Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 3699/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 U 3466/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der Gefahrentarif 2008 der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten ist, soweit er sich auf die Gefahrtarifstelle 1 mit dem Gewerbzweig "Bäckereien und Konditoreien" unter gleichzeitiger Auflösung der nach dem Gefahrtarif 2005 noch vorhandenen gesonderten Gefahrtarifstelle für den Vertrieb bezieht, nicht zu beanstanden.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 02. August 2012 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz.
Der Streitwert wird endgültig auf 41.905,41 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Veranlagung der Klägerin zum Gefahrtarif der Beklagten ab 01.01.2008 streitig.
Die Klägerin betreibt eine Bäckerei mit einem Produktionsbetrieb und 22 Verkaufsfilialen (Stand 2008; aktuell 23 Filialen, vgl. www.a.de), teilweise mit angeschlossenem Kaffee - und Bistro-Betrieb. Der Großteil der dort verkauften Produkte stammt aus der eigenen Produktion, in geringem Umfang werden Teiglinge auch vor Ort gebacken. Insgesamt waren im Jahr 2008 180 Mitarbeiter beschäftigt, davon 35 in der Produktion, 120 in den Filialen einschließlich der Bistros und Kaffees (Vertrieb); zehn Mitarbeiter waren im Büro und zehn weitere Mitarbeiter als Ausfahrer tätig. Von der im Jahr 2008 aufgewandten Gesamtlohnsumme von 2,8 Millionen Euro entfielen auf die Produktion 0,9 Millionen Euro, auf den Bereich Vertrieb 1,6 Millionen Euro und auf den Bürobereich 0,3 Millionen Euro.
Vom 01.01.1999 bis 31.12.2007 waren die Bereiche Büro, Produktion und Vertrieb zu getrennten Gefahrtarifstellen veranlagt. Auf Grundlage des Gefahrtarifs 2005 war der Gewerbezweig "Bäckereien/Konditoreien" zur Gefahrtarifstelle 1 unter die Gewerbegruppe 11 "Herstellung von Back- und Konditoreiwaren, soweit nicht in Gefahrtarifstelle 2 genannt; Herstellung von Grundteigen, Teiglingen und Hefeklößen" zur Gefahrklasse 6,0, der Vertrieb zur Gefahrtarifstelle 19 (Gefahrklasse 3,0), das Büro zur Gefahrtarifstelle 18 (Gefahrklasse 0,8) veranlagt (Bescheid vom 07.12.2005). Mit Beitragsbescheid vom 04.04.2007 wurde für das Jahr 2007 ein Beitrag von 39.232,79 Euro erhoben (Bruttobeitrag von 41.737,01 Euro abzgl. Beitragsnachlass von 2.504,22 Euro).
Mit Wirkung zum 01.01.2008 verabschiedete die Beklagte in der Vertreterversammlung vom 28.06.2007 den hier streiterheblichen neuen Gefahrtarif. Dieser sah jetzt keine getrennte Veranlagung für den Vertrieb mehr vor. Lediglich der Bürobereich erhielt weiterhin eine eigene Gefahrtarifstelle (jetzt 19) mit der Gefahrklasse 0,5. Im Übrigen wurde der Gewerbezweig "Bäckereien/Konditoreien" der Gefahrtarifstelle 1 unter die Gewerbegruppe 11 "Herstellung von Back- und Konditoreiwaren, soweit nicht in Gefahrtarifstelle 2 genannt; Herstellung von Grundteigen, Teiglingen und Hefeklößen" mit der Gefahrklasse 5,2 zugeordnet.
Nach Maßgabe dieses Gefahrtarifes veranlagte die Beklagte die Klägerin - bis auf den Bürobereich - zur Gefahrtarifstelle 1 mit der Gefahrklasse 5,2; den Bürobereich wies sie der Gefahrtarifstelle 19, Gefahrklasse 0,5 zu (Bescheid vom 22.03.2008).
Der auf der neuen Veranlagung basierende Beitragsbescheid vom 03.04.2009 setzte den Beitrag für das Jahr 2008 nach einer Schätzung gemäß § 165 Abs. 3 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) in Höhe von 58.601,18 Euro (Bruttobeitrag von 61.685,45 Euro abzgl. Beitragsnachlasses von 3.084,27 Euro) fest.
Die Klägerin erhob gegen den Veranlagungsbescheid Widerspruch und wandte sich gegen die Veranlagung ihres Vertriebsbereiches zur Gefahrklasse 5,2. Zur Begründung verwies sie darauf, der Gefahrtarif 2008 sei nicht wirksam zustande gekommen. Dieser Gefahrtarif sei in zwei Sitzungen des Gefahrtarifausschusses, und zwar am 01.03. und 16.05.2007, entwickelt worden. In diesen Sitzungen sei es vor allem darum gegangen, im Vorgriff auf eine vermutete Gesetzesänderung - die Unternehmer sollten künftig nicht mehr Pflichtmitglieder sein - den Gefahrtarif zu ändern. In diesem Zusammenhang sei seitens der Verwaltung dann auch die Zusammenlegung der Gefahrtarifstellen Vertrieb und Produktion ins Spiel gebracht worden, ohne dass für die Teilnehmer allerdings irgendein zwingender Grund hierfür erkennbar gewesen sei. Verabschiedet worden sei der Gefahrtarif in der Vertreterversammlung am 28.06.2007. In dieser Sitzung seien zwei Anträge dahingehend gestellt worden, die Änderung des Gefahrtarifes, was das Bäckerhandwerk anbelange, von der Tagesordnung zu nehmen. Diese Anträge seien u.a. damit begründet worden, dass das bisher vorliegende Zahlenwerk nicht nachvollziehbar sei und die mit der Errichtung einer einheitlichen Gefahrklasse für Produktion und Vertrieb verbundene Beitragserhöhung nicht rechtfertige. Gleichwohl sei der Gefahrtarif mehrheitlich verabschiedet worden. Dieses Vorgehen verstoße jedoch gegen die Geschäftsordnung für die Vertreterversammlung der Beklagten (dort § 12 Abs. 3), da vor einer inhaltlichen Abstimmung zunächst über die Anträge zur Geschäftsordnung hätte entschieden werden müssen. Unabhängig hiervon sei auch in der Vertreterversammlung bestätigt worden, dass das Zahlenwerk den Vertretern selbst nicht direkt zugeleitet worden sei. Den Vertretern hätte zur Abstimmung lediglich der Entwurf eines neuen Gefahrtarifes vorgelegen, das Zahlenwerk, welches der Berechnung der Gefahrklasse 5,2 in der Gefahrtarifstelle 1 zu Grunde gelegen habe, hätten sie hingegen nicht würdigen können. Dieses Zahlenwerk habe ausschließlich im Internet im Ehrenamtsportal der Beklagten zur Verfügung gestanden. Darauf habe der zuständige Leiter der Beitragsabteilung in der Vertreterversammlung hingewiesen. Mit diesem Hinweis sei aber die für die Abstimmung erforderliche Transparenz nicht gewährleistet gewesen, zumal die Ehrenamtsträger einer Information ausschließlich über das Internet nicht zugestimmt hätten. Der Gefahrtarif sei formell rechtswidrig und damit unwirksam, jedenfalls was die Gefahrtarifstelle 1 anbelange. Auch das Zahlenwerk für die vorgeschlagenen Alternativen - u.a. diejenige der Beibehaltung der bisherigen Veranlagung - habe den Mitgliedern der Vertreterversammlung nicht vorgelegen. Die Berechnungen seien daher insgesamt nicht nachvollziehbar, zumal bei einer Zusammenführung der früheren Gefahrklassen 6,0 für die Produktion und 3,0 für den Vertrieb wegen der geringen Risiken und der deutlich höheren Lohnsummen im Vertrieb rechnerisch eine deutlich geringere Gefahrklasse als 5,2 hätte errechnet werden müssen. Ein Gefahrtarif, der auf einem nicht nachvollziehbaren Rechenwerk fuße, sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) rechtswidrig. Auch sei insgesamt kein Grund für die Zusammenlegung von Produktion und Vertrieb bei der Veranlagung ersichtlich, abgesehen von der Vereinfachung für die Verwaltung, die eine Zusammenlegung allein jedoch nicht rechtfertige. Selbst wenn der Gefahrtarif als wirksam erachtet würde, sei die Veranlagung fehlerhaft, da es sich bei dem Vertrieb im Verhältnis zur Produktion um ein "fremdartiges Nebenunternehmen" nach Teil II Nr. 3.2 des Gefahrtarifes handele. Für jene Unternehmen werde nach dieser Bestimmung keine Gefahrklasse festgestellt, sondern der Beitrag werde in Höhe des bei der anderen Berufsgenossenschaft - hier der Berufsgenossenschaft Handel- und Warendistribution (BGHW) - im Jahr vor der Umlage zu entrichten gewesenen Beitrages berechnet.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30.09.2009 zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Gefahrtarif 2008 sei am 28.06.2007 nach ausführlicher Diskussion durch die Vertreterversammlung und eingehenden Beratungen des Gefahrtarifausschusses beschlossen worden. Den Mitgliedern des Gefahrtarifausschusses hätten die Berechnungsgrundlagen des Gefahrtarifes 2008 in aller Breite zur Verfügung gestanden. Ferner hätten alle Mitglieder von Vorstand und Vertreterversammlung über das Ehrenamtsportal im Internet Zugriff auf die Unterlagen gehabt, die dem Gefahrtarifausschuss auch in Papierform zur Verfügung gestanden hätten. In den genannten Gremien wirkten auch Vertreter des Gewerbezweiges mit, dem die Klägerin angehöre. Fehler beim Zustandekommen des Gefahrtarifes, insbesondere ein Verstoß gegen ihre Geschäftsordnung oder ihre Satzung, seien nicht zu erkennen. Bei der Berechnung des Gefahrtarifes, insbesondere bei der Berechnung der für die Klägerin einschlägigen Gefahrklasse, seien keine Fehler festzustellen. Sie sei entsprechend § 157 Abs. 3 SGB VII aus dem Verhältnis der im Beobachtungszeitraum 2002 bis 2006 gezahlten Entschädigungsleistungen zu den Arbeitsentgelten des gleichen Zeitraumes für den gesamten Gewerbezweig der Bäckereien/Konditoreien exakt berechnet worden. Dabei seien die Entschädigungsleistungen und Arbeitsentgelte des Bürobereiches unberücksichtigt geblieben, da dieser nach wie vor unter einer gesonderten Gefahrtarifstelle geführt werde. Eine gesetzliche Vorgabe zur Beibehaltung der in der Zeit vom 01.01.1999 bis 01.01.2005 geltenden Gefahrtarife gegebenen Möglichkeiten der gesonderten Veranlagung des Hilfsunternehmens "Vertrieb" bestehe nicht. Die Vertreterversammlung sei daher nicht darin gehindert gewesen, die Möglichkeit der gesonderten Veranlagung des Vertriebes im Gefahrtarif 2008 wegen der damit verbundenen Probleme nicht mehr vorzusehen und insoweit zu der bis zum 31.12.1998 gültigen Regelung zurückzukehren. Weiterführend heißt es in dem Widerspruchsbescheid, die Veranlagung eines Unternehmens zu den Gefahrklassen werde nach Teil II Nr.1 des Gefahrtarifes 2008 durch seine Zugehörigkeit zu einem Gewerbezweig bestimmt. Diese Zugehörigkeit richte sich nach der Art des im Unternehmen überwiegend hergestellten Erzeugnisses (Hauptunternehmen/Unternehmensschwerpunkt); dies gelte auch für Unternehmen, in denen nur Teilfertigungsprozesse erfolgten. Bei nicht produzierenden Unternehmen richte sich der Unternehmensschwerpunkt nach Art und Gegenstand des Unternehmens. Beim Unternehmen der Klägerin handele es sich im Schwerpunkt um eine Bäckerei/Konditorei, die ihre selbst hergestellten Produkte überwiegend in eigenen Verkaufsfilialen vertreibe. Daneben würden in den einzelnen Verkaufsfilialen mehr oder weniger ausgeprägt gastronomische Dienstleistungen angeboten, die jedoch in keinem Fall den Schwerpunkt der unternehmerischen Tätigkeit darstellten. Hilfsunternehmen dienten überwiegend den Zwecken anderer Unternehmensteile (Haupt-, Nebenunternehmen). Sie würden bei der Feststellung des Unternehmensschwerpunktes den Unternehmensteilen zugerechnet, denen sie dienten. Jedes Produktionsunternehmen sei darauf ausgerichtet, durch den Verkauf seiner Produkte am Markt Gewinne zu erzielen. Der Vertrieb der in einem Produktionsunternehmen hergestellten Waren diene somit unmittelbar ausschließlich bzw. überwiegend den Zwecken der Produktion und bilde daher ein klassisches Hilfsunternehmen zur Produktion. Als solches sei er nach Teil II Nr. 4 des Gefahrtarifs 2008 zu veranlagen. Produktion und Vertrieb bedingten einander; weder könne die Produktion ohne den Absatz der Waren existieren, noch könne der Vertrieb ohne die Produktion bestehen. Der Vertrieb selbst hergestellter Waren bilde kein Nebenunternehmen im unfallversicherungsrechtlichen Sinn, da er nicht überwiegend eigene Zwecke verfolge (§ 131 Abs. 2 SGB VII; Teil II Nr. 3 des Gefahrtarifs 2008). Eine Veranlagung als fremdartiges Nebenunternehmen im Sinne von Teil II Nr. 3.2 könne daher nicht erfolgen.
Die Klägerin hat mit ihrer am 30.10.2009 zum Sozialgericht (SG) Mannheim erhobenen Klage ihr Vorbringen vertieft und weiterführend geltend gemacht, offensichtlich seien in die Gefahrtarifstelle für Bäckereien/Konditoreien mit Wirkung zum 01.08.2008 Lasten eingegangen, die zuvor nicht vom Bäckerhandwerk, sei es in Produktion oder im Vertrieb, zu tragen gewesen seien. Dies zeige die Zusammenlegung der Gefahrklassen 6,0 und 3,0 zu 5,2, zumal die Lohnsummen im Bereich Vertrieb deutlich höher seien als im Bereich Produktion. Die hohen Lohnsummen im Bereich Vertrieb gingen mit eher niedrigen Unfalllasten einher (kein Bäckerasthma), so dass bei der Zusammenlegung dieser beiden Gefahrtarifstellen mit Wirkung zum 01.01.2008 die Gefahrklasse deutlich unter 5,2 hätte liegen müssen. Zu berücksichtigen sei, dass sich die Situation im Bäckerhandwerk grundlegend geändert habe. Die Produktion werde immer mehr konzentriert auf einzelne, hoch moderne und automatisierte Betriebe. Die Zahl der Personen, die handwerklich in der Bäckereiproduktion tätig seien, nehme rapide ab. Demgegenüber stehe ein immer größer werdender, auch betriebswirtschaftlich zu trennender Bereich des Vertriebs. Reine Verkaufsläden, die über keine eigene Produktion verfügten, sondern ihre Ware anderweitig bezögen, fielen in die Zuständigkeit der BGHW und würden dort mit einer Gefahrklasse von 2,5 und damit weit unterhalb der Gefahrklasse 5,2 veranlagt. Diese Verkaufsläden, in denen zum Teil auch Waren aufgebacken würden, entsprächen ihrer Tätigkeit nach aber vollständig den Verkaufsfilialen der Klägerin. Tatsächlich gebe es extra ausgegliederte Einzelhandels- und Franchiseunternehmen von Bäckereien, die von dem wesentlich günstigeren Gefahrtarif bei der BGHW Gebrauch machten, obwohl tatsächlich dort keine anderen Arbeitsläufe stattfänden, als in den direkt angegliederten Verkaufsfilialen etwa der Klägerin. Die Einordnung der Verkaufsstellen zu unterschiedlichen Berufsgenossenschaften sei aber nur solange im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) zu rechtfertigen, als die damit verbundene finanzielle Belastung nahezu identisch sei. Hier liege eine willkürliche Belastung der Klägerin und damit ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor.
