Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 KO 1307/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Überschreitet der Gutachter den Vorschuss, der nach § 109 SGG für das Gutachten einbezahlt wurde, können die übersteigende Kosten beim Kläger nicht geltend gemacht werden, wenn dieser glaubhaft macht, dass er bei Kenntnis der höheren Kosten von einer (weiteren) Begutachtung abgesehen hätte.
2. Wendet sich der Kläger nach Erstellung eines Gutachtens nach § 109 SGG gegen eine Nachforderung weiterer Kosten, so ist die Erinnerung nach § 178 SGG statthafter Rechtsbehelf, eine Erinnerung nach GKG findet nicht statt.
2. Wendet sich der Kläger nach Erstellung eines Gutachtens nach § 109 SGG gegen eine Nachforderung weiterer Kosten, so ist die Erinnerung nach § 178 SGG statthafter Rechtsbehelf, eine Erinnerung nach GKG findet nicht statt.
Auf die Erinnerung wird die Entscheidung der Kostenbeamtin vom 30.01.2013 insoweit aufgehoben, als darin ein nachzuentrichtender Betrag in Höhe von 1.031,62 EUR von der Erinnerungsführerin gefordert wird.
Gründe:
I.
Die Erinnerungsführerin (Ef.) wendet sich gegen den Ansatz der Kostenbeamtin beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG), wonach sie zu weiteren 1.031,62 EUR herangezogen wird.
Die Ef. verfolgte als Klägerin des beim LSG anhängig gewesenen Verfahrens L 10 R 946/10 einen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. In diesem Verfahren beantragte sie nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), ein Gutachten bei dem Facharzt für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie Dr. H. einzuholen. Hierfür entrichtete sie einen angeforderten Vorschuss in Höhe von 1.500 EUR.
Dr. H. kam in seinem Gutachten vom 02.04.2012 zu dem Ergebnis, dass "eine halb- bis untervollschichtige Tätigkeit ausgeübt werden" sollte; "eine Tätigkeit im zeitlichen Umfang von sechs Stunden oder mehr an fünf Tagen würde sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die Restgesundheit dahingehend auswirken, dass von einer Verschlechterung der Depressivität sowie des dysfunktionalen Krankheitsverhalten ausgegangen werden" müsse. Deshalb solle der Tätigkeitsumfang unter sechs Stunden liegen. In seinem Urteil vom 24.01.2013 schloss sich der 10. Senat der Beurteilung von Dr. H. nicht an; die Voraussetzungen des geltend gemachten Rentenanspruchs seien nicht gegeben.
Die von Dr. H. für das Gutachten in Rechnung gestellten 2531,62 EUR bezahlte das LSG in vollem Umfang.
Mit Schreiben vom 29.01.2013 forderte die Kostenbeamtin die Ef. auf, 1.031,62 EUR nachzuentrichten. Mit Schreiben vom 15.02.2013 beantragte die Ef., die Kosten für das Gutachten auf die Staatskasse zu übernehmen, hilfsweise, die den Vorschuss von 1.500 EUR übersteigenden Kosten auf die Staatskasse zu übernehmen, da die Forderung von Dr. H. entsprechend zu kürzen gewesen wäre. Der Gutachter habe nicht darauf hingewiesen, dass er den Vorschuss von 1.500 EUR überschreiten werde, obwohl er dem Auftrag entnehmen konnte, dass dies zu einer Kürzung der Sachverständigenentschädigung führen könne. Eine solche Kürzung hätte die Kostenbeamtin auch vornehmen müssen, da die Antragstellerin bei rechtzeitiger Kenntnis von den um ca. 60 % höheren Kosten von einer weiteren Begutachtung abgesehen hätte, da die Kosten nicht von einer Rechtsschutzversicherung übernommen würden und sie mittellos sei.
Mit Beschluss vom 28.02.2013 lehnte der 10. Senat die Übernahme der Kosten für das Gutachten nach § 109 SGG auf die Staatskasse ab. Auch der Hilfsantrag habe keinen Erfolg, weil die von der Ef. insoweit geltend gemachte unrichtige Sachbehandlung keine im Rahmen der Entscheidung über die endgültige Kostentragung relevante Erwägung darstelle.
