L 8 SB 318/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 6 SB 1809/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 318/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 12.12.2012 abgeändert und der Beklagte wird unter Abänderung der Bescheide vom 01.03.2011 und 25.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.07.2011 verurteilt, beim Kläger einen GdB von 50 seit 09.02.2000 festzustellen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) des Klägers nach dem SGB IX (70 anstatt 50).

Der 1992 geborene Kläger beantragte am 12.01.2011 beim Landratsamt K. -Amt für Gesundheit und Versorgung - (LRA) erstmals die Feststellung eines GdB ab Geburt wegen eines atypischen Autismus, einer Lese- und Rechtschreibstörung sowie ADHS (Bl. 4 der Verwaltungsakte des Beklagten).

Das LRA zog einen Entlassungsbericht der L. Klinik - Zentrum für Verhaltensmedizin - in Bad D. vom 27.12.2010 über die zu Lasten der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg durchgeführte medizinische Rehabilitationsmaßnahme vom 04.11.2010 bis 16.12.2010 und einen Arztbrief des Sozialpädiatrischen Zentrums an der Klinik für Kinder und Jugendliche des Klinikums K. vom 25.11.2002 bei (Bl. 8 bis 23 der Verwaltungsakte des Beklagten).

Nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 18.02.2011, in welcher Verhaltensstörungen und eine kognitive Teilleistungsschwäche mit einem GdB von 20 bewertet wurden und ausgeführt wurde, die gesundheitlichen Merkmale könnten seit dem 01.04.2000 als nachgewiesen angesehen werden, stellte das LRA mit Bescheid vom 01.03.2011 einen GdB von 20 seit dem 01.04.2000 fest (Bl. 24 bis 27 der Verwaltungsakte des Beklagten).

Dagegen erhob der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 21.03.2011 Widerspruch, zu dessen Begründung er vortrug, bereits der Bericht der L. Klinik vom 27.12.2010 belege Störungen, welche deutlich höher einzustufen seien als mit einem GdB von 20. Weiter nahm er Bezug auf einen beigefügten Arztbrief des Universitätsklinikums F. - Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie - vom 02.12.2010 und machte geltend, beim Kläger lägen das Vollbild eines autistischen Syndroms sowie eine Anzahl weiterer Störungen vor, aufgrund derer nach den versorgungsmedizinischen Grundsätzen wenigstens von mittleren sozialen Anpassungsschwierigkeiten auszugehen sei, was einen GdB-Rahmen von 50 bis 70 eröffne. Aufgrund der Schwere der Ausprägung und des Vorliegens weiterer Beeinträchtigungen sei der GdB mit 70 festzustellen (Bl. 29 und 34 bis 39 der Verwaltungsakte des Beklagten).

Der Beklagte holte eine versorgungsärztliche Stellungnahme bei Dr. W. ein, die unter dem 17.05.2011 ausführte, unter Berücksichtigung des ergänzend vorgelegten Berichts des Universitätsklinikums F. sei von einer Autismusspektrumsstörung mit atypischer Symptomatik auszugehen. Die kognitive Teilleistungsschwäche schließe eine Lese- und Rechtschreibstörung sowie eine Aufmerksamkeits-/Aktivitätsstörung mit ein. Die Voraussetzungen für einen GdB 70 lägen nicht vor, da der Kläger schulfähig sei und das BK Technik in der Berufsschule besuche. Er zeige in der Berufstherapie der L. Klinik ein gutes Durchhaltevermögen und ein zielstrebiges Arbeiten. Die Prognose werde mittel- bis langfristig als günstig eingeschätzt. Dr. W. bewertete den Autismus mit einem Teil-GdB von 40 und die kognitive Teilleistungsschwäche mit einem Teil-GdB von 20. Der Gesamt-GdB betrage 50 (Bl. 41/42 der Verwaltungsakte des Beklagten.

Mit Teilabhilfebescheid vom 24.05.2011 stellte das LRA einen GdB von 50 seit dem 01.04.2000 fest (Bl. 43/44 der Verwaltungsakte des Beklagten).

Mit Widerspruchsbescheid vom 04.07.2011 wies das Regierungspräsidium Stuttgart - Landesversorgungsamt - den Widerspruch gegen die Bescheide des LRA vom 01.03.2011 und 24.05.2011 als unbegründet zurück (Bl. 53 bis 55 der Verwaltungsakte des Beklagten).

Dagegen erhob der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 08.07.2011 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG), zu deren Begründung er den bisherigen Vortrag wiederholte und zusätzlich eine mittlerweile diagnostizierte Depression geltend machte. Die Einstufung des GdB mit 50 stelle keine ausreichende Bewertung dar.

