L 8 U 3304/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 561/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 3304/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 18.06.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob eine beidseitige Gonarthrose des Klägers als Wie-Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) festzustellen ist.

Der 1950 geborene Kläger ist gelernter Maler und Stuckateur. Diesen Beruf übte er eigenen Angaben zufolge in Italien aus und nach seiner Wohnsitznahme in Deutschland 1970 war er abgesehen von Unterbrechungen als Chemiewerker in den Zeiträumen vom Juli 1970 bis Juni 1972, Juli 1974 bis Juni 1978 und Februar 1980 bis Juli 1980 auch weiter in diesem Beruf tätig (Bl. 100 der Beklagten-Akte Nr. 1 B 2004/07988-7 (BK-Akte Meniskus)). Mit Bescheid vom 08.01.2002 der damaligen Landesversicherungsanstalt Schwaben wurde ihm ab 01.04.2000 Rente wegen Berufsunfähigkeit gewährt (Bl. 10 der BK-Akte Meniskus). Ab Mai 2004 war der Kläger nur noch 4 Stunden täglich beschäftigt (TAD-Bericht vom 24.01.2005, Bl. 100ff BK-Akte Meniskus).

Beim Kläger wurde arthroskopisch am 14.05.1996 eine Teilresektion des Innenmeniskus rechts vorgenommen (OP-Bericht vom 14.05.1996 von Dr. E. , histologischer Befund von Prof. Dr. B. vom 20.05.1996, Bl. 35 und 36 der BK-Akte Meniskus). Der Operateur Dr. E. diagnostizierte im Mai 1996 deutliche degenerative Veränderungen des Meniskus rechts (sachverständige Zeugenaussagen von Dr. E. vom 08.10.2001, 26.11.2001 und 10.12.2001 vor dem Sozialgericht Mannheim (SG) im Verfahren S 3 U 1569/01). Aktenkundig wurden weitere arthroskopische Eingriffe am 01.12.1999, 16.01.2002 und 08.01.2003 mit Knorpelglättung und Innenmeniskus-Hinterhorn-Resektionen bzw. Resektion des Innenmeniskus im mittleren Bereich für das linke Kniegelenk (OP-Berichte von Dr. E. von 1999, 2002 und 2003, Bl. 172, 170,169 der BK-Akte Meniskus).

Der Kläger machte am 21.09.2000 bei der damaligen Südwestlichen Bau-Berufsgenossenschaft, eine Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden nur noch Beklagte), einen Wegeunfall am 30.04.1996 mit Verletzung des rechten Kniegelenks geltend. Im eingeleiteten Feststellungsverfahren holte die Beklagte den Krankheitsbericht von Dr. E. vom 30.10.2000 ein, der deutliche degenerative Veränderungen im Bereich beider Kniegelenke angab (Bl. 16 der Beklagten-Akte Nr. R 3 1 U 2000/308229 ( Unfallakte)). Mit Bescheid vom 16.01.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.06.2001 lehnte die Beklagte die Feststellung eines Arbeitsunfalles ab (Bl. 24ff und 57ff der Unfallakte). Die hiergegen vor dem SG erhobene Klage S 3 U 1569/01 nahm der Kläger zurück (Sitzungsniederschrift vom 07.04.2005).

Am 30.03.2004 machte der Kläger generell Berufskrankheiten (BKen) nach den "Nrn. 210 ..." der Berufskrankheitenverordnung (BKV) bei der Beklagten geltend.

Die Feststellung bandscheibenbedingter Erkrankungen der Lendenwirbelsäule als BK Nr. 2108 wurde abgelehnt (Bescheid vom 17.02.2005, Widerspruchsbescheid vom 18.11.2005). Klage und Berufung hiergegen blieben erfolglos (Urteil des SG vom 10.10.2008 – S 2 U 2548/05 –, Urteil des Senats vom 15.04.2011 – L 8 U 5737/08 –).

