Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 12 EG 1345/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 EG 4874/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 06.10.2014 aufgehoben und die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids vom 15.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.04.2013 verurteilt, der Klägerin weiteres Elterngeld für den 06.03. bis 05.04.2013 in Höhe von 16,65 EUR und für den 06.04.2013 bis 05.02.2014 in Höhe von monatlich 258,07 EUR zu gewähren.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen.
Tatbestand:
Im Streit steht die Höhe des Elterngeldes für das Kind C. S. R. (im Folgenden: C).
Die 1980 geborene, verheiratete Klägerin ist Mutter der am 06.02.2013 geborenen C. Sie lebt mit ihrem Ehemann und C in einem gemeinsamen Haushalt in Deutschland und betreut und erzieht C selbst. Die Klägerin war zunächst bei der E.O. R. AG versicherungspflichtig beschäftigt und wechselte zum 16.05.2012 zur S. Stadtwerke U./N.-U. GmbH (im Folgenden: S.). Im Januar 2012 beantragte die Klägerin einen Steuerklassenwechsel von Ehe-mann/Ehefrau III/V zu V/III. Mit Schreiben vom 12.01.2012 bestätigte das Finanzamt E.-S. für die Klägerin die Steuerklasse III ab 01.01.2012. Von der E.O. R. AG wurde in den Lohnabrechnungen daher ab 01.01.2012 die Steuerklasse III zugrunde gelegt. Bei ihrer neuen Arbeitgeberin legte die Klägerin die Lohnsteuerkarte 2010 vor, auf der noch die Lohnsteuerklasse V vermerkt war. Die S. legte daher bei der Lohnabrechnung von Mai bis Dezember 2012 die Steuerklasse V zugrunde. Ab dem 21.12.2012 bis 03.04.2013 erhielt die Klägerin Mutterschaftsgeld in Höhe von 13,00 EUR täglich sowie einen Arbeitgeberzuschuss zum Mutterschaftsgeld. Im Zeitraum 01.12.2011 bis 30.11.2012 erzielte die Klägerin steuerpflichtige Einnahmen in Höhe von 54.965,51 EUR (24.871,87 EUR E.O. R. AG; 30.093,66 EUR SWU). Nach der Geburt von C war die Klägerin nicht erwerbstätig.
Am 11.03.2013 beantragte die Klägerin die Gewährung von Elterngeld für die ersten zwölf Lebensmonate von C. Mit Bescheid vom 15.03.2013 gewährte die Beklagte der Klägerin Elterngeld für den ersten Lebensmonat in Höhe von 0,00 EUR, für den zweiten Lebensmonat in Höhe von 99,48 EUR und für den dritten bis zwölften Lebensmonat in Höhe von monatlich 1.541,93 EUR. Die Beklagte legte dabei ein Einkommen aus nichtselbstständiger Tätigkeit im Bemessungszeitraum (01.12.2011 bis 30.11.2012) in Höhe von 54.965,51 EUR zugrunde und errechnete nach Abzug des Arbeitnehmerpauschbetrags in Höhe von 999,96 EUR, monatlichen Abzügen für Steuern von 1.575,27 EUR und für Sozialabgaben von 549,66 EUR durchschnittliche monatliche Einkünfte in Höhe von 2.372,20 EUR. Mit dem Anspruchsfaktor 65 % errechnete sie daraus ein monatliches Elterngeld (vor Anrechnung anderer Leistungen) in Höhe von 1.541,93 EUR. Für den ersten und zweiten Lebensmonat seien das Mutterschaftsgeld und der Arbeitgeberzuschuss zum Mutterschaftsgeld anzurechnen.
Mit ihrem Widerspruch vom 08.04.2013 machte die Klägerin geltend, ihr Arbeitgeber S. habe seit Beginn der Tätigkeit am 16.05.2012 ihr Gehalt falsch abgerechnet. Obwohl sie tatsächlich der Steuerklasse III zugeordnet sei, habe ihr Arbeitgeber das Gehalt nach der Steuerklasse V abgerechnet. Bei richtiger Berechnung hätte sie pro Monat um gut 800,00 EUR höhere monatliche Einkünfte gehabt und damit Anspruch auf den Höchstsatz von 1.800,00 EUR.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.04.2013 wies die Beklagte unter ausführlicher Darlegung der Rechtsgrundlagen für die Berechnung des Elterngeldes den Widerspruch zurück. Zur Ermittlung des Elterngeldes würden die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben nach den Vorgaben der §§ 2e und 2f Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) in pauschalierter Form vorgenom-men. Für die Ermittlung der nach den §§ 2e und 2f BEEG erforderlichen Abzugsmerkmale für Steuern und Sozialabgaben seien die Angaben in der Lohn- und Gehaltsbescheinigung maßgeblich, die für den letzten Monat im Bemessungszeitraum erstellt worden sei, in dem die berechtigte Person zu berücksichtigende Einnahmen gehabt habe. Soweit sich in den Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Bemessungszeitraumes eine Angabe zu einem Abzugsmerkmal geändert habe, sei die von der Angabe nach Satz 1 abweichende Angabe maßgeblich, wenn sie in der überwiegenden Zahl der Monate des Bemessungszeitraums gegolten habe. Vorliegend sei das Gehalt der Klägerin im letzten Monat des Bemessungszeitraums (November 2012) nach der Steuerklasse V abgerechnet worden. Diese Steuerklasse habe auch in der überwiegenden Zahl der Monate des Bemessungszeitraums gegolten. Für die pauschalierte Berechnung der Steuern sei daher die Steuerklasse V als Abzugsmerkmal zu berücksichtigen, auch wenn im Bemessungszeitraum teilweise Monate nach Steuerklasse III abgerechnet worden seien. Die fiktive Berücksichtigung einer anderen Steuerklasse, die sich bei richtiger Abrechnung durch den Arbeitgeber ergeben hätte, sei nicht möglich, da dies gegen die eindeutigen gesetzlichen Bestimmungen des Elterngeldes verstoßen würde.
Hiergegen richtet sich die am 08.05.2013 zum Sozialgericht Ulm (SG) erhobene Klage. Die Klägerin verweist auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 03.12.2009 (B 10 EG 3/09 R) zur damaligen Fassung des § 2 Abs 7 Satz 4 BEEG. Danach seien die Bescheinigungen des Arbeitgebers lediglich als Grundlage, nicht aber als alleinige Erkenntnisquelle bezeichnet worden. Die Vorschrift wolle lediglich die Aufklärung des Sachverhaltes von Amts wegen erleichtern, nicht jedoch die für die Gewährung von Elterngeld zuständigen Stellen von ihrer Sachaufklärungspflicht entbinden. Schon im Verwaltungsverfahren sei deshalb Hinweisen auf Fehler oder Einwendungen gegen die Richtigkeit der Arbeitgeberbescheinigung nachzugehen. Die Beklagte habe daher ihren Berechnungen die Steuerklasse III zugrunde legen müssen.
