L 13 AS 4622/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 20 AS 3894/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 4622/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 18. September 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Gegenstand des Verfahrens ist eine Untätigkeitsklage, mit welcher der Kläger die Verurteilung des Beklagten zur Bescheidung eines Widerspruchs vom 13. Dezember 2012 begehrte.

Der 1951 geborene Kläger bezieht von dem Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Der Kläger, seine Ehefrau sowie seine Tochter sind eine in gemeinsamem Haushalt und mithin in Bedarfsgemeinschaft lebende Familie.

Der Beklagte bewilligte der Bedarfsgemeinschaft des Klägers aufgrund eines am 1. Oktober 2012 gestellten Antrages mit Bescheid vom 10. Oktober 2012 Leistungen für den Zeitraum vom 1. Oktober 2012 bis 31. März 2013. Die Leistungsbewilligung erfolgte vorläufig, mit der Begründung, die Einkommensverhältnisse seien noch nicht geklärt; die Ehefrau und die Tochter des Klägers würden Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit in unterschiedlicher Höhe erzielen. Gleichzeitig verwies der Beklagte darauf, dass der Kläger bereits mit Bewilligungsbescheid vom 31. Mai 2012 auf die Unangemessenheit der Miete hingewiesen worden sei und dass deshalb ab dem 1. Januar 2013 nur noch eine Kaltmiete in Höhe von 432,00 Euro zuzüglich 125,00 Euro Nebenkosten, mithin 557,00 Euro, als Kosten der Unterkunft (KdU) anerkannt werden könnten. Die tatsächlichen KdU betrugen demgegenüber 490,00 Euro für die Kaltmiete zuzüglich 125,00 Euro für die Nebenkosten, mithin 615,00 Euro.

Ein Änderungsbescheid vom 24. November 2012 berücksichtigte die Regelsatzerhöhung zum 1. Januar 2013 für den Zeitraum 1. Januar 2013 bis 31. März 2013 für die Bedarfsgemeinschaft des Klägers.

Hiergegen legte der Kläger mit eingegangen Schreiben vom 13. Dezember 2012 beim Beklagten Widerspruch ein, da seiner Meinung nach eine nicht gesetzeskonforme Kürzung des bisherigen Unterkunftsbedarfes vorliege.

Am 10. Juli 2013 hat der Kläger eine Untätigkeitsklage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) mit dem Begehren erhoben, dass der Beklagte verpflichtet wird, den klägerischen Widerspruch gegen den Bescheid vom 24. November 2012 zu bescheiden.

Mit Schriftsatz vom 28. August 2013 hat der Beklagte dem SG mitgeteilt, dass über den Widerspruch des Klägers mittlerweile durch Widerspruchsbescheid vom 28. August 2013 entschieden worden sei. Dem Widerspruch des Klägers sei teilweise abgeholfen worden. Da die Tochter mittlerweile aufgrund ihres Einkommens aus der Bedarfsgemeinschaft des Klägers ausgeschieden sei, müsse die Kaltmiete nach Köpfen aufgeteilt werden. Auf den Kläger und seine Ehefrau würden 2/3 der Kaltmiete und Nebenkosten, mithin 410,01 Euro (326,67 Euro plus 83,34 Euro) entfallen. Dieser Betrag würde nunmehr als KdU in vollem Umfang zu Gunsten des Klägers und seine Ehefrau berücksichtigt. Dem Widerspruchsbescheid war eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt, wonach gegen die Entscheidung innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe beim Sozialgericht, Stuttgart, Theodor-Heuss-Straße 2 in 70174 Stuttgart, Klage erhoben werden könne.

Der Kläger hat seinerzeit und bis heute keine prozessuale Erledigungserklärung abgegeben. Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Durch Erlass des Widerspruchsbescheides sei die Untätigkeitsklage gegenstandslos geworden, der Rechtsstreit habe sich somit erledigt.

Mit Urteil vom 18. September 2014 hat das SG die Klage nach mündlicher Verhandlung vom gleichen Tag abgewiesen. Die ordnungsgemäß geladenen Kläger waren - bei Freistellung des persönlichen Erscheinens- nicht zum Termin erschienen. Die Klage sei bereits unzulässig. Die vom Kläger erhobene Untätigkeitsklage sei nach § 88 SGG zwar ursprünglich zulässig und begründet gewesen. Nach Erhebung der Untätigkeitsklage habe der Beklagte jedoch über den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 24. November 2012 durch Erlass des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2013 entschieden. Durch den Erlass des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2013 habe sich die Untätigkeitsklage erledigt.