Ebenso lehnte die Beklagte die Feststellung einer BK Nr. 2102 (Meniskusschäden nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten) mit Bescheid vom 08.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.08.2006 ab (Bl. 186ff und 252b-d der BK-Akte Meniskus). Eine überdurchschnittliche meniskusschädigende Kniegelenksbelastung habe nicht vorgelegen. Die beidseitigen Meniskusschäden seien auf eine vom Knien unabhängige schicksalhafte Degeneration zurückzuführen. Die Entscheidung der Beklagten war gestützt auf die Beurteilung der meniskusbelastenden Tätigkeiten des Klägers durch den Technischen Aufsichtsbeamten Diplom-Ingenieur H. aufgrund des Gesprächsprotokolls vom 20.01.2005 (Bl. 104f der BK-Akte Meniskus) und die eingeholten ärztlichen Befunde von Dr. E. und Prof. Dr. B. , die von Beratungsarzt Dr. F. ausgewertet worden waren (beratungsärztliche Stellungnahme vom 04.02.2005, Bl. 112 der BK-Akte Meniskus). In der zunächst als Untätigkeitsklage am 02.09.2005 erhobene Klage vor dem SG (S 7 U 2630/05) wurde das orthopädische Gutachten von Dr. W. vom 27.03.2006 eingeholt, der u.a. unter Auswertung der Operationsbefunde von 1999, 2002 und 2003 davon ausging, dass die Meniskusschäden des Klägers degenerativer und nicht belastungsbedingter Natur seien. Bereits 1996 habe ein ausgeprägter Meniskusschaden links operativ behandelt werden müssen, obgleich nach Einschätzung von Diplom-Ingenieur H. eine meniskusschädigende Tätigkeit mit Regelmäßigkeit erst ab 1988 bei der Firma S. und auch dort nur im Umfang von ca. 14 % der Arbeitsschicht ausgeübt worden sei. Die beidseitige Kniegelenkarthrose habe sich als Folge der degenerativen Meniskusschädigung eingestellt. Am 16.01.2008 nahm der Kläger die Klage zurück (Sitzungsniederschrift vom 16.01.2008).

Aufgrund des klägerischen Antrages vom 30.03.2004 trat die Beklagter auch in ein Feststellungsverfahren zur Überprüfung einer Wie-Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII wegen der beidseitig diagnostizierten Gonarthrose ein. Sie zog weitere medizinische Unterlagen bei, u.a. den Bericht über die Magnetresonanztomographie des linken Kniegelenkes am 12.11.2002 (Befundbericht von Dr. Da. , Radiologische Gemeinschaftspraxis, vom 12.11.2002, Bl. 55 der Verwaltungsakte der Beklagten Nr. 1. B. 2004/06812-5 (BK-Akte Gonarthrose )). Mit Bescheid vom 12.01.2005 lehnte die Beklagte die Feststellung einer Berufskrankheit und einer Wie- Berufskrankheit ab (Bl. 82ff der BK-Akte Gonarthrose). Die Gonarthrose gehöre nicht zu den Listenerkrankungen der BKV. Auch die Voraussetzungen für eine Wie-Berufskrankheit lägen nicht vor. Es gebe keine neuen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft darüber, dass bestimmte Personengruppen in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung an Gonarthrose erkrankten. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 17.08.2005 zurückgewiesen (Bl. 97ff der BK-Akte Gonarthrose). Gegen diese Bescheide wurde vor dem SG auch unter dem Aktenzeichen S 7 U 2630/05 Klage erhoben, die insoweit abgetrennt und unter dem Aktenzeichen S 6 U 2431/06 weitergeführt wurde (Trennungsbeschluss vom 02.08.2006). Mit Beschluss vom 22.08.2006 wurde das Ruhen des Verfahrens angeordnet.

Die Beklagte stellte weitere Ermittlungen an und veranlasst die arbeitstechnische Stellungnahme von Diplom-Ingenieur S. vom 04.03.2008 (Bl. 239 der BK-Akte Gonarthrose). Danach ergebe sich für die Beschäftigungszeiten ab Juni 1972 bis März 2004 ein Wert von 6959 Stunden für Tätigkeiten im Knien, die erforderliche Summe der Kniestunden von 13.000 werde damit nicht erreicht. Die Gewerbeärztin J. führte in ihrer gewerbeärztlichen Stellungnahme vom 12.07.2007 aus, eine BK werde nicht zur Anerkennung vorgeschlagen (Bl. 230 der BK-Akte Gonarthrose). Mit Bescheid vom 05.03.2008 lehnte die Beklagte erneut eine BK und eine Wie-BK ab. Der ärztliche Sachverständigenbeirat habe zwischenzeitlich empfohlen, die Gonarthrose in die Anlage zur BKV aufzunehmen. Nach der wissenschaftlichen Begründung müssten eine kumulative Einwirkungsdauer von mindestens 13.000 Stunden und eine Mindesteinwirkungsdauer von insgesamt 1 Stunde pro Schicht erfüllt sein. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Der Bescheid enthielt die Rechtsbehelfsbelehrung, dass er im Rahmen des anhängigen Klageverfahrens als mitangefochten gelte.