Mit Urteil vom 06.10.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die vorliegend streitige Berechnung der Abzüge für Steuern richte sich nach § 2e BEEG. Als Abzug für die Einkommenssteuer sei der Betrag anzusetzen, der sich unter Berücksichtigung der Steuerklasse und des Faktors nach § 39f des Einkommenssteuergesetzes (EStG) nach § 2c Abs 3 ergebe (§ 2e Abs 3 Satz 1 BEEG). Im Zusammenhang mit der Regelung des § 2c Abs 3 Satz 1 BEEG, wonach Grundlage der Ermittlung der nach den §§ 2e und 2f BEEG erforderlichen Abzugsmerkmale für Steuern und Sozialabgaben die Angaben in der Lohn- und Gehaltsbescheinigung seien, die für den letzten Monat im Bemessungszeitraum mit Ein-nahmen nach Abs 1 erstellt worden sei, ergebe sich eindeutig, dass es auf die tatsächlich abgerechneten Steuern aufgrund der eingetragenen Steuerklasse ankomme. Dies werde zusätzlich gestützt durch den Wortlaut des § 2e Abs 3 Satz 2 BEEG, der eine Regelung für den Fall treffe, dass die berechtigte Person im Bemessungszeitraum nach § 2b BEEG in keine Steuerklasse eingereiht gewesen sei. Auch das BSG habe zur früheren Regelung des § 2 Abs 7 BEEG die Auffassung vertreten, dass es auf die tatsächlich entrichteten und nicht etwa fiktiv ermittelte Steuern (etwa nach einer anderen Steuerklasse) ankomme (BSG 25.06.2009, B 10 EG 3/08 R und 20.05.2014, B 10 EG 11/13 R). Diese Rechtsprechung könne auch auf die Neuregelung übertragen werden. Nach der Gesetzesbegründung habe ua die Einführung des § 2e BEEG als Ziel eine Vereinfachung bei der Einkommensermittlung, ohne jedoch die wichtigsten Vorgaben der bisherigen Rechtslage, zB die grundsätzliche Maßgeblichkeit der in der Lohnsteuerkarte eingetragenen Steuerklasse, zu ändern. Da das Gehalt der Klägerin unstreitig in der überwiegenden Zahl der Monate des Bemessungszeitraums nach der Steuerklasse V abgerechnet worden sei, habe die Beklagte zu Recht die tatsächlich aufgrund dieser Steuerklasse ermittelte Einkommenssteuer abgesetzt.
Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 27.10.2014 zugestellte Urteil richtet sich die am 26.11.2014 eingelegte Berufung der Klägerin. Es sei zuzugeben, dass die Klägerin selbst die Ursache für die Fehleinschätzung gesetzt habe. Bei Antreten der neuen Arbeitsstelle zum 16.05.2012 habe die Klägerin ihrer neuen Arbeitgeberin nur die Lohnsteuerkarte 2010 übergeben, in der sie noch der Steuerklasse V zugeordnet gewesen sei, nicht aber die entsprechende Mitteilung des Finanzamts E.-S. über die gespeicherten Lohnsteuermerkmale, wonach sie ab 01.01.2012 der Steuerklasse III zugeordnet gewesen sei. Die neue Arbeitgeberin habe daher davon ausgehen müssen, dass die Klägerin der Steuerklasse V zugeordnet sei und habe auf dieser Grundlage die Entgeltabrechnungen für die hier relevanten Monate Mai bis November 2012 er-stellt. Dass die Arbeitgeberin von der falschen Steuerklasse ausgegangen sei, sei der Klägerin leider erst im März 2014, zu Beginn der Erstellung der Einkommenssteuererklärung 2012 aufgefallen. Zu diesem Zeitpunkt sei eine Korrektur der Entgeltabrechnungen durch die Arbeitgeberin nicht mehr möglich gewesen, da diese die Lohnsteuerbescheinigung 2012 für die Klägerin bereits innerhalb der Frist des § 41b Abs 1 Satz 2 EStG an das Finanzamt U. übermittelt hatte. Es erscheine mehr als fraglich, dass der Klägerin auf Grundlage des vorliegenden Sachverhaltes tatsächlich ihr Anspruch auf Elterngeld teilweise verlustig gegangen sein solle. Ursprünglich habe das Lohnsteuerabzugsverfahren in Deutschland am 01.01.2012 digitalisiert werden sollen. Die für die Berechnung der Abzüge notwendigen Daten sollten Arbeitgeber ab diesem Zeitpunkt nicht mehr der jährlich unterschiedlich gefärbten Papierlohnsteuerkarte entnehmen, sondern per elektronischer Abfrage stets aktuell aus dem zentralen Register erfahren. Entsprechend sei die Papierlohnsteuerkarte bereits 2011 nicht mehr neu aufgelegt worden. Für die Übergangszeit zum neuen Verfahren hätten die Papierlohnsteuerkarten von 2010 ihre Gültigkeit behalten. Aufgrund mehrmaliger Verzögerungen sei das elektronische Lohnsteuerabzugsverfahren erst zum 01.01.2013 in Kraft getreten. Ohne diese Verzögerungen hätte sich die neue Arbeitgeberin die für die Berechnung der Abzüge notwendigen Daten per elektronischer Abfrage besorgt. Die Verzögerungen bei der Einführung der elektronischen Lohnsteuerabzugsverfahrens seien also in nicht unerheblichem Maße mitursächlich für diesen Rechtsstreit. Hätte die Klägerin nur wenige Tage früher mit der Erstellung der Einkommenssteuererklärung 2012 begonnen, nämlich noch im Februar 2013, hätte sie auch den Fehler in den Entgeltabrechnungen ihrer Arbeitgeberin früher entdeckt und der Arbeitgeberin wäre eine Abänderung der betreffenden Entgeltabrechnungen noch möglich gewesen. Dass schlichter Zeitablauf die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen hindern könne, kenne man nicht zuletzt aus den Regelungen zur Verjährung. Die regelmäßige Verjährungsfrist betrage nach § 195 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) immerhin drei Jahre. Dass gerade im Sozialrecht Leistungsempfänger durch einkommenssteuerrechtliche Regelungen bereits nach wenigen Monaten ihrer Ansprüche teilweise verlustig gehen sollten, könne mit dem Sinn und Zweck der Regelungen zum Elterngeld nicht mehr viel zu tun haben. Für den Bereich des Einkommenssteuerrechtes möge es sinnvoll und nachvollziehbar sein, dass Arbeitgeber, nachdem sie die Lohnsteuerbescheinigung für den vorangegangenen Veranlagungszeitraum innerhalb der Frist des § 41b Abs 1 Satz 2 EStG übermittelt hätten, Entgeltabrechnungen für eben diesen Zeitraum nicht mehr anpassen müssten. Für derartige Anpassungen bestehe auch gar kein Erfordernis mehr, nachdem jeder Arbeitnehmer unproblematisch eine Einkommenssteuererklärung abgeben könne und in der Folge zu viel gezahlte Lohnsteuer zurückerhalte. Weshalb diese kurze Zweimonatsfrist dergestalt auf das Recht zum Elterngeld durchschlagen solle, dass ein ganz offensichtliches Versehen die Ansprüche eines Leistungsempfängers beschneide, sei nicht ersichtlich. Die Klägerin habe großes Verständnis dafür, dass zur Vereinfachung des Vollzugs des Elterngeldes ein möglichst einfacher Weg zur Ermittlung der Höhe desselben gewählt werden müsse. Würden jedoch bei der Ermittlung inhaltlich falsche Urkunden herangezogen und werde dies auch erkannt, müsse vom - vermeintlich - einfachsten Weg abgewichen werden. Diesen Gedanken habe auch der Gesetzgeber aufgegriffen, wenn er berücksichtige, dass Lohn- und Gehaltsbescheinigungen nicht immer inhaltlich richtig seien und daher vom Arbeitgeber gegebenenfalls später korrigiert werden müssten. In der Gesetzesbegründung zu § 2c Abs 2 BEEG (BT-Drucksache 17/9841 S 22) heiße es: "Nach der Regelung sind Korrekturmeldungen in späteren Monaten für die bei der Elterngeldberechnung maßgeblichen Monate nach § 2b Abs 1 und 3 zu berücksichtigen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Arbeitgeber eine neue Lohn- und Gehalts-bescheinigung für den betreffenden Monat erstellt oder in einer späteren Lohn- und Gehaltsbescheinigung die Korrektur für einen Vormonat vornimmt." Um auch Fälle wie den hier vorliegenden berücksichtigen zu können, habe der Gesetzgeber den Lohn- und Gehaltsbescheinigungen lediglich eine Richtigkeits- und Vollständigkeitsvermutung zugesprochen. Bei dieser Vermutung handele es sich nicht um eine unwiderlegliche, sondern vielmehr um eine widerlegliche Vermutung, bei der der Beweis des Gegenteils zulässig sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 06.10.2014 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 15.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.04.2013 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr im zweiten Lebensmonat weiteres Elterngeld in Höhe von 16,65 EUR und im dritten bis zwölften Lebensmonat jeweils weiteres Elterngeld in Höhe von monatlich 258,07 EUR zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
