L 10 U 4893/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 U 4976/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 4893/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 26.06.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung weiterer Unfallfolgen und die Gewährung von Verletztenrente streitig.

Der am 1974 geborene Kläger erlitt am 13.10.2004 im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Montageschlosser bei der früheren D. AG einen Wegeunfall, indem er auf dem Weg zur Arbeit als PKW-Fahrer mit einem Bagger kollidierte. Hierbei zog sich der Kläger vor allem eine Lungenkontusion mit Rippenserienfraktur und Pneumothorax, einen knöchernen Patellarsehnenausriss rechts mit Bursaverletzung, eine Luxation des Großzehengrundgelenks rechts und eine metatarsale III-Köpfchenfraktur rechts zu. Der Kläger wurde stationär in den Städtischen Kliniken E. aufgenommen und zunächst intensivmedizinisch behandelt. Nach Stabilisierung wurde u.a. der Patellarpolausriss operativ versorgt. Am 27.10.2004 wurde der Kläger aus der stationären Behandlung entlassen (vgl. Bericht der Städtischen Kliniken E. vom 26.10.2004, Bl. 2 VerwA). Nach regelrechtem weiteren Verlauf trat beim Kläger ab 07.02.2005 wieder Arbeitsfähigkeit ein (vgl. Abschlussbericht der Städtischen Kliniken E. vom 11.02.2005, Bl. 20 VerwA), worauf der Kläger seine Tätigkeit als Montageschlosser wieder aufnahm. Im weiteren Verlauf war der Kläger mehrmals wegen verschiedenen Erkrankungen arbeitsunfähig, vor allem wegen Wirbelsäulenbeschwerden (u.a. Lumboischialgie) und Bronchitis. Im Oktober 2008 wurde das Arbeitsverhältnis arbeitgeberseitig beendet. Im Rahmen des gegen die Kündigung vor dem Arbeitsgericht geführten Rechtsstreits einigte sich der Kläger mit seinem Arbeitgeber auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.03.2009 gegen Zahlung einer Abfindung. Hiernach war der Kläger abgesehen von einer sechsmonatigen Tätigkeit bei einer Leiharbeitsfirma zunächst arbeitslos, bevor er Ende 2011 eine Tätigkeit im Institut für Technische Thermodynamik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in S. aufnahm.

Mit Schreiben vom 04.05.2009 wandte sich der Kläger an die Beklagte und beantragte die Gewährung einer Rente. Er verwies auf den bei ihm festgestellten Grad der Behinderung (GdB) von 30 für "Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, chronisches Schmerzsyndrom, depressive Verstimmung, seelische Störung" und machte geltend, hierbei handele es sich um Folgeschäden des Unfalls vom 13.10.2004. Die Beklagte holte Auskünfte der behandelnden Ärzte des Klägers ein, u.a. des Facharztes für Psychiatrie Dr. A. (Behandlungsbeginn am 05.11.2007 wegen Posttraumatischer Belastungsstörung [PTBS], Angst und Depression gemischt), der den Kläger zur Durchführung einer ambulanten Psychotherapie an die Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin Dr. M. überwiesen hatte, und zog neben einem Vorerkrankungsverzeichnis weitere medizinische Unterlagen bei, insbesondere die beim Landratsamt E. - Amt für besondere Hilfen - geführte Schwerbehindertenakte. Danach hatte sich der Kläger im November 2004 bei dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie P. vorgestellt und neben Unwohlsein über verstärkte Ängste abends und Schlaflosigkeit geklagt sowie darüber, dass er immer öfter an seinen schweren Unfall denken müsse. In dem Entlassungsbericht der Reha-Klinik Am Kurpark in Bad K. , wo der Kläger im Oktober 2006 eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme (Diagnosen: chronisch rezidivierendes Thorakolumbalsyndrom mit mäßigen Funktionseinschränkungen der LWS) durchführte, ist als Befund eine unauffällige Psyche dokumentiert, wobei im Rahmen der psychologischen Beratungen zurückliegende Depressionen besprochen worden seien. Die Beklagte veranlasste sodann eine neurologisch-psychiatrische und eine orthopädische Begutachtung. Der Neurologe und Psychiater Prof. Dr. S. verneinte auf Grund seiner im Oktober 2009 erfolgten Untersuchung Unfallfolgen auf den von ihm vertretenen Fachgebieten und führte aus, die ab November 2007 begonnene psychiatrische Behandlung lasse keinen Zusammenhang mit dem Unfallereignis erkennen. Der Orthopäde Dr. H. beschrieb auf Grund seiner im November 2009 durchgeführten Untersuchung Bewegungs- und Belastungsschmerzen im rechten, leicht auch im linken Kniegelenk, die er mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um weniger als 10 vom Hundert (v.H.) bewertete, sowie eine leichte Verminderung der Atembreite des Thorax nach Rippenserienfraktur und eine eingeschränkte Belastbarkeit des rechten Vorfußes, was jeweils keine messbare MdE bedinge.