Die Beklagte ist der Klage auch unter Bezugnahme ihres Schriftsatzes in einem Parallelverfahren vor dem SG Darmstadt (S 12 U 77/09) entgegengetreten und hat geltend gemacht, sie habe nie bestritten, dass es durch die Gestaltung des Gefahrtarifes 2008 zu Beitragsmehrbelastungen des Bäckerei- und Konditoreigewerbes komme. Außerdem sei die getrennte Veranlagung von Produktion und Vertrieb nicht nur für den Gewerbezweig der Klägerin weggefallen, sondern für alle Gewerbezweige. Im weiteren Verfahrensgang ist von der Beklagten noch vorgetragen worden, bei der bis zum 31.12.2007 geltenden getrennten Veranlagung von Produktion und Vertrieb sei das Bäckerei-/Konditoreigewerbe - und somit auch die Klägerin - neben anderen Gewerbezweigen dadurch privilegiert gewesen, dass die geringen Unfallzahlen im Bereich des Vertriebes sowohl bei der Gefahrklasse für den Vertrieb als auch bei derjenigen für die Produktion berücksichtigt worden seien. Dies sei insbesondere vor dem Hintergrund erfolgt, dass aus räumlichen und organisatorischen Gründen nicht alle Unternehmen in den Genuss der niedrigeren Vertriebsveranlagung gekommen wären. Die Entgelte jenes Bereiches seien dann zur "Produktionsgefahrklasse" zu melden gewesen. Die Beitragssteigerung in der Gefahrtarifstelle 1 sei allein auf diese geänderte Gestaltung des Gefahrtarifes 2008 zurückzuführen, weil jetzt keine Doppelberücksichtigung der günstigen Vertriebsbereiche mehr erfolge. Dies sei der Klägerseite auch durchaus bewusst und bekannt gewesen. Sofern eine gesonderte Veranlagung des Vertriebsbereiches neben dem Bürobereich unter Verzicht der oben erwähnten Doppelberücksichtigung erfolgen würde, könne die Klägerin evtl. eine Beitragseinsparung erzielen. Allerdings würde dies nicht zu Beitragseinsparungen für den Gewerbezweig insgesamt führen. In dem Maße, in dem sich die Gefahrklasse für den dann gesondert zu veranlagenden Vertriebsbereich auf 2,4 verringern würde, müsste die Gefahrklasse für die übrigen Unternehmensbereiche (ohne Bürobereich) - "zentrale Gefahrklasse" - auf 9,3 steigen. Es würde sich lediglich eine Verschiebung der Beitragslasten innerhalb des Gewerbezweiges ergeben. Die Unternehmen mit einem hohen Anteil von Entgelten im Vertriebsbereich würden entlastet. Die Unternehmen mit geringen Vertriebsentgelten würden entsprechen stärker belastet.
Das SG Mannheim hat mit Urteil vom 02.08.2012 die streitbefangenen Bescheide aufgehoben, soweit sie den Vertrieb von Lebensmitteln und den Betrieb von Kaffees bzw. Bistros betreffen. Diese seien rechtswidrig, da die Beklagte zu Unrecht die Unternehmensbereiche des Vertriebes von Lebensmitteln und des Betriebes von Kaffees bzw. Bistros zur Gefahrtarifstelle 1 mit der Gefahrklasse 5,2 ihres Gefahrtarifes 2008 veranlagt haben. Die Gefahrtarifstelle 1, Gewerbegruppe 11 (Gewerbezweige Konditoreien/Bäckereien) setze die Herstellung von Back- und Konditoreiwaren voraus. Die "Herstellung" von Back- und Konditoreiwaren stelle eine tätigkeitsbezogene Konkretisierung der Gefahrtarifstelle 1 dar. Der Vertrieb von Backwaren lasse sich nicht unmittelbar unter die genannte Tarifstelle einordnen, da es sich bei der in Rede stehenden Vertriebstätigkeit nicht um die Herstellung handele. Eine unmittelbare Zuordnung des Vertriebes zur Produktion sei daher nicht möglich. Auch nach Teil II Nr. 1 des Gefahrtarifes der Beklagten sei eine Veranlagung zur Gefahrtarifstelle 1 nicht möglich. Denn dies setze voraus, dass der produzierende Unternehmensbereich den Unternehmensschwerpunkt bilde. Der Unternehmensschwerpunkt der Klägerin sei nicht die Produktion, sondern der Vertrieb. Denn im Bereich Vertrieb seien 120 Arbeitnehmer beschäftigt, während es in der Produktion nur 35 Arbeitnehmer seien. Ferner liege der Anteil der Arbeitsentgelte im Vertriebs-, Kaffee- und Bistrobereich mit rund 1,6 Millionen Euro deutlich über demjenigen der Produktion mit rund 0,9 Millionen Euro.
Die Beklagte hat am 13.08.2012 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Die begriffliche Auslegung des SG Mannheim über den Unternehmensschwerpunkt stehe im Widerspruch zu den von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen zur Bestimmung des Unternehmensschwerpunktes. Bei dem klägerischen Betrieb sei von einem Gesamtunternehmen auszugehen. Ein solches liege vor, wenn zwischen den einzelnen Teilunternehmen (Hauptunternehmen, Nebenunternehmen, Hilfsunternehmen) ein personeller, wirtschaftlicher und betriebstechnischer Zusammenhang bestehe. Für ein verschiedenartige Bestandteile umfassendes Unternehmen sei die Berufsgenossenschaft zuständig, der das Hauptunternehmen angehöre. Hauptunternehmen sei das Unternehmen, das im Gesamtunternehmen hervortrete. Das Hauptunternehmen gebe ihm sein besonderes Gepräge und sei maßgeblich für seine sozialversicherungsrechtliche Stellung. Die Klägerin, deren Unternehmen seit 1765 existiere und als traditionsreichste Bäckerei der Stadt B. in der Öffentlichkeit auftrete (so ihr Internetauftritt), definiere sich eindeutig als Bäckerei, die ihre Produkte in ihren Filialen verkaufe. Ein Handel mit fremdbezogener Ware finde - wenn überhaupt - nur in geringem Umfang statt. Auch wenn das Unternehmen sein Filialnetz ausgebaut habe, diene dieses in erster Linie dazu, die zuvor produzierten Back- und Konditoreiwaren zu verkaufen. Damit sei das Unternehmen der Klägerin im Schwerpunkt nicht als Einzelhandelsunternehmen sondern als Bäckerei/Konditorei zu bewerten. Grundsätzlich umfassten die in Teil I des Gefahrtarifes festgesetzten Gefahrklassen alle Tätigkeiten für ein Unternehmen, also auch Hilfstätigkeiten und Hilfsunternehmen. Daher sei der Vertrieb entgegen der Auffassung des SG Mannheim ebenfalls zu der Gefahrtarifstelle 1 Gefahrklasse 5,2 zu veranlagen, auch wenn er nicht explizit als solcher genannt sei. Zudem könne eine konkrete Aussage dazu, wie das Unternehmen der Klägerin richtigerweise zu veranlagen wäre, der Urteilsbegründung des SG nicht entnommen werden. Folge man der Auffassung in der Urteilsbegründung, dass der Vertrieb das Hauptunternehmen darstelle, wäre die Beklagte für das Unternehmen nicht zuständig. Das Unternehmen wäre vielmehr an die BGHW zu überweisen. Der Unternehmensbereich der Produktion würde nach den obigen Ausführungen konsequenter Weise als Hilfsunternehmen ebenfalls bei der BGHW zu versichern sein. Da ein Hilfsunternehmen so zu veranlagen sei wie das Hauptunternehmen, wäre der Gesamtbereich der Produktion zu der Gefahrklasse des Vertriebes zu veranlagen. Dadurch seien die durch die Produktion hervorgerufenen Unfalllasten der Bäcker und Konditoren jedoch nicht annähernd gedeckt. Entgegen der Rechtsansicht der Klägerin sei der Gefahrtarif 2008 in der Vertreterversammlung am 28.06.2007 wirksam beschlossen worden. Hierzu verweist die Beklagte auf das Urteil des SG Schwerin vom 31.05.2012 in einem Parallelverfahren (S 5 U 63/09). Ferner hat sie eine Dokumentation über den Informationsverlauf vorgelegt. Die Vertreterversammlung habe in ihrer Sitzung am 28.06.2007 mehrheitlich - 32 Ja-Stimmen zu 9 Nein-Stimmen - gegen die Aufrechterhaltung einer gesonderten Gefahrtarifstelle für den Vertrieb gestimmt. Die Gegenstimmen hätten überwiegend von Vertretern des Bäckerhandwerkes gestammt, die sich über die negativen Konsequenzen im Hinblick auf Beitragserhöhungen bewusst gewesen seien. Soweit die Klägerseite geltend mache, die Vertreterversammlung habe in Unkenntnis der Umstände entschieden und habe nicht gewusst, worüber sie entscheide, sei dies nicht zutreffend. Aus den vorgelegten Unterlagen ergebe sich, dass den Mitgliedern der Vertreterversammlung jeweils der Bericht über die außerordentlichen Sitzungen des Gefahrtarifausschusses (01.03.2007 und 16.05.2007) sowie die Beschlussempfehlung für den neuen Gefahrtarif ab 01.01.2008 zur Kenntnis gebracht worden seien. Der Gefahrtarifausschuss habe am 16.05.2007 auf Grundlage der relevanten Zahlen für den Gefahrtarif 2008 aus den Jahren 2002 bis 2006 beraten. In einer Probeberechnung sei die Steigerung für das Backgewerbe von + 18,6 % ausgewiesen. Diese und weitere Unterlagen seien dem Ausschuss als Vorbemerkung zugegangen. Die Unterlagen hätten allen Mitgliedern des Ehrenamtes - also auch der Vertreterversammlung, die über Gefahrtarife beschließe - im geschlossenen Ehrenamtsportal ihres (der Beklagten) Internetauftrittes zur Einsicht und zum Herunterladen als Pdf-Datei zur Verfügung gestanden. Ferner seien dem seinerzeitigen Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerkes e.V. (ZDB), Dr. Groebel, auf dessen Bitte sämtliche vorbereitenden Unterlagen für den Gefahrtarifausschuss am 16.05.2007 zur Verfügung gestellt worden. Darin seien auch alle im Ausschuss diskutierten Tarifalternativen mit Probeumlagen enthalten gewesen, u.a. auch die letztlich beschlossene Variante mit der Beitragssteigerung von 18,6 %. Darüber hinaus seien in einem Verbändegespräch der Hauptgeschäftsführung mit Vertretern des ZDB und des Deutschen Konditorenbundes am 15.06.2007 die Beitragsauswirkungen ebenfalls besprochen worden. Die entscheidende Probeumlageberechnung sei Gegenstand einer Power-Point-Präsentation gewesen. Die Probeumlagen, die Vergleichsbetrachtungen sowie das Votum der Schiedsstelle im Schiedsstellenverfahren der Klägerin gegen die BGHW vom 06.10.2008 sind zur Akte gereicht worden (Bl. 84-87, 77-80, 126 ff. der Senatsakten). In dem Votum hat die Schiedsstelle zu der dort erheblichen Streitfrage, welcher der beiden Unfallversicherungsträger für Verkaufsstellen von Backwaren zuständig ist, ausgeführt, dass für rechtlich unselbständige Verkaufsstellen von Backwaren, die ein Nebenunternehmen oder ein Hilfsunternehmen einer Bäckerei darstellten, die Klägerin zuständig sei. Hingegen sei für rechtlich selbständige Verkaufsstellen von Backwaren (Handelsunternehmen) grundsätzlich die BGHW zuständig.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 02. August 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie vertritt weiterhin die Ansicht, ihr Unternehmensschwerpunkt liege im Vertrieb von Backwaren, was nach dem Wortlaut nicht als Herstellung von Backwaren anzusehen sei. Die Auslegung nach dem Wortlaut werde durch die Entstehungsgeschichte des Gefahrtarifes bestätigt. So sei in den Gefahrtarifen der Jahre 1993, 1994 in der Gefahrtarifstelle 1 nicht die heutige Formulierung "Herstellung von Back- und Konditoreiwaren" gewählt worden, sondern der weitere Begriff "Backgewerbe". Der Gefahrtarif 1995 habe dann unter dem Begriff "Backgewerbe" die Einschränkung "nur Produktion" enthalten. Der Gefahrtarif 2005 habe sodann in Gefahrtarifstelle 1 die heutige Formulierung "Herstellung von Back- und Konditoreiwaren" und in Gefahrtarifstelle 19 die Formulierung "Vertrieb von Lebensmitteln" enthalten. Die Beklagte habe bei Einführung des Gefahrtarifes 2008 den Text der Gefahrtarifstelle 1 nicht geändert; sie habe jedoch in Gefahrtarifstelle 19 die Formulierung "Vertrieb von Lebensmitteln" gestrichen. Die Tatsache, dass vor dem 01.01.2008 der Gefahrtarif für den Vertrieb sogar eine eigene Gefahrtarifstelle gehabt habe, zeige, dass der Vertrieb nicht als Herstellung anzusehen sei. Selbst wenn - was die Beklagte behaupte - die Produktion von Backwaren der Klägerin ihr Gepräge gebe und deshalb die Zuständigkeit der Beklagten gegeben sei, bedeute dies noch lange nicht, dass der Vertrieb dem Gewerbezweig der Gefahrtarifstelle 1 zuzuordnen sei. Dies sei offensichtlich nicht der Fall, da der Vertrieb dort überhaupt nicht genannt und nach den eigenen Einlassungen der Beklagten mit Wirkung zum 01.01.2008 ersatzlos weggefallen sei. Der Vertrieb sei sodann nach Teil II Nr. 3.2 des Gefahrtarifes 2008 so zu veranlagen, wie dies bei der BGHW geschehe. Ferner sei die Behauptung der Beklagten, ohne die Herstellung der Backwaren wäre ein Handel bzw. Vertrieb gar nicht existent, unzutreffend. Es wäre der Klägerin ohne weiteres möglich, den unternehmenseigenen Backbetrieb zu schließen, die eigene Herstellung von Backwaren damit vollständig zu beenden und im Vertrieb ausschließlich und nur noch Backwaren zu verkaufen, die von anderen Bäckereien oder industriellen Backbetrieben hergestellt und zugekauft würden. Die Klägerin bekräftigt weiterhin ihren Vortrag, der Beschluss der Vertreterversammlung vom 28.06.2007 sei rechtswidrig und legt ergänzend das Protokoll über die mündliche Verhandlung vor dem SG Darmstadt vom 24.05.2012 sowie das dem dortigen klägerischen Begehren stattgebende Urteil gleichen Datums vor (S 12 U 77/09); auf deren Inhalt wird Bezug genommen.