Am 12.02.2010 wurde das ruhende Verfahren vor dem SG durch den Kläger wieder angerufen und unter dem Aktenzeichen S 1 U 561/10 fortgesetzt.

Das Sozialgericht zog Unterlagen vom Rentenversicherer bei, darunter das Gutachten von Dr. T. vom 23.06.2000 und die ärztliche Bescheinigung von Dr. E. vom 08.06.2000 und hörte den Kläger in nichtöffentlicher Sitzung am 24.01.2011 zu den Arbeitsbedingungen an (Niederschrift vom 24.01.2011).

Die Beklagte legte die Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition von Diplom-Ingenieur S. vom 24.08.2010 vor, wonach aufgrund neuer Studien die Kniebelastung der Maler und Tapezierer höher einzustufen sei. Für den Kläger ergebe sich bei einer Neuberechnung eine Belastung von 15.030 Kniestunden. Nicht berücksichtigt worden sei hierbei die sich aus den Akten ergebenden Arbeitseinschränkungen durch Erkrankungszeiten und Minderbelastungszeiten durch Kniegelenkserkrankungen.

Das SG holte von Amts wegen das unfallchirurgisch-orthopädische Gutachten vom 25.11.2011 ein. Darin kam der Sachverständige Dr. D. zu dem Ergebnis, dass die beidseitige Gonarthrose des Klägers als Wie-Berufskrankheit anzuerkennen sei, wenn man der vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung herausgegebenen Bekanntmachung folge. Den Röntgenaufnahmen vom Mai 1996 sei außer eines diskret verschmälerten inneren Kniegelenksspalts ein unauffälliges Kniegelenk rechts zu entnehmen. Die Röntgenaufnahmen vom 02.06.2000 beider Kniegelenke ergäben eine zunehmende Verschmälerung des medialen Kniegelenksspalts rechts, wie auch die nachfolgenden Kernspintomographien der Kniegelenke eine zunehmende Kniegelenksarthrose links und rechts belegten.

In der von der Beklagten vorgelegten beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. T. vom 24.02.2012 wurde ausgeführt, Dr. D. habe sich nicht kritisch mit den radiologischen, arthroskopischen und klinischen Befunden auseinandergesetzt. Nach den erstmals aufgetretenen Kniegelenksbeschwerden 1996 sei es in der Folge zu einer fortschreitenden Höhenminderung der medialen Tibiofemoral- und der lateralen Femoropatellar-Gelenkspalte gekommen, nennenswerte osteophytäre Ausziehungen seien jedoch nicht auszumachen gewesen. Auf den von Dr. D. gefertigten Bildern ergebe sich nicht das geforderte radiomorphologische Schadensbild im Ausprägungsgrad 2-4 der Kellgren-Klassifikation. Die Bedeutung der medialen Meniskopathie bzw. der Folgen der zu ihrer Behandlung erforderlich gewordenen operativen Interventionen als Ursache für die Knorpelschäden mit der daraus resultierenden Höhenminderung sei ebenfalls nicht berücksichtigt worden.

Das vom SG erneut von Amts wegen in Auftrag gegebene Gutachten von Dr. P. vom 09.10.2012 wurde aus der Gerichtsakte entfernt, nachdem dem Befangenheitsantrag des Klägers gegen den Sachverständigen mit Beschluss vom 23.12.2013 stattgegeben worden war.

Mit Urteil vom 18.06.2014 wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, die dokumentierte Übergewichtigkeit des Klägers zusammen mit den weichteiligen Kniebinnenverletzungen, die insgesamt vier Arthroskopien erforderlich gemacht hätten, habe die mit der beruflichen Tätigkeit verbundene Kniebelastung in den Hintergrund gedrängt. Die Anerkennung der BK Gonarthrose scheide in der Regel aus, wenn aufgrund eines Zustands nach außerberuflich bedingter Meniskusentfernung ein stark erhöhtes Gonarthroserisiko und damit ein konkurrierender Faktor vorhanden sei. Dies entspreche auch dem Gutachten von Dr. W ... Zu Recht habe auch Dr. T. darauf aufmerksam gemacht, dass entgegen Dr. D. den beruflichen Kniegelenksbelastungen außerberufliche konkurrierende Faktoren gegenüberstünden. Zudem habe Dr. E. im Rahmen der Arthroskopie 1996 eine Gonarthrose Stadium 3-4 beschrieben. Mithin hätten erhebliche degenerative Kniegelenksveränderungen bereits vor Erreichen der arbeitstechnischen Voraussetzungen von 13.000 Kniestunden vorgelegen.