Mit Bescheid vom 11.01.2010 lehnte die Beklagte die Gewährung von Verletztenrente sodann mit der Begründung ab, die - im Einzelnen aufgeführten - Unfallfolgen im Bereich der Kniegelenke, der rechten Großzehe und des Brustkorbs bedingten keine MdE um wenigstens 20 v.H. Unfallfolgen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet seien nicht festzustellen. Die verschleißbedingten (degenerativen) Veränderungen der Lendenwirbelsäule, die Senk-Spreizfüße beidseits, die spezifischen Beschwerden beider Handgelenke und die depressive Symptomatik lägen unabhängig von dem Arbeitsunfall vor. Der dagegen eingelegte Widerspruch des Klägers, den er damit begründete, dass alle seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf die Unfallverletzungen zurückzuführen seien, wurde mit Widerspruchsbescheid vom 07.07.2010, seinem Bevollmächtigten am 12.07.2010 zugegangen, zurückgewiesen.

Dagegen hat der Kläger am 12.08.2010 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben und sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren wiederholt. Zuletzt hat er neben der Gewährung von Verletztenrente ab 04.05.2009 auch die Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung einer PTBS sowie Angst und Depression gemischt als Unfallfolge geltend gemacht.

Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat das SG das Gutachten des Dr. G. , Chefarzt der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin im Klinikum E. , auf Grund Untersuchung im September 2011 eingeholt. Der Sachverständige hat wegen des Fehlens von Nachhallerinnerungen intrusiven Charakters das Vollbild einer PTBS verneint und ist von einem partiellen posttraumatischen Belastungsstörungs-Syndrom ausgegangen, sowie ferner von einer Angst und Depression gemischt. Auf Grund der mittelschweren Ausprägung des festgestellten Krankheitsbildes hat er die MdE mit 30 v.H. eingeschätzt. Auf den weiteren Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG hat das SG darüber hinaus das Gutachten des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. S. eingeholt, der den Kläger im März 2012 untersucht hat. Als Unfallfolgen hat der Sachverständige einen Zustand nach Patellarsehnennaht bei knöchernem Patellarsehnenausriss am kaudalen Patellarpol mit posttraumatischen peritendinösen Verknöcherungen und persistierender Bewegungseinschränkung, insbesondere für die Kniebeugung von 30° gegenüber der Norm, einen Zustand nach Kniedistorsion links mit persistierenden Schmerzen, insbesondere bei Belastung und längerem Gehen, sowie einen Zustand nach Großzehenendgelenksluxation mit persistierenden Schmerzen und eingeschränkter Abrollfähigkeit des rechten Fußes über die große Zehe bei persistierender Bewegungseinschränkung und Wetterfühligkeit beschrieben und die MdE hierfür mit 10 v.H. eingeschätzt.