Mit Schreiben vom 13.03.2013 hat sich die Ef. gegen den Kostenansatz der Kostenbeamtin vom 30.01.2013 gewandt und beantragt, die von ihr nachgeforderten Kosten in Höhe von 1.031,62 EUR nicht zu erheben. Es liege eine unrichtige Sachbehandlung nach § 21 Abs. 1 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) vor.
Der Bezirksrevisor ist der Auffassung, dass eine Beschränkung der Kosten auf den Vorschuss durchaus in Frage komme. Es sei nicht fundiert zu beurteilen, ob die Ef. bei pflichtgemäßer Anzeige der höheren Kosten an der Begutachtung festgehalten hätte.
II.
Bei dem Antrag handelt sich um eine Erinnerung nach § 178 SGG (Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 11. Auflage 2014, § 109 Rn. 21; Roller, in Hk-SGG, 4. Auflage 2012, § 109 Rn. 34; a.A. Peters/Sauter/Wollf, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, Stand 2013, § 109 Rn. 7; letztlich offengelassen in Thüringer LSG, Beschluss vom 09.02.2010 – L 6 SF 2/10 –). Eine Erinnerung nach § 66 Absatz 1 GKG kommt hingegen nicht in Betracht. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 GKG findet das GKG Anwendung, soweit das SGG die Anwendung des GKG bestimmt. Zwar wird nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG das GKG für anwendbar erklärt, jedoch nur in den Fällen, in denen weder der Kläger noch der Beklagte zu den nach § 183 SGG genannten Personen gehören. Um einen solchen Fall handelt es sich vorliegend jedoch gerade nicht, da für die Klägerin als Versicherte in einem Rentenverfahren das Verfahren nach § 183 Satz 1 SGG kostenfrei ist.
Nach § 178 SGG kann gegen die Entscheidungen des Urkundsbeamten binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet. Die Ef. wendet sich gegen das Schreiben der Kostenbeamtin, mit dem diese weitere Kosten in Höhe von 1.031,62 EUR von ihr fordert. In gerichtskostenpflichtigen Verfahren ergäbe sich ein Anspruch der Ef. auf Nichterhebung von Kosten aus § 21 GKG. Für Kosten nach § 109 SGG kennt das SGG eine vergleichbare Regelung nicht. Eine direkte Anwendung von § 21 GKG scheitert bereits daran, dass es sich bei Kosten, die für ein Gutachten nach § 109 SGG anfallen und die von dem Kläger endgültig zu tragen sind, nicht um Gerichtskosten im Sinne des GKG handelt. Zum einen ist das GKG mangels Verweis in § 109 SGG für diese Kosten nicht anwendbar (s.o.). Zum anderen fallen sie gerade in gerichtskostenfreien Verfahren an und werden weder von der Kostenentscheidung nach § 193 SGG erfasst, noch wird für sie Prozesskostenhilfe gewährt (§ 73a Abs. 3 SGG).
Jedoch ist, da es sich um Kosten in einem gerichtlichen Verfahren handelt, § 21 GKG analog anzuwenden. Eine planwidrige Regelungslücke liegt vor, da § 109 SGG keine Regelung darüber enthält, wie die Kosten für ein Gutachten gegenüber dem Kläger konkret geltend gemacht werden.
§ 21 Absatz 1 GKG ermöglicht, Kosten nicht zu erheben, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären. Von der Kostenerhebung ist nach dieser Vorschrift nur dann abzusehen, wenn ein schwerer Mangel im Sinne einer eindeutigen und offenkundig unrichtigen Sachbehandlung durch das Gericht vorliegt (vgl. BSG, Beschluss vom 29.12.2011 – B 13 SF 3/11 S –; BGH, Beschluss vom 10.3.2003 – IV ZR 306/00 –; BFH, Beschluss vom 13.11.2002 – I E 1/02 –; alle in juris). So liegt Unrichtigkeit u.a. dann vor, wenn ein Gutachten unverhältnismäßig hohe Kosten verursacht (Hartmann, Kostengesetze 45. Auflage 2015, GKG § 21 Rn. 24). Gleiches gilt, wenn das Gericht dem Gutachter eine Vergütung zahlt, auf die dieser bei richtiger Behandlung der Sache keinen Anspruch gehabt hätte.
