L 5 R 2582/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 15 R 700/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 2582/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 07.05.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist der sozialversicherungsrechtliche Status des Klägers als mitarbeitender Gesellschafter (Marketing- und Personalleiter/Prokurist) bei der Beigeladenen zu 1. im Zeitraum von 01.01.2012 bis 31.07.2014.

Die Beigeladene zu 1. ist eine Werbeagentur in der Rechtsform einer GmbH. Sie wurde am 03.12.2007 durch notariellen Vertrag gegründet und am 11.01.2008 ins Handelsregister eingetragen. Ihr Stammkapital beträgt 25.000,00 EUR. Frau M. D. war zunächst Alleingeschäftsführerin und alleinige Gesellschafterin der Beigeladenen zu 1. (vgl. Bl. 10 VA).

Der Kläger ist Industriekaufmann und Diplom-Betriebswirt. Er erwarb zum 01.01.2012 einen Anteil von 30 % am Gesellschaftsvermögen von der ursprünglichen Alleingesellschafterin. Die notarielle Beurkundung von Kauf und Abtretung des GmbH-Anteils datiert vom 03.11.2011 (Bl. 23 ff. VA).

Zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1. wurde am 08.12.2011 ein Arbeitsvertrag geschlossen (vgl. Bl. 17 ff. VA). Danach wird der Kläger ab 01.01.2012 als Marketing- und Personalleiter auf unbestimmte Zeit eingestellt. Sein Aufgabenbereich umfasst Kundenbindung, Vertrieb, PR, Kooperation und Personalmanagement. Der Kläger erhält Prokura. Von den Beschränkungen des § 181 BGB ist er befreit. Der Kläger hat an M. D. zu berichten (§ 1). Der Kläger ist leitender Angestellter im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG. Die Arbeitszeit wird mit 40 Stunden wöchentlich angegeben. Die Vergütung wird mit 1.000,00 EUR netto vereinbart (vgl. § 3). Des Weiteren erhält der Kläger eine Provision an den "unmittelbar beteiligten oder selbst akquirierten Aufträgen". Abweichend vom Vertragsformular sind unter § 7 des Vertrags 30 Urlaubstage vereinbart. Die Vorschrift über Wettbewerbsverbot und Vertragsstrafe ist durchgestrichen. Unterzeichnet haben den Vertrag die Geschäftsführerin für die Firma C. (Beigeladene zu 1.) sowie der Kläger als "Angestellter".

Am 05.12.2011 stellte der Kläger einen Statusfeststellungsantrag (Bl. 2 ff. VA). Er gab hierbei an, dass der Gesellschaftsvertrag eine Beschlussfassung mit einfacher Mehrheit vorsieht (vgl. Bl. 11 VA). Zu seiner Tätigkeit teilte er mit, dass er als Gesellschafter bei der Vertriebs- und Akquisestrategie ab 01.12.2011 tätig werde für die Beigeladene zu 1 (vgl. Bl. 6). Der Antrag enthält keine Angabe dazu, ob beantragt werde, festzustellen, dass eine Beschäftigung vorliegt oder dass eine Beschäftigung nicht vorliegt (vgl. Bl. 7 VA). In der Anlage zum Statusfeststellungsantrag wird angegeben, der Kläger sei mitarbeitender Gesellschafter der GmbH. Die Abstimmung werde mit einfacher Mehrheit getroffen, eine Treuhandverpflichtung liege nicht vor. Durch Sonderrechte könne der Kläger Gesellschafterbeschlüsse nicht herbeiführen oder verhindern. Der Kläger sei nicht aufgrund des Gesellschaftsvertrags zur Mitarbeit verpflichtet, seine Mitarbeit sei in einem besonderen Arbeitsvertrag geregelt, die Arbeitszeit betrage 40 Stunden. Er unterliege wie ein fremder Arbeitnehmer dem Direktionsrecht hinsichtlich Zeit, Ort und Art der Beschäftigung. Er könne abgesehen von wichtigen Geschäften seine Tätigkeit frei gestalten, die Gestaltung der Tätigkeit sei von den betrieblichen Erfordernissen, insbesondere dem eigenen wirtschaftlichen Interesse zum Wohl des Unternehmens abhängig. Er könne selbständig Personal einstellen und/oder entlassen, er müsse seinen Urlaub nicht genehmigen lassen. Er habe der GmbH ein Darlehen über 10.000 EUR gewährt.

Am 16.04.2012 hörte die Beklagte den Kläger sowie die Beigeladene zu 1. dazu an, dass beabsichtigt sei, das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung festzustellen. Für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis spreche, dass ein gesonderter Arbeitsvertrag, der die Mitarbeit in der Gesellschaft regle, bestehe. Dieser Arbeitsvertrag enthalte arbeitsvertraglich typische Regelungen zum Urlaubsanspruch und zur Fortzahlung des Arbeitsentgeltes bei Arbeitsunfähigkeit. Es werde eine regelmäßige Vergütung von monatlich 1.000,00 EUR gezahlt. Aufgrund des zu geringen Anteils an Stammkapital könne der Kläger keinen maßgebenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft ausüben. Der Kläger unterliege dem Weisungsrecht der Gesellschaft.

