L 5 R 3717/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 13 R 2130/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 3717/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 27.06.2014 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird endgültig auf 12.937,82 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beigeladene zu 1. im Zeitraum vom 01.01.2007 bis 30.09.2008 im Rahmen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses für die Klägerin tätig gewesen ist und die Klägerin dementsprechend verpflichtet ist, für den genannten Zeitraum Sozialversicherungsbeiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung sowie Umlagen U1 und U2 in Höhe von insgesamt 12.937,82 EUR nachzuzahlen.

Die Klägerin ("J.") ist die Einzelfirma des J. D ... Die Beklagte führte eine Betriebsprüfung nach § 28 p Abs. 1 SGB IV in dessen Betrieb durch (Prüfzeitraum 01.01.2007 bis 31.12.2010).

Mit Schreiben vom 01.02.2011 befragte die Beklagte die Klägerin zur Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. Hieraus ergab sich folgendes: Zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1., die zugleich die Ehefrau des J. D. ist, bestand eine Vereinbarung vom 28.09.2003 dieses Inhalts (vgl. Bl. 3 VA): 1. Die D. (Firma der Beigeladenen zu 1.) übernimmt ab 01.10.2003 für die J. D.-Unternehmensberatung den Büroservice. Dieser beinhaltet neben dem Telefondienst allgemeine Büroarbeiten. 2. Die D. stellt monatlich eine Rechnung für ihre Dienstleistung. 3. Die Dienstleistung wird bis auf Widerruf mit monatlich 1.535,00 EUR zzgl. Mehrwertsteuer berechnet. 4. Die Kündigung ist für beide Seiten binnen 3 Monaten zum Monatsende möglich.

Die Vereinbarung wurde zum 30.09.2008 aufgelöst (Bl. 4 VA).

Die Beigeladene zu 1. teilte auf die Anfrage der Beklagten zu ihrer Beschäftigung und ihrem Status auf dem Rückantwortschreiben mit (vgl. Bl. 7 VA), sie habe nichts bezüglich ihrer Statusfeststellung unternommen, da sie bereits seit 1986 ein Gewerbe angemeldet habe. Eine Betriebsnummer sei nicht vergeben worden. Sie habe keine eigenen Beschäftigten gehabt. Im Zeitraum vom 01.01.2007 bis 31.12.2010 habe sie mehrere Auftraggeber gehabt. Sie sei als freie Mitarbeiterin (Akquise) bei M., Pf. in L. von Januar 2004 bis März 2007 tätig gewesen. Für die Klägerin sei sie mit dem Telefondienst, der Faxweiterleitung etc. wöchentlich ca. 15 Stunden befasst gewesen. Dies sei vom 01.10.2003 bis 30.09.2008 der Fall gewesen. Sie sei verpflichtet gewesen, die Arbeiten persönlich auszuführen. Es sei eine flexible Arbeitszeit vereinbart gewesen. Sie habe keine eigene Betriebsstätte. Sie hätte Aufträge ablehnen können, dann hätte die J. eine Lösung finden müssen. Der allgemeine Büroservice habe die Ablage, die Besorgung von Büromaterial, Wege zum Steuerbüro, Finanzamt etc. beinhaltet. Der Telefondienst habe die Telefonannahme und Meldung an J. sowie die Faxweiterleitung beinhaltet. Als weitere von der Vereinbarung nicht erfasste und ausgeführte Aufgabe sei die Büroreinigung hinzugekommen. Sie habe tatsächlich auch monatlich eine Rechnung über 1.535,00 EUR gestellt. Vereinbarungen hinsichtlich Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaubsanspruch seien keine getroffen worden. Das Honorar sei vom Auftraggeber und ihr in Absprache festgelegt worden. Das Honorar sei als Betriebsausgabe der Klägerin gebucht worden. Weitere Bezüge habe sie nicht erhalten. Arbeitsmittel seien nicht kostenlos zur Verfügung gestellt bzw. erstattet worden. Für ihre Kfz-Kosten und Reinigungsmittel sei sie selbst aufgekommen. Nach ihrer Meinung hätte ohne ihre Mitarbeit keine andere Arbeitskraft eingestellt werden müssen. Sie habe kein Unternehmerrisiko getragen. Sie habe alle Tätigkeiten selbst bestimmen können. Einen Kapitaleinsatz habe sie nicht gehabt. Sie habe zwei Kinder. Die Krankenkassen B. und B. hätten den Status als Selbständige (nicht hauptberuflich Selbständige) mit wöchentlicher Arbeitszeit von ca. 15 Stunden jährlich geprüft.

Aus den Unterlagen der Klägerin ergibt sich eine monatliche Zahlung von 1.535 EUR an die Beigeladene zu 1., die unter "Fremdleistungen Büroservice" verbucht wurde.