So liegt der Fall hier. Die Kostenbeamtin hat dem Gutachter die volle von diesem geltend gemachte Summe erstattet, obwohl er den Vorschuss von 1.500 EUR um mehr als 1.000 EUR (d.h. mehr als 60 %) überschritten hatte. Kostenrechtlich ist hierbei von entscheidender Bedeutung, dass es sich um ein Gutachten nach § 109 Abs. 1 SGG gehandelt hat. Danach kann die grundsätzlich verpflichtende Anhörung eines bestimmten Sachverständigen davon abhängig gemacht werden, dass der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt. Nach § 407a Abs. 3 Satz 2 ZPO, der über § 118 SGG auch auf das sozialgerichtliche Verfahren Anwendung findet, hat der Sachverständige rechtzeitig darauf hinzuweisen, wenn voraussichtliche Kosten erwachsen, die einen angeforderten Kostenvorschuss erheblich übersteigen. Diese Regeln gelten somit auch bei Begutachtungen nach § 109 SGG (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 07.01.2011 – L 2 SF 173/10 B –; Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 10.12.1997 – L 1 SK 1/97 –; Bayerisches LSG, Beschluss vom 31.03.2010 – L 15 SF 400/09 –; alle in juris), weil in diesen Fällen vom Antragsteller ein Vorschuss auf die Gutachtenskosten zu erbringen ist.
In Rechtsprechung und Literatur war auch schon vor der Einführung des § 8a Abs. 4 des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) durch das Zweite Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts (2. KostRMoG) vom 23.07.2013 (BGBl. I S. 2586) anerkannt, dass ein Sachverständiger, der seiner Hinweispflicht nach § 407a Abs. 3 Satz 2 ZPO nicht nachkommt und es schuldhaft versäumt, das Gericht darauf hinzuweisen, dass die voraussichtlichen Gutachterkosten den Auslagenvorschuss erheblich übersteigen, eine Begrenzung seines Entschädigungsanspruches grundsätzlich hinzunehmen hat (Beschluss des Senats vom 18.02.2004 – L 12 U 2047/03 KO-A –, juris; LSG Berlin-Brandenburg a.a.O.; Schleswig-Holsteinisches LSG a.a.O.; Bayerisches LSG a.a.O.; Meyer/Höver/Bach, JVEG, 25. Auflage 2011, § 8 Rn. 8.22). Sinn der Hinweispflicht des Sachverständigen ist es in Fällen wie diesem, dem Betroffenen Gelegenheit zu geben, von einer noch kostspieligeren Beweisaufnahme, als sie der schon erbrachte Vorschuss vermuten ließ, Abstand zu nehmen (Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 05.10.2009 – L 15 SF 120/09 –, Rn. 11, juris).
Das LSG hat hier im Verfahren L 10 R 946/10 einen Kostenvorschuss in durchschnittlicher Höhe von 1.500 EUR angefordert, wie er in zahlreichen anderen sozialgerichtlichen Verfahren – insbesondere in Rentenverfahren – vielfach ausreichend ist, um die Kosten einer Begutachtung nach § 109 SGG abzudecken. Wegen des aus § 109 SGG für die Ef. resultierenden Kostenrisikos hat der Gutachter Dr. H. mit der Beweisanordnung vom 16.03.2011 ausdrücklich folgenden Hinweis erhalten: "Der vom Gericht angeforderte Kostenvorschuss beläuft sich auf 1.500 EUR. Erwachsen voraussichtlich Kosten, die den angeforderten Kostenvorschuss erheblich übersteigen, müssen Sie rechtzeitig darauf hinweisen (§ 407a Abs. 3 Satz 2 ZPO). Unterbleibt ein rechtzeitiger Hinweis, kann dies zu einer Kürzung der Sachverständigenentschädigung führen."
