Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 1 SB 3863/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 4224/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 8. September 2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Neufeststellung des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) streitig.
Bei dem 1951 geborenen Kläger stellte das Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis - Versorgungsamt - (LRA) mit Bescheid vom 22.01.2008 wegen Bluthochdrucks (GdB 20), einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, operierten Bandscheibenschadens und Nervenwurzelreizerscheinungen (GdB 20) sowie einer chronischen Bronchitis (GdB 10) den GdB mit 30 sowie eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit im Sinne des § 33b Einkommensteuergesetz fest.
Am 08.04.2013 beantragte der Kläger die Erhöhung des GdB. Das LRA nahm medizinische Unterlagen zu den Akten (Berichte der Radiologie Schwetzingen vom 16.10.2012; des Universitätsklinikums Heidelberg vom 12.12.2012, 04.01.2013 und 03.04.2013, Diagnosen: insbesondere BS-Vorfall HWK 4/5 bei Zustand nach Foraminotomie HWK 6/7 im Mai 2007, Diskektomie und ventrale Fusion HWK 4/5 am 28.12.2012, chronische Bronchitis; der Gastroenterologischen Schwerpunktpraxis Mannheim vom 28.02.2013 und 14.03.2013; der Gemeinschaftspraxis Dr. R./Dr. K. vom 10.12.2012, Diagnose: Aktivierte Lumboischialgie). In der hierzu eingeholten gutachtlichen Stellungnahme vom 01.06.2013 schlug der Versorgungsarzt Dr ... den Gesamt-GdB weiterhin mit 30 vor. Mit Bescheid vom 26.06.2013 entsprach daraufhin das LRA dem Neufeststellungsantrag des Klägers nicht.
Gegen den Bescheid vom 26.06.2013 legte der Kläger am 15.07.2013 Widerspruch ein. Er trug vor, seine multiple Erkrankung sei nicht berücksichtigt worden. Eine wesentliche gesundheitliche Einschränkung bestehe durch das Rückenleiden. Das LRA holte den Befundbericht des Dr. X. vom 11.09.2013 ein (Diagnosen: Bandscheidenschaden der HWS, Bandscheibenprolaps lumbal, chronischer Schmerz, Zustand nach Foraminotomie HWS 6/7 und Diskektomie HWS 4/5). In der gutachtlichen Stellungnahme der Versorgungsärztin Dr. Maier wurde wegen Bluthochdrucks (GdB 10), einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, operierten Bandscheibenschadens und Nervenwurzelreizerscheinungen (GdB 30) sowie einer chronischen Bronchitis (GdB 10) der Gesamt-GdB mit 30 vorgeschlagen. Mit Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart - Landesversorgungsamt - vom 12.11.2013 wurde daraufhin der Widerspruch zurückgewiesen.
Hiergegen erhob der Kläger am 19.11.2013 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG).
Das SG hörte vom Kläger benannte behandelnde Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen an. Der Orthopäde Dr. B. teilte in seiner Stellungnahme vom 25.03.2014 unter Übersendung von medizinischen Befundunterlagen den Behandlungsverlauf mit und sah sich zur Beantwortung der weiteren Beweisfragen nicht in der Lage. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. D. teilte in seiner Stellungnahme vom 30.03.2014 den Behandlungsverlauf und die Befunde mit. Er erachtete wegen des Bluthochdrucks und der chronischen Bronchitis jeweils einen GdB von 10 für angemessen. Dr. K. teilte in seiner Stellungnahme vom 07.04.2014 unter Vorlage von Befundberichten den Behandlungsverlauf und die Befunde mit. Er schätzte den Gesamt-GdB auf 50, mindestens 40 ein (Halswirbelsäule - HWS - GdB 30 und Lendenwirbelsäule - LWS - GdB 20).
