L 1 AS 2080/15 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 8 AS 777/15 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 AS 2080/15 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 16.04.2015 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller steht im laufenden Leistungsbezug des Antragsgegners. Er bewohnt eine Mietwohnung, deren Grundmiete 260,00 EUR zuzüglich 80,00 EUR Nebenkosten beträgt. Für die mit Strom beheizte Wohnung fielen von April 2014 bis März 2015 Abschlagszahlungen für Strom in Höhe von 86,00 EUR an, wovon vom Antragsgegner nach Abzug eines Pauschale für Haushaltsenergie von 30,39 EUR 55,61 EUR als Heizkosten anerkannt und übernommen wurden. Seit April 2015 beträgt der monatliche Abschlag für Strom 94,00 EUR (Schreiben der EnBW vom 11.03.2015, Bl. 1139 f. Verwaltungsakte des Antragsgegners – VA).

Der Antragsgegner bewilligte dem Antragsteller mit Bescheid vom 07.11.2014 monatliche Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in Höhe von 786,61 EUR (davon 391,00 EUR Regelbedarf und 395,61 EUR Bedarf für Unterkunft und Heizung) für den Zeitraum vom 01.11.2014 bis 31.03.2015. Da dem Antragsgegner ein Nachweis über die Höhe der Stromabschläge ab April 2015 noch nicht vorlag, bewilligte er für April 2015 lediglich 731,00 EUR (davon 391,00 EUR Regelbedarf und 340,00 EUR Bedarf für Unterkunft und Heizung).

Mit Bescheid vom 10.11.2014 stellte der Antragsgegner eine Sanktion in Höhe von 10 v.H. des maßgebenden Regelbedarfs (= 39,10 EUR) für die Dauer von drei Monaten fest und hob die Leistungsbewilligung für die Monate Dezember 2014 bis Februar 2015 in dieser Höhe teilweise auf. Er führte zur Begründung an, der Antragsteller sei zu einem Meldetermin am 28.10.2014 trotz Kenntnis der Rechtsfolgen ohne wichtigen Grund nicht erschienen. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies er mit Widerspruchsbescheid vom 19.11.2014 zurück.

Mit einem Änderungsbescheid vom 01.12.2014 setzte der Antragsgegner die Erhöhung der Regelsätze nach dem SGB II zum 01.01.2015 um und bewilligte dem Antragsteller ab Januar 2015 um jeweils 8,00 EUR monatlich erhöhte Leistungen, d.h. für Januar und Februar 2015 jeweils 755,51 EUR, für März 2015 794,61 und für April 2015 von 739,00 EUR. Dagegen erhob der Antragsteller Widerspruch und rügte die Aufhebung des anerkannten Bedarfs für Unterkunft und Heizung in Höhe von 55,61 EUR im April 2015. Den Widerspruch wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 08.01.2015 zurück.

Im Dezember 2014 händigte Dr. W. vom Ärztlichen Dienst der Agentur für Arbeit U. dem Antragsteller Formulare über Schweigepflichtentbindungen aus. Der Antragsgegner forderte ihn mit Schreiben vom 23.12.2014 und vom 19.01.2015 zur Vorlage auf. Im Schreiben vom 19.01.2015 setzte der Antragsgegner dafür Frist auf den 29.01.2015.

Mit Entziehungsbescheid vom 29.01.2015 entzog der Antragsgegner dem Antragsteller das Arbeitslosengeld II ab dem 01.02.2015 ganz. Er verhindere den Fortgang des Verfahrens und die eindeutige Feststellung seiner Erwerbsfähigkeit.

Hiergegen legte der Antragsteller mittels Fax vom 29.02.2015 Widerspruch ein und kündigte an, eine Begründung nachzureichen.

Am 16.03.2015 hat er beim Sozialgericht U. (SG) die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes mit den Begehren einer schnellstmöglichen Zahlung der Leistungen in Höhe von monatlich 786,61 EUR durch den Jobcenter und der Abgabe von Stellungnahmen zum richtigen Namen der Ärztin der des ärztlichen Dienstes des Agentur für Arbeit U. ("W." statt "W.") sowie zu einem im Entziehungsbescheid angeführten Aktenzeichen (S 8 AS 1505/12), welches nicht existiere bzw. nichts mit der Person des Antragstellers zu tun habe, beantragt. Am 23.03.2015 hat er darüber hinaus die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt. Mit Schreiben vom 10.04.2015 hat er die Unvollständigkeit der Verwaltungsakte gerügt; weder seien darin die von Dr. W. am 08.12.2014 erstellten Schweigepflichtentbindungen zu finden, noch seine Schreiben an den Antragsgegner vom 07.01.2015 und 19.01.2015.

