Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 10 U 3383/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 U 3922/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 11. August 2014 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt noch die behördliche Feststellung der Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2102 ("Meniskusschäden nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten") der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Der Kläger ist am 21.10.1971 geboren und wohnt in Deutschland. Er war von September 1990 bis Juli 1991 und erneut von Dezember 1997 bis März 1998 als Bauhelfer beschäftigt. In den übrigen Zeiten war er nicht kniebelastend tätig. Seit September 2001 war er als Monteur und Vorarbeiter bei einem Unternehmen für Kabelbau beschäftigt und in dieser Eigenschaft bei der beklagten Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse (BG ETEM) bzw. einer ihrer Rechtsvorgängerinnen gesetzlich unfallversichert.
Am 01.02.2011 beantragte der Kläger bei seinem gesetzlichen Rentenversicherer, der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg (DRV), Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Er legte dort ärztliche Unterlagen vor, aus denen sich ergab, dass er seit 2008 unter Beschwerden an beiden Knien litt und dort insgesamt viermal operiert worden war (dreimal links in den Jahren 2008 und 2010 und einmal rechts im Jahre 2009). Diagnostiziert worden waren eine Chondropathia patellae, eine Meniskopathie und eine "initiale" Varus-Gonarthrose, jeweils beidseitig. Der ärztliche Dienst der DRV ging davon aus, dass die medizinische Rehabilitation in Folge einer BK nach Nr. 2112 der Anlage 1 zur BKV (Gonarthrose) zu erbringen seien. Daher leitete die DRV den Antrag mit Schreiben vom 04.02.2011 an die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG Bau) weiter. Diese übersandte den Antrag zuständigkeitshalber an die Beklagte weiter, wo er am 24.02.2011 einging.
Die Beklagte leitete ein Feststellungsverfahren wegen der BK Nr. 2112 ein und zog Befundberichte der behandelnden Ärzte sowie das Vorerkrankungsverzeichnis des Klägers von seiner gesetzlichen Krankenkasse, der AOK Baden-Württemberg, bei. Ferner füllte der Kläger den Fragebogen M 6122 (Angaben über kniebelastende Tätigkeiten bei Verdacht auf Gonarthrose) aus.
Sodann beauftragte die Beklagte ihren Präventionsdienst mit einer Arbeitsplatzexposition zur BK Nr. 2112. Hierzu teilte der Technische Aufsichtsbeamte in seiner Stellungnahme vom 26.09.2011 mit, der Kläger habe durchschnittlich vier Stunden pro Schicht in einigen (einzeln benannten) kniebelastenden Positionen gearbeitet; daraus ergebe sich bei 220 Arbeitstagen im Jahr und einer zehnjährigen Tätigkeit in dem Kabelbauunternehmen eine Gesamtbelastungsdosis von höchstens 8.800 Stunden.
Zur Akte gelangten im Anschluss noch der Arztbericht des behandelnden Orthopäden Dr. A. vom 27.12.2011 (die Beschwerden seien durch die berufliche Tätigkeit verschlimmert worden ) sowie der Entlassungsbericht der Reha-Klinik B. in C., Dres. D./E., vom 27.05.2011 über eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme des Klägers im Mai 2011 (Gonarthrose bds. links mehr als rechts, HWS-/LWS-Syndrom, Übergewicht, anamnestisch Penicilinallergie, chronischer Tabakkonsum ).