Am 18.02.2011 hörte die Beklagte die Klägerin zur beabsichtigten Nachforderung von 12.937,82 EUR an (Bl. 10 VA). Nach den Ermittlungen der Beklagten seien die Kriterien, die für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung sprechen, als überwiegend zu bezeichnen. Die Beigeladene zu 1. sei als Mitarbeiterin, die innerhalb der Firma einen festen Arbeitsplatz habe und auf Betriebsmittel der Firma zurückgreife, als in den Betrieb eingegliedert anzusehen. Eine eigene Betriebsstätte gebe es nicht. Dem stehe auch nicht entgegen, dass es sich um eine Beschäftigung unter Angehörigen handele. Die Beigeladene zu 1. trete nicht unternehmerisch am freien Markt auf. Sie betreibe keine eigenständige Werbung und gebe keine eigenen Preisangebote ab. Sie habe selbst im Fragebogen eingeräumt, kein Unternehmerrisiko zu tragen. Weiter habe sie angegeben, dass sie die Tätigkeit persönlich durchführen müsse und keine Aufgaben an Dritte delegieren könne. Eine bloße Gewerbeanmeldung sei unerheblich. Die Gewerbebehörde sei nicht berechtigt, das Vorliegen der Voraussetzungen einer selbständigen Tätigkeit zu prüfen. Der Ausschluss eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses aufgrund von familienhafter Mitarbeit sei aus folgenden Gründen nicht gegeben: Der Angehörige sei in den Betrieb des Arbeitgebers wie eine fremde Arbeitskraft eingegliedert und übe die Beschäftigung auch tatsächlich aus. Der Angehörige unterliege - wenn auch in abgeschwächter Form - dem Weisungsrecht des Arbeitgebers, der Angehörige werde anstelle einer fremden Arbeitskraft beschäftigt. Es sei ein der Arbeitsleistung angemessenes Arbeitsentgelt vereinbart, das auch regelmäßig gezahlt werde, das Arbeitsentgelt werde als Betriebsausgabe gebucht. Es seien daher zu allen Sozialversicherungszweigen Beiträge zu entrichten. Der Beitragssatz zur Pflegeversicherung betrage 1,7%. Ein erhöhter Beitrag gelte für über 23-jährige kinderlose Mitglieder der sozialen Pflegeversicherung. Weiter sei beabsichtigt, die Umlage 1 und die Umlage 2 nach § 7 Aufwendungsausgleichsgesetz - AAG zu erheben. Es sei beabsichtigt, Beiträge für alle Zweige der Sozialversicherung und die Umlagen nachzuberechnen. Die Summen seien der Anlage zu entnehmen.

Mit - gleichfalls von der Beigeladenen zu 1. unterzeichnetem - Schreiben vom 14.03.2011 (Bl. 11 VA) äußerte die Klägerin, dass eine Weisungsgebundenheit der Beigeladenen zu 1. nicht bestanden habe. Frau D. sei außer für J. auch für M. L. tätig gewesen. Die Kfz-Unterhaltskosten seien ausschließlich von der D. bestritten worden, ebenso die Reinigungsmittel. Die Beigeladene zu 1. verfüge, wie aus ihrer Gewerbeanmeldung von 1986 ersichtlich sei, in der F. in B.-B. über eine Betriebsstätte. Abhängig beschäftigte Bürohilfen könnten die Tätigkeit nicht genauso ausführen wie die Beigeladene zu 1. Das Tätigkeitsverhältnis sei zwischen den Ehegatten über die beiden Unternehmen geregelt und durchgeführt worden. Ob D. am freien Markt werbend aufgetreten sei, sei nicht relevant. Bei Mund-zu-Mund-Propaganda handele es sich auch um Werbung. R. D. sei auch für P. tätig gewesen. Dies sei ein Direktvertrieb für hochwertige Kerzen (Duftkerzen etc.) und Accessoires (Kerzenhalter in verschiedenen Formen). Hierfür sei zunächst eigenes Kapital eingesetzt worden. Ob Frau D. Beschäftigte anstelle oder nicht, sei eine unternehmerische Entscheidung, die nichts dafür aussage, ob es sich um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis handele oder nicht. Die Aussage im Fragebogen beruhe darauf, dass konkret keine andere Person für Frau D. bzw. die D. tätig geworden sei. Es handle sich zusammenfassend nicht um eine abhängige Beschäftigung, vielmehr um eine selbständige Tätigkeit von R. D. mit ihrer Firma D. bei der Klägerin.

Mit als "Statusfeststellungsbescheid" bezeichnetem Bescheid vom 16.03.2011 forderte die Beklagte von der Klägerin 12.937,82 EUR nach. Der Status der Beigeladenen zu 1. sei als abhängige Beschäftigung zu werten. Eine Statusprüfung sei bislang nicht erfolgt. Sie werde im Rahmen der Betriebsprüfung für den Zeitraum vom 01.01.2007 bis 30.09.2008 durchgeführt. Die Beigeladene zu 1. sei mit allgemeinen Bürotätigkeiten in der Firma ihres Ehemannes befasst gewesen. Sie habe kein Unternehmerrisiko getragen. Für ihre Weisungsgebundenheit spreche der feste Arbeitsplatz innerhalb der Firma. Jedes Vertragsverhältnis sei überdies einzeln zu prüfen. Ob die Beigeladene zu 1. auch für weitere Auftraggeber tätig gewesen sei, könne daher nicht ins Gewicht fallen. Die Tätigkeit sei laut Aussage der Beigeladenen zu 1. persönlich durchzuführen. Eine Vertretungsmöglichkeit bestehe nicht. Dass die Bezahlung nach Schätzung des erwartenden Zeitaufwands erfolge, sei noch kein Kriterium für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit. Auch Gehaltszahlungen an abhängig Beschäftigte, die keinen vereinbarten Stundenlohn hätten, fänden zu einem monatlich gleichbleibenden Festlohn statt. Die Möglichkeit Hilfskräfte einzusetzen sei von wesentlicher Bedeutung für die Abgrenzung von Selbständigkeit und Abhängigkeit. Diese habe vorliegend nicht bestanden. Ein geringer Kapitaleinsatz z. B. für Reinigungsmittel rechtfertige die Annahme des unternehmerischen Risikos nicht. Damit bestehe die Versicherungspflicht und die Forderung. Dem Bescheid seien Anlagen beigefügt, denen sich die Aufschlüsselung der Summe von 12.937,82 EUR auf die einzelnen Versicherungszweige und die Umlagen U1 und U2 sowie auf die jeweiligen Monate Januar 2007 bis einschließlich September 2008 entnehmen lasse.

