L 9 AS 2018/15 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AS 2372/15 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 AS 2018/15 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Ablehnung des Erlasses einer einstweiligen Anordnung im Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 5. Mai 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Streitig ist die vorläufige Förderung der beruflichen Weiterbildung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.

Der 1970 geborene Antragsteller absolvierte von 1987 bis 1990 eine Ausbildung als Kunst- und Bauschlosser, war 1990 bis 1991 bei der Bundeswehr, erwarb 1993 die Fachschulreife und übte in den folgenden Jahren verschiedene Tätigkeiten (u.a. Lagerarbeiter, Büroaushilfe etc.) aus. 1993/1994 besuchte er das Technische Berufskolleg, 1994/1996 das Kolpingkolleg, ohne jeweils einen Abschluss zu machen. Eine Umschulung zum Logopäden, Ergotherapeuten bzw. Krankenpfleger wurde abgelehnt (Sozialgericht Stuttgart (SG), S 12 AS 1642/09). Ein ab dem 27.11.2011 bewilligtes Bewerbungstraining wurde abgebrochen. Ab dem 08.04.2014 nahm der Antragsteller an einer Maßnahme des Trainings- und Beratungszentrums M. teil, die zunächst vom Maßnahmeträger verhaltensbedingt abgebrochen und dann bis Dezember 2014 fortgesetzt wurde mit dem Ergebnis, der Antragsteller sei für eine dauerhafte Tätigkeit im allgemeinen Arbeitsmarkt nicht geeignet (Abschlussberichte Bl. 30 ff. der Verwaltungsakte, Band II).

In der Zeit vom 27.11.2014 bis 22.01.2015 absolvierte der Antragsteller ein Praktikum im evangelischen M.-Kindergarten in S. und beantragte anschließend am 28.01.2015 einen Bildungsgutschein für die Kostenübernahme zur Ausbildung als Erzieher. Diese Förderung lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 27.02.2015 mit der Begründung ab, angesichts der Qualifikation, insbesondere der Schul- und Berufsausbildung und des bisherigen beruflichen Werdegangs, sei die angestrebte Weiterbildung nicht geeignet, das festgestellte Qualifikationsdefizit auszugleichen und die Eingliederungschancen auf dem Arbeitsmarkt deutlich zu verbessern. Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Antragstellers wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 08.05.2015 zurück. Auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid wird Bezug genommen.

Am 24.03.2015 hat der Antragsteller einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beim SG gestellt, den dieses mit Beschluss vom 05.05.2015 (S 7 AS 2372/15 ER) unter Hinweis auf die fehlende Eilbedürftigkeit zurückgewiesen hat. Es sei dem Antragsteller ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache zumutbar, zumal er nicht vorgetragen habe, mit konkreten Einrichtungen bzw. Ausbildungsstätten in Kontakt zu stehen. Gleichzeitig hat das SG auch den Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) abgelehnt.

Hiergegen richtet sich die am 13.05.2015 beim Landessozialgericht eingegangene Beschwerde mit der Begründung, für den Antragsteller sei die Sache - auch aufgrund seines Alters - eilig, da ihm nicht zugemutet werden könne abzuwarten, bis das Widerspruchsverfahren bzw. ein Klageverfahren entschieden werde. Er habe bereits einen Bildungsträger ausgesucht (U. GmbH L.) und auch entschieden, in welcher Form er die Ausbildung durchführen könne. Die Ausbildung als Erzieher könne er jederzeit beginnen. Das Praktikum im Kindergarten habe er zu aller Zufriedenheit absolviert. Für dieses Verfahren hat der Antragsteller ebenfalls einen Antrag auf PKH gestellt.

Der Antragsteller beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 5. Mai 2015 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, ihm Leistungen zur beruflichen Weiterbildung zum Erzieher zu bewilligen.

Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Er hat auf die Ausführungen des SG im angefochtenen Beschluss verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte sowie der Akten des SG und LSG verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zutreffend ist das SG davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht vorliegen, da es (bereits) an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes durch den Antragsteller fehlt.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Voraussetzung für den Erlass einer derartigen einstweiligen Anordnung ist stets, dass sowohl ein Anordnungsgrund, d.h. die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, als auch ein Anordnungsanspruch, d.h. die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs, glaubhaft gemacht werden (vgl. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung [ZPO]).