Sodann holte die Beklagte ein Gutachten bei dem Orthopäden Prof. Dr. F. ein. Dieser teilte unter dem 16.03.2012 mit, bei dem Kläger seien erstmals im Mai 2008 Kniebeschwerden aufgetreten. Nach kernspintomografisch verifiziertem Innenmeniskusriss sei eine operative Versorgung erfolgt. Danach sei es zu einer maximalen Besserung über sechs Monate, anschließend zu einer Verschlechterung und letztlich zu einer weiteren Operation gekommen. Aktuell seien beide Kniegelenke persistent, konstant geschwollen. Zu diagnostizieren sei eine erst- bis zweitgradige Gonarthrose bds. Diese müsse auf der Basis einer deutlich anlagebedingten Entwicklungsstörung im Sinne eines Crus varum mit fehlstatischem Genu varum (die genannte varische Achsfehlstellung der Beine) gesehen werden. Es bestehe kein genereller Arthroseprozess, jedoch seien deutliche Zeichen einer konstitutionell knorpelbedingten degenerativen Gelenkserkrankung gegeben. Die bewiesene Innenmeniskopathie sei mit der konstitutionellen biomechanischen Fehlbelastungseinwirkung in Einklang zu bringen. Es gebe keinen Hinweis auf eine "dominierend berufsmechanisch induzierte" primäre Meniskopathie. Die Erkrankungen seien im Wesentlichen auf die konstitutionelle Fehlstatik und anlagebedingte Knorpeldegeneration bei zusätzlich einwirkendem Übergewicht zurückzuführen.
Der Staatliche Gewerbearzt schlug unter dem 07.05.2012 weder die BK Nr. 2112 noch die BK Nr. 2102 zur Anerkennung vor. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Tätigkeit und einer der Erkrankungen könne nicht wahrscheinlich gemacht werden. Es bestehe jedoch die erhöhte Gefahr einer BK. Hierzu führte Prof. Dr. F. unter dem 12.06.2012 ergänzend aus, es bestehe keine solche Gefahr, da anlagebedingte, konstitutionelle Faktoren gegeben seien.
Mit Bescheid vom 12.09.2012 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK nach Nr. 2102 oder Nr. 2112 der Anlage 1 zur BKV ab und verneinte "Ansprüche auf Leistungen", insbesondere auf "Leistungen oder Maßnahmen, die geeignet sind, dem Entstehen einer BK entgegenzuwirken". Hinsichtlich der Gonarthrose führte die Beklagte aus, die kniebelastende Tätigkeit bei dem Kabelbauunternehmen habe mit 8.800 Stunden nicht die erforderliche Mindesteinwirkungsdauer von 13.000 Stunden erreicht. Die Meniskusschäden, so die Beklagte weiter, beruhten unter anderem auf einer konstitutionellen biomechanischen Fehlbelastung und es gebe keinen Hinweis auf eine berufsbedingte primäre Meniskopathie.
Im Vorverfahren trug der Kläger vor (e-mail vom 03.05.2013 ), seine Kniebeschwerden seien auf die Berufstätigkeit zurückzuführen. Bei ihm bestehe allenfalls Übergewicht, aber keine Fettleibigkeit, und dieses Übergewicht beruhe möglicherweise auf einer Schilddrüsenunterfunktion; ferner wandte er sich gegen die Angaben Prof. Dr. F.s hinsichtlich der Achsfehlstellung seiner Beine. Prof. Dr. F. gab hierzu die ergänzenden Stellungnahme vom 17.07.2013 ab. Er führte aus, bei dem Kläger bestehe in der Tat nur Prä-Adipositas. Bei Männern sei Übergewicht selbst zwar kein primär auslösender Faktor einer Gonarthrose, sie nehme jedoch einen zumindest mäßigen Anteil am Krankheitsverlauf. Die kniebelastende berufliche Exposition habe er nicht in Frage gestellt. Er verneine die medizinischen Voraussetzungen der BK Nr. 2102 und nicht den Ursachenzusammenhang. An beiden Kniegelenken zeige sich eine mittelgradige Varus-Fehlstellung mit O-Winkel von 4° rechts und annähernder Geradeachse links. Es bestehe kein Zweifel an einer, wenn auch beschwerdearmen, fehlstatisch induzierten Gonarthrose mit einer dann sekundären Innenmeniskus-Affektion.
Die Beklagte wies sodann unter Würdigung der ergänzenden Stellungnahme von Prof. Dr. F. den Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 23.09.2013 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 23.10.2013 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Er hat dort neben der Aufhebung der Bescheide die - gerichtliche - Feststellung – lediglich – der BK Nr. 2102 begehrt. Er hat behauptet, er leide an einer primären Meniskopathie. Es hätten primär keine ausgedehnten Knorpelschäden vorgelegen. Er hat gemeint, seine Meniskusschäden seien nicht anlagebedingt, sondern auf die arbeitstechnischen Voraussetzungen zurückzuführen.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat an ihrer Einschätzung festgehalten, es liege eine sekundäre, durch eine anlagebedingte Fehlstellung der Beine sowie weitere Faktoren verursachte Meniskopathie vor.