Das SG vernahm die den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Bl. 23/27, 28/32, 33/36, 37/51 und 52/77 der SG-Akte Bezug genommen.

Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. R. vom Universitätsklinikum F. - Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie - teilte unter dem 10.04.2012 mit, er habe aufgrund eines relativ "bunten" Mischbildes die Diagnose eines "unklaren Syndroms" gestellt, welches eine Kombination von autistischen Symptomen, einer Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörung, einer Lese- und Rechtschreibschwäche, ticförmigen Bewegungsstörungen und wahnhaften Symptomen zeige. Dr. R. ging von einer mittelgradigen bis schweren sozialen Beeinträchtigung aus und schätzte den GdB auf 60 bis 80.

Die Kinderärztin Dr. G.-F. berichtete unter dem 12.04.2012, sie habe den Kläger von Mai 1992 bis September 2008 behandelt. Seit 2000 bestehe die Hauptproblematik in einer Konzentrations- und Verhaltensstörung sowie in Schulproblemen. 2001 habe sich der Kläger überwiegend wegen einer ADHS-Erkrankung vorgestellt und es seien regelmäßige Kontrollen unter Ritalintherapie erfolgt. In den Jahren 2002 bis 2008 habe sich eine depressive Episode bei zunehmender Schulproblematik entwickelt.

Der Diplompsychologe Dr. U. teilte am 24.04.2012 mit, der Kläger leide wegen eines atypischen Autismus unter einer ausgeprägten Schwäche des Einfühlungsvermögens in andere Menschen sowie unter einer Unfähigkeit, soziale Regeln zu verstehen. Jedoch habe der Kläger im Laufe seiner Entwicklung gelernt, seine Defizite gut vor der Umwelt zu verbergen. Weiter sei der Kläger aufgrund einer Störung im Bereich der exekutiven Funktionen nicht in der Lage, sich einen Plan für eine Tätigkeit zurechtzulegen und eine Zeitvorstellung zu entwickeln. Er benötige auf diesem Gebiet sehr viel Unterstützung und Anleitung, weil er ansonsten kaum in der Lage sei, seinen Alltag adäquat zu meistern. Aufgrund der durch den Autismus bedingten Problematik sei die soziale Integration des Klägers dauerhaft und massiv erschwert. Hinzu komme bedingt durch eine hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens eine Unaufmerksamkeit, welche den Alltag des Klägers erheblich beeinträchtige. Dieses Defizit wirke sich beim Erlernen von neuem Wissen oder dem Erwerb von neuen Fähigkeiten besonders erschwerend aus, obwohl die kognitiven Fähigkeiten des Klägers nicht beeinträchtigt seien. Die Beeinträchtigung des Klägers sei auf jeden Fall als Schwerbehinderung einzuschätzen.

Der Arzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie Dr. Wi. schrieb dem SG am 26.04.2012, beim Kläger lägen eine tiefgreifende Entwicklungsstörung (atypischer Autismus), eine Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörung, eine undifferenzierte Somatisierungsstörung sowie eine Lese- und Rechtschreibstörung vor. Während der Behandlung von Dezember 2010 bis Mai 2011 habe eine wesentliche Änderung des Gesundheitszustandes nicht festgestellt werden können. Dr. Wi. hielt eine mögliche Etablierung eines "Behindertenstatus" nicht für sinnvoll, da dies eine Verfestigung des Zustandsbildes erwarten ließe.

Der Facharzt für Allgemeinmedizin H. berichtete unter dem 21.05.2012, er betreue den Kläger seit 2008 hausärztlich. Der Kläger leide unter ADHS, einer Lese- und Rechtschreibstörung sowie einem atypischen Autismus. Er sei unter Medikation stabil und könne seiner Arbeit nachgehen. Zur Einschätzung des GdB sah sich Herr H. außer Stande.