Zwar führt die Verletzung der Hinweispflicht nicht zwangsläufig zu einer Begrenzung der Entschädigung. Der Sachverständige, der einen gebotenen Hinweis unterlässt, trägt aber das Risiko dafür, dass im Nachhinein nicht mehr aufgeklärt werden kann, ob bei rechtzeitiger Anzeige die Tätigkeit des Sachverständigen weder eingeschränkt noch unterbunden worden wäre (Beschluss des Senats vom 18.02.2003, a.a.O.). Voraussetzung einer Begrenzung des Entschädigungsanspruches ist – neben einem unterlassenen Hinweis – eine erhebliche Überschreitung des eingeholten Kostenvorschusses, was bei einer Überschreitung von mehr als 60 % des geleisteten Vorschusses anzunehmen ist. Schließlich ist zu berücksichtigen, ob und inwieweit die rechtzeitige Mitteilung des Sachverständigen dazu geführt hätte, dass durch eine Einschränkung oder Rücknahme des Auftrags die Kosten des Gutachtens geringer geworden wären. Deshalb unterbleibt eine Begrenzung des Entschädigungsanspruches, wenn bei verständiger Würdigung aller Umstände unter Anlegung eines objektiven Maßstabes davon auszugehen ist, dass auch bei pflichtgemäßer Anzeige die Tätigkeit des Sachverständigen weder eingeschränkt noch ihre Fortsetzung unterbunden worden wäre (Beschluss des Senats vom 18.02.2003, a.a.O.).
Für die Beurteilung der Kausalität der Pflichtverletzung kommt es somit maßgebend darauf an, inwieweit die Ef. auch höhere Kosten für das Gutachten übernommen hätte. Hierzu hat sie nachvollziehbar dargelegt, dass sie, da sie mittellos und ohne Rechtschutzversicherung ist, von einer weiteren Tätigkeit des Sachverständigen Abstand genommen hätte. Es besteht kein Grund, dies zu bezweifeln, zumal die Ef. nicht zwingend an einer schnellen Begutachtung interessiert war, was sich bereits darin zeigt, dass sie selbst einen Begutachtungstermin verschoben hat. Insofern hätte sie auch die Verzögerung durch die Beauftragung eines anderen Sachverständigen in Kauf genommen. Darüber hinaus war Streitgegenstand lediglich eine (verhältnismäßig geringe) Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.
Somit war die Entschädigung für das Gutachten bei richtiger Behandlung der Sache auf den gezahlten Vorschuss von 1.500 EUR zu begrenzen (Bayrisches LSG, u.a. Beschluss vom 27.04.2010 – L 15 SF 100/10 –, juris). Die weiteren 1.031,62 EUR können somit bei der Ef. nicht erhoben werden.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 178 SGG).
Gründe:
I.
Die Erinnerungsführerin (Ef.) wendet sich gegen den Ansatz der Kostenbeamtin beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG), wonach sie zu weiteren 1.031,62 EUR herangezogen wird.
Die Ef. verfolgte als Klägerin des beim LSG anhängig gewesenen Verfahrens L 10 R 946/10 einen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. In diesem Verfahren beantragte sie nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), ein Gutachten bei dem Facharzt für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie Dr. H. einzuholen. Hierfür entrichtete sie einen angeforderten Vorschuss in Höhe von 1.500 EUR.
Dr. H. kam in seinem Gutachten vom 02.04.2012 zu dem Ergebnis, dass "eine halb- bis untervollschichtige Tätigkeit ausgeübt werden" sollte; "eine Tätigkeit im zeitlichen Umfang von sechs Stunden oder mehr an fünf Tagen würde sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die Restgesundheit dahingehend auswirken, dass von einer Verschlechterung der Depressivität sowie des dysfunktionalen Krankheitsverhalten ausgegangen werden" müsse. Deshalb solle der Tätigkeitsumfang unter sechs Stunden liegen. In seinem Urteil vom 24.01.2013 schloss sich der 10. Senat der Beurteilung von Dr. H. nicht an; die Voraussetzungen des geltend gemachten Rentenanspruchs seien nicht gegeben.
Die von Dr. H. für das Gutachten in Rechnung gestellten 2531,62 EUR bezahlte das LSG in vollem Umfang.