In der gesetzlichen Regelung des § 2e Abs 1 Satz 1, Abs 3 BEEG sei nicht vorgesehen, Ausnahmen von dem dort beschriebenen Weg der Ermittlung des Steuerabzugs vorzunehmen. Der Gesetzeszweck der Verwaltungsvereinfachung könnte nicht mehr erreicht werden, wenn in jedem Einzelfall detailliert zu prüfen wäre, aufgrund welcher Umstände der Arbeitgeber/das Finanzamt den Steuerabzug nach einer bestimmten Steuerklasse vorgenommen habe (unter Bezugnahme auf BT-Drucks 17/9841). Die Beklagte habe den Steuerabzug daher zutreffend aufgrund der gesetzlichen Regelung vorgenommen. Aufgrund welcher Umstände es zur Steuerberechnung gemäß Steuerklasse V gekommen sei, spiele keine Rolle. Die Annahme eines fiktiven Steuerabzugs sei vorliegend nicht möglich. Hinzu komme, dass die Klägerin während des Zeitraums zwischen Mai und November 2012 hinreichend Zeit gehabt hätte, die Steuerklasse wieder zu ändern. Der Vortrag der Klägerin bestätige, dass der Steuerabzug tatsächlich nach der Lohnsteuerklasse V erfolgt und auch nicht mehr nachträglich zu korrigieren sei. Damit stelle die Lohnsteuerbescheinigung entgegen der klägerischen Auffassung die Tatsachen richtig dar, von einer fehler-haften Bescheinigung könne nicht die Rede sein. Warum die Lohnsteuerklasse V zugrunde gelegt worden sei, spiele keine Rolle, da es nur auf die tatsächlichen Gegebenheiten ankomme.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten (§§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, hat Erfolg.
Die nach den §§ 143, 144 Abs 1 Nr 1, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig und in der Sache auch begründet. Der Bescheid vom 15.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.04.2013 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin, die ihr Begehren zulässigerweise im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und Abs 4 SGG) verfolgt, hat Anspruch auf Gewährung höheren Elterngeldes für den zweiten bis zwölften Lebensmonat von C unter Ermittlung des im Bemessungszeitraum erzielten Nettoentgelts unter Anwendung der Lohnsteuerklasse III.
Der Anspruch der Klägerin auf Elterngeld richtet sich nach dem mit Wirkung zum 01.01.2007 eingeführten BEEG (Gesetz vom 05.12.2006, BGBl I 2748). Nach § 1 Abs 1 BEEG hat An-spruch auf Elterngeld, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (Nr 1), mit seinem Kind in einem Haushalt lebt Nr 2), dieses Kind selbst betreut und erzieht (Nr 3) und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt (Nr 4). Die Klägerin hatte im Bezugs-zeitraum vom 06.02.2013 bis 05.02.2014 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, lebte mit der am 06.02.2013 geborenen C in einem Haushalt, betreute und erzog sie und übte während des streitigen Zeitraums keine Erwerbstätigkeit aus. Dies entnimmt der Senat den Angaben der Klägerin gegenüber der Beklagten im Verwaltungsverfahren.
Die Höhe des Elterngeldes bemisst sich nach § 2 BEEG (hier in der Fassung vom 23.10.2012, BGBl I 2262). Elterngeld wird gemäß § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG in Höhe von 67 % des in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit bis zu einem Höchstbetrag von 1.800,00 EUR monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt. Der Bemessungszeitraum von zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes unterliegt den Einschränkungen des § 2b Abs 1 Satz 2 BEEG. Danach bleiben ua Kalendermonate unberücksichtigt, in denen die berechtigte Person Mutterschaftsgeld nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch bezogen hat. Unter Anwendung dieser Regelungen fallen die Monate Januar 2013 und Dezember 2012 nicht mit in den Bemessungszeitraum, da die Klägerin ab dem 21.12.2012 Mutterschaftsgeld bezogen hat. Damit reicht der Bemessungszeitraum vom 01.12.2011 bis 30.11.2012.
Das von der Klägerin hier allein erzielte Einkommen aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit ist nach § 2c Abs 1 BEEG der monatlich durchschnittlich zu berücksichtigende Überschuss der Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit in Geld oder Geldeswert über ein Zwölftel des Arbeitnehmer-Pauschbetrags, vermindert um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben nach §§ 2e und 2f BEEG. Grundlage der Ermittlung der Einnahmen sind die Angaben in den für die maß-geblichen Monate erstellten Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers. Die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben in den maßgeblichen Lohn- und Gehaltsbescheinigungen wird vermutet (§ 2c Abs 2 BEEG). Grundlage der Ermittlung der nach den §§ 2e und 2f BEEG erforderlichen Abzugsmerkmale für Steuern und Sozialabgaben sind nach § 2c Abs 3 BEEG die Angaben in der Lohn- und Gehaltsbescheinigung, die für den letzten Monat im Bemessungszeit-raum mit Einnahmen nach Abs 1 erstellt wurde. Soweit sich in den Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Bemessungszeitraums eine Angabe zu einem Abzugsmerkmal geändert hat, ist die von der Angabe nach Satz 1 abweichende Angabe maßgeblich, wenn sie in der überwiegenden Zahl der Monate des Bemessungszeitraums gegolten hat (§ 2c Abs 3 Satz 2 BEEG). Nach Satz 3 der Vorschrift gilt die Vermutungsregelung in Abs 2 Satz 2 insoweit entsprechend.
Zur Ermittlung des Elterngeldes werden die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben nach den Vorgaben der §§ 2e und 2f BEEG in pauschalierter Form anhand eines vom Bundesministerium der Finanzen festgelegten Abgaberechners (Programmablaufplan) vorgenommen. Die tatsächlichen Abzugsbeträge sind unbeachtlich. Bemessungsgrundlage für die Ermittlung der Abzüge für Steuern ist die monatlich durchschnittlich zu berücksichtigende Summe der Einnahme nach § 2c, soweit sie von der berechtigten Person zu versteuern sind (§ 2e Abs 2 Satz 1 BEEG). Bei der Ermittlung der Abzüge für Steuern nach Abs 1 werden ua der Arbeitnehmerpauschbetrag nach § 9a Satz 1 Nr 1 Buchst a EStG und eine Vorsorgepauschale mit den Teilbeträgen nach § 39b Abs 2 Satz 5 Nr 3 Buchst a bis c EStG berücksichtigt. Als Abzug für die Einkommenssteuer ist nach § 2e Abs 3 BEEG der Betrag anzusetzen, der sich unter Berücksichtigung der Steuerklasse und des Faktors nach § 39f EStG nach § 2c Abs 3 BEEG ergibt; die Steuerklasse VI bleibt unberücksichtigt. War die berechtigte Person im Bemessungszeitraum nach § 2b BEEG in keine Steuerklasse eingereiht oder ist ihr nach § 2d BEEG zu berücksichtigender Gewinn höher als ihr nach § 2c BEEG zu berücksichtigender Überschuss der Einnahmen über ein Zwölftel des Arbeitnehmer-Pauschbetrags, ist als Abzug für die Einkommenssteuer der Betrag anzusetzen, der sich unter Berücksichtigung der Steuerklasse IV ohne Berücksichtigung eines Faktors nach § 39f EStG ergibt.