Das SG hat die Akte eines weiteren sozialgerichtlichen Streitverfahrens des Klägers mit der DRV Baden-Württemberg (S 10 R 1234/12) beigezogen. In jenem Verfahren hatte das SG das Gutachten des Orthopäden und Unfallchirurgen A. Wahl vom 14.01.2013 erhoben (Diagnose: innenseitig betonte Kniegelenksarthrose mit Gelenkspaltverschmälerung links mehr als rechts, zweitgradige Knorpelschädigung linkes inneres Kniegelenkskompartement, zweitgradige Knorpelschädigung bei Patelladysplasie Typ 3 am rechten Kniegelenk sowie Beeinträchtigungen der Wirbelsäule). Ferner hatte es die schriftliche Aussage des Inhabers des Beschäftigungsunternehmens des Klägers, des Zeugen T., vom 14.05.2013 eingeholt.
Sodann hat das SG in diesem unfallversicherungsrechtlichen Verfahren das schriftliche Gutachten des Orthopäden Dr. G. vom 14.04.2014 erhoben. Dieser Sachverständige hat bekundet, bei dem Kläger beständen leichtgradige arthrotische Veränderungen, die das Übergangsstadium zwischen Grad 1 und Grad 2 in der Klassifikation nach Kellgren erreichten. Am rechten Knie habe es einmalig eine operative Arthroskopie mit Teilresektion des Innenmeniskushinterhorns bei nachgewiesener degenerativer Rissbildung gegeben. Das linke Knie sei dreimal operiert worden. Hierbei seien Knorpelschäden am medialen Kondylus zunächst minimal und später zweitgradig und ebenfalls in der Hauptbelastungszone ein kleiner lokaler Knorpelschaden zweiten bis dritten Grades festgestellt worden. Bei der jetzigen Untersuchung hätten sich beide Kniegelenke reizlos und insgesamt frei beweglich gezeigt. Auf der linken Seite sei von Belastungsbeschwerden berichtet worden; in der Tat beständen entsprechende Verschleißerscheinungen. Die Berufstätigkeit des Klägers sei nicht vergleichbar mit derjenigen eines Bergmanns, sodass nicht von extremer Beugestellung oder Zwangshaltung der Kniegelenke ausgegangen werden könne. Es habe keine ausreichende berufliche Belastung des Innenmeniskushinterhorns bestanden. Eine berufliche Verursachung könne daher nicht festgestellt werden. Allerdings – so der Sachverständige – ließen sich auch die konkurrierende Ursachenfaktoren, die von den Vorgutachtern beschrieben worden seien, nicht feststellen. Insbesondere habe eine im Kindesalter erlittene Fraktur des rechten Oberschenkels keine Achsenfehlstellung hinterlassen.
Mit – angekündigtem – Gerichtsbescheid vom 11.08.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Anerkennung der allein geltend gemachten BK Nr. 2102 zu. Zur Begründung hat das SG ausgeführt:
In medizinischer Sicht setze die BK Nr. 2102 eine primäre Meniskopathie voraus. Bei dieser Erkrankung setze der vorzeitige Verschleiß unmittelbar im Bereich der Menisken ein und sei mit einer Einbuße an Elastizität und Gleitfähigkeit verbunden. Es könne zu Zerstörungen bis zu Zusammenhangstrennungen kommen. Wegen des Bewegungsablaufs im Knie bei der Beuge liege ein belastungskonformes Schadensbild dann vor, wenn - zunächst - das Innenmeniskushinterhorn beeinträchtigt sei. Schäden am Außenmeniskus durch Knien seien selten und von geringerer Schwere. Bei der sekundären Meniskopathie dagegen werde der Meniskusschaden durch andere Veränderungen vermittelt, zum Beispiel durch eine Minderwertigkeit des Gelenkknorpels oder arthrotische Veränderungen bei anlagebedingten oder posttraumatischen Achsfehlstellungen. Bei einem solchen sekundären Meniskusschaden liege eine BK nicht vor, da nicht die versicherte Tätigkeit wesentliche Ursache sei.