Hier hat der Antragsteller schon das Vorliegen eines Anordnungsgrunds nicht glaubhaft gemacht. Ein Anordnungsgrund ist nur dann gegeben, wenn sich aus den glaubhaft gemachten Tatsachen ergibt, dass es die individuelle Interessenlage des Antragsteller – unter Umständen auch unter Berücksichtigung der Interessen des Antragsgegners, der Allgemeinheit oder unmittelbar betroffener Dritter – unzumutbar erscheinen lässt, den Antragsteller zur Durchsetzung seines Anspruchs auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 20.05.2009, L 3 B 586/07 AS-ER; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 21.01.2015, L 1 AS 5292/14 ER-B, Juris).

Eine besondere Dringlichkeit für den Erlass einer einstweiligen Regelung ist vorliegend nicht ersichtlich. Vielmehr ist ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache für den Antragsteller zumutbar. Wie sich aus seinem eigenen Vortrag ergibt, könne er jederzeit mit der Ausbildung beginnen. Der Senat geht überdies davon aus, dass über die U. GmbH L. und andere Bildungsträger laufend Vorbereitungskurse auf die Externenprüfung zum staatlich anerkannten Erzieher angeboten werden, so dass diesbezüglich keine kurzfristige Entscheidung zu treffen ist. Der Antragsteller selber hat einen Prospekt vorgelegt, der einen Kurs vom 07.01.2015 bis 31.07.2015 betrifft, an dem teilzunehmen dem Antragsteller wegen Zeitablaufs ohnehin nicht mehr möglich ist. Zudem ist der Antragsteller schon seit Jahren auf der Suche nach einer für ihn geeigneten Beschäftigung und hat verschiedene Ausbildungen und auch ein Bewerbungstraining begonnen, ohne diese abzuschließen. Insofern ist nicht ersichtlich, warum es nun besonders schnell gehen muss. Mangels Anordnungsgrundes ist die Beschwerde zurückzuweisen.

Ergänzend ist noch auszuführen, dass auch ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht worden ist. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob der Erlass einer Regelungsanordnung in Fällen, in denen die Verwaltung wie hier Ermessen hat, grundsätzlich nur bei einer Ermessensreduzierung auf Null in Betracht kommt (vgl. z.B. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27.07.2012, L 12 AS 1262/12 B, Juris; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 24.07.2013, L 9 AS 2885/13 ER-B, Sozialgerichtsbarkeit.de) und in allen weiteren Fällen ausgeschlossen ist oder ob das Gericht die Behörde gleichwohl wegen des Gebotes effektiven Rechtsschutzes in eng begrenzten Ausnahmefällen zu einem bestimmten Verhalten verpflichten darf (vgl. zum Streitstand Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl. 2014, § 86 b Rn. 30a). Voraussetzung für eine solche Verpflichtung ist zumindest, dass bei der nachzuholenden Ermessensentscheidung diese mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu Gunsten des Antragstellers ausgeht (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.03.2013, L 2 AS 377/13 B ER und L 2 AS 378/13 B m.w.N., Juris).

Vorliegend ist hinsichtlich der vom Antragsteller geltend gemachten Förderung der beruflichen Weiterbildung weder eine Ermessensreduzierung auf Null ersichtlich noch ist sein Obsiegen im Hauptsacheverfahren bei summarischer Prüfung überwiegend wahrscheinlich. Vielmehr sprechen eine Reihe konkreter Umstände wie insbesondere der bisherige Berufsverlauf des Antragstellers in Relation zum jetzigen Weiterbildungswunsch und auch das mehrfache Abbrechen vorangegangener Weiterbildungen gegen eine für den Antragsteller günstige Ermessensentscheidung. Auch lässt sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren - trotz Vorliegens eines positiven Zeugnisses des M.-Kindergartens - nicht abschließend beurteilen, ob der Antragsteller für eine Ausbildung als Erzieher überhaupt geeignet ist, zumal im Abschlussbericht des Trainings- und Beratungszentrums M. vom 08.09.2014 eine niedrige Frustrationstoleranz, bei Nichterfüllung seiner Wünsche aggressive Reaktionen, aufbrausendes und lautes Verhalten erwähnt werden und sich Anhaltspunkte für diese Verhaltensformen auch der Verwaltungsakte im Umgang mit den Mitarbeitern des Jobcenters entnehmen lassen. Dementsprechend wird auch im Abschlussbericht der M. vom 12.12.2014 an der Eignung für diesen Beruf gezweifelt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog.

Mangels Erfolgsaussicht war auch der Antrag auf Bewilligung von PKH für das Beschwerdeverfahren abzulehnen (§§ 73 a SGG i.V.m. 114 ZPO).

Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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