Die Beklagte ist zunächst zutreffend von steuerpflichtigem Einkommen im Bemessungszeitraum in Höhe von 54.965,51 EUR ausgegangen und hat hiervon den Arbeitnehmer-Pauschbetrag (83,33 EUR monatlich) abgezogen, sodass sich durchschnittliche monatliche Einkünfte in Höhe von 4.497,13 EUR ergeben. Die fiktiven Abzüge für Sozialabgaben nach § 2f BEEG hat die Beklagte bei bestehender Versicherungspflicht zur Rentenversicherung und zur Arbeitslosenversicherung zu-treffend mit den festen Sätzen nach § 2f Abs 1 Satz 2 BEEG (Rentenversicherung 10 %; Arbeitslosenversicherung 2 %) berechnet und somit monatliche Abzüge für Sozialabgaben von insgesamt 549,66 EUR abgezogen.
Entgegen der Auffassung der Beklagten sind jedoch steuerliche Abzüge nicht entsprechend der Lohnsteuerklasse V in Höhe von 1.541,93 EUR vorzunehmen, sondern gemäß der Steuerklasse III in Höhe von 701,79 EUR entsprechend der von der Beklagten mit Schriftsatz vom 07.07.2015 vorgelegten Probeberechnung. Grundlage für die Ermittlung der maßgeblichen Steuerklasse sind nach § 2c Abs 3 Satz 1 BEEG die Angaben in der Lohn- und Gehaltsbescheinigung, die für den letzten Monat im Bemessungszeitraum mit Einnahmen nach Abs 1 erstellt wurde. Die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben in der Lohn- und Gehaltsbescheinigung wird vermutet. Nach der insoweit maßgeblichen Lohn- und Gehaltsbescheinigung von November 2012 wäre - wie hier geschehen - die Lohnsteuerklasse V zugrunde zu legen. Diese Lohnsteuerklasse ist auch tatsächlich in der überwiegenden Zahl der Monate des Bemessungszeitraums angewendet wor-en (Dezember 2011 und Mai bis November 2012). Richtigerweise hat jedoch im überwiegenden Zeitraum, nämlich von Januar bis November 2012, die Lohnsteuerklasse III gegolten, wie sich aus dem Schreiben des Finanzamts E. S. vom 12.01.2012 ergibt. Die für die Richtigkeit der Lohn- und Gehaltsbescheinigung sprechende Vermutung ist aufgrund der tatsächlichen Einstufung des Finanzamts E. S. widerlegt. Schon zu der Vorgängervorschrift des § 2 Abs 7 Satz 4 BEEG hat das BSG entschieden, dass ein aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität gewählter Anknüpfungspunkt nicht zu Zufallsergebnissen führen darf, die mit den Zielen des BEEG nicht in Einklang stehen (BSG 26.03.2014, B 10 EG 14/13 R). Dies bedeutet, dass im Regelfall alle notwendigen Angaben aus den Lohn- und Gehaltsbescheinigungen entnommen werden können, diese jedoch entgegen der Auffassung der Beklagten keine abschließende, die Verwaltung privilegierende Regelung dahingehend enthält, dass deren Ermittlungstätigkeit sich ausschließlich und allein auf die Auswertung der Mitteilungen des Arbeitgebers zu erstrecken hat (BSG 03.12.2009, B 10 EG 3/09 R, BSGE 105, 84 = SozR 4-7837 § 2 Nr 4; BSG 20.05.2014, B 10 EG 11/13 R, SozR 4-7837 § 2 Nr 26). Dem entspricht die gesetzliche Vermutungsregelung in § 2c Abs 3 Satz 3 und Abs 2 Satz 2 BEEG. Die Beklagte kann und darf sich auf die Richtigkeit der Angaben in den Lohn- und Gehaltsbescheinigungen verlassen, soweit und solange etwa durch Einwendungen der Elterngeldberechtigten kein Anlass zu Zweifeln besteht. Dass die Lohn- und Gehaltsbescheinigungen der S. die falsche Steuerklasse V ausweisen, steht aufgrund der von der Klägerin vorgelegten Unterlagen zweifelsfrei fest. Ein erhöhter Verwaltungsaufwand für die Beklagte ist ebenfalls nicht zu erkennen, denn die tatsächlich geltende Steuerklasse lässt sich der vorgelegten Bescheinigung des Finanzamts E. S. ohne Weiteres entnehmen und die Berechnung erfolgt ohnehin pauschaliert, sodass es vom Aufwand her keinen Unterschied macht, welche Steuerklasse in das Ablaufprogramm eingegeben wird.
Die von der Beklagten angenommene strikte Bindung an die Angaben in den Lohn- und Gehaltsabrechnungen würde auch zu unbilligen Ergebnissen führen. Nach § 2c Abs 2 BEEG sind Korrekturmeldungen in späteren Monaten für die maßgeblichen Monate des Bemessungszeitraums zu berücksichtigen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Arbeitgeber eine neue Lohn- und Gehaltsbescheinigung für den betreffenden Monat erstellt oder in einer späteren Lohn- und Gehaltsbescheinigung die Korrektur für einen Vormonat vornimmt. Danach hätte die Klägerin problemlos höheres Elterngeld erhalten, wenn sie den Lohnsteuerabzug nach Steuerklasse V früher bemerkt hätte und dieser vom Arbeitgeber noch hätte korrigiert werden könne. Der Arbeitgeber hat jedoch am Ende des Kalenderjahres das Lohnkonto des Arbeitnehmers abzuschließen und die Eintragungen bis zum 28. Februar des Folgejahres der Steuerverwaltung zu übermitteln. Damit ist gemäß § 41b EStG der Lohnsteuerabzug abgeschlossen. Eine Änderung des Lohnsteuerabzugs ist danach nicht mehr zulässig. Etwaige Fehler beim Lohnsteuerabzug können dann nur noch im Rahmen der Einkommenssteuerveranlagung berichtigt werden (vgl Bundesfinanzhof 25.05.2012, III B 166/11, juris). Da die Klägerin den Fehler erst im März 2013 bemerkt hat, war aus steuerrechtlichen Gründen eine Korrektur des Lohnsteuerabzugs nicht mehr möglich. Während im Steuerrecht die möglicherweise zu viel gezahlte Lohnsteuer jedoch im Rahmen der Einkommenssteuerveranlagung zu einer Steuererstattung führen kann, wäre im Elterngeldrecht schon nach der kurzen Frist von zwei Monaten nach Abschluss des Kalenderjahres ein höherer Anspruch auf Elterngeld ausgeschlossen.
Da nachgeburtlich keine Einkünfte erzielt wurden, ist eine Differenzberechnung nicht vorzunehmen. Da das Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt höher als 1.200,00 EUR war, sinkt der Prozentsatz von 67% um 0,1 Prozentpunkte für je 2,00 EUR, die dieses Einkommen den Betrag von 1.200,00 EUR überschreitet, auf bis zu 65%. Danach sinkt der Anspruchsfaktor hier auf den Mindestsatz von 65%. Der Klägerin steht daher der Höchstbetrag von 1.800,00 EUR monatlich zu (durchschnittliches elterngeldrelevantes Einkommen vor der Geburt 3.245,68 EUR x Anspruchsfaktor 65%). Die Beklagte hat daher die im Tenor genannten Differenzbeträge nachzuzahlen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen.
