L 3 U 3906/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 10 U 1387/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 U 3906/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 7. August 2014 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahrens.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls vorliegen.

Der am 28.05.1977 geborene Kläger erlitt am 14.09.2012, nachdem er nach Beendigung seiner beruflichen Tätigkeit mit einem Motorrad den Heimweg angetreten hatte, einen Verkehrsunfall, infolgedessen er sich ein Schädel-Hirn-Trauma zuzog.

Der Arbeitgeber gab unter dem 05.10.2012 an, der Unfall sei auf dem Weg von der Firma nach Hause eingetreten. Der Kläger habe die Arbeitsstätte um 18.03 Uhr verlassen.

Die Beklagte zog die in der gegen den Kläger gerichteten Bußgeldsache angefallenen Akten des Amtsgerichts Aalen bei. Daraus geht hervor, dass sich der Unfall am 14.09.2012 um 18.10 Uhr in F. in der Estraße auf der Höhe zur Einmündung zum A. Weg ereignet hat. Aus dem sodann von der Beklagten angefertigten Routenplaner-Ausdruck geht hervor, dass sich der Unfallort nicht auf dem direkten Weg zwischen der Betriebsstätte und der Wohnung des Klägers befand. In dem Aktenvermerk vom 16.04.2013 wird ausgeführt, dass der Kläger zum Unfallzeitpunkt nicht in Fahrtrichtung zu seiner Wohnung gefahren sei. Aus der Ermittlungsakte gehe hervor, dass sich der Kläger zum Unfallzeitpunkt nicht auf dem direkten Heimweg befunden habe. Er sei von der Bstraße nach links in die Estraße eingebogen und dann auf der Kreuzung zum A. Weg verunglückt. Seine Wohnung befinde sich aber in entgegengesetzter Richtung. Ein Verfahren wegen Verstoßes gegen die Straßenverkehrsordnung sei eingestellt worden, da ein grob verkehrswidriges und rücksichtsloses Verhalten verneint worden sei. Die überhöhte Geschwindigkeit und somit das verkehrswidrige Verhalten des Klägers stehe dem Versicherungsschutz nicht entgegen, soweit keine Alkoholbeeinflussung nachgewiesen werden könne. Die von der Beklagten daraufhin beigezogenen Ergebnisse der Blutuntersuchung waren unauffällig,

Sodann befragte die Beklagte den Kläger nach dem Unfallhergang. Seine Eltern führten unter dem 25.04.2013 aus, der Kläger sei nach wie vor aufgrund der Schwere seiner Unfallverletzungen nicht in der Lage, den Unfallfragebogen auszufüllen. Er habe bis heute keine Erinnerungen an den Unfalltag und könne auch deshalb zum Unfallhergang keine Angaben machen. Am Tag nach dem Unfall hätten sie von einem Arbeitskollegen des Klägers erfahren, dass der Kläger am Unfalltag kurz vor Feierabend sein Motorrad habe umparken müssen, damit dieser Arbeitskollege mit seinem Fahrzeug wegfahren könne. Direkt danach habe der Kläger sinngemäß gesagt: "Sch., mein Tank ist ja ganz leer - jetzt muss ich erst noch zum Tanken, bevor ich heim fahr‘!" Bei dem Arbeitskollegen handele es sich um C. D ... Am Tag vor dem Unfall sei besprochen worden, dass der Kläger am Unfalltag nach dem Feierabend zu Hause den Rasen mähen solle. Es sei also klar abgesprochen worden, dass der Kläger nach Feierabend direkt nach Hause komme. Ferner sei er von seiner Tante erwartet worden, da diese für den Umzug ihres Sohnes den Bus des Klägers habe ausleihen wollen und der Kläger die nicht benötigten Sitze hätte ausbauen sollen. In dem beigefügten Fragebogen führten die Eltern des Klägers aus, der Kläger habe am Unfalltag die OMV-Tankstelle in der Estraße in F. aufsuchen wollen, da das Motorrad dringend habe betankt werden müssen. Es habe sich dabei um die einzige Tankstelle in direkter Nähe des gewöhnlichen Fahrwegs gehandelt.