Anschließend holte das SG das orthopädische Gutachten des Dr. S.-F. vom 13.06.2014 ein. Der Gutachter diagnostizierte einen Wirbelsäulenschaden bei Zustand nach zweimaliger HWS-Operation mit Versteifung C4/5 im Dezember 2012 und Erweiterung des Neuroforamen C6/7 rechts im Mai 2007 mit Sensibilitätsstörung C5 rechts, eine Teileinsteifung der unteren BWS mit zusätzlicher kyphoskoliotischer Fehlstatik der Rumpfwirbelsäule und fortgeschrittenen degenerativen Aufbraucherscheinungen im Segment L5/S1 bei minimalem degenerativen Ventralgleiten L5 auf S1, einen Bandscheibenvorfall L4/5 mit spinaler Enge und insgesamt mäßigen bis mittelgradigen funktionellen Einschränkungen (GdB 30), sowie eine beginnende Gonarthrose beidseits ohne wesentliche funktionelle Einschränkungen (kein GdB von mindestens 10). Er schätzte den Gesamt-GdB auf 30 ein.
Auf ein Hinweisschreiben des SG vom 20.06.2014 und 23.07.2014 führte der Kläger zur Begründung seiner Klage aus, Dr. K. komme zu einem Gesamt-GdB von 50. Er besitze die Möglichkeit, ein Gutachten nach § 109 SGG zu beantragen, welches die Bewertung des Dr K. bestätige. Die Voraussetzungen für die Auferlegung von Verschuldenskosten lägen nicht vor (Schriftsatz vom 14.08.2014).
Mit Gerichtsbescheid vom 08.09.2014 wies das SG die Klage ab.
Gegen den dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 10.09.2014 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die vom Prozessbevollmächtigten des Klägers am 08.10.2014 eingelegte Berufung. Der Kläger hat zur Begründung auf seinen erstinstanzlichen Vortrag Bezug genommen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 8. September 2014 sowie den Bescheid des Beklagten vom 26. Juni 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. November 2013 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Grad der Behinderung mit 50 seit dem 8. April 2013 festzustellen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die angefallenen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf einen Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat den Berufungsantrag des Klägers nach seinem erkennbaren Begehren sachdienlich gefasst.
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 26.06.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.11.2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Neufeststellung eines GdB von über 30 seit dem 08.04.2013. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden.
Rechtsgrundlage für die vom Kläger begehrte Neufeststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen, welche ihrerseits nicht zum sogenannten Verfügungssatz des Bescheides gehören, zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG, Urteil vom 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 -, BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 16 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend.
Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP), die im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewendet wurden, die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 16 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB. Anders als die AHP, die aus Gründen der Gleichbehandlung in allen Verfahren hinsichtlich der Feststellung des GdB anzuwenden waren und dadurch rechtsnormähnliche Wirkungen entfalteten, ist die VersMedV als Rechtsverordnung verbindlich für Verwaltung und Gerichte. Sie ist indes, wie jede untergesetzliche Rechtsnorm, auf inhaltliche Verstöße gegen höherrangige Rechtsnormen - insbesondere § 69 SGB IX - zu überprüfen (BSG, Urteil vom 23.4.2009 - B 9 SB 3/08 R - RdNr 27, 30 m.w.N.). Sowohl die AHP als auch die VersMedV (nebst Anlage) sind im Lichte der rechtlichen Vorgaben des § 69 SGB IX auszulegen und - bei Verstößen dagegen - nicht anzuwenden (BSG, Urteil vom 30.09.2009 SozR 4-3250 § 69 Nr. 10 RdNr. 19 und vom 23.4.2009, a.a.O., RdNr 30)