Zu den arbeitstechnischen Voraussetzungen hat das SG ausgeführt, die BK Nr. 2102 habe sich zunächst auf Arbeiten unter Tage bezogen. Daran habe sich die Auslegung des Merkmals der andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten zu orientieren. Erfasst seien Dauerzwangshaltungen in physiologisch ungünstiger Position der Kniegelenke mit aktiver Gelenkarbeit. In einer solchen Lage wirkten auf den Meniskus Druck-, Zug- und Scherkräfte ein, die bestimmte (im Einzelnen beschriebene) Schädigungen auslösen könnten. Dies seien im Einzelnen Belastungen durch Fersensitz, Hocken oder Knien bei gleichzeitiger Kraftaufwendung, dynamische Belastungen wie Laufen oder Springen mit häufigen Knick-, Scher- und Drehbewegungen auf unebener Grundlage wie z.B. im Hochleistungssport.
Bei dem Kläger, so das SG zusammenfassend, seien hiernach weder die medizinischen noch die arbeitstechnischen Voraussetzungen erfüllt. Aus den ärztlichen Unterlagen, vor allem den Gutachten von Prof. Dr. F. aus dem Verwaltungs- und Dr. G. aus dem Gerichtsverfahren, ergebe sich, dass deutliche Anzeichen einer konstitutionell bedingten chondrogenen Gelenkserkrankung beständen. Bereits dies stütze die Annahme einer sekundären Meniskopathie. Es könne daher offen bleiben, ob die Ursachen dieser chondrotischen Veränderungen in einer Achsfehlstellung der Beine, die Dr. G. nicht als krankhaft eingestuft habe, gesehen werden könnten. Bei seinen Arbeiten im Kabelbau, wie sie Dr. G. in seinem Gutachten dargestellt habe, habe der Kläger nicht in Dauerzwangshaltungen, insbesondere nicht häufig kniend oder hockend, nach vorn oder oben arbeiten und insoweit keine Kraft aufwenden müssen. Die Arbeiten des Klägers, insbesondere das Verlegen von Kabeln auch in engen Kanälen und das Heben von Kabeln und Werkzeugen, komme der Arbeit unter Tage nicht gleich.
Gegen diesen Gerichtsbescheid, der seinem Prozessbevollmächtigten am 13.08.2014 zugestellt worden ist, hat der Kläger am 15.09.2014, einem Montag, Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Er hält an seiner Behauptung fest, er leide an einer unmittelbar belastungsabhängigen primären Meniskopathie. Ferner trägt er vor, die arbeitstechnischen Voraussetzungen seien gegeben. Dr. G. habe ihn nicht genau genug nach Art und Weise sowie Häufigkeit der kniebelastenden Arbeiten befragt. Insbesondere habe er größtenteils in Zwangshaltungen wie in der Hocke in schmalen und tiefen Gräben arbeiten und oft in die Gräben oder auf oder von Maschinen springen müssen. Zur Untermauerung seines Vortrags legt der Kläger das Attest des Orthopäden Wahl vom 15.06.2014 vor, auf das verwiesen wird.
Der Kläger beantragt nunmehr,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 11. August 2014 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 12. September 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. September 2013 zu verurteilen, bei ihm eine Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung festzustellen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Auf Anregung des Senats hat die Beklagte eine Arbeitsplatzexposition hinsichtlich der nunmehr allein geltend gemachten BK Nr. 2102 eingeholt. Hierzu hat ihr Technischer Aufsichtsbeamter in seiner Stellungnahme vom 12.12.2014 ausgeführt, nach Auswertung der vom Kläger geschilderten - im Einzelnen dargelegten - Arbeiten habe eine Einwirkung im Sinne der BK Nr. 2102 vorgelegen, es sei jedoch nicht zu klären, ob diese der Auslöser der Erkrankung gewesen sei.