Am 15.05.2012 stellte die Beklagte mit (gleichlautenden) Bescheiden gegenüber dem Kläger und der beigeladenen C. GmbH fest, dass die Tätigkeit des Klägers als mitarbeitender Gesellschafter bei der C. GmbH seit 01.12.2011 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde. Es bestehe Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung (vgl. Bl. 45 ff. bzw. Bl. 48 ff. VA). Es liege eine abhängige Beschäftigung vor. Die Tatsache der Tantiemenzahlung bzw. der Beteiligung am Stammkapital mit einem Stimmanteil von 30 % falle gegenüber den für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechenden Gesichtspunkten nicht wesentlich ins Gewicht. Der Kläger könne seine Weisungsabhängigkeit auch nicht aufgrund der Gesellschafterstellung abschwächen oder aufheben. Aufgrund des Kapitaleinsatzes von 30 % und der vereinbarten Beschlussfassung der Gesellschaft mit einfacher Mehrheit mangele es dem Kläger an Vetorechten oder Sperrminoritäten. Er könne keine Entscheidungen gegen sich verhindern. Er trage auch durch selbständigen Einsatz von Kapital kein kennzeichnendes Unternehmerrisiko. Die zusätzlich gewährte Gewinnbeteiligung sei nur Ausdruck eines auch bei anderen Arbeitnehmern verbreiteten leistungsorientierten Vergütungsbestandteils. Hinsichtlich Arbeitszeit, Arbeitsort und Ausübung der Tätigkeit unterliege der Kläger Weisungen der Gesellschaft.

Hiergegen richtete sich der Widerspruch des Klägers vom 13.06.2012 (Bl. 51 VA). Es sei zwar richtig, dass Gesellschafterbeschlüsse nach § 7 der Satzung mit einfacher Mehrheit gefasst würden. Festzuhalten sei jedoch, dass es gewisse Sperrminoritäten aufgrund Gesetz und Rechtsprechung gebe, die der Kläger aufgrund seiner Beteiligung an der Gesellschaft in Höhe von 30 % erreiche. Der Kläger sei auch aufgrund seiner Gesellschafterstellung am Gewinn beteiligt. Darüber hinaus sei die gesellschaftsrechtliche Stellung geändert worden. Man werde in Kürze die neue Satzung überlassen.

Mit Fax vom 01.10.2012 (Bl. 65 ff. VA) legte der Bevollmächtigte des Klägers den am 14.08.2012 unterzeichneten Prokuristenvertrag zwischen der C. Werbeagentur GmbH und dem Kläger vor, der einen Dienstbeginn des Klägers bei der Beigeladenen zu 1. am 01.01.2012 regelt (§ 1) und ausführt, dass der Kläger die Tätigkeit als Prokurist nach Vorgabe der Gesellschaft und des Geschäftsführers ausübe; er sei weisungsunabhängig (vgl. § 2). Bezüge setzen sich nach § 3 aus einer Grundvergütung in Höhe von 1.351,91 EUR netto sowie einer Vergütung in Höhe von 20% "an den unmittelbar beteiligten und selbstaquirierten" Aufträgen (außer BADER-Aufträgen) zusammen. Ein 30-tägiger Urlaubsanspruch besteht nach § 8. Nach § 9 Abs. 1 wird der Vertrag auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und ist mit einer Frist von einem Monat zum Ende eines Kalendermonats kündbar. Nach § 9 Abs. 2 ist die Gesellschaft im Fall einer ordentlichen Kündigung berechtigt, den Kläger unter Weitergewährung seiner Bezüge bis zum Ablauf der Kündigungsfrist freizustellen. In den Schlussbestimmungen (§ 10) ist festgehalten, dass mündliche Abreden zu diesem Vertrag nicht getroffen worden sind und (§ 10 Abs. 2) Änderungen oder Ergänzungen des Vertrags eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung sowie einer schriftlichen Vereinbarung bedürfen, die von der für die Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung erforderlichen Mehrheit der Gesellschafter und dem Prokuristen zu unterzeichnen sind (Bl. 66 -69 VA).

Hierauf führte die Beklagte aus, dass ein Prokurist nicht unmittelbar auf Geschicke der Gesellschaft Einfluss nehmen könne. Auch als Prokurist sei der Kläger nicht in der Lage, die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken zu führen. In Ausübung der Prokura sei er an die Weisungen der Gesellschafterversammlung und Geschäftsführung gebunden. Ein freies Schalten und Walten sei ihm nicht möglich. Hieraus resultiere noch keine selbständige Tätigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne (vgl. Bl. 70 VA).

Mit Schreiben vom 23.10.2012 legte der Bevollmächtigte des Klägers die notariell beurkundete Satzungsänderung vom 24.07.2012 vor. Danach wird § 7 Ziff. 1 des Gesellschaftsvertrages geändert. Gesellschafterbeschlüsse werden mit einer Mehrheit von ¾ der abgegebenen Stimmen gefasst soweit nicht das Gesetz oder der Vertrag eine andere Mehrheit vorsehen. Die geänderte Bestimmung des Gesellschaftsvertrages wurde zum Handelsregister angemeldet (vgl. Bl. 85 VA).