Hiervon ausgehend ist im Vergleich zu dem im letzten Feststellungsbescheid vom 22.01.2008 beim Kläger mit einem GdB von 30 bewerteten Behinderungszustand eine Verschlechterung, die die Neufeststellung des GdB auf über 30 rechtfertigt, nicht festzustellen. Das SG hat im angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend begründet, dass die beginnende mediale Gonarthrose beidseits keinen messbaren GdB rechtfertige. Der Bluthochdruck habe mit einem GdB von 10 ausreichend Berücksichtigung gefunden und erscheine eher als großzügig. Hinsichtlich der chronischen Bronchitis sei ein GdB von über 10 nicht erkennbar. Eine Behinderung wegen eines bekannten Alkoholmissbrauchs liege nicht vor. Eine schwerwiegende Behinderung resultiere aus degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule. Es sei nicht zu beanstanden, dass der Beklagte diesen Wirbelsäulenveränderungen einen GdB von 30 zugewiesen habe. Der von Dr. K. vertretenen Ansicht, der GdB liege bei 50, sei nicht zu folgen. Einen Wirbelsäulenschaden mit besonders schweren Auswirkungen habe Dr. K. nicht beschrieben. Der Bluthochdruck und die chronische Bronchitis seien nicht geeignet, den GdB auf über 30 anzuheben. Der Senat gelangt nach eigener Prüfung zum selben Ergebnis. Er nimmt zur Begründung seiner eigenen Entscheidung auf die Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids in vollem Umfang Bezug, auf die er zur Vermeidung von Wiederholungen verweist (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend bleibt auszuführen:
Nach den VG Teil B 18.9 ist bei Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten ein Teil-GdB von 30 bis 40 gerechtfertigt. Maßgebend ist dabei, dass die Bewertungsstufe GdB 30 bis 40 erst erreicht wird, wenn mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorliegen. Die Obergrenze des GdB 40 ist danach erreicht bei schweren Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten (Urteil des erkennenden Senats vom 24.01.2014 - L 8 SB 2497/11 -, veröffentlicht in juris und im Internet sozialgerichtsbarkeit.de).
Hiervon ausgehend ist das Wirbelsäulenleiden des Klägers mit einem Einzel-GdB von 30 ausreichend und angemessen bewertet. Zwar liegen nach dem Gutachten des Dr. Spengler-Fabian vom 13.06.2014 wie auch nach den zu den Akten gelangten medizinischen Befundunterlagen beim Kläger erhebliche degenerative Veränderungen der Wirbelsäule vor, die bereits Operationen erforderlich machten. Dies rechtfertigt nach den VG jedoch noch nicht, von schweren funktionellen Auswirkungen in diesen Wirbelsäulenabschnitten auszugehen. Nach den VG Teil B 18.1 wird der GdB für angeborene und erworbene Schäden an den Haltungs- und Bewegungsorganen vielmehr entscheidend bestimmt durch die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen (Bewegungsbehinderung, Minderbelastbarkeit) und die Mitbeteiligung anderer Organsysteme. Die üblicher Weise auftretenden Beschwerden sind dabei mitberücksichtigt. Allein mit Bild gebenden Verfahren festgestellte Veränderungen (z. B. degenerativer Art) rechtfertigen noch nicht die Annahme eines GdB. Ebenso kann die Tatsache, dass eine Operation an einer Gliedmaße oder an der Wirbelsäule (z. B. Meniskusoperation, Bandscheibenoperation, Synovialektomie) durchgeführt wurde, für sich nicht die Annahme eines GdB begründen.