Zu dem Gutachten des Sachverständigen Dr. G. hat die Beklagte die beratungsärztliche Stellungnahme des Neurologen und Psychiaters Dr. F. vorgelegt. Dieser hat die Diagnose einer PTBS zeitnah zu dem Unfall nicht für gesichert erachtet, da die Symptommerkmale dieser Erkrankung durch Dr. A. und Dr. M. weder auf Beschwerde- noch auf Befundebene hinreichend festgestellt seien. Das SG hat sodann eine Auskunft bei dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie P. eingeholt, der den (bereits aktenkundigen) Arztbrief vom 05.11.2004 über die an diesem Tag erfolgte Vorstellung des Klägers vorgelegt hat. Auf Veranlassung des SG hat darüber hinaus Dr. M. über die von Dezember 2007 bis Oktober 2009 erfolgte Behandlung berichtet, im Rahmen derer eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie durchgeführt wurde.

Mit Urteil vom 26.06.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Unfallfolgen lägen allein von orthopädischer Seite vor, jedoch rechtfertigten diese keine Bemessung mit einer MdE in einem rentenberechtigenden Grad. Eine PTBS sei nicht festzustellen, da die entsprechenden Diagnosekriterien nicht erfüllt seien. Auch der Sachverständige Dr. G. habe das Vorliegen eines Vollbildes dieser Störung verneint. Zutreffend habe für die Beklagte auch Dr. F. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme deutlich gemacht, dass die Behandlungen bei Dr. A. und Dr. M. weniger wegen einer Traumafolgestörung bzw. Symptomen einer PTBS als vielmehr wegen der aufgetretenen Arbeitsplatzprobleme erfolgt seien.

Gegen das seinem Bevollmächtigten am 17.10.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 14.11.2013 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und geltend gemacht, das SG sei zu Unrecht von einer zeitlichen Zäsur zwischen dem erlitten Unfall und dem Beginn der psychiatrischen Behandlung ausgegangen. Schließlich habe er sich bereits im November 2004 bei dem Neurologen und Psychiater P. vorgestellt, der seine Beeinträchtigungen allerdings nicht hinreichend habe erklären können. Anschließend habe er sich um eine Kur bemüht, die schließlich im Oktober 2006 durchgeführt worden sei, wobei ihn der dort konsultierte Psychotherapeut auf seine psychische Traumatisierung hingewiesen und eine weitere Behandlung durch einen Psychotherapeuten empfohlen habe. Daraufhin habe er Dr. A. aufgesucht, der dann die ambulante psychotherapeutische Behandlung bei Dr. M. veranlasst habe, die er dann von 2007 bis 2009 absolviert habe. Das SG habe sich zu Unrecht über die Feststellungen des Sachverständigen Dr. G. hinweggesetzt, der eindeutig eine PTBS diagnostiziert habe. Auch habe dieser deutlich gemacht, dass es angesichts der erlittenen Bewusstlosigkeit nicht atypisch sei, dass er keine Unfalldetails träume oder nachträglich nicht reproduzieren könne. Darüber hinaus stehe auch der nachträgliche Arbeitsplatzkonflikt, einschließlich des Verlustes des Arbeitsplatzes, der Diagnosestellung nicht entgegen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 26.06.2013 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 11.01.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.07.2010 zu verurteilen, als weitere Unfallfolgen eine posttraumatische Belastungsstörung sowie Angst und Depression gemischt festzustellen und ihm Verletztenrente nach einer MdE um zumindest 20 v.H. ab 04.05.2009 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig und verweist darauf, dass der im November 2004 in Anspruch genommene Neurologe und Psychiater P. gerade nicht die Diagnose einer PTBS gestellt habe und allein schon im Hinblick auf die Angaben des Klägers, wonach er an das Unfallereignis keine Erinnerung habe, eine entsprechende Anerkennung ausscheide.