Mit Schreiben vom 29.01.2013 forderte die Kostenbeamtin die Ef. auf, 1.031,62 EUR nachzuentrichten. Mit Schreiben vom 15.02.2013 beantragte die Ef., die Kosten für das Gutachten auf die Staatskasse zu übernehmen, hilfsweise, die den Vorschuss von 1.500 EUR übersteigenden Kosten auf die Staatskasse zu übernehmen, da die Forderung von Dr. H. entsprechend zu kürzen gewesen wäre. Der Gutachter habe nicht darauf hingewiesen, dass er den Vorschuss von 1.500 EUR überschreiten werde, obwohl er dem Auftrag entnehmen konnte, dass dies zu einer Kürzung der Sachverständigenentschädigung führen könne. Eine solche Kürzung hätte die Kostenbeamtin auch vornehmen müssen, da die Antragstellerin bei rechtzeitiger Kenntnis von den um ca. 60 % höheren Kosten von einer weiteren Begutachtung abgesehen hätte, da die Kosten nicht von einer Rechtsschutzversicherung übernommen würden und sie mittellos sei.
Mit Beschluss vom 28.02.2013 lehnte der 10. Senat die Übernahme der Kosten für das Gutachten nach § 109 SGG auf die Staatskasse ab. Auch der Hilfsantrag habe keinen Erfolg, weil die von der Ef. insoweit geltend gemachte unrichtige Sachbehandlung keine im Rahmen der Entscheidung über die endgültige Kostentragung relevante Erwägung darstelle.
Mit Schreiben vom 13.03.2013 hat sich die Ef. gegen den Kostenansatz der Kostenbeamtin vom 30.01.2013 gewandt und beantragt, die von ihr nachgeforderten Kosten in Höhe von 1.031,62 EUR nicht zu erheben. Es liege eine unrichtige Sachbehandlung nach § 21 Abs. 1 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) vor.
Der Bezirksrevisor ist der Auffassung, dass eine Beschränkung der Kosten auf den Vorschuss durchaus in Frage komme. Es sei nicht fundiert zu beurteilen, ob die Ef. bei pflichtgemäßer Anzeige der höheren Kosten an der Begutachtung festgehalten hätte.
II.
Bei dem Antrag handelt sich um eine Erinnerung nach § 178 SGG (Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 11. Auflage 2014, § 109 Rn. 21; Roller, in Hk-SGG, 4. Auflage 2012, § 109 Rn. 34; a.A. Peters/Sauter/Wollf, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, Stand 2013, § 109 Rn. 7; letztlich offengelassen in Thüringer LSG, Beschluss vom 09.02.2010 – L 6 SF 2/10 –). Eine Erinnerung nach § 66 Absatz 1 GKG kommt hingegen nicht in Betracht. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 GKG findet das GKG Anwendung, soweit das SGG die Anwendung des GKG bestimmt. Zwar wird nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG das GKG für anwendbar erklärt, jedoch nur in den Fällen, in denen weder der Kläger noch der Beklagte zu den nach § 183 SGG genannten Personen gehören. Um einen solchen Fall handelt es sich vorliegend jedoch gerade nicht, da für die Klägerin als Versicherte in einem Rentenverfahren das Verfahren nach § 183 Satz 1 SGG kostenfrei ist.
Nach § 178 SGG kann gegen die Entscheidungen des Urkundsbeamten binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet. Die Ef. wendet sich gegen das Schreiben der Kostenbeamtin, mit dem diese weitere Kosten in Höhe von 1.031,62 EUR von ihr fordert. In gerichtskostenpflichtigen Verfahren ergäbe sich ein Anspruch der Ef. auf Nichterhebung von Kosten aus § 21 GKG. Für Kosten nach § 109 SGG kennt das SGG eine vergleichbare Regelung nicht. Eine direkte Anwendung von § 21 GKG scheitert bereits daran, dass es sich bei Kosten, die für ein Gutachten nach § 109 SGG anfallen und die von dem Kläger endgültig zu tragen sind, nicht um Gerichtskosten im Sinne des GKG handelt. Zum einen ist das GKG mangels Verweis in § 109 SGG für diese Kosten nicht anwendbar (s.o.). Zum anderen fallen sie gerade in gerichtskostenfreien Verfahren an und werden weder von der Kostenentscheidung nach § 193 SGG erfasst, noch wird für sie Prozesskostenhilfe gewährt (§ 73a Abs. 3 SGG).