Nach dem Gutachten des Dr. S.-F. vom 13.06.2014 bewirken die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule des Klägers sowie eine Versteifung im Wirbelsäulensegment C4/5 und eine Teileinsteifung der unteren Brustwirbelsäule an Funktionsbeeinträchtigungen lumbale Dauerschmerzen mit Ausstrahlung in das rechte Bein, eine geringgradige Muskelmassenminderung des rechten Oberschenkels mit geringgradigen Sensibilitätsstörungen im Dermatom L5 sowie anhaltende Beschwerden im Bereich des Nackens mit Sensibilitätsstörungen in den Fingern D1 bis D3 rechts. Sensomotorische Ausfälle hat Dr. S.-F. jedoch nicht festgestellt. Weiter besteht eine geringgradige thorakolumbale Kyphoskoliosierung der HWS mit Streckfehlhaltung bzw. eine geringgradige kyphoskoliotische Fehlstatik im Bereich der Rumpfwirbelsäule. Außerdem beschreibt Dr. Spengler-Fabian eine mäßiggradige Einschränkung der Steh- und Gehfähigkeit (rechts schleppendes jedoch sicheres Gangbild, die Stand- und Gangarten können vom Kläger demonstriert werden). Eine höhergradige Einschränkung der Bewegungsfähigkeit der Wirbelsäule des Klägers hat Dr. S.-F. nicht feststellen können. Nach seinen Beschreibungen im Gutachten waren höhergradige funktionelle Einschränkungen der Wirbelsäule beim Ent- und Ankleiden nicht zu erkennen. Die Beweglichkeit der HWS ist in der Vor-/Rückneigung endgradig (30-0-30°), in der Seitneigung zur Hälfte und in der Drehung knapp zur Hälfte eingeschränkt. Es besteht weiter eine leichtgradige Einschränkung der Entfaltbarkeit der Brust- und Lendenwirbelsäule (Zeichen nach Schober 10 zu 13 cm, Ott 30 zu 32,5 cm) sowie eine Einschränkung der Seitneigung im Stehen um ein Drittel (20-0-20°) bei endgradig freier Rotation (30-0-30°). Schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten sind danach zur Überzeugung des Senats nicht festzustellen. Hiervon geht auch Dr. Spengler-Fabian in seinem Gutachten aus, der insgesamt bis zu mittelgradige funktionelle Einschränkungen bei einem Einzel-GdB von 30 annimmt. Dieser überzeugenden Bewertung schließt sich der Senat an.
Der abweichenden Bewertung des Dr. K. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 07.04.2014, der hinsichtlich der HWS von einem GdB von 30 und hinsichtlich der LWS von einem GdB von 20 ausgeht und den Gesamt-GdB mit 50, mindestens 40, annimmt, worauf sich der Kläger im Klageverfahren zur Begründung seiner Klage berufen hat, kann nicht gefolgt werden. Besonders schweren Auswirkungen (z. B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst [z. B. Milwaukee- Korsett]; schwere Skoliose [ab ca. 70° nach Cobb]), die nach den VG Teil B 18.9 einen GdB von 50 bis 70 rechtfertigen, beschreibt Dr. K. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage nicht, wie das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend begründet hat. Solche besonders schweren Auswirkungen lassen sich auch dem Gutachten des Dr. Spengler-Fabian sowie den sonst zu den Akten gelangten medizinischen Befundunterlagen nicht entnehmen. Im Übrigen geht auch Dr. K. nicht von schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten des Klägers aus, sondern nur hinsichtlich der HWS (GdB 30), was nach der dargestellten Rechtsprechung des Senats einen Einzel-GdB von 40 noch nicht rechtfertigt.
Sonstige Behinderungen, die einen GdB von über 10 rechtfertigen, liegen beim Kläger nicht vor, wie das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend festgestellt hat, und werden vom Kläger im Übrigen auch nicht substantiiert geltend gemacht.
Die Bemessung des Gesamt-GdB erfolgt nach § 69 Abs. 3 SGB IX. Danach ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. A Nr. 3 VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der AHP bzw. der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt.
Hiervon ausgehend ist bei der Bildung des Gesamt-GdB das Wirbelsäulenleiden des Klägers mit einem Einzel-GdB von 30 zu berücksichtigen. Dieser wird durch den Bluthochdruck und die chronische Bronchitis, die mit einem Einzel-GdB von allenfalls 10 zu bewerten sind, sowie die nicht GdB-relevante beginnende Gonarthrose nicht weiter erhöht. Damit ist im Vergleich zum letzten Feststellungsbescheid vom 22.01.2008 eine wesentliche Änderung im Sinne einer Verschlimmerung, die die Neufeststellung eines höheren GdB als 30 rechtfertigt, beim Kläger nicht eingetreten.
Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht nicht. Der für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits relevante Sachverhalt ist durch die zu den Akten gelangten medizinischen Befundunterlagen sowie durch die vom SG durchgeführten Ermittlungen für den Senat geklärt. Gesichtspunkte, die Anlass zu weiteren Ermittlungen geben, hat der Kläger nicht aufgezeigt.