Mit Widerspruchsbescheid vom 22.01.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück (Bl. 88 VA). Es bleibe bei der Feststellung, dass der Kläger seine Tätigkeit als mitarbeitender Gesellschafter bei der C. GmbH im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe. Des Weiteren bleibe die Feststellung bestehen, dass der Kläger in seiner ausgeübten Beschäftigung der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung, der Pflegeversicherung, der Rentenversicherung sowie dem Recht der Arbeitsförderung unterliege. Es sei zu unterscheiden zwischen Gesellschaftern und/oder Geschäftsführern einer GmbH. Mitarbeitende Gesellschafter einer GmbH könnten durchaus in einem abhängigen und damit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zur GmbH stehen. Dies liege nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vor bei mitarbeitenden Gesellschaftern. Bei Gesellschafter-Geschäftsführern gelte dies nur, wenn die Gesellschafter funktionsgerecht dienend am Arbeitsprozess der GmbH teilnehmen, für ihre Beschäftigung ein entsprechendes Arbeitsentgelt erhalten und keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft kraft ihres Anteils am Stammkapital geltend machen könnten. Keinen maßgeblichen Einfluss habe derjenige Gesellschafter, der nicht mindestens die Hälfte der Geschäftsanteile (50 %) der GmbH besitze. Der Kläger verfüge nur über einen Anteil von 30 %. Beschlüsse der C. GmbH würden mit einfacher Mehrheit gefasst. Selbst wenn der Kläger eine Sperrminorität trotz Minderheitsbeteiligung erlangen würde, schließe das nach der Entscheidung des BSG vom 05.02.1998 - B 11 AL 71/97 R - eine abhängige Beschäftigung nicht von vornherein aus, wenn der Minderheitsgesellschafter keine Geschäftsführerfunktion innehabe. Dieser Minderheitsgesellschafter mit Sperrminorität sei rechtlich nicht in der Lage, seine Weisungsgebundenheit gegenüber dem Geschäftsführer aufzuheben oder abzuschwächen. Der Kläger sei lediglich im Bereich der Vertriebs- und Akquisestrategie tätig, jedoch nicht als Geschäftsführer der GmbH. Ausreichend sei die vorhandene Rechtsmacht des Geschäftsführers bzw. der Gesellschaft, ihm gegenüber Weisungen zu erteilen. Der Kläger sei weder Geschäftsführer noch alleinvertretungsberechtigt. Dass er seit 01.01.2012 auch als Prokurist für die C. GmbH tätig sei, ändere dies ebenfalls nicht. Dem Prokuristen sei zuzugestehen, dass er leitender Angestellter der Firma sei, der in weiten Teilen eigenverantwortlich arbeite. Während einem Geschäftsführer durch § 35 Abs. 1 GmbH-Gesetz nach außen Vertretungsvollmacht eingeräumt sei, sei ein Prokurist von sogenannten Grundlagengeschäften ausgeschlossen. Auch die Ausgestaltung des Arbeitsvertrags weise auf eine Weisungsunterworfenheit hin. Der Kläger sei als Prokurist nicht in der Lage, die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken zu führen. In Ausübung der Prokura sei er an Anweisungen der Gesellschafterversammlung bzw. der Geschäftsführung gebunden. Ein freies Schalten und Walten sei ihm nicht möglich.

Am 25.02.2013 erhob der Kläger hiergegen Klage zum Sozialgericht Karlsruhe. Er machte geltend, es sei nicht darauf eingegangen worden, dass § 7 des Gesellschaftsvertrages geändert worden sei und dass er nun laute: "Gesellschafterbeschlüsse werden mit einer Mehrheit von ¾ der abgegebenen Stimmen gefasst, soweit nicht das Gesetz oder dieser Vertrag eine andere Mehrheit vorsehen." Dies habe zur Folge, dass sämtliche Beschlüsse von Frau D., der Mitgesellschafterin und Geschäftsführerin und dem Kläger einstimmig gefasst werden müssten. Der Kläger sei dadurch in die Unternehmensleitung mit integriert. Er habe eine weitreichende Sperrminorität. Es sei auch nicht zu verkennen, dass die neue Vertragsgestaltung (rückwirkender Vertragsschluss Prokura) praktisch die Verhältnisse, so wie sie von Beginn der Tätigkeit an gehandhabt wurden und gelebt worden seien, wiedergebe.

Mit Verfügung vom 28.06.2013 bat der Vorsitzende die Beklagte um Darlegung. Der Widerspruchsbescheid gehe von einer Beschlussfassung mit einfacher Mehrheit für den gesamten Zeitraum aus. Dies sei nach Änderung des Gesellschaftsvertrags unzutreffend. Es werde um ausführliche Stellungnahme gebeten (Bl. 72 SG-Akte).

Am 31.07.2013 führte die Beklagte aus, dass eine Sperrminorität des Minderheitsgesellschafters eine abhängige Beschäftigung nicht ausschließe, wenn der Minderheitsgesellschafter keine Geschäftsführerfunktion innehabe. Dieser Minderheitsgesellschafter sei rechtlich nicht in der Lage, seine Weisungsgebundenheit gegenüber dem Geschäftsführer der GmbH aufzuheben oder abzuschwächen. Hierauf äußerte der Klägerbevollmächtigte, dass diese Ausführungen der Beklagten angesichts der Einstimmigkeit, die vereinbart worden sei, nicht verständlich seien.

