigten des Klägers am 28.02.2015 eingegangen (vgl. Bl. 114 LSG-Akte). Somit hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers sein Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach Zugang des Sachverständigengutachtens und der Hinweise des Senats im Schreiben vom 17.04.2015 erteilt.

Schließlich ist der Senat an einer Entscheidung auch nicht dadurch gehindert, dass noch eine weitere Sachaufklärung durchzuführen wäre. Soweit in dem am 22.04.2015 eingegangenen Schreiben, ebenso wie im früheren Befangenheitsantrag gegen die Berichterstatterin, der früher nach § 109 SGG gestellte Beweisantrag thematisiert wird, hat der Kläger weder den angeforderten Kostenvorschuss (s. Bl. 86 LSG-Akte) eingezahlt, noch den Beweisantrag aufrecht erhalten (s. Bl. 112 LSG-Akte). Aus den Ausführungen im Schreiben vom 22.04.2015 ergibt sich auch nicht, dass der frühere Antrag erneuert werden soll; diese Ausführungen stehen allein im Zusammenhang mit dem Ablehnungsgesuch. Im Übrigen wäre ein erneuter Beweisantrag nach § 109 Abs. 1 SGG wegen des nicht eingezahlten Kostenvorschusses vom Senat abgelehnt worden.

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 10.06.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.10.2009, allerdings nur insoweit, als die Beklagte dort die Anerkennung der Gonarthrose als BK nach § 9 Abs. 1 SGB VII, also nach der BKV ablehnte. Nur insoweit - eine BK nach der BKV betreffend - hat der Kläger ausweislich seines in der mündlichen Verhandlung vor dem SG gestellten Antrags diesen Bescheid zuletzt noch angefochten. Soweit die Beklagte in diesem Bescheid, ebenfalls in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.10.2009, auch eine Wie-BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII ablehnte, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem SG keinen Anfechtungs- und Feststellungsantrag (mehr) gestellt. Damit hat sich sein Begehren vor dem SG zuletzt nur auf die Feststellung einer BK nach der BKV bezogen. Die Ablehnung einer Wie-BK ist damit bestandskräftig geworden und nicht mehr Gegenstand des Rechtsstreits.

Dem entsprechend hat das SG auch nur über eine BK nach der BKV entschieden. Zwar ist der Tenor der Entscheidung des SG insoweit unbestimmt, als unklar bleibt, welche BK nach der BKV festgestellt sein soll. Indessen ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit aus den zur Auslegung heranzuziehenden Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils, dass sich die Feststellung allein auf die BK 2112 bezieht. So führt das SG im ersten Absatz der Entscheidungsgründe, erkennbar die weiteren Ausführungen zusammenfassend, aus, die Kniegelenksarthrose sei eine BK 2112. Eine andere BK nach der BKV wird vom SG an keiner Stelle thematisiert.

Damit beschränkt sich auch die Prüfung des Senats allein auf die Frage, ob beim Kläger eine BK 2112 vorliegt. Dies verneint der Senat. Das SG hätte die beim Kläger vorliegende Gonarthrose beidseits nicht als BK 2112 feststellen und dementsprechend auch den Bescheid vom 10.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.10.2009 insoweit nicht aufheben dürfen. Denn diese Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Entsprechend steht dem Kläger wegen einer BK 2112 auch keine Verletztenrente zu. Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner weiteren Darlegungen dazu, dass der auf die Gewährung von Verletztenrente gerichtete Leistungsantrag des Klägers bereits mangels hierzu ergangener Verwaltungsentscheidung unzulässig gewesen ist und die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung einer entsprechenden Rente deshalb bereits aus diesem Grund aufzuheben gewesen wäre.