Der Senat hat Dr. A. und Dr. M. ergänzend schriftlich als sachverständige Zeugen angehört und ferner ein Gutachten bei Prof. Dr. Dr. W. , Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Bezirkskrankenhaus Günzburg, auf Grund Untersuchung des Klägers im Oktober 2014 eingeholt. Der Sachverständige hat das Vorliegen des Vollbildes einer PTBS verneint und die MdE bis zur Inanspruchnahme psychiatrischer Hilfe im November 2007 im Hinblick auf die vorhanden gewesene Symptomatik mit 20 v.H. eingeschätzt. Danach sei die MdE angesichts der eingetretenen schnellen Besserung noch mit 10 v.H. zu bewerten, wobei die Symptomatik anlässlich der Untersuchung bei Prof. Dr. S. im Oktober 2009 bereits so weit abgeklungen gewesen sei, dass die MdE weniger als 10 v.H. betragen habe. Die anhaltend noch bestehende, von ihm diagnostizierte Angststörung (teilweise auch Angst und Depression gemischt) hat der Sachverständige nicht wesentlich auf das Unfallereignis zurückgeführt. Diese sei im Rahmen von Arbeitsplatzproblemen im Zusammenhang mit unfallunabhängigen Arbeitsunfähigkeitszeiten entstanden, nicht weder als Folge der partiellen PTBS noch als Folge der minimal zu bewertenden orthopädischen Unfallfolgen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers ist als kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 SGG zulässig. Mit der Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG begehrt der Kläger die Aufhebung der die Gewährung von Verletztenrente ablehnenden Verwaltungsentscheidung und mit der Verpflichtungsklage die Verteilung der Beklagten zur Anerkennung weiterer Unfallfolgen. Nach der Rechtsprechung des BSG kann der Versicherte im Wege der Verpflichtungsklage nämlich anstelle gerichtlicher Feststellung gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG auch die Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung von Unfallfolgen als Element eines jeglichen Leistungsanspruchs verlangen (Urteil vom 05.07.2011, B 2 U 17/10 R in SozR 4-2700 § 11 Nr. 1 mit weiteren Ausführungen zur Anspruchsgrundlage). Mit der Leistungsklage macht der Kläger die Gewährung des von der Beklagten abgelehnten Verletztengeldes geltend.

Die zulässige Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage vielmehr zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 11.01.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.07.2010 ist, soweit die Beklagte das Vorliegen von Unfallfolgen von psychiatrischer Seite nicht feststellte und einen Anspruch auf Verletztenrente verneinte, rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Wegen der Folgen des am 13.10.2004 erlittenen Wegeunfalls steht dem Kläger Verletztenrente nicht zu.

Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers auf Gewährung von Verletztenrente ist § 56 Abs. 1 Satz 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII). Danach haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern. Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).

Versicherungsfälle sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Hierzu gehört nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit.

Bei dem in Rede stehenden Ereignis vom 13.10.2004 handelte es sich um einen Arbeitsunfall in diesem Sinne. Denn den Verkehrsunfall erlitt der Kläger am frühen Morgen beim Zurücklegen des Weges von seiner Wohnung zu seiner Arbeitsstelle. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig. Die Beklagte ist in dem angefochtenen Bescheid vom 11.01.2010 auch selbst von einem Arbeitsunfall ausgegangen.

Streitig ist zwischen den Beteiligten allerdings, ob über die auf orthopädischem Fachgebiet auch von der Beklagten angenommenen Unfallfolgen hinaus weitere Unfallfolgen eingetreten sind - nach Auffassung des Klägers eine PTBS sowie Angst und depressive Störung gemischt - und ob unter Berücksichtigung sämtlicher Unfallfolgen die Erwerbsfähigkeit des Klägers in einem rentenberechtigenden Ausmaß, mithin - da ein so genannter Stützrententatbestand nicht vorliegt - im Umfang von zumindest 20 v.H., gemindert ist.

Dies ist indes nicht der Fall.

Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).

Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gilt wie allgemein im Sozialrecht für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden die Theorie der wesentlichen Bedingung (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus. Es ist daher in einem ersten Schritt zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis eingetreten wäre. Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Andernfalls ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Gab es neben der versicherten Ursache noch andere, konkurrierende Ursachen (im naturwissenschaftlichen Sinn), z.B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, sofern die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war. Eine überwiegende oder auch nur gleichwertige Bedeutung der versicherten gegenüber der konkurrierenden Ursache ist damit für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs nicht Voraussetzung.