Auf Anforderung des Senats hat die Beklagte die Anschreiben an die Mitglieder des Vorstandes und der Vertreterversammlung vom 16.03.2007 und vom 30.05.2007 vorgelegt, mit denen diese die ebenfalls zu den Gerichtsakten gereichten Niederschriften über die Sitzung des Gefahrtarifausschusses vom 01.03.2007 und vom 16.05.2007 nebst Anlagen erhalten haben. Im Protokoll vom 16.05.2007 heißt es, es sei darüber zu befinden, ob an dem Gefahrtarifkonstrukt mit einer Unternehmensbereichsveranlagung nach "Produktion", "Büro" und "Vertrieb", das seit 1999 in Kraft gesetzt und mit geringen Modifikationen ab 2005 erneut festgeschrieben worden sei, festgehalten werden solle. Alternativ dazu sei diskutiert worden, als gesondert veranlagten Hilfsunternehmensbereich nur noch das "Büro" zuzulassen. Die Beitragslasten würden sich je nach Tarifmodell verändern. Während alle Gewerbegruppen in den Genuss der Büroveranlagung kommen könnten, stehe eine Vertriebsveranlagung nicht für alle Branchen zur Verfügung. Das Bundesversicherungsamt habe beide Gefahrtarifalternativen geprüft und für grundsätzlich rechtlich zulässig erklärt. Weiterhin sind im Protokoll vom 16.05.2007 Meinungsäußerungen verschiedener Mitglieder festgehalten worden. So hat u.a. das Mitglied C. an den Ausschuss appelliert, keine Abkehr vom bisher geltenden Tarif vorzunehmen und vorgetragen, für die Gewerbegruppe der Bäckereien und Konditoreien mit rund 17.000 Betrieben bedeute dies eine um ca. 17 Millionen Euro höhere Zahllast pro Jahr. Die Mehrbelastung pro Betrieb sei nicht hinnehmbar und auch schwer verkraftbar.
Die Klägerin hat hierauf entgegnet, bei den mit dem Anschreiben an die Mitglieder der Vertreterversammlung vom 16.03.2007 übersandten Anlagen handele es sich nicht um die Probeumlageberechnungen; beigefügt gewesen seien die Vergleichsbetrachtungen. Dies belege, dass die Vertreterversammlung nicht über das Zahlenwerk informiert gewesen sei, zumal die Vergleichsbetrachtungen eine Gefahrklasse von 5,1 und nicht - wie letztendlich beschlossen - von 5,2 auswiesen.
Die Berichterstatterin hat am 23.07.2014 einen Erörterungstermin durchgeführt und die Beteiligten angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf die Sitzungsniederschrift vom gleichen Tag Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung der Beklagten ist gem. §§ 143, 144 SGG zulässig und führt auch inhaltlich für diese zum Erfolg.
Streitgegenstand ist der Veranlagungsbescheid der Beklagten vom 22.03.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.09.2009. Die hierauf fußenden Beitragsbescheide (so z.B. der Bescheid vom 03.04.2009) sind nicht Gegenstand des Widerspruchsverfahrens nach § 86 SGG oder des Klage- bzw. Berufungsverfahrens nach § 96 SGG geworden, da sie den Veranlagungsbescheid weder ersetzen noch abändern (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U/03 R, juris).
Die gegen den Veranlagungsbescheid vom 22.03.2008 (Widerspruchsbescheid vom 30.09.2009) gerichtete Klage ist zulässig, entgegen der Ansicht des SG jedoch unbegründet. Die in diesem Bescheid vorgenommene Einstufung der Klägerin in die Tarifstelle 1 des Gefahrtarifes der Beklagten hält der rechtlichen Überprüfung stand.
1. Die Beklagte ist aufgrund ihres bindenden Bescheides vom 19.04.1996 über die Aufnahme der Klägerin in ihr Unternehmerverzeichnis der zuständige Unfallversicherungsträger für die Klägerin (vgl. BSG, Urteil vom 24.06.2003, B 2 U 21/02 R, juris Rn. 18).
2. Rechtsgrundlage für den Veranlagungsbescheid ist § 159 Abs. 1 Satz 1 SGB VII, wonach der Unfallversicherungsträger die Unternehmen für die Tarifzeit nach dem Gefahrtarif zu den Gefahrklassen veranlagt.
a) Der Veranlagungsbescheid der Beklagten ist formell rechtmäßig. Insbesondere ist nach der Rechtsprechung des BSG vor Erlass eines neuen Veranlagungsbescheides, der auf der Grundlage eines neuen Gefahrtarifes ergeht, keine Anhörung nach § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) erforderlich, weil mit dem neuen Gefahrtarif die aufgrund des vorherigen Gefahrtarifes eingeräumten Rechte oder Rechtspositionen, ähnlich wie bei einer Gesetzesänderung enden (BSG, Urteil vom 06.05.2003, B 2 U 7/02 R, juris Rn. 22). Insoweit steht dem Erlass des angefochtenen Veranlagungsbescheides auch nicht die Bestandskraft des Veranlagungsbescheides vom 03.12.2005 entgegen.
b) Der Veranlagungsbescheid ist auch materiell rechtmäßig. Die Beklagte durfte diesem Bescheid die Regelung der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifes 2008 zugrunde legen, denn diese Satzungsregelung ist rechtmäßig. Die Rechtmäßigkeit des Gefahrtarifes ist eine - als Vorfrage inzident zu prüfende - Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Veranlagung zu einer konkreten Gefahrtarifstelle.
aa) Der Gefahrtarif ist formell rechtmäßig zustande gekommen.
Der Gefahrtarif 2008 der Beklagten wurde durch deren Vertreterversammlung beschlossen, durch das Bundesversicherungsamt als Aufsichtsbehörde genehmigt (§ 158 SGB VII) und anschließend öffentlich bekannt gemacht (§§ 33 Abs. 1 Satz 1, 34 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV)). Soweit die Klägerin unter Hinweis auf § 12 Abs. 4 der Geschäftsordnung der Vertreterversammlung der Beklagten rügt, vor einer inhaltlichen Abstimmung über den Gefahrtarif 2008 hätte zunächst über die Anträge zur Geschäftsordnung entschieden werden müssen, ist dies für das vorliegende Verfahren ohne rechtliche Bedeutung. Jedes Selbstverwaltungsorgan ist gemäß § 63 SGB IV verpflichtet, sich eine Geschäftsordnung zu geben. Sie wird also von jedem Organ selbst aufgestellt und trägt den Charakter einer selbst geschaffenen internen Regelung, die jedoch keine Außenwirkung hat (Peters, Kommentar zum SGB IV, § 63 Rn. 2; Palsherm in jurisPK-SGB IV, 2. Aufl., § 63 Rn. 14). Die Geschäftsordnung soll die grundlegenden, für einen geordneten Geschäftsgang (einschließlich der Sitzungen) notwendigen organisationsinternen Verfahrensregelungen treffen. Verstößt ein Beschluss des Organs gegen die Geschäftsordnung ist der Beschluss gleichwohl wirksam. Etwas anderes gilt nur soweit die Geschäftsordnung zwingende gesetzliche, d.h. in formellen Gesetzen und Rechtsverordnungen enthaltene Vorschriften wörtlich oder der Sache nach wiedergibt. Bei Nichteinhaltung der Geschäftsordnung kann dann ein Verstoß gegen Außenrecht gegeben sein. Dies scheidet hier jedoch aus. Die in § 10 Abs. 2 der Geschäftsordnung geregelte Behandlung von Anträgen, auch in Bezug auf ihre Reihenfolge, beruht nicht auf einer Wiedergabe einer gesetzlichen Vorschrift. In § 64 SGB IV, der Voraussetzung und Verfahren der Beschlussfassung in den Selbstverwaltungsorganen regelt, findet sich keine entsprechende Vorgabe.
Auch der Einwand der Klägerin, die Vertreter der Vertreterversammlung seien vor der Abstimmung nicht hinreichend über die Neufassung des Gefahrtarifes informiert worden, greift nicht durch. Dem Gefahrtarifausschuss lagen sämtliche Berechnungsgrundlagen vollständig vor, was von der Klägerin auch nicht bestritten wird. Auf dieser Grundlage hat der Gefahrtarifausschuss seiner in § 66 SGB IV niedergelegten Funktion entsprechend den neuen Gefahrtarif vorbereitet und für die Vertreterversammlung eine Beschlussempfehlung ausgesprochen. Dem von der Beklagten vorgelegten Anschreiben an die Mitglieder der Vertreterversammlung vom 16.03.2007 und 30.05.2007 ist zudem zu entnehmen, dass die Niederschriften über die Sitzung des Gefahrtarifausschusses vom 01.03.2007 und vom 16.05.2007 nebst Anlagen (Vergleichberechnungen) übersandt wurden. Dies hält der Senat für ausreichend, um dem aus dem Demokratieprinzip i.V.m. § 64 SGB IV folgenden Gebot einer nachvollziehbaren, transparenten Grundlage für Entscheidungen in Selbstverwaltungsorganen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 18.10.1994, 2 RU 6/94, juris) zu genügen. Ferner ist der Niederschrift über die Vertreterversammlung vom 28.06.2007 zu entnehmen, dass der Wegfall der Vertriebsgefahrklasse sehr kontrovers diskutiert wurde, so dass Anhaltspunkte für eine unzureichende Sachverhaltsdarstellung nicht vorhanden sind.
bb) Der Gefahrtarif 2008 ist auch materiell, soweit er sich auf die Gefahrtarifstelle 1 unter gleichzeitiger Auflösung der nach dem Gefahrtarif 2005 noch vorhandenen Gefahrtarifstelle für den Vertrieb bezieht, nicht zu beanstanden. Nicht Gegenstand der Prüfung ist die Rechtmäßigkeit der Bildung anderer als der hier streitigen Gefahrtarifstelle im Gefahrtarif 2008 der Beklagten, denen die Klägerin nicht zuzuordnen ist (BSG, Urteil vom 11.04.2013, B 2 U 4/12 R, juris Rn. 17).
(1) Die Vertreterversammlung des Unfallversicherungsträgers setzt gemäß § 157 Abs. 1 SGB VII als autonomes Recht einen Gefahrtarif fest, in dem zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen sind (§ 157 Abs. 1 Satz 1, 2 SGB VII). Der Gefahrtarif wird nach Gefahrtarifstellen gegliedert, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden (§ 157 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Gefahrengemeinschaften können hierbei durch einen gewerbezweigspezifischen oder einen nach Tätigkeiten gegliederten Gefahrtarif, in dem Tätigkeiten mit annähernd gleichen Risiken zusammengefasst werden, gebildet werden. Alle Tarifarten sind grundsätzlich zulässig, jedoch gebührt dem Gewerbezweigtarif der Vorrang, weil er am besten die gewerbetypischen Gefahren und damit das gemeinschaftliche Risiko erfasst. Ein solcher gewerbezweigorientierter Gefahrtarif basiert auf der Erkenntnis, dass technologisch artverwandte Unternehmen ähnliche Unfallrisiken aufweisen. Er findet damit seine Rechtfertigung in der Gleichartigkeit der Versicherungsfallrisiken und der Präventionserfordernisse in den Betrieben. Der Gewerbezweigtarif ist einfacher handhabbar und geringer fehleranfällig. Aber auch gemischte Tarife in diesem Sinne sind grundsätzlich zulässig (BSG, Urteil vom 24.06.2003, a.a.O., juris Rn. 23). Die Gefahrklassen werden aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet (§ 157 Abs. 3 SGB VII).
(2) Der Gefahrtarif ist unabhängig von der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde (§ 158 SGB VII) durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit überprüfbar, allerdings als autonom gesetztes objektives Recht nur dahingehend, ob er mit dem Gesetz, also mit dem SGB VII und mit sonstigem höherrangigem Recht vereinbar ist. Ähnlich wie dem Gesetzgeber ist den ihre Angelegenheiten selbst regelnden öffentlich-rechtlichen Körperschaften als Stellen der mittelbaren Staatsverwaltung, somit auch den Trägern der Sozialversicherung, ein nicht zu eng bemessener Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum eingeräumt, soweit sie innerhalb der ihnen erteilten gesetzlichen Ermächtigung Recht setzen. Die Prüfung, ob der Gefahrtarif die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Regelung trifft, ist nicht Aufgabe der Gerichte (BSG, Urteil vom 11.04.2013, a.a.O., juris Rn. 17).
(3) Die Beklagte hat in ihrem am 01.01.2008 in Kraft getretenen Gefahrtarif - wie bereits zuvor - als Anknüpfungspunkt für die Bildung von Gefahrtarifstellen die Gewerbezweige gewählt. So hat sie den hier im Streit stehenden Gewerbezweig "Bäckereien, Konditoreien" gebildet und zur Gewerbegruppe 11 "Herstellung von Back- und Konditoreiwaren, soweit nicht in Gefahrtarifstelle 2 genannt; Herstellung von Grundteigen, Teiglingen und Hefeklößen" zusammengefasst. Bei einem Gewerbezweiggefahrtarif wird nicht auf die konkreten Tätigkeiten der Beschäftigten, sondern auf die Art des Unternehmens/Gewerbes abgestellt. Innerhalb eines jeden Gewerbezweiges gibt es unterschiedliche Tätigkeiten und unterschiedliche Gefährdungsrisiken. Als Beispiel hat das BSG für den Gewerbezweig "Kreditinstitut" auf die Tätigkeit eines kaufmännischen Angestellten in der Revisionsabteilung mit einem Fahrer oder einem hauseigenen Wachmann hingewiesen (Urteil vom 24.06.2003, a.a.O., juris Rn. 28). Bereits in einer älteren Entscheidung hat das BSG ausgeführt, dass es unberücksichtigt bleiben muss, ob innerhalb eines zu einem bestimmten Gewerbe gehörenden Unternehmens nicht nur ausschließlich gewerbeverbundene Arbeitsplätze und daneben auch an sich dem jeweiligen Gewerbe fremde Arbeitsplätze, wie z.B. in einer Unternehmensverwaltung gibt. In solchen Fällen ist hinzunehmen, dass gewerbefremde Arbeitsplätze weniger gefährdend sind als solche, die dem Gewerbe unmittelbar zuzuordnen sind (BSG, Urteil vom 29.10.1981, 8/8a RU 34/80, bestätigt durch Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 04.03.1982, 1 BvR 34/82, juris). Diese Risikomischung auf der Ebene des jeweiligen Gewerbezweiges ist die Konsequenz eines Gewerbetarifes, also einer Entscheidung, die der Selbstverwaltung des Unfallversicherungsträgers vorbehalten ist (BSG, Urteil vom 24.06.2003, a.a.O., juris Rn. 28).