Die Beteiligten erklärten sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

Mit Urteil vom 07.05.2014 wies das Sozialgericht Karlsruhe die Klage ab. Die Klage sei als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage statthaft. Die Klage sei aber unbegründet. Die Beklagte habe zu Recht festgestellt, dass der Kläger als mitarbeitender Gesellschafter bei der Beigeladenen zu 1. seit dem 01.12.2011 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses tätig sei und dass Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe. Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis liege nicht vor, wenn der Geschäftsführer an der Gesellschaft beteiligt sei und allein oder jedenfalls mit Hilfe seiner Gesellschafterrechte, die für das Beschäftigungsverhältnis typische Abhängigkeit vermeiden könne (BSG, Urteil vom 24.09.1992 - 7 Rar 12/92 -, juris Rn. 18). Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sei daher vom BSG verneint worden, wenn der Geschäftsführer Alleingeschäftsführer sei, wenn der Geschäftsführer über die Hälfte des Stammkapitals der Gesellschaft verfüge und wenn der Geschäftsführer über eine Sperrminorität verfüge, die es ermögliche, ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschaft zu verhindern. Auch wenn die Kapitalbeteiligung des Geschäftsführers nicht ausreiche, könne ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu verneinen sein. Insofern sei auf die allgemeinen Kriterien für die Beurteilung, ob eine abhängige oder selbständige Tätigkeit vorliege, abzustellen (BSG, Urteil vom 24.09.1992 - 7 Rar 12/92 -, juris Rn. 18). Bei der Feststellung des abhängigen Charakters einer Tätigkeit und der Sozialversicherungspflicht komme es auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an. Ein GmbH-Gesellschafter, der nicht zum Geschäftsführer bestellt sei, besitze allein aufgrund seiner gesetzlichen Gesellschafterrechte nicht die Rechtsmacht, seine Weisungsgebundenheit als Angestellter der Gesellschaft aufzuheben oder abzuschwächen (BSG, Urteil vom 05.02.1998 - B 11 AL 71/97 R, juris Rn. 16 f; BSG, Urteil vom 17.05.2001 - B 12 KR 34/00 R, juris Rn. 15). Auch in dieser Konstellation sei anhand einer Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu entscheiden, ob eine rechtlich bestehende Abhängigkeit durch die tatsächlichen Verhältnisse so überlagert sei, dass eine Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinne nicht vorliege. Nach diesen Maßstäben sei der Kläger bei der Beigeladenen zu 1. abhängig beschäftigt. Der Kläger habe bei der Antragstellung selbst angegeben, hinsichtlich Zeit, Ort und Art der Beschäftigung dem Direktionsrecht der Beigeladenen zu 1. zu unterliegen. Dies sei im vorliegenden Fall entscheidend. Durchgreifende Gesichtspunkte, die für eine selbständige Tätigkeit sprächen, lägen demgegenüber nicht vor. Weder die Beteiligung am Stammkapital der Beigeladenen zu 1. noch die teilweise erfolgsabhängige Vergütung des Klägers führten zur Annahme einer selbständigen Tätigkeit, weil beide Aspekte gegenüber der Weisungsgebundenheit in ihrer Gewichtung zurückträten. Der Kläger könne auch nicht damit durchdringen, dass nunmehr seit 24.07.2012 Beschlüsse der Gesellschafterversammlung einstimmig gefasst werden müssten. Er könne zwar Beschlüsse der Gesellschaft verhindern, nicht aber Weisungen der Geschäftsführerin (vgl. BSG, Urteil vom 05.02.1998 - B 11 AL 71/97 R, juris Rn. 17). Auch könne er selbst nicht allein Beschlüsse der Gesellschaft herbeiführen, die wiederum die Geschäftsführerin bei der Ausübung ihres Weisungsrechts binden würden. Aus dem Prokuristenvertrag vom 24.08.2012 folge nichts anderes. Die Prokuristen-eigenschaft verleihe der Tätigkeit keinen selbständigen Charakter. § 1 Nr. 2 Satz 1 des Vertrags regele, dass der Kläger unter anderem nach Maßgabe der Bestimmungen der Gesellschafter und Geschäftsführer die Geschäfte führe und die Gesellschaft vertrete. Damit unterscheide er sich von einem Geschäftsführer. Es komme auch auf die Frage, ob der Kläger ein Unternehmerrisiko übernommen habe, was in der obergerichtlichen Rechtsprechung als besonders gewichtiges Entscheidungskriterium eingestuft werde, auch wenn § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV hierauf nicht abstelle, nicht an.

Gegen das seinem Bevollmächtigten am 16.05.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16.06.2014 Berufung erhoben. Der Kläger lässt vortragen, dass er bei der B. als selbständig Gewerbebetreibender geführt werde. Das Sozialgericht Karlsruhe habe sich auf vielerlei Entscheidungen bezogen und den Maßstab wiedergegeben, dass das Gesamtbild nach den jeweiligen tatsächlichen Verhältnissen des Einzelfalls entscheidend sei. Gerade diesen Einzelfall habe es aber nicht betrachtet. Tatsächlich sei es so, dass der Kläger entgegen der Annahme des Sozialgerichts hinsichtlich Zeit, Ort und Art der Beschäftigung frei sei. Richtig sei auch, dass der Prokuristenvertrag zwar von Weisungen ausgehe. Die Weisungen der Gesellschaft und die Beschlüsse der Gesellschaft könnten jedoch nicht über den Kopf des Klägers hinweg erfolgen. Unberücksichtigt geblieben sei auch das Organigramm der Beigeladenen zu 1. aus Anlage K6. Der Kläger und die Geschäftsführerin, Frau M. D., seien gleichberechtigt und gleichrangig auf der Ebene der Unternehmensleitung angesiedelt gewesen. Ausweislich des Prokuristenvertrags sei der Kläger weisungsunabhängig. Er könne seine Tätigkeit, Arbeitszeit und Urlaub etc. frei bestimmen.

Der Kläger hat dem Senat den zwischen der Beigeladenen zu 1. und deren Geschäftsführerin M. D. geschlossenen Geschäftsführervertrag vom 01.01.2008 übersandt (Bl. 27 ff. LSG).

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 20.05.2015 teilte der Vertreter des Klägers mit, dass die Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 1. am 31.07.2014 geendet habe.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 07.05.2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15.05.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.01.2013 aufzuheben und festzustellen, dass er seine Tätigkeit als mitarbeitender Gesellschafter für die Beigeladene zu 1. vom 01.01.2012 bis zum 31.07.2014 nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses, sondern als Selbständiger ausgeübt hat und keine Versicherungspflicht in der Krankenversicherung, der Pflegeversicherung, der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte, die Akte des Sozialgerichts Karlsruhe sowie auf die Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist gem. §§ 143, 144 SGG ohne Zulassung durch das Sozialgericht statthaft und gem. § 151 SGG zulässig.

Sie ist aber unbegründet. Das Sozialgericht Karlsruhe hat die Klage mit Urteil vom 07.05.2014 zu Recht abgewiesen. Auch zur Überzeugung des Senats ist der Kläger in seiner Tätigkeit als Prokurist bzw. Marketing- und Personalleiter im Zeitraum von 01.01.2012 bis 31.07.2014 bei der Beigeladenen zu 1. versicherungspflichtig zur gesetzlichen Kranken-, Arbeitslosen-, Renten- und Pflegeversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 24 SGB III, § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI und § 20 SGB XI).

I.