Nach diesen Grundsätzen ist als Folge des in Rede stehenden Arbeitsunfalls weder eine PTBS noch eine Angst und Depression gemischt festzustellen. Im Hinblick auf die als Unfallfolge geltend gemachte PTBS verneint der Senat mangels Erfüllung der entsprechenden Diagnosekriterien bereits das Vorliegen des Vollbildes einer PTBS. In Bezug auf das zur Anerkennung begehrte weitere Krankheitsbild Angst und Depression gemischt erachtet es der Senat nicht für hinreichend wahrscheinlich, dass diese Gesundheitsstörung rechtlich wesentlich ursächlich auf den im Oktober 2004 erlittenen Verkehrsunfall zurückzuführen ist.

Nach der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme - 10. Revision (ICD-10) entsteht eine posttraumatische Belastungsstörung als eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde (F 43.1). Typische Merkmale sind das wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, Flashbacks), Träumen oder Albträumen, die vor dem Hintergrund eines andauernden Gefühls von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit auftreten. Ferner finden sich Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen, Teilnahmslosigkeit der Umgebung gegenüber, Freudlosigkeit sowie Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen könnten. Meist tritt ein Zustand von vegetativer Übererregtheit mit Vigilanzsteigerung, einer übermäßigen Schreckhaftigkeit und Schlafstörung auf.

Dass der Kläger an einer posttraumatischen Belastungsstörung in diesem Sinne leidet oder in der Vergangenheit litt, vermag der Senat in Übereinstimmung mit der Auffassung des SG nicht festzustellen. Soweit der Kläger sich insoweit auf den Sachverständigen Dr. G. beruft, ist darauf hinzuweisen, dass dieser unter Nr. IV seines Gutachtens als Diagnose zwar eine PTBS nach ICD-10 F 43.1 aufführt. Jedoch hat er im Rahmen seiner sich anschließenden "Zusammenfassenden Beurteilung" einschränkend klargestellt, dass es sich beim Kläger auf Grund des Fehlens von Nachhallerinnerungen intrusiven Charakters nicht um das Vollbildes einer PTBS handelt, sondern lediglich um ein "partielles PTBS-Syndrom". Damit hat der Sachverständige Dr. G. aber gerade nicht die Diagnose einer PTBS, deren Anerkennung als Unfallfolge der Kläger begehrt, gestellt. Entsprechend hat sich auch der im Berufungsverfahren vom Senat hinzugezogene Sachverständige Prof. Dr. Dr. W. geäußert. Ähnlich wie Dr. G. hat zwar auch Prof. Dr. Dr. W. im Zusammenhang mit den Beeinträchtigungen des Klägers den Begriff der PTBS verwendet, jedoch ist er gleichermaßen wie zuvor schon Dr. G. davon ausgegangen, dass beim Kläger das Vollbild dieser Erkrankung nicht vorliegt. Prof. Dr. Dr. W. hat sich hinsichtlich der diagnostischen Zuordnung der Erkrankung des Klägers nämlich dem Vorgutachten des Dr. G. ausdrücklich angeschlossen und darüber hinaus im Rahmen seiner Ausführungen zur MdE deutlich gemacht, dass die beim Kläger aufgetretene Symptomatik gerade deshalb nicht die Bemessung mit der nach der unfallmedizinischen Literatur für das "übliche" Vollbild einer PTBS vorgesehenen MdE um 30 v.H. rechtfertigt, weil die beim Kläger aufgetretene Symptomatik nicht das Vollbild einer PTBS erreichte. Damit hat keiner der am Verfahren beteiligten Sachverständigen das Vollbild einer PTBS diagnostiziert, weshalb der Senat keine Grundlage für die Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung dieser Krankheit als Unfallfolge sieht. Eine andere Beurteilung rechtfertigt auch nicht der Umstand, dass die behandelnden Ärzte des Klägers Dr. A. und Dr. M. im Rahmen ihrer Arztbriefe und der dem SG bzw. dem Senat erteilten Auskünfte die Erkrankung des Klägers diagnostisch als PTBS gewertet haben. Denn die gerichtlichen Sachverständigen haben ihre Beurteilung nicht nur auf die anamnestischen Angaben des Klägers anlässlich ihrer jeweiligen Untersuchung im September 2011 bzw. Oktober 2014 gestützt, sondern vielmehr gerade auch die in der Vergangenheit von Dr. A. und Dr M. erhobenen Befunde berücksichtigt und unter Heranziehung der maßgeblichen Diagnosekriterien des ICD-10 bewertet. Auf dieser Grundlage all dessen haben sie überzeugend dann das Auftreten des Vollbildes einer PTBS verneint. Die Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung einer PTPS als Unfallfolge kommt daher nicht in Betracht. Denn Voraussetzung für die Anerkennung einer psychischen Störung als Unfallfolge ist eine entsprechende exakte Diagnose nach einem Diagnosesystem (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17).

