L 11 R 5597/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 1851/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 5597/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 30.10.2013 und der Bescheid der Beklagten vom 10.08.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.05.2012 abgeändert. Es wird festgestellt, dass der Beigeladene zu 1) in seiner Tätigkeit für die Klägerin in der Zeit vom 14.10.1993 bis 31.03.1997 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.

Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits - mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen zu 2) bis 4) - im Klage- und Berufungsverfahren trägt die Klägerin 4/5 und die Beklagte 1/5.

Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) für die Klägerin seit dem 14.10.1993 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.

Die Klägerin ist eine im Handelsregister des Amtsgerichts Mannheim (HRA ...) eingetragene Kommanditgesellschaft (GmbH & Co KG), die einen Verlag betreibt. Der Verlag gibt verschiedene Lokalzeitungen heraus, die ua lokale Nachrichten, amtliche Mitteilungen von Gemeinden, Vereinsberichte und Veranstaltungskalender sowie private und gewerbliche Anzeigen enthalten. Diese Lokalzeitungen werden teils kostenlos, teils gegen eine Gebühr (derzeit ca 10 bis 20 EUR pro Halbjahr) im Abonnement vertrieben.

Der am 08.04.1959 geborene Beigeladene zu 1) war ab dem 14.10.1993 als Redakteur für den Verlag der Klägerin tätig. Vertragliche Grundlage waren verschiedene Rahmenvereinbarungen, Dienstverträge, Verträge über freie Mitarbeit und Zusatzvereinbarungen, exemplarisch: Rahmenvereinbarung vom 12.01.1994 (Blatt 49 SG-Akte), Rahmenvereinbarung vom 07.06.1995 (Blatt 50/51 SG-Akte), Dienstvertrag vom 22.05.1997 (Blatt 52/54 SG-Akte), Rahmenvertrag vom 01.06.1999 (Blatt 55 SG-Akte), Rahmenvereinbarung vom 10.03.2003 (Blatt 57/58 SG-Akte). Rahmenvereinbarung vom 01.06.2003 (Blatt 59/60 SG-Akte).

Die Klägerin und der Beigeladene zu 1) vereinbarten dabei jeweils, dass der Beigeladene zu 1) seine Tätigkeit als Redakteur im Rahmen einer freien Mitarbeit zu leisten habe.

In der Rahmenvereinbarung vom 12.01.1994 vereinbarten der Rechtsvorgänger der Klägerin und der Beigeladene zu 1) die Mitarbeit des Beigeladenen zu 1) in der Redaktion der "S. Woche". Sie vereinbarten eine Vergütung für jedes veröffentlichte Bild in Höhe von 20 DM und einen Stundensatz für sonstige Tätigkeiten in Höhe von 20 DM.

In der Rahmenvereinbarung vom 07.06.1995 vereinbarten der Rechtsvorgänger der Klägerin und der Beigeladene zu 1), dass der Beigeladene zu 1) die selbständige und eigenverantwortliche Redaktion für die "H. Woche" übernehmen sollte. Sie vereinbarten ein Zeilenhonorar von 30 Pfennigen und ein Bildhonorar von 20 DM für jedes veröffentlichte Bild (Titelbild: 30 DM). Für das Redigieren, das Layouten am PC und andere Tätigkeiten vereinbarten sie wiederum einen Stundensatz von 20 DM. Der Beigeladene zu 1) verpflichtete sich, dass im Falle von Krankheit oder Urlaub die redaktionelle Berichterstattung durch Vorarbeiten oder durch Einsetzen von Ersatzredakteuren weitergeführt werde, wobei die Entlohnung von Aushilfskräften nach vorheriger Absprache von der Rechtsvorgängerin der Klägerin übernommen werden sollten. Außerdem vereinbarten sie, dass, sofern der "seltene Fall" eintreten sollte, dass der Beigeladene zu 1) krank sei und alle Aushilfsredakteure ausfallen, der Beigeladene zu 1) nicht in Haftung genommen werde.

Im Dienstvertrag vom 22.05.1997 vereinbarten der Rechtsvorgänger der Klägerin und der Beigeladene zu 1) mit Wirkung vom 01.04.1997 für die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als freier Redakteur für "W. aktuell", die "L. Woche" und Wochenzeitungen im Umkreis von 50 km sowie das Redigieren von Vereins- und Kirchenmitteilungen eine "monatliche Pauschalvergütung" von 5.350 DM zzgl einem Honorar von 20 DM für jedes veröffentlichte Foto (Titelbild wiederum 30 DM).

Im Rahmenvertrag vom 01.06.1999 vereinbarten der Rechtsvorgänger der Klägerin und der Bei-geladene zu 1) für die Redaktion diverser Wochenblätter eine "monatliche Pauschale" von 7.350 DM zzgl einem Honorar für veröffentlichte Fotos.