Tatbestand:
Im Streit steht die Höhe des Elterngeldes für das Kind C. S. R. (im Folgenden: C).
Die 1980 geborene, verheiratete Klägerin ist Mutter der am 06.02.2013 geborenen C. Sie lebt mit ihrem Ehemann und C in einem gemeinsamen Haushalt in Deutschland und betreut und erzieht C selbst. Die Klägerin war zunächst bei der E.O. R. AG versicherungspflichtig beschäftigt und wechselte zum 16.05.2012 zur S. Stadtwerke U./N.-U. GmbH (im Folgenden: S.). Im Januar 2012 beantragte die Klägerin einen Steuerklassenwechsel von Ehe-mann/Ehefrau III/V zu V/III. Mit Schreiben vom 12.01.2012 bestätigte das Finanzamt E.-S. für die Klägerin die Steuerklasse III ab 01.01.2012. Von der E.O. R. AG wurde in den Lohnabrechnungen daher ab 01.01.2012 die Steuerklasse III zugrunde gelegt. Bei ihrer neuen Arbeitgeberin legte die Klägerin die Lohnsteuerkarte 2010 vor, auf der noch die Lohnsteuerklasse V vermerkt war. Die S. legte daher bei der Lohnabrechnung von Mai bis Dezember 2012 die Steuerklasse V zugrunde. Ab dem 21.12.2012 bis 03.04.2013 erhielt die Klägerin Mutterschaftsgeld in Höhe von 13,00 EUR täglich sowie einen Arbeitgeberzuschuss zum Mutterschaftsgeld. Im Zeitraum 01.12.2011 bis 30.11.2012 erzielte die Klägerin steuerpflichtige Einnahmen in Höhe von 54.965,51 EUR (24.871,87 EUR E.O. R. AG; 30.093,66 EUR SWU). Nach der Geburt von C war die Klägerin nicht erwerbstätig.
Am 11.03.2013 beantragte die Klägerin die Gewährung von Elterngeld für die ersten zwölf Lebensmonate von C. Mit Bescheid vom 15.03.2013 gewährte die Beklagte der Klägerin Elterngeld für den ersten Lebensmonat in Höhe von 0,00 EUR, für den zweiten Lebensmonat in Höhe von 99,48 EUR und für den dritten bis zwölften Lebensmonat in Höhe von monatlich 1.541,93 EUR. Die Beklagte legte dabei ein Einkommen aus nichtselbstständiger Tätigkeit im Bemessungszeitraum (01.12.2011 bis 30.11.2012) in Höhe von 54.965,51 EUR zugrunde und errechnete nach Abzug des Arbeitnehmerpauschbetrags in Höhe von 999,96 EUR, monatlichen Abzügen für Steuern von 1.575,27 EUR und für Sozialabgaben von 549,66 EUR durchschnittliche monatliche Einkünfte in Höhe von 2.372,20 EUR. Mit dem Anspruchsfaktor 65 % errechnete sie daraus ein monatliches Elterngeld (vor Anrechnung anderer Leistungen) in Höhe von 1.541,93 EUR. Für den ersten und zweiten Lebensmonat seien das Mutterschaftsgeld und der Arbeitgeberzuschuss zum Mutterschaftsgeld anzurechnen.
Mit ihrem Widerspruch vom 08.04.2013 machte die Klägerin geltend, ihr Arbeitgeber S. habe seit Beginn der Tätigkeit am 16.05.2012 ihr Gehalt falsch abgerechnet. Obwohl sie tatsächlich der Steuerklasse III zugeordnet sei, habe ihr Arbeitgeber das Gehalt nach der Steuerklasse V abgerechnet. Bei richtiger Berechnung hätte sie pro Monat um gut 800,00 EUR höhere monatliche Einkünfte gehabt und damit Anspruch auf den Höchstsatz von 1.800,00 EUR.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.04.2013 wies die Beklagte unter ausführlicher Darlegung der Rechtsgrundlagen für die Berechnung des Elterngeldes den Widerspruch zurück. Zur Ermittlung des Elterngeldes würden die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben nach den Vorgaben der §§ 2e und 2f Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) in pauschalierter Form vorgenom-men. Für die Ermittlung der nach den §§ 2e und 2f BEEG erforderlichen Abzugsmerkmale für Steuern und Sozialabgaben seien die Angaben in der Lohn- und Gehaltsbescheinigung maßgeblich, die für den letzten Monat im Bemessungszeitraum erstellt worden sei, in dem die berechtigte Person zu berücksichtigende Einnahmen gehabt habe. Soweit sich in den Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Bemessungszeitraumes eine Angabe zu einem Abzugsmerkmal geändert habe, sei die von der Angabe nach Satz 1 abweichende Angabe maßgeblich, wenn sie in der überwiegenden Zahl der Monate des Bemessungszeitraums gegolten habe. Vorliegend sei das Gehalt der Klägerin im letzten Monat des Bemessungszeitraums (November 2012) nach der Steuerklasse V abgerechnet worden. Diese Steuerklasse habe auch in der überwiegenden Zahl der Monate des Bemessungszeitraums gegolten. Für die pauschalierte Berechnung der Steuern sei daher die Steuerklasse V als Abzugsmerkmal zu berücksichtigen, auch wenn im Bemessungszeitraum teilweise Monate nach Steuerklasse III abgerechnet worden seien. Die fiktive Berücksichtigung einer anderen Steuerklasse, die sich bei richtiger Abrechnung durch den Arbeitgeber ergeben hätte, sei nicht möglich, da dies gegen die eindeutigen gesetzlichen Bestimmungen des Elterngeldes verstoßen würde.
Hiergegen richtet sich die am 08.05.2013 zum Sozialgericht Ulm (SG) erhobene Klage. Die Klägerin verweist auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 03.12.2009 (B 10 EG 3/09 R) zur damaligen Fassung des § 2 Abs 7 Satz 4 BEEG. Danach seien die Bescheinigungen des Arbeitgebers lediglich als Grundlage, nicht aber als alleinige Erkenntnisquelle bezeichnet worden. Die Vorschrift wolle lediglich die Aufklärung des Sachverhaltes von Amts wegen erleichtern, nicht jedoch die für die Gewährung von Elterngeld zuständigen Stellen von ihrer Sachaufklärungspflicht entbinden. Schon im Verwaltungsverfahren sei deshalb Hinweisen auf Fehler oder Einwendungen gegen die Richtigkeit der Arbeitgeberbescheinigung nachzugehen. Die Beklagte habe daher ihren Berechnungen die Steuerklasse III zugrunde legen müssen.