Die angefochtenen Bescheide sind formell rechtmäßig. Die Beklagte war zu ihrem Erlass gem. § 7a Abs. 1 Satz 3 SGB IV sachlich zuständig und die Bescheide sind auch hinreichend bestimmt und beschränken sich nicht auf eine unzulässige Feststellung von Elementen eines Rechtsverhältnisses.

Gem. § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Über den Antrag entscheidet abweichend von § 28h Abs. 2 SGB IV die Deutsche Rentenversicherung Bund (§ 7a Abs. 1 Satz 3 SGB IV). Der Kläger hat sich für das (fakultative) Anfrageverfahren bei der Beklagten (Clearing-Stelle) nach § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV entschieden; ein vorrangiges Verfahren bei der Einzugs- oder der Prüfstelle war nicht eingeleitet worden (zur Verfahrenskonkurrenz etwa Senatsurteile v. 08.06.2011, - L 5 KR 4009/10 - und - L 5 R 4078/10 -).

Gem. § 33 Abs. 1 SGB X muss ein Verwaltungsakt hinreichend bestimmt sein. Im Hinblick auf sozialversicherungsrechtliche Statusentscheidungen muss im Einzelfall zumindest durch Auslegung vor dem Hintergrund der den Beteiligten bekannten Umstände zu erschließen sein, auf welche konkreten rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten sich die Feststellung einer abhängigen Beschäftigung beziehen soll. Notwendig ist regelmäßig die Angabe einer bestimmbaren Arbeit und die gerade hiermit in Zusammenhang stehende Entgeltlichkeit (vgl. näher BSG, Urt. v. 11.03.2009, - B 12 R 11/07 R -; Urt. v. 04.06.2009, - B 12 R 6/08 R -). Außerdem darf sich weder die im Anfrageverfahren (§ 7a SGB IV) noch die im Einzugsstellenverfahren (§ 28h SGB IV) ergehende Entscheidung auf das isolierte Feststellen des Vorliegens einer abhängigen Beschäftigung beschränken. Eine Elementenfeststellung dieser Art ist nicht zulässig (BSG, Urt. v. 11.03.2009, - B 12 R 11/07 R -). Die Beklagte ist diesen Anforderungen im Bescheid vom 15.05.2012 gerecht geworden. Sie hat die Tätigkeit als "mitarbeitender Gesellschafter" hinreichend bestimmt bezeichnet. Die Beklagte hat sich auch nicht auf die isolierte Feststellung eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses beschränkt, vielmehr ausdrücklich festgestellt, dass für die in abhängiger Beschäftigung verrichtete Tätigkeit des Klägers als mitarbeitender Gesellschafter seit 01.12.2011 Versicherungspflicht zur Renten-, Kranken- und Pflege- und Arbeitslosenversicherung bestehe.

II.

Der angefochtene Statusfeststellungsbescheid der Beklagten vom 15.05.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.01.2013 ist auch materiell rechtmäßig. Dies hat das Sozialgericht Karlsruhe im Urteil vom 07.05.2014 zu Recht bestätigt. Der Kläger war ab der Aufnahme seiner Tätigkeit am 01.01.2012 bis zur Beendigung der Tätigkeit zum 31.07.2014 bei der Beigeladenen zu 1. versicherungspflichtig als mitarbeitender Gesellschafter und Prokurist beschäftigt. Eine selbständige Erwerbstätigkeit des Klägers hat nicht vorgelegen.

Die angefochtenen Bescheide haben Versicherungspflicht zur Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung festgestellt. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 24 SGB III, § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI und § 20 SGB XI setzt die Versicherungspflicht zur gesetzlichen Kranken-, Arbeitslosen-, Renten- und Pflegeversicherung jeweils ein Beschäftigungsverhältnis voraus. Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV).

1.) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts erfordert das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsleistung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers (arbeitsrechtliche Direktionsbefugnis) unterliegt (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Vornehmlich bei Diensten höherer Art kann das Weisungsrecht auch eingeschränkt und zur "dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein (dazu BSG, Urt. v. 18.12.2001, - B 12 KR 10/01 R -). Höhere Dienste werden im Rahmen abhängiger Beschäftigung geleistet, wenn sie fremdbestimmt bleiben, sie in einer von der anderen Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebs aufgehen (BSG, Urt. v. 19.06.2001, - B 12 KR 44/00 R -). Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit sowie das Unternehmerrisiko gekennzeichnet (vgl. BSG, Urt. v. 29.08.2012, B 12 KR 25/10 R ). Letzteres besteht meist in der Gefahr, bei wirtschaftlichem Misserfolg des Unternehmens das eingesetzte Kapital zu verlieren oder nicht ausreichend nutzen zu können; ihm entspricht die Aussicht auf Gewinn, wenn das Unternehmen wirtschaftlichen Erfolg hat. Abhängig Beschäftigte tragen demgegenüber das Arbeitsplatzrisiko, das in der Gefahr besteht, bei wirtschaftlichem Misserfolg des Unternehmens die Arbeitsstelle einzubüßen.

Das für eine selbständige Tätigkeit typische Unternehmerrisiko ist nicht mit einem Kapitalrisiko gleichzusetzen. Ein Kapitalrisiko, das nur zu geringen Ausfällen führt, wird das tatsächliche Gesamtbild einer Beschäftigung indessen nicht wesentlich bestimmen (BSG; Beschl. v. 16.08.2010, - B 12 KR 100/09 B -). Maßgebendes Kriterium für das Vorliegen eines Unternehmerrisikos ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (BSG, Urt. v. 25.04.2012 - B 12 KR 24/10R-).