Mit der Rahmenvereinbarung vom 10.03.2003 wurde das "Honorar" für die vom Beigeladenen zu 1) zu betreuenden Zeitschriften auf insgesamt 4.350 EUR ("monatliche Gesamtpauschale", Bl 58 SG-Akte) und mit der Rahmenvereinbarung vom 01.06.2003 auf 4.600 EUR erhöht, wobei im Leistungsumfang ein Wochenblatt hinzutrat.

Im Januar 2011 beantragte der Beigeladene zu 1) bei der Beklagten die Feststellung, dass seine Tätigkeit für die Klägerin der Sozialversicherungspflicht unterlegen habe. Dabei gab er an, er habe Wochenzeitungen nach genauen Vorgaben wie Seitenzahlen, Inhalt und Erscheinungsbild erstellen müssen und sei in einen vorgegebenen Produktionsablauf eingebunden gewesen. Er sei regelmäßig durch den Verleger kontrolliert worden. Dessen Vorgaben seien streng einzuhalten gewesen und er habe kaum Spielraum für Eigenständiges gehabt. Seine Arbeits- und Anwesenheitszeiten hätten denen eines Angestellten entsprochen, mit dem einzigen Unterschied, dass er keine Stechkarte gehabt habe. Für seine Arbeit als Redakteur habe er einen PC, eine Fotokamera mit Blitz, einen Camcorder, Schreibmaterial und Computersoftware und ein Fahrzeug benötigt. Alle diese Arbeitsmittel seien von der Klägerin zur Verfügung gestellt worden. Eigene Betriebsmittel habe er nicht eingesetzt. Er habe die Arbeiten persönlich ausgeführt und keine Hilfskräfte eingesetzt. Von der Klägerin habe er Weisungen fachlicher Art erhalten. Das fachliche Letztentscheidungsrecht habe die Klägerin gehabt. Alle Tätigkeiten habe er im Verlagsgebäude der Klägerin ausgeführt. An Kosten habe er sich nicht beteiligten müssen. Im Falle einer Verhinderung hätten Kollegen seine Arbeit übernommen. Er hat ua die Kopie eines Gesprächsprotokolls vom 19.09.2007 (Bl 40 Verwaltungsakte) sowie E-Mails und Schreiben der Klägerin an ihn (Bl 24 ff, 42, 61 f Verwaltungsakte; vgl auch Bl 218, 221 Senatsakte) vorgelegt.

Die Klägerin gab gegenüber der Beklagten an, auf der Grundlage der zuletzt geschlossenen Rahmenvereinbarung vom 01.06.2003 seien Einzelaufträge an den Beigeladenen zu 1) erteilt worden. Er habe als freier Redakteur gearbeitet. Seine Aufgabe sei es gewesen, selbstständig und eigenverantwortlich für diverse Wochenblätter zu berichten. In der Einteilung seiner Arbeitszeit und der Wahl seines Arbeitsortes sei er frei gewesen. Einen erheblichen Teil seiner Arbeitszeit sei er vor Ort in den Gemeinden gewesen, über die er berichtet habe. Über den Inhalt und die Auswahl der Berichte habe es keine Weisungen gegeben. Auch sonst habe er keine Weisungen oder fachliche Vorgaben erhalten. Er habe teilweise eigenes Kapital eingesetzt, sei aber auch berechtigt gewesen, teilweise Arbeitsmittel der Klägerin zu nutzen. In der Wahl der Arbeitsmittel sei er frei gewesen. Er habe seine Arbeiten überwiegend persönlich ausgeführt, habe nach ihrer Kenntnis aber auch Hilfskräfte eingesetzt. Dies habe insbesondere für Urlaubs- und Krankheitszeiten gegolten, wobei ihr aber nichts Näheres bekannt sei, da er sich Abwesenheitszeiten nicht habe genehmigen lassen müssen. Für sie sei lediglich entscheidend gewesen, dass er zum vereinbarten Redaktionsschluss seine Text- und Bildberichte vorgelegt habe. Ob er diese selbst erstellt oder durch Dritte habe erstellen lassen, habe allein er entschieden. In die Betriebshierarchie sei er nicht eingebunden gewesen. Soweit er sich in den Räumen der Klägerin aufgehalten habe, habe er hierfür keine Kosten tragen müssen, da er seinen Arbeitsort frei habe wählen können. Ein Aufenthalt in ihren Räumen sei teilweise sinnvoll gewesen, um beispielsweise das Lay-out abzustimmen. An bestimmte Arbeitszeiten sei er nicht gebunden gewesen. Daher sei ihr auch der zeitliche Umfang seiner Tätigkeit nicht bekannt gewesen. Eine arbeitsteilige Zusammenarbeit mit Mitarbeitern der Klägerin sei nicht erfolgt. Lediglich eine Abstimmung des Layouts sei erforderlich gewesen. Als Mitarbeiter der Klägerin sei er nicht aufgetreten. Er habe die ausdrückliche Zustimmung der Klägerin zur Akquirierung anderer Auftraggeber gehabt. Zusammenfassend habe sie keine Anhaltspunkte für die Annahme gesehen, dass es sich um ein abhängiges Arbeitsverhältnis habe handeln können. Hierfür habe auch gesprochen, dass es allgemein üblich sei, dass ein freier Redakteur werbend auf dem Markt auftrete und seine Berichte an Redaktionen verkaufe.