Die hier vorliegende kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage ist indessen zulässig. Mit der Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG begehrt der Kläger die Aufhebung der die Anerkennung der streitigen BK ablehnenden Verwaltungsentscheidungen. Die Beteiligten und das SG sind insoweit zutreffend davon ausgegangen, dass sich die Regelung im angefochtenen Bescheid über die Ablehnung der Gonarthrose als BK nach § 9 Abs. 1 SGB VII allein auf die BK 2112 bezieht, auch wenn diese Nummer weder im Bescheid noch im Widerspruchsbescheid genannt ist. Denn im Bescheid vom 10.06.2009 wird der genaue Wortlaut der (späteren) BK 2112 wiedergegeben und in die BKV aufgenommen wurde die BK 2112 mit Wirkung ab dem 01.07.2009 (Zweite Verordnung zur Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung vom 11.06.2009, BGBl. I, 1273) und damit noch vor Erlass des Widerspruchsbescheides. Damit beziehen sich die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen genau auf jene BK 2112, deren Feststellung der Kläger begehrt. Rechtsgrundlage für das Feststellungsbegehren ist § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Danach kann mit der Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, hier zwischen dem Kläger und der Beklagten als zuständigem Unfallversicherungsträger in Bezug auf die streitige BK (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 46/03 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 3). Dies ermöglicht es dem Versicherten, das Vorliegen einer bestimmten BK als Grundlage in Frage kommender Leistungsansprüche vorab klären zu lassen (BSG, Urteil vom 02.04.2009, B 2 U 30/07 R).

Soweit es die Beklagte mit den vom Kläger angefochtenen Bescheiden somit ablehnte, eine BK 2112 anzuerkennen, ist dies nicht zu beanstanden. Denn die Voraussetzungen für die Feststellung einer solchen BK sind beim Kläger nicht erfüllt.

BKen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung oder mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte in Folge einer der den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung Erkrankungen als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 Erster Halbsatz SGB VII). Hierzu zählt nach Nr. 2112 der Anlage 1 zur BKV auch die Gonarthrose durch eine Tätigkeit im Knien oder vergleichbare Kniebelastung mit einer kumulativen Einwirkungsdauer während des Arbeitslebens von mindestens 13.000 Stunden und einer Mindesteinwirkungsdauer von insgesamt einer Stunde pro Schicht.

Es bedarf keiner ausführlichen Darlegung, dass die Anerkennung dieser BK jedenfalls in Bezug auf das rechte Knie durch § 6 Abs. 2 BKV - danach ist die BK nur anzuerkennen, wenn der Versicherungsfall nach dem 30.09.2002 eintrat - ausgeschlossen ist, weil - so Dr. H. - diese Erkrankung angesichts der während der stationären Rehabilitation im Juli/August 2002 erhobenen Befunde (belastungsabhängige Schmerzen, in der Untersuchung retropatellare Krepitation, die damals angefertigten Röntgenaufnahmen zeigten laut Auswertung durch Dr. S. bereits arthrotische Veränderungen Grad 2 nach Kellgren) schon damals symptomatisch war, und der vom SG vertretenen Auffassung über eine einschränkende Anwendung dieser Stichtagsregelung nicht zu folgen ist. Denn der Senat verneint für beide Knie die materiell-rechtlichen Voraussetzungen dieser BK.

Zur Anerkennung einer in der Anlage 1 der BKV aufgeführten BK (Listen-BK) ist in der Regel erforderlich (vgl. BSG, Urteil vom 02.04.2009, B 2 U 9/08 R in SozR 4-2700 § 9 Nr. 14), dass die Verrichtung einer versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen in Form der von dieser BK geforderten Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper führte (Einwirkungskausalität) und die Einwirkungen eine ggf. von der Listen-BK konkret geforderte Krankheit verursachten (haftungsbegründende Kausalität). Das Vorliegen weiterer BK-Folgen auf Grund der berufsbedingten Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung einer BK.

Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbegründen¬den Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).

Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe kann beim Kläger das Vorliegen einer BK 2112 nicht festgestellt werden.

Die Diagnose einer Gonarthrose im Sinne dieser BK liegt vor. Eine entsprechende Diagnose hat folgende Voraussetzungen (Merkblatt zur BK 2112 in der Bekanntmachung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 30.12.2009, GMBl. 2010, 98, abgedruckt in Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheiten-Verordnung, M 2112, S. 5, dem folgend die Begutachtungsempfehlungen des Spitzenverbandes der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung für die BK 2112 vom Juni 2014 - Begutachtungsempfehlungen -, S. 8): • Chronische Kniegelenksbeschwerden • Funktionsstörungen bei der orthopädischen Untersuchung in Form einer eingeschränkten Streckung oder Beugung im Kniegelenk bzw. gleichgestellter Funktionsstörungen wie beispielsweise eine Krepitation bei der Gelenkbewegung (vgl. im Einzelnen die Begutachtungsempfehlungen S. 8) • Die röntgenologische Diagnose einer Gonarthrose entsprechend Grad 2 bis 4 der Klassifikation nach Kellgren