Die Berufung des Klägers war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Neufeststellung des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) streitig.
Bei dem 1951 geborenen Kläger stellte das Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis - Versorgungsamt - (LRA) mit Bescheid vom 22.01.2008 wegen Bluthochdrucks (GdB 20), einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, operierten Bandscheibenschadens und Nervenwurzelreizerscheinungen (GdB 20) sowie einer chronischen Bronchitis (GdB 10) den GdB mit 30 sowie eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit im Sinne des § 33b Einkommensteuergesetz fest.
Am 08.04.2013 beantragte der Kläger die Erhöhung des GdB. Das LRA nahm medizinische Unterlagen zu den Akten (Berichte der Radiologie Schwetzingen vom 16.10.2012; des Universitätsklinikums Heidelberg vom 12.12.2012, 04.01.2013 und 03.04.2013, Diagnosen: insbesondere BS-Vorfall HWK 4/5 bei Zustand nach Foraminotomie HWK 6/7 im Mai 2007, Diskektomie und ventrale Fusion HWK 4/5 am 28.12.2012, chronische Bronchitis; der Gastroenterologischen Schwerpunktpraxis Mannheim vom 28.02.2013 und 14.03.2013; der Gemeinschaftspraxis Dr. R./Dr. K. vom 10.12.2012, Diagnose: Aktivierte Lumboischialgie). In der hierzu eingeholten gutachtlichen Stellungnahme vom 01.06.2013 schlug der Versorgungsarzt Dr ... den Gesamt-GdB weiterhin mit 30 vor. Mit Bescheid vom 26.06.2013 entsprach daraufhin das LRA dem Neufeststellungsantrag des Klägers nicht.
Gegen den Bescheid vom 26.06.2013 legte der Kläger am 15.07.2013 Widerspruch ein. Er trug vor, seine multiple Erkrankung sei nicht berücksichtigt worden. Eine wesentliche gesundheitliche Einschränkung bestehe durch das Rückenleiden. Das LRA holte den Befundbericht des Dr. X. vom 11.09.2013 ein (Diagnosen: Bandscheidenschaden der HWS, Bandscheibenprolaps lumbal, chronischer Schmerz, Zustand nach Foraminotomie HWS 6/7 und Diskektomie HWS 4/5). In der gutachtlichen Stellungnahme der Versorgungsärztin Dr. Maier wurde wegen Bluthochdrucks (GdB 10), einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, operierten Bandscheibenschadens und Nervenwurzelreizerscheinungen (GdB 30) sowie einer chronischen Bronchitis (GdB 10) der Gesamt-GdB mit 30 vorgeschlagen. Mit Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart - Landesversorgungsamt - vom 12.11.2013 wurde daraufhin der Widerspruch zurückgewiesen.
Hiergegen erhob der Kläger am 19.11.2013 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG).
Das SG hörte vom Kläger benannte behandelnde Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen an. Der Orthopäde Dr. B. teilte in seiner Stellungnahme vom 25.03.2014 unter Übersendung von medizinischen Befundunterlagen den Behandlungsverlauf mit und sah sich zur Beantwortung der weiteren Beweisfragen nicht in der Lage. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. D. teilte in seiner Stellungnahme vom 30.03.2014 den Behandlungsverlauf und die Befunde mit. Er erachtete wegen des Bluthochdrucks und der chronischen Bronchitis jeweils einen GdB von 10 für angemessen. Dr. K. teilte in seiner Stellungnahme vom 07.04.2014 unter Vorlage von Befundberichten den Behandlungsverlauf und die Befunde mit. Er schätzte den Gesamt-GdB auf 50, mindestens 40 ein (Halswirbelsäule - HWS - GdB 30 und Lendenwirbelsäule - LWS - GdB 20).