Mit Anhörungsschreiben vom 06.05.2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie beabsichtige festzustellen, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) für die Klägerin der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlegen habe.

Die Klägerin nahm hierzu Stellung und führte aus, die von der Beklagten angenommenen Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis würden nicht zutreffen. Der Beigeladene zu 1) sei in den Produktionsablauf nicht eingebunden gewesen und habe seine Arbeitsleistung völlig frei ausüben können. Er habe lediglich allgemeine Vorgaben erhalten, jedoch keine An-weisungen. Ihm seien keine Arbeits- oder Anwesenheitszeiten vorgegeben worden. Eine Team-arbeit sei nicht vorgeschrieben gewesen, da der Beigeladene zu 1) für seinen Bereich allein verantwortlich gewesen sei. Er habe eigene Betriebsmittel eingesetzt und sei nicht als Arbeitnehmer der Klägerin aufgetreten. Er habe auch keine feste Vergütung in Form eines Monatsgehalts erhalten. Für Urlaubsvertretungen sei er selbst verantwortlich gewesen.

Mit Bescheid vom 10.08.2011 stellte die Beklagte fest, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) für die Klägerin ab dem 14.10.1993 als abhängige Beschäftigung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlegen habe. Die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis (Einbindung in einen vorgegebenen Produktionsablauf, Vorgaben der Klägerin, Kontrolle der Auftragsausführung durch die Klägerin, vorgegebene Arbeits- und Anwesenheitszeiten, Ausübung der Tätigkeit am Betriebssitz der Klägerin, Pflichtteilnahme an Redaktionssitzungen, Zusammenarbeit in Form von Teamarbeit, kein unternehmerisches Risiko, Zur-Verfügung-Stellung von notwendigen Arbeitsmitteln, kein Einsatz von eigenen Betriebsmitteln durch den Beigeladenen zu 1), Weisungen fachlicher Art, Letztentscheidungsrecht der Klägerin, Auftreten als Mitarbeiter der Klägerin, feste Vergütung in Form eines Monatsgehalts und Einteilung von Urlaubsvertretungen) würden gegenüber denjenigen für eine selbstständige Tätigkeit (eigenverantwortliche Entscheidungsfreiheit des Beigeladenen zu 1), keine Vereinbarung einer höchstpersönlichen Ausübung der Tätigkeit, keine Kontrolle der Klägerin) überwiegen.

Die Klägerin erhob hiergegen Widerspruch und verwies auf ihre bisherigen Ausführungen. Die Beklagte sei von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Ergänzend führte sie aus, unabhängig davon, dass der Beigeladene zu 1) eigenes Kapital eingesetzt habe, sei der Einsatz eigenen Kapitals für eine Einordnung als freier Mitarbeiter nicht zwingend erforderlich. Dies gelte insbesondere für eine freie redaktionelle Tätigkeit, für die der Einsatz von Kapital nicht kennzeichnend sei. Auf ihre Argumente sei die Beklagte nicht eingegangen.

Der Beigeladene zu 1) nahm hierzu Stellung und führte aus, er habe niemals eigenes Kapital eingesetzt. Sämtliche Arbeitsmittel seien von der Klägerin bezahlt worden. Er sei auch in den Produktionsablauf eingebunden gewesen, da er seine fertigen Seiten an die Korrekturabteilung gegeben und nach Rückerhalt Verbesserungen selbst durchgeführt habe. Teilweise habe es Änderungswünsche bezüglich der Überschriften und ganzer Textpassagen gegeben. Ohne eine Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen hätten die Wochenzeitungen nicht produziert werden können. Von ihm eingesetzte Fotografen und Journalisten seien vom Verlag bezahlt worden. Er selbst sei auch im Namen der Klägerin aufgetreten. Seine festen monatlichen Vergütungen habe er auch im Falle von Urlaub und Krankheit erhalten. Er sei nur für die Klägerin tätig gewesen, da eine weitere Tätigkeit nicht möglich gewesen sei.