Mit Gerichtsbescheid vom 12.12.2012 wies das SG die Klage als unbegründet ab. Zur Begründung führte das SG aus, eine Erhöhung des GdB über 50 hinaus sei nicht möglich. Die Einschätzung des sachverständigen Zeugen Dr. R. erscheine im Hinblick auf die versorgungsmedizinischen Grundsätze deutlich überhöht, da Dr. R. nicht beachte, dass der Kläger einen erfolgreichen Schulverlauf hinter sich habe und inzwischen auch einen Ausbildungsplatz habe erlangen können. Demgegenüber vertrete der sachverständige Zeuge Dr. Wi. zu Recht die Auffassung, dass bei der vorliegenden Art der Problematik eine mögliche Etablierung des Behindertenstatus nicht sinnvoll sei. Dies bedeute, dass Dr. Wi. nicht einmal einen GdB von 50 befürworte, was mit der offensichtlich erfolgreichen Schulkarriere des Klägers sowie dem Erreichen eines Lehrberufes durchaus in Einklang zu bringen sei. Ferner sei im Entlassungsbericht der L. Klinik vom Dezember 2010 zwar ausgeführt, dass der Kläger sich aufgrund von depressiven Beschwerden ab und zu sozial zurückziehe. Jedoch sei dort auch der Besuch des Berufsschulzentrums und die Tatsache, dass der Kläger schulfähig zur Aufnahme gekommen sei, beachtet worden. Auch hier zeige sich im Grunde genommen eine Alltagskompetenz, welche mit einem GdB von 50 sicher ausreichend bewertet sei (Bl. 87/90 der SG-Akte).

Gegen den seinem Prozessbevollmächtigten am 18.12.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser am 18.01.2013 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt, zu deren Begründung er sich im Wesentlichen auf die Aussage des sachverständigen Zeugen Dr. R. beruft, welcher den Grad der Behinderung mit 60 bis 80 eingeschätzt habe. Ferner hat der Klägervertreter mit Schriftsatz vom 15.10.2013 beantragt, ein Gutachten nach § 109 SGG bei Prof. Dr. Z. , Leiterin der Sektion Pädagogik, Jugendhilfe, Bindungsforschung und Entwicklungspsychopathologie des Universitätsklinikums U. einzuholen.

Der mit Schreiben des Senats vom 31.10.2013 unter Fristsetzung bis 31.12.2013 angeforderte Kostenvorschuss in Höhe von 1.500,00 EUR ist laut Mitteilung der Landesoberkasse Baden-Württemberg vom 30.12.2013 am 20.12.2013 eingezahlt worden (Bl. 21/21a der Senatsakte sowie Bl. 1 der Kostenakte). Die weiter vom Senat mit Schriftsatz vom 04.04.2014 angeforderte Kostenverpflichtungserklärung hat der Klägervertreter mit Schriftsatz vom 08.07.2014 übermittelt (Bl.22 und 23 der Senatsakte sowie Bl. 2 der Kostenakte).

Der Senat hat den behandelnden Facharzt für Orthopädie Herr St. als sachverständigen Zeugen vernommen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Bl. 30/31, 33 und 35 der Senatsakte Bezug genommen.

Herr St. hat unter dem 09.09.2014 mitgeteilt, der Kläger habe sich am 26.07.2014 während einer Autofahrt ohne Fremdeinwirkung eine Blockierung im LWS-Bereich zugezogen und habe seitdem Schmerzen in der Lendenwirbelsäule mittig. Herr St. hat ein LWS-Syndrom, Myogelosen, Bewegungsstörungen, eine Hyperlordose, einen Bandscheibenvorfall L5/S1 und eine Osteochondrose L5/S1 diagnostiziert. Mit Schreiben vom 15.12.2014 hat Herr St. auf Nachfrage des Senats mitgeteilt, dem Kläger sei am 30.07.2014 ein Rezept über sechsmal Krankengymnastik ausgestellt worden. Der Kläger mache außerdem selbständige Übungen zum Aufbau und Training der Rückenmuskulatur und bewege sich zudem sehr viel (schmerzabhängig). Bei der letzten Vorstellung am 04.12.2014 habe der Kläger noch über vorhandene Restbeschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule bei Belastung und Bewegung geklagt. Einen für den 05.02.2015 bei Herrn St. angesetzten Termin habe der Kläger nicht wahrgenommen.

Der Kläger beantragt sachdienlich gefasst,

den Beklagten unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Konstanz vom 12.12.2012 und unter Abänderung der Bescheide des Landratsamts K. - Amt für Gesundheit und Versorgung - vom 01.03.2011 und 24.05.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart - Landesversorgungsamt - vom 04.07.2011 zu verurteilen, beim Kläger einen Grad der Behinderung von mindestens 70 seit 02.04.1992 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers als unbegründet zurückzuweisen.

Er vertritt die Auffassung, ein GdB von 50 sei ausreichend. Wie sich bereits aus der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 03.08.2012 ergebe, lasse die Einschätzung des sachverständigen Zeugen Dr. R. keine Orientierung an den versorgungsmedizinischen Grundsätzen erkennen. Schließlich seien auch der Auskunft des sachverständigen Zeugen Herr St. vom 15.12.2014 keine GdB-relevanten Angaben zu entnehmen.