Entsprechendes gilt auch im Hinblick auf die darüber hinaus als Unfallfolge geltend gemachte Angst und Depression gemischt (ICD-10 F 41.2). Allerdings ist insoweit unzweifelhaft, dass der Kläger zumindest in der Vergangenheit an einer Angst und Depression gemischt litt, die entsprechende Diagnose mithin gesichert ist. Von einer derartigen Erkrankung gingen nicht nur die behandelnden Ärzte Dr. A. und Dr. M. aus, sondern auf der Grundlage der Befundsituation zum Zeitpunkt seiner Untersuchung darüber hinaus auch der Sachverständige Dr. G ... Auch Prof. Dr. Dr. W. hat die diagnostische Zuordnung der beim Kläger in der Vergangenheit dokumentierten Befunde zu einer Angst und Depression gemischt nicht in Zweifel gezogen. Im Hinblick auf die anlässlich seiner Untersuchung im Oktober 2014 erhobenen Befunde, bei der sich keine wesentliche depressive Symptomatik mehr gezeigt hat, hat er diese Diagnose aktuell allerdings nicht mehr gestellt und vor dem Hintergrund der fortbestehenden Angstsymptomatik lediglich noch eine Angststörung diagnostiziert. Ob der Kläger vor dem Hintergrund, dass aktuell, d.h. zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats, keine Angst und Depression gemischt mehr vorliegt, noch die Verurteilung der Beklagten zur Feststellung dieser Erkrankung als Unfallfolge verlangen kann, kann der Senat dahingestellt sein lassen. Denn nach Überzeugung des Senats ist weder diese Erkrankung noch die von dem Sachverständigen Prof. Dr. Dr. W. zuletzt diagnostizierte Angststörung hinreichend wahrscheinlich wesentlich auf den Wegeunfall vom 13.04.2004 zurückzuführen.