Auf Anfrage der Beklagten gab Dipl.-Ing. G., Sachverständiger bei der Dekra, unter dem 10.05.2013 an, nach nochmaliger Durchsicht der Lichtbilder der Unfallstelle sei im Bereich der Endlage des Motorrades eine wohl auch Kraftstoff mitenthaltende Flüssigkeits-Antragung auf der Fahrbahn zu erkennen. Dies bedeute, dass hier ein Teil Benzin, geschätzt anhand der Größe der Lache circa 1 bis 2 Liter, in der Endlage ausgelaufen sei. Eine Tiefenüberprüfung des Tankinhaltes sei nicht vorgenommen worden. Aus einem Lichtbild des Cockpits der Instrumente sei zu erkennen, dass der Zündschlüssel auf "on" gestanden habe. Es könne aber sein, dass die Elektrik bis zum Anfertigen dieses Fotos schon bezüglich der Spannung abgefallen gewesen sei. In einem weiteren Lichtbild sei die Tankanzeige mit "null" zu erkennen. Angesichts dieser Umstände sei jedenfalls nicht nachweisbar, dass der Tank des Motorrades beispielsweise voll gewesen sei. Eine genaue Auskunft, wie viel Sprit noch im Tank gewesen sei und ob die Tankanzeige bereits auf Reserve gestanden habe, sei somit nicht möglich. Zugunsten des Klägers sei in vorliegendem Fall aber angesichts der genannten Anknüpfungskriterien davon auszugehen, dass die Kraftstoffmenge im Tank wohl eher in einem Bereich gelegen haben dürfte, die Anlass gewesen sein könne, das Motorrad aufzutanken.

Sodann befragte die Beklagte den Arbeitskollegen D ... Dieser gab in seinem Schreiben vom 21.05.2013 an, am Unfalltag habe ihm der Kläger gesagt, dass er das Motorrad von seinem Cousin geliehen habe. Auf die Aussage, es würde ihn auch mal reizen, mit diesem Motorrad zu fahren, habe der Kläger geantwortet: "Des tät‘ jetzt aber grad‘ nicht gehen, der Scheiß ist nämlich, dass ich zum Tanken muss - der Bock steht auf Reserve!" Auf die Frage, ob man das an der Tankuhr sehe, habe der Kläger geantwortet: "Der hat keine Tankuhr, aber des kleine orange Lichtle da zeigt die Reserve an." Auf den Hinweis, dies sei kein Problem, dann solle er bei der Tankstelle vorbeifahren, habe der Kläger geantwortet: "Richtig, jetzt muss ich erst zur Tanke - passt mir aber überhaupt nicht, denn ich bin schon spät dran und soll daheim den Rasen mähen und es ist ja schon gleich sechs Uhr! ... und heut‘ Abend treff‘ ich mich noch mit `nem Kumpel in H ..."

Auf Anfrage der Beklagten teilte der Arbeitgeber des Klägers am 28.05.2013 mit, ihm sei nicht bekannt, ob der Kläger jemandem mitgeteilt habe, was er nach Arbeitsende tun werde.

Sodann befragte die Beklagte den Cousin des Klägers. Dieser gab mit Schreiben vom 09.06.2013 an, er habe dem Kläger sein Motorrad sieben- bis achtmal in der Saison 2011 und für vier Wochen im April/Mai 2012 sowie ab Dienstag, den 11.09.2012 geliehen. Es habe am Mittwoch nach seinem Urlaub, also am "19.05.2012" (gemeint wohl: 19.09.2012) zurückgebracht werden sollen. Am Tag der Ausleihe dürfte der Tank etwa ein Drittel bis zur Hälfte befüllt gewesen sein, da er die Tage zuvor selbst mit dem Motorrad noch unterwegs gewesen und zur Arbeit gefahren sei. Der Kläger habe das Motorrad gekannt und gewusst, dass er ziemlich bald die nächste Tankstelle aufsuchen solle, wenn die Reserve-Anzeige im Display aufleuchte, da man mit der Restmenge nicht mehr allzu weit fahren könne. Auf weitere Nachfrage teilte er am 02.07.2013 mit, es habe sich um eine Honda CB 600 F des Baujahres 2003 gehandelt.

Mit Bescheid vom 09.07.2013 anerkannte die Beklagte das Ereignis vom 14.09.2012 nicht als Arbeitsunfall und führte aus, ein Anspruch auf Leistungen bestehe nicht. Das Tanken stelle grundsätzlich eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit dar, die in keinem inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehe. Es handele sich vielmehr um eine vorbereitende Tätigkeit, die dem unversicherten persönlichen Lebensbereich zuzuordnen sei. Eine Ausnahme bestehe dann, wenn der direkte Weg deshalb verlassen worden sei, weil das Nachtanken des Fahrzeugs unvorhergesehen für die Fortsetzung des Weges erforderlich gewesen sei. Die Wegstrecke des üblichen direkten Weges von der Arbeitsstätte zum Wohnort habe circa 6 Kilometer betragen, so dass nur eine geringe Benzinmenge benötigt worden sei, um den Wohnort zu erreichen. Da er das Motorrad ohne Leuchten der Reservelampe übernommen habe, habe erst bei ihm die Reserve in Anspruch genommen werden müssen. Demnach habe der Kläger gewusst, dass er in nächster Zeit eine Tankstelle aufsuchen müsse. Die Notwendigkeit des Tankens sei für ihn während des Heimweges beziehungsweise vor Antritt der Fahrt keinesfalls überraschend und unvorhergesehen gekommen. Das Verlassen des gewöhnlichen Heimweges, um eine Tankstelle aufzusuchen, sei in keinem Zusammenhang mit einer versicherten Tätigkeit gestanden.