Nachdem der Senat mit Schreiben vom 10.03.2015 Prof. Dr. Z. mit der Erstellung eines Gutachtens nach § 109 SGG beauftragt hatte, hat diese unter dem 25.03.2015 mitgeteilt, sie könne das Gutachten nicht erstatten, da sie keine Ärztin, sondern Entwicklungspsychologin und Pädagogin sei (Bl. 36/37 und 38 der Senatsakte).

Der Senat hat dem Klägervertreter mit Schreiben vom 31.03.2015 die Mitteilung von Prof. Dr. Z. vom 25.03.2015 übermittelt und um Stellungnahme hierzu gebeten. Seitens des Klägervertreters ist darauf keine Reaktion erfolgt.

Mit Terminsbestimmung vom 11.05.2015, dem Klägervertreter mittels Empfangsbekenntnisses zugestellt am 15.05.2015, hat der Vorsitzende Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt auf den 26.06.2015 und darauf hingewiesen, dass der Antrag nach § 109 SGG vom 15.10.2013 wohl unzulässig sein dürfte, da mit Prof. Dr. Z. keine Ärztin benannt worden sei und ein wiederholender zulässiger Antrag nicht mehr zeitgerecht gestellt werden könne (Bl. 39/40 der Senatsakte).

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt (Bl. 41 und 42 der Senatsakte).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die vom Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte sowie auf die Akten des Sozialgerichts Konstanz und des Senats verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG) über die Berufung des Klägers entscheiden, nachdem die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist.

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.

Beim Kläger war der GdB von 50 bereits seit 09.02.2000 festzustellen. Insoweit hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 12.12.2012 zu Unrecht abgewiesen und sind die Bescheide des Landratsamts K. - Amt für Gesundheit und Versorgung - vom 01.03.2011 und 24.05.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart - Landesversorgungsamt - vom 04.07.2011 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Im Übrigen hat das SG die Klage zu Recht abgewiesen und sind die angefochtenen Bescheide rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von mehr als 50.

Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die der Zuerkennung eines GdB zugrundeliegende Behinderung wird gemäß § 69 Abs. 1 SGB IX im Hinblick auf deren Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Dabei stellt die Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2009 (BGBl. I, 2412) mit den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) auf funktionelle Beeinträchtigungen ab, die zunächst nach Funktionssystemen (dazu vgl. Teil A Nr. 2 Buchst. e) VG) getrennt, später nach § 69 Abs. 3 SGB IX in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen sind.

Die im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche (vgl. dazu Teil A Ziff. 2e) VG) bestehenden Behinderungen des Klägers sind mit einem GdB von 50 angemessen bewertet.

Nach Teil B Ziff. 3.5 VG liegt bei Verhaltens- und emotionalen Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend eine Behinderung erst ab Beginn der Teilhabebeeinträchtigung vor. Eine pauschale Festsetzung des GdB nach einem bestimmten Lebensalter ist nicht möglich. Die Bewertung der beim Kläger vorliegenden Behinderungen erfolgt nach den im Wesentlichen gleichen Bewertungsmaßstäben der VG, welche insbesondere auf die sozialen Anpassungsschwierigkeiten abstellen.

Nach Teil B Ziff. 3.5.1 VG beträgt der GdB bei tiefgreifenden Entwicklungsstörungen (insbesondere frühkindlicher Autismus, atypischer Autismus, Asperger-Syndrom) bei tiefgreifenden Entwicklungsstörungen ohne soziale Anpassungsschwierigkeiten 10 bis 20, mit leichten sozialen Anpassungsschwierigkeiten 30 bis 40, mit mittleren sozialen Anpassungsschwierigkeiten 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten 80 bis 100. Soziale Anpassungsschwierigkeiten liegen insbesondere vor, wenn die Integrationsfähigkeit in Lebensbereiche (wie z.B. Regelkindergarten, Regelschule, allgemeiner Arbeitsmarkt, öffentliches Leben, häusliches Leben) nicht ohne besondere Förderung oder Unterstützung (z.B. durch Eingliederungshilfe) gegeben ist oder wenn die Betroffenen einer über das dem jeweiligen Alter entsprechenden Maß hinausgehenden Beaufsichtigung bedürfen. Mittlere soziale Anpassungsschwierigkeiten liegen insbesondere vor, wenn die Integration in Lebensbereiche nicht ohne umfassende Unterstützung (z.B. einen Integrationshelfer als Eingliederungshilfe) möglich ist. Schwere soziale Anpassungsschwierigkeiten liegen insbesondere vor, wenn die Integration in Lebensbereiche auch mit umfassender Unterstützung nicht möglich ist.