Wird im Allgemeinen der Gesamtbetrieb mit seiner durchschnittlichen gewerbetypischen Unfallgefahr zur einer Gefahrklasse veranlagt, können die gesetzlichen Unfallversicherungsträger aber abgrenzbare Teile aus Unternehmen desselben Gewerbezweiges zu einer besonderen Bewertung im Gefahrtarif zusammenfassen (BSG, Urteil vom 22.03.1983, 2 RU 27/81, juris Rn. 14). Unterliegen abgrenzbare Betriebsteile unterschiedlichen Unfallrisiken, wird auf diese Weise dem Gebot der Gefahrabstufung Rechnung getragen, weil innerhalb der Gewerbezweige diejenigen Unternehmen höher belastet werden, die einen größeren Anteil gefahrträchtiger Betriebsteile haben; gleichzeitig begünstigt eine derartige Regelung Betriebe mit hohem Anteil geringerer Risiken. Das BSG hat in seinem Urteil vom 22.03.1983 (a.a.O.) entschieden, dass es nicht zu beanstanden sei, wenn in einem nach Gewerbezweigen erstellten Gefahrtarif Verwaltungen, denen Produktionsstätten nicht unmittelbar angeschlossen sind, wegen einer darin bestehenden abweichenden Unfallgefahr aus dem Unternehmen herausgelöst und einer eigenen Bewertung im Gefahrtarif unterzogen werden. In diesem Sinne hat die Beklagte für den Unternehmensbereich Büro eine eigene Gefahrtarifstelle geschaffen. Das BSG hat dabei jedoch ausdrücklich betont, dass ein Anspruch auf Zuweisung abgrenzbarer Unternehmensteile zu einer besonderen Gefahrtarifstelle bzw. Gefahrklasse nicht besteht (so auch BSG, Urteil vom 29.10.1981, a.a.O., juris Rn. 26). Soweit der Gefahrtarif 2008 für den Bereich Vertrieb keine gesonderte Gefahrtarifstelle mehr ausweist, ist dies demnach nicht zu beanstanden, auch wenn Betriebe mit einem relativ größeren Vertriebsbereich dadurch belastet werden. Der Gesichtspunkt, dass in einer Gefahrengemeinschaft nur annähernd gleiche Gefährdungsrisiken nach § 157 Abs. 2 Satz 1 SGB VII zusammengefasst werden dürfen, kommt nur dann zum Tragen, wenn mehrere Gewerbezweige in einer Gefahrtarifstelle zusammengefasst werden (BSG, Urteil vom 24.06.2003, a.a.O., Rn. 28). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Streiterheblich war diese Fragestellung allerdings im Rahmen der Entscheidung des BSG vom 11.04.2013 (a.a.O.), als es darum ging, ob die bis 31.12.2004 im Gefahrtarif getrennt geführten Gewerbezweige Bäckereien einerseits und Konditoreien andererseits mit dem ab 01.01.2005 in Kraft getretenen Gefahrtarif 2005 zu einer gemeinsamen Gefahrtarifstelle zusammengeführt werden durften. Das BSG hatte diese Zusammenlegung der beiden Gewerbearten für rechtmäßig erachtet.
(4) Der Gewerbezweig "Bäckereien und Konditoreien" erfasst auch den Unternehmensbereich Vertrieb. Soweit das SG zu einer anderen Ansicht gelangt ist, stützt es sich auf die Formulierung der Gewerbegruppe 11. Zutreffend ist zwar, dass der Gefahrtarif 2008 - wie schon der Gefahrtarif 2005 - die Gewerbezweige "Bäckereien und Konditoreien" zur Gewerbegruppe 11 "Herstellung von Back- und Konditoreiwaren, soweit nicht in Gefahrtarifstelle 2 genannt; Herstellung von Grundteigen, Teiglingen und Hefeklößen" zusammengefasst und der Vertrieb hierbei nicht genannt ist. Ferner ist es zutreffend, dass der Begriff der "Herstellung" allein den Vertrieb nicht umfasst. Der Terminus "Gewerbegruppe" ist jedoch kein gesetzlich maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die rechtmäßige oder rechtswidrige Gliederung eines Gefahrtarifes (so BSG, Urteil vom 11.04.2013, a.a.O., juris Rn. 31), so dass bereits deshalb aus der Formulierung der Gewerbegruppe 11 keine rechtlichen Schlüsse gezogen werden können.
Auch unter Zugrundelegung des Wortlautes der Gewerbegruppe 11 gehört zur Tarifstelle 1 mit dem Gewerbezweig "Bäckereien und Konditoreien" der Vertrieb. Der Gefahrtarif ist angesichts seines Satzungscharakters wie jede andere Rechtsnorm nach den Grundsätzen der klassischen juristischen Methodenlehre auszulegen. Die Bedeutung der jeweiligen Tarifstelle ist daher ausgehend vom Wortlaut und systematischen Zusammenhang unter Berücksichtigung des Willens des Satzungsgebers sowie des Zweckes der Regelung zu ermitteln. Der Gewerbezweig "Bäckereien und Konditoreien" trennt nicht zwischen Produktion und Vertrieb. Zur Klärung, ob nur die Produktion oder auch der Vertrieb erfasst sein soll, ist auf den Willen des Satzungsgebers abzustellen. Der Richter darf sich einem vom Gesetz-/Satzungsgeber festgelegten Sinn und Zweck eines Gesetzes/einer Satzung nicht entziehen, sondern muss die Grundentscheidung des Normgebers respektieren und dessen Willen möglichst zuverlässig zur Geltung bringen (BVerfG, Beschluss vom 17.09.2013, 1 BvR 1928/12, juris Rn. 33). Die konkreten Normvorstellungen des Gesetzgebers sind aus der Entstehungsgeschichte, insbesondere den Materialien, die dem Gesetzesbeschluss zugrunde gelegen haben, ersichtlich (vgl. Larenz, Rechtstheorie, 6. Aufl. 1991, S. 330). Danach sind die von der Beklagten vorgelegten Tagungsunterlagen maßgeblich für die Ermittlung des Willens des Satzungsgebers. Sowohl die Unterlagen der Beklagten, als auch der Vortrag der Klägerin lassen ohne Zweifel darauf schließen, dass von der Gefahrtarifstelle 1 auch der Vertrieb erfasst sein soll. Das Gegenteil ließe sich weder mit den von der Beklagten erstellten verschiedenen Berechnungsmodellen noch mit dem, ausweislich der Niederschrift über die Sitzung der Vertreterversammlung am 28.06.2007 von den dem Bäckerei- und Konditoreihandwerk zugehörigen Vertretern geäußerten, Wunsch auf Beibehaltung der gesonderten Gefahrtarifstelle für den Vertrieb in Einklang bringen. Mit der Neufassung des Gefahrtarifes sollte nur noch für den Bürobereich eine gesonderte Gefahrtarifklasse bestehen bleiben, während die Gefahrtarifklasse für den Vertrieb aufgelöst werden sollte und zwar für sämtliche Gewerbezweige.
(5) Die streitige Regelung des Gefahrtarifes verletzt auch nicht den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Da die Regelungen des Gefahrtarifes nicht an persönliche Eigenschaften der Unternehmer anknüpfen, sondern an der Art des Unternehmensgegenstandes, sind die Gliederungen im Gefahrtarif der Beklagten nach Maßgabe des Art. 3 Abs. 1 GG nur daraufhin überprüfbar, ob der Satzungsgeber sich in den Grenzen einer zulässigen, den Bedürfnissen einer Massenverwaltung genügenden Typisierung gehalten hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 03.07.2007, 1 BvR 1696/03, juris).
Für die Bildung der Gefahrtarifstelle 1 unter gleichzeitiger Auflösung der im Gefahrtarif 2005 vorhanden gewesenen Gefahrtarifstelle für den Vertrieb sind sachfremde oder willkürliche Erwägungen nicht erkennbar. Die Beklagte ist bei einem nach Gewerbezweigen gegliederten Gefahrtarif berechtigt, aber nicht verpflichtet, für gewerbefremde Arbeitsplätze eine eigene Gefahrtarifstelle zu schaffen (vgl. hierzu die Ausführungen unter 2b)bb)).
(6) Auch die Berechnung der Gefahrklasse der Gefahrtarifstelle 1 ist nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat unter Berücksichtigung der "gezahlten Leistungen" (§ 157 Abs. 3 SGB VII) die jeweiligen Entschädigungsleistungen für Arbeitsunfälle, Wegeunfälle und Berufskrankheiten des Beobachtungszeitraumes, nämlich 2002 bis 2006, sowie die entsprechenden Lohnsummen ermittelt und hieraus die Belastungsziffer (Gefahrklasse) der Back- und Konditoreibetriebe mit 5,2 errechnet. Es ist weder etwas dafür konkret vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Beklagte unzureichendes und nicht nachvollziehbares Zahlenmaterial zugrunde gelegt bzw. zur Verfügung gestellt hat. Die Beklagte hat die vollständigen Genehmigungsunterlagen zum Gefahrtarif 2008 zur Akte gereicht. Es erschließt sich nicht, welches weitere Zahlenmaterial die Beklagte vorlegen sollte. Nur vorsorglich ist darauf hinzuweisen, dass bei der Gefahrtarifbildung bzw. der Gefahrklassenbildung nicht die Gefahrlast einzelner Unternehmen in einem bestimmten Beobachtungszeitraum maßgeblich ist. Im Übrigen werden unter Berücksichtigung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 103 SGG) grundsätzlich keine Ermittlungen auf bloße Behauptungen "ins Blaue hinein" geführt. Amtsermittlungen zur Prüfung der Plausibilität der vorgelegten Daten erfolgen in der Sozialgerichtsbarkeit nur dann, wenn nachvollziehbar dargelegt wird, warum die von der Beklagten vorgelegten Daten in einem Umfang unzutreffend sein könnten, der Auswirkungen auf die Bildung der Gefahrklasse haben könnte. Der Vortrag, die Zusammenlegung der Gefahrklassen 6,0 (Produktion) und 3,0 (Vertrieb) aus dem Gefahrtarif 2005 zu einer gemeinsamen Gefahrklasse müsse unterhalb der jetzt errichteten Gefahrklasse von 5,2 liegen, reicht nicht aus.
c) Die Zuweisung der Klägerin zum Gewerbezweig Bäckereien, Konditoreien zur Gefahrtarifstelle 1 ist ebenfalls rechtmäßig. Dies gilt auch für die von der Klägerin betriebenen Filialen, die kein Nebenunternehmen im Sinne von Teil II Nr. 3 des Gefahrtarifes 2008 darstellen. Nach Teil II Nr. 3 setzt die Beklagte für Nebenunternehmen die Gefahrklasse gesondert fest. Der Begriff des Nebenunternehmens entstammt dem Zuständigkeitsrecht der Unfallversicherungsträger und ist in § 131 Abs. 2 Satz 3 SGB VII geregelt. Selbst wenn es sich bei der Klägerin nicht um ein einheitliches Unternehmen, sondern um ein Gesamtunternehmen mit verschiedenartigen Bestandteilen im Sinne von § 131 Abs. 1 SGB VII handeln sollte, wäre die Voraussetzung eines Nebenunternehmens nicht erfüllt. Hierfür wäre erforderlich, dass das Nebenunternehmen überwiegend eigene Zwecke verfolgt. Zwar unterhält die Klägerin seit Dezember 2001 eine zentrale Backstube, an die in der Folgezeit ein Bistro mit angegliedertem Fachgeschäft errichtet wurde sowie aktuell 23 Fachgeschäfte und sog. Bäckerei-Kaffees (vgl. Internet-Auftritt der Klägerin). In sämtlichen Fachgeschäften und Bäckerei-Kaffees werden die eigenen Produkte (Bäckerei- und Konditoreiwaren) verkauft. Damit liegt der Schwerpunkt im Verkauf der selbst erzeugten Waren, sodass die Filialen keinen eigenwirtschaftlichen, sondern einen dem Produktionsbereich dienenden Zweck verfolgen. Im Übrigen ist zu beachten, dass in den Filialen insgesamt drei Produkte vor Ort fertig gebacken werden, sodass in den Filialen nicht nur verkauft, sondern auch - produziert wird. Soweit das SG in diesem Zusammenhang ausgeführt hat, angesichts der Mitarbeiterzahl und der Arbeitsentgeltsummen im Bereich des Vertriebes sei Schwerpunkt des Unternehmens nicht der produzierende Bereich, ist dies nicht überzeugend. Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 19.03.1991 (2 RU 33/90, juris Rn. 29) betont, dass es bei der Bestimmung des Hauptunternehmens gerade nicht auf die Anzahl der Mitarbeiter ankommt und folglich auch die Entgeltsumme nicht maßgeblich sein kann.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VWGO).
4. Der Streitwert war nach § 197a SGG in Verbindung mit § 63 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) entsprechend der sich aus dem Antrag ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen festzusetzen (§§ 47, 52 Abs. 1 GKG). Hiervon ausgehend schließt sich der erkennende Senat der höchstrichterlichen Rechtsprechung bei einem Streit über die richtige Veranlagung eines Unternehmens zu einer im Gefahrtarif einer Berufsgenossenschaft ausgewiesenen Gefahrtarif insoweit an, als ein Streitwert in Höhe des Dreifachen der streitigen Beitragsdifferenz, mindestens in Höhe des Vierfachen des Auffangstreitwertes (= 20.000 Euro) angemessen ist (vgl. BSG, Beschluss vom 03.05.2006, B 2 U 415/05 B, juris Rn. 3f; Streitwertkatalog für die Sozialgerichtsbarkeit, 4. Aufl. 2012, Teil C IX Nr. 2.1). Die Beitragsdifferenz für das Beitragsjahr hat die Beklagte unter dem 02.10.2012 mit 13.968,47 Euro errechnet. Da die Summe von 41.905,41 Euro über dem Mindestbetrag von 20.000,- Euro liegt, war diese als Streitwert festzusetzen.
5. Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz.
Der Streitwert wird endgültig auf 41.905,41 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Veranlagung der Klägerin zum Gefahrtarif der Beklagten ab 01.01.2008 streitig.
Die Klägerin betreibt eine Bäckerei mit einem Produktionsbetrieb und 22 Verkaufsfilialen (Stand 2008; aktuell 23 Filialen, vgl. www.a.de), teilweise mit angeschlossenem Kaffee - und Bistro-Betrieb. Der Großteil der dort verkauften Produkte stammt aus der eigenen Produktion, in geringem Umfang werden Teiglinge auch vor Ort gebacken. Insgesamt waren im Jahr 2008 180 Mitarbeiter beschäftigt, davon 35 in der Produktion, 120 in den Filialen einschließlich der Bistros und Kaffees (Vertrieb); zehn Mitarbeiter waren im Büro und zehn weitere Mitarbeiter als Ausfahrer tätig. Von der im Jahr 2008 aufgewandten Gesamtlohnsumme von 2,8 Millionen Euro entfielen auf die Produktion 0,9 Millionen Euro, auf den Bereich Vertrieb 1,6 Millionen Euro und auf den Bürobereich 0,3 Millionen Euro.
Vom 01.01.1999 bis 31.12.2007 waren die Bereiche Büro, Produktion und Vertrieb zu getrennten Gefahrtarifstellen veranlagt. Auf Grundlage des Gefahrtarifs 2005 war der Gewerbezweig "Bäckereien/Konditoreien" zur Gefahrtarifstelle 1 unter die Gewerbegruppe 11 "Herstellung von Back- und Konditoreiwaren, soweit nicht in Gefahrtarifstelle 2 genannt; Herstellung von Grundteigen, Teiglingen und Hefeklößen" zur Gefahrklasse 6,0, der Vertrieb zur Gefahrtarifstelle 19 (Gefahrklasse 3,0), das Büro zur Gefahrtarifstelle 18 (Gefahrklasse 0,8) veranlagt (Bescheid vom 07.12.2005). Mit Beitragsbescheid vom 04.04.2007 wurde für das Jahr 2007 ein Beitrag von 39.232,79 Euro erhoben (Bruttobeitrag von 41.737,01 Euro abzgl. Beitragsnachlass von 2.504,22 Euro).
Mit Wirkung zum 01.01.2008 verabschiedete die Beklagte in der Vertreterversammlung vom 28.06.2007 den hier streiterheblichen neuen Gefahrtarif. Dieser sah jetzt keine getrennte Veranlagung für den Vertrieb mehr vor. Lediglich der Bürobereich erhielt weiterhin eine eigene Gefahrtarifstelle (jetzt 19) mit der Gefahrklasse 0,5. Im Übrigen wurde der Gewerbezweig "Bäckereien/Konditoreien" der Gefahrtarifstelle 1 unter die Gewerbegruppe 11 "Herstellung von Back- und Konditoreiwaren, soweit nicht in Gefahrtarifstelle 2 genannt; Herstellung von Grundteigen, Teiglingen und Hefeklößen" mit der Gefahrklasse 5,2 zugeordnet.
Nach Maßgabe dieses Gefahrtarifes veranlagte die Beklagte die Klägerin - bis auf den Bürobereich - zur Gefahrtarifstelle 1 mit der Gefahrklasse 5,2; den Bürobereich wies sie der Gefahrtarifstelle 19, Gefahrklasse 0,5 zu (Bescheid vom 22.03.2008).
Der auf der neuen Veranlagung basierende Beitragsbescheid vom 03.04.2009 setzte den Beitrag für das Jahr 2008 nach einer Schätzung gemäß § 165 Abs. 3 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) in Höhe von 58.601,18 Euro (Bruttobeitrag von 61.685,45 Euro abzgl. Beitragsnachlasses von 3.084,27 Euro) fest.
Die Klägerin erhob gegen den Veranlagungsbescheid Widerspruch und wandte sich gegen die Veranlagung ihres Vertriebsbereiches zur Gefahrklasse 5,2. Zur Begründung verwies sie darauf, der Gefahrtarif 2008 sei nicht wirksam zustande gekommen. Dieser Gefahrtarif sei in zwei Sitzungen des Gefahrtarifausschusses, und zwar am 01.03. und 16.05.2007, entwickelt worden. In diesen Sitzungen sei es vor allem darum gegangen, im Vorgriff auf eine vermutete Gesetzesänderung - die Unternehmer sollten künftig nicht mehr Pflichtmitglieder sein - den Gefahrtarif zu ändern. In diesem Zusammenhang sei seitens der Verwaltung dann auch die Zusammenlegung der Gefahrtarifstellen Vertrieb und Produktion ins Spiel gebracht worden, ohne dass für die Teilnehmer allerdings irgendein zwingender Grund hierfür erkennbar gewesen sei. Verabschiedet worden sei der Gefahrtarif in der Vertreterversammlung am 28.06.2007. In dieser Sitzung seien zwei Anträge dahingehend gestellt worden, die Änderung des Gefahrtarifes, was das Bäckerhandwerk anbelange, von der Tagesordnung zu nehmen. Diese Anträge seien u.a. damit begründet worden, dass das bisher vorliegende Zahlenwerk nicht nachvollziehbar sei und die mit der Errichtung einer einheitlichen Gefahrklasse für Produktion und Vertrieb verbundene Beitragserhöhung nicht rechtfertige. Gleichwohl sei der Gefahrtarif mehrheitlich verabschiedet worden. Dieses Vorgehen verstoße jedoch gegen die Geschäftsordnung für die Vertreterversammlung der Beklagten (dort § 12 Abs. 3), da vor einer inhaltlichen Abstimmung zunächst über die Anträge zur Geschäftsordnung hätte entschieden werden müssen. Unabhängig hiervon sei auch in der Vertreterversammlung bestätigt worden, dass das Zahlenwerk den Vertretern selbst nicht direkt zugeleitet worden sei. Den Vertretern hätte zur Abstimmung lediglich der Entwurf eines neuen Gefahrtarifes vorgelegen, das Zahlenwerk, welches der Berechnung der Gefahrklasse 5,2 in der Gefahrtarifstelle 1 zu Grunde gelegen habe, hätten sie hingegen nicht würdigen können. Dieses Zahlenwerk habe ausschließlich im Internet im Ehrenamtsportal der Beklagten zur Verfügung gestanden. Darauf habe der zuständige Leiter der Beitragsabteilung in der Vertreterversammlung hingewiesen. Mit diesem Hinweis sei aber die für die Abstimmung erforderliche Transparenz nicht gewährleistet gewesen, zumal die Ehrenamtsträger einer Information ausschließlich über das Internet nicht zugestimmt hätten. Der Gefahrtarif sei formell rechtswidrig und damit unwirksam, jedenfalls was die Gefahrtarifstelle 1 anbelange. Auch das Zahlenwerk für die vorgeschlagenen Alternativen - u.a. diejenige der Beibehaltung der bisherigen Veranlagung - habe den Mitgliedern der Vertreterversammlung nicht vorgelegen. Die Berechnungen seien daher insgesamt nicht nachvollziehbar, zumal bei einer Zusammenführung der früheren Gefahrklassen 6,0 für die Produktion und 3,0 für den Vertrieb wegen der geringen Risiken und der deutlich höheren Lohnsummen im Vertrieb rechnerisch eine deutlich geringere Gefahrklasse als 5,2 hätte errechnet werden müssen. Ein Gefahrtarif, der auf einem nicht nachvollziehbaren Rechenwerk fuße, sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) rechtswidrig. Auch sei insgesamt kein Grund für die Zusammenlegung von Produktion und Vertrieb bei der Veranlagung ersichtlich, abgesehen von der Vereinfachung für die Verwaltung, die eine Zusammenlegung allein jedoch nicht rechtfertige. Selbst wenn der Gefahrtarif als wirksam erachtet würde, sei die Veranlagung fehlerhaft, da es sich bei dem Vertrieb im Verhältnis zur Produktion um ein "fremdartiges Nebenunternehmen" nach Teil II Nr. 3.2 des Gefahrtarifes handele. Für jene Unternehmen werde nach dieser Bestimmung keine Gefahrklasse festgestellt, sondern der Beitrag werde in Höhe des bei der anderen Berufsgenossenschaft - hier der Berufsgenossenschaft Handel- und Warendistribution (BGHW) - im Jahr vor der Umlage zu entrichten gewesenen Beitrages berechnet.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30.09.2009 zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Gefahrtarif 2008 sei am 28.06.2007 nach ausführlicher Diskussion durch die Vertreterversammlung und eingehenden Beratungen des Gefahrtarifausschusses beschlossen worden. Den Mitgliedern des Gefahrtarifausschusses hätten die Berechnungsgrundlagen des Gefahrtarifes 2008 in aller Breite zur Verfügung gestanden. Ferner hätten alle Mitglieder von Vorstand und Vertreterversammlung über das Ehrenamtsportal im Internet Zugriff auf die Unterlagen gehabt, die dem Gefahrtarifausschuss auch in Papierform zur Verfügung gestanden hätten. In den genannten Gremien wirkten auch Vertreter des Gewerbezweiges mit, dem die Klägerin angehöre. Fehler beim Zustandekommen des Gefahrtarifes, insbesondere ein Verstoß gegen ihre Geschäftsordnung oder ihre Satzung, seien nicht zu erkennen. Bei der Berechnung des Gefahrtarifes, insbesondere bei der Berechnung der für die Klägerin einschlägigen Gefahrklasse, seien keine Fehler festzustellen. Sie sei entsprechend § 157 Abs. 3 SGB VII aus dem Verhältnis der im Beobachtungszeitraum 2002 bis 2006 gezahlten Entschädigungsleistungen zu den Arbeitsentgelten des gleichen Zeitraumes für den gesamten Gewerbezweig der Bäckereien/Konditoreien exakt berechnet worden. Dabei seien die Entschädigungsleistungen und Arbeitsentgelte des Bürobereiches unberücksichtigt geblieben, da dieser nach wie vor unter einer gesonderten Gefahrtarifstelle geführt werde. Eine gesetzliche Vorgabe zur Beibehaltung der in der Zeit vom 01.01.1999 bis 01.01.2005 geltenden Gefahrtarife gegebenen Möglichkeiten der gesonderten Veranlagung des Hilfsunternehmens "Vertrieb" bestehe nicht. Die Vertreterversammlung sei daher nicht darin gehindert gewesen, die Möglichkeit der gesonderten Veranlagung des Vertriebes im Gefahrtarif 2008 wegen der damit verbundenen Probleme nicht mehr vorzusehen und insoweit zu der bis zum 31.12.1998 gültigen Regelung zurückzukehren. Weiterführend heißt es in dem Widerspruchsbescheid, die Veranlagung eines Unternehmens zu den Gefahrklassen werde nach Teil II Nr.1 des Gefahrtarifes 2008 durch seine Zugehörigkeit zu einem Gewerbezweig bestimmt. Diese Zugehörigkeit richte sich nach der Art des im Unternehmen überwiegend hergestellten Erzeugnisses (Hauptunternehmen/Unternehmensschwerpunkt); dies gelte auch für Unternehmen, in denen nur Teilfertigungsprozesse erfolgten. Bei nicht produzierenden Unternehmen richte sich der Unternehmensschwerpunkt nach Art und Gegenstand des Unternehmens. Beim Unternehmen der Klägerin handele es sich im Schwerpunkt um eine Bäckerei/Konditorei, die ihre selbst hergestellten Produkte überwiegend in eigenen Verkaufsfilialen vertreibe. Daneben würden in den einzelnen Verkaufsfilialen mehr oder weniger ausgeprägt gastronomische Dienstleistungen angeboten, die jedoch in keinem Fall den Schwerpunkt der unternehmerischen Tätigkeit darstellten. Hilfsunternehmen dienten überwiegend den Zwecken anderer Unternehmensteile (Haupt-, Nebenunternehmen). Sie würden bei der Feststellung des Unternehmensschwerpunktes den Unternehmensteilen zugerechnet, denen sie dienten. Jedes Produktionsunternehmen sei darauf ausgerichtet, durch den Verkauf seiner Produkte am Markt Gewinne zu erzielen. Der Vertrieb der in einem Produktionsunternehmen hergestellten Waren diene somit unmittelbar ausschließlich bzw. überwiegend den Zwecken der Produktion und bilde daher ein klassisches Hilfsunternehmen zur Produktion. Als solches sei er nach Teil II Nr. 4 des Gefahrtarifs 2008 zu veranlagen. Produktion und Vertrieb bedingten einander; weder könne die Produktion ohne den Absatz der Waren existieren, noch könne der Vertrieb ohne die Produktion bestehen. Der Vertrieb selbst hergestellter Waren bilde kein Nebenunternehmen im unfallversicherungsrechtlichen Sinn, da er nicht überwiegend eigene Zwecke verfolge (§ 131 Abs. 2 SGB VII; Teil II Nr. 3 des Gefahrtarifs 2008). Eine Veranlagung als fremdartiges Nebenunternehmen im Sinne von Teil II Nr. 3.2 könne daher nicht erfolgen.
Die Klägerin hat mit ihrer am 30.10.2009 zum Sozialgericht (SG) Mannheim erhobenen Klage ihr Vorbringen vertieft und weiterführend geltend gemacht, offensichtlich seien in die Gefahrtarifstelle für Bäckereien/Konditoreien mit Wirkung zum 01.08.2008 Lasten eingegangen, die zuvor nicht vom Bäckerhandwerk, sei es in Produktion oder im Vertrieb, zu tragen gewesen seien. Dies zeige die Zusammenlegung der Gefahrklassen 6,0 und 3,0 zu 5,2, zumal die Lohnsummen im Bereich Vertrieb deutlich höher seien als im Bereich Produktion. Die hohen Lohnsummen im Bereich Vertrieb gingen mit eher niedrigen Unfalllasten einher (kein Bäckerasthma), so dass bei der Zusammenlegung dieser beiden Gefahrtarifstellen mit Wirkung zum 01.01.2008 die Gefahrklasse deutlich unter 5,2 hätte liegen müssen. Zu berücksichtigen sei, dass sich die Situation im Bäckerhandwerk grundlegend geändert habe. Die Produktion werde immer mehr konzentriert auf einzelne, hoch moderne und automatisierte Betriebe. Die Zahl der Personen, die handwerklich in der Bäckereiproduktion tätig seien, nehme rapide ab. Demgegenüber stehe ein immer größer werdender, auch betriebswirtschaftlich zu trennender Bereich des Vertriebs. Reine Verkaufsläden, die über keine eigene Produktion verfügten, sondern ihre Ware anderweitig bezögen, fielen in die Zuständigkeit der BGHW und würden dort mit einer Gefahrklasse von 2,5 und damit weit unterhalb der Gefahrklasse 5,2 veranlagt. Diese Verkaufsläden, in denen zum Teil auch Waren aufgebacken würden, entsprächen ihrer Tätigkeit nach aber vollständig den Verkaufsfilialen der Klägerin. Tatsächlich gebe es extra ausgegliederte Einzelhandels- und Franchiseunternehmen von Bäckereien, die von dem wesentlich günstigeren Gefahrtarif bei der BGHW Gebrauch machten, obwohl tatsächlich dort keine anderen Arbeitsläufe stattfänden, als in den direkt angegliederten Verkaufsfilialen etwa der Klägerin. Die Einordnung der Verkaufsstellen zu unterschiedlichen Berufsgenossenschaften sei aber nur solange im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) zu rechtfertigen, als die damit verbundene finanzielle Belastung nahezu identisch sei. Hier liege eine willkürliche Belastung der Klägerin und damit ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor.