Hiergegen hat der Kläger Widerspruch eingelegt. Es sei noch nicht berücksichtigt worden, dass die von ihm vorliegend gewählte Fahrstrecke zwar nicht der entfernungsmäßig kürzeste Weg von der Arbeitsstätte nach Hause, jedoch insbesondere zur Feierabendzeit der schnellere und verkehrstechnisch günstigere Nachhauseweg sei. Denn durch den geringfügig, maximal 1,5 Kilometer längeren Weg werde vermieden, durch die insbesondere zur Feierabendzeit stark frequentierte und auch verkehrsberuhigte Innenstadt von F. fahren zu müssen. Nach den Angaben des Arbeitskollegen D., seines Cousins und des Sachverständigen der Dekra sei davon auszugehen, dass bei Fahrtantritt ein unvorhergesehenes und unabweisbares Bedürfnis für ein sofortiges Auftanken des Motorrades vorgelegen habe. Er habe insofern keine eigene Erfahrung und Kenntnis davon gehabt, welche Fahrstrecke er mit dem Reservetank noch zurücklegen könne, so dass er insbesondere auf Grund der Mitteilung seines Cousins vorliegend gehalten gewesen sei, sofort nach Aufleuchten der orangenen Warnlampe aufzutanken. Auf das Risiko, während der Nachhausefahrt mit dem Motorrad liegen zu bleiben, weil der Kraftstoff ausgegangen sei, müsse er sich nicht einlassen.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 11.04.2014 zurück. Der Tank des Motorrades fasse insgesamt circa 17 Liter, wovon circa 3,3 Liter als Reserve vorgesehen seien. Man könne bei der Art des Motorrades von einem Verbrauch von circa 5,5 bis 6 Liter auf 100 Kilometer ausgehen. Dies bedeute, dass der Kläger mit dem verbliebenen Tankinhalt noch circa 50 Kilometer hätte fahren können. Der Kläger hätte somit den regulären Heimweg von circa 6 Kilometer mit dem Resttankinhalt noch gut geschafft. Ferner sei zu beachten, dass sich der Kläger zum Unfallzeitpunkt in der entgegengesetzten Richtung zu seinem eigentlichen Heimweg und somit auf einem unversicherten Abweg befunden habe.

Hiergegen hat der Kläger am 28.04.2014 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Es ist ergänzend vorgetragen worden, es habe ein unmittelbares und nicht weiter aufschiebbares Bedürfnis zum Tanken bestanden, da sich die nächste Tankstelle erst in dem circa 12 Kilometer entfernten H. befinde und es an seinem Wohnort keine Tankstelle gebe. Außerdem liege der Benzinverbrauch des Motorrades nicht bei 5,5 bis 6 Litern, sondern bei 8 Litern auf 100 Kilometer.

