Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 13 SB 2419/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 2992/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19.06.2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger gegen den Beklagten ein Anspruch auf höhere (Neu-)Feststellung des Grades der Behinderung (GdB; 50 statt 40) seit dem 19.03.2012 zusteht.
Auf den Antrag des 1969 geborenen Klägers vom 21.01.2008 hin stellte das Landratsamt (LRA) mit Bescheid vom 07.02.2008 (Blatt 43/43 der Beklagtenakte; zur zugrundeliegenden versorgungsärztlichen Stellungnahme vgl. Blatt 39/40 der Beklagtenakte) einen GdB von 30 seit 01.12.2007 fest (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Hämorrhoidialleiden, operiert, Analfissur, anorektaler Symptomkomplex (Einzel-GdB 20); seelische Störung (Einzel-GdB 20); degenerative Veränderungen der Wirbelsäule (Einzel-GdB 10)). Mit Teilabhilfebescheid vom 24.04.2008 (Blatt 59/60 der Beklagtenakte) stellte das LRA dann einen GdB von 40 seit dem 01.12.2007 fest. Der Beklagte wies durch das Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt – den Widerspruch im Übrigen zurück (Widerspruchsbescheid vom 23.05.2008, Blatt 65/67 der Beklagtenakte). Das dagegen beim Sozialgericht (SG) Karlsruhe geführte Klageverfahren S 3 SB 2341/08 endete durch Abweisung der Klage (Gerichtsbescheid vom 04.11.2010, Blatt 132/138 der SG-Akte zum Verfahren S 3 SB 2341/08; zu den dort eingeholten Gutachten von Dr. D., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, vom 18.06.2009 und dem beigezogenen Gutachten aus dem Verfahren S 5 R 1727/09 von Dr. N., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie, vom 09.02.2010 vgl. Blatt 50/64 und 83/118 der SG-Akte zum Verfahren S 3 SB 2341/08); die eingelegte Berufung wurde durch das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg mit Urteil vom 27.10.2011 im Verfahren L 6 SB 5462/10 zurückgewiesen.
Unter Vorlage von ärztlichen Unterlagen (Blatt 72/80 der Beklagtenakte) beantragte der Kläger beim LRA am 19.03.2012 die höhere (Neu-)Feststellung des GdB (Blatt 81/88 der Beklagtenakte). Zu seinem Antrag verwies er auf eine chronische Tonsillitis, Nachblutung nach Tonsillektomie am 23.02.2012 und am 24.02.2012, operative Blutstillungen am 23. und 24.02.2012, Depression, Blutarmut, Angststörung und eine Anämie am 28.02.2012.
Das LRA zog Unterlagen der Deutschen Rentenversicherung bei (zu den Unterlagen vgl. Blatt 90/107 der Beklagtenakte) und lehnte unter Berücksichtigung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. C. vom 23.04.2012 (Blatt 108/109 der Beklagtenakte) den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 24.04.2012 (Blatt 110/113 der Beklagtenakte; zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Hämorrhoidialleiden, operiert, Analfissur, anorektaler Symptomkomplex (Einzel-GdB 20); seelische Störung (Einzel-GdB 20); degenerative Veränderungen der Wirbelsäule (Einzel-GdB 10)) ab. Die Entfernung der Gaumenmandeln und eines Rectumpolypen bedinge keinen Einzel-GdB von wenigstens 10. Eine wesentliche Änderung sei nicht eingetreten.
Seinen Widerspruch vom 02.05.2012 (Blatt 114 der Beklagtenakte) begründete der Kläger damit, dass für seinen Gesundheitszustand ein GdB von mindestens 50 angemessen sei.
Das LRA zog ärztliche Befundunterlagen der Allgemeinmedizinerin Dr. H. bei (zu den Unterlagen vgl. Blatt 117/119 der Beklagtenakte). In einer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 31.05.2012 (Blatt 120/121 der Beklagtenakte) schätzte Dr. B. den GdB weiterhin mit 40 ein; nach dem orthopädischen Befundbericht erscheine die Wertung von 10 als großzügig.
Der Beklagte wies durch das Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt - den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 06.06.2012 zurück; eine wesentliche Änderung gegenüber dem Bescheid vom 24.04.2008 sei nicht eingetreten.
Auf die am 05.07.2012 SG erhobene und auf Anerkennung eines GdB von 50 gerichtete Klage hin hat das SG Beweis erhoben durch schriftliche Befragung von Ärzten als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 24/46 und 48/70 der SG-Akte Bezug genommen. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Schmerztherapie Dr. W., der den Kläger im Rahmen des beim SG geführten Verfahrens S 16 R 1381/12 nervenärztlich begutachtet hatte, hat dem SG unter Vorlage seines Gutachtens vom 05.09.2012 mitgeteilt, beim Kläger bestehe eine Persönlichkeitsstörung mit ängstlich-vermeidender Haltung und Asthenie sowie eine dysphorisch-depressive Verstimmung. Er hat der Bewertung des Gesamt-GdB mit 40 zugestimmt. Dr. H., Ärztin für Allgemeinmedizin, hat dem SG am 05.10.2012 geschrieben, dass der Kläger an einer Depression leide; es komme zu rezidivierenden mittelgradigen, depressiven Episoden, teilweise auch zu schwergradigen Episoden. Das Hämorrhoidialleiden habe nach mehreren Operationen zu starken Verwachsungen geführt. Der Kläger leide wahrscheinlich auch an einem v. Willebrand-Syndrom und einer mittelgradigen degenerativen Veränderung der Wirbelsäule. Die chronische Tonsillitis bestehe seit Jahren. Der GdB liege insgesamt bei mindestens 50.
Der Kläger hat den vorläufigen Entlassbericht des Zentrums für Psychiatrie – Psychiatrische Klinik – B. vom 16.02.2013 über den stationären Aufenthalt des Klägers dort vom 15.01.2013 bis zum 16.02.2013 vorgelegt (Blatt 83/88 der SG-Akte; zur versorgungsärztlichen Stellungnahme hierzu vgl. Blatt 91 der Senatsakte).
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 19.06.2013 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40. Auf psychiatrischem Fachgebiet seien die Gesundheitsstörungen mit ängstlich-vermeidender Haltung und Asthenie und depressive Verstimmung mit einem Einzel-GdB von 30 zutreffend bewertet. Es handele sich um eine stärker behindernde Störungen mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit des Klägers. Er habe sich sozial zurück gezogen, sein Tageslauf ist lediglich hinreichend strukturiert. Dieser Wertung stehe nicht entgegen, dass mittlerweile eine stationäre Behandlung erforderlich gewesen sei, in welcher sich der psychische Zustand des Klägers stabilisiert habe. Anhaltspunkte für eine schwere psychische Störung wie beispielsweise eine Zwangskrankheit seien nicht ersichtlich. Dem stehe auch entgegen, dass der Kläger nicht in kontinuierlicher psychiatrischer Behandlung sei, eine nach Ansicht der behandelnden Ärzte und Gutachter dringend erforderliche ambulante Therapie führe er nicht durch. Dies spreche gegen eine Höhereinschätzung des Einzel-GdB. Das Hämorrhoidenleiden des Klägers sei mit einem GdB von 20 ausreichend bewertet. Die degenerative Veränderung der Wirbelsäule sei mit keinem höheren GdB als 10 zu bewerten. Es lägen allenfalls geringgradige funktionelle Auswirkungen vor. Aus den Einzel-GdB-Werten von 30, 20, 10 sei ein Gesamt-GdB von 40 zu bilden.