Die Beklagte ist der Klage auch unter Bezugnahme ihres Schriftsatzes in einem Parallelverfahren vor dem SG Darmstadt (S 12 U 77/09) entgegengetreten und hat geltend gemacht, sie habe nie bestritten, dass es durch die Gestaltung des Gefahrtarifes 2008 zu Beitragsmehrbelastungen des Bäckerei- und Konditoreigewerbes komme. Außerdem sei die getrennte Veranlagung von Produktion und Vertrieb nicht nur für den Gewerbezweig der Klägerin weggefallen, sondern für alle Gewerbezweige. Im weiteren Verfahrensgang ist von der Beklagten noch vorgetragen worden, bei der bis zum 31.12.2007 geltenden getrennten Veranlagung von Produktion und Vertrieb sei das Bäckerei-/Konditoreigewerbe - und somit auch die Klägerin - neben anderen Gewerbezweigen dadurch privilegiert gewesen, dass die geringen Unfallzahlen im Bereich des Vertriebes sowohl bei der Gefahrklasse für den Vertrieb als auch bei derjenigen für die Produktion berücksichtigt worden seien. Dies sei insbesondere vor dem Hintergrund erfolgt, dass aus räumlichen und organisatorischen Gründen nicht alle Unternehmen in den Genuss der niedrigeren Vertriebsveranlagung gekommen wären. Die Entgelte jenes Bereiches seien dann zur "Produktionsgefahrklasse" zu melden gewesen. Die Beitragssteigerung in der Gefahrtarifstelle 1 sei allein auf diese geänderte Gestaltung des Gefahrtarifes 2008 zurückzuführen, weil jetzt keine Doppelberücksichtigung der günstigen Vertriebsbereiche mehr erfolge. Dies sei der Klägerseite auch durchaus bewusst und bekannt gewesen. Sofern eine gesonderte Veranlagung des Vertriebsbereiches neben dem Bürobereich unter Verzicht der oben erwähnten Doppelberücksichtigung erfolgen würde, könne die Klägerin evtl. eine Beitragseinsparung erzielen. Allerdings würde dies nicht zu Beitragseinsparungen für den Gewerbezweig insgesamt führen. In dem Maße, in dem sich die Gefahrklasse für den dann gesondert zu veranlagenden Vertriebsbereich auf 2,4 verringern würde, müsste die Gefahrklasse für die übrigen Unternehmensbereiche (ohne Bürobereich) - "zentrale Gefahrklasse" - auf 9,3 steigen. Es würde sich lediglich eine Verschiebung der Beitragslasten innerhalb des Gewerbezweiges ergeben. Die Unternehmen mit einem hohen Anteil von Entgelten im Vertriebsbereich würden entlastet. Die Unternehmen mit geringen Vertriebsentgelten würden entsprechen stärker belastet.
Das SG Mannheim hat mit Urteil vom 02.08.2012 die streitbefangenen Bescheide aufgehoben, soweit sie den Vertrieb von Lebensmitteln und den Betrieb von Kaffees bzw. Bistros betreffen. Diese seien rechtswidrig, da die Beklagte zu Unrecht die Unternehmensbereiche des Vertriebes von Lebensmitteln und des Betriebes von Kaffees bzw. Bistros zur Gefahrtarifstelle 1 mit der Gefahrklasse 5,2 ihres Gefahrtarifes 2008 veranlagt haben. Die Gefahrtarifstelle 1, Gewerbegruppe 11 (Gewerbezweige Konditoreien/Bäckereien) setze die Herstellung von Back- und Konditoreiwaren voraus. Die "Herstellung" von Back- und Konditoreiwaren stelle eine tätigkeitsbezogene Konkretisierung der Gefahrtarifstelle 1 dar. Der Vertrieb von Backwaren lasse sich nicht unmittelbar unter die genannte Tarifstelle einordnen, da es sich bei der in Rede stehenden Vertriebstätigkeit nicht um die Herstellung handele. Eine unmittelbare Zuordnung des Vertriebes zur Produktion sei daher nicht möglich. Auch nach Teil II Nr. 1 des Gefahrtarifes der Beklagten sei eine Veranlagung zur Gefahrtarifstelle 1 nicht möglich. Denn dies setze voraus, dass der produzierende Unternehmensbereich den Unternehmensschwerpunkt bilde. Der Unternehmensschwerpunkt der Klägerin sei nicht die Produktion, sondern der Vertrieb. Denn im Bereich Vertrieb seien 120 Arbeitnehmer beschäftigt, während es in der Produktion nur 35 Arbeitnehmer seien. Ferner liege der Anteil der Arbeitsentgelte im Vertriebs-, Kaffee- und Bistrobereich mit rund 1,6 Millionen Euro deutlich über demjenigen der Produktion mit rund 0,9 Millionen Euro.
Die Beklagte hat am 13.08.2012 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Die begriffliche Auslegung des SG Mannheim über den Unternehmensschwerpunkt stehe im Widerspruch zu den von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen zur Bestimmung des Unternehmensschwerpunktes. Bei dem klägerischen Betrieb sei von einem Gesamtunternehmen auszugehen. Ein solches liege vor, wenn zwischen den einzelnen Teilunternehmen (Hauptunternehmen, Nebenunternehmen, Hilfsunternehmen) ein personeller, wirtschaftlicher und betriebstechnischer Zusammenhang bestehe. Für ein verschiedenartige Bestandteile umfassendes Unternehmen sei die Berufsgenossenschaft zuständig, der das Hauptunternehmen angehöre. Hauptunternehmen sei das Unternehmen, das im Gesamtunternehmen hervortrete. Das Hauptunternehmen gebe ihm sein besonderes Gepräge und sei maßgeblich für seine sozialversicherungsrechtliche Stellung. Die Klägerin, deren Unternehmen seit 1765 existiere und als traditionsreichste Bäckerei der Stadt B. in der Öffentlichkeit auftrete (so ihr Internetauftritt), definiere sich eindeutig als Bäckerei, die ihre Produkte in ihren Filialen verkaufe. Ein Handel mit fremdbezogener Ware finde - wenn überhaupt - nur in geringem Umfang statt. Auch wenn das Unternehmen sein Filialnetz ausgebaut habe, diene dieses in erster Linie dazu, die zuvor produzierten Back- und Konditoreiwaren zu verkaufen. Damit sei das Unternehmen der Klägerin im Schwerpunkt nicht als Einzelhandelsunternehmen sondern als Bäckerei/Konditorei zu bewerten. Grundsätzlich umfassten die in Teil I des Gefahrtarifes festgesetzten Gefahrklassen alle Tätigkeiten für ein Unternehmen, also auch Hilfstätigkeiten und Hilfsunternehmen. Daher sei der Vertrieb entgegen der Auffassung des SG Mannheim ebenfalls zu der Gefahrtarifstelle 1 Gefahrklasse 5,2 zu veranlagen, auch wenn er nicht explizit als solcher genannt sei. Zudem könne eine konkrete Aussage dazu, wie das Unternehmen der Klägerin richtigerweise zu veranlagen wäre, der Urteilsbegründung des SG nicht entnommen werden. Folge man der Auffassung in der Urteilsbegründung, dass der Vertrieb das Hauptunternehmen darstelle, wäre die Beklagte für das Unternehmen nicht zuständig. Das Unternehmen wäre vielmehr an die BGHW zu überweisen. Der Unternehmensbereich der Produktion würde nach den obigen Ausführungen konsequenter Weise als Hilfsunternehmen ebenfalls bei der BGHW zu versichern sein. Da ein Hilfsunternehmen so zu veranlagen sei wie das Hauptunternehmen, wäre der Gesamtbereich der Produktion zu der Gefahrklasse des Vertriebes zu veranlagen. Dadurch seien die durch die Produktion hervorgerufenen Unfalllasten der Bäcker und Konditoren jedoch nicht annähernd gedeckt. Entgegen der Rechtsansicht der Klägerin sei der Gefahrtarif 2008 in der Vertreterversammlung am 28.06.2007 wirksam beschlossen worden. Hierzu verweist die Beklagte auf das Urteil des SG Schwerin vom 31.05.2012 in einem Parallelverfahren (S 5 U 63/09). Ferner hat sie eine Dokumentation über den Informationsverlauf vorgelegt. Die Vertreterversammlung habe in ihrer Sitzung am 28.06.2007 mehrheitlich - 32 Ja-Stimmen zu 9 Nein-Stimmen - gegen die Aufrechterhaltung einer gesonderten Gefahrtarifstelle für den Vertrieb gestimmt. Die Gegenstimmen hätten überwiegend von Vertretern des Bäckerhandwerkes gestammt, die sich über die negativen Konsequenzen im Hinblick auf Beitragserhöhungen bewusst gewesen seien. Soweit die Klägerseite geltend mache, die Vertreterversammlung habe in Unkenntnis der Umstände entschieden und habe nicht gewusst, worüber sie entscheide, sei dies nicht zutreffend. Aus den vorgelegten Unterlagen ergebe sich, dass den Mitgliedern der Vertreterversammlung jeweils der Bericht über die außerordentlichen Sitzungen des Gefahrtarifausschusses (01.03.2007 und 16.05.2007) sowie die Beschlussempfehlung für den neuen Gefahrtarif ab 01.01.2008 zur Kenntnis gebracht worden seien. Der Gefahrtarifausschuss habe am 16.05.2007 auf Grundlage der relevanten Zahlen für den Gefahrtarif 2008 aus den Jahren 2002 bis 2006 beraten. In einer Probeberechnung sei die Steigerung für das Backgewerbe von + 18,6 % ausgewiesen. Diese und weitere Unterlagen seien dem Ausschuss als Vorbemerkung zugegangen. Die Unterlagen hätten allen Mitgliedern des Ehrenamtes - also auch der Vertreterversammlung, die über Gefahrtarife beschließe - im geschlossenen Ehrenamtsportal ihres (der Beklagten) Internetauftrittes zur Einsicht und zum Herunterladen als Pdf-Datei zur Verfügung gestanden. Ferner seien dem seinerzeitigen Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerkes e.V. (ZDB), Dr. Groebel, auf dessen Bitte sämtliche vorbereitenden Unterlagen für den Gefahrtarifausschuss am 16.05.2007 zur Verfügung gestellt worden. Darin seien auch alle im Ausschuss diskutierten Tarifalternativen mit Probeumlagen enthalten gewesen, u.a. auch die letztlich beschlossene Variante mit der Beitragssteigerung von 18,6 %. Darüber hinaus seien in einem Verbändegespräch der Hauptgeschäftsführung mit Vertretern des ZDB und des Deutschen Konditorenbundes am 15.06.2007 die Beitragsauswirkungen ebenfalls besprochen worden. Die entscheidende Probeumlageberechnung sei Gegenstand einer Power-Point-Präsentation gewesen. Die Probeumlagen, die Vergleichsbetrachtungen sowie das Votum der Schiedsstelle im Schiedsstellenverfahren der Klägerin gegen die BGHW vom 06.10.2008 sind zur Akte gereicht worden (Bl. 84-87, 77-80, 126 ff. der Senatsakten). In dem Votum hat die Schiedsstelle zu der dort erheblichen Streitfrage, welcher der beiden Unfallversicherungsträger für Verkaufsstellen von Backwaren zuständig ist, ausgeführt, dass für rechtlich unselbständige Verkaufsstellen von Backwaren, die ein Nebenunternehmen oder ein Hilfsunternehmen einer Bäckerei darstellten, die Klägerin zuständig sei. Hingegen sei für rechtlich selbständige Verkaufsstellen von Backwaren (Handelsunternehmen) grundsätzlich die BGHW zuständig.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 02. August 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie vertritt weiterhin die Ansicht, ihr Unternehmensschwerpunkt liege im Vertrieb von Backwaren, was nach dem Wortlaut nicht als Herstellung von Backwaren anzusehen sei. Die Auslegung nach dem Wortlaut werde durch die Entstehungsgeschichte des Gefahrtarifes bestätigt. So sei in den Gefahrtarifen der Jahre 1993, 1994 in der Gefahrtarifstelle 1 nicht die heutige Formulierung "Herstellung von Back- und Konditoreiwaren" gewählt worden, sondern der weitere Begriff "Backgewerbe". Der Gefahrtarif 1995 habe dann unter dem Begriff "Backgewerbe" die Einschränkung "nur Produktion" enthalten. Der Gefahrtarif 2005 habe sodann in Gefahrtarifstelle 1 die heutige Formulierung "Herstellung von Back- und Konditoreiwaren" und in Gefahrtarifstelle 19 die Formulierung "Vertrieb von Lebensmitteln" enthalten. Die Beklagte habe bei Einführung des Gefahrtarifes 2008 den Text der Gefahrtarifstelle 1 nicht geändert; sie habe jedoch in Gefahrtarifstelle 19 die Formulierung "Vertrieb von Lebensmitteln" gestrichen. Die Tatsache, dass vor dem 01.01.2008 der Gefahrtarif für den Vertrieb sogar eine eigene Gefahrtarifstelle gehabt habe, zeige, dass der Vertrieb nicht als Herstellung anzusehen sei. Selbst wenn - was die Beklagte behaupte - die Produktion von Backwaren der Klägerin ihr Gepräge gebe und deshalb die Zuständigkeit der Beklagten gegeben sei, bedeute dies noch lange nicht, dass der Vertrieb dem Gewerbezweig der Gefahrtarifstelle 1 zuzuordnen sei. Dies sei offensichtlich nicht der Fall, da der Vertrieb dort überhaupt nicht genannt und nach den eigenen Einlassungen der Beklagten mit Wirkung zum 01.01.2008 ersatzlos weggefallen sei. Der Vertrieb sei sodann nach Teil II Nr. 3.2 des Gefahrtarifes 2008 so zu veranlagen, wie dies bei der BGHW geschehe. Ferner sei die Behauptung der Beklagten, ohne die Herstellung der Backwaren wäre ein Handel bzw. Vertrieb gar nicht existent, unzutreffend. Es wäre der Klägerin ohne weiteres möglich, den unternehmenseigenen Backbetrieb zu schließen, die eigene Herstellung von Backwaren damit vollständig zu beenden und im Vertrieb ausschließlich und nur noch Backwaren zu verkaufen, die von anderen Bäckereien oder industriellen Backbetrieben hergestellt und zugekauft würden. Die Klägerin bekräftigt weiterhin ihren Vortrag, der Beschluss der Vertreterversammlung vom 28.06.2007 sei rechtswidrig und legt ergänzend das Protokoll über die mündliche Verhandlung vor dem SG Darmstadt vom 24.05.2012 sowie das dem dortigen klägerischen Begehren stattgebende Urteil gleichen Datums vor (S 12 U 77/09); auf deren Inhalt wird Bezug genommen.