Gegen das dem Kläger am 07.07.2014 zugestellte Urteil hat er am 06.08.2014 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, die 1996 von Dr. E. diagnostizierte Gonarthrose Stadium III-IV rechts und die später diagnostizierten Kniegelenksveränderungen sprächen im Grunde für die Annahme, dass die Meniskusdegeneration im Zuge einer fortgeschrittenen Gonarthrose aufgetreten sei. Das SG habe den Begriff Krankheit und Versicherungsfall offensichtlich synonym gebraucht und daher fälschlicherweise die im Anfangsstadium 1996 diagnostizierte Gonarthrose bereits als Berufskrankheit bewertet. Bis 1999 habe er beschwerdefrei arbeiten können, erst nach Erreichen der kumulativen Gesamtbelastung von 13.000 Stunden sei dann das Berufskrankheitenstadium eingetreten. Außerdem hätte sich eine schicksalhafte und anlagebedingte Erkrankung auch darin zeigen müssen, dass nicht nur die Kniegelenke, sondern auch andere Gelenke des Körpers von Arthrose betroffen sind. Dr. D. habe unter Bezugnahme auf die von ihm als Arbeit Nr.3 zitierte Studie eine Berufskrankheit bejaht, da keine konkurrierenden Faktoren gesichert seien.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 18.06.2014 und den Bescheid des Beklagten vom 12.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.08.2005 sowie den Bescheid vom 05.03.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, gonarthrotische Veränderungen im Bereich beider Kniegelenke als Wie-Berufskrankheit festzustellen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verweist darauf, dass Dr. E. beim Kläger 1996 nach Klägervorbringen arthroskopisch eine Kniegelenksarthrose Stadium III-IV festgestellt habe und vom Kläger weiter unter Bezugnahme auf die Auffassung des Beratungsarztes Dr. F. ausgeführt werde, dass die Meniskusschäden Folgen einer fortgeschrittenen Gonarthrose seien, die bereits vor der operativen Maßnahme 1996 vorgelegen habe. Hierin liege ein argumentativer Widerspruch, denn ein arthroskopisch angegangener Kniegelenkschaden mit Meniskusteilresektion und Knorpelglättung könne schwerlich einer Gonarthrose im Frühstadium zugerechnet werden. Außerdem habe es sich insoweit lediglich um eine Hilfsbegründung des SG gehandelt. Die Gonarthrose sei der schicksalhaft entstandenen Meniskopathie als Folgeschaden zuzurechnen und nicht belastungsbedingt.

Mit richterlicher Verfügung vom 31.03.2015 sind die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG (SGG) hingewiesen worden.

Der Kläger hat sich über seine Bevollmächtigten mit Schriftsätzen vom 12.05.2015, 08.06.2015 und 10.06.2015 gegen eine Entscheidung durch Beschluss ausgesprochen.

Der Senat hat die Verwaltungsakten der Beklagten (Unfallakte, 2 Bände BK-Akte Meniskus und BK-Akte Gonarthrose) sowie die Akte des Sozialgerichts einschließlich der Vorakte S 1 U 2431/06 und die Akten der Nebenverfahren S 3 U 1569/01, S 7 U 2630/05 und S 2 U 2548/05 beigezogen und zum Verfahrensgegenstand gemacht. Auf diese Unterlagen und die vor dem Senat angefallene Berufungsakte wird wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen.

II.

Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann der Senat nach vorheriger Anhörung der Beteiligten die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten sind mit richterlicher Verfügung vom 31.03.2015 - wiederholend mit Verfügung vom 13.05.2015 - auf die in Betracht kommende Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG sowie deren Voraussetzungen hingewiesen worden und haben Gelegenheit erhalten, zur Sache und zum beabsichtigen Verfahren Stellung zu nehmen. Die Schreiben des Klägerbevollmächtigten vom 12.05.2015, 08.06.2015 und 10.06.2015 gaben keinen Anhalt für die Notwendigkeit, von der angekündigten Verfahrensweise abzusehen. In den Schreiben wird lediglich bisheriges Vorbringen wiederholt bzw. vertieft.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthaft und nach § 151 SGG zulässig, jedoch in vollem Umfang unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung der geltend gemachten Wie-BK. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Das angefochtene klageabweisende Urteil des SG ist nicht zu beanstanden.