Die Zuordnung des konkreten Lebenssachverhalts zum rechtlichen Typus der (abhängigen) Beschäftigung als nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV), nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung erfordert nach der Rechtsprechung des BSG eine Gewichtung und Abwägung aller als Indizien für und gegen eine Beschäftigung bzw. selbstständige Tätigkeit sprechenden Merkmale der Tätigkeit im Einzelfall. Bei Vorliegen gegenläufiger, d. h. für die Bejahung und die Verneinung eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmals sprechender tatsächlicher Umstände oder Indizien hat das Gericht (ebenso die Behörde) insoweit eine wertende Zuordnung aller Umstände im Sinne einer Gesamtabwägung vorzunehmen. Diese Abwägung darf allerdings nicht (rein) schematisch oder schablonenhaft erfolgen, etwa in der Weise, dass beliebige Indizien jeweils zahlenmäßig einander gegenübergestellt werden, sondern es ist in Rechnung zu stellen, dass manchen Umständen wertungsmäßig größeres Gewicht zukommen kann als anderen, als weniger bedeutsam einzuschätzenden Indizien. Eine rechtmäßige Gesamtabwägung setzt deshalb - der Struktur und Methodik jeder Abwägungsentscheidung (innerhalb und außerhalb des Rechts) entsprechend - voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls wesentlichen Indizien festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und in dieser Gesamtschau nachvollziehbar, d. h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (so BSG, Urt. v. 25.04.2012, - B 12 KR 14/10 R - und - B 12 KR 24/10 R -). Diese Abwägung ist gerichtlich voll nachprüfbar.

Nach den genannten Grundsätzen ist ebenfalls zu beurteilen, ob der Prokurist oder der Geschäftsführer einer GmbH zu dieser in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht. Der mitarbeitende Gesellschafter ist grundsätzlich rechtlich an die Weisungen des Geschäftsführers gebunden. Dieser führt die laufenden Geschäfte der GmbH, zu denen auch die Ausübung des Weisungsrechts gegenüber den Beschäftigten der GmbH gehört. Anderes kann sich im Einzelfall insoweit allerdings aus dem Gesellschaftsvertrag und den vertraglichen Grundlagen ergeben, indem z.B. die Gesellschafterversammlung Weisungsrechte gegenüber Beschäftigten allgemein oder im Einzelfall an sich ziehen oder sich vorbehalten kann (BSG, Urt. v. 17.05.2001 – B 12 KR 34/00 R, juris). Eine rechtlich erhebliche "Sperrminorität" ist dann gegeben, wenn der betreffende mitarbeitende Gesellschafter Einzelanweisungen an sich im Bedarfsfall jederzeit verhindern könnte (BSG, Urt. v. 23.06.1994 - 12 RK 72/92 - juris; BSG, Urt. v. 08.08.1990 - 11 RAr 77/89, SozR 3-2400 § 4). Gegen einen maßgeblichen gesellschaftsrechtlichen Einfluss und damit für eine Stellung als abhängig Beschäftigter spricht es, wenn der mitarbeitende Mitgesellschafter so wesentliche Entscheidungen wie die Auflösung der Gesellschaft, die operative Neuausrichtung und seine eigene Abberufung bzw. Entlassung nicht verhindern kann (vgl. nur BSG, Urt. v. 25.01.2006, B 12 KR 30/04 R). Von Bedeutung kann im Einzelfall auch eine tatsächliche mittelbare Einflussnahme sein, wenn beispielweise die Verhinderung der Entlastung der Geschäftsführerin (§ 46 Nr. 5 GmbHG), der Jahresabschluss oder die Ergebnisverwendung (§ 46 Nr. 1 GmbHG) als Druckmittel eingesetzt werden können.

Fehlt eine Rechtsmacht, besteht aber ein so weitreichender tatsächlicher Einfluss, dass der Betroffene im Unternehmen "schalten und walten" kann wie er will, die Inhaber des Unternehmens persönlich dominiert oder diese von ihm wirtschaftlich abhängig sind, hat das BSG in seiner älteren Rechtsprechung Selbständigkeit angenommen, insbesondere im Fall eines Fremdgeschäftsführers einer GmbH, der mit den Gesellschaftern familiär verbunden ist (BSG, Urt. v. 15.12.1971 – 3 RK 67/68, SozR Nr. 68 zu § 165 RVO; Urt. v. 24.06.1982 – 12 RK 45/80, juris; Urt. v. 08.12.1987 – 7 RAr 25/86, juris; Urt. v. 05.02.1998 – B 11 AL 71/97 R, SozR 3-4100 § 168 Nr. 22; Urt. v. 14.12.1999 – B 2 U 48/98 R, juris; Urt. v. 17.05.2001 – B 12 KR 34/00 R; Urt. v. 18.12.2001 – B 12 KR 10/01 R; Urt. v. 06.03.2003 – B 11 AL 25/02 R). In seiner neueren Rechtsprechung hat das BSG allerdings Zweifel an dieser "Überlagerungsrechtsprechung" geäußert und die Bedeutung der Rechtsmacht (im Unternehmen) für die sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilung hervorgehoben (vgl. BSG, Urt. v. 29.08.2012 – B 12 KR 25/10 R und – B 12 R 14/10 R); es spreche einiges dafür, der aus gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben entspringenden Rechtsmacht als Teil der tatsächlichen Verhältnisse maßgebende Bedeutung beizumessen, da entscheidender Gesichtspunkt für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit anstelle einer (abhängigen) Beschäftigung auch im Zusammenhang mit Familiengesellschaften die Möglichkeit sei, unliebsame Weisungen des Arbeitgebers bzw. Dienstberechtigten abzuwenden (BSG, a. a. O.). Unerheblich ist in jedem Fall, dass eine bestehende Rechtsmacht mit daraus folgenden Weisungsrechten (mangels tatsächlichen Anlasses) in der Geschäftspraxis nicht ausgeübt wird, solange sie nur aufrechterhalten bleibt und von ihr (bei gegebenem Anlass, etwa bei einem familiären Zerwürfnis) Gebrauch gemacht werden kann. Eine (bloße) "Schönwetter-Selbstständigkeit" (so BSG, a. a. O.) ist mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht hinnehmbar.