Die Fortführung der Untätigkeitsklage als Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gegen den Bescheid vom 24. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2013 sei unzulässig. Zwar könne eine Untätigkeitsklage bei Erlass eines (teilweise) ungünstigen Widerspruchsbescheides nach Ablauf der Sperrfrist im Wege der Klageänderung nach § 99 Abs. 1 SGG auf eine Anfechtungs- und Leistungsklage umgestellt werden und sei als solche statthaft. Eine solche Klageänderung werde auch in der Regel als sachdienlich im Sinne des § 99 Abs. 1 SGG angesehen, so dass unerheblich sei, dass der Beklagte ausdrücklich in die Klageänderung nicht eingewilligt habe.

Vorliegend sei die Klageänderung aber nicht sachdienlich in diesem Sinne und damit unzulässig, da über die Anfechtungs- und Leistungsklage mangels Vorliegens der Prozessvoraussetzungen sachlich nicht entscheiden werden könne. Für eine Klageänderung (§ 99 Abs. 1 SGG) müssten sämtliche Sachurteilsvoraussetzungen der umgestellten Klage gegeben sein, wie etwa auch das LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18. Oktober 2007 - L 7 SO 4334/06 - unter der Zusammenfassung der ständigen Rechtsprechung des BSG herausgestellt habe. Hierzu gehöre im Fall der Umstellung auf eine Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG auch die Einhaltung der Monatsfrist des § 87 Abs. 1 und 2 SGG. Dementsprechend sei bei Umstellung einer Untätigkeitsklage die Klagefrist zu wahren. Die Einhaltung der Klagefrist sei auch nicht im Hinblick auf § 96 SGG entbehrlich. Ein Fall des § 96 SGG sei vorliegend nicht gegeben, weil der Kläger ursprünglich nicht über § 54 SGG einen Verwaltungsakt angefochten, sondern eine auf den Erlass des Widerspruchsbescheids gerichtete Untätigkeitsklage (§ 88 Abs. 2 SGG) erhoben gehabt hätte. Bis einschließlich dem Tag der mündlichen Verhandlung am 18. September 2014 habe der Kläger gegenüber dem SG nicht kundgetan, ob er die Untätigkeitsklage zu diesem Zeitpunkt als Anfechtungs- ¬und Leistungsklage gegen den Widerspruchsbescheid vom 28. August 2013 fortführen wolle.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Klagefrist sei - unter näherer Darstellung der Voraussetzungen im Einzelnen- im vorliegend Fall - unabhängig von dem Fehlen eines solchen Antrages - ebenfalls nicht zu gewähren. Zur Überzeugung des SG habe der Kläger diejenige Sorgfalt außer Acht gelassen, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden im Hinblick auf die Fristwahrung geboten sei und ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten sei. Der Kläger sei ordnungsgemäß über die Einhaltung der Klagefrist im Widerspruchsbescheid belehrt worden. Soweit der Kläger davon ausgegangen sein sollte, dass mit der Untätigkeitsklage zugleich auch der noch zu erlassene Widerspruchsbescheid gerichtlich überprüft werde, mache er einen Rechtsirrtum geltend. Dieser Rechtsirrtum sei vermeidbar gewesen. Denn der Widerspruchsbescheid des Beklagten habe eine zutreffende Rechtsmittelbelehrung enthalten. Darüber hinaus sei für den Kläger spätestens mit dem Erhalt des Schreibens des Beklagten vom 28. August 2013 - das beim SG am 3. September 2013 eingegangen sei, mit Verfügung vom 27. September 2013 an den Kläger weitergeleitet worden und dem Kläger noch innerhalb der Klagefrist zugegangen sei - erkennbar gewesen, dass der Beklagte sich inhaltlich nicht mit der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 24. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2013 auseinandersetze, sondern auf die Erledigung der Untätigkeitsklage hinweise. Mithin habe der Kläger auch aufgrund der Einlassungen des Beklagten nicht davon ausgehen können, dass in dem anhängigen Gerichtsverfahren nun die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 24. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2013 überprüft werde. Vielmehr hätte es dem Kläger nach obergerichtlicher Rechtsprechung oblegen, sich sachkundigen Rat einzuholen, oder sich zumindest innerhalb der Klagefrist zur Aufklärung bzw. Richtigstellung seiner Erklärung an das Sozialgericht zu wenden. Dies habe er aber unterlassen.