Mit Urteil vom 06.10.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die vorliegend streitige Berechnung der Abzüge für Steuern richte sich nach § 2e BEEG. Als Abzug für die Einkommenssteuer sei der Betrag anzusetzen, der sich unter Berücksichtigung der Steuerklasse und des Faktors nach § 39f des Einkommenssteuergesetzes (EStG) nach § 2c Abs 3 ergebe (§ 2e Abs 3 Satz 1 BEEG). Im Zusammenhang mit der Regelung des § 2c Abs 3 Satz 1 BEEG, wonach Grundlage der Ermittlung der nach den §§ 2e und 2f BEEG erforderlichen Abzugsmerkmale für Steuern und Sozialabgaben die Angaben in der Lohn- und Gehaltsbescheinigung seien, die für den letzten Monat im Bemessungszeitraum mit Ein-nahmen nach Abs 1 erstellt worden sei, ergebe sich eindeutig, dass es auf die tatsächlich abgerechneten Steuern aufgrund der eingetragenen Steuerklasse ankomme. Dies werde zusätzlich gestützt durch den Wortlaut des § 2e Abs 3 Satz 2 BEEG, der eine Regelung für den Fall treffe, dass die berechtigte Person im Bemessungszeitraum nach § 2b BEEG in keine Steuerklasse eingereiht gewesen sei. Auch das BSG habe zur früheren Regelung des § 2 Abs 7 BEEG die Auffassung vertreten, dass es auf die tatsächlich entrichteten und nicht etwa fiktiv ermittelte Steuern (etwa nach einer anderen Steuerklasse) ankomme (BSG 25.06.2009, B 10 EG 3/08 R und 20.05.2014, B 10 EG 11/13 R). Diese Rechtsprechung könne auch auf die Neuregelung übertragen werden. Nach der Gesetzesbegründung habe ua die Einführung des § 2e BEEG als Ziel eine Vereinfachung bei der Einkommensermittlung, ohne jedoch die wichtigsten Vorgaben der bisherigen Rechtslage, zB die grundsätzliche Maßgeblichkeit der in der Lohnsteuerkarte eingetragenen Steuerklasse, zu ändern. Da das Gehalt der Klägerin unstreitig in der überwiegenden Zahl der Monate des Bemessungszeitraums nach der Steuerklasse V abgerechnet worden sei, habe die Beklagte zu Recht die tatsächlich aufgrund dieser Steuerklasse ermittelte Einkommenssteuer abgesetzt.
Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 27.10.2014 zugestellte Urteil richtet sich die am 26.11.2014 eingelegte Berufung der Klägerin. Es sei zuzugeben, dass die Klägerin selbst die Ursache für die Fehleinschätzung gesetzt habe. Bei Antreten der neuen Arbeitsstelle zum 16.05.2012 habe die Klägerin ihrer neuen Arbeitgeberin nur die Lohnsteuerkarte 2010 übergeben, in der sie noch der Steuerklasse V zugeordnet gewesen sei, nicht aber die entsprechende Mitteilung des Finanzamts E.-S. über die gespeicherten Lohnsteuermerkmale, wonach sie ab 01.01.2012 der Steuerklasse III zugeordnet gewesen sei. Die neue Arbeitgeberin habe daher davon ausgehen müssen, dass die Klägerin der Steuerklasse V zugeordnet sei und habe auf dieser Grundlage die Entgeltabrechnungen für die hier relevanten Monate Mai bis November 2012 er-stellt. Dass die Arbeitgeberin von der falschen Steuerklasse ausgegangen sei, sei der Klägerin leider erst im März 2014, zu Beginn der Erstellung der Einkommenssteuererklärung 2012 aufgefallen. Zu diesem Zeitpunkt sei eine Korrektur der Entgeltabrechnungen durch die Arbeitgeberin nicht mehr möglich gewesen, da diese die Lohnsteuerbescheinigung 2012 für die Klägerin bereits innerhalb der Frist des § 41b Abs 1 Satz 2 EStG an das Finanzamt U. übermittelt hatte. Es erscheine mehr als fraglich, dass der Klägerin auf Grundlage des vorliegenden Sachverhaltes tatsächlich ihr Anspruch auf Elterngeld teilweise verlustig gegangen sein solle. Ursprünglich habe das Lohnsteuerabzugsverfahren in Deutschland am 01.01.2012 digitalisiert werden sollen. Die für die Berechnung der Abzüge notwendigen Daten sollten Arbeitgeber ab diesem Zeitpunkt nicht mehr der jährlich unterschiedlich gefärbten Papierlohnsteuerkarte entnehmen, sondern per elektronischer Abfrage stets aktuell aus dem zentralen Register erfahren. Entsprechend sei die Papierlohnsteuerkarte bereits 2011 nicht mehr neu aufgelegt worden. Für die Übergangszeit zum neuen Verfahren hätten die Papierlohnsteuerkarten von 2010 ihre Gültigkeit behalten. Aufgrund mehrmaliger Verzögerungen sei das elektronische Lohnsteuerabzugsverfahren erst zum 01.01.2013 in Kraft getreten. Ohne diese Verzögerungen hätte sich die neue Arbeitgeberin die für die Berechnung der Abzüge notwendigen Daten per elektronischer Abfrage besorgt. Die Verzögerungen bei der Einführung der elektronischen Lohnsteuerabzugsverfahrens seien also in nicht unerheblichem Maße mitursächlich für diesen Rechtsstreit. Hätte die Klägerin nur wenige Tage früher mit der Erstellung der Einkommenssteuererklärung 2012 begonnen, nämlich noch im Februar 2013, hätte sie auch den Fehler in den Entgeltabrechnungen ihrer Arbeitgeberin früher entdeckt und der Arbeitgeberin wäre eine Abänderung der betreffenden Entgeltabrechnungen noch möglich gewesen. Dass schlichter Zeitablauf die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen hindern könne, kenne man nicht zuletzt aus den Regelungen zur Verjährung. Die regelmäßige Verjährungsfrist betrage nach § 195 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) immerhin drei Jahre. Dass gerade im Sozialrecht Leistungsempfänger durch einkommenssteuerrechtliche Regelungen bereits nach wenigen Monaten ihrer Ansprüche teilweise verlustig gehen sollten, könne mit dem Sinn und Zweck der Regelungen zum Elterngeld nicht mehr viel zu tun haben. Für den Bereich des Einkommenssteuerrechtes möge es sinnvoll und nachvollziehbar sein, dass Arbeitgeber, nachdem sie die Lohnsteuerbescheinigung für den vorangegangenen Veranlagungszeitraum innerhalb der Frist des § 41b Abs 1 Satz 2 EStG übermittelt hätten, Entgeltabrechnungen für eben diesen Zeitraum nicht mehr anpassen müssten. Für derartige Anpassungen bestehe auch gar kein Erfordernis mehr, nachdem jeder Arbeitnehmer unproblematisch eine Einkommenssteuererklärung abgeben könne und in der Folge zu viel gezahlte Lohnsteuer zurückerhalte. Weshalb diese kurze Zweimonatsfrist dergestalt auf das Recht zum Elterngeld durchschlagen solle, dass ein ganz offensichtliches Versehen die Ansprüche eines Leistungsempfängers beschneide, sei nicht ersichtlich. Die Klägerin habe großes Verständnis dafür, dass zur Vereinfachung des Vollzugs des Elterngeldes ein möglichst einfacher Weg zur Ermittlung der Höhe desselben gewählt werden müsse. Würden jedoch bei der Ermittlung inhaltlich falsche Urkunden herangezogen und werde dies auch erkannt, müsse vom - vermeintlich - einfachsten Weg abgewichen werden. Diesen Gedanken habe auch der Gesetzgeber aufgegriffen, wenn er berücksichtige, dass Lohn- und Gehaltsbescheinigungen nicht immer inhaltlich richtig seien und daher vom Arbeitgeber gegebenenfalls später korrigiert werden müssten. In der Gesetzesbegründung zu § 2c Abs 2 BEEG (BT-Drucksache 17/9841 S 22) heiße es: "Nach der Regelung sind Korrekturmeldungen in späteren Monaten für die bei der Elterngeldberechnung maßgeblichen Monate nach § 2b Abs 1 und 3 zu berücksichtigen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Arbeitgeber eine neue Lohn- und Gehalts-bescheinigung für den betreffenden Monat erstellt oder in einer späteren Lohn- und Gehaltsbescheinigung die Korrektur für einen Vormonat vornimmt." Um auch Fälle wie den hier vorliegenden berücksichtigen zu können, habe der Gesetzgeber den Lohn- und Gehaltsbescheinigungen lediglich eine Richtigkeits- und Vollständigkeitsvermutung zugesprochen. Bei dieser Vermutung handele es sich nicht um eine unwiderlegliche, sondern vielmehr um eine widerlegliche Vermutung, bei der der Beweis des Gegenteils zulässig sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 06.10.2014 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 15.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.04.2013 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr im zweiten Lebensmonat weiteres Elterngeld in Höhe von 16,65 EUR und im dritten bis zwölften Lebensmonat jeweils weiteres Elterngeld in Höhe von monatlich 258,07 EUR zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