Die Klägerin nahm hierzu ihrerseits Stellung und führte aus, der Beigeladene zu 1) behaupte das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses, ohne dies belegen zu können. Seine Vergütung sei nicht statisch gewesen, sondern habe sich nach den abgelieferten Arbeiten gerichtet. Der Umfang seiner Tätigkeit habe sich in den Vorjahren geändert, unter anderem weil Veröffentlichungsblätter aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt worden seien. Es seien dann immer neue Verhandlungen darüber geführt worden, welche neuen Arbeiten der Beigeladene zu 1) habe übernehmen und welche Vergütung er hierfür habe erhalten sollen. Anders als bei Arbeitnehmern sei bei Wegfall von Titeln die entsprechende Vergütung des Beigeladenen zu 1) entfallen. Damit habe der Beigeladene zu 1) auch einem wirtschaftlichen Risiko unterlegen. Entsprechendes gelte für Bilder, da der Beigeladene zu 1) nur für veröffentlichte Bilder vergütet worden sei. Der Kläger habe beispielsweise für den Internetauftritt des Unternehmens lediglich vorübergehend ein Honorar erhalten, weil dieser nicht den Erwartungen der Klägerin entsprochen habe, so dass diese Tätigkeit und die Zahlung des Honorars hierfür wieder eingestellt worden sei. Die Fotoausrüstung der Klägerin habe er nur in Notfällen oder bei bestimmten Spezialbedürfnissen einsetzen dürfen. Im Übrigen sei die Klägerin davon ausgegangen, dass der Beigeladene zu 1) seine eigene Fotokamera verwendet habe.

Der Beigeladene zu 1) legte hierauf Abrechnungen und Kontoauszüge vor (Bl 177-232 Verwaltungsakte) und führte aus, er habe durchgehend "statisch" ein fixes Honorar erhalten, wobei der Umfang der Arbeit keine Rolle gespielt habe. Falls Zeitungstitel weggefallen seien, sie dies durch andere Arbeit ersetzt worden; wirtschaftliche Risiken hätten für ihn nicht bestanden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 09.05.2012 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, die Klägerin habe die wesentlichen Rahmenbedingungen vorgegeben und der Beigeladene zu 1) sei dadurch zwangsläufig in die Arbeits- und Ablauforganisation der Klägerin eingegliedert gewesen. Der Beigeladene zu 1) habe zwar eigenständig und eigenverantwortlich gearbeitet, jedoch sei eine Zusammenarbeit mit weiteren Mitarbeitern der Klägerin und eine Abstimmung mit der Redaktionsleitung sowie der Geschäftsführung notwendig gewesen. Zwar sei der zeitliche Rahmen nicht exakt, aber doch hinreichend eingegrenzt gewesen, so dass die Tätigkeit als abhängige Beschäftigung zu qualifizieren sei. Außerdem sei der wesentliche Teil der Arbeit am Betriebssitz der Klägerin durchgeführt worden. Er habe auch kein eigenes Kapital eingesetzt.

Hiergegen hat die Klägerin am 11.06.2012 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben und zur Begründung ihren vorgerichtlichen Vortrag wiederholt und vertieft.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat auf die Begründungen der angefochtenen Bescheide Bezug genommen.

In der mündlichen Verhandlung vom 30.10.2013 hat das SG Beweis erhoben durch die Vernehmung der Mitarbeiter der Klägerin, C. S. und T. B., als Zeugen. Wegen ihrer Angaben wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 30.10.2013 verwiesen.

Mit Urteil vom 30.10.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 10.08.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.05.2012 sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte habe zu Recht festgestellt, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) für die Klägerin seit dem 14.10.1993 als abhängige Beschäftigung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeits-förderung unterlegen habe. Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) sei durch eine Eingliederung in die Betriebsorganisation der Klägerin gekennzeichnet gewesen. Er habe durchweg einen festen Arbeitsplatz in den Räumen der Klägerin mit Schreibtisch, Computer und Telefonanschluss gehabt. Im Falle von krankheits- oder urlaubsbedingten Abwesenheiten habe er von der Klägerin die jeweils vereinbarten Vergütungen fortbezahlt erhalten. Auch wenn es seitens der Klägerin keine weiteren Vorgaben zum Arbeitsort und zur Arbeitszeit des Beigeladenen zu 1) gegeben habe und nicht regelmäßige Weisungen inhaltlicher Art erteilt worden seien, ändere dies bei der anzustellenden Gesamtbetrachtung nichts an der Qualifizierung eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses. Denn insbesondere bei Leistungen höherer Art, zu der die Tätigkeit eines Redakteurs gehört, seien erhebliche Freiräume auch von Mitarbeitern im Angestelltenverhältnis im Wirtschaftsleben üblich. Der Beigeladene zu 1) habe eine im Wesentlichen gleichbleibende Vergütung erhalten. Die Tatsache, dass es gelegentlich aufgrund von Veränderungen der Zuständigkeiten des Klägers zu Vergütungsanpassungen gekommen sei, ändere nichts daran, dass im Wesentlichen eine fest vereinbarte Vergütung von der Klägerin an den Beigeladenen zu 1) bezahlt worden sei, auch bei krankheits- oder urlaubsbedingten Abwesenheitszeiten, in denen er von anderen Mitarbeitern der Klägerin vertreten worden sei. Die Klägerin habe keinen Zeitraum benennen können, in dem der Beigeladene zu 1) keine Vergütung erhalten habe. Aus diesen Gründen habe Beigeladene zu 1) auch keinerlei unternehmerisches Risiko zu tragen gehabt. Er habe darüber hinaus auch kein Kapital einsetzen müssen, da ihm die gesamte für die Tätigkeit eines Redakteurs erforderliche Infrastruktur von der Klägerin zur Verfügung gestellt worden sei. Damit weiche zwar die tatsächliche Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) deutlich von den schriftlichen Vereinbarungen in den Rahmen- und Dienstverträgen ab. Entscheidend sei indes die tatsächliche Ausgestaltung der Rechtsbeziehung.

Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 02.12.2013 zugestellte Urteil des SG hat die Klägerin am 27.12.2013 beim Sozialgericht Stuttgart Berufung eingelegt, welche dem Landessozialgericht am 30.12.2013 vorgelegt worden ist.

Zur Begründung hat die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Die tatsächlich gelebten Verhältnisse würden für eine selbständige Tätigkeit und freie Mitarbeit sprechen. Die Anwesenheit des Beigeladenen zu 1) sei in keiner Weise kontrolliert oder vorgeschrieben worden. Er habe keinen festen (persönlichen) Arbeitsplatz gehabt, sondern es habe lediglich in den Räumen der Klägerin die Möglichkeit zur Verfügung gestanden, seine Texte zu bearbeiten. Der Beigeladene zu 1) sei gekommen und gegangen, wann er gewollt habe. Die vom SG zu Unrecht angenommene Vergleichbarkeit der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) mit der Tätigkeit angestellter Redakteure liege in der Natur der Sache, da jeder Redakteur inhaltlich mit dem Verfassten/redigieren von Texten befasst sei. Das SG habe übersehen, dass zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) keineswegs eine gleichbleibende monatliche Vergütung vereinbart worden sei, vielmehr habe die Vergütung abhängig von den jeweils konkret übernommenen Aufgaben geschwankt und sei vielfach abgeändert und an die konkret übernommenen Tätigkeiten angepasst worden. Das Gehalt des Beigeladenen zu 1) habe deutlich über dem der angestellten Redakteure gelegen. Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder Urlaubsgeld habe es nicht gegeben; soweit durch die Geschäftsführung der Klägerin freiwillige Leistungen an den Beigeladenen zu 1) gewährt worden sein mögen, sei dies aus sozialer Verbundenheit und in Ansehung der schwierigen gesundheitlichen Situation in der Familie des Beigeladenen zu 1) und damit finanzieller Engpässe bei diesem Geschehen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 30.10.2013 und den Bescheid der Beklagten vom 10.08.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.05.2012 aufzuheben und festzustellen, dass der Beigeladene zu 1) seine Tätigkeit für die Klägerin seit dem 14.10.1993 nicht im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt hat und keine Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung besteht.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie nimmt auf die Entscheidungsgründe des SG und auf ihren bisherigen Vortrag Bezug. Der Redaktionsalltag setze eine Eingliederung in die Betriebsorganisation voraus uns sei ohne mindestens thematische Einflussnahme, sei es im Team oder durch Vorgaben des Verlegers, nicht denkbar. Der Beigeladene zu 1) habe anders als ein freier Journalist nicht nur konkret abgrenzbare Beiträge angeboten, sondern sei zur redaktionellen Mitarbeit in all ihren Facetten verpflichtet gewesen, oder dass die Aufgaben vorher im Einzelnen bestimmt gewesen wären.