Mit Urteil vom 07.08.2014 hat das SG den Bescheid vom 09.07.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.04.2014 aufgehoben und festgestellt, dass es sich bei dem Ereignis vom 14.09.2012 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat. Es hat zunächst ausgeführt, die vom Kläger gewählte Strecke sei um die Hälfte länger als der direkte Weg, auch wenn der zeitliche Mehraufwand von 2 Minuten gering sei. Verkehrsbedingte Gründe für das Abweichen von dem kürzesten Weg seien nicht zu erkennen. Dementsprechend habe ein grundsätzlich nicht unter Versicherungsschutz stehender Umweg vorgelegen. Das Betanken des Fahrzeuges sei aber dann nicht der eigenwirtschaftlichen Risiko-Sphäre des Versicherten zuzurechnen, wenn es während der Fahrt von dem Ort der Tätigkeit erforderlich werde. Ein brauchbarer Anhaltspunkt für die Notwendigkeit des Tankens sei, dass sich während der Fahrt oder aber auch schon bei Antritt der Fahrt die Notwendigkeit ergebe, den Inhalt des Reservetanks in Anspruch zu nehmen. Dabei komme es auch nicht entscheidend darauf an, ob der im Reservetank noch enthaltene Kraftstoff ausreiche, um auf dem Heimweg eine am direkten Weg liegende Tankstelle zu erreichen. Für die Frage, ob eine Tätigkeit dem Unternehmen dienlich sei, sei es ausreichend, dass der Versicherte von seinem Standpunkt aus der Auffassung sein könne, die Tätigkeit sei geeignet, den Interessen des Unternehmens zu dienen. Dies gelte auch für die Beurteilung der Frage, ob das Tanken eines Kraftfahrzeuges unvorhergesehen notwendig sei, damit der weitere Weg von dem Ort der Tätigkeit zurückgelegt werden könne. Grundsätzlich könne ein Kraftfahrer davon ausgehen, dass das Auftanken notwendig sei, wenn er den Reservetank in Anspruch nehmen müsse. Die optische Anzeige, dass die Treibstoffreserve in Anspruch genommen werde, diene dem Kraftfahrer als Warnung und Aufforderung, neuen Kraftstoff zu Tanken. Das unverzügliche Auftanken nach Inanspruchnahme des Reservekraftstoffes solle vermeiden, dass wegen eines unvorhergesehenen Ereignisses der tatsächlich noch vorhandene Kraftstoff dann doch nicht ausreiche, um an das nach einer vorangegangenen Schätzung an sich erreichbare Ziel zu kommen. Es müsse sonst versicherungsrechtlich wieder zwischen einer Vielzahl möglicher Fallgestaltungen unterschieden werden, um die Besonderheiten des Einzelfalles zu beachten, was nicht der Rechtssicherheit dienen würde. Die Inanspruchnahme des Reservekraftstoffes bilde dagegen einen allgemeinen Maßstab, der zu einer Verminderung einer Kasuistik führen könne. Ein solcher Ausnahmefall sei vorliegend gegeben. Die von der Beklagten beim Arbeitskollegen D. durchgeführte schriftliche Befragung habe ergeben, dass der Kläger diesem vor dem Antritt der Heimfahrt geschildert habe, dass die Reserveleuchte aufgeleuchtet habe und er deshalb die Tankstelle aufsuchen müsse. Weiterhin habe der Sachverständige der Dekra mitgeteilt, dass an der Unfallstelle 1 bis 2 Liter Benzin ausgelaufen seien und davon ausgegangen werden müsse, dass eine Betankung notwendig gewesen sei. Somit bestünden keine Zweifel, dass die Reservelampe aufgeleuchtet habe. Anhaltspunkte dafür, dass das Aufleuchten der Reserveleuchte nicht unerwartet gewesen sei oder dass der Kläger positive Kenntnis davon gehabt habe, dass er mit dem restlichen Tankinhalt noch den restlichen Heimweg hätte zurücklegen können, so dass sich das Aufleuchten als gewöhnlicher und gerade nicht in den Risiken des Heimwegs angelegter Tatbestand darstellen würde, bestünden nicht. Der Annahme einer positiven Kenntnis des Klägers stehe schon der Umstand entgegen, dass sich dieser glaubhaft an das Unfallereignis sowie den unmittelbaren Zeitraum davor nicht mehr erinnern könne. Auch ließen die Schilderungen des Arbeitskollegen D. darauf schließen, dass der Kläger von der unmittelbaren Notwendigkeit der Betankung ausgegangen sei. In diesem Zusammenhang sei auch zu berücksichtigen, dass es sich um ein geliehenes Motorrad gehandelt habe und es sich bei der angesteuerten Tankstelle um die einzige im näheren Umkreis sowohl seiner Arbeitsstelle als auch seines Wohnortes handele. Im Übrigen habe auch der Cousin des Klägers angegeben, dass der Kläger gewusst habe, bei Aufleuchten der Reservetankanzeige nicht mehr allzu weit fahren zu können und eine Tankstelle aufsuchen zu müssen. Darauf, ob das Motorrad über eine Tankanzeige, die den Füllstand hätte erkennen lassen können, verfügt habe, komme es daher nicht entscheidend an.