Diese Voraussetzungen sind beim Kläger im Hinblick auf beide Kniegelenke erfüllt. Hiervon gehen auch sämtliche im Laufe des Verfahrens mit diesen Beeinträchtigungen des Klägers befassten Ärzte aus, so insbesondere neben den im gerichtlichen Verfahren mit einer Begutachtung beauftragten Sachverständigen Dr. H. und Dr. H. auch die von der Beklagten hinzugezogenen Beratungsärzte Dr. T. und Dr. S ... Entsprechend hat auch die Beklagte das Vorliegen einer Gonarthrose beidseits im Sinne dieser BK nicht in Zweifel gezogen.

Der Kläger erfüllt auch die sog. arbeitstechnischen Voraussetzungen dieser BK, nämlich die Ausübung von Arbeiten im Knien oder mit vergleichbarer Kniebelastung im Umfang von mindestens 13.000 Stunden. Diese sind mit den vom Präventionsdienst der Beklagten ermittelten ca. 20.000 Kniestunden bei weitem erreicht.

Die Anerkennung der Gonarthrose als BK 2112 scheidet jedoch aus, weil es an der erforderlichen Wahrscheinlichkeit der beruflichen Verursachung dieser beim Kläger aufgetretenen Erkrankung fehlt.

Für die haftungsbegründende Kausalität zwischen Einwirkungen und Erkrankung gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung mit der Bedingungstheorie als erstem und der wertenden Zurechnung als zweitem Prüfungsschritt (BSG, Urteil vom 02.04.2009, a.a.O.). Diese setzt somit zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen den Einwirkungen und der Erkrankung voraus. Es ist daher in einem ersten Schritt zu klären, ob die Erkrankung auch ohne die Einwirkungen aufgetreten wäre. Ist dies der Fall, war die Exposition für die Erkrankung schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Ist dieser naturwissenschaftliche Kausalzusammenhang zwischen Einwirkungen und der Erkrankung zu bejahen, ist in gleicher Weise zu klären, ob und welche weiteren Ursachen zu der Erkrankung führten.

Danach ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob die Einwirkung für die Erkrankung wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17).

Kriterien für die Wesentlichkeit der nach der Bedingungstheorie als Ursache festgestellten versicherten Einwirkungen sind, wenn andere festgestellte konkurrierende Ursachen in Betracht kommen, Art und Ausmaß der Einwirkungen, die konkurrierenden Ursachen, das Krankheitsbild sowie die gesamte Krankengeschichte, so dass letztlich in der Regel eine Gesamtbetrachtung anzustellen ist (BSG, Urteil vom 02.04.2009, a.a.O., auch zum Nachfolgenden). Entscheidungsbasis für die Kausalitätsbeurteilung muss der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand sein. Erforderlich ist aber jeweils eine einzelfallbezogene positive Feststellung sowohl der Verursachung nach der Bedingungstheorie als auch der wesentlichen Verursachung der vorliegenden Erkrankung durch die versicherten Einwirkungen. Das bloße Fehlen von konkurrierenden Ursachen genügt bei komplexen Krankheitsgeschehen, die mehrere Ursachen haben können, gerade nicht. Beweismaßstab für die haftungsbegründende Kausalität ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit (s. hierzu oben).

Der Senat verneint bereits die Wahrscheinlichkeit des naturwissenschaftlichen Zusammenhangs zwischen den beruflichen Einwirkungen, denen der Kläger ausgesetzt war, und der Gonarthrose.