Der Antragsgegner ist dem Antrag entgegen getreten.

Mit Beschluss vom 16.04.2015 hat das SG die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Entziehungsbescheid des Antragsgegners vom 29.01.2015 angeordnet. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, die Tatbestandsvoraussetzungen einer Entziehung nach §§ 60, 66 Sozialgerichtsgesetz (SGG) lägen nicht vor, außerdem sei auch die Rechtsfolge des § 66 SGG rechtsfehlerhaft angewandt worden. Die übrigen Anträge des Antragstellers hat es als unzulässig abgelehnt. Der Beschluss ist dem Antragsteller mit Postzustellungsurkunde am 18.04.2015 zugestellt worden.

Mit Bescheid vom 15.05.2015 hat der Antragsgegner den Entziehungsbescheid vom 29.01.2015 aufgehoben. Mit weiterem Bescheid vom 15.05.2015 hat er dem Antragsteller Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.05.2015 bis 31.10.2015 in Höhe von monatlich 739,00 EUR bewilligt (399,00 EUR Regelleistung, 340,00 EUR Leistungen für Unterkunft/Heizung).

Mit Schreiben vom 16.05.2015 (Eingang am 18.05.2015) hat der Antragsteller Beschwerde gegen den Beschluss eingelegt und die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren beantragt. Die Gründe, die von größter Bedeutung für eine sofortige Aufhebung des Entziehungsbescheides vom 29.01.2015 gewesen wären, seien in seinen Schreiben vom 07.01.2015 und 29.01.2015, welche er der Beschwerdeschrift in Kopie beigefügt hat, zu finden. Diese seien sowohl vom Antragsgegner als auch vom Gericht nicht berücksichtigt worden. Es handele sich um einen groben Machtmissbrauch des Antragsgegners, welcher die Erwerbsfähigkeit des Antragstellers nicht objektiv bewerten wolle. Der Beschluss vom 16.04.2015 enthalte darüber hinaus vier "Falschaussagen", welche der Antragsteller in seiner Beschwerdeschrift im Einzelnen (Seite 5 seines Schreibens, Buchstaben a bis d) bezeichnet hat.

Der Antragsteller beantragt: 1. Der Entziehungsbescheid vom 29.01.2015 des Antragsgegners wird aufgehoben. 2. Der Antragsgegner ist zu verpflichten, dass meine kompletten außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten sind. 3. Der Beschluss ist aufgrund der oben erwähnten Falschaussagen a-d zu berichtigen.

Er sei mit den Schlussfolgerungen des SG, dass er für drei Stunden am Tag arbeitsfähig sei, nicht einverstanden. Zudem sei die Unbefangenheit des Kammervorsitzenden des SG "fraglich".

Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verweist darauf, dass er dem Widerspruch gegen den Entziehungsbescheid abgeholfen und die Leistungen ab Februar 2015 nachträglich ausgezahlt habe. Auch seien Leistungen ab dem 01.05.2015, wenn auch verspätet, bewilligt worden.

Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 20.05.2015 unter Bezugnahme auf den Abhilfebescheid vom 15.05.2015 an seiner Beschwerde ausdrücklich festgehalten.

Am 20.05.2015 ist beim Beklagten die Jahresabrechnung der Stromkosten des Antragstellers eingegangen. Hiernach falle ein Nachzahlungsbetrag von 57,34 EUR an, welcher bis zum 26.03.2015 zu erstatten sei. Darüber hinaus hat der Antragsteller unter Vorlage eines Abfallgebührenbescheides vom 16.02.2015 die Erstattung seiner Abfallgebühren in Höhe von 55,39 EUR beantragt (Fälligkeit in Höhe von 26,15 EUR bis 19.03.2015 und in Höhe von 29,24 EUR bis zum 30.09.2015).

Mit Bescheid vom 26.05.2015 hat der Antragsgegner den Nachzahlungsbetrag aus der Jahresabrechnung (Strom) und den im März 2015 fälligen Teil der Abfallgebühren übernommen und dem Antragsteller deshalb für März 2015 um 83,49 EUR höhere Leistungen bewilligt. Für April bis August sowie Oktober 2015 hat der Antragsgegner Stromkosten in Höhe von monatlich 62,99 EUR als Heizkosten anerkannt (94,00 EUR Stromabschlag abzüglich einer Pauschale für Haushaltsenergie von 31,01 EUR) und übernommen, im September 2015 daneben noch den dann fälligen Teil der Abfallgebühren von 29,24 EUR (d.h. insgesamt um 92,23 EUR [62,99 EUR + 29,24 EUR] höhere Leistungen bewilligt).