Die Klägerin erhob im Schreiben vom 18.03.2011 (Eingang 05.04.2011) Widerspruch gegen den Bescheid vom 16.03.2011 und führte (ebenso wie die Beigeladene zu 1., die das Schreiben mitunterzeichnete) aus, es liege tatsächlich eine eigene Betriebsstätte der Frau R. D. vor. Diese habe sich allein aus unternehmerischen Gründen entschieden, keine Mitarbeiter einzustellen und die Tätigkeiten selbst auszuführen. Ihre Aufwandsentschädigung von umgerechnet knapp 26,00 EUR/Stunde hätte eine vergleichbare abhängige Beschäftigte nie erzielt. Es müsse auch darauf ankommen, ob jemand mehrere Auftraggeber habe. Die Beklagte vertrete eine Sichtweise, nach der es gar keine Selbständigen gebe. Die eigenverantwortliche und ergebnisorientierte Planung und Ausführung der Tätigkeit könne kein Kriterium sein, eine Tätigkeit als selbständig oder nicht selbständig einzustufen. Der Ausfall der Einsatzbereitschaft stelle ein unternehmerisches Risiko dar. Aus diesem Grund sei auch der höhere Stundensatz gegenüber abhängig Beschäftigten gerechtfertigt. Die D. habe keine Extravergütung für den Einsatz des PKW verlangt oder erhalten. Bewusst wähle die Beklagte einen sehr eingeschränkten Zeitraum, wodurch der Eindruck entstehe, dass eine abhängige Beschäftigung konstruiert werden solle. Die Klägerin beantragte die Aussetzung der Vollziehung des Bescheids.

Am 11.04.2011 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Aussetzung der Vollziehung des Bescheids vom 16.03.2011 ab (Bl. 20 VA).

Mit Widerspruchsbescheid vom 30.05.2011 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück (Bl. 24 VA). Bei der Prüfung der fachlichen Weisungsgebundenheit der Beigeladenen zu 1. sei ihre Arbeit der Tätigkeit eines Beschäftigten in vergleichbarer beruflicher Position mit vergleichbarem Arbeitsinhalt gegenüberzustellen. Eine eingearbeitete Bürofachkraft würde die erledigten Arbeiten genauso eigenständig verrichten können. Es sei ferner nicht vorstellbar, dass die Klägerin keine Arbeitsanweisungen geben würde, wenn aus gegebenem Anlass eine Abweichung von den üblichen Abläufen notwendig wäre oder wenn die Beigeladene zu 1. die Arbeit nicht zufriedenstellend erledigt hätte. Es sei nicht ersichtlich, dass die Beigeladene zu 1. bei Erledigung ihrer Arbeit unternehmertypische fachliche Freiheiten gehabt habe. Der Arbeitsort ergebe sich zwangsläufig aus der übernommenen Aufgabe. Sie sei im Büro der Klägerin verrichtet worden. Ein Teil der Aufgaben, z. B. Telefondienst, sei darüber hinaus an übliche Betriebszeiten gebunden. Die Beigeladene zu 1. habe angegeben, zur persönlichen Arbeitsleistung verpflichtet gewesen zu sein. Die behauptete theoretische Möglichkeit der Leistungserbringung durch Dritte spreche nicht automatisch für eine selbständige Tätigkeit. Dies vor allem dann nicht, wenn die persönliche Leistungserbringung die Regel und die Leistungserbringung durch Dritte die Ausnahme sei. Eine betriebliche Eingliederung liege vor. Frau D. habe im Rahmen des Büroservice in den Büroräumlichkeiten der Klägerin gearbeitet. Es erscheine wahrscheinlich, dass Kfz-Kosten, die vorrangig ein privat genutztes Kfz betroffen hätten, bereits mit dem monatlichen Fixum abgegolten gewesen seien. Der Erwerb von Putzmitteln dürfte nur äußert geringe Aufwendungen verursacht haben. Im Übrigen bleibe offen, inwieweit Reinigungsarbeiten im Rahmen der ehelichen Unterstützung erfolgt seien oder zum Aufgabenbereich "Büroservice" gehört hätten. Aus der Höhe des Stundenlohns lasse sich kein konkreter Rückschluss auf die Selbständigkeit ziehen. Im Übrigen seien auch keine Vereinbarungen über einen Stundenlohn getroffen worden. Unternehmerische Risiken der Beigeladenen zu 1., insbesondere unternehmertypische Gestaltungsmöglichkeiten oder Freiheiten seien nicht erkennbar. Eine Tätigkeit für andere Unternehmen sei ebenfalls nicht erkennbar. Die Gewerbeanmeldung sei kein Kriterium für eine Selbständigkeit. Bei zusammenfassender Würdigung spreche deutlich mehr für eine abhängige Beschäftigung, vor allem das fehlende Unternehmerrisiko und die betriebliche Integration der Beigeladenen zu 1.

Hiergegen richtete sich am 09.06.2011 die Klage zum Sozialgericht Heilbronn. Zur Begründung führte die Klägerin unter anderem aus, dass ein Dienstvertrag im Sinne des § 611 BGB geschlossen worden sei. Von einem selbständigen Bürodienstleister werde selbstverständlich erwartet, dass die Tätigkeit beim Auftraggeber erbracht werde. Dies stelle sich aber nicht als eine Integration in eine fremde Betriebsorganisation dar. Zeitliche Vorgaben hätten nicht bestanden. Die Beigeladene zu 1. habe ein Unternehmerrisiko getragen, insbesondere ihr Firmenfahrzeug über die D. finanzieren müssen. Unzutreffend sei es auch, von einer fehlenden eigenen Betriebsstätte auszugehen. Selbstverständlich sei die Beigeladene zu 1. auch berechtigt gewesen, im Fall ihrer persönlichen Verhinderung weitere Personen für die Erbringung der zugesagten Dienste einzusetzen.