Auf Anforderung des Senats hat die Beklagte die Anschreiben an die Mitglieder des Vorstandes und der Vertreterversammlung vom 16.03.2007 und vom 30.05.2007 vorgelegt, mit denen diese die ebenfalls zu den Gerichtsakten gereichten Niederschriften über die Sitzung des Gefahrtarifausschusses vom 01.03.2007 und vom 16.05.2007 nebst Anlagen erhalten haben. Im Protokoll vom 16.05.2007 heißt es, es sei darüber zu befinden, ob an dem Gefahrtarifkonstrukt mit einer Unternehmensbereichsveranlagung nach "Produktion", "Büro" und "Vertrieb", das seit 1999 in Kraft gesetzt und mit geringen Modifikationen ab 2005 erneut festgeschrieben worden sei, festgehalten werden solle. Alternativ dazu sei diskutiert worden, als gesondert veranlagten Hilfsunternehmensbereich nur noch das "Büro" zuzulassen. Die Beitragslasten würden sich je nach Tarifmodell verändern. Während alle Gewerbegruppen in den Genuss der Büroveranlagung kommen könnten, stehe eine Vertriebsveranlagung nicht für alle Branchen zur Verfügung. Das Bundesversicherungsamt habe beide Gefahrtarifalternativen geprüft und für grundsätzlich rechtlich zulässig erklärt. Weiterhin sind im Protokoll vom 16.05.2007 Meinungsäußerungen verschiedener Mitglieder festgehalten worden. So hat u.a. das Mitglied C. an den Ausschuss appelliert, keine Abkehr vom bisher geltenden Tarif vorzunehmen und vorgetragen, für die Gewerbegruppe der Bäckereien und Konditoreien mit rund 17.000 Betrieben bedeute dies eine um ca. 17 Millionen Euro höhere Zahllast pro Jahr. Die Mehrbelastung pro Betrieb sei nicht hinnehmbar und auch schwer verkraftbar.
Die Klägerin hat hierauf entgegnet, bei den mit dem Anschreiben an die Mitglieder der Vertreterversammlung vom 16.03.2007 übersandten Anlagen handele es sich nicht um die Probeumlageberechnungen; beigefügt gewesen seien die Vergleichsbetrachtungen. Dies belege, dass die Vertreterversammlung nicht über das Zahlenwerk informiert gewesen sei, zumal die Vergleichsbetrachtungen eine Gefahrklasse von 5,1 und nicht - wie letztendlich beschlossen - von 5,2 auswiesen.
Die Berichterstatterin hat am 23.07.2014 einen Erörterungstermin durchgeführt und die Beteiligten angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf die Sitzungsniederschrift vom gleichen Tag Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung der Beklagten ist gem. §§ 143, 144 SGG zulässig und führt auch inhaltlich für diese zum Erfolg.
Streitgegenstand ist der Veranlagungsbescheid der Beklagten vom 22.03.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.09.2009. Die hierauf fußenden Beitragsbescheide (so z.B. der Bescheid vom 03.04.2009) sind nicht Gegenstand des Widerspruchsverfahrens nach § 86 SGG oder des Klage- bzw. Berufungsverfahrens nach § 96 SGG geworden, da sie den Veranlagungsbescheid weder ersetzen noch abändern (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U/03 R, juris).
Die gegen den Veranlagungsbescheid vom 22.03.2008 (Widerspruchsbescheid vom 30.09.2009) gerichtete Klage ist zulässig, entgegen der Ansicht des SG jedoch unbegründet. Die in diesem Bescheid vorgenommene Einstufung der Klägerin in die Tarifstelle 1 des Gefahrtarifes der Beklagten hält der rechtlichen Überprüfung stand.
1. Die Beklagte ist aufgrund ihres bindenden Bescheides vom 19.04.1996 über die Aufnahme der Klägerin in ihr Unternehmerverzeichnis der zuständige Unfallversicherungsträger für die Klägerin (vgl. BSG, Urteil vom 24.06.2003, B 2 U 21/02 R, juris Rn. 18).
2. Rechtsgrundlage für den Veranlagungsbescheid ist § 159 Abs. 1 Satz 1 SGB VII, wonach der Unfallversicherungsträger die Unternehmen für die Tarifzeit nach dem Gefahrtarif zu den Gefahrklassen veranlagt.
a) Der Veranlagungsbescheid der Beklagten ist formell rechtmäßig. Insbesondere ist nach der Rechtsprechung des BSG vor Erlass eines neuen Veranlagungsbescheides, der auf der Grundlage eines neuen Gefahrtarifes ergeht, keine Anhörung nach § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) erforderlich, weil mit dem neuen Gefahrtarif die aufgrund des vorherigen Gefahrtarifes eingeräumten Rechte oder Rechtspositionen, ähnlich wie bei einer Gesetzesänderung enden (BSG, Urteil vom 06.05.2003, B 2 U 7/02 R, juris Rn. 22). Insoweit steht dem Erlass des angefochtenen Veranlagungsbescheides auch nicht die Bestandskraft des Veranlagungsbescheides vom 03.12.2005 entgegen.
b) Der Veranlagungsbescheid ist auch materiell rechtmäßig. Die Beklagte durfte diesem Bescheid die Regelung der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifes 2008 zugrunde legen, denn diese Satzungsregelung ist rechtmäßig. Die Rechtmäßigkeit des Gefahrtarifes ist eine - als Vorfrage inzident zu prüfende - Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Veranlagung zu einer konkreten Gefahrtarifstelle.
aa) Der Gefahrtarif ist formell rechtmäßig zustande gekommen.
Der Gefahrtarif 2008 der Beklagten wurde durch deren Vertreterversammlung beschlossen, durch das Bundesversicherungsamt als Aufsichtsbehörde genehmigt (§ 158 SGB VII) und anschließend öffentlich bekannt gemacht (§§ 33 Abs. 1 Satz 1, 34 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV)). Soweit die Klägerin unter Hinweis auf § 12 Abs. 4 der Geschäftsordnung der Vertreterversammlung der Beklagten rügt, vor einer inhaltlichen Abstimmung über den Gefahrtarif 2008 hätte zunächst über die Anträge zur Geschäftsordnung entschieden werden müssen, ist dies für das vorliegende Verfahren ohne rechtliche Bedeutung. Jedes Selbstverwaltungsorgan ist gemäß § 63 SGB IV verpflichtet, sich eine Geschäftsordnung zu geben. Sie wird also von jedem Organ selbst aufgestellt und trägt den Charakter einer selbst geschaffenen internen Regelung, die jedoch keine Außenwirkung hat (Peters, Kommentar zum SGB IV, § 63 Rn. 2; Palsherm in jurisPK-SGB IV, 2. Aufl., § 63 Rn. 14). Die Geschäftsordnung soll die grundlegenden, für einen geordneten Geschäftsgang (einschließlich der Sitzungen) notwendigen organisationsinternen Verfahrensregelungen treffen. Verstößt ein Beschluss des Organs gegen die Geschäftsordnung ist der Beschluss gleichwohl wirksam. Etwas anderes gilt nur soweit die Geschäftsordnung zwingende gesetzliche, d.h. in formellen Gesetzen und Rechtsverordnungen enthaltene Vorschriften wörtlich oder der Sache nach wiedergibt. Bei Nichteinhaltung der Geschäftsordnung kann dann ein Verstoß gegen Außenrecht gegeben sein. Dies scheidet hier jedoch aus. Die in § 10 Abs. 2 der Geschäftsordnung geregelte Behandlung von Anträgen, auch in Bezug auf ihre Reihenfolge, beruht nicht auf einer Wiedergabe einer gesetzlichen Vorschrift. In § 64 SGB IV, der Voraussetzung und Verfahren der Beschlussfassung in den Selbstverwaltungsorganen regelt, findet sich keine entsprechende Vorgabe.
Auch der Einwand der Klägerin, die Vertreter der Vertreterversammlung seien vor der Abstimmung nicht hinreichend über die Neufassung des Gefahrtarifes informiert worden, greift nicht durch. Dem Gefahrtarifausschuss lagen sämtliche Berechnungsgrundlagen vollständig vor, was von der Klägerin auch nicht bestritten wird. Auf dieser Grundlage hat der Gefahrtarifausschuss seiner in § 66 SGB IV niedergelegten Funktion entsprechend den neuen Gefahrtarif vorbereitet und für die Vertreterversammlung eine Beschlussempfehlung ausgesprochen. Dem von der Beklagten vorgelegten Anschreiben an die Mitglieder der Vertreterversammlung vom 16.03.2007 und 30.05.2007 ist zudem zu entnehmen, dass die Niederschriften über die Sitzung des Gefahrtarifausschusses vom 01.03.2007 und vom 16.05.2007 nebst Anlagen (Vergleichberechnungen) übersandt wurden. Dies hält der Senat für ausreichend, um dem aus dem Demokratieprinzip i.V.m. § 64 SGB IV folgenden Gebot einer nachvollziehbaren, transparenten Grundlage für Entscheidungen in Selbstverwaltungsorganen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 18.10.1994, 2 RU 6/94, juris) zu genügen. Ferner ist der Niederschrift über die Vertreterversammlung vom 28.06.2007 zu entnehmen, dass der Wegfall der Vertriebsgefahrklasse sehr kontrovers diskutiert wurde, so dass Anhaltspunkte für eine unzureichende Sachverhaltsdarstellung nicht vorhanden sind.
bb) Der Gefahrtarif 2008 ist auch materiell, soweit er sich auf die Gefahrtarifstelle 1 unter gleichzeitiger Auflösung der nach dem Gefahrtarif 2005 noch vorhandenen Gefahrtarifstelle für den Vertrieb bezieht, nicht zu beanstanden. Nicht Gegenstand der Prüfung ist die Rechtmäßigkeit der Bildung anderer als der hier streitigen Gefahrtarifstelle im Gefahrtarif 2008 der Beklagten, denen die Klägerin nicht zuzuordnen ist (BSG, Urteil vom 11.04.2013, B 2 U 4/12 R, juris Rn. 17).
(1) Die Vertreterversammlung des Unfallversicherungsträgers setzt gemäß § 157 Abs. 1 SGB VII als autonomes Recht einen Gefahrtarif fest, in dem zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen sind (§ 157 Abs. 1 Satz 1, 2 SGB VII). Der Gefahrtarif wird nach Gefahrtarifstellen gegliedert, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden (§ 157 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Gefahrengemeinschaften können hierbei durch einen gewerbezweigspezifischen oder einen nach Tätigkeiten gegliederten Gefahrtarif, in dem Tätigkeiten mit annähernd gleichen Risiken zusammengefasst werden, gebildet werden. Alle Tarifarten sind grundsätzlich zulässig, jedoch gebührt dem Gewerbezweigtarif der Vorrang, weil er am besten die gewerbetypischen Gefahren und damit das gemeinschaftliche Risiko erfasst. Ein solcher gewerbezweigorientierter Gefahrtarif basiert auf der Erkenntnis, dass technologisch artverwandte Unternehmen ähnliche Unfallrisiken aufweisen. Er findet damit seine Rechtfertigung in der Gleichartigkeit der Versicherungsfallrisiken und der Präventionserfordernisse in den Betrieben. Der Gewerbezweigtarif ist einfacher handhabbar und geringer fehleranfällig. Aber auch gemischte Tarife in diesem Sinne sind grundsätzlich zulässig (BSG, Urteil vom 24.06.2003, a.a.O., juris Rn. 23). Die Gefahrklassen werden aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet (§ 157 Abs. 3 SGB VII).
(2) Der Gefahrtarif ist unabhängig von der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde (§ 158 SGB VII) durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit überprüfbar, allerdings als autonom gesetztes objektives Recht nur dahingehend, ob er mit dem Gesetz, also mit dem SGB VII und mit sonstigem höherrangigem Recht vereinbar ist. Ähnlich wie dem Gesetzgeber ist den ihre Angelegenheiten selbst regelnden öffentlich-rechtlichen Körperschaften als Stellen der mittelbaren Staatsverwaltung, somit auch den Trägern der Sozialversicherung, ein nicht zu eng bemessener Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum eingeräumt, soweit sie innerhalb der ihnen erteilten gesetzlichen Ermächtigung Recht setzen. Die Prüfung, ob der Gefahrtarif die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Regelung trifft, ist nicht Aufgabe der Gerichte (BSG, Urteil vom 11.04.2013, a.a.O., juris Rn. 17).
(3) Die Beklagte hat in ihrem am 01.01.2008 in Kraft getretenen Gefahrtarif - wie bereits zuvor - als Anknüpfungspunkt für die Bildung von Gefahrtarifstellen die Gewerbezweige gewählt. So hat sie den hier im Streit stehenden Gewerbezweig "Bäckereien, Konditoreien" gebildet und zur Gewerbegruppe 11 "Herstellung von Back- und Konditoreiwaren, soweit nicht in Gefahrtarifstelle 2 genannt; Herstellung von Grundteigen, Teiglingen und Hefeklößen" zusammengefasst. Bei einem Gewerbezweiggefahrtarif wird nicht auf die konkreten Tätigkeiten der Beschäftigten, sondern auf die Art des Unternehmens/Gewerbes abgestellt. Innerhalb eines jeden Gewerbezweiges gibt es unterschiedliche Tätigkeiten und unterschiedliche Gefährdungsrisiken. Als Beispiel hat das BSG für den Gewerbezweig "Kreditinstitut" auf die Tätigkeit eines kaufmännischen Angestellten in der Revisionsabteilung mit einem Fahrer oder einem hauseigenen Wachmann hingewiesen (Urteil vom 24.06.2003, a.a.O., juris Rn. 28). Bereits in einer älteren Entscheidung hat das BSG ausgeführt, dass es unberücksichtigt bleiben muss, ob innerhalb eines zu einem bestimmten Gewerbe gehörenden Unternehmens nicht nur ausschließlich gewerbeverbundene Arbeitsplätze und daneben auch an sich dem jeweiligen Gewerbe fremde Arbeitsplätze, wie z.B. in einer Unternehmensverwaltung gibt. In solchen Fällen ist hinzunehmen, dass gewerbefremde Arbeitsplätze weniger gefährdend sind als solche, die dem Gewerbe unmittelbar zuzuordnen sind (BSG, Urteil vom 29.10.1981, 8/8a RU 34/80, bestätigt durch Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 04.03.1982, 1 BvR 34/82, juris). Diese Risikomischung auf der Ebene des jeweiligen Gewerbezweiges ist die Konsequenz eines Gewerbetarifes, also einer Entscheidung, die der Selbstverwaltung des Unfallversicherungsträgers vorbehalten ist (BSG, Urteil vom 24.06.2003, a.a.O., juris Rn. 28).