Gegen den seinem Bevollmächtigten am 20.06.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 18.07.2013 beim SG (Eingang beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg am 23.07.2013) Berufung eingelegt. Er sei nach wie vor der Auffassung, dass bei ihm ein GdB von mindestens 50 festzustellen sei. Insbesondere die psychische Erkrankung sei mindestens mit einem Einzel-GdB von 40 festzustellen. Er leide an einer schweren psychischen Störung mit erheblichen sozialen Anpassungsschwierigkeiten. Er habe sich sozial zurückgezogen und sein Tagesablauf sei lediglich "hinreichend" strukturiert. Dies bedeute, dass die vorhandene Funktionsbeeinträchtigung auf psychiatrischem Fachgebiet eine schwere Störung darstellt, die mindestens mit einem GdB von 50, aber auf jeden Fall eine stärker behindernde Störung vorliege, die mindestens mit einem GdB von 40 zu bewerten sei. Diese Bewertung entspreche auch der sozial-medizinischen Stellungnahme der Bundesagentur vom 15.03.2013, wonach er wegen psychomentaler und körperlicher Minderbelastbarkeit nur noch in der Lage sei, weniger als 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Der Kläger hat vorgelegt - das arbeitsamtsärztliche Gutachten des Arztes für Arbeitsmedizin G. vom 15.03.2013 (Blatt 16/17 der Senatsakte), - den vorläufigen Entlassbericht des Zentrums für Psychiatrie N. - Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie – M. vom 09.12.2013 (Blatt 35/36 = 38/42 der Senatsakte), - den vorläufigen Entlassbericht des Zentrums für Psychiatrie N. – Zentrum für Psychische Gesundheit – B. vom 03.01.2014 (Blatt 46/49 der Senatsakte).
Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19.06.2013 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des Landratsamtes Karlsruhe vom 24.04.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 06.06.2012 zu verurteilen, bei ihm einen Grad der Behinderung von 50 ab dem 19.03.2012 festzustellen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Eine wesentliche Verschlechterung im Gesundheitszustand des Klägers sei nicht eingetreten, weshalb der GdB weiterhin 40 betrage. Auch die sozialmedizinische Stellungnahme der Agentur für Arbeit vom 15.03.2013 enthalte demgegenüber keine Befunde, die einen höheren Einzel-GdB als 30 für die psychische Störung begründen könnten.
Der Kläger hat mit Schreiben vom 22.08.2013 (Blatt 21/22 der Senatsakte) u.a. auf die stationäre Behandlung vom 15.01.2013 bis zum 16.02.2013 in der psychiatrischen Klinik in B. hingewiesen und mit Email vom 23.08.2013 (Blatt 24 der Senatsakte) darauf hingewiesen, dass das Gutachten von Dr. W. nicht der Wahrheit entspreche. Es sei nicht wahr, dass er noch alles Arbeiten könne. Es sei eine Unverschämtheit so etwas zu behaupten "von einmal ansehen in seiner heruntergekommenen Arztpraxis". Der Gesundheitszustand habe sich verschlechtert. "Dieser Arzt hat keinen guten Ruf".
Mit Schreiben vom 21.11.2013 (Blatt 29 der Senatsakte) hat der Kläger eine Verschlimmerung seines Gesundheitszustandes und eine stationäre Behandlung in der Psychiatrischen Klinik M. mitgeteilt.
Der Senat hat Berichte des Zentrums für Psychiatrie N. – Zentrum für Psychische Gesundheit – M. beigezogen (zu den Berichten vgl. Blatt 52/58 der Senatsakte) und gemäß § 109 SGG Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen nervenärztlichen Gutachtens bei der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie Prof. Dr. W ... Diese hat in ihrem Gutachten vom 15.04.2014 (Blatt 61/86 der Senatsakte) beim Kläger eine Beeinträchtigung der sozialen und emotionalen Funktionen (Rückzug aus Kontakten mit anderen Menschen, Ängste, Vermeidungsverhalten, Lustlosigkeit) festgestellt und eine rezidivierende depressive Störung, aktuell remittiert, sowie eine gemischte ängstlich-vermeidend-asthenische Persönlichkeitsstörung dargestellt. Die Funktionsbeeinträchtigungen seien leicht bis mittelschwer. Diese bedingten einen GdB von 30. Unter Berücksichtigung eines Einzel-GdB von 20 wegen Hämorrhoiden/Analfissur/anorektalem Symptomkomplex, und von 10 wegen degenerativer Veränderungen der Wirbelsäule werde der Gesamt-GdB mit 40 beziffert. Dabei werde berücksichtigt, dass sich die Beeinträchtigung durch die Hämorrhoiden und die psychische Beeinträchtigung gegenseitig leicht verstärkten. Deshalb erscheine ein etwas über dem höchsten Einzel-GdB liegender Gesamt-GdB als angemessen.
Mit Schreiben vom 06.11.2014 (Blatt 93 = 94 der Senatsakte) hat der Kläger auf eine ab dem 06.11.2014 beginnende stationäre Krankenhausbehandlung hingewiesen.
Der Senat hat die Ärzte des Zentrums für Psychiatrie N. – Zentrum für Psychische Gesundheit – B. schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Die ärztliche Leiterin B. hat in ihrer Antwort vom 26.11.2014 (Blatt 98/114 der Senatsakte) unter Vorlage von Berichten der Klinik die Diagnose einer Angst und depressive Störung, gemischt, sowie eine negativistische und eine paranoide Persönlichkeitsstörung dargestellt.
Der Beklagte hat mit Schreiben vom 18.12.2014 (Blatt 115 der Senatsakte) an seiner bisherigen Auffassung festgehalten.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (vgl. Blatt 116, 117 der Senatsakte).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte gemäß § 124 Abs. 2 SGG über die Berufung ohne mündliche Verhandlung entscheiden, denn die Beteiligten haben dem zugestimmt und der Senat hält eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich.
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet.
Gegenüber dem der GdB-Feststellung zuletzt zugrundeliegenden Bescheid des LRA vom 24.04.2008, mit dem das LRA beim Kläger einen GdB von 40 festgestellt hatte, ist eine rechtserhebliche wesentliche Änderung i.S.d. § 48 Abs. 1 SGB X nicht eingetreten. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB nicht zu. Der angefochtene Bescheid des LRA vom 24.04.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 06.06.02012 ist daher rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Rechtsgrundlage für die vom Kläger begehrte Neufeststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen welche ihrerseits nicht zum so genannten Verfügungssatz des Bescheides gehören zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 - BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die der Zuerkennung eines GdB zugrundeliegende Behinderung wird gemäß § 69 Abs. 1 SGB IX im Hinblick auf deren Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Dabei stellt die Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2009 (BGBl. I, 2412), den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) auf funktionelle Beeinträchtigungen ab, die nach Funktionssystemen (dazu vgl. A Nr. 2 Buchst. e) VG) getrennt, später nach § 69 Abs. 3 SGB IX in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen sind.
Die Bemessung des Gesamt-GdB (dazu s. unten) setzt sich zusammen aus den in den Funktionssystemen (dazu vgl. Anlage "Versorgungs-medizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV), dort A Nr. 2 Buchst. e VG; zuvor so schon A 10. (12) AHP 2008 und AHP 2004) für die dort vorhandenen Funktionsbehinderungen festgestellten Einzel-GdB. Die Feststellung der Einzel-GdB folgt mithin nicht einzelnen Erkrankungen sondern den funktionellen Auswirkungen aller derjenigen Erkrankungen, die ein einzelnes Funktionssystem betreffen.