Die Beklagte trat dem entgegen. Die Beigeladene zu 1. sei in den Betrieb der Klägerin integriert gewesen. Die Erledigung der üblichen Büroarbeiten sei ohne die Integration in die betrieblichen Abläufe nicht vorstellbar. Die wesentlichen Betriebsmittel seien gestellt worden. Die Beigeladene zu 1. habe angegeben, kein unternehmerisches Risiko zu tragen. Weiter habe sie angegeben, keine Betriebsstätte zu haben. Sie habe auch keine eigenen Hilfskräfte und Vertreter eingesetzt. Für die Firma M. sei die Beigeladene zu 1. nach eigenen Angaben nur bis März 2007 tätig gewesen. Eine Überschneidung liege nur für drei Monate vor. Außerdem habe sie dort eine wesentlich anders geartete Tätigkeit verrichtet. Aus Sicht der Beklagten solle mit der jetzt abweichenden Darstellung zu den ursprünglichen Angaben der untaugliche Versuch unternommen werden, das Ergebnis "umzubiegen".

Das Sozialgericht Heilbronn hat Frau R. D. sowie die B. Gesundheit Krankenkasse und Pflegekasse und die Bundesagentur für Arbeit zum Verfahren beigeladen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 27.06.2014 wurde die Beigeladene zu 1. zum tatsächlichen täglichen Arbeitsablauf gehört (vgl. Niederschrift über die mündliche Verhandlung, S. 75 bis 78 SG-Akte). Sie führte unter anderem aus, sie habe zu den normalen Geschäftszeiten begonnen und dann Telefonate entgegengenommen, entsprechende Vermerke über die Telefonate und deren Inhalt angefertigt und diese gesammelt ihrem Mann abends oder am Ende der Woche übergeben. Wenn etwas Dringendes gewesen sei, habe sie es ihm sofort gemeldet. Ansonsten habe sie allgemeine Büroarbeiten verrichtet, Faxe entgegengenommen, die in seinem Büro eingegangen seien. Wenn im Büro ihres Ehemannes das Telefon geklingelt habe, sei sie dort ans Telefon gegangen. Ihr Mann sei unter der Woche in der Regel unterwegs gewesen, sodass man sich am Freitag besprochen hätte oder eben abends immer regelmäßig telefoniert und besprochen hätte, was los gewesen sei. Die Tätigkeit bei der M. L., einem Finanzdienstleister, bis ca. März 2007 habe sich folgendermaßen dargestellt: Dort habe sie auf Messeständen Tätigkeiten ausgeführt, aber auch an Schulungen teilgenommen und sei bei Kundeninformationen dabei gewesen. Das Ganze sei eine Vermittlungstätigkeit von Anlage- und Vermögensprodukten gewesen. Zuvor sei sie bei einem anderen Finanzdienstleister in ähnlicher Weise tätig gewesen, der O. in B.-B ... Bis ca. 2007 sei sie auch für die Firma P., die ein ähnliches Konzept verfolge wie T., tätig gewesen. Das heißt, man kaufe Ware ein, präsentiere diese auf Veranstaltungen und gebe dann die Aufträge weiter an die Firma selbst. Zuvor habe sie noch beim Empfang und bei der Erstellung von Schulungsunterlagen für eine Unternehmungsberatung im Softwarebereich Tätigkeiten durchgeführt. Aktuell sei sie im Bereich der Haushaltsunterstützung und Kinderbetreuung tätig. Sie werde durch junge Familien, die eine Unterstützung benötigten, direkt beauftragt. Die Tätigkeit für ihren Ehemann habe sie 2008 beendet. Er sei jetzt öfter zu Hause aufgrund von Auftragseinbrüchen und kümmere er sich selbst um die allgemeinen Bürotätigkeiten. Eine Einstellung von Mitarbeitern für die allgemeinen Bürotätigkeiten und den Büroservice bei ihrem Mann und ihr sei nicht zur Debatte gestanden, weil es ganz gut gepasst habe zu den Terminen, die sie zu erledigen gehabt habe und weil sie sich nicht mit Angestellten habe auseinandersetzen wollen.

Der Inhaber der Klägerin äußerte hierzu in der mündlichen Verhandlung, wenn die Beigeladene zu 1. zu den allgemeinen Bürotätigkeiten nicht mehr bereit gewesen wäre, hätte man probieren müssen, ob man die Dinge "unter der Woche auflaufen lässt" und sich am Wochenende kümmere. Wenn es nicht funktioniert hätte, hätte man überlegen müssen, ob man jemand anderen "mitreinnehme". Es habe nie Anlass gegeben, darüber nachzudenken, da alles funktioniert habe. Die Beigeladene zu 1. führte aus, dass sie sich natürlich zuvor mit ihrem Mann abgesprochen hätte, bevor so etwas in die Wege geleitet worden wäre. Sie gab weiter an, dass man bezüglich der Vergütung von 1.535,00 EUR im Monat den wöchentlichen Aufwand von 15 Stunden hochgerechnet habe, aber auch die Kosten für Autoleasing, Benzin und Sonstiges miteinbezogen habe und man dann zu diesem Betrag gelangt sei. Der PKW sei auf ihre Firma zugelassen worden. Sie habe ihn aber auch privat genutzt.