Wird im Allgemeinen der Gesamtbetrieb mit seiner durchschnittlichen gewerbetypischen Unfallgefahr zur einer Gefahrklasse veranlagt, können die gesetzlichen Unfallversicherungsträger aber abgrenzbare Teile aus Unternehmen desselben Gewerbezweiges zu einer besonderen Bewertung im Gefahrtarif zusammenfassen (BSG, Urteil vom 22.03.1983, 2 RU 27/81, juris Rn. 14). Unterliegen abgrenzbare Betriebsteile unterschiedlichen Unfallrisiken, wird auf diese Weise dem Gebot der Gefahrabstufung Rechnung getragen, weil innerhalb der Gewerbezweige diejenigen Unternehmen höher belastet werden, die einen größeren Anteil gefahrträchtiger Betriebsteile haben; gleichzeitig begünstigt eine derartige Regelung Betriebe mit hohem Anteil geringerer Risiken. Das BSG hat in seinem Urteil vom 22.03.1983 (a.a.O.) entschieden, dass es nicht zu beanstanden sei, wenn in einem nach Gewerbezweigen erstellten Gefahrtarif Verwaltungen, denen Produktionsstätten nicht unmittelbar angeschlossen sind, wegen einer darin bestehenden abweichenden Unfallgefahr aus dem Unternehmen herausgelöst und einer eigenen Bewertung im Gefahrtarif unterzogen werden. In diesem Sinne hat die Beklagte für den Unternehmensbereich Büro eine eigene Gefahrtarifstelle geschaffen. Das BSG hat dabei jedoch ausdrücklich betont, dass ein Anspruch auf Zuweisung abgrenzbarer Unternehmensteile zu einer besonderen Gefahrtarifstelle bzw. Gefahrklasse nicht besteht (so auch BSG, Urteil vom 29.10.1981, a.a.O., juris Rn. 26). Soweit der Gefahrtarif 2008 für den Bereich Vertrieb keine gesonderte Gefahrtarifstelle mehr ausweist, ist dies demnach nicht zu beanstanden, auch wenn Betriebe mit einem relativ größeren Vertriebsbereich dadurch belastet werden. Der Gesichtspunkt, dass in einer Gefahrengemeinschaft nur annähernd gleiche Gefährdungsrisiken nach § 157 Abs. 2 Satz 1 SGB VII zusammengefasst werden dürfen, kommt nur dann zum Tragen, wenn mehrere Gewerbezweige in einer Gefahrtarifstelle zusammengefasst werden (BSG, Urteil vom 24.06.2003, a.a.O., Rn. 28). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Streiterheblich war diese Fragestellung allerdings im Rahmen der Entscheidung des BSG vom 11.04.2013 (a.a.O.), als es darum ging, ob die bis 31.12.2004 im Gefahrtarif getrennt geführten Gewerbezweige Bäckereien einerseits und Konditoreien andererseits mit dem ab 01.01.2005 in Kraft getretenen Gefahrtarif 2005 zu einer gemeinsamen Gefahrtarifstelle zusammengeführt werden durften. Das BSG hatte diese Zusammenlegung der beiden Gewerbearten für rechtmäßig erachtet.
(4) Der Gewerbezweig "Bäckereien und Konditoreien" erfasst auch den Unternehmensbereich Vertrieb. Soweit das SG zu einer anderen Ansicht gelangt ist, stützt es sich auf die Formulierung der Gewerbegruppe 11. Zutreffend ist zwar, dass der Gefahrtarif 2008 - wie schon der Gefahrtarif 2005 - die Gewerbezweige "Bäckereien und Konditoreien" zur Gewerbegruppe 11 "Herstellung von Back- und Konditoreiwaren, soweit nicht in Gefahrtarifstelle 2 genannt; Herstellung von Grundteigen, Teiglingen und Hefeklößen" zusammengefasst und der Vertrieb hierbei nicht genannt ist. Ferner ist es zutreffend, dass der Begriff der "Herstellung" allein den Vertrieb nicht umfasst. Der Terminus "Gewerbegruppe" ist jedoch kein gesetzlich maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die rechtmäßige oder rechtswidrige Gliederung eines Gefahrtarifes (so BSG, Urteil vom 11.04.2013, a.a.O., juris Rn. 31), so dass bereits deshalb aus der Formulierung der Gewerbegruppe 11 keine rechtlichen Schlüsse gezogen werden können.
Auch unter Zugrundelegung des Wortlautes der Gewerbegruppe 11 gehört zur Tarifstelle 1 mit dem Gewerbezweig "Bäckereien und Konditoreien" der Vertrieb. Der Gefahrtarif ist angesichts seines Satzungscharakters wie jede andere Rechtsnorm nach den Grundsätzen der klassischen juristischen Methodenlehre auszulegen. Die Bedeutung der jeweiligen Tarifstelle ist daher ausgehend vom Wortlaut und systematischen Zusammenhang unter Berücksichtigung des Willens des Satzungsgebers sowie des Zweckes der Regelung zu ermitteln. Der Gewerbezweig "Bäckereien und Konditoreien" trennt nicht zwischen Produktion und Vertrieb. Zur Klärung, ob nur die Produktion oder auch der Vertrieb erfasst sein soll, ist auf den Willen des Satzungsgebers abzustellen. Der Richter darf sich einem vom Gesetz-/Satzungsgeber festgelegten Sinn und Zweck eines Gesetzes/einer Satzung nicht entziehen, sondern muss die Grundentscheidung des Normgebers respektieren und dessen Willen möglichst zuverlässig zur Geltung bringen (BVerfG, Beschluss vom 17.09.2013, 1 BvR 1928/12, juris Rn. 33). Die konkreten Normvorstellungen des Gesetzgebers sind aus der Entstehungsgeschichte, insbesondere den Materialien, die dem Gesetzesbeschluss zugrunde gelegen haben, ersichtlich (vgl. Larenz, Rechtstheorie, 6. Aufl. 1991, S. 330). Danach sind die von der Beklagten vorgelegten Tagungsunterlagen maßgeblich für die Ermittlung des Willens des Satzungsgebers. Sowohl die Unterlagen der Beklagten, als auch der Vortrag der Klägerin lassen ohne Zweifel darauf schließen, dass von der Gefahrtarifstelle 1 auch der Vertrieb erfasst sein soll. Das Gegenteil ließe sich weder mit den von der Beklagten erstellten verschiedenen Berechnungsmodellen noch mit dem, ausweislich der Niederschrift über die Sitzung der Vertreterversammlung am 28.06.2007 von den dem Bäckerei- und Konditoreihandwerk zugehörigen Vertretern geäußerten, Wunsch auf Beibehaltung der gesonderten Gefahrtarifstelle für den Vertrieb in Einklang bringen. Mit der Neufassung des Gefahrtarifes sollte nur noch für den Bürobereich eine gesonderte Gefahrtarifklasse bestehen bleiben, während die Gefahrtarifklasse für den Vertrieb aufgelöst werden sollte und zwar für sämtliche Gewerbezweige.
(5) Die streitige Regelung des Gefahrtarifes verletzt auch nicht den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Da die Regelungen des Gefahrtarifes nicht an persönliche Eigenschaften der Unternehmer anknüpfen, sondern an der Art des Unternehmensgegenstandes, sind die Gliederungen im Gefahrtarif der Beklagten nach Maßgabe des Art. 3 Abs. 1 GG nur daraufhin überprüfbar, ob der Satzungsgeber sich in den Grenzen einer zulässigen, den Bedürfnissen einer Massenverwaltung genügenden Typisierung gehalten hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 03.07.2007, 1 BvR 1696/03, juris).
Für die Bildung der Gefahrtarifstelle 1 unter gleichzeitiger Auflösung der im Gefahrtarif 2005 vorhanden gewesenen Gefahrtarifstelle für den Vertrieb sind sachfremde oder willkürliche Erwägungen nicht erkennbar. Die Beklagte ist bei einem nach Gewerbezweigen gegliederten Gefahrtarif berechtigt, aber nicht verpflichtet, für gewerbefremde Arbeitsplätze eine eigene Gefahrtarifstelle zu schaffen (vgl. hierzu die Ausführungen unter 2b)bb)).
(6) Auch die Berechnung der Gefahrklasse der Gefahrtarifstelle 1 ist nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat unter Berücksichtigung der "gezahlten Leistungen" (§ 157 Abs. 3 SGB VII) die jeweiligen Entschädigungsleistungen für Arbeitsunfälle, Wegeunfälle und Berufskrankheiten des Beobachtungszeitraumes, nämlich 2002 bis 2006, sowie die entsprechenden Lohnsummen ermittelt und hieraus die Belastungsziffer (Gefahrklasse) der Back- und Konditoreibetriebe mit 5,2 errechnet. Es ist weder etwas dafür konkret vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Beklagte unzureichendes und nicht nachvollziehbares Zahlenmaterial zugrunde gelegt bzw. zur Verfügung gestellt hat. Die Beklagte hat die vollständigen Genehmigungsunterlagen zum Gefahrtarif 2008 zur Akte gereicht. Es erschließt sich nicht, welches weitere Zahlenmaterial die Beklagte vorlegen sollte. Nur vorsorglich ist darauf hinzuweisen, dass bei der Gefahrtarifbildung bzw. der Gefahrklassenbildung nicht die Gefahrlast einzelner Unternehmen in einem bestimmten Beobachtungszeitraum maßgeblich ist. Im Übrigen werden unter Berücksichtigung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 103 SGG) grundsätzlich keine Ermittlungen auf bloße Behauptungen "ins Blaue hinein" geführt. Amtsermittlungen zur Prüfung der Plausibilität der vorgelegten Daten erfolgen in der Sozialgerichtsbarkeit nur dann, wenn nachvollziehbar dargelegt wird, warum die von der Beklagten vorgelegten Daten in einem Umfang unzutreffend sein könnten, der Auswirkungen auf die Bildung der Gefahrklasse haben könnte. Der Vortrag, die Zusammenlegung der Gefahrklassen 6,0 (Produktion) und 3,0 (Vertrieb) aus dem Gefahrtarif 2005 zu einer gemeinsamen Gefahrklasse müsse unterhalb der jetzt errichteten Gefahrklasse von 5,2 liegen, reicht nicht aus.
c) Die Zuweisung der Klägerin zum Gewerbezweig Bäckereien, Konditoreien zur Gefahrtarifstelle 1 ist ebenfalls rechtmäßig. Dies gilt auch für die von der Klägerin betriebenen Filialen, die kein Nebenunternehmen im Sinne von Teil II Nr. 3 des Gefahrtarifes 2008 darstellen. Nach Teil II Nr. 3 setzt die Beklagte für Nebenunternehmen die Gefahrklasse gesondert fest. Der Begriff des Nebenunternehmens entstammt dem Zuständigkeitsrecht der Unfallversicherungsträger und ist in § 131 Abs. 2 Satz 3 SGB VII geregelt. Selbst wenn es sich bei der Klägerin nicht um ein einheitliches Unternehmen, sondern um ein Gesamtunternehmen mit verschiedenartigen Bestandteilen im Sinne von § 131 Abs. 1 SGB VII handeln sollte, wäre die Voraussetzung eines Nebenunternehmens nicht erfüllt. Hierfür wäre erforderlich, dass das Nebenunternehmen überwiegend eigene Zwecke verfolgt. Zwar unterhält die Klägerin seit Dezember 2001 eine zentrale Backstube, an die in der Folgezeit ein Bistro mit angegliedertem Fachgeschäft errichtet wurde sowie aktuell 23 Fachgeschäfte und sog. Bäckerei-Kaffees (vgl. Internet-Auftritt der Klägerin). In sämtlichen Fachgeschäften und Bäckerei-Kaffees werden die eigenen Produkte (Bäckerei- und Konditoreiwaren) verkauft. Damit liegt der Schwerpunkt im Verkauf der selbst erzeugten Waren, sodass die Filialen keinen eigenwirtschaftlichen, sondern einen dem Produktionsbereich dienenden Zweck verfolgen. Im Übrigen ist zu beachten, dass in den Filialen insgesamt drei Produkte vor Ort fertig gebacken werden, sodass in den Filialen nicht nur verkauft, sondern auch - produziert wird. Soweit das SG in diesem Zusammenhang ausgeführt hat, angesichts der Mitarbeiterzahl und der Arbeitsentgeltsummen im Bereich des Vertriebes sei Schwerpunkt des Unternehmens nicht der produzierende Bereich, ist dies nicht überzeugend. Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 19.03.1991 (2 RU 33/90, juris Rn. 29) betont, dass es bei der Bestimmung des Hauptunternehmens gerade nicht auf die Anzahl der Mitarbeiter ankommt und folglich auch die Entgeltsumme nicht maßgeblich sein kann.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VWGO).
4. Der Streitwert war nach § 197a SGG in Verbindung mit § 63 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) entsprechend der sich aus dem Antrag ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen festzusetzen (§§ 47, 52 Abs. 1 GKG). Hiervon ausgehend schließt sich der erkennende Senat der höchstrichterlichen Rechtsprechung bei einem Streit über die richtige Veranlagung eines Unternehmens zu einer im Gefahrtarif einer Berufsgenossenschaft ausgewiesenen Gefahrtarif insoweit an, als ein Streitwert in Höhe des Dreifachen der streitigen Beitragsdifferenz, mindestens in Höhe des Vierfachen des Auffangstreitwertes (= 20.000 Euro) angemessen ist (vgl. BSG, Beschluss vom 03.05.2006, B 2 U 415/05 B, juris Rn. 3f; Streitwertkatalog für die Sozialgerichtsbarkeit, 4. Aufl. 2012, Teil C IX Nr. 2.1). Die Beitragsdifferenz für das Beitragsjahr hat die Beklagte unter dem 02.10.2012 mit 13.968,47 Euro errechnet. Da die Summe von 41.905,41 Euro über dem Mindestbetrag von 20.000,- Euro liegt, war diese als Streitwert festzusetzen.
5. Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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