Der Beigeladene zu 1) beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er nimmt auf sein bisheriges Vorbringen und auf die Ausführungen des SG Bezug. Er sei in den Betrieb der Klägerin eingegliedert gewesen und habe dem Weisungsrecht der Klägerin unterlegen. Er habe keine Wahl gehabt, ob er seinen Dienst von zuhause aus oder von einem anderen Ort aus verrichte, vielmehr sei ihm von Seiten der Klägerin auferlegt worden, in dem Büro, das vor Ort für ihn bereit gehalten worden sei, zu verrichten. Die E-Mail-Adresse, Visitenkarte und sonstiges Büromaterial seien von der Klägerin zur Verfügung gestellt worden. Auch im Fall der nicht erbrachten Arbeit aufgrund von krankheits- oder urlaubsbedingter Abwesenheit habe er sein jeden Monat gleich hohes Gehalt fortgezahlt erhalten. Die jeweiligen Redaktionstermine und Redaktionsbesprechungen seien ihm vorab mitgeteilt worden. Zu diesen Terminen habe er sich einzufinden und dort Rede und Antwort zu stehen gehabt. Die Arbeitszeiten seien vorgegeben gewesen. Unter anderem er von der Geschäftsleitung per E-Mail aufgefordert worden, "Stunden nachzuarbeiten", wenn er Fehlzeiten gehabt habe. Das Gehalt habe nicht oberhalb der Vergütung angestellter Redakteure gelegen, sondern habe nicht einmal den Tariflohn des Verbandes der Südwestdeutschen Zeitschriftenverleger entsprochen (vgl Blatt 83 Senatsakte).

In einem Erörterungstermin am 10.12.2014 ist der Sachverhalt eingehend mit den Beteiligten erörtert worden und es ist Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugen C. S. und T. B ... Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift (Blatt 194 Senatsakte) Bezug genommen. Die Beigeladene zu 1) hat weitere E-Mails der Klägerin vorgelegt, die an ihn gerichtet waren (Blatt 218 ff Senatsakte).

Die Klägerin und der Beigeladene zu 1) haben nach dem Erörterungstermin weiter streitig zur Sache vorgetragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringend der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft, zulässig und teilweise begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 10.08.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.05.2012 ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, als die Beklagte für den Zeitraum vom 14.10.1993 bis 31.03.1997 festgestellt hat, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) für die Klägerin als abhängige Beschäftigung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlegen hat. Insoweit hat das SG die Klage zu Unrecht abgewiesen.

Im Übrigen sind die Bescheide rechtmäßig, denn ab dem 01.04.1997 überwiegen nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls diejenigen Gesichtspunkte, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen. Insoweit hat das SG die Klage zu Recht abgewiesen.

Die angefochtenen Bescheide sind formell rechtmäßig. Sie sind nach erfolgter Anhörung der Beteiligten ergangen. Die Beklagte hat auch die Anforderungen erfüllt, die das Bundesozialgericht (BSG) an eine Statusfeststellung gestellt hat. Danach genügt nicht die losgelöste Entscheidung über das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses, sondern es ist ebenso eine Feststellung zum Vorliegen von Versicherungspflicht zu treffen (BSG 11.03.2009, B 12 R 11/07 R, BSGE 103, 17 = SozR 4-2400 § 7a Nr 2 mit Anmerkung von Plagemann, EWiR 2009, 689; 04.06.2009, B 12 R 6/08 R, juris; hierzu auch ausführlich Merten, SGb 2010, 271).

Materiell sind die Bescheide teilweise rechtswidrig, denn die Beklagte hat zu Unrecht Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bereits ab dem Beginn der Tätigkeit (14.10.1993) festgestellt. Versicherungspflicht hat erst ab dem 01.04.1997 vorgelegen.

Nach § 7a Abs 1 Satz 1 SGB IV können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung der nach § 7a Abs 1 Satz 3 zuständigen Beklagten beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Diese entscheidet auf-grund einer Gesamtwürdigung aller Umstände, ob eine Beschäftigung vorliegt (§ 7a Abs 2 SGB IV). Das Verwaltungsverfahren ist in Absätzen 3 bis 5 der Vorschrift geregelt. § 7a Abs 6 SGB IV regelt in Abweichung von den einschlägigen Vorschriften der einzelnen Versicherungszweige und des SGB IV den Eintritt der Versicherungspflicht (Satz 1) und die Fälligkeit des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (Satz 2). Abs 7 der Vorschrift ordnet die aufschiebende Wirkung von Klage und Widerspruch bezüglich der Fälligkeit der Beiträge an (Satz 1). Mit dem rückwirkend zum 01.01.1999 durch das Gesetz zur Förderung der Selbstständigkeit vom 20.12.1999 (BGBl 2000 I, Seite 2) eingeführten Anfrageverfahren soll eine schnelle und unkomplizierte Möglichkeit zur Klärung der Statusfrage erreicht werden; zugleich sollen divergierende Entscheidungen verhindert werden (BT-Drucks 14/1855, Seite 6).

Einen entsprechenden Antrag auf Statusfeststellung hat der Beigeladene zu 1) im Januar 2011 gestellt. Ein vorheriges Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung durch einen anderen Versicherungsträger oder die Einzugsstelle ist nicht ersichtlich.

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterlagen im streitgegenständlichen Zeit-raum in der Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw Beitragspflicht (§ 1 Satz 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), § 25 Abs 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III)). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs 1 Satz 1 SGB IV bzw der inhaltlich identische bis 31.12.1998 gültige § 7 Abs 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zum Ganzen BSG 29.08.2012, B 12 R 25/10 R, BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17 mwN).