Mit Urteil vom 27.06.2014 wies das Sozialgericht Heilbronn die Klage ab (Bl. 79 ff. SG-Akte). Die Beklagte habe die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. im Betrieb ihres Ehemanns für die Klägerin zutreffend als abhängige Beschäftigung angesehen. Auch nach Auffassung des Gerichts sei bei einer Gesamtbetrachtung der Umstände ein deutliches Überwiegen der für eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung sprechenden Umstände zu sehen. Insbesondere trage die Beigeladene zu 1. kein Unternehmerrisiko, was nach der ständigen Rechtsprechung ein sehr bedeutendes Kriterium für die Einordnung der Tätigkeit als Selbständig darstelle. Sie erhalte eine pauschale monatliche Vergütung ohne die Möglichkeit, diese Einkünfte durch unternehmerisches Geschick zu steigern, aber auch ohne nennenswertes Risiko, diese Einkünfte im nächsten Monat nicht zu erzielen. Bei der Festsetzung des monatlichen Festbetrages seien Kosten für den PKW einbezogen worden, wodurch ein Kapitaleinsatz in Form der PKW-Nutzung ausscheide. Im Hinblick auf die Verwendung von Putzmitteln, die angeblich von der Klägerin angeschafft worden seien, sei schon fraglich, ob dies nicht bereits eine Tätigkeit im Rahmen der gemeinsamen ehelichen Lebensführung gewesen sei. Jedenfalls sei hierdurch aber aufgrund der geringen Kosten kein unternehmerisches Risiko der Beigeladenen zu 1. begründet worden. Aus dem Fehlen eines vertraglichen Urlaubsanspruchs und eines vertraglichen Anspruchs auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall könne kein Unternehmerrisiko geschlossen werden. Irrelevant sei es auch, wenn beide Seiten eine selbständige freie Mitarbeit wollten. Ebenso liege es bei der Gewerbeanmeldung und der Veranlagung zur Einkommensteuer mit Einkünften aus Gewerbebetrieb. Die Beigeladene zu 1. sei in den Betrieb der Klägerin eingegliedert gewesen. Sie habe in den Büroräumlichkeiten die Telefonate entgegengenommen, gerade der Telefondienst erfordere auch die Anwesenheit zu den üblichen Bürozeiten. Auch die sonstigen Bürotätigkeiten wie Entgegennahme und Weiterleiten von Faxen, die im Büro, eingingen und die Ablage wären nach der Natur der Sache in den Räumlichkeiten durchzuführen. Das Gesamtbild spreche dafür, dass die Beigeladene zu 1. alles, was in diesem Zusammenhang anfiel, erledigte, wenn es erforderlich war. Deshalb hinke auch ein Vergleich mit externen Office-Dienstleistern, denen in der Regel ein abgrenzbarer und auch ausgliederbarer Teil der Büroorganisation übertragen werde. Eine Einschränkung des Weisungsrechts sei bei ergebnisorientierten Arbeiten wie vorliegend nicht unüblich. Weiter sei es auch nicht unüblich, in abhängigen Beschäftigungen flexible Arbeitszeiten einzusetzen und den persönlichen Bedürfnissen der Arbeitnehmer entgegenzukommen. Solche Systeme seien auch von Vorteil, um zum Teil schwankenden Arbeitsanfall abzufedern und teure Arbeitskraft effektiver einzusetzen. Hinsichtlich der Höhe der festgestellten nachzuzahlenden Beiträge bestünden keine Bedenken. Gegenteiliges sei auch nicht vorgetragen worden.

Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 04.08.2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 29.08.2014 Berufung eingelegt.

Die Beigeladene zu 1. äußerte mit Fax vom 13.09.2014, dass aufgrund ihrer Krankenkassenbeiträge vom 01.01.2007 bis 30.09.2008 bereits 6.859,76 EUR ausgeglichen seien. Der Gegenstandswert müsse mit 6.078,06 EUR festgesetzt werden. Der Bevollmächtigte der Klägerin und die Beklagte gaben den Streitwert in Höhe der Forderung von 12.937,82 EUR an.

Zur Begründung der Berufung führte die Klägerin aus, dass das Sozialgericht Heilbronn seine Entscheidung ohne veritable Ausarbeitung des klägerischen Vortrages getroffen habe. Die Ausführungen zur PKW-Nutzung seien verfehlt. Es sei eine Selbstverständlichkeit für einen selbständigen Unternehmer, dass er Kosten seiner Betriebsmittel auf die Stundensätze umschlage. Das Sozialgericht begründe nicht, warum es Kosten der Reinigungsmittel der gemeinsamen Lebensführung der Eheleute D. zuschlage. Das Sozialgericht weise auch keine Betragssumme hinsichtlich der Putzmittel auf. Deshalb überzeuge es nicht, zu behaupten, die Summe sei ohnehin gering und es liege kein unternehmerisches Risiko vor. Das Vordergericht widerspreche sich selbst, wenn es meine, eine unterschiedliche Ausprägung der Servicetätigkeiten der Beigeladenen zu 1. für die Klägerin und die Werbetätigkeit gefunden zu haben, wofür es schwer möglich sei, einen gemeinsamen Unternehmensgegenstand zu definieren. Die Entscheidung bestehe nur aus gehaltlosen Floskeln. Dass Gewerbeanmeldungen und Veranlagungen zur Einkommenssteuer ohne Relevanz seien, bleibe ohne konkrete Begründung ebenso wie die Behauptung, dass die Beigeladene zu 1. Weisungen unterlegen sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 27.06.2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.05.2011 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens wird auf die Gerichtsakte, die Akte des Sozialgerichts Heilbronn sowie die vorgelegte Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig.

Die Berufung ist aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 16.03.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.05.2011 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Zu Recht hat das Sozialgericht Heilbronn daher mit seinem Urteil vom 27.06.2014 die Klage abgewiesen. Die Beklagte hat von der Klägerin zu Recht Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen wegen der abhängigen Beschäftigung der Beigeladenen zu 1. im Zeitraum von vom 01.01.2007 bis 30.09.2008 gefordert.

I.

1. Rechtsgrundlage für den streitgegenständlichen Bescheid ist § 28p SGB IV. Nach § 28p Abs. 1 SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen mindestens alle vier Jahre. Die Prüfung soll in kürzeren Zeitabständen erfolgen, wenn der Arbeitgeber dies verlangt. Die Einzugsstelle unterrichtet den für die Arbeitgeber zuständigen Träger der Rentenversicherung, wenn sie eine alsbaldige Prüfung bei dem Arbeitgeber für erforderlich hält. Die Prüfung umfasst auch die Entgeltunterlagen der Beschäftigten, für die Beiträge nicht gezahlt werden.

2. Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Insbesondere war die Beklagte vorliegend für den Erlass des Bescheids zuständig.

a) Die Träger der Rentenversicherung erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und zur Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern; insoweit gelten § 28h Abs. 2 SGB IV sowie § 93 i.V.m. § 89 Abs. 5 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht. Zwar entscheidet grundsätzlich gemäß § 28h Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB IV die Einzugsstelle über die Versicherungspflicht und die Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Dies gilt aber ausnahmsweise nicht für Entscheidungen im Rahmen einer Arbeitgeberprüfung.

Betriebsprüfungen durch den Rentenversicherungsträger haben nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nur eine Kontrollfunktion. Sie sollen einerseits Beitragsausfälle verhindern, andererseits die Sozialversicherungsträger davor bewahren, dass aus der Annahme von Beiträgen für nicht versicherungspflichtige Personen Leistungsansprüche entstehen. Die Entscheidung stellt sich vor diesem Hintergrund als kombinierte - positive oder negative - Feststellung von Versicherungspflicht und Beitragsnachentrichtung oder Beanstandung dar. Die Besonderheit eines Bescheids nach § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV liegt insoweit darin, dass über das Bestehen von Versicherungspflicht und die daraus resultierende Beitragsnachforderung gemeinsam zu entscheiden ist. Dies unterscheidet das Nachprüfungsverfahren hinsichtlich der Feststellung der Versicherungspflicht vom Statusfeststellungsverfahren nach § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV (BSG, 14.09.2004, B 12 KR 1/04, SozR 4-2400 § 22 Nr 2). Eine reine Statusfeststellung ist auf der Grundlage von § 28p SGB IV nicht zulässig (vgl. Bayerisches LSG, 28.06.2011, L 5 R 88/10, juris). Die hier streitigen Beiträge werden als Gesamtsozialversicherungsbeiträge vom Arbeitgeber gezahlt (§ 28g Satz 1 und 2, 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV).

b) So liegt es hier. Die Beklagte war für den Erlass des angefochtenen Bescheids vom 16.03.2011 auf dieser Grundlage zuständig. Sie hat diesen zwar als "Statusfeststellungsbescheid" bezeichnet, jedoch nicht nur das Ergebnis ihrer Statusprüfung festgehalten, sondern von der Klägerin als Arbeitgeberin Gesamtsozialversicherungsbeiträge nachgefordert.

3. Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig.

a) Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI, § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, § 25 Abs. 1 SGB III).

Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, 24.01.2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 7; BSG, 04.07.2007, B 11 AL 5/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 8) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeiten über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen freigestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen.

Ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt.

Nach diesen Grundsätzen richtet sich auch, ob ein Beschäftigungsverhältnis zwischen Angehörigen besteht (BSG, Urt. v. 05.04.1956, 3 RK 65/55, SozR Nr. 18 § 164 SGG; BSG, Urt. v. 17.12.2002, B 7 AL 34/02 R, USK 2002-42; BSG, Urt. v. 10.05.2007, B 7a AL 8/06 R, USK 2007-53), wobei es jeweils auf die Umstände des Einzelfalles ankommt. Entscheidend für die Beurteilung der Eingliederung und der Weisungsgebundenheit ist insbesondere, ob die Arbeitskraft im Dienst des Unternehmens eingesetzt und dabei Aufgaben erfüllt werden, die sich aus der Organisation oder der direkten Anweisung des Arbeitgebers ergeben (vgl. etwa Segebrecht in: jurisPK-SGB IV, 2. Aufl., 2011, § 7 Rdnr. 146).

b.) Nach den genannten Grundsätzen gelangt der Senat unter Abwägung aller Umstände zu der Überzeugung, dass die Beigeladene zu 1. im streitgegenständlichen Zeitraum eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bei der Klägerin ausgeübt hat und daher Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestanden hat.

Soweit die Beigeladene zu 1. ein Gewerbe angemeldet hat, ist dieser Gesichtspunkt für die Abgrenzung zwischen abhängiger und selbstständiger Tätigkeit ohne Bedeutung. Die Anmeldung eines Gewerbes setzt eine selbstständige Tätigkeit voraus, begründet aber kein selbständiges Gewerbe. Irrelevant ist es in diesem Zusammenhang auch, dass in der Anmeldung der Betriebssitz der Beigeladenen zu 1. angegeben ist, der mit ihrer Wohnanschrift und der Anschrift der Klägerin zusammenfällt. Das besagt aber nichts dafür, ob die zu beurteilende Tätigkeit am eigenen Betriebssitz verrichtet wurde.

Die zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1. geschlossene Vereinbarung spricht deutlich für das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses, weil ihr darin ein fester monatlicher Entgeltanspruch eingeräumt wird, der als Gegenleistung für den Einsatz der Arbeitskraft im Unternehmen der Klägerin erfolgt. Die Entlohnung und die förmliche Vereinbarung kennzeichnen ebenso wie der zeitliche Umfang der Tätigkeit das Arbeitsverhältnis auch eindeutig als eine ernsthafte Beschäftigung eines Verwandten in Abgrenzung zu einer gelegentlich ggf. in ähnlicher Weise auch aus Gefälligkeit vorgenommene Hilfe, wenn etwa dem Ehemann und Betriebsinhaber bei dessen Anwesenheit etwas Geschäftliches ausgerichtet würde. Die Kosten für die Tätigkeiten der Beigeladenen zu 1. wurden demzufolge auch als Betriebsausgabe der Klägerin verbucht.