Gegen das ihr am 18.08.2014 zugestellte Urteil des SG hat die Beklagte am 12.09.2014 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Sie hat zur Begründung ausgeführt, dass dem Kläger, auch wenn sein Cousin ihm geraten habe, nach Aufleuchten der Reserveleuchte ziemlich bald zum Tanken fahren zu sollen, trotzdem klar gewesen sein müsse, dass er mit dem Reservetank, da sein unmittelbarer Heimweg nur 5 Kilometer betragen habe, seine Heimfahrt noch ohne Probleme hätte durchführen können. Da die Reserveleuchte erst unmittelbar vor Fahrtantritt aufgeleuchtet habe und dem Kläger auch klar gewesen sein müsse, dass er seinen kurzen Heimweg von 5 Kilometer auch mit der im Reservetank noch vorhandenen Kraftstoffmenge zurücklegen könne, könne hier der Tankvorgang nicht als unausweichlich angesehen werden. Erforderlich hierfür wäre zum Beispiel, dass das Nachtanken aufgrund eines Staus oder einer Umleitung notwendig werde. Das Aufleuchten der Reservelampe sei dagegen als gewöhnlicher, nicht in die Risiken des versicherten Heimweges angelegter und damit nicht dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung unterfallender Tatbestand zu werten. Ansonsten könne allein mit dem Abwarten des Tankens bis die Reserveleuchte des Kraftstofftanks aufleuchte entgegen des Grundsatzes, dass das Tanken als nicht-versicherte Vorbereitungshandlung anzusehen sei, Versicherungsschutz herbeigeführt werden. Die Beklagte hat ergänzend ausgeführt, unter Berücksichtigung der restriktiven Auslegung des Versicherungsschutzes bei Vorbereitungshandlungen könne nur dann von einem versicherten unvorhergesehenen Tanken ausgegangen werden, wenn der Treibstoff während der Fahrt plötzlich aus Umständen, die der Versicherte nicht zu vertreten habe, für ihn vollkommen unerwartet zur Neige gehe. Ferner sei das Aufleuchten der Reservetankleuchte ohne Hinzutritt weiterer besonderer Umstände als gewöhnlicher, gerade nicht den Risiken des Heimweges angelegter und damit nicht mehr dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung unterfallender Tatbestand anzusehen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 7. August 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es bestehe keinerlei Zweifel daran, dass der kurze Umweg zur unvorhergesehen notwendig gewordenen Betankung des Motorrads in unmittelbarem und zwingendem Zusammenhang mit dem Nachhauseweg von seiner Arbeitsstelle gesehen und deshalb rechtlich als Arbeitsunfall betrachtet werden müsse. In diesem Zusammenhang werde zu Bedenken gegeben, dass er sich unter Umständen einer Ordnungswidrigkeit schuldig gemacht hätte, wenn er auf dem Nachhauseweg mangels ausreichendem Kraftstoff mit dem Motorrad liegen geblieben wäre. Treffe die Rechtsauffassung der Beklagten zu, würde man ihm das für diesen im Entscheidungszeitpunkt nicht ausreichend abwägbares Risiko eines Liegenbleibens mit dem Motorrad aufbürden. Er müsse sich also sehenden Auges in Gefahr begeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, nach § 151 Abs. 2 SGG form- und fristgerechte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Ulm vom 07.08.2014, mit dem auf die Klage des Klägers der Bescheid der Beklagten vom 09.07.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.04.2014 aufgehoben und festgestellt worden ist, dass es sich bei dem Ereignis vom 14.09.2012 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat. Die Beklagte erstrebt die Aufhebung dieses Urteils und die Abweisung der gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 SGG in Verbindung mit § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 3 SGG erhobenen kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage (zum Wahlrecht zwischen Verpflichtungs- und Feststellungsklage: BSG, Urteil vom 15.05.2012 - B 2 U 31/11 R - juris 17, unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R - juris).

Das SG hat zu Recht das Ereignis vom 14.09.2012 als Arbeitsunfall festgestellt.

Rechtsgrundlage sind die §§ 2, 7 und 8 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII).

Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII sind Beschäftigte kraft Gesetzes versichert. Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Nach § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Nach § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII sind Unfälle zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Versicherte Tätigkeit ist nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit.

Für einen Arbeitsunfall ist im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls einer versicherten Tätigkeit zuzurechnen (innerer beziehungsweise sachlicher Zusammenhang) ist sowie diese Verrichtung wesentlich ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis (Unfallereignis) verursacht (Unfallkausalität) und das Unfallereignis wesentlich einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat (BSG, Urteil vom 31.01.2012 - B 2 U 2/11 R - juris Rz. 16, unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R - juris; BSG, Urteil vom 18.01.2011 - B 2 U 9/10 R - juris; BSG Urteil vom 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R - juris).

Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt für die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen bei der Tatsachenfeststellung, dass die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitsschaden" erfüllen sollen im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit (BSG, Urteil vom 31.01.2012 - B 2 U 2/11 R - juris Rz. 17, unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 30/07 R - juris). Es gelten die allgemeinen Regeln der materiellen Beweislast. Danach trägt derjenige, der ein Recht - hier Feststellung eines Arbeitsunfalls - für sich beansprucht, nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten der Ermittlung die materielle Beweislast für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen dieses Rechts (BSG, Urteil vom 31.01.2012 - B 2 U 2/11 R - juris Rz. 28, unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R - juris; BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - juris).

Der Nachweis eines Unfallereignisses im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit ist geführt. Dies hat das Sozialgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend und umfassend dargestellt. Der Senat schließt sich gemäß § 153 Abs. 2 SGG diesen Ausführungen nach eigener Prüfung unter Verweis auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheides zur Vermeidung von Wiederholungen an.