Insoweit konnte der Senat nicht feststellen, dass die vom Kläger in seinem Antrag geltend gemachten Umstände (chronische Tonsillitis, Nachblutung nach Tonsillektomie am 23.02.2012 und am 24.02.2012, operative Blutstillungen am 23. und 24.02.2012, Blutarmut und eine Anämie am 28.02.2012) funktionelle Beeinträchtigungen nach sich gezogen hätten. Auch hat es sich bei den Nachblutungen nach Tonsillektomie am 23.02.2012 und am 24.02.2012 mit operativen Blutstillungen am 23.02.2012 und am 24.02.2012, Blutarmut und Anämie am 28.02.2012 jeweils um vorübergehende, nicht im Sinne von § 2 Abs. 1 SGB IX einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten überdauernden Gesundheitsstörungen gehandelt, was Dr. Köhler in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 29.11.2012 (Blatt 74/75 der SG-Akte) wie auch bereits Dr. C. in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 23.04.2012 (Blatt 108/109 der Beklagtenakte) plausibel dargelegt haben. Die postoperative Blutanämie hatte keine Bluttransfusionen erfordert. Auch war von einer Erholung des Blutbildes auszugehen. Insoweit konnten auch die späteren ärztlichen Berichte keine überdauernden Funktionsstörungen mehr darstellen.
Im Funktionssystem des Rumpfes, wozu der Senat auch die Wirbelsäule einschließlich der Halswirbelsäule zählt (dazu vgl. A Nr. 2 Buchst. e) VG), war der Einzel-GdB mit 10 festzustellen. Lediglich Dr. S. (Blatt 118 der Beklagtenakte = Blatt 65 der SG-Akte) teilte in seinem Bericht vom 27.04.2012 als Diagnosen eine Myotendinose der HWS und eine Verkürzung des Musculus Trapezius bei paravertebralem Hartspann und Schmerzen der HWS mit. Sonst aber konnte weder im Verwaltungs- noch im Gerichtsverfahren keiner der befragten Ärzte Angaben zu funktionelle Beschwerden der Wirbelsäule machen. Daher ist – wie bereits Dr. B. ausgeführt hat (Blatt 121 der Beklagtenakte) – der vom Beklagten angenommene Einzel-GdB von 10 selbst unter Berücksichtigung der Auswirkungen der von Dr. S. getroffenen Diagnosen nicht nur großzügig, sondern auch nicht zu Lasten des Klägers zu niedrig festgestellt.
Soweit der Kläger und Dr. H. gegenüber dem SG eine mögliche v. Willebrand-Erkrankung der Blutgerinnung mitgeteilt hatte, war vom Senat im Funktionssystem Blut einschließlich blutbildendes Gewebe und Immunsystem (dazu vgl. A Nr. 2 Buchst. e) VG) ein Einzel-GdB nicht anzunehmen. Zwar war die Annahme von Dr. H. durch den Bericht der SRH-Klinik für Innere Medizin, Hämostaseologie, Kardiologie und Neurologie vom 04.07.2012 (Blatt 66/67 der SG-Akte) gestützt, doch war mit Bericht derselben Klinik vom 19.09.2012 (Blatt 69/70 der SG-Akte) nach Durchführung näherer Untersuchungen der v. Willebrand-Parameter im Normbereich und ein Hinweis auf diese Erkrankung verneint worden. Lediglich das Auftreten von zwei Blutungsereignissen (23. und 24.02.2012) bedeutet jedoch nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. Köhler (versorgungsärztliche Stellungnahme vom 29.11.2012) keinen Hinweis auf eine GdB-relevante Funktionsbeeinträchtigung von Dauer, weshalb ein Einzel-GdB nicht festzustellen war.
Im Funktionssystem der Verdauung (dazu vgl. A Nr. 2 Buchst. e) VG) hat der Beklagte einen Einzel-GdB von 20 wegen der wiederkehrenden hämorrhoidalen Beschwerden und den Folgen früherer Operationen festgestellt. Im Hinblick auf die häufigen rezidivierenden Entzündungen und Blutungen ist die Annahme dieses Einzel-GdB im Hinblick auf die verbindlichen Vorgaben der VG in B Nr. 10.2.4 VG zutreffend.
Im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche (dazu vgl. A Nr. 2 Buchst. e) VG) liegt beim Kläger eine rezidivierende depressive Störung (ICD 10: F33.4), sowie eine gemischte ängstlich-vermeidend-asthenische Persönlichkeitsstörung (ICD 10: F 61 ) vor. Dies konnte der Senat auf Grundlage des Gutachtens von Prof. Dr. W. und des Gutachtens von Dr. W. feststellen. Der Senat sieht sich insoweit durch die Gutachten von Dr. D. aus dem Verfahren S 3 SB 2341/08 und von Dr. N. aus dem Verfahren S 5 R 1727/09 bestätigt. Soweit in den Berichten des Zentrums für Psychiatrie M. bzw. B. von einer paranoiden Persönlichkeitsstörung (ICD 10: F 60.0) und einer sonstigen spezifischen Persönlichkeitsstörung (ICD 10: F 60.8) berichtet wird, entspricht dies in der Sache der von Prof. Dr. W. beschriebenen gemischten ängstlich-vermeidend-asthenischen Persönlichkeitsstörung.
Nach den verbindlichen Vorgaben von B Nr. 3.7 VG gilt für Neurosen, Persönlichkeitsstörungen und Folgen psychischer Traumen folgende Bewertung:
Leichtere psychovegetative oder psychische Störungen Einzel-GdB 0-20
Stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) Einzel-GdB 30-40
Schwere Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit
mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten Einzel-GdB 50-70
mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten Einzel-GdB 80-100
Vorliegend konnte der Senat feststellen, dass die vom Beklagten angenommene stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit mit einem Einzel-GdB von 30 nicht zu Lasten des Klägers zu niedrig bewertet ist. Zu seiner ärztlichen Betreuung hat der Kläger gegenüber Prof. Dr. W. regelmäßige Vorsprachen beim Nervenarzt Dr. Uebe angegeben, auch war er seit 2008 mittlerweile viermal in mehrwöchigen stationären und zusätzlichen teilstationären (tagesklinischen) psychiatrischen Behandlungen. Er nimmt – eigenen Angaben zufolge hochdosiert – Mirtazepam; jedoch konnte Prof. Dr. W. den angegebenen Konsum bei ihren Laboruntersuchungen jedenfalls nicht in der behaupteten Menge nachvollziehen. Im Alltag hat der Kläger – über seinen Vater hinaus, mit dem er zusammen wohnt – Kontakt zu seinem Sohn (einmal pro Woche) und im Internet bei der Beantwortung von Umfragen und hat sich ansonsten weitgehend zurückgezogen. Einkäufe beschränkt er auf das Nötigste, verspürt nach eigenen Angaben gegenüber Prof. Dr. W. in den Geschäften Angst und Panik. Jedoch ist er in der Lage, den Vater zu Terminen – z.B. Ärzten – zu fahren und regelmäßig seine Ärzte aufzusuchen. Dennoch durfte der Senat das Sozialverhalten des Klägers als in gewisser Weise zurückgezogen werten. Ein wesentlicher Rückzug hat jedoch nicht stattgefunden. Zwar hat der Kläger näheren Kontakt nur zu wenigen Menschen, doch ist er in der Lage, seinen Tagesablauf selbst zu organisieren und im Rahmen dieses Tagesablaufs zwangsläufigen Kontakt mit anderen Menschen gestaltend in den Tag einzubauen, was Dr. D. darstellen konnte; Prof. Dr. W. hat durch die Wiedergabe des vom Kläger beschriebenen Tagesablaufs in der Sache dasselbe dargelegt. So ist der Tagesablauf durch das Zusammenleben mit dem Vater, dem Kontakt zum Sohn und der Erledigung der anfallenden Hausarbeiten geprägt. Termine nimmt der Kläger pünktlich wahr und ist auch in der Lage, mit anderen Menschen problemlos zu kommunizieren, was sich schon aus der Tatsache ergibt, dass der Kläger bei seinen Ärzten und den verschiedenen Gutachtern nie den Eindruck hinterlassen hat, ein sozialer Rückzug habe auch insoweit funktionelle Folgen, als dadurch die Kommunikationsfähigkeit beeinträchtigt würde. Im vorläufigen Entlassungsbericht des psychiatrischen Zentrums N. vom 09.11.2013 wird ausgeführt, der Kläger habe sich schnell in die Patientengruppe integriert, gehe weiterhin aus und treffe sich mit Bekannten.