In der gesetzlichen Regelung des § 2e Abs 1 Satz 1, Abs 3 BEEG sei nicht vorgesehen, Ausnahmen von dem dort beschriebenen Weg der Ermittlung des Steuerabzugs vorzunehmen. Der Gesetzeszweck der Verwaltungsvereinfachung könnte nicht mehr erreicht werden, wenn in jedem Einzelfall detailliert zu prüfen wäre, aufgrund welcher Umstände der Arbeitgeber/das Finanzamt den Steuerabzug nach einer bestimmten Steuerklasse vorgenommen habe (unter Bezugnahme auf BT-Drucks 17/9841). Die Beklagte habe den Steuerabzug daher zutreffend aufgrund der gesetzlichen Regelung vorgenommen. Aufgrund welcher Umstände es zur Steuerberechnung gemäß Steuerklasse V gekommen sei, spiele keine Rolle. Die Annahme eines fiktiven Steuerabzugs sei vorliegend nicht möglich. Hinzu komme, dass die Klägerin während des Zeitraums zwischen Mai und November 2012 hinreichend Zeit gehabt hätte, die Steuerklasse wieder zu ändern. Der Vortrag der Klägerin bestätige, dass der Steuerabzug tatsächlich nach der Lohnsteuerklasse V erfolgt und auch nicht mehr nachträglich zu korrigieren sei. Damit stelle die Lohnsteuerbescheinigung entgegen der klägerischen Auffassung die Tatsachen richtig dar, von einer fehler-haften Bescheinigung könne nicht die Rede sein. Warum die Lohnsteuerklasse V zugrunde gelegt worden sei, spiele keine Rolle, da es nur auf die tatsächlichen Gegebenheiten ankomme.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten (§§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, hat Erfolg.
Die nach den §§ 143, 144 Abs 1 Nr 1, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig und in der Sache auch begründet. Der Bescheid vom 15.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.04.2013 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin, die ihr Begehren zulässigerweise im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und Abs 4 SGG) verfolgt, hat Anspruch auf Gewährung höheren Elterngeldes für den zweiten bis zwölften Lebensmonat von C unter Ermittlung des im Bemessungszeitraum erzielten Nettoentgelts unter Anwendung der Lohnsteuerklasse III.
Der Anspruch der Klägerin auf Elterngeld richtet sich nach dem mit Wirkung zum 01.01.2007 eingeführten BEEG (Gesetz vom 05.12.2006, BGBl I 2748). Nach § 1 Abs 1 BEEG hat An-spruch auf Elterngeld, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (Nr 1), mit seinem Kind in einem Haushalt lebt Nr 2), dieses Kind selbst betreut und erzieht (Nr 3) und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt (Nr 4). Die Klägerin hatte im Bezugs-zeitraum vom 06.02.2013 bis 05.02.2014 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, lebte mit der am 06.02.2013 geborenen C in einem Haushalt, betreute und erzog sie und übte während des streitigen Zeitraums keine Erwerbstätigkeit aus. Dies entnimmt der Senat den Angaben der Klägerin gegenüber der Beklagten im Verwaltungsverfahren.
Die Höhe des Elterngeldes bemisst sich nach § 2 BEEG (hier in der Fassung vom 23.10.2012, BGBl I 2262). Elterngeld wird gemäß § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG in Höhe von 67 % des in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit bis zu einem Höchstbetrag von 1.800,00 EUR monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt. Der Bemessungszeitraum von zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes unterliegt den Einschränkungen des § 2b Abs 1 Satz 2 BEEG. Danach bleiben ua Kalendermonate unberücksichtigt, in denen die berechtigte Person Mutterschaftsgeld nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch bezogen hat. Unter Anwendung dieser Regelungen fallen die Monate Januar 2013 und Dezember 2012 nicht mit in den Bemessungszeitraum, da die Klägerin ab dem 21.12.2012 Mutterschaftsgeld bezogen hat. Damit reicht der Bemessungszeitraum vom 01.12.2011 bis 30.11.2012.
Das von der Klägerin hier allein erzielte Einkommen aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit ist nach § 2c Abs 1 BEEG der monatlich durchschnittlich zu berücksichtigende Überschuss der Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit in Geld oder Geldeswert über ein Zwölftel des Arbeitnehmer-Pauschbetrags, vermindert um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben nach §§ 2e und 2f BEEG. Grundlage der Ermittlung der Einnahmen sind die Angaben in den für die maß-geblichen Monate erstellten Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers. Die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben in den maßgeblichen Lohn- und Gehaltsbescheinigungen wird vermutet (§ 2c Abs 2 BEEG). Grundlage der Ermittlung der nach den §§ 2e und 2f BEEG erforderlichen Abzugsmerkmale für Steuern und Sozialabgaben sind nach § 2c Abs 3 BEEG die Angaben in der Lohn- und Gehaltsbescheinigung, die für den letzten Monat im Bemessungszeit-raum mit Einnahmen nach Abs 1 erstellt wurde. Soweit sich in den Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Bemessungszeitraums eine Angabe zu einem Abzugsmerkmal geändert hat, ist die von der Angabe nach Satz 1 abweichende Angabe maßgeblich, wenn sie in der überwiegenden Zahl der Monate des Bemessungszeitraums gegolten hat (§ 2c Abs 3 Satz 2 BEEG). Nach Satz 3 der Vorschrift gilt die Vermutungsregelung in Abs 2 Satz 2 insoweit entsprechend.
Zur Ermittlung des Elterngeldes werden die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben nach den Vorgaben der §§ 2e und 2f BEEG in pauschalierter Form anhand eines vom Bundesministerium der Finanzen festgelegten Abgaberechners (Programmablaufplan) vorgenommen. Die tatsächlichen Abzugsbeträge sind unbeachtlich. Bemessungsgrundlage für die Ermittlung der Abzüge für Steuern ist die monatlich durchschnittlich zu berücksichtigende Summe der Einnahme nach § 2c, soweit sie von der berechtigten Person zu versteuern sind (§ 2e Abs 2 Satz 1 BEEG). Bei der Ermittlung der Abzüge für Steuern nach Abs 1 werden ua der Arbeitnehmerpauschbetrag nach § 9a Satz 1 Nr 1 Buchst a EStG und eine Vorsorgepauschale mit den Teilbeträgen nach § 39b Abs 2 Satz 5 Nr 3 Buchst a bis c EStG berücksichtigt. Als Abzug für die Einkommenssteuer ist nach § 2e Abs 3 BEEG der Betrag anzusetzen, der sich unter Berücksichtigung der Steuerklasse und des Faktors nach § 39f EStG nach § 2c Abs 3 BEEG ergibt; die Steuerklasse VI bleibt unberücksichtigt. War die berechtigte Person im Bemessungszeitraum nach § 2b BEEG in keine Steuerklasse eingereiht oder ist ihr nach § 2d BEEG zu berücksichtigender Gewinn höher als ihr nach § 2c BEEG zu berücksichtigender Überschuss der Einnahmen über ein Zwölftel des Arbeitnehmer-Pauschbetrags, ist als Abzug für die Einkommenssteuer der Betrag anzusetzen, der sich unter Berücksichtigung der Steuerklasse IV ohne Berücksichtigung eines Faktors nach § 39f EStG ergibt.