Als der Kläger am 14.09.2012 im Anschluss an seine berufliche Tätigkeit mit dem Motorrad seines Cousins den Weg von der Arbeitsstätte nach Hause antrat, stand er unter Versicherungsschutz. Der Versicherungsschutz wurde nicht dadurch unterbrochen, dass der Kläger in die Zurücklegung des Weges von der Arbeitsstätte einen zusätzlichen Weg einschob, um an einer Tankstelle sein Motorrad aufzutanken. Denn der Zweck des zusätzlichen Weges war nicht ausschließlich dem nicht-versicherten persönlichen Lebensbereich des Klägers zuzurechnen, sondern stand auch mit der Fahrt nach Hause in einem ursächlichen Zusammenhang, weil er das Tanken für notwendig erachtet hat und auch erachten durfte, um das Ziel der Fahrt zu erreichen.

Zwar ist, ebenso wie zahlreiche andere Verrichtungen des täglichen Lebens, die notwendig sind, damit die versicherte Tätigkeit verrichtet werden kann, das Auftanken eines Kraftfahrzeuges auch dann grundsätzlich dem nicht-versicherten persönlichen Lebensbereich des Versicherten zuzurechnen, wenn das Kraftfahrzeug für den Weg zur Arbeitsstätte verwendet werden soll. Eine andere rechtliche Beurteilung ist aber gerechtfertigt, wenn das Tanken während der Fahrt notwendig wird. Das Nachfüllen des Tanks steht - ebenso wie andere zur Wiederherstellung oder Erhaltung der Fahrbereitschaft notwendige Maßnahmen - mit der Zurücklegung des Weges nach oder von der Arbeitsstätte in einem auch rechtlich wesentlichen Zusammenhang, wenn es unvorhergesehen notwendig wird, damit der restliche Weg zurückgelegt werden kann. An diese Voraussetzungen dürfen jedoch keine zu strengen Anforderungen gestellt werden. Ein brauchbarer Anhaltspunkt für die Notwendigkeit des Tankens ist, dass sich entweder während der Fahrt oder aber auch schon bei Antritt der Fahrt die Notwendigkeit ergibt, den Inhalt des Reservetanks in Anspruch zu nehmen (BSG, Urteil vom 24.05.1984 - 2 RU 3/83 - juris; BSG, Urteil vom 14.12.1978 - 2 RU 59/78 - juris; BSG, Urteil vom 30.01.1970 - 2 RU 198/67 - juris; BSG, Urteil vom 30.01.1968 - 2 RU 51/65 - juris; BSG, Urteil vom 28.02.1964 - 2 RU 22/61 - juris).

Da der Kläger vorliegend während der Rückfahrt keine unmittelbar am Weg liegende Möglichkeit zum Tanken gehabt hatte, entsprach es sachgemäßem Handeln, auf dem Weg von der Arbeitsstätte nach Hause eine Tankstelle aufzusuchen, um nicht das Risiko einzugehen, unterwegs liegen zu bleiben. Der Umweg über die Tankstelle ist vorliegend nicht als unverhältnismäßig weit anzusehen, zumal nichts dafür ersichtlich ist, dass eine andere Tankstelle als die vom Kläger aufgesuchte, näher lag. Daher standen das Aufsuchen der Tankstelle und die Weiterfahrt nach dem Tankvorgang mit der Zurücklegung des Weges von der Arbeitsstätte zum Wohnort in einem rechtlich wesentlichen ursächlichen Zusammenhang.

Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es nicht darauf an, ob der Kläger vor Antritt der Heimfahrt - etwa infolge eines Studiums der Betriebsanleitung - hätte erkennen können, dass er selbst bei Aufleuchten der Tankanzeige die Heimfahrt auf direktem Weg ohne Einschub eines Tankvorgangs hätte durchführen können. Denn der Versicherungsschutz ist nicht davon abhängig, dass der Versicherte nicht fahrlässig die Notwendigkeit des Auftankens herbeigeführt, sondern sich als verantwortungsbewusster Fahrer vor Antritt der Fahrt davon überzeugt hat, dass der Treibstoffvorrat für die Hin- und Rückfahrt ausreicht (BSG, Urteil vom 14.12.1978 - 2 RU 59/78 - juris).