Dabei muss gerade auch berücksichtigt werden, dass die Angaben des Klägers gegenüber Prof. Dr. W. – und auch gegenüber den anderen Ärzten (vgl. u.a. das Gutachten von PD Dr. W. vom 18.09.2012, Gutachtenseite 17) - von einer gewissen, über das Übliche hinausgehenden Verdeutlichungstendenz (vgl. Blatt 77/79 der Senatsakte = Seite 17/19 des Gutachtens) geprägt war und daher seine Angaben insoweit zumindest teilweise als zielorientiert motiviert verstanden werden dürfen. Gerade soweit das Verhalten des Klägers auf bewusstem, willentlichem Steuern beruht, hat Prof. Dr. W. diesen Umstand als Zeichen dafür gewertet, dass die Beeinträchtigung des Klägers durch die Persönlichkeitsstörung eher als leicht bis lediglich mittelgradig zu betrachten war.
Dieser Einschätzung folgt der Senat. Dazu passt auch, dass der Kläger bei der Untersuchung durch Prof. Dr. W. allseits orientiert mit gutem Aufmerksamkeitsniveau dem Gespräch konzentriert folgend, ohne Gedächtnisstörungen oder Denkablaufstörungen, ohne über das Normale hinausgehenden Befürchtungen oder Zwangsgedanken, Zwangsimpulsen oder Zwangshandlungen, ohne Anhalt für wahnhaftes Denken oder Sinnestäuschungen, ohne Ich-Störungen, bei ausgeglichener Stimmung und guter affektiver Resonanzfähigkeit sowie normalem Antrieb erlebt worden war (Blatt 68 der Senatsakte = Seite 8 des Gutachtens). Vergleichbar, lediglich im Antrieb gemindert, hat Dr. D. den Kläger beschrieben, sodass die Annahme einer stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit für den Senat als vertretbar, jedenfalls nicht zu niedrig angesetzt, ist. Mag der Kläger auch immer wieder schwerere psychiatrisch bedeutsame Episoden erleben, die ggf. eine stationäre bzw. tagesklinische Behandlung erfordern, so sind diese doch immer wieder mit ambulanten und stationären Behandlungsmaßnahmen innerhalb von wenigen Wochen stabilisiert und beruhigt. Dies wird gerade aus den vorliegenden Berichte des Zentrums für Psychiatrie M. bzw. B. deutlich, wo der Kläger - z.B. zuletzt (Bericht vom 02.12.2014, Blatt 101/103 der Senatsakte) – immer Stabilisierung und Besserung fand. Den insoweit auftretenden Schwankungen im Gesundheitszustand des Klägers ist nach A Nr. 2 Buchst. f) VG mit einem Durchschnittswert Rechnung zu tragen. Dementsprechend muss in solchen Fällen bei der GdB-Beurteilung von dem "durchschnittlichen" Ausmaß der Beeinträchtigung ausgegangen werden. Da die stationären Behandlungen aber seit 2008 zu nur vier stationären/teilstationären Behandlungen im Umfang von jeweils nur einigen Wochen geführt haben, konnte der Senat nicht feststellen, dass gerade die insoweit wohl bestehende Verstärkung der Erkrankung bereits das durchschnittliche Leidensbild des Klägers prägt.
Damit konnte der Senat lediglich von einer Bewertung am unteren Rand des für stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit gesetzten Rahmens ausgehen. Die Feststellung eines Einzel-GdB von 30 ist nicht zu Lasten des Klägers rechtswidrig. Z. Vor diesem Hintergrund konnte der Senat auch der höheren Einschätzung von Dr. H. nicht beitreten; ihre Einschätzung ließ sich für den Senat weder in Hinblick auf die Vorgaben der VG noch im Hinblick auf den vom Senat festgestellten Leidensverlauf beim Kläger als nachvollziehbar darstellen.
Ob der Kläger in der Lage ist, eine Erwerbstätigkeit auszuüben, ist für die Beurteilung des GdB unerheblich (A Nr. 2 Buchst. b) VG). Daher kann aus der Einschätzung des Arztes G. in seinem für die Bundesagentur für Arbeit gefertigten Gutachten und der darin enthaltenen Leistungsbeurteilung – gleiches gilt für das im Rentenverfahren erstellte Gutachten von Dr. N. – nicht auf einen Einzel- oder den Gesamt-GdB geschlossen werden; der Senat hat jedoch die medizinischen Befunde und dort mitgeteilten Angaben des Klägers aus diesen Gutachten verwerten können und hat diese seiner Beurteilung zugrunde gelegt.
Weitere - bisher nicht berücksichtigte - GdB-relevante Funktionsbehinderungen, die einen Einzel- bzw. Teil-GdB von wenigstens 10 bedingen, wurden weder geltend gemacht noch konnte der Senat solche feststellen.
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen nicht für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit den sachverständigen Zeugenauskünften und den Gutachten dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der medizinische festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden Überschneidungen und Wechselwirkungen.
Nach Überzeugung des Senats ist der Gesamt-GdB unter integrierender Bewertung der Funktionsbehinderungen und unter Beachtung ihrer gegenseitigen Auswirkungen der Gesamt-GdB mit 40, gebildet aus Teil-GdB-Werten von - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Rumpfes (Wirbelsäule), - 20 für die Funktionsbeeinträchtigungen des Funktionssystems der Verdauung und - 30 für die Funktionsbeeinträchtigungen des Funktionssystems des Gehirns einschließlich der Psyche - wobei Teil-GdB-Werte von 10 regemäßig nicht erhöhend wirken - zu bemessen. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass ausgehend vom Einzel-GdB von 30 für das Funktionssystem der Psyche sich Überschneidungen mit den weiteren Funktionsbehinderungen nur in geringem Umfang ergeben und insoweit –wie Prof. Dr. W. ausgeführt hat – lediglich eine geringe Verstärkung anzunehmen ist. Dieser Einschätzung folgt der Senat. Daher konnte der Senat unter integrativer Bewertung und im Vergleich zu den in den VG benannten Fällen eines GdB von 50 einen Gesamt-GdB von 50 beim Kläger nicht annehmen; der GdB war mit 40 festzustellen; der abweichenden Einschätzung von Dr. H. konnte der Senat aus den bereits zuvor dargestellten Gründen nicht folgen ...
Mit dem vom Senat festgestellten Gesamt-GdB von 40 ist im Vergleich zum Bescheid vom 24.04.2008 eine wesentliche Änderung i.S.d. § 48 SGB X nicht eingetreten, weshalb der Kläger keinen Anspruch auf eine Änderung/höhere (Neu-)Feststellung des GdB hat.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger gegen den Beklagten ein Anspruch auf höhere (Neu-)Feststellung des Grades der Behinderung (GdB; 50 statt 40) seit dem 19.03.2012 zusteht.