Die Beklagte hat zu dieser Arbeitsplatzexposition ferner die beratungsärztliche Stellungnahme des Chirurgen Dr. Hierholzer vom 09.01.2015 vorgelegt. Darin ist ausgeführt, aus der Stellungnahme vom 12.12.2014 ließen sich die Arbeitsplatzgrundlagen der fraglichen BK nicht mit der geforderten Voraussetzung erkennen. Es seien nicht nur Tätigkeiten in kniender oder hockender Haltung oder im Fersensitz gefordert, sondern zusätzlich die nach vorn oder oben gerichtete Belastung der in dieser Knochenzange eingeklemmten Menisken. Ferner sei der medizinischen Abklärung der Kniebinnenschäden in dem Gutachten Dr. G. zu folgen. Diese werde vor allem durch die OP-Berichte gestützt. Insbesondere nach dem Bericht über die OP vom 27.10.2008 sei der Knorpelschaden im Beriech der medialen Femurcondyle zweit- bis drittgradig und somit wesentlich ausgeprägter gewesen als der makroskopisch beschriebene Innenmeniskushinterhornanteil. Auch seien die verschiedenen Innenmeniskusresektate nie histologisch untersucht worden, sodass eine primäre Meniskopathie nicht zu bestätigen sei.
Sodann hat der Berichterstatter des Senats den Kläger persönlich angehört, weiteren Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung seines Arbeitgebers, des Zeugen K., und den Sachverhalt mit den Beteiligten unter Einschluss des Technischen Aufsichtsbeamten des Präventionsdienstes der Beklagten, H., erörtert. Wegen der Ergebnisse wird auf das Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung vom 20.04.2015 verwiesen.
Nach Erteilung von Hinweisen zur Sach- und Rechtslage in dem Berichterstatterschreiben vom 28.04.2015 haben sich die Beteiligten unter dem 01.06.2015 und dem 12.06.2015 mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Ermittlungsergebnisse im Einzelnen wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen, insbesondere auf die genannten Gutachten von Prof. Dr. F. und Dr. G ...
Entscheidungsgründe:
1. Der Senat hat nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden, nachdem sich beide Beteiligte damit einverstanden erklärt hatten.
2. Die Berufung ist statthaft (§ 105 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 143 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht am Montag, dem 15.09.2014, erhoben. Sie ist aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen.
a) Allerdings ist die nunmehr - in zweiter Instanz - erhobene Anfechtungs- und Verpflichtungsklage statthaft.
Der Übergang von der Klage auf gerichtliche Feststellung, die der Kläger noch vor dem SG erhoben hatte, zu der jetzigen Klage auf Verpflichtung zu einer behördlichen Feststellung ist nach § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG nicht als Klageänderung anzusehen und daher zulässig. Zu einer Erweiterung oder Beschränkung des Klageantrags in der Hauptsache im Sinne jener Vorschrift gehört auch der Übergang von einer Feststellungs- auf eine Verpflichtungsklage und umgekehrt (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 99 Rn. 4).
Die Zulässigkeitsvoraussetzungen der jetzigen Verpflichtungsklage liegen vor. Zwar kann ein Versicherter nach § 55 Abs. 1 Halbsatz 1 SGG auch unmittelbar auf gerichtliche Feststellung klagen, er ist darauf jedoch nicht beschränkt, sondern kann wählen (Keller, a.a.O., § 55 Rn. 13c).
b) Die Klage ist jedoch nicht begründet. Bei dem Kläger liegt keine BK Nr. 2102 der Anlage 1 zur BKV vor.
Die rechtlichen Voraussetzungen für die Feststellung einer BK nach § 9 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) und die konkreten Vorgaben der BKV wegen der hier streitigen BK Nr. 2102 hat das SG in dem angegriffenen Gerichtsbescheid zutreffend dargelegt. Um Wiederholungen zu vermeiden, verweist der Senat nach § 153 Abs. 2 SGG auf jene Ausführungen. Auch in der Sache selbst folgt der Senat im Ergebnis der Einschätzung und den Ausführungen des SG:
aa) Ebenso wie das SG konnte der Senat letzten Endes bereits die arbeitstechnischen Voraussetzungen jener BK nicht feststellen.