Es kommt auch nicht entscheidend darauf an, ob der im Reservetank noch enthaltene Kraftstoff - objektiv betrachtet - ausgereicht hätte, um den Wohnort auf dem direkten Weg ohne Einschub eines Tankvorgangs zu erreichen. Denn die Frage, ob eine Tätigkeit dem Unternehmen dienlich ist, beurteilt sich nicht danach, ob sie dem Unternehmen objektiv dienlich war, sondern es ist ausreichend, dass der Versicherte von seinem Standpunkt aus der Auffassung sein konnte, die Tätigkeit sei geeignet, den Interessen des Unternehmens zu dienen. Maßgebliches Kriterium für die wertende Entscheidung über den Zusammenhang zwischen versicherter Tätigkeit und Verrichtung zur Zeit des Unfalls ist also die Handlungstendenz des Versicherten, so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird. Aufgrund der Handlungstendenz kann beurteilt werden, ob der versicherte Arbeitnehmer mit seiner konkreten Verrichtung zur Zeit des Unfalls eine auf seinem Arbeitsvertrag beruhende, dem Unternehmen dienende und damit unter Versicherungsschutz stehende Tätigkeit ausüben wollte (BSG, Urteil vom 09.04.2007 - B 2 U 28/06 R - juris, unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 10.10.2006 - B 2 U 20/05 R - juris, und BSG, Urteil vom 26.10.2004 - B 2 U 24/03 R - juris). Auch für die Beurteilung, ob eine konkrete Verrichtung noch der Fortbewegung auf das ursprüngliche Ziel hin - hier dem Wohnort - dient, ist die Handlungstendenz des Versicherten maßgebend (BSG, Urteil vom 04.07.2013 - B 2 U 3/13 R - juris Rz. 12, unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 17.02.2009 - B 2 U 26/07 R - juris; BSG, Urteil vom 02.12.2008 - B 2 U 17/07 R - juris; BSG, Urteil vom 02.12.2008 - B 2 U 26/06 R - juris; BSG, Urteil vom Urteil vom 30.10.2007 - B 2 U 29/06 R - juris; BSG, Urteil vom 09.12.2003 - B 2 U 23/03 R - juris). Dies gilt auch für die Beurteilung der Frage, ob das Tanken eines Kraftfahrzeuges unvorhergesehen notwendig war, damit der weitere Weg nach oder von dem Ort der Tätigkeit zurückgelegt werden kann. Grundsätzlich kann ein Kraftfahrer davon ausgehen, dass das Auftanken notwendig ist, wenn er den Reservetank in Anspruch nehmen muss. Die optische Anzeige, dass die Treibstoffreserve in Anspruch genommen wird, dient dem Kraftfahrer als Warnung und Aufforderung, neuen Kraftstoff zu tanken. Die Inanspruchnahme des Reservekraftstoffes ist deshalb ein brauchbarer Anhaltspunkt für die Notwendigkeit des Tankens. Das unverzügliche Auftanken nach Inanspruchnahme des Reservekraftstoffes soll unter anderem vermeiden, dass durch unvorhergesehene Ereignisse der tatsächlich noch vorhandene Kraftstoff dann doch nicht ausreicht, um an das nach einer vorangegangenen Schätzung an sich erreichbare Ziel zu kommen. Es müsste sonst versicherungsrechtlich wieder zwischen einer Vielzahl möglicher Fallgestaltungen unterschieden werden, um die Besonderheiten des Einzelfalles zu beachten. Dies würde nicht der Rechtssicherheit dienen. Die Inanspruchnahme des Reservekraftstoffes bildet dagegen einen allgemeinen Maßstab, der zu einer Verminderung einer Kasuistik führen kann. Diesem objektiven Kriterium ist verstärkte Bedeutung beizumessen (BSG, Urteil vom 14.12.1978 - 2 RU 59/78 - juris; zum Ganzen LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.06.2010 - L 6 U 4239/09).

Besondere Umstände, die dieses Kriterium bei der Beurteilung des grundsätzlich bestehenden Versicherungsschutzes beim unvorhergesehen notwendigen Auftanken auf dem grundsätzlich versicherten Weg zurücktreten lassen können, sind vorliegend nicht gegeben. Der Kläger konnte aufgrund des Aufleuchtens der Tankanzeige davon ausgehen, dass er die nächste Tankstelle aufzusuchen und damit den Umweg zu nehmen hatte. Die Einschätzung der Beklagten, dass der Kläger mit dem Inhalt des Reservetanks noch mindestens 50 Kilometer hätte zurücklegen können, rechtfertigt entgegen ihrer Auffassung keine andere Entscheidung. Dass der Kläger wusste, unter Ausschöpfung des Reservetanks noch circa 50 Kilometer fahren zu können, lässt sich nicht ermitteln und ist vor dem Hintergrund, dass er das Motorrad nach den glaubhaften Aussage seines Cousins nur sieben- bis achtmal in der Saison 2011, für vier Wochen im April/Mai 2012 sowie ab 11.09.2012 geliehen hatte, durchaus zweifelhaft. Im Gegenteil, der Cousin des Klägers legte sogar dar, dass der Kläger gewusst hat, bei Aufleuchten der Reserve-Anzeige im Display ziemlich bald die nächste Tankstelle aufsuchen zu müssen, da man mit der Restmenge nicht mehr allzu weit fahren könne. Etwas anderes hätte sich dem Kläger auch nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht aufdrängen müssen. In diesem Zusammenhang weist der Senat auf den beispielsweise in der am 25.10.2013 veröffentlichten Ausgabe von Focus-Online erteilten Rat hin, prinzipiell sollte man unbedingt vermeiden, den Tank komplett leer zu fahren, da dies zu teuren Schäden an der Kraftstoffanlage führen könne. Wer rechtzeitig nachtanke, vermeide auch ein Bußgeld. Denn dies könne durchaus fällig werden, wenn man mit leerem Tank liegen bleibe. Die Polizei werte dies als widerrechtliches Halten oder Parken und kassiere 30 beziehungsweise 70 Euro.