Nach Teil B Ziff. 3.5.2 der VG liegt bei hyperkinetischen Störungen und Aufmerksamkeitsstörungen ohne Hyperaktivität ohne soziale Anpassungsschwierigkeiten keine Teilhabebeeinträchtigung vor. Bei sozialen Anpassungsschwierigkeiten ohne Auswirkung auf die Integrationsfähigkeit beträgt der GdB 10 bis 20. Bei sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit Auswirkungen auf die Integrationsfähigkeit in mehreren Lebensbereichen (wie z.B. Regelkindergarten, Regelschule, allgemeiner Arbeitsmarkt, öffentliches Leben, häusliches Leben) oder wenn die Betroffenen einer über das dem jeweiligen Alter entsprechenden Maß hinausgehenden Beaufsichtigung bedürfen, beträgt der GdB 30 bis 40. Bei sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit Auswirkungen, die die Integration in Lebensbereiche nicht ohne umfassende Unterstützung oder umfassende Beaufsichtigung ermöglichen, beträgt der GdB 50 bis 70 und bei sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit Auswirkungen, die die Integration in Lebensbereiche auch mit umfassender Unterstützung nicht ermöglichen, beträgt der GdB 80 bis 100. Ab dem Alter von 25 Jahren beträgt der GdB regelhaft nicht mehr als 50.

Schließlich sind nach Teil B Ziff. 3.5.3 Störungen des Sozialverhaltens und Störungen sozialer Funktionen mit Beginn in der Kindheit und Jugend je nach Ausmaß der Teilhabebeeinträchtigung, insbesondere der Einschränkung der sozialen Integrationsfähigkeit und dem Betreuungsaufwand individuell zu bewerten.

Der Kläger leidet im Wesentlichen unter einem atypischen Autismus (ICD 10: F 84.1), einer Aufmerksamkeits- und Aktivitätsstörung (ICD 10: F 90.0) bzw. einer hyperkinetischen Störung des Sozialverhaltens (ICD 10: F 90.1) sowie einer Lese- und Rechtschreibschwäche (ICD 10: F 81.0). Dies entnimmt der Senat der Auskunft des vom SG als sachverständigen Zeugen gehörten Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie Dr. Wi. vom 26.04.2012, der Aussage des sachverständigen Zeugen Dr. U. vom 24.04.2012, dem Arztbrief des Universitätsklinikums F. -Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie - vom 02.12.2010 und dem Entlassungsbericht der L. Klinik - Zentrum für Verhaltensmedizin - vom 27.12.2010 über die dort durchgeführte stationäre Rehabilitationsmaßnahme vom 04.11.2010 bis 16.12.2010.

Beim Kläger ergeben sich aufgrund seiner jeweiligen Erkrankungen die folgenden Teilhabebeeinträchtigungen:

Bedingt durch den atypischen Autismus leidet der Kläger unter einer ausgeprägten Schwäche des Einfühlungsvermögens in andere Menschen sowie unter einer Unfähigkeit, soziale Regeln, die andere Menschen intuitiv beherrschen, zu verstehen. Der Kläger kann nonverbale Zeichen der Kommunikation nicht entschlüsseln und ist selbst nicht zu einer adäquaten nonverbalen Kommunikation fähig. So hat er kein Gespür für normative Regeln, für ungeschriebene Gesetze oder bestehende Hierarchien (Beschreibung durch den sachverständigen Zeugen Dr. U. vom 24.04.2012 sowie im Arztbrief des Universitätsklinikums F. - Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie vom 02.12.2010). Im Alltag wirken sich die Störungen dahingehend aus, dass der Kläger von sich aus sehr direkt auf seine Mitmenschen zugeht und ihnen unverblümt die Meinung sagt und dabei nicht begreift, dass er soziale Regeln verletzt und andere Menschen vor den Kopf stößt. Dies führt häufig dazu, dass die Äußerungen des Klägers in seinem Umfeld als Provokationen missverstanden werden, was zu zahlreichen Konflikten führt und sich auf die Kontakt- und Teamfähigkeit ungünstig auswirkt. Infolgedessen kam es auch zu schweren Auseinandersetzungen mit anderen Jugendlichen, bei denen der Kläger verletzt wurde (Nase gebrochen). Weiter liegen beim Kläger Störungen im Bereich der exekutiven Funktionen vor, weswegen er nicht in der Lage ist, sich für Tätigkeiten einen Plan zurechtzulegen und eine Zeitvorstellung zu entwickeln. Daher benötigt der Kläger sehr viel Unterstützung und Anleitung, anfallende Aufgaben zu planen und durchzuführen, weil er ansonsten kaum in der Lage ist, seinen Alltag adäquat zu meistern (Aussage des sachverständigen Zeugen Dr. U. vom 24.04.2012). Trotz der aufgezeigten Anpassungsschwierigkeiten war der Kläger in der Lage, eine schulische Ausbildung zu absolvieren bzw. hat zwischenzeitlich einen Ausbildungsplatz erlangen können. So hat der Kläger zunächst die Hauptschule besucht und anschließend einen Realschulabschluss gemacht. Danach hat er das Berufsschulzentrum in S. besucht. Anschließend hat er im September 2011 eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker begonnen und die H.-Gewerbeschule in S. (Berufsfeld Kraftfahrzeugmechatroniker mit Schwerpunkt Personenkraftwagentechnik) besucht (vgl. die Anamnese zum beruflichen Werdegang im Entlassungsbericht der L. Klinik vom 27.12.2010 sowie die vor dem SG im Prozesskostenhilfeverfahren vorgelegten Unterlagen, Bl. 28 bis 30 der Prozesskostenhilfeakte des SG). Weiter ist der Kläger aufgrund des atypischen Autismus zwar hauptsächlich Einzelgänger, hat aber auch wenige ausgesuchte Freunde, mit denen er viel Zeit verbringt (vgl. Bl. 2 des Entlassberichts der L. Klinik vom 27.12.2012 und Bl. 4 des Arztbriefs des Universitätsklinikums F. vom 02.12.2010). Ferner ist der Kläger schulfähig in die L. Klinik aufgenommen und entlassen worden. Zudem ist der Kläger aufgrund der Aussage des sachverständigen Zeugen Herrn H. vom 21.05.2012 unter Medikation stabil und kann seiner Arbeit nachgehen. Zudem verfügt der Kläger über familiäre Bindungen (vgl. Arztbrief des Klinikums K. vom 26.04.2000: "Trotz auch vorhandener Probleme zu Hause kommt die Mutter mit dem Jungen klar."; Bl. 62 der SG-Akte). Ferner ist der Kläger trotz der entsprechenden erheblichen Einschränkungen und der Notwendigkeit entsprechender Unterstützung noch in der Lage, einen gewissen strukturierten Alltag zu meistern. Dies zeigt sich allein an der insoweit erfolgreichen beruflichen Karriere des Klägers. Im Übrigen fährt der Kläger auch in den Urlaub. Dabei verkennt der Senat nicht, dass dies nur dann möglich ist, wenn die Reise sehr gut von anderen im Voraus geplant ist (vgl. die Ausführungen auf Bl. 3 des Arztbriefes des Universitätsklinikums F. vom 02.12.2010, Bl. 26 der SG-Akte).

Weiter leidet der Kläger unter einer Aufmerksamkeits- und Aktivitätsstörung (ICD10: F 90.0). Diese hyperkinetische Störung wirkt sich nach den schlüssigen Aussagen des sachverständigen Zeugen Dr. U. vor allem durch Unaufmerksamkeit, erhebliche Einschränkung der Konzentrationsspanne und extrem leichte Ablenkbarkeit des Klägers aus. Der Kläger ist nach einer Ablenkung auch unfähig, sich wieder der durchzuführenden Aufgabe zuzuwenden, was sich im Alltag einschränkend auf seine Leistungsfähigkeit auswirkt. Der Kläger benötigt zum Erledigen von Tätigkeiten, welche eine bestimmte Konzentrationsleistung einfordern, sehr viel mehr Zeit, als andere junge Erwachsene. Dies wirkt sich besonders erschwerend beim Erlernen von neuem Wissen oder dem Erwerb von neuen Fähigkeiten aus, obwohl die kognitiven Fähigkeiten des Klägers nicht beeinträchtigt sind. Trotzdem war der Kläger beispielsweise in der Lage, während seiner Rehabilitationsmaßnahme in der L. Klinik an der Berufstherapie Holz teilzunehmen und zeigte dabei ein gutes Durchhaltevermögen und zielstrebiges Arbeiten (S. 7 des Entlassungsberichts der L. Klinik vom 27.12.2010, Bl. 49 der SG-Akte). Schließlich zeigte der Kläger bei einem Aufmerksamkeits- und Konzentrationstest im Rahmen eines Forschungsprojektes der Universität K. Fachbereich Psychologie am 01.07.2003 weitgehend altersentsprechende Leistungen (vgl. Schreiben der Universität K. an die Familie des Klägers, Bl. 53 der SG-Akte).