Die Beklagte ist zunächst zutreffend von steuerpflichtigem Einkommen im Bemessungszeitraum in Höhe von 54.965,51 EUR ausgegangen und hat hiervon den Arbeitnehmer-Pauschbetrag (83,33 EUR monatlich) abgezogen, sodass sich durchschnittliche monatliche Einkünfte in Höhe von 4.497,13 EUR ergeben. Die fiktiven Abzüge für Sozialabgaben nach § 2f BEEG hat die Beklagte bei bestehender Versicherungspflicht zur Rentenversicherung und zur Arbeitslosenversicherung zu-treffend mit den festen Sätzen nach § 2f Abs 1 Satz 2 BEEG (Rentenversicherung 10 %; Arbeitslosenversicherung 2 %) berechnet und somit monatliche Abzüge für Sozialabgaben von insgesamt 549,66 EUR abgezogen.
Entgegen der Auffassung der Beklagten sind jedoch steuerliche Abzüge nicht entsprechend der Lohnsteuerklasse V in Höhe von 1.541,93 EUR vorzunehmen, sondern gemäß der Steuerklasse III in Höhe von 701,79 EUR entsprechend der von der Beklagten mit Schriftsatz vom 07.07.2015 vorgelegten Probeberechnung. Grundlage für die Ermittlung der maßgeblichen Steuerklasse sind nach § 2c Abs 3 Satz 1 BEEG die Angaben in der Lohn- und Gehaltsbescheinigung, die für den letzten Monat im Bemessungszeitraum mit Einnahmen nach Abs 1 erstellt wurde. Die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben in der Lohn- und Gehaltsbescheinigung wird vermutet. Nach der insoweit maßgeblichen Lohn- und Gehaltsbescheinigung von November 2012 wäre - wie hier geschehen - die Lohnsteuerklasse V zugrunde zu legen. Diese Lohnsteuerklasse ist auch tatsächlich in der überwiegenden Zahl der Monate des Bemessungszeitraums angewendet wor-en (Dezember 2011 und Mai bis November 2012). Richtigerweise hat jedoch im überwiegenden Zeitraum, nämlich von Januar bis November 2012, die Lohnsteuerklasse III gegolten, wie sich aus dem Schreiben des Finanzamts E. S. vom 12.01.2012 ergibt. Die für die Richtigkeit der Lohn- und Gehaltsbescheinigung sprechende Vermutung ist aufgrund der tatsächlichen Einstufung des Finanzamts E. S. widerlegt. Schon zu der Vorgängervorschrift des § 2 Abs 7 Satz 4 BEEG hat das BSG entschieden, dass ein aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität gewählter Anknüpfungspunkt nicht zu Zufallsergebnissen führen darf, die mit den Zielen des BEEG nicht in Einklang stehen (BSG 26.03.2014, B 10 EG 14/13 R). Dies bedeutet, dass im Regelfall alle notwendigen Angaben aus den Lohn- und Gehaltsbescheinigungen entnommen werden können, diese jedoch entgegen der Auffassung der Beklagten keine abschließende, die Verwaltung privilegierende Regelung dahingehend enthält, dass deren Ermittlungstätigkeit sich ausschließlich und allein auf die Auswertung der Mitteilungen des Arbeitgebers zu erstrecken hat (BSG 03.12.2009, B 10 EG 3/09 R, BSGE 105, 84 = SozR 4-7837 § 2 Nr 4; BSG 20.05.2014, B 10 EG 11/13 R, SozR 4-7837 § 2 Nr 26). Dem entspricht die gesetzliche Vermutungsregelung in § 2c Abs 3 Satz 3 und Abs 2 Satz 2 BEEG. Die Beklagte kann und darf sich auf die Richtigkeit der Angaben in den Lohn- und Gehaltsbescheinigungen verlassen, soweit und solange etwa durch Einwendungen der Elterngeldberechtigten kein Anlass zu Zweifeln besteht. Dass die Lohn- und Gehaltsbescheinigungen der S. die falsche Steuerklasse V ausweisen, steht aufgrund der von der Klägerin vorgelegten Unterlagen zweifelsfrei fest. Ein erhöhter Verwaltungsaufwand für die Beklagte ist ebenfalls nicht zu erkennen, denn die tatsächlich geltende Steuerklasse lässt sich der vorgelegten Bescheinigung des Finanzamts E. S. ohne Weiteres entnehmen und die Berechnung erfolgt ohnehin pauschaliert, sodass es vom Aufwand her keinen Unterschied macht, welche Steuerklasse in das Ablaufprogramm eingegeben wird.
Die von der Beklagten angenommene strikte Bindung an die Angaben in den Lohn- und Gehaltsabrechnungen würde auch zu unbilligen Ergebnissen führen. Nach § 2c Abs 2 BEEG sind Korrekturmeldungen in späteren Monaten für die maßgeblichen Monate des Bemessungszeitraums zu berücksichtigen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Arbeitgeber eine neue Lohn- und Gehaltsbescheinigung für den betreffenden Monat erstellt oder in einer späteren Lohn- und Gehaltsbescheinigung die Korrektur für einen Vormonat vornimmt. Danach hätte die Klägerin problemlos höheres Elterngeld erhalten, wenn sie den Lohnsteuerabzug nach Steuerklasse V früher bemerkt hätte und dieser vom Arbeitgeber noch hätte korrigiert werden könne. Der Arbeitgeber hat jedoch am Ende des Kalenderjahres das Lohnkonto des Arbeitnehmers abzuschließen und die Eintragungen bis zum 28. Februar des Folgejahres der Steuerverwaltung zu übermitteln. Damit ist gemäß § 41b EStG der Lohnsteuerabzug abgeschlossen. Eine Änderung des Lohnsteuerabzugs ist danach nicht mehr zulässig. Etwaige Fehler beim Lohnsteuerabzug können dann nur noch im Rahmen der Einkommenssteuerveranlagung berichtigt werden (vgl Bundesfinanzhof 25.05.2012, III B 166/11, juris). Da die Klägerin den Fehler erst im März 2013 bemerkt hat, war aus steuerrechtlichen Gründen eine Korrektur des Lohnsteuerabzugs nicht mehr möglich. Während im Steuerrecht die möglicherweise zu viel gezahlte Lohnsteuer jedoch im Rahmen der Einkommenssteuerveranlagung zu einer Steuererstattung führen kann, wäre im Elterngeldrecht schon nach der kurzen Frist von zwei Monaten nach Abschluss des Kalenderjahres ein höherer Anspruch auf Elterngeld ausgeschlossen.
Da nachgeburtlich keine Einkünfte erzielt wurden, ist eine Differenzberechnung nicht vorzunehmen. Da das Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt höher als 1.200,00 EUR war, sinkt der Prozentsatz von 67% um 0,1 Prozentpunkte für je 2,00 EUR, die dieses Einkommen den Betrag von 1.200,00 EUR überschreitet, auf bis zu 65%. Danach sinkt der Anspruchsfaktor hier auf den Mindestsatz von 65%. Der Klägerin steht daher der Höchstbetrag von 1.800,00 EUR monatlich zu (durchschnittliches elterngeldrelevantes Einkommen vor der Geburt 3.245,68 EUR x Anspruchsfaktor 65%). Die Beklagte hat daher die im Tenor genannten Differenzbeträge nachzuzahlen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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