Anschließend holte das SG das orthopädische Gutachten des Dr. S.-F. vom 13.06.2014 ein. Der Gutachter diagnostizierte einen Wirbelsäulenschaden bei Zustand nach zweimaliger HWS-Operation mit Versteifung C4/5 im Dezember 2012 und Erweiterung des Neuroforamen C6/7 rechts im Mai 2007 mit Sensibilitätsstörung C5 rechts, eine Teileinsteifung der unteren BWS mit zusätzlicher kyphoskoliotischer Fehlstatik der Rumpfwirbelsäule und fortgeschrittenen degenerativen Aufbraucherscheinungen im Segment L5/S1 bei minimalem degenerativen Ventralgleiten L5 auf S1, einen Bandscheibenvorfall L4/5 mit spinaler Enge und insgesamt mäßigen bis mittelgradigen funktionellen Einschränkungen (GdB 30), sowie eine beginnende Gonarthrose beidseits ohne wesentliche funktionelle Einschränkungen (kein GdB von mindestens 10). Er schätzte den Gesamt-GdB auf 30 ein.
Auf ein Hinweisschreiben des SG vom 20.06.2014 und 23.07.2014 führte der Kläger zur Begründung seiner Klage aus, Dr. K. komme zu einem Gesamt-GdB von 50. Er besitze die Möglichkeit, ein Gutachten nach § 109 SGG zu beantragen, welches die Bewertung des Dr K. bestätige. Die Voraussetzungen für die Auferlegung von Verschuldenskosten lägen nicht vor (Schriftsatz vom 14.08.2014).
Mit Gerichtsbescheid vom 08.09.2014 wies das SG die Klage ab.
Gegen den dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 10.09.2014 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die vom Prozessbevollmächtigten des Klägers am 08.10.2014 eingelegte Berufung. Der Kläger hat zur Begründung auf seinen erstinstanzlichen Vortrag Bezug genommen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 8. September 2014 sowie den Bescheid des Beklagten vom 26. Juni 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. November 2013 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Grad der Behinderung mit 50 seit dem 8. April 2013 festzustellen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die angefallenen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf einen Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat den Berufungsantrag des Klägers nach seinem erkennbaren Begehren sachdienlich gefasst.
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 26.06.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.11.2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Neufeststellung eines GdB von über 30 seit dem 08.04.2013. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden.
Rechtsgrundlage für die vom Kläger begehrte Neufeststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen, welche ihrerseits nicht zum sogenannten Verfügungssatz des Bescheides gehören, zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG, Urteil vom 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 -, BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 16 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend.
Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP), die im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewendet wurden, die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 16 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB. Anders als die AHP, die aus Gründen der Gleichbehandlung in allen Verfahren hinsichtlich der Feststellung des GdB anzuwenden waren und dadurch rechtsnormähnliche Wirkungen entfalteten, ist die VersMedV als Rechtsverordnung verbindlich für Verwaltung und Gerichte. Sie ist indes, wie jede untergesetzliche Rechtsnorm, auf inhaltliche Verstöße gegen höherrangige Rechtsnormen - insbesondere § 69 SGB IX - zu überprüfen (BSG, Urteil vom 23.4.2009 - B 9 SB 3/08 R - RdNr 27, 30 m.w.N.). Sowohl die AHP als auch die VersMedV (nebst Anlage) sind im Lichte der rechtlichen Vorgaben des § 69 SGB IX auszulegen und - bei Verstößen dagegen - nicht anzuwenden (BSG, Urteil vom 30.09.2009 SozR 4-3250 § 69 Nr. 10 RdNr. 19 und vom 23.4.2009, a.a.O., RdNr 30)