Denn der Kläger wies an beiden Kniegelenken erhebliche außerberufliche Schädigungen auf. So erfolgte am rechten Knie nach einer Verletzung beim Fußballspiel im Jahr 1978 eine Innenmeniskusentfernung mit nachfolgend notwendig gewordenen Nachresektionen und zum anderen lag auf Grund einer Insuffizienz des vorderen Kreuzbandes eine vordere Instabilität vor. Auch am linken Knie wurde nach den Angaben des Klägers im Jahr 1987 eine Innenmeniskusteilentfernung und dann - wiederum nach einem Sportunfall (Umknicken beim Joggen) - 1995 arthroskopisch eine Innenmeniskusnachresektion (mit nun fast vollständiger Innenmeniskusentfernung) durchgeführt. Dabei fand sich eine (kompensierte) Instabilität nach vollständiger vorderer Kreuzbandruptur. Festzustellen ist somit, dass beim Kläger an beiden Knien - so Dr. T. und dieser Beurteilung hat selbst Dr. H. nicht widersprochen, ebenso Dr. H. - nahezu identische außerberuflich erworbene Strukturveränderungen bestanden (vollständige - rechts - bzw. fast vollständige - links - Innenmeniskusentfernung sowie Schädigungen des vorderen Kreuzbandes beidseits, so die Zusammenfassung von Dr. H. auf Seite 10 seines Gutachtens).

Bereits im Merkblatt (a.a.O., unter "weitere Hinweise") ist ausgeführt, dass (u.a.) ein Zustand nach Meniskektomie mit weitgehender Entfernung des Meniskus und eine Kreuzbandruptur außerberufliche mechanische Ursachen für die Entwicklung einer Gonarthrose sind. Dies ist im Zusammenhang mit der Erarbeitung der Begutachtungsempfehlungen ausdrücklich als gesichert bestätigt worden (s. Begutachtungsempfehlungen S. 18/19; BK Nr. 2112 - außerberufliche Faktoren in Trauma und Berufskrankheit, Band 14, Sonderheft 4, Oktober 2012, S. 435, 436). Allerdings ist - so das Merkblatt a.a.O. - das Zusammenwirken zwischen beruflichen Einwirkungen im Sinne dieser BK und anderen Ursachen wie Zustand nach Meniskektomie bei außerberuflich bedingter Meniskopathie, Zustand nach außerberuflichem Kniegelenkstrauma oder unbehandelter außerberuflicher Kreuzbandruptur in Bezug auf das Gonarthroserisiko unbekannt. Entsprechend ist nach dem Merkblatt im Rahmen einer Einzelfallprüfung in Abhängigkeit vom Ausmaß des konkurrierenden Faktors (z.B. Größe des resezierten Meniskusanteils, Art des Kniegelenktraumas etc.) und der Höhe der beruflichen Einwirkung im Rahmen der Theorie der wesentlichen Bedingung festzustellen, ob die wesentliche Mitverursachung der Erkrankung durch die beruflichen Einwirkungen wahrscheinlich gemacht werden kann oder nicht. Angesichts des besonders stark erhöhten Gonarthroserisikos bei Zustand nach außerberuflich bedingter Meniskektomie oder unbehandelter außerberuflich bedingter Kreuzbandruptur wird beim Vorliegen dieser außerberuflich bedingten konkurrierenden Faktoren auch bei gegebenen beruflichen Voraussetzungen in der Regel kein Raum sein für die Anerkennung einer Gonarthrose als BK (so das Merkblatt a.a.O., a.E.).

Dr. H. hat in diesem Zusammenhang in seinem Gutachten auf Grund aktueller Studienlage dargelegt, dass das Risiko der Entstehung einer Kniearthrose nach Meniskusoperation etwa zehnmal so hoch ist, wie das Risiko nicht operierter Vergleichspersonen. Dabei wurden diese Arthrosen beim Kläger - so Dr. H. - jeweils innerhalb eines Zeitraums von 15 bzw. 20 Jahren nach den jeweils erfolgten Innenmeniskusresektionen symptomatisch, was den Erfahrungswerten bei derartigen Schädigungen entspricht. So hat Dr. H. auf eine wissenschaftliche Langzeituntersuchung verwiesen, bei der die Autoren zu der Schlussfolgerung gelangt sind, dass sich bei etwa 50 % der Personen, die sich einer Meniskus(teil)entfernung unterziehen, nach 10 bis 20 Jahren eine Kniearthrose entwickelt.