Auf den Antrag des 1969 geborenen Klägers vom 21.01.2008 hin stellte das Landratsamt (LRA) mit Bescheid vom 07.02.2008 (Blatt 43/43 der Beklagtenakte; zur zugrundeliegenden versorgungsärztlichen Stellungnahme vgl. Blatt 39/40 der Beklagtenakte) einen GdB von 30 seit 01.12.2007 fest (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Hämorrhoidialleiden, operiert, Analfissur, anorektaler Symptomkomplex (Einzel-GdB 20); seelische Störung (Einzel-GdB 20); degenerative Veränderungen der Wirbelsäule (Einzel-GdB 10)). Mit Teilabhilfebescheid vom 24.04.2008 (Blatt 59/60 der Beklagtenakte) stellte das LRA dann einen GdB von 40 seit dem 01.12.2007 fest. Der Beklagte wies durch das Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt – den Widerspruch im Übrigen zurück (Widerspruchsbescheid vom 23.05.2008, Blatt 65/67 der Beklagtenakte). Das dagegen beim Sozialgericht (SG) Karlsruhe geführte Klageverfahren S 3 SB 2341/08 endete durch Abweisung der Klage (Gerichtsbescheid vom 04.11.2010, Blatt 132/138 der SG-Akte zum Verfahren S 3 SB 2341/08; zu den dort eingeholten Gutachten von Dr. D., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, vom 18.06.2009 und dem beigezogenen Gutachten aus dem Verfahren S 5 R 1727/09 von Dr. N., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie, vom 09.02.2010 vgl. Blatt 50/64 und 83/118 der SG-Akte zum Verfahren S 3 SB 2341/08); die eingelegte Berufung wurde durch das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg mit Urteil vom 27.10.2011 im Verfahren L 6 SB 5462/10 zurückgewiesen.
Unter Vorlage von ärztlichen Unterlagen (Blatt 72/80 der Beklagtenakte) beantragte der Kläger beim LRA am 19.03.2012 die höhere (Neu-)Feststellung des GdB (Blatt 81/88 der Beklagtenakte). Zu seinem Antrag verwies er auf eine chronische Tonsillitis, Nachblutung nach Tonsillektomie am 23.02.2012 und am 24.02.2012, operative Blutstillungen am 23. und 24.02.2012, Depression, Blutarmut, Angststörung und eine Anämie am 28.02.2012.
Das LRA zog Unterlagen der Deutschen Rentenversicherung bei (zu den Unterlagen vgl. Blatt 90/107 der Beklagtenakte) und lehnte unter Berücksichtigung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. C. vom 23.04.2012 (Blatt 108/109 der Beklagtenakte) den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 24.04.2012 (Blatt 110/113 der Beklagtenakte; zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Hämorrhoidialleiden, operiert, Analfissur, anorektaler Symptomkomplex (Einzel-GdB 20); seelische Störung (Einzel-GdB 20); degenerative Veränderungen der Wirbelsäule (Einzel-GdB 10)) ab. Die Entfernung der Gaumenmandeln und eines Rectumpolypen bedinge keinen Einzel-GdB von wenigstens 10. Eine wesentliche Änderung sei nicht eingetreten.
Seinen Widerspruch vom 02.05.2012 (Blatt 114 der Beklagtenakte) begründete der Kläger damit, dass für seinen Gesundheitszustand ein GdB von mindestens 50 angemessen sei.
Das LRA zog ärztliche Befundunterlagen der Allgemeinmedizinerin Dr. H. bei (zu den Unterlagen vgl. Blatt 117/119 der Beklagtenakte). In einer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 31.05.2012 (Blatt 120/121 der Beklagtenakte) schätzte Dr. B. den GdB weiterhin mit 40 ein; nach dem orthopädischen Befundbericht erscheine die Wertung von 10 als großzügig.
Der Beklagte wies durch das Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt - den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 06.06.2012 zurück; eine wesentliche Änderung gegenüber dem Bescheid vom 24.04.2008 sei nicht eingetreten.
Auf die am 05.07.2012 SG erhobene und auf Anerkennung eines GdB von 50 gerichtete Klage hin hat das SG Beweis erhoben durch schriftliche Befragung von Ärzten als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 24/46 und 48/70 der SG-Akte Bezug genommen. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Schmerztherapie Dr. W., der den Kläger im Rahmen des beim SG geführten Verfahrens S 16 R 1381/12 nervenärztlich begutachtet hatte, hat dem SG unter Vorlage seines Gutachtens vom 05.09.2012 mitgeteilt, beim Kläger bestehe eine Persönlichkeitsstörung mit ängstlich-vermeidender Haltung und Asthenie sowie eine dysphorisch-depressive Verstimmung. Er hat der Bewertung des Gesamt-GdB mit 40 zugestimmt. Dr. H., Ärztin für Allgemeinmedizin, hat dem SG am 05.10.2012 geschrieben, dass der Kläger an einer Depression leide; es komme zu rezidivierenden mittelgradigen, depressiven Episoden, teilweise auch zu schwergradigen Episoden. Das Hämorrhoidialleiden habe nach mehreren Operationen zu starken Verwachsungen geführt. Der Kläger leide wahrscheinlich auch an einem v. Willebrand-Syndrom und einer mittelgradigen degenerativen Veränderung der Wirbelsäule. Die chronische Tonsillitis bestehe seit Jahren. Der GdB liege insgesamt bei mindestens 50.
Der Kläger hat den vorläufigen Entlassbericht des Zentrums für Psychiatrie – Psychiatrische Klinik – B. vom 16.02.2013 über den stationären Aufenthalt des Klägers dort vom 15.01.2013 bis zum 16.02.2013 vorgelegt (Blatt 83/88 der SG-Akte; zur versorgungsärztlichen Stellungnahme hierzu vgl. Blatt 91 der Senatsakte).
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 19.06.2013 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40. Auf psychiatrischem Fachgebiet seien die Gesundheitsstörungen mit ängstlich-vermeidender Haltung und Asthenie und depressive Verstimmung mit einem Einzel-GdB von 30 zutreffend bewertet. Es handele sich um eine stärker behindernde Störungen mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit des Klägers. Er habe sich sozial zurück gezogen, sein Tageslauf ist lediglich hinreichend strukturiert. Dieser Wertung stehe nicht entgegen, dass mittlerweile eine stationäre Behandlung erforderlich gewesen sei, in welcher sich der psychische Zustand des Klägers stabilisiert habe. Anhaltspunkte für eine schwere psychische Störung wie beispielsweise eine Zwangskrankheit seien nicht ersichtlich. Dem stehe auch entgegen, dass der Kläger nicht in kontinuierlicher psychiatrischer Behandlung sei, eine nach Ansicht der behandelnden Ärzte und Gutachter dringend erforderliche ambulante Therapie führe er nicht durch. Dies spreche gegen eine Höhereinschätzung des Einzel-GdB. Das Hämorrhoidenleiden des Klägers sei mit einem GdB von 20 ausreichend bewertet. Die degenerative Veränderung der Wirbelsäule sei mit keinem höheren GdB als 10 zu bewerten. Es lägen allenfalls geringgradige funktionelle Auswirkungen vor. Aus den Einzel-GdB-Werten von 30, 20, 10 sei ein Gesamt-GdB von 40 zu bilden.