2.) Ausgehend davon kann die Tätigkeit des Klägers als mitarbeitender Gesellschafter im zu beurteilenden Zeitraum nicht als selbständige Erwerbstätigkeit eingestuft werden.

Bis zur Änderung der Abstimmungsverhältnisse innerhalb der Gesellschaft (24.07.2012) ergibt sich ganz eindeutig das Bild einer abhängigen Beschäftigung (a). Bei einer Würdigung der Rechtsmacht innerhalb der Beigeladenen zu 1. gilt dies trotz der erlangten Sperrminorität aber angesichts seiner nicht ausreichenden Gestaltungsmacht innerhalb der Beigeladenen zu 1. auch für den Zeitraum nach der entsprechenden Änderung des Gesellschaftsvertrags (b).

a) Der ursprünglich vorliegende Arbeitsvertrag sieht eine klare Weisungsbefugnis der Beigeladenen zu 1. gegenüber ihrem Angestellten, dem Kläger, vor. So ist beispielsweise ausdrücklich die Befugnis zu seiner Umsetzung geregelt (§ 1, 1.2). Ihm wurde Prokura erteilt, zugleich ist jedoch die Berichtspflicht an M. D., die Alleingeschäftsführerin, geregelt (1.3). Der Kläger wird als "leitender Angestellter" bezeichnet (1.4). Hinsichtlich der Arbeitszeit (§ 2) behält sich die Firma vor, die Zeit der Arbeitsleistung näher zu bestimmen (§ 2, 1.2). Eine Kündigung (§ 11) und Freistellung (§ 12) des Klägers sind ausdrücklich geregelt. Diese vertraglichen Regelungen sind maßgeblich. Die Einschätzungen im Fragebogens zum Statusfeststellungsantrag (z.B. Weisungsabhängigkeit bejaht), die teilweise nicht mit dem späteren Vorbringen (keine Vorgaben bzgl. Arbeitszeit und Arbeitsort) übereinstimmen, sind demgegenüber als Wertungen nicht so entscheidend. Die vertraglich vorgesehene Berichtspflicht des Klägers gegenüber der Geschäftsführerin spricht jedenfalls für eine klar geregelte Hierarchie, also eine Unterordnung des Klägers gegenüber der Geschäftsführerin und Mehrheitsgesellschafterin.

Der Kläger konnte nach Aufnahme seiner Tätigkeit als mitarbeitender Gesellschafter Weisungen durch die Gesellschafterin und die Gesellschaft gegen sich nicht hindern. Er verfügte bis 24.07.2012 weder über die Mehrheit der Gesellschaftsanteile (nur 30%) noch über eine sogenannte Sperrminorität (Mehrheitsabstimmung) oder über Sonderrechte zur Herbeiführung oder Verhinderung von Gesellschafterbeschlüssen. Die Unternehmensleitung lag auch nicht faktisch in seinen Händen. Ein Beleg hierfür ist auch die handschriftlich dem Anstellungsvertrag hinzugefügte Regelung, dass "die Unternehmensleitung in Person Frau D." über eine Beteiligung des Klägers am Überschuss befindet (vgl. Bl. 17 unten und Bl. 18 oben VA).

b) Durch die Änderung des Gesellschaftsvertrags wurde die Stellung des Klägers als Gesellschafter der Beigeladenen zu 1. ab 24.07.2012 zwar gestärkt. Eine Beschlussfassung der Gesellschaft gegen seinen Willen ist nach Änderung der erforderlichen Stimmenmehrheit von ¾ der Stimmen nicht mehr möglich. Nicht ausgeschlossen ist hierdurch aber die Erteilung von Weisungen der Geschäftsführerin an ihn als Prokuristen und Mitarbeiter. Die Führung der Mitarbeiter ist als Aufgabe der laufenden Verwaltung regelmäßig Aufgabe des Geschäftsführers. Auch innerhalb der Beigeladenen zu 1. gilt dies mangels anderweitiger Regelung.

Eine maßgebliche Rechtsmacht im Unternehmen erlangte der Kläger nicht. Sein "Anstellungsvertrag" aber auch der "Prokuristenvertrag" (vgl. Bl. 66 ff. VA), der erst ab seinem Abschluss die (sozial)rechtlichen Verhältnisse maßgeblich bestimmen konnte (14.08.2012), führen auch in Kombination mit der Sperrminorität innerhalb der Gesellschaft nicht dazu, dass er Weisungen der Alleingeschäftsführerin hindern oder aufgrund seiner Gesellschafterstellung abschwächen konnte. Insbesondere hatte der Kläger nicht die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts als wesentliches Indiz zu wertende Möglichkeit, seine eigene Entlassung zu verhindern.