Streitgegenstand ist allein die Feststellung der Wie-BK wegen einer Gonarthrose, was der Kläger zuletzt vor dem SG in der mündlichen Verhandlung und auch mit seiner Berufungsschrift beantragt hat. Zwar ist im Entscheidungssatz der Bescheide vom 12.01.2005 und 05.03.2008 auch die Feststellung einer unbezifferten Listenerkrankung abgelehnt worden, doch ist dies nach dem Erklärungsgehalt der Bescheide lediglich die Hervorhebung des Tatbestandsmerkmals einer Wie-Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII, wonach dieser Versicherungsfall nur festgestellt werden kann für Erkrankungen, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet sind.

Auch lässt der Senat dahinstehen, ob der Bescheid vom 05.03.2008 als Verwaltungsakt zu qualifizieren ist, denn er wiederholt lediglich die bereits mit Bescheid vom 12.01.2005 getroffene Entscheidung nach nochmaliger Würdigung des medizinischen Sachverhalts; dazuhin ohne dass eine Sachverhaltsänderung eingetreten wäre, denn die beabsichtigte und dann auch am 01.10.2005 erfolgte Bekanntgabe der BK-Empfehlung des ärztlichen Sachverständigenbeirats (BArBl. 10/2005) hätte bei Erlass des Widerspruchsbescheids vom 17.08.2005 bekannt sein müssen. Eine Ersetzung oder Abänderung des vorausgegangenen Bescheids vom 12.01.2005 wird nicht ausgesprochen. Soweit es sich bei dem Bescheid vom 05.03.2008 nur um eine wiederholende Verfügung ohne Regelungsgehalt handeln sollte, ist eine deklaratorische, der Rechtssicherheit dienende Berücksichtigung im Berufungsantrag zweckdienlich. Die nur nach seiner äußeren Gestaltung als Bescheid den Rechtsschein eines Verwaltungsakts tragende Äußerung vom 05.03.2008 teilt insoweit nur das Schicksal des allein anfechtbaren Verwaltungsakt vom 12.01.2005. Wird dagegen von einem Ersetzungsbescheid im Sinne des § 96 SGG ausgegangen, liegen auch insoweit die weiteren prozessualen Voraussetzungen für die Entscheidung des Senats durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG vor.

Die mit Änderungsverordnung vom 11.06.2009 in die Anlage 1 der BKV eingeführte BK 2112 lautet: Gonarthrose durch eine Tätigkeit im Knien oder vergleichbare Kniebelastung mit einer kumulativen Einwirkungsdauer während des Arbeitslebens von mindestens 13.000 Stunden und einer Mindesteinwirkungsdauer von insgesamt 1 Stunde pro Schicht. Nach § 6 Abs. 2 S. 1 BKV sind Erkrankungen der BK 2112, an der der Versicherte 01.07.2009 leidet, auf Antrag als Berufskrankheit anzuerkennen, wenn der Versicherungsfall nach dem 30.09.2002 eingetreten ist. Diese Regelung zur Rückwirkung ist zugleich Ausschlussklausel für die Feststellung einer BK aufgrund früher eingetretener Erkrankung.

Ist dagegen bereits ein Antrag nach § 9 Abs. 2 SGB VII vor dem Stichtag gestellt worden und der Versicherungsfall gegebenenfalls vor dem Stichtag eingetreten, ist zwar keine BK-Feststellung nach der entsprechenden Nummer der Anlage zur BKV mehr zu treffen, aber eine Feststellung als Wie-BK ist damit nicht ausgeschlossen. Dies gilt auch für alle vor Inkrafttreten der Änderungsverordnung eingeleiteten Verfahren (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.2006 - B 2 U 5/05 R - SozR 4-5671 § 6 Nr. 20 = BSGE 96, 297; Urteil vom 02.12.2008 – B2 KN 1/08 U R – SozR 4-2700 § 9 Nr. 12 = BSGE 102, 121).