Gegen den seinem Bevollmächtigten am 20.06.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 18.07.2013 beim SG (Eingang beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg am 23.07.2013) Berufung eingelegt. Er sei nach wie vor der Auffassung, dass bei ihm ein GdB von mindestens 50 festzustellen sei. Insbesondere die psychische Erkrankung sei mindestens mit einem Einzel-GdB von 40 festzustellen. Er leide an einer schweren psychischen Störung mit erheblichen sozialen Anpassungsschwierigkeiten. Er habe sich sozial zurückgezogen und sein Tagesablauf sei lediglich "hinreichend" strukturiert. Dies bedeute, dass die vorhandene Funktionsbeeinträchtigung auf psychiatrischem Fachgebiet eine schwere Störung darstellt, die mindestens mit einem GdB von 50, aber auf jeden Fall eine stärker behindernde Störung vorliege, die mindestens mit einem GdB von 40 zu bewerten sei. Diese Bewertung entspreche auch der sozial-medizinischen Stellungnahme der Bundesagentur vom 15.03.2013, wonach er wegen psychomentaler und körperlicher Minderbelastbarkeit nur noch in der Lage sei, weniger als 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Der Kläger hat vorgelegt - das arbeitsamtsärztliche Gutachten des Arztes für Arbeitsmedizin G. vom 15.03.2013 (Blatt 16/17 der Senatsakte), - den vorläufigen Entlassbericht des Zentrums für Psychiatrie N. - Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie – M. vom 09.12.2013 (Blatt 35/36 = 38/42 der Senatsakte), - den vorläufigen Entlassbericht des Zentrums für Psychiatrie N. – Zentrum für Psychische Gesundheit – B. vom 03.01.2014 (Blatt 46/49 der Senatsakte).
Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19.06.2013 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des Landratsamtes Karlsruhe vom 24.04.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 06.06.2012 zu verurteilen, bei ihm einen Grad der Behinderung von 50 ab dem 19.03.2012 festzustellen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Eine wesentliche Verschlechterung im Gesundheitszustand des Klägers sei nicht eingetreten, weshalb der GdB weiterhin 40 betrage. Auch die sozialmedizinische Stellungnahme der Agentur für Arbeit vom 15.03.2013 enthalte demgegenüber keine Befunde, die einen höheren Einzel-GdB als 30 für die psychische Störung begründen könnten.
Der Kläger hat mit Schreiben vom 22.08.2013 (Blatt 21/22 der Senatsakte) u.a. auf die stationäre Behandlung vom 15.01.2013 bis zum 16.02.2013 in der psychiatrischen Klinik in B. hingewiesen und mit Email vom 23.08.2013 (Blatt 24 der Senatsakte) darauf hingewiesen, dass das Gutachten von Dr. W. nicht der Wahrheit entspreche. Es sei nicht wahr, dass er noch alles Arbeiten könne. Es sei eine Unverschämtheit so etwas zu behaupten "von einmal ansehen in seiner heruntergekommenen Arztpraxis". Der Gesundheitszustand habe sich verschlechtert. "Dieser Arzt hat keinen guten Ruf".
Mit Schreiben vom 21.11.2013 (Blatt 29 der Senatsakte) hat der Kläger eine Verschlimmerung seines Gesundheitszustandes und eine stationäre Behandlung in der Psychiatrischen Klinik M. mitgeteilt.
Der Senat hat Berichte des Zentrums für Psychiatrie N. – Zentrum für Psychische Gesundheit – M. beigezogen (zu den Berichten vgl. Blatt 52/58 der Senatsakte) und gemäß § 109 SGG Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen nervenärztlichen Gutachtens bei der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie Prof. Dr. W ... Diese hat in ihrem Gutachten vom 15.04.2014 (Blatt 61/86 der Senatsakte) beim Kläger eine Beeinträchtigung der sozialen und emotionalen Funktionen (Rückzug aus Kontakten mit anderen Menschen, Ängste, Vermeidungsverhalten, Lustlosigkeit) festgestellt und eine rezidivierende depressive Störung, aktuell remittiert, sowie eine gemischte ängstlich-vermeidend-asthenische Persönlichkeitsstörung dargestellt. Die Funktionsbeeinträchtigungen seien leicht bis mittelschwer. Diese bedingten einen GdB von 30. Unter Berücksichtigung eines Einzel-GdB von 20 wegen Hämorrhoiden/Analfissur/anorektalem Symptomkomplex, und von 10 wegen degenerativer Veränderungen der Wirbelsäule werde der Gesamt-GdB mit 40 beziffert. Dabei werde berücksichtigt, dass sich die Beeinträchtigung durch die Hämorrhoiden und die psychische Beeinträchtigung gegenseitig leicht verstärkten. Deshalb erscheine ein etwas über dem höchsten Einzel-GdB liegender Gesamt-GdB als angemessen.
Mit Schreiben vom 06.11.2014 (Blatt 93 = 94 der Senatsakte) hat der Kläger auf eine ab dem 06.11.2014 beginnende stationäre Krankenhausbehandlung hingewiesen.
Der Senat hat die Ärzte des Zentrums für Psychiatrie N. – Zentrum für Psychische Gesundheit – B. schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Die ärztliche Leiterin B. hat in ihrer Antwort vom 26.11.2014 (Blatt 98/114 der Senatsakte) unter Vorlage von Berichten der Klinik die Diagnose einer Angst und depressive Störung, gemischt, sowie eine negativistische und eine paranoide Persönlichkeitsstörung dargestellt.
Der Beklagte hat mit Schreiben vom 18.12.2014 (Blatt 115 der Senatsakte) an seiner bisherigen Auffassung festgehalten.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (vgl. Blatt 116, 117 der Senatsakte).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte gemäß § 124 Abs. 2 SGG über die Berufung ohne mündliche Verhandlung entscheiden, denn die Beteiligten haben dem zugestimmt und der Senat hält eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich.
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet.
Gegenüber dem der GdB-Feststellung zuletzt zugrundeliegenden Bescheid des LRA vom 24.04.2008, mit dem das LRA beim Kläger einen GdB von 40 festgestellt hatte, ist eine rechtserhebliche wesentliche Änderung i.S.d. § 48 Abs. 1 SGB X nicht eingetreten. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB nicht zu. Der angefochtene Bescheid des LRA vom 24.04.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 06.06.02012 ist daher rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Rechtsgrundlage für die vom Kläger begehrte Neufeststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen welche ihrerseits nicht zum so genannten Verfügungssatz des Bescheides gehören zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 - BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die der Zuerkennung eines GdB zugrundeliegende Behinderung wird gemäß § 69 Abs. 1 SGB IX im Hinblick auf deren Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Dabei stellt die Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2009 (BGBl. I, 2412), den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) auf funktionelle Beeinträchtigungen ab, die nach Funktionssystemen (dazu vgl. A Nr. 2 Buchst. e) VG) getrennt, später nach § 69 Abs. 3 SGB IX in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen sind.
Die Bemessung des Gesamt-GdB (dazu s. unten) setzt sich zusammen aus den in den Funktionssystemen (dazu vgl. Anlage "Versorgungs-medizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV), dort A Nr. 2 Buchst. e VG; zuvor so schon A 10. (12) AHP 2008 und AHP 2004) für die dort vorhandenen Funktionsbehinderungen festgestellten Einzel-GdB. Die Feststellung der Einzel-GdB folgt mithin nicht einzelnen Erkrankungen sondern den funktionellen Auswirkungen aller derjenigen Erkrankungen, die ein einzelnes Funktionssystem betreffen.