Gegen das am 8. Oktober 2014 zugestellte Urteil hat der Kläger mit eingegangenem Schreiben vom 7. November 2014 Berufung eingelegt.

Er macht u.a. sinngemäß geltend, dass Rechtsfehler vorlägen. Seine gesundheitliche Situation und die fehlende Anwesenheit im Termin zur mündlichen Verhandlung müssten berücksichtigt werden.

Einen Antrag hat der Kläger konkret nicht gestellt. Auch eine sinngemäße Antragstellung ist aus den Berufungsschriftsätzen nicht zu entnehmen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden und dem erstinstanzlichen Urteil.

Wegen des weiteren Vorbringens und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die Prozessakten beider Instanzen Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, nachdem die Beteiligten Gelegenheit hatten, sich hierzu zu äußern.

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil ist nicht zu beanstanden. Der Widerspruch vom 13. Dezember 2012 gegen Bescheid vom 24. November 2012 ist durch Erlass des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2013 in der Sache beschieden worden. Der Kläger ist dadurch nicht in seinen Rechten verletzt. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine weitere Bescheidung seines Widerspruchs. Insbesondere ergibt sich auch unter Beachtung weiterer Prozessrechtsgrundsätze nichts anderes.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen dargelegt und zutreffend ausgeführt, dass der Kläger keinen Anspruch auf eine (nochmalige) Widerspruchbescheidung hat. Eine Klageänderung zu einer Anfechtungs- und Leistungsklage hat der Kläger nach Erlass des Widerspruchsbescheids bis zur Entscheidung des SG nicht erklärt. Der Senat schließt sich im Übrigen den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils nach eigener Überprüfung und unter Berücksichtigung des gesamten Vorbringens des Klägers uneingeschränkt an und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung gemäß § 153 Abs. 2 SGG zurück.

Ergänzend ist lediglich festzustellen, dass die weiteren Ausführungen der der Berufungsbegründung vom 7. November 2014 entweder keinen Bezug zum hiesigen Streitgegenstand haben oder in der vorgetragenen Form unzutreffend sind.

Im Übrigen steht es dem SG bei Anberaumung der mündlichen Verhandlung frei, ob es das persönliche Erscheinen von Klägern für zweckdienlich hält und daher anordnet. Ein Rechtsanspruch darauf besteht nicht. Der Anspruch auf rechtliches Gehör gebietet zwar, den an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern. Wird aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden, muss den Beteiligten unabhängig davon, ob sie die Möglichkeit zur schriftlichen Vorbereitung des Verfahrens genutzt haben, Gelegenheit gegeben werden, ihren Standpunkt in der Verhandlung darzulegen. Dabei ist dem Anspruch auf rechtliches Gehör in der Regel dadurch genügt, dass das Gericht die mündliche Verhandlung anberaumt (§ 110 Abs. 1 Satz 1 SGG), der Beteiligte ordnungsgemäß geladen und die mündlicher Verhandlung zu dem festgesetzten Zeitpunkt eröffnet wird. Eine Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung in Abwesenheit eines Beteiligten ist dann ohne Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs möglich, wenn dieser in der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass auch im Falle seines Ausbleibens verhandelt und entschieden werden kann (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 110 RdNr 11; BVerwG NVwZ-RR 1995, 549). Dies ist vorliegend der Fall gewesen.

Da das angefochtene Urteil sonach nicht zu beanstanden ist, weist Senat die Berufung zurück.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass die Kläger mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben sind und der Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Der Senat hält es auch im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels für erforderlich, nicht nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden, sondern auch über die Kosten der vorausgehenden Instanz (so Lüdtke, Kommentar zum SGG, 4. Aufl., § 197a SGG Rdnr. 3; erkennender Senat, Urteil vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, veröffentlicht in Juris; a.A. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 2a; Hintz/Lowe, Kommentar zum SGG, § 193 SGG Rdnr. 11; Jansen, Kommentar zum SGG, 4. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 4).

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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