Vorliegend war das Verwaltungsverfahren zur Feststellung einer Wie-BK mit Antrag vom März 2004 eingeleitet worden. Unabhängig von den divergierenden Beurteilungen einer Gonarthrose mindestens im Stadium Kellgren II (Stadium 2: Geringe/mögliche Gelenkspaltverschmälerung, beginnende Osteophytenbildung; Stadium 3: deutliche Gelenkspaltverschmälerung ausgeprägte/multiple Osteophytenbildung, Sklerose, beginnende Verformung, vgl. Schiltenwolf/Grosser/Thomann, Berufskrankheit Gonarthrose (BK 2112), 2012, Seite 225) ist ein solcher Befund jedenfalls durch den ärztlichen Befundschein von Dr. E. vom 08.06.2000 mit Beschreibung einer ausgeprägten Gonarthrose beidseits gesichert, was durch den Röntgenbefund von Dr. T. in seinem Gutachten für die Rentenversicherungsträger vom 23.06.2000 mit Kniegelenkspaltverschmälerung um 1/3 und arthrotischer Randwulstbildung für das rechte Kniegelenk und dem MRT vom 12.11.2002 durch Dr. Da. , der im linken Kniegelenk eine deutliche Verschmälerung des Gelenksspaltes und Varusgonarthrose mit osteophytären Randanbauten und leichten subchondralen Irregularitäten der Gelenksflächen diagnostizierte, bestätigt worden ist. Diese Befunde führten jeweils zur Knorpelglättung am 16.01.2002 rechts und 08.01.2003 links. Bereits am 01.12.1999 wurde am linken Knie eine Knorpelglättung durchgeführt, was eine wegen Gonarthrose induzierte Behandlungsmaßnahme darstellte, wie auch der Kläger mit Schriftsatz vom 12.05.2015 im Ergebnis einräumt. Behandlungsbedürftige Beschwerden einer Gonarthrose nach Kellgren-Stadium I sind nach Rechtsprechung des Senats (vgl. Senatsurteil vom 28.02.2004 – L 8U 5339/12 –, juris, www.sozialgerichtsbarkeit.de) ausreichend zur Feststellung des Versicherungsfalls "Gonarthrose", da der Tatbestand der BK 2112 einen besonderen Ausprägungsgrad der Arthrose nicht vorsieht. Behandlungsbedürftige, durch Gonarthrose bedingte Beschwerden lagen somit jedenfalls für beide Knie vor dem Stichtag 30.09.2002 vor.

Soweit die arbeitstechnischen und medizinischen Voraussetzungen einer berufsbedingten Gonarthrose vorliegen, wäre mit Eintritt der BK-Reife die letzte Voraussetzung des Versicherungsfalls einer Wie-BK jedenfalls ab Oktober 2005 gegeben gewesen. Nach ständiger Rechtsprechung ist die BK-Reife, d.h. das Vorliegen neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse für die Feststellungsfähigkeit einer Gesundheitsstörung als BK, spätestens mit dem Zeitpunkt der Veröffentlichung der BK-Empfehlung des Sachverständigenbeirats anzunehmen (BSGE, Urteil vom 13.02.2013 – B 2 U 5/05 R –, juris, SozR 4-5671 § 6 Nr. 2). Die insoweit gesetzlich erlangte Rechtsposition wäre durch die Rückwirkungsklausel des Verordnungsgebers nicht mehr zu beseitigen.

Das SG hat im angefochtenen Urteil die rechtlichen Voraussetzung einer als Wie-BK zu prüfenden Gonarthrose insoweit umfassend und zutreffend dargelegt und unter Berücksichtigung der Rechtsanwendungsgrundsätze rechtlich zutreffend dargelegt, dass eine Wie–BK nicht festzustellen ist. Der Senat verweist insoweit auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil (§ 153 Abs. 2 SGG), die er sich zu eigen macht.

Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung.