Insoweit konnte der Senat nicht feststellen, dass die vom Kläger in seinem Antrag geltend gemachten Umstände (chronische Tonsillitis, Nachblutung nach Tonsillektomie am 23.02.2012 und am 24.02.2012, operative Blutstillungen am 23. und 24.02.2012, Blutarmut und eine Anämie am 28.02.2012) funktionelle Beeinträchtigungen nach sich gezogen hätten. Auch hat es sich bei den Nachblutungen nach Tonsillektomie am 23.02.2012 und am 24.02.2012 mit operativen Blutstillungen am 23.02.2012 und am 24.02.2012, Blutarmut und Anämie am 28.02.2012 jeweils um vorübergehende, nicht im Sinne von § 2 Abs. 1 SGB IX einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten überdauernden Gesundheitsstörungen gehandelt, was Dr. Köhler in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 29.11.2012 (Blatt 74/75 der SG-Akte) wie auch bereits Dr. C. in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 23.04.2012 (Blatt 108/109 der Beklagtenakte) plausibel dargelegt haben. Die postoperative Blutanämie hatte keine Bluttransfusionen erfordert. Auch war von einer Erholung des Blutbildes auszugehen. Insoweit konnten auch die späteren ärztlichen Berichte keine überdauernden Funktionsstörungen mehr darstellen.
Im Funktionssystem des Rumpfes, wozu der Senat auch die Wirbelsäule einschließlich der Halswirbelsäule zählt (dazu vgl. A Nr. 2 Buchst. e) VG), war der Einzel-GdB mit 10 festzustellen. Lediglich Dr. S. (Blatt 118 der Beklagtenakte = Blatt 65 der SG-Akte) teilte in seinem Bericht vom 27.04.2012 als Diagnosen eine Myotendinose der HWS und eine Verkürzung des Musculus Trapezius bei paravertebralem Hartspann und Schmerzen der HWS mit. Sonst aber konnte weder im Verwaltungs- noch im Gerichtsverfahren keiner der befragten Ärzte Angaben zu funktionelle Beschwerden der Wirbelsäule machen. Daher ist – wie bereits Dr. B. ausgeführt hat (Blatt 121 der Beklagtenakte) – der vom Beklagten angenommene Einzel-GdB von 10 selbst unter Berücksichtigung der Auswirkungen der von Dr. S. getroffenen Diagnosen nicht nur großzügig, sondern auch nicht zu Lasten des Klägers zu niedrig festgestellt.
Soweit der Kläger und Dr. H. gegenüber dem SG eine mögliche v. Willebrand-Erkrankung der Blutgerinnung mitgeteilt hatte, war vom Senat im Funktionssystem Blut einschließlich blutbildendes Gewebe und Immunsystem (dazu vgl. A Nr. 2 Buchst. e) VG) ein Einzel-GdB nicht anzunehmen. Zwar war die Annahme von Dr. H. durch den Bericht der SRH-Klinik für Innere Medizin, Hämostaseologie, Kardiologie und Neurologie vom 04.07.2012 (Blatt 66/67 der SG-Akte) gestützt, doch war mit Bericht derselben Klinik vom 19.09.2012 (Blatt 69/70 der SG-Akte) nach Durchführung näherer Untersuchungen der v. Willebrand-Parameter im Normbereich und ein Hinweis auf diese Erkrankung verneint worden. Lediglich das Auftreten von zwei Blutungsereignissen (23. und 24.02.2012) bedeutet jedoch nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. Köhler (versorgungsärztliche Stellungnahme vom 29.11.2012) keinen Hinweis auf eine GdB-relevante Funktionsbeeinträchtigung von Dauer, weshalb ein Einzel-GdB nicht festzustellen war.
Im Funktionssystem der Verdauung (dazu vgl. A Nr. 2 Buchst. e) VG) hat der Beklagte einen Einzel-GdB von 20 wegen der wiederkehrenden hämorrhoidalen Beschwerden und den Folgen früherer Operationen festgestellt. Im Hinblick auf die häufigen rezidivierenden Entzündungen und Blutungen ist die Annahme dieses Einzel-GdB im Hinblick auf die verbindlichen Vorgaben der VG in B Nr. 10.2.4 VG zutreffend.
Im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche (dazu vgl. A Nr. 2 Buchst. e) VG) liegt beim Kläger eine rezidivierende depressive Störung (ICD 10: F33.4), sowie eine gemischte ängstlich-vermeidend-asthenische Persönlichkeitsstörung (ICD 10: F 61 ) vor. Dies konnte der Senat auf Grundlage des Gutachtens von Prof. Dr. W. und des Gutachtens von Dr. W. feststellen. Der Senat sieht sich insoweit durch die Gutachten von Dr. D. aus dem Verfahren S 3 SB 2341/08 und von Dr. N. aus dem Verfahren S 5 R 1727/09 bestätigt. Soweit in den Berichten des Zentrums für Psychiatrie M. bzw. B. von einer paranoiden Persönlichkeitsstörung (ICD 10: F 60.0) und einer sonstigen spezifischen Persönlichkeitsstörung (ICD 10: F 60.8) berichtet wird, entspricht dies in der Sache der von Prof. Dr. W. beschriebenen gemischten ängstlich-vermeidend-asthenischen Persönlichkeitsstörung.
Nach den verbindlichen Vorgaben von B Nr. 3.7 VG gilt für Neurosen, Persönlichkeitsstörungen und Folgen psychischer Traumen folgende Bewertung:
Leichtere psychovegetative oder psychische Störungen Einzel-GdB 0-20
Stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) Einzel-GdB 30-40
Schwere Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit
mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten Einzel-GdB 50-70
mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten Einzel-GdB 80-100
Vorliegend konnte der Senat feststellen, dass die vom Beklagten angenommene stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit mit einem Einzel-GdB von 30 nicht zu Lasten des Klägers zu niedrig bewertet ist. Zu seiner ärztlichen Betreuung hat der Kläger gegenüber Prof. Dr. W. regelmäßige Vorsprachen beim Nervenarzt Dr. Uebe angegeben, auch war er seit 2008 mittlerweile viermal in mehrwöchigen stationären und zusätzlichen teilstationären (tagesklinischen) psychiatrischen Behandlungen. Er nimmt – eigenen Angaben zufolge hochdosiert – Mirtazepam; jedoch konnte Prof. Dr. W. den angegebenen Konsum bei ihren Laboruntersuchungen jedenfalls nicht in der behaupteten Menge nachvollziehen. Im Alltag hat der Kläger – über seinen Vater hinaus, mit dem er zusammen wohnt – Kontakt zu seinem Sohn (einmal pro Woche) und im Internet bei der Beantwortung von Umfragen und hat sich ansonsten weitgehend zurückgezogen. Einkäufe beschränkt er auf das Nötigste, verspürt nach eigenen Angaben gegenüber Prof. Dr. W. in den Geschäften Angst und Panik. Jedoch ist er in der Lage, den Vater zu Terminen – z.B. Ärzten – zu fahren und regelmäßig seine Ärzte aufzusuchen. Dennoch durfte der Senat das Sozialverhalten des Klägers als in gewisser Weise zurückgezogen werten. Ein wesentlicher Rückzug hat jedoch nicht stattgefunden. Zwar hat der Kläger näheren Kontakt nur zu wenigen Menschen, doch ist er in der Lage, seinen Tagesablauf selbst zu organisieren und im Rahmen dieses Tagesablaufs zwangsläufigen Kontakt mit anderen Menschen gestaltend in den Tag einzubauen, was Dr. D. darstellen konnte; Prof. Dr. W. hat durch die Wiedergabe des vom Kläger beschriebenen Tagesablaufs in der Sache dasselbe dargelegt. So ist der Tagesablauf durch das Zusammenleben mit dem Vater, dem Kontakt zum Sohn und der Erledigung der anfallenden Hausarbeiten geprägt. Termine nimmt der Kläger pünktlich wahr und ist auch in der Lage, mit anderen Menschen problemlos zu kommunizieren, was sich schon aus der Tatsache ergibt, dass der Kläger bei seinen Ärzten und den verschiedenen Gutachtern nie den Eindruck hinterlassen hat, ein sozialer Rückzug habe auch insoweit funktionelle Folgen, als dadurch die Kommunikationsfähigkeit beeinträchtigt würde. Im vorläufigen Entlassungsbericht des psychiatrischen Zentrums N. vom 09.11.2013 wird ausgeführt, der Kläger habe sich schnell in die Patientengruppe integriert, gehe weiterhin aus und treffe sich mit Bekannten.