Nach alledem geht der Senat wegen der durch den atypischen Autismus und der hyperkinetischen Störung verursachten Teilhabebeeinträchtigungen von mittleren sozialen Anpassungsschwierigkeiten gemäß Teil B Ziff. 3.5.1 und 3.5.2 VG aus, welche einen GdB-Rahmen von 50 bis 70 eröffnen. Der Senat ist der Auffassung, dass ein GdB von 50 ausreichend ist. Dabei hat der Senat die trotz mittlerer sozialer Anpassungsschwierigkeiten noch vorhandenen Alltagskompetenzen des Klägers, berücksichtigt. Insbesondere zeigt der berufliche Werdegang des Klägers, dass eine Bewertung am unteren Rahmen mit einem Teil-GdB von 50 für den atypischen Autismus und die hyperkinetische Störung angemessen ist. Dem Vorschlag des sachverständigen Zeugen Dr. R. , den GdB auf 60 bis 80 zu erhöhen, kann aufgrund einer mangelnden Orientierung an den versorgungsmedizinischen Grundsätzen nicht gefolgt werden. Neue Gesichtspunkte, die seine Bewertung plausibel machen, zeigt Dr. R. nicht auf.

Zudem sind gemäß Teil A Nr. 3 b VG Vergleiche mit Gesundheitsschäden anzustellen, zu denen in der Tabelle feste GdB-Werte angegeben sind (zum Erfordernis eines Vergleichs vgl. BSG 20.04.2015 – B 9 SB 98/14 B – n.v.). Nach Ziff. 3.1.1 und 3.1.2. VG eröffnen beispielsweise Hirnschäden mit schwerer Leistungsbeeinträchtigung oder schweren psychischen Störungen einen GdB-Rahmen von 70 bis 100. Der Schweregrad der beim Kläger vorliegenden Beeinträchtigungen ist im Vergleich dazu nicht derart ausgeprägt, dass der hier eröffnete GdB Rahmen von 50 bis 70 nach oben hin auszuschöpfen wäre.

Weiter leidet der Kläger unter einer Lese- und Rechtschreibschwäche. Diese ist gemäß Teil B Ziff. 3.4.2 in einer leichten Ausprägung ohne wesentliche Beeinträchtigung der Schulleistungen mit einem GdB von 0 bis 10, sonst - auch unter Berücksichtigung von Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen - bis zum Ausgleich mit einem GdB von 20 bis 40 und nur bei besonders schweren Ausprägungen (selten) mit einem GdB von 50 zu bewerten. Ausweislich des Arztbriefs des Klinikums K. vom 26.04.2000 bewegten sich die schulischen Leistungen des Klägers noch im Normbereich und es ließen sich keine gravierenden Teilleistungsstörungen nachweisen (Bl. 30 der SG-Akte). Dem entspricht auch der weitere Werdegang des Klägers. Damit ist für die Lese- und Rechtschreibschwäche ein Teil-GdB von 10 gerechtfertigt.

Im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche hält der Senat einen integrierenden Einzel-GdB von 50 gebildet aus einem Teil-GdB von 50 für den atypischen Autismus und die hyperkinetische Störung sowie einem Teil-GdB von 10 für die Lese- und Rechtschreibschwäche, für angemessen. Hierbei ist zu bedenken, dass es sich bei dem atypischen Autismus sowie der hyperkinetischen Störung und der Lese- und Rechtschreibschwäche jeweils nur um einen Teil eines umfangreichen Syndroms handelt und die einzelnen Krankheiten sich weitgehend überschneiden. So ist im Arztbrief des Universitätsklinikums F. vom 02.12.2010 ausgeführt, das autistische Syndrom sei nur ein Teil eines umfangreicheren Syndroms. Weiter führt auch der sachverständige Zeuge Dr. Wi. unter dem 26.04.2012 gegenüber dem SG aus, die Konzentrationsstörung sei ein Teilbereich der Symptomatik. Nach alledem hält der Senat hier einen Einzel-GdB von 50 für gerechtfertigt.