Zur Feststellung des Gesamtbilds kommt den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zu. Zwar hat das BSG noch im Urteil vom 22.6.2005 (BSG, B 12 KR 28/03 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 5) ausgeführt, dass beim Abweichen der Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen letztere den Ausschlag geben. Jedoch hat es diese Aussage in Zusammenfassung älterer Entscheidungen nachfolgend präzisiert: Danach sind die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (BSG 29.08.2012 aaO).

Nach den genannten Grundsätzen gelangt der Senat unter Abwägung aller Umstände zu der Überzeugung, dass der Beigeladene zu 1) ab dem 14.10.1993 bei der Klägerin zunächst als freier Journalist eine selbständige Tätigkeit ausgeübt hat und ab dem 01.04.1997 die Umstände überwiegen, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen (feste monatliche Vergütung, Eingliederung in den Betreib der Klägerin), weshalb ab diesem Zeitpunkt Versicherungspflicht nach dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung bestanden hat.

Eine Tätigkeit als Journalist ist sowohl im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit, als im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung möglich (vgl etwa LSG Berlin-Brandenburg 02.05.2007, L 9 KR 74/04; LSG Nordrhein-Westfalen 11.10.2007, L 16 [14] R 140/06, jeweils juris). Die vorliegenden schriftlichen Vereinbarungen in den Rahmen- und Dienstverträgen gehen zum einen davon aus, dass eine selbständige Tätigkeit vorliegt, enthalten aber unterschiedliche Regelungen über die Vergütung, die einmal dem Beigeladenen zu 1) unternehmerische Chancen und Risiken eröffnen (Honorar nach veröffentlichten Zeilen/Fotos bis 31.03.1997), jedoch später eine monatliche Pauschalvergütung sowie auch redaktionelle Tätigkeiten vorsehen, was der Tätigkeit insgesamt ein anderes Gepräge gegeben hat.

Maßgeblich ist nach der dargelegten Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, die tatsächliche Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen. Diese tatsächliche Ausgestaltung hat sich im Laufe der Zeit verändert, indem der Journalist und freie Mitarbeiter nach und nach in die Rolle eines leitenden Redakteurs hineingewachsen ist, der in die Organisations- und Weisungsstruktur der Klägerin eingebunden gewesen ist und eine monatliche Festvergütung erhalten hat.

In den ersten Jahren seiner Tätigkeit überwiegen die Umstände, die für eine selbständige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) entsprechend dem vertraglich Vereinbarten sprechen. Insbesondere ist der Beigeladene zu 1) nach Zeilen bzw nach der Veröffentlichung von Fotos bezahlt worden. Die journalistische Tätigkeit hat überwogen; dem unternehmerischen Risiko, dass eingereichte Texte und Fotos "umsonst" produziert wurden, standen ebensolche Chancen gegenüber, die sich in der Bezahlung nach veröffentlichten Texten/Fotos niederschlugen.

Mit dem Dienstvertrag vom 22.05.1997 sind diesbezüglich wesentliche Änderungen mit Wirkung vom 01.04.1997 eingetreten. Die in früheren Vereinbarungen nur mit "Einreichen von Texten und Fotos" beschriebene Tätigkeit (vgl Bl 49 SG-Akte) umfasste nun auch das Redigieren von Texten (vgl Bl 52 SG-Akte). Der Geschäftsführer der Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 18.05.2015 insoweit auch bestätigt, dass der Beigeladene zu 1) eingereichte Texte redigiert und angepasst habe und nicht nur als Journalist, sondern auch als Redakteur tätig gewesen sei. Der Beigeladene zu 1) hat außerdem nach dem 01.04.1997 kein ins Gewicht fallendes unternehmerisches Risiko getragen. Er hat kein Kapital einsetzen müssen, da ihm die gesamte für die Tätigkeit eines Journalisten und Redakteurs erforderliche Infrastruktur von der Klägerin zur Verfügung gestellt worden ist. Der Beigeladene zu 1) hat ab dem 01.04.1997 eine im Wesentlichen gleichbleibende Vergütung erhalten, wie sich aus den vorgelegten Verträgen (Bl 52 ff SG-Akte) und Kontoauszügen ergibt (Bl 217 ff Verwaltungsakte). Ein monatliches Pauschalhonorar ist typisch für abhängige Beschäftigungsverhältnisse, jedoch untypisch für selbständige Tätigkeiten. Auch im Falle von krankheits- oder urlaubsbedingten Abwesenheiten hat der Beigeladene zu 1) von der Klägerin die jeweils vereinbarten Vergütungen fortbezahlt erhalten. Die Tatsache, dass es gelegentlich aufgrund von Veränderungen der Zuständigkeiten des Klägers zu Vergütungsanpassungen gekommen ist, ändert nichts daran, dass im Wesentlichen eine fest vereinbarte monatlich gleich bleibende Vergütung von der Klägerin an den Beigeladenen zu 1) gezahlt worden ist, auch bei krankheits- oder urlaubsbedingten Abwesenheitszeiten, in denen er von anderen Mitarbeitern der Klägerin vertreten worden sei. Die Klägerin hat keinen Zeitraum benennen oder nachweisen können, in dem der Beigeladene zu 1) keine Vergütung erhalten hat.