Dabei muss gerade auch berücksichtigt werden, dass die Angaben des Klägers gegenüber Prof. Dr. W. – und auch gegenüber den anderen Ärzten (vgl. u.a. das Gutachten von PD Dr. W. vom 18.09.2012, Gutachtenseite 17) - von einer gewissen, über das Übliche hinausgehenden Verdeutlichungstendenz (vgl. Blatt 77/79 der Senatsakte = Seite 17/19 des Gutachtens) geprägt war und daher seine Angaben insoweit zumindest teilweise als zielorientiert motiviert verstanden werden dürfen. Gerade soweit das Verhalten des Klägers auf bewusstem, willentlichem Steuern beruht, hat Prof. Dr. W. diesen Umstand als Zeichen dafür gewertet, dass die Beeinträchtigung des Klägers durch die Persönlichkeitsstörung eher als leicht bis lediglich mittelgradig zu betrachten war.
Dieser Einschätzung folgt der Senat. Dazu passt auch, dass der Kläger bei der Untersuchung durch Prof. Dr. W. allseits orientiert mit gutem Aufmerksamkeitsniveau dem Gespräch konzentriert folgend, ohne Gedächtnisstörungen oder Denkablaufstörungen, ohne über das Normale hinausgehenden Befürchtungen oder Zwangsgedanken, Zwangsimpulsen oder Zwangshandlungen, ohne Anhalt für wahnhaftes Denken oder Sinnestäuschungen, ohne Ich-Störungen, bei ausgeglichener Stimmung und guter affektiver Resonanzfähigkeit sowie normalem Antrieb erlebt worden war (Blatt 68 der Senatsakte = Seite 8 des Gutachtens). Vergleichbar, lediglich im Antrieb gemindert, hat Dr. D. den Kläger beschrieben, sodass die Annahme einer stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit für den Senat als vertretbar, jedenfalls nicht zu niedrig angesetzt, ist. Mag der Kläger auch immer wieder schwerere psychiatrisch bedeutsame Episoden erleben, die ggf. eine stationäre bzw. tagesklinische Behandlung erfordern, so sind diese doch immer wieder mit ambulanten und stationären Behandlungsmaßnahmen innerhalb von wenigen Wochen stabilisiert und beruhigt. Dies wird gerade aus den vorliegenden Berichte des Zentrums für Psychiatrie M. bzw. B. deutlich, wo der Kläger - z.B. zuletzt (Bericht vom 02.12.2014, Blatt 101/103 der Senatsakte) – immer Stabilisierung und Besserung fand. Den insoweit auftretenden Schwankungen im Gesundheitszustand des Klägers ist nach A Nr. 2 Buchst. f) VG mit einem Durchschnittswert Rechnung zu tragen. Dementsprechend muss in solchen Fällen bei der GdB-Beurteilung von dem "durchschnittlichen" Ausmaß der Beeinträchtigung ausgegangen werden. Da die stationären Behandlungen aber seit 2008 zu nur vier stationären/teilstationären Behandlungen im Umfang von jeweils nur einigen Wochen geführt haben, konnte der Senat nicht feststellen, dass gerade die insoweit wohl bestehende Verstärkung der Erkrankung bereits das durchschnittliche Leidensbild des Klägers prägt.
Damit konnte der Senat lediglich von einer Bewertung am unteren Rand des für stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit gesetzten Rahmens ausgehen. Die Feststellung eines Einzel-GdB von 30 ist nicht zu Lasten des Klägers rechtswidrig. Z. Vor diesem Hintergrund konnte der Senat auch der höheren Einschätzung von Dr. H. nicht beitreten; ihre Einschätzung ließ sich für den Senat weder in Hinblick auf die Vorgaben der VG noch im Hinblick auf den vom Senat festgestellten Leidensverlauf beim Kläger als nachvollziehbar darstellen.
Ob der Kläger in der Lage ist, eine Erwerbstätigkeit auszuüben, ist für die Beurteilung des GdB unerheblich (A Nr. 2 Buchst. b) VG). Daher kann aus der Einschätzung des Arztes G. in seinem für die Bundesagentur für Arbeit gefertigten Gutachten und der darin enthaltenen Leistungsbeurteilung – gleiches gilt für das im Rentenverfahren erstellte Gutachten von Dr. N. – nicht auf einen Einzel- oder den Gesamt-GdB geschlossen werden; der Senat hat jedoch die medizinischen Befunde und dort mitgeteilten Angaben des Klägers aus diesen Gutachten verwerten können und hat diese seiner Beurteilung zugrunde gelegt.
Weitere - bisher nicht berücksichtigte - GdB-relevante Funktionsbehinderungen, die einen Einzel- bzw. Teil-GdB von wenigstens 10 bedingen, wurden weder geltend gemacht noch konnte der Senat solche feststellen.
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen nicht für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit den sachverständigen Zeugenauskünften und den Gutachten dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der medizinische festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden Überschneidungen und Wechselwirkungen.
Nach Überzeugung des Senats ist der Gesamt-GdB unter integrierender Bewertung der Funktionsbehinderungen und unter Beachtung ihrer gegenseitigen Auswirkungen der Gesamt-GdB mit 40, gebildet aus Teil-GdB-Werten von - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Rumpfes (Wirbelsäule), - 20 für die Funktionsbeeinträchtigungen des Funktionssystems der Verdauung und - 30 für die Funktionsbeeinträchtigungen des Funktionssystems des Gehirns einschließlich der Psyche - wobei Teil-GdB-Werte von 10 regemäßig nicht erhöhend wirken - zu bemessen. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass ausgehend vom Einzel-GdB von 30 für das Funktionssystem der Psyche sich Überschneidungen mit den weiteren Funktionsbehinderungen nur in geringem Umfang ergeben und insoweit –wie Prof. Dr. W. ausgeführt hat – lediglich eine geringe Verstärkung anzunehmen ist. Dieser Einschätzung folgt der Senat. Daher konnte der Senat unter integrativer Bewertung und im Vergleich zu den in den VG benannten Fällen eines GdB von 50 einen Gesamt-GdB von 50 beim Kläger nicht annehmen; der GdB war mit 40 festzustellen; der abweichenden Einschätzung von Dr. H. konnte der Senat aus den bereits zuvor dargestellten Gründen nicht folgen ...
Mit dem vom Senat festgestellten Gesamt-GdB von 40 ist im Vergleich zum Bescheid vom 24.04.2008 eine wesentliche Änderung i.S.d. § 48 SGB X nicht eingetreten, weshalb der Kläger keinen Anspruch auf eine Änderung/höhere (Neu-)Feststellung des GdB hat.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
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