Der Sachverständige Dr. G. ist in seinem Gutachten zwar von einem ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Wegeunfall des Klägers und der später aufgetretenen und auch noch von ihm diagnostizierten Angst und depressiven Störung gemischt ausgegangen und hat die hieraus resultierende psychische Symptomatik bei der Bemessung der MdE berücksichtigt. Allerdings hat er seine diesbezügliche Auffassung nicht begründet und seine Ausführungen zum Unfallzusammenhang beschränkt auf die PTBS und lediglich diese mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit den Unfall zurückgeführt. Demgegenüber hat der Sachverständige Prof. Dr. Dr. W. für den Senat überzeugend herausgearbeitet, dass zwar die Angststörung und die depressive Symptomatik durch das Unfallerlebnis und die nachfolgend aufgetretenen Symptome der PTBS ausgelöst wurden, bzw. diese Störungen sich als Teilsymptom der als Folge des Traumas aufgetretenen Symptomatik darstellten, es allerdings nicht hinreichend zu erklären ist, dass bei zunehmendem Abklingen der Symptome der PTBS eine zwischenzeitlich deutlich ausgeprägte diffuse Angststörung erhalten geblieben ist. Soweit der Sachverständige dies damit erklärt hat, dass nunmehr zunehmend unfallunabhängige Mechanismen "die Oberhand" gewannen, ist dies für den Senat vor dem Hintergrund der 2007/2008 vorhanden gewesenen Probleme am Arbeitsplatz, die schließlich im Oktober 2008 in eine arbeitgeberseitige Kündigung mündeten und trotz Klage vor dem Arbeitsgericht zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.03.2009 führte, ohne weiteres überzeugend, zumal sich hieran eine Arbeitslosigkeit anschloss und der Kläger zunächst kein neues Beschäftigungsverhältnis fand und lediglich kurzfristige Tätigkeiten bei Leiharbeitsfirmen ausübte. In einem Zusammenhang mit dem Wegeunfall aus dem Jahr 2004 stand diese Entwicklung nicht. Insoweit hat der Sachverständige zutreffend darauf hingewiesen, dass die in den Jahren 2005 bis 2007 aufgetretenen häufigen Arbeitsunfähigkeitszeiten, durch die es schließlich zu einer Mobbingsituation kam, insbesondere auf Brust- und Lendenwirbelsäulenbeschwerden zurückzuführen waren, nicht jedoch auf die verhältnismäßig geringfügigen Unfallfolgen. Keine einzige der dokumentierten AU-Zeiten ist mit psychischen Störungen oder Beschwerden seitens der Fuß-, Knie- oder Rippenverletzung begründet worden (vgl. Bl. 80 ff. VA). Darauf, dass sich im Zusammenhang mit einem Überforderungsgefühl bzw. Versagensängsten am Arbeitsplatz beim Kläger seinerzeit eine Selbstwertproblematik entwickelte, hat auch Dr. M. in ihrer dem Senat erteilten Auskunft hingewiesen. Soweit sie die Chronifizierung dieser Störungen allerdings in Zusammenhang mit den Folgen des Arbeitsunfalls brachte, überzeugt dies nicht. Denn Prof. Dr. Dr. W. hat - wie bereits erwähnt - zutreffend darauf hingewiesen, dass wesentliche körperliche Folgen des Arbeitsunfalls gerade nicht verblieben sind, diese vielmehr als minimal bewertet werden können, so dass diesen keine wesentliche Bedeutung im Rahmen der schwierigen Arbeitsplatzsituation beigemessen werden kann. Soweit der Kläger daher auch zum Zeitpunkt der gutachtlichen Untersuchung bei dem Sachverständigen Dr. G. noch an einer Angst und Depression gemischt gelitten hat, war diese nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit rechtlich wesentlich auf den Verkehrsunfall aus dem Jahr 2004 zurückzuführen. Entsprechend ist diese Erkrankung schon zu diesem Zeitpunkt nicht Unfallfolge gewesen, mithin auch nicht die noch verbliebene und von Prof. Dr. W. im Jahr 2014 diagnostizierte Angststörung

Nach alledem könnte der Kläger mit seinem Begehren auf Gewährung von Verletztenrente nur dann erfolgreich sein, wenn einerseits die aus den Symptomen der partiellen PTPS resultierenden Funktionseinschränkungen und andererseits die orthopädischen Unfallfolgen die Bemessung mit einer MdE um zumindest 20 v.H. rechtfertigen würde. Dies ist indes nicht der Fall.

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperli¬chen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermö¬gens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust un¬ter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäuße¬rungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit aus¬wirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unent¬behrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich dar¬auf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletz¬ten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswir¬kungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.

Unter Anwendung dieser Grundsätze rechtfertigen die beim Kläger verbliebenen Unfallfolgen nicht die Bemessung mit einer MdE um 20 v.H.