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten des Antragsgegners und die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist unzulässig. Ihr fehlt das Rechtsschutzbedürfnis. Ein Rechtsschutzbedürfnis setzt voraus, dass die erstrebte gerichtliche Entscheidung dem Antragsteller einen rechtlichen oder tatsächlichen Vorteil bringen kann (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG-Kommentar, 11. Auflage 2014, § 86b Rn. 7a). Daran fehlt es hier. Der Antragsgegner hat nicht nur den Einstellungsbescheid vom 29.01.2015 aufgehoben, sondern dem Kläger die aufgrund des Bescheides vom 07.11.2014 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 01.12.2014 geschuldeten SGB II-Leistungen nachgezahlt. Ferner hat der Antragsgegner dem Antragsteller mit Bescheid vom 15.05.2015 Leistungen für den laufenden Bewilligungszeitraum (01.05.2015 bis 31.10.2015) gewährt, und mit weiterem Bescheid vom 26.05.2015 nicht nur den Heizstrom ab April 2015 übernommen, sondern auch die im März 2015 angefallenen bzw. im September 2015 noch anfallenden Abfallgebühren in voller Höhe. Hiernach ist nicht ersichtlich, in welcher Weise die Fortführung des Eilverfahrens durch den Antragsteller geeignet ist, dessen rechtliche und/oder tatsächliche Situation noch weiter zu verbessern.

Der gestellte Hauptantrag auf Änderung der Kostenentscheidung ist unzulässig. Eine Kostenentscheidung im Eilverfahren stellt eine Nebenentscheidung dar, welche von Amts wegen ergeht (Leitherer in: Meyer-Ladewig u.a., a.a.O., § 193 Rn. 2 m.w.N.) und nicht gesondert – weder mit der Berufung noch mit der Beschwerde – anfechtbar ist (zum Urteil: Leitherer a.a.O. Rn. 16).

Auch der Antrag auf Berichtigung des Beschlusses vom 16.04.2015 ist mangels Statthaftigkeit unzulässig. Über Anträge nach §§ 142 Abs. 1, 138 Satz 1 SGG (Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten) entscheidet der Vorsitzende des Spruchkörpers, welcher den Beschluss erlassen hat (Keller a.a.O., § 138 Rn. 4a), hier also der Vorsitzende der 8. Kammer des SG U ... Über Anträge auf Berichtigung des Tatbestandes wegen anderer Unrichtigkeiten oder Unklarheiten analog § 139 Abs. 1, 2 SGG ist ungeachtet der Frage, ob diese überhaupt in Bezug auf einem nach schriftlichem Eilverfahren erlassenem Beschluss zulässig sind (Keller a.a.O., § 139 Rn. 1a, 2c), von dem Berufsrichter zu entscheiden, welcher an der Beschlussfassung beteiligt war, d.h. ebenfalls vom Vorsitzenden der 8. Kammer des SG U ... Im Beschwerdeverfahren kann der Antragsteller sein Begehren demgegenüber nicht erreichen.

Soweit der Antragsteller die Frage der (Un-)Befangenheit des Vorsitzenden der 8. Kammer des SG U. aufgeworfen hat, sieht der Senat die diesbezüglichen Ausführungen als bloßes Begründungselement an, denn dem Antragsteller sind aufgrund des Schreibens des SG vom 09.04.2015 die unterschiedlichen prozessualen Auswirkungen eines förmlichen Ablehnungsgesuches bzw. bloßer Unzufriedenheitsbekundungen über einen Richter bekannt. Nur ergänzend wird darauf hingewiesen, dass einerseits jegliche Anhaltspunkte, welche eine Besorgnis der Befangenheit begründen könnten, fehlen, und andererseits der Senat ohnehin nicht zu einer Entscheidung über ein derartiges Begehren berufen wäre, denn entscheidungsbefugt ist seit der Änderung des § 60 Abs. 1 SGG durch das Vierte Gesetz zur Änderung des SGB IV und anderer Gesetze v. 22.12.2011 (BGBl. I S. 3057) ausschließlich das Gericht, dem der Abgelehnte angehört. Das wäre hier das SG Ulm (§§ 60 Abs. 1 SGG, 45 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Zivilprozessordnung).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Der Antrag auf Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren war vor diesem Hintergrund wegen dessen mangelnder Erfolgsaussichten (§ 73a Abs. 1 SGG i.V.m. § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung [ZPO]) abzulehnen.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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