Jedoch ist, da es sich um Kosten in einem gerichtlichen Verfahren handelt, § 21 GKG analog anzuwenden. Eine planwidrige Regelungslücke liegt vor, da § 109 SGG keine Regelung darüber enthält, wie die Kosten für ein Gutachten gegenüber dem Kläger konkret geltend gemacht werden.
§ 21 Absatz 1 GKG ermöglicht, Kosten nicht zu erheben, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären. Von der Kostenerhebung ist nach dieser Vorschrift nur dann abzusehen, wenn ein schwerer Mangel im Sinne einer eindeutigen und offenkundig unrichtigen Sachbehandlung durch das Gericht vorliegt (vgl. BSG, Beschluss vom 29.12.2011 – B 13 SF 3/11 S –; BGH, Beschluss vom 10.3.2003 – IV ZR 306/00 –; BFH, Beschluss vom 13.11.2002 – I E 1/02 –; alle in juris). So liegt Unrichtigkeit u.a. dann vor, wenn ein Gutachten unverhältnismäßig hohe Kosten verursacht (Hartmann, Kostengesetze 45. Auflage 2015, GKG § 21 Rn. 24). Gleiches gilt, wenn das Gericht dem Gutachter eine Vergütung zahlt, auf die dieser bei richtiger Behandlung der Sache keinen Anspruch gehabt hätte.
So liegt der Fall hier. Die Kostenbeamtin hat dem Gutachter die volle von diesem geltend gemachte Summe erstattet, obwohl er den Vorschuss von 1.500 EUR um mehr als 1.000 EUR (d.h. mehr als 60 %) überschritten hatte. Kostenrechtlich ist hierbei von entscheidender Bedeutung, dass es sich um ein Gutachten nach § 109 Abs. 1 SGG gehandelt hat. Danach kann die grundsätzlich verpflichtende Anhörung eines bestimmten Sachverständigen davon abhängig gemacht werden, dass der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt. Nach § 407a Abs. 3 Satz 2 ZPO, der über § 118 SGG auch auf das sozialgerichtliche Verfahren Anwendung findet, hat der Sachverständige rechtzeitig darauf hinzuweisen, wenn voraussichtliche Kosten erwachsen, die einen angeforderten Kostenvorschuss erheblich übersteigen. Diese Regeln gelten somit auch bei Begutachtungen nach § 109 SGG (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 07.01.2011 – L 2 SF 173/10 B –; Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 10.12.1997 – L 1 SK 1/97 –; Bayerisches LSG, Beschluss vom 31.03.2010 – L 15 SF 400/09 –; alle in juris), weil in diesen Fällen vom Antragsteller ein Vorschuss auf die Gutachtenskosten zu erbringen ist.
In Rechtsprechung und Literatur war auch schon vor der Einführung des § 8a Abs. 4 des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) durch das Zweite Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts (2. KostRMoG) vom 23.07.2013 (BGBl. I S. 2586) anerkannt, dass ein Sachverständiger, der seiner Hinweispflicht nach § 407a Abs. 3 Satz 2 ZPO nicht nachkommt und es schuldhaft versäumt, das Gericht darauf hinzuweisen, dass die voraussichtlichen Gutachterkosten den Auslagenvorschuss erheblich übersteigen, eine Begrenzung seines Entschädigungsanspruches grundsätzlich hinzunehmen hat (Beschluss des Senats vom 18.02.2004 – L 12 U 2047/03 KO-A –, juris; LSG Berlin-Brandenburg a.a.O.; Schleswig-Holsteinisches LSG a.a.O.; Bayerisches LSG a.a.O.; Meyer/Höver/Bach, JVEG, 25. Auflage 2011, § 8 Rn. 8.22). Sinn der Hinweispflicht des Sachverständigen ist es in Fällen wie diesem, dem Betroffenen Gelegenheit zu geben, von einer noch kostspieligeren Beweisaufnahme, als sie der schon erbrachte Vorschuss vermuten ließ, Abstand zu nehmen (Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 05.10.2009 – L 15 SF 120/09 –, Rn. 11, juris).