Angesichts dieser Erkenntnis und dem Umstand, dass beim Kläger nicht nur ein Verlust des Innenmeniskus an beiden Knien, sondern mit den beidseitigen Schäden am vorderen Kreuzband ein zusätzlicher, das Risiko für eine Gonarthrose nochmals deutlich erhöhender außerberuflicher Strukturschaden vorlag, ist Dr. H. dann für den Senat überzeugend zu dem Schluss gelangt, dass allein diese außerberuflichen Schadensfaktoren das Auftreten der Kniearthrosen völlig zwanglos erklären. Zur Erklärung der Ursache der Gonarthrose kann also - so Dr. H. in seinem Gutachten - die berufliche Belastung außer Betracht bleiben. Damit könnten die kniebelastenden beruflichen Tätigkeiten hinweggedacht werden und die Gonarthrose wäre trotzdem aufgetreten. Somit ist der naturwissenschaftliche ursächliche Zusammenhang nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit zu begründen. Dies entspricht der Beurteilung im Merkblatt, wonach bei derartigen außerberuflichen Faktoren für die Anerkennung einer Gonarthrose als BK kein Raum ist.

Soweit der Kläger im Zusammenhang mit dem vom Senat abgelehnten Befangenheitsantrag gegen die Berichterstatterin (s. den Beschluss vom 24.03.2015, L 10 SF 339/15 AB) vor dem Hintergrund des Datenschutzes die Herausgabe der Akten an Dr. H. verweigert hat, ergeben sich hieraus keine Konsequenzen, insbesondere nicht in Bezug auf die Verwertbarkeit des Gutachtens. Zum einen haben zu diesem Zeitpunkt die Akten Dr. H. bereits vorgelegen; sie sind dem Sachverständigen mit dem ursprünglichen Gutachtensauftrag vom 08.12.2014, also zu einem Zeitpunkt übersandt worden, als ein Widerspruch des Klägers gegen die Aktenübersendung noch gar nicht vorgelegen hat. Zum anderen folgt die Befugnis zur Aktenübersendung aus dem über § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG auch im sozialgerichtlichen Verfahren anwendbaren § 404a der Zivilprozessordnung, der den allgemeinen datenschutzrechtlichen Regelungen vorgeht (s. LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 28.05.2002, L 2 B 59/02, juris). Zwar ist bei der Anwendung dieser Vorschrift und damit auch bei der von Amts wegen durchzuführenden Sachaufklärung das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung im Rahmen einer Güterabwägung zu berücksichtigen (s. Beschluss des LSG Rheinland-Pfalz, a.a.O.). Nachvollziehbare Gründe, aus denen sich ein Geheimhaltungsinteresse des Kläger in Bezug auf die Akten ergeben könnten, hat der Kläger jedoch nicht genannt. Er hat der Aktenübersendung vielmehr deshalb widersprochen, weil er mit der Auswahl des Sachverständigen durch die Berichterstatterin nicht einverstanden gewesen ist. Wie der Senat aber in seinem Beschluss vom 24.03.2015 über die Ablehnung des Befangenheitsgesuchs gegen die Berichterstatterin schon dargelegt hat, obliegt die Auswahl des Sachverständigen im Rahmen der Ermittlungen von Amts wegen gemäß den §§ 106, 155 SGG der Berichterstatterin. Sinn und Zweck des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ist es nicht, mittelbar die dem Gericht obliegende Auswahl des Sachverständigen einzuschränken (Beschluss des LSG Rheinland-Pfalz, a.a.O.). Entsprechend den vorstehenden Ausführungen bedarf es für die Ermittlungen von Amts wegen durch den Sachverständigenbeweis und damit für die Aktenübersendung auch keiner Erklärung des Klägers über die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht, die ohnehin im Zeitpunkt der Aktenübersendung vorgelegen hat.