Sowohl Dr. W. in seinem Gutachten vom 27.03.2006 wie auch und Dr. T. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 24.02.2012 haben überzeugend ausgeführt, dass die beidseitig Kniegelenksarthrose nach Verlauf und Lokalisation Folge der degenerativen Meniskopathie beider Kniegelenke ist. Dr. T. hat in Übereinstimmung mit der unfallmedizinischen Literatur, die das SG im angefochtenen Urteil zitiert hat, ausgeführt, dass die infolge der Meniskusschäden erforderlich gewordenen arthroskopischen Eingriffe mit Resektion der Menisken ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Gonarthrose darstellen, das sich beim Kläger auch tatsächlich verwirklicht hat. Hierbei ist dem Gutachten von Dr. W. wie auch der Bewertung von Dr. T. überzeugend zu entnehmen, dass 1996 bereits ein deutlicher degenerativer Schaden am Innenmeniskus rechts vorgelegen hatte, eine belangvolle arthrotische Veränderung des Kniebinnengelenkes jedoch noch nicht gegeben war. Gonarthrotische Veränderungen im Stadium Kellgren II sind, wie oben dargelegt, erst ab 1999 (arthroskopische Korpelglättung am linken Knie am 01.12.1999) bzw. 2000 belegt. Eine Progression der Arthrose in beiden Kniegelenken ist in den Folgejahren nach den Eingriffen 2002 und 2003 festzustellen, was mit der von Dr. W. und Dr. T. dargelegten Ursachenkette von Meniskusschaden über operativen Eingriff zur Arthrose zu vereinbaren ist. Eine anlagebedingte Gonarthrose, in dem Sinne wie der Kläger unter Hinweis, dass dann eine Ausbreitung im Bereich anderer Gelenke zu erwarten wäre, meint, ist damit nicht Voraussetzung der als berufsfremd angenommenen Ursache. Letztlich ergibt sich dies auch aus den Darlegungen von Dr. D. in seinem Gutachten vom 25.11.2011, der in seiner Befundbeschreibung die von ihm ausgewerteten Röntgenaufnahmen von 1996 hinsichtlich arthrotischer Veränderungen als unauffällig bezeichnet und die Entwicklung nach den Aufnahmen vom Juni 2000 hinsichtlich des rechten Kniegelenks als progredient beschrieben hat. Damit ist zum einen die Beurteilung von Dr. F. , der die Arthrose als Primärschaden für die Meniskuserkrankungen bewertet hat, auch nach Dr. D. nicht überzeugend. Und zum anderen ist die Bewertung von Dr. D. nicht schlüssig, dass die Gonarthrose als berufsbedingt einzuschätzen ist, weil keine Konkurrenzursachen vorliegen. Mit den von Dr. W. und Dr. T. beschriebenen Entstehungszusammenhängen hat sich Dr. D. , dem die Krankheitsgeschichte aus den ihm vorliegenden Akten auch bekannt war, nicht auseinandergesetzt. Unter diesen Voraussetzungen kommt es auch nicht darauf an, wann die Mindesteinwirkung von 13.000 Stunden kniebelastender Tätigkeit erreicht wurde. Die vom Kläger zitierte Entscheidung des Landessozialgerichts Hessen vom 18.11.2011 – L 9 U 66/07 – führt insoweit auch nicht weiter. Eine tatsächliche Vermutung aus der erreichten Mindesteinwirkungsdauer streitet nicht für eine berufsbedingte Gonarthrose, wenn medizinisch Konkurrenzursachen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit dargelegt werden können.

Darüber hinaus wäre nach der zu Gunsten des Klägers überschlägigen Berechnung von Diplom-Ingenieur S. auch bis November 1999 mit 12.320 Kniestunden (20 Jahren x 220 Tage x 8 Stunden x 0,35) die Mindesteinwirkung von 13.000 Stunden nicht erreicht. Zutreffend ist in der Stellungnahme des Technischen Aufsichtsbeamten S. vom 24.08.2010, der eine Lebensarbeitszeit bis einschließlich März 2004 mit 24,4 Jahren zugrunde legte, auch darauf verwiesen worden, dass eine weitere Reduzierung der Arbeitszeit durch Krankheitszeiten und belastungsbedingtem Vermeiden kniender Arbeitshaltung, wie sich aus den aktenkundigen medizinischen Unterlagen ergibt, angezeigt wäre. Doch selbst bei der überschlägigen Berechnung mit 12.320 Stunden ist ein wesentlicher Zusammenhang der beruflichen Belastung mit der Gonarthrose nicht überwiegend wahrscheinlich. Der Senat hat bereits entschieden, dass die mit klinischen Beschwerden aufgetretene Gonarthrose vor Erreichen der tatbestandlichen Mindesteinwirkungsdauer nicht mit hinreichendem Zusammenhang auf die berufliche Belastung zurückzuführen ist (Urteil des Senats vom 28.02.2014 – L 8 U 5339/12 –, veröffentlicht in juris, www.sozialgerichtsbarkeit.de), worauf bereits das SG im angefochtenen Urteil hingewiesen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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