Ferner folgt der Senat nicht der rechtlichen Beurteilung der Beklagten, dass trotz Aufleuchten der Reservelampe erst bei oder unmittelbar nach Antritt der Fahrt der Tankvorgang gleichwohl nicht als unausweichlich im Sinne der obigen Rechtsprechung angesehen werden könne und nur dann als unerwartet beziehungsweise unvorhersehbar anzusehen sei, wenn weitere Umstände wie beispielsweise ein Motorschaden oder kraftstoffintensivere überraschende Verkehrsstauungen hinzukämen (so LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.05.2013 - L 3 U 268/11 - juris Rz. 18). Diese Ansicht verkennt, wie oben bereits dargelegt, dass es eben darauf ankommt, ob aus der Sicht des Versicherten das Aufleuchten der Reserveleuchte bei Antritt oder während der Fahrt überraschend kam und der Nachhauseweg bei Nichtbetankung nicht mehr hätte zurückgelegt werden können. Dass das Aufleuchten der Reserveleuchte bei Antritt der Fahrt für den Kläger überraschend kam, lässt sich zwar nicht zwingend den Angaben des Arbeitskollegen D., der Kläger habe ihm während der Arbeitszeit mitgeteilt, "der Bock stehe auf Reserve", entnehmen. Hierfür sprechen jedoch die Angaben des Cousins des Klägers, dieser habe gewusst, dass er bei Aufleuchten der Reserveanzeige "ziemlich bald" die nächste Tankstelle aufsuchen solle, da man mit der Restmenge "nicht mehr allzu weit" fahren könne. Es ist daher eher unwahrscheinlich, dass der Kläger bereits am Morgen des Unfalltages vor Antritt der Fahrt zur Arbeitsstätte, das Aufleuchten der Reserveleuchte wahrnahm, da er dann bewusst das Risiko eingegangen wäre, nun schon Hin- und Rückweg, also 10 Kilometer, mit dem Reservetank zurücklegen zu müssen. Ferner findet die in der Berufungsbegründung aufgestellte Behauptung, dem Kläger hätte klar sein müssen, dass er seinen 5 Kilometer betragenden Heimweg auch mit der im Reservetank noch vorhandenen Kraftstoffmenge hätte zurücklegen können, in den Aktenunterlagen keine Stütze. Dagegen sprechen eher die oben bereits zitierten Angaben des Eigentümers des Motorrades und darüber hinaus die Angaben des Sachverständigen der Dekra, es müsse davon ausgegangen werden, dass eine Betankung notwendig gewesen wäre. Die von der Beklagten geäußerte Befürchtung, "ansonsten" könne man allein mit dem Abwarten des Tankens, bis die Reserveleuchte aufleuchte, den Versicherungsschutz herbeiführen, teilt der Senat ebenfalls nicht. Wie stets und im Unfallversicherungsrecht insbesondere, ist eine Einzelfallbetrachtung vorzunehmen und im konkreten Fall zu klären, ob eben nun für den konkreten Versicherten das Aufleuchten der Reserveleuchte überraschend gekommen ist und dass bei Nichtbetanken der Nachhauseweg nicht zurückgelegt werden könnte. Die Ansicht der Beklagten, bis auf die Ausnahmefälle Verkehrsumleitung oder Stau pauschal das Tanken nicht unter Versicherungsschutz zu stellen, hält der Senat mithin nicht für zielführend. Dies auch deshalb, da ein Konstruieren von Versicherungsschutz durch Abwarten, bis die Reserveleuchte leuchtet, wohl eher nicht zu befürchten ist.

Mithin handelt es sich bei dem Ereignis vom 14.09.2012 um einen Versicherungsfall. Da der Kläger bei dem Unfall ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten hat, liegt auch ein unfallbedingter Gesundheitserstschaden vor.

Nach alledem hat das SG auf die Klage des Klägers zu Recht das Ereignis vom 14.09.2012 als Arbeitsunfall festgestellt. Die Berufung der Beklagten war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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