Angesichts der dargelegten Kausalitätserwägungen überzeugt die Auffassung des Dr. H. in seinem für das SG erstatteten Gutachten nicht. Bei seiner Bewertung ist der Sachverständige nämlich bereits von fehlerhaften Tatsachen ausgegangen. Denn den Einfluss der Innenmeniskusentfernung rechts auf die Entwicklung der Kniegelenksarthrose hat er in seinem Gutachten dadurch als erheblich relativiert angesehen, dass sich die Arthrose am medialen Kniegelenksanteil praktisch seitengleich entwickelt habe. Dieser Gesichtspunkt könnte bei beidseitiger beruflicher Kniebelastung in der Tat für eine berufliche Ursache der Arthrose herangezogen werden. Allerdings hat Dr. H. - worauf für die Beklagte Dr. T. und auch der Sachverständige Dr. H. zutreffend hingewiesen haben - hierbei unberücksichtigt gelassen, dass beim Kläger auch linksseitig ähnliche außerberufliche Faktoren gewirkt haben, so dass die im Wesentlichen seitengleiche Entwicklung nicht als Hinweis auf eine berufliche Ursache interpretiert werden kann. Soweit Dr. H. in seiner ersten, gegenüber dem Senat abgegebenen Stellungnahme hierzu behauptet hat, auch die außerberuflichen Schäden des linken Knies in seinem Gutachten als gegen die Anerkennung einer BK 2112 sprechend berücksichtigt zu haben, trifft dies schlicht nicht zu. Ebenfalls in Widerspruch zu seiner Beurteilung im Gutachten setzt sich Dr. H. in der genannten ergänzenden Stellungnahme, wenn er nun - zur Widerlegung der Einwände von Dr. T. und zur Relativierung der Bedeutung der außerberuflichen Schäden - die Gonarthrose als nicht seitengleich ausgeprägt bewertet, obwohl er zur Begründung des Kausalzusammenhangs der beruflichen Einwirkungen im Gutachten von einer praktisch seitengleichen Entwicklung der Arthrose im selben Kniegelenksanteil ausgeht. Seine Behauptung, auch eine (angenommene) seitengleiche Ausprägung der Arthrose spreche nicht gegen den beruflichen Zusammenhang, ist ohne tragende Begründung. Dr. H. verweist insoweit auf die Arthrose beider Hüftgelenke, ohne dass dies - so auch Dr. H. in seinem Gutachten - nachvollziehbar wäre. Auch soweit Dr. H. in seiner letzten Stellungnahme die Meniskusresektionen an beiden Knieen dadurch in ihrer Bedeutung relativiert, als dies nur für eine mediale Gonarthrose relevant sei, der Kläger aber auch eine beidseitige Femoropatellararthrose mit rechts stärkerer Ausprägung habe, was durch den rechtsseitigen Schaden am vorderen Kreuzband erklärbar sei, trägt dies nicht. Denn Dr. H. hat insoweit wiederum außer Betracht gelassen, dass - so Dr. H. - der Kläger auch am linken Knie einen Kreuzbandschaden hat (s. hierzu OP-Bericht vom Dezember 1995, Bl. 116 f. VA: vollständige vordere Kreuzbandruptur links).

Auch die weiteren Ausführungen des Dr. H. , wonach beim Kläger außerberuflich keine höherwertigen oder mit den beruflichen Belastungen gleichwertige Gelenkbelastungen dokumentiert sind, so dass gerade auch die durch die Ausübung des Fußballsports über ca. acht Jahre bedingten Verschleißbelastungen als deutlich zweitrangig einzustufen seien, sprechen nicht für eine berufliche Verursachung der in Rede stehenden Gonarthrose. Diesbezüglich ist maßgeblich, dass beim Kläger durch das Fußballspielen gerade eine schwere Knieverletzung verursacht wurde und gerade deren Auswirkungen als konkurrierende Ursache zu bewerten ist. Im Übrigen hat Dr. H. insoweit deutlich gemacht, dass verschiedene Studien durchaus darauf hindeuten, dass gerade der Fußballsport, unabhängig davon ob dieser professionell oder als Hobby ausgeübt wird, ein erhöhtes Kniearthroserisiko birgt.

Auch der Beurteilung von Prof. Dr. S. vermag der Senat nicht zu folgen. Der Gutachter berücksichtigte insbesondere nicht den Umstand, dass - wie ausgeführt - bereits die außerberuflichen Strukturveränderungen die Gonarthrose erklären. Er schließt - hierauf wies bereits Dr. T. hin - allein von dem Ausmaß beruflicher Expositionen auf den ursächlichen Zusammenhang. Im Ergebnis unterstellt Prof. Dr. S. damit den naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang, ohne ihn hinreichend zu begründen.

Bei alledem misst der Senat der von der Beklagten herangezogenen O-Bein-Fehlstellung keine Bedeutung bei, ebenso wenig der von den Beratungsärzten der Beklagten diskutierten Chondrokalzinose, die nach den Begutachtungsempfehlungen ohnehin nicht als konkurrierender Faktor anzusehen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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