Von orthopädischer legt der Senat zugunsten des Klägers die von der Beklagten angenommenen Unfallfolgen im Bereich beider Kniegelenke, des rechten Vorfußes und der Rippen und die hieraus resultierenden Funktionseinschränkungen zu Grunde. Es bedarf insoweit keiner Erörterung, ob die Beschwerden im Bereich des linken Knies angesichts fehlender Dokumentation eines Gesundheitserstschadens tatsächlich auf den Unfall zurückzuführen sind. Der auf Antrag des Klägers hinzugezogene Sachverständige Dr. S. hat dabei im Vordergrund die Bewegungseinschränkung für die Kniebeugung rechts von 30 Grad gesehen (Messwerte nach der Neutral-0-Methode für die Streckung/Beugung: 5-0-110) und unter Berücksichtigung der angegebenen Beschwerden im Bereich beider Knie sowie der eingeschränkten Abrollfähigkeit der Großzehe die MdE nachvollziehbar mit 10 v.H. bewertet. Demgegenüber ging der von der Beklagte im Verwaltungsverfahren hinzugezogene Gutachter Dr. H. von einer MdE um weniger als 10 v.H. aus, dies allerdings auch bei Befunden, die sich etwas günstiger darstellten als bei der Untersuchung durch Dr. S ... So gab Dr. H. die Beweglichkeit des rechten Kniegelenks für die Streckung/Beugung mit 0-0-125 an und beschrieb das Bewegungsdefizit am rechten Großzeh mit geringfügig, während Dr. S. die Bewegungsmaße für das rechte Knie mit 5-0-110 dokumentierte und bzgl. der Großzehe eine um die Hälfte eingeschränkte Beweglichkeit fand. Vor diesem Hintergrund erachtet es der Senat für angemessen, die MdE von orthopädischer Seite in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen Dr. S. mit 10 v.H. zu bewerteten. Auch der Kläger hat hiergegen keine Einwände erhoben. Anhaltspunkte für eine höhere Bewertung, insbesondere mit einer rentenberechtigenden MdE um 20 v.H. sieht der Senat nicht.

Im Hinblick auf die aus den Symptomen der partiellen PTPS resultierenden Funktionseinschränkungen hat der Sachverständige Prof. Dr. Dr. W. für den Senat schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass sich die anfänglich vorhanden gewesene Symptomatik durch die im November 2007 erfolgte Inanspruchnahme des Psychiaters Dr. A. , der sogleich eine psychotherapeutische Behandlung bei Dr. M. einleitete, relativ rasch besserte und bereits anlässlich der Untersuchung durch Prof. Dr. S. im Oktober 2009 so weit abgeklungen war, dass die MdE zu diesem Zeitpunkt nicht mehr den Wert von 10 v.H. erreichte.

Auf dieser Grundlage rechtfertigen die psychischen Unfallfolgen des Klägers ab dem vorliegend im Streit stehenden Zeitpunkt 04.05.2009 nicht mehr die Bemessung mit einer MdE um 10 v.H. Auf Grund der vorliegenden medizinischen Unterlagen geht der Senat davon aus, dass die Symptome der partiellen PTBS nicht erst zum Zeitpunkt der Untersuchung durch Prof. Dr. S. im Oktober, sondern bereits im Mai 2009 so weit abgeklungen waren, dass die Bemessung mit einer MdE um 10 v.H. nicht mehr gerechtfertigt war. Denn ganz im Vordergrund stand zu diesem Zeitpunkt bereits die - wie dargelegt - unfallunabhängige Angst und Depression gemischt. Dies entnimmt der Senat insbesondere den Darlegungen des Dr. A. , der im Verwaltungsverfahren im Rahmen seines an die Beklagte gerichteten Schreibens vom 19.05.2009 ausführte, dass der Kläger derzeit noch wegen Angst und Depression gemischt in Behandlung stehe und deshalb medikamentös behandelt werde. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass von der partiellen PTBS auch noch im Mai 2009 Funktionsbeeinträchtigungen ausgingen, die eine MdE um zumindest 10 v.H. hätten rechtfertigen können, sieht der Senat daher nicht.

Unfallfolgen, die die Bemessung mit einer MdE um zumindest 20 v.H. rechtfertigen würden, lagen nach alledem in dem streitigen Zeitraum nicht vor. Die Berufung des Klägers kann mithin keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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