Die Aufzählung der von der Beigeladenen zu 1. geschuldeten Tätigkeiten enthält die Umschreibung der von ihr als Bürokraft geschuldeten Arbeitsleistung (z.B. Telefondienst und allgemeine Büroarbeiten). Eine Differenzierung der allgemeinen Büroarbeiten und nach dem konkret ausgeübten Dienst (Putzen, Schreibarbeit, Telefondienst) und dessen Umfang erfolgte nicht. Es bedurfte daher zur Verrichtung dieser Tätigkeiten sowie der umfassenden allgemeinen Bürotätigkeiten konkreter Vorgaben bzw. Absprachen. Für die Eingliederung der Beigeladenen zu 1. in den Betrieb der Klägerin spricht, wenngleich nicht allein entscheidend, dass der wesentliche Teil der Tätigkeiten in den Räumlichkeiten der Klägerin und unter Berücksichtigung bestimmter Erwartungen an die Art der Ausführung stattfand. Die Beigeladene zu 1. wurde nicht im eigenen Büro und mit eigenen Arbeitsmitteln (Fax, Kopierer, PC, Büromaterial) tätig, sondern im Büro der Klägerin. Daran ändert es auch nichts, dass die Anschrift ihres "Betriebs", die Wohnanschrift und die Anschrift der Klägerin identisch sind. Die Beigeladene zu 1. hatte für den Betrieb der Klägerin Telefonate und Faxe an deren Geräten entgegenzunehmen. Sie gab den Inhalt der Schreiben und Telefonate je nach Wichtigkeit an den Inhaber der Klägerin weiter. Hierzu bedurfte es einer regelmäßigen Anwesenheit der Beigeladenen zu 1. im Büroraum der Klägerin und der regelmäßigen Abstimmung mit dem Inhaber der Klägerin. Es war auch notwendig, dass das Büro der Klägerin zu üblichen Zeiten für deren Kunden erreichbar war. Insoweit trat die Beigeladene zu 1. auch nicht nach außen erkennbar als Selbständige auf, sondern fungierte für die Klägerin als deren Büroangestellte. So hat die Beigeladene zu 1. vor dem Sozialgericht lebensnah geschildert, dass sie zu üblichen Bürozeiten vormittags Anrufe entgegengenommen habe. Dies stellt sich - will die Klägerin ihre Erreichbarkeit sichern - auch als die vertraglich erwartete Tätigkeit "Telefondienst" dar. Die Beigeladene zu 1. war damit zeitlich und örtlich keineswegs flexibel, sondern in einen bestehenden Betrieb eingebunden. Die Gestaltungsmöglichkeiten der Beigeladenen zu 1. hinsichtlich der Art ihrer Tätigkeit waren insgesamt begrenzt. Es bedurfte der Rücksprache und der regelmäßigen Information des Betriebsinhabers durch die Beigeladene zu 1. Sie hatte sich beispielsweise bei der Faxweiterleitung, die nach jeweiliger Dringlichkeit und Wichtigkeit vorzunehmen war, an die Beurteilung dieser Punkte durch den Betriebsinhaber zu halten. Wäre die Leistung der Beigeladenen zu 1. nicht ohnehin den Anforderungen und Wünschen entsprechend erbracht worden, hätten ihr Vorgaben gemacht werden können. Eine umfassende Sekretariatstätigkeit wird typischerweise weisungsgebunden erbracht (so bereits Senatsurteil vom 30.07.2014 - L 5 R 554/13).

Ein Unternehmerrisiko der Beigeladenen zu 1. bestand nicht. Sie erhielt ihre Entlohnung unabhängig davon, wie groß die von ihr geforderte bzw. erbrachte Leistung tatsächlich war. Die übliche Einrichtung (z.B. PC, Fax, Telefon) und Büromaterial besorgte die Klägerin für das separate Büro. Die Beigeladene zu 1. nutzte diese Einrichtung der Klägerin. Sie arbeitete nicht in einem eigenen Büro und damit an einem eigenen Betriebssitz. Die Beigeladene zu 1. konnte ein festes Einkommen erwarten und unabhängig vom Arbeitsanfall mit diesem Einkommen planen. Es bestand keine Gefahr, durch den Einsatz von Arbeitsmitteln Verluste zu erleiden oder für den Einsatz der Arbeitskraft keine Entlohnung zu erhalten. Selbst wenn gelegentlich Schreibwaren oder Putzmittel durch die Beigeladene zu 1., ohne diese als Ausgabe der Klägerin zu verbuchen, besorgt worden sein sollten, stellen sich realistische, für einen normalen monatlichen Haushalts- und Büroverbrauch anzusetzende Größenordnungen - verglichen mit der monatlichen Pauschale von 1.535 EUR - als äußerst geringfügige Aufwendungen dar. Die Beigeladene zu 1. ging aufgrund der vertraglichen Regelung kein unternehmerisches Risiko im Zusammenhang mit der Tätigkeit für die Klägerin ein. Das sowohl privat als auch für dienstliche Fahrten genutzte Auto der Beigeladenen zu 1. bzw. ihrer Einzelfirma begründet ein Unternehmerrisiko nicht. Die Finanzierung eines auch für berufliche Zwecke genutzten Fahrzeugs aus der Entlohnung stellt sich für viele abhängige Beschäftigte als Regelfall dar. Insoweit kann nicht von einem Unternehmerrisiko ausgegangen werden, nur weil im Fall eines Einkommensverlusts möglicherweise die Kosten nicht mehr bestritten werden können. Selbst wenn die Benzinkosten rein dienstlich veranlasster Fahrten nicht erstattet wurden, führt dies nicht zu einem relevanten Unternehmerrisiko. Die monatliche Pauschale war auch im Blick hierauf großzügig bemessen worden.