Hiervon ausgehend ist im Vergleich zu dem im letzten Feststellungsbescheid vom 22.01.2008 beim Kläger mit einem GdB von 30 bewerteten Behinderungszustand eine Verschlechterung, die die Neufeststellung des GdB auf über 30 rechtfertigt, nicht festzustellen. Das SG hat im angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend begründet, dass die beginnende mediale Gonarthrose beidseits keinen messbaren GdB rechtfertige. Der Bluthochdruck habe mit einem GdB von 10 ausreichend Berücksichtigung gefunden und erscheine eher als großzügig. Hinsichtlich der chronischen Bronchitis sei ein GdB von über 10 nicht erkennbar. Eine Behinderung wegen eines bekannten Alkoholmissbrauchs liege nicht vor. Eine schwerwiegende Behinderung resultiere aus degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule. Es sei nicht zu beanstanden, dass der Beklagte diesen Wirbelsäulenveränderungen einen GdB von 30 zugewiesen habe. Der von Dr. K. vertretenen Ansicht, der GdB liege bei 50, sei nicht zu folgen. Einen Wirbelsäulenschaden mit besonders schweren Auswirkungen habe Dr. K. nicht beschrieben. Der Bluthochdruck und die chronische Bronchitis seien nicht geeignet, den GdB auf über 30 anzuheben. Der Senat gelangt nach eigener Prüfung zum selben Ergebnis. Er nimmt zur Begründung seiner eigenen Entscheidung auf die Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids in vollem Umfang Bezug, auf die er zur Vermeidung von Wiederholungen verweist (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend bleibt auszuführen:
Nach den VG Teil B 18.9 ist bei Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten ein Teil-GdB von 30 bis 40 gerechtfertigt. Maßgebend ist dabei, dass die Bewertungsstufe GdB 30 bis 40 erst erreicht wird, wenn mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorliegen. Die Obergrenze des GdB 40 ist danach erreicht bei schweren Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten (Urteil des erkennenden Senats vom 24.01.2014 - L 8 SB 2497/11 -, veröffentlicht in juris und im Internet sozialgerichtsbarkeit.de).
Hiervon ausgehend ist das Wirbelsäulenleiden des Klägers mit einem Einzel-GdB von 30 ausreichend und angemessen bewertet. Zwar liegen nach dem Gutachten des Dr. Spengler-Fabian vom 13.06.2014 wie auch nach den zu den Akten gelangten medizinischen Befundunterlagen beim Kläger erhebliche degenerative Veränderungen der Wirbelsäule vor, die bereits Operationen erforderlich machten. Dies rechtfertigt nach den VG jedoch noch nicht, von schweren funktionellen Auswirkungen in diesen Wirbelsäulenabschnitten auszugehen. Nach den VG Teil B 18.1 wird der GdB für angeborene und erworbene Schäden an den Haltungs- und Bewegungsorganen vielmehr entscheidend bestimmt durch die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen (Bewegungsbehinderung, Minderbelastbarkeit) und die Mitbeteiligung anderer Organsysteme. Die üblicher Weise auftretenden Beschwerden sind dabei mitberücksichtigt. Allein mit Bild gebenden Verfahren festgestellte Veränderungen (z. B. degenerativer Art) rechtfertigen noch nicht die Annahme eines GdB. Ebenso kann die Tatsache, dass eine Operation an einer Gliedmaße oder an der Wirbelsäule (z. B. Meniskusoperation, Bandscheibenoperation, Synovialektomie) durchgeführt wurde, für sich nicht die Annahme eines GdB begründen.