Der Senat ist davon überzeugt, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) ab dem 01.04.1997 durch eine Eingliederung in die Betriebsorganisation der Klägerin gekennzeichnet gewesen ist. Im Dienstvertrag vom 22.05.1997 wurde dem Beigeladenen zu 1) die Redaktion für mehrere Wochenzeitungen der Klägerin übertragen. Er hat durchweg einen festen Arbeitsplatz in den Räumen der Klägerin mit Schreibtisch, Computer und Telefonanschluss gehabt. Dass es seitens der Klägerin nicht im Einzelnen Vorgaben zum Arbeitsort und zur Arbeitszeit gegeben hat, liegt in der Natur der journalistischen Tätigkeit begründet und gibt weder den Ausschlag zur Bewertung der Tätigkeit als abhängig noch als selbständig. Bei Leistungen höherer Art, zu der die Tätigkeit eines Redakteurs und Journalisten gehört, sind Freiräume auch von Mitarbeitern im Angestelltenverhältnis im Wirtschaftsleben üblich. Die festangestellte Redakteurin S. hat als Zeugin glaubhaft bekundet, dass es keine wesentlichen Unterschiede in den Tätigkeiten gab, die sie sie und der Beigeladene zu 1) verrichtet haben. Für maßgeblich erachtet der Senat die festgehaltenen Ergebnisse einer Besprechung vom 19.09.2007 (Bl 40 Verwaltungsakte), die das Gesamtbild der Eingliederung des Beigeladenen zu 1) in den Betrieb der Klägerin bestätigen. Der Beigeladene zu 1) wird dort als Chefredakteur bezeichnet, der dem Geschäftsführer der Klägerin unterstellt ist und seinerseits gegenüber weiteren angestellten Redakteuren weisungsbefugt ist. Der Senat hat angesichts dieser Organisationsstruktur keinen Zweifel, dass der Beigeladene zu 1) in die Organisation der Klägerin eingegliedert gewesen ist, als Bindeglied zwischen der Geschäftsleitung und den weiteren angestellten Redakteuren fungiert hat und Teil einer Weisungskette gewesen ist, an deren Spitze der Geschäftsführer der Klägerin stand. Auch nach außen ist der Beigeladene zu 1) als Teil der Betriebsorganisation der Klägerin in Erscheinung getreten (vgl die Visitenkarte Bl 185 SG-Akte und das Impressum der S. Woche Bl 207 Senatsakte).

Dieses Ergebnis wird ferner bestätigt durch die vom Beigeladenen zu 1) vorgelegten E-Mails, in denen die Klägerin ihn auffordert, Stunden nachzuarbeiten (Bl 218 Senatsakte), bestimmte Artikel zu verfassen oder vorzubereiten (Bl 62 Verwaltungsakte, Bl 221 Senatsakte) oder auch konkrete inhaltliche Vorgaben macht (Bl 42 Verwaltungsakte: Aufforderung zur redaktionellen Unterstützung des lokalen Handels, um mehr Anzeigen zu erhalten). Aus diesen E-Mails ergibt sich nicht das Bild eines freien Mitarbeiters, sondern das eines abhängig Beschäftigten, der zwar als Chefredakteur fungiert, aber auch und gerade dem Geschäftsführer der Klägerin unterstellt ist und von diesem Weisungen erhält. Die Berücksichtigung dieser E-Mails ist umso mehr geboten, als es außer den Rahmenvereinbarungen keine weiteren schriftliche Vereinbarungen gibt und zum tatsächlichen Ablauf von der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) abweichend vorgetragen wird (vgl Senatsurteil vom 18.02.2014, L 11 R 3323/12).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGG iVm § 155 Abs 1 Satz 1, 154 Abs 3 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG iVm §§ 63 Abs 2 Satz 1, 52 Abs 2, 47 Gerichtskostengesetz. Die Höhe des Streitwerts entspricht dem Regelstreitwert von 5.000,00 EUR, da bislang lediglich über das Bestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses und die hieraus folgende Sozialversicherungspflicht entschieden wurde, aber noch keine Gesamtsozialversicherungsbeiträge festgesetzt wurden.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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