Die vertragliche Regelung in § 1 Nr. 2 "Der Prokurist führt die Geschäfte und vertritt die Gesellschaft nach Maßgabe der Vorschriften des Gesellschaftsvertrags der Gesellschaft und den Bestimmungen der Gesellschafter und Geschäftsführer. Der Prokurist ist weisungsunabhängig." belegt seine Weisungsunabhängigkeit gegenüber der Geschäftsführerin gerade nicht. Vielmehr hat er neben den Maßgaben der Gesellschaft - die er freilich mitbestimmt - und denjenigen der Geschäftsführerin zu entsprechen. Dass er für einen bestimmten Bereich des Unternehmens (Kundenbindung, Vertrieb, PR, Kooperationen, Personalmanagement) verantwortlich ist, besagt nichts über die Qualifikation seiner Tätigkeit als selbständige Tätigkeit oder abhängige Beschäftigung. Insoweit besteht kein Unterschied zum ursprünglich geschlossenen Arbeitsvertrag, in dem der Kläger ausdrücklich als leitender Angestellter qualifiziert wurde. Der Kläger weiterhin bedarf der Zustimmung für Geschäfte außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs (§ 2). Die Regelung zu seinen Bezügen ist - abgesehen von der Erhöhung der Entlohnung - unverändert, ebenso die Regelung zum Urlaub. Seine Kündigung und Freistellung sind nach § 9 unverändert weiterhin vorgesehen. Eine Kündigung ist mit einer Frist von einem Monat zum Ende des Kalendermonats möglich. Die Kündigung des Vertrags zwischen der Beigeladenen zu 1. und dem Kläger durch die personalverantwortliche Geschäftsführerin ist damit vorgesehen. Dem steht auch die Regelung in § 10 Abs. 2 des Vertrags, wonach Änderungen oder Ergänzungen des Vertrags einer Beschlussfassung der Gesellschaft mit der erforderlichen Mehrheit bedürfen, nicht entgegen. Für die Kündigung fehlt es gerade an einer entsprechenden Regelung. Die Kündigung ist auch weder eine Änderung noch eine Ergänzung des Vertrags. Eine Beschränkung der Personalführungsbefugnisse ist auch dem Geschäftsführervertrag der Frau M. D. nicht zu entnehmen (vgl. Bl. 27 ff. LSG-Akte). Aus den gesellschaftsrechtlichen und vertraglichen Regelungen innerhalb der Beigeladenen zu 1. ist nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger seine eigene Kündigung als Prokurist rechtlich hätte verhindern können. Damit bleibt auch nach Änderung der Abstimmungsverhältnisse innerhalb der Gesellschaft eine Unterordnung des Prokuristen unter die Geschäftsführerin bestehen. Die am 24.07.2012 vorgenommene Änderung des Gesellschaftsvertrags führte damit nicht dazu, dass die Geschäftsführerin ihre Berechtigung, "Maßgaben" festzulegen, verlieren würde oder dass sie gesellschaftsrechtlich zugunsten des Klägers überlagert worden wäre.

Der Kläger hat freilich hinsichtlich des Jahresabschlusses und der Gewinnverwendung der Beigeladenen zu 1. nach § 8 des Gesellschaftsvertrags mitzuwirken. Diese Position führt allerdings noch nicht zu einer ausreichend starken positiven Gestaltungsmacht im Unternehmen. Sein mittelbarer Einfluss als Minderheitsgesellschafter ist auch nicht so stark, dass die Mehrheitsgesellschafterin und Geschäftsführerin zwingend auf seine Interessen Rücksicht nehmen müsste und daher von einer gesellschaftsrechtlichen Überlagerung der alltäglichen Weisungsbefugnis ausgegangen werden könnte. Insbesondere behält die Geschäftsführerin die Leitungsbefugnisse und die Kündigungsmöglichkeit.

Es ist schließlich nichts dafür ersichtlich, dass ihr Weisungsrecht faktisch überlagert wäre. Ein faktisches Dominieren der Gesellschaft durch den Kläger als Minderheitsgesellschafter ist nicht behauptet und angesichts der rechtlich starken Stellung der Mehrheitsgesellschafterin und Geschäftsführerin auch fernliegend.

Der Kläger hat der Beigeladenen zu 1. ein Darlehen über 10.000 EUR gewährt. Dieser Kapitaleinsatz spricht zwar für ein Interesse am Unternehmen. Es führt allerdings nicht automatisch dazu, dass er aufgrund eines solchen Kapitaleinsatzes nicht nur als Darlehensgeber, sondern sogar als Mitunternehmer anzusehen wäre. Das Risiko eines Darlehensgebers wird durch Sicherheiten gemindert und durch Zinsen abgegolten. Der Kläger verschaffte sich durch seinen Kapitaleinsatz als Darlehensgeber keine größeren Gestaltungsfreiräume. Ein maßgebliches Unternehmerrisiko ging der Kläger beim Einsatz seiner Arbeitskraft nicht ein. Die beiden "Prokuristenverträge" enthalten arbeitnehmertypische Regelungen wie die Zahlung eines festen Monatsgehalts, Reisekostenerstattung und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Zudem wurde - wie bei Antragstellung angegeben - vom Gehalt Lohnsteuer abgeführt und es wurde auch (steuerrechtlich) als Betriebsausgabe der Beigeladenen zu 1. geltend gemacht. Provisionszahlungen für die vom Kläger durch seine Akquisetätigkeit als Marketingleiter verschafften Aufträge sprechen nicht für eine Stellung als Mitunternehmer, sondern stellen sich als Bestandteil der leistungsabhängigen Vergütung eines leitenden Angestellten dar.

Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung kommt den für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Indizien (auch ab 24.07.2012) größeres Gewicht zu. Die mittelbare Rechtsmacht des Klägers im Unternehmen hatte sich zu keinem Zeitpunkt so verfestigt, dass er rechtlich gegenüber der Geschäftsführerin gleichrangig agieren konnte und als Mitunternehmer anzusehen wäre. Diesem Ergebnis der Prüfung der Rechtsmacht im Unternehmen steht es auch nicht entgegen, dass das Organigramm der Beigeladenen zu 1. den Kläger und die Geschäftsführerinnebeneinander auf der Ebene der Geschäftsleitung ansiedelt. Der Kläger konnte jedenfalls rechtlich zu keinem Zeitpunkt Weisungen der Geschäftsführerin hindern oder abschwächen und musste in letzter Konsequenz auch als Mitgesellschafter mit Sperrminorität seine Kündigung fürchten, wenn er sich nicht nach deren Weisungen gerichtet hätte.

Die Feststellung der Versicherungspflicht zu allen Zweigen der Sozialversicherung folgt aus der Einordnung der Tätigkeit als abhängige Beschäftigung im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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