Nach dem Gutachten des Dr. S.-F. vom 13.06.2014 bewirken die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule des Klägers sowie eine Versteifung im Wirbelsäulensegment C4/5 und eine Teileinsteifung der unteren Brustwirbelsäule an Funktionsbeeinträchtigungen lumbale Dauerschmerzen mit Ausstrahlung in das rechte Bein, eine geringgradige Muskelmassenminderung des rechten Oberschenkels mit geringgradigen Sensibilitätsstörungen im Dermatom L5 sowie anhaltende Beschwerden im Bereich des Nackens mit Sensibilitätsstörungen in den Fingern D1 bis D3 rechts. Sensomotorische Ausfälle hat Dr. S.-F. jedoch nicht festgestellt. Weiter besteht eine geringgradige thorakolumbale Kyphoskoliosierung der HWS mit Streckfehlhaltung bzw. eine geringgradige kyphoskoliotische Fehlstatik im Bereich der Rumpfwirbelsäule. Außerdem beschreibt Dr. Spengler-Fabian eine mäßiggradige Einschränkung der Steh- und Gehfähigkeit (rechts schleppendes jedoch sicheres Gangbild, die Stand- und Gangarten können vom Kläger demonstriert werden). Eine höhergradige Einschränkung der Bewegungsfähigkeit der Wirbelsäule des Klägers hat Dr. S.-F. nicht feststellen können. Nach seinen Beschreibungen im Gutachten waren höhergradige funktionelle Einschränkungen der Wirbelsäule beim Ent- und Ankleiden nicht zu erkennen. Die Beweglichkeit der HWS ist in der Vor-/Rückneigung endgradig (30-0-30°), in der Seitneigung zur Hälfte und in der Drehung knapp zur Hälfte eingeschränkt. Es besteht weiter eine leichtgradige Einschränkung der Entfaltbarkeit der Brust- und Lendenwirbelsäule (Zeichen nach Schober 10 zu 13 cm, Ott 30 zu 32,5 cm) sowie eine Einschränkung der Seitneigung im Stehen um ein Drittel (20-0-20°) bei endgradig freier Rotation (30-0-30°). Schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten sind danach zur Überzeugung des Senats nicht festzustellen. Hiervon geht auch Dr. Spengler-Fabian in seinem Gutachten aus, der insgesamt bis zu mittelgradige funktionelle Einschränkungen bei einem Einzel-GdB von 30 annimmt. Dieser überzeugenden Bewertung schließt sich der Senat an.
Der abweichenden Bewertung des Dr. K. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 07.04.2014, der hinsichtlich der HWS von einem GdB von 30 und hinsichtlich der LWS von einem GdB von 20 ausgeht und den Gesamt-GdB mit 50, mindestens 40, annimmt, worauf sich der Kläger im Klageverfahren zur Begründung seiner Klage berufen hat, kann nicht gefolgt werden. Besonders schweren Auswirkungen (z. B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst [z. B. Milwaukee- Korsett]; schwere Skoliose [ab ca. 70° nach Cobb]), die nach den VG Teil B 18.9 einen GdB von 50 bis 70 rechtfertigen, beschreibt Dr. K. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage nicht, wie das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend begründet hat. Solche besonders schweren Auswirkungen lassen sich auch dem Gutachten des Dr. Spengler-Fabian sowie den sonst zu den Akten gelangten medizinischen Befundunterlagen nicht entnehmen. Im Übrigen geht auch Dr. K. nicht von schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten des Klägers aus, sondern nur hinsichtlich der HWS (GdB 30), was nach der dargestellten Rechtsprechung des Senats einen Einzel-GdB von 40 noch nicht rechtfertigt.
Sonstige Behinderungen, die einen GdB von über 10 rechtfertigen, liegen beim Kläger nicht vor, wie das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend festgestellt hat, und werden vom Kläger im Übrigen auch nicht substantiiert geltend gemacht.
Die Bemessung des Gesamt-GdB erfolgt nach § 69 Abs. 3 SGB IX. Danach ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. A Nr. 3 VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der AHP bzw. der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt.
Hiervon ausgehend ist bei der Bildung des Gesamt-GdB das Wirbelsäulenleiden des Klägers mit einem Einzel-GdB von 30 zu berücksichtigen. Dieser wird durch den Bluthochdruck und die chronische Bronchitis, die mit einem Einzel-GdB von allenfalls 10 zu bewerten sind, sowie die nicht GdB-relevante beginnende Gonarthrose nicht weiter erhöht. Damit ist im Vergleich zum letzten Feststellungsbescheid vom 22.01.2008 eine wesentliche Änderung im Sinne einer Verschlimmerung, die die Neufeststellung eines höheren GdB als 30 rechtfertigt, beim Kläger nicht eingetreten.
Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht nicht. Der für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits relevante Sachverhalt ist durch die zu den Akten gelangten medizinischen Befundunterlagen sowie durch die vom SG durchgeführten Ermittlungen für den Senat geklärt. Gesichtspunkte, die Anlass zu weiteren Ermittlungen geben, hat der Kläger nicht aufgezeigt.
Die Berufung des Klägers war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
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