Der GdB von 50 ist indes anders als vom Beklagten angenommen, nicht erst seit April 2000, sondern bereits ab 09.02.2000 festzustellen. Nach Teil B Ziff. 3.5 VG liegt bei Verhaltensstörungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend eine Behinderung erst mit dem Beginn der Teilhabebeeinträchtigung vor. Nach dem Bericht des Klinikums K. vom 26.04.2000 erfolgte eine psychologische Untersuchung des Klägers bereits am 09.02.2000 wegen massiver Verhaltensauffälligkeiten in der Schule und Aufmerksamkeitsproblemen (Bl. 30 der SG-Akte). Damit sind Teilhabebeeinträchtigungen bereits ab dem 09.02.2000 dokumentiert. Frühere Teilhabebeeinträchtigungen sind hingegen nicht dokumentiert und werden im Übrigen vom Klägervertreter auch nicht (mehr) geltend gemacht. Hierzu liegen medizinische Unterlagen, die eine hinreichende Grundlage für die GdB-Bewertung erlaubten, nicht vor.

Im Funktionssystem des Rumpfes, wozu der Senat auch die Wirbelsäule einschließlich der Halswirbelsäule zählt (vgl. Teil A Ziff. 2e) VG) sind beim Kläger keine dauerhaften Funktionsbeeinträchtigungen dokumentiert, welche mit einem Teil-GdB zu bewerten wären.

Nach Teil B Nr. 18.9 VG ist für Wirbelsäulenschäden ein GdB von 20 vorgesehen, wenn mittelgradige funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) vorliegen. Ein GdB von 10 ist dagegen bei Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) bestimmt. Ein GdB von 30 setzt nach Teil B Nr. 18.9 VG entweder schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) oder (nach der Rechtsprechung des Senats, Urteil vom 24.01.2014 - L 8 SB 2497/11 -; juris) mittelgradige funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten voraus. Anhaltende Funktionsstörungen infolge Wurzelkompression mit motorischen Ausfallerscheinungen - oder auch die intermittierenden Störungen bei der Spinalkanalstenose - sowie Auswirkungen auf die inneren Organe (z.B. Atemfunktionsstörungen) sind zusätzlich zu berücksichtigen.

Zwar hat der vom Senat als sachverständige Zeuge gehörte Orthopäde Herr St. unter dem 09.09.2014 mitgeteilt, der Kläger leide unter einem LWS-Syndrom, Myogelosen, Bewegungsstörungen, einer Hyperlordose, einem Bandscheibenvorfall L5/S1 sowie einer Osteochondrose L5/S1. Der Kläger bekam zweimal täglich 600 mg Ibuprofen, dreimal täglich zwei Ortoton sowie sechsmal Krankengymnastik verordnet. Weiter hat Herr St. auf Nachfrage des Senats unter dem 15.12.2014 ergänzend mitgeteilt, der Kläger habe bei der letzten Vorstellung am 04.12.2014 nur noch über vorhandene Restbeschwerden der Lendenwirbelsäule bei Belastung und Bewegung nach einer am 26.07.2014 während einer Autofahrt akut zugezogenen Blockierung geklagt. Weitere über die von Herrn St. am 15.12.2014 berichteten Restbeschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule über Belastung und Bewegung hinausgehende Funktionsbeeinträchtigungen, welche einen Teil-GdB rechtfertigen könnten, sind hingegen weder dokumentiert noch werden sie vom Kläger geltend gemacht. Zu einem Untersuchungstermin am 05.02.2015 ist der Kläger nach den Angaben von Herr St. nicht erschienen, was auf eine weitere Besserung der Restbeschwerden schließen lässt.

Nach alledem hält der Senat einen GdB von 50 für die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers für angemessen und leidensgerecht.

Zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen sah sich der Senat nicht veranlasst. Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Die vorhandenen ärztlichen Unterlagen bilden eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Senats.

Dem Antrag des Klägers, bei Prof. Dr. Z. ein Gutachten nach § 109 SGG einzuholen, ist der Senat nachgekommen. Jedoch hat Prof. Dr. Z. mit Schreiben vom 25.03.2015 mitgeteilt, sie sei keine Ärztin, sondern Entwicklungspsychologin und Pädagogin. Der Senat hat den Klägervertreter hierzu mit Schreiben vom 31.03.2015 um Stellungnahme gebeten. Eine Reaktion des Klägervertreters hierauf ist ebenso wenig erfolgt, wie auf die ihm am 15.05.2015 zugestellte Terminsbestimmung zur mündlichen Verhandlung am 26.06.2015. Vielmehr hat der Klägervertreter mit Schriftsatz vom 21.06.2015 sein uneingeschränktes Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt und damit deutlich gemacht, eine Beweisaufnahme nach § 109 SGG nicht weiter zu verfolgen (vgl. dazu z. B. BSG 05.02.2015 - B 13 R 372/14 B - juris Rdnr. 14).

Nach alledem war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass das geringfügige Obsiegen des Klägers keine Kostentragung durch den Beklagten rechtfertigt.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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