Das LSG hat hier im Verfahren L 10 R 946/10 einen Kostenvorschuss in durchschnittlicher Höhe von 1.500 EUR angefordert, wie er in zahlreichen anderen sozialgerichtlichen Verfahren – insbesondere in Rentenverfahren – vielfach ausreichend ist, um die Kosten einer Begutachtung nach § 109 SGG abzudecken. Wegen des aus § 109 SGG für die Ef. resultierenden Kostenrisikos hat der Gutachter Dr. H. mit der Beweisanordnung vom 16.03.2011 ausdrücklich folgenden Hinweis erhalten: "Der vom Gericht angeforderte Kostenvorschuss beläuft sich auf 1.500 EUR. Erwachsen voraussichtlich Kosten, die den angeforderten Kostenvorschuss erheblich übersteigen, müssen Sie rechtzeitig darauf hinweisen (§ 407a Abs. 3 Satz 2 ZPO). Unterbleibt ein rechtzeitiger Hinweis, kann dies zu einer Kürzung der Sachverständigenentschädigung führen."
Zwar führt die Verletzung der Hinweispflicht nicht zwangsläufig zu einer Begrenzung der Entschädigung. Der Sachverständige, der einen gebotenen Hinweis unterlässt, trägt aber das Risiko dafür, dass im Nachhinein nicht mehr aufgeklärt werden kann, ob bei rechtzeitiger Anzeige die Tätigkeit des Sachverständigen weder eingeschränkt noch unterbunden worden wäre (Beschluss des Senats vom 18.02.2003, a.a.O.). Voraussetzung einer Begrenzung des Entschädigungsanspruches ist – neben einem unterlassenen Hinweis – eine erhebliche Überschreitung des eingeholten Kostenvorschusses, was bei einer Überschreitung von mehr als 60 % des geleisteten Vorschusses anzunehmen ist. Schließlich ist zu berücksichtigen, ob und inwieweit die rechtzeitige Mitteilung des Sachverständigen dazu geführt hätte, dass durch eine Einschränkung oder Rücknahme des Auftrags die Kosten des Gutachtens geringer geworden wären. Deshalb unterbleibt eine Begrenzung des Entschädigungsanspruches, wenn bei verständiger Würdigung aller Umstände unter Anlegung eines objektiven Maßstabes davon auszugehen ist, dass auch bei pflichtgemäßer Anzeige die Tätigkeit des Sachverständigen weder eingeschränkt noch ihre Fortsetzung unterbunden worden wäre (Beschluss des Senats vom 18.02.2003, a.a.O.).
Für die Beurteilung der Kausalität der Pflichtverletzung kommt es somit maßgebend darauf an, inwieweit die Ef. auch höhere Kosten für das Gutachten übernommen hätte. Hierzu hat sie nachvollziehbar dargelegt, dass sie, da sie mittellos und ohne Rechtschutzversicherung ist, von einer weiteren Tätigkeit des Sachverständigen Abstand genommen hätte. Es besteht kein Grund, dies zu bezweifeln, zumal die Ef. nicht zwingend an einer schnellen Begutachtung interessiert war, was sich bereits darin zeigt, dass sie selbst einen Begutachtungstermin verschoben hat. Insofern hätte sie auch die Verzögerung durch die Beauftragung eines anderen Sachverständigen in Kauf genommen. Darüber hinaus war Streitgegenstand lediglich eine (verhältnismäßig geringe) Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.
Somit war die Entschädigung für das Gutachten bei richtiger Behandlung der Sache auf den gezahlten Vorschuss von 1.500 EUR zu begrenzen (Bayrisches LSG, u.a. Beschluss vom 27.04.2010 – L 15 SF 100/10 –, juris). Die weiteren 1.031,62 EUR können somit bei der Ef. nicht erhoben werden.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 178 SGG).
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