Ein Unternehmerrisiko der Beigeladenen zu 1. wird entgegen der Auffassung des Klägervertreters auch nicht dadurch begründet, dass die Tätigkeit möglicherweise in manchen Monaten oder insgesamt wesentlich zeitintensiver sein konnte, als ursprünglich angenommen. Ebensowenig ergibt sich in diesem Zusammenhang auf der anderen Seite eine unternehmerische Chance, die Pauschale durch besonders effektive Arbeit für einen zeitlich geringeren Einsatz zu erzielen. Die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. im Büro der Klägerin war v.a. durch den Telefon- und Faxdienst zeitlich vorgegeben. Hierzu war ihre Anwesenheit notwendig. Angesichts der notwendigen Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. als Ansprechpartnerin im Büro der Klägerin konnte sie auch nicht in einer wesentlich kürzeren Zeit die Pauschale erwirtschaften. Die Vertragsparteien gingen übereinstimmend von einem wöchentlich 15-stündigen Arbeitseinsatz bei Bemessung der Pauschale aus. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beigeladene zu 1. hier ein praktisch relevantes Risiko einging, für diese Pauschale wesentlich länger arbeiten zu müssen. In einem solchen Fall hätte sich aber eine wesentliche Vorstellung, die zur Grundlage des Vertrags geworden ist, als falsch herausgestellt; eine Anpassung der Vereinbarung hätte verlangt werden können (vgl. § 313 Abs. 2 BGB). Möglichkeiten der Beigeladenen zu 1., durch ihren (ggf. größeren) Einsatz zusätzliche Gewinne zu realisieren, sind nicht zu erkennen.

Ausgehend vom Vortrag der Beigeladenen zu 1. ist auch davon auszugehen, dass die Leistungserbringung durch sie persönlich eine wichtige Rolle spielte. Die persönliche Leistungserbringung ist für einen Arbeitnehmer typisch. In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Heilbronn hat die Beigeladene zu 1. lebensnah ausgeführt, dass sie nicht ohne Rücksprache eine Aushilfe eingesetzt hätte.

Nachdem die Beigeladene zu 1. an allgemeinen Büroarbeiten für die Klägerin vor Ort "alles, was anfiel" verrichtete und nicht nach außen als Selbständige zu erkennen war, ist ihre Tätigkeit von derjenigen eines selbständigen Bürodienstleisters zu unterscheiden. Dessen Tätigkeit wird abgrenzbare einzelne Bürodienstleistungen, in der Regel etwa Schreibarbeiten, betreffen müssen. Die Tätigkeit einer Büroangestellten oder Sekretärin vor Ort ist dagegen typischerweise weisungsgebunden und wird im Rahmen einer vorgegebenen Betriebsorganisation ausgeübt. Die vollständige Verrichtung einer solchen Tätigkeit innerhalb eines fremden Betriebs ist in selbständiger Form nicht denkbar (so bereits Senatsurteil vom 30.07.2014 - L 5 R 554/13).

Eine fehlende Regelung zum Urlaub und zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall besagt nichts für eine Selbständigkeit der Beigeladenen zu 1. Das vertragliche Vorenthalten von Arbeitnehmerrechten macht aus einer abhängigen Beschäftigung keine selbstständige Tätigkeit. Vielmehr entstehen mit dem Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung die entsprechenden Arbeitnehmerrechte unabhängig davon, ob dies von den Vertragspartnern gewollt ist.

Ebenfalls kein entscheidendes Kriterium für eine selbstständige Tätigkeit ist eine Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. für andere Auftraggeber im streitigen Zeitraum. Jedes Beschäftigungsverhältnis ist gesondert zu bewerten. Das Bestehen mehrerer Beschäftigungsverhältnisse besagt nichts. Ein abhängig Beschäftigter kann ebenfalls für mehrere Arbeitgeber tätig werden bzw. abhängig beschäftigt sein (vgl. etwa LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 17.01.2012, L 11 R 1138/10, juris).

Aus der Gesamtwürdigung folgt damit zur Überzeugung des Senats, dass die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung überwiegen und das wesentliche Gepräge der Tätigkeit demjenigen einer abhängigen Beschäftigung entspricht. Daher ist die Beklagte zutreffend von einer abhängigen Beschäftigung der Beigeladenen zu 1. gegen Entgelt ausgegangen und hat mithin auch Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung sowie die Verpflichtung zur Entrichtung der Umlagen U1 und U2 nach § 7 AAG angenommen

4. Die geltend gemachte Beitragshöhe, die zeitabschnittsweise Aufschlüsselung der nachgeforderten Beiträge sowie ihre Zuordnung entsprechend den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung lassen keinen Rechtsfehler erkennen. Es wurden auch seitens der Klägerin keine Rechts- oder Rechenfehler geltend gemacht.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Beigeladenen tragen gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m.§ 162 Abs. 3 VwGO ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Der Senat sieht keine Veranlassung, diese Kosten aus Billigkeit der Klägerin als unterliegender Beteiligten aufzuerlegen, weil die Beigeladenen keine Anträge gestellt haben (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 197a Rn. 29 mwN).

III.

Die Festsetzung des Streitwerts erfolgt nach § 197a SGG i.V.m. §§ 47 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz und entspricht der hier in vollem Umfang streitigen Nachforderung der Gesamtversicherungsbeiträge. Gegenstand der Prüfung ist das Bestehen bzw. die Rechtmäßigkeit der Forderung in ihrer gesamten Höhe von 12.937,82 EUR. Die von der Beigeladenen zu 1. angeführte teilweise Aufrechnungsmöglichkeit der (bestehenden) Forderung mit bereits entrichteten Krankenversicherungsbeiträgen beträfe die - erst in einem zweiten Schritt und nicht im gerichtlichen Verfahren zu prüfende - Art und Weise ihrer Erfüllung. Daher ist keine Ermäßigung vorzunehmen.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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