Die allein noch geltend gemachte BK 2102 verlangt auf arbeitstechnischer Seite mehrjährige oder häufig wiederkehrende, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastende Tätigkeiten. Eine feste zeitliche Grenze (wie die 13.000 Stunden kniebelastender Tätigkeit bei der BK Nr. 2112) gibt es hier nicht. Formal notwendig sind zwei Jahre kniebelastende Tätigkeit, wenn auch Expositionszeiten von bis zu 20 Jahren verlangt werden. Ferner ist notwendig, dass der Versicherte während eines "wesentlichen Teils" seiner täglichen Arbeitszeit in Zwangshaltungen gearbeitet hat, in der Regel muss diese Belastung ein Drittel der Schicht oder mehr betragen haben (vgl. dazu Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 635 f. m.w.N.), weil bei kürzeren regelmäßigen Belastungen die Menisken ausreichend Zeit haben, sich zu erholen. Auf diese Punkte hat vor allem Dr. Hierholzer in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 09.01.2015 hingewiesen. Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, kann bei der Auslegung der genannten arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK die historische Entwicklung herangezogen werden. Die BK Nr. 2102 stammt ursprünglich aus dem Bergbau. Noch heute wird eine Beweiserleichterung nach § 9 Abs. 3 SGB VII - nur - für Bergleute nach einer mindestens dreijährigen, im Einzelnen beschriebenen Tätigkeit unter Tage angenommen (vgl. dazu Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 634 f.). Ansonsten ist im Einzelfall festzustellen, ob die Tätigkeit des Versicherten die Voraussetzungen der BK erfüllt.
Der Senat lässt offen, ob die konkreten Arbeiten des Klägers in Kabelschächten beim Verlegen und Anschließen von Kabeln meniskusbelastende Tätigkeiten in Zwangshaltungen waren, wie sie die BK Nr. 2102 voraussetzt. Der Gerichtssachverständige Dr. G. und auch der Beratungsarzt Dr. Hierholzer haben dies insgesamt verneint, weil der Kläger zwar zeitweise im Knien, im Fersensitz oder in der Hocke gearbeitet habe, weil aber die zusätzlich notwendige Belastung durch eine Kraftentfaltung nach vorn oder in die Höhe gefehlt habe. Diese Einschätzung erscheint nicht unvertretbar: Aus den Angaben des Klägers selbst und auch des Zeugen K. in dem Erörterungstermin am 20.04.2015 ergibt sich, dass die Kabel oft auf dem Schachtgrund lagen. Insbesondere der Zeuge hat darauf hingewiesen, dass man schon aus Kostengründen nicht tiefer gegraben habe als zur Verlegung der Kabel notwendig gewesen sei. Hieraus folgt, dass meistens die Kraftentfaltung beim Knien oder Hocken schräg nach vorn unten ging. Der Kläger hat jedoch auch darauf hingewiesen, dass Kabel anzuheben waren, z.B. beim Verklemmen der Muffen und dem Zusammenführen der Kabelenden, ggfs. auch wenn die Kabel unter Sand geraten waren. Auch ist vorstellbar, dass Hausanschlüsse nicht unbedingt auf dem Schachtgrund lagen, sondern auf halber Höhe an den Schachtwänden. Zwar war es dem Kläger in diesen Fällen möglich aufzustehen oder sich zumindest im Knien aufzurichten, bis die Knie nur noch rechtwinklig gebeugt waren (90°), denn die Schächte waren ja noch oben offen. Darin liegt ein wesentlicher Unterschied zum Bergbau unter Tage. Im Stehen oder bei rechtwinkligem Knien werden die Menisken nicht überdurchschnittlich belastet. Gleichwohl kann der Senat nicht ausschließen, dass der Kläger auch in nennenswertem Umfang nach vorn oder oben gearbeitet hat. Möglicherweise ist es für die Beurteilung auch relevant, dass die Schächte oft sehr eng waren und die Bauarbeiter daher eventuell durchgängig in ungünstige Körperhaltungen gezwungen waren. Auf diesen Punkt haben sowohl der Kläger als auch der Zeuge hingewiesen.
Nicht als besonders meniskusschädigend wertet der Senat dagegen die übrigen Arbeiten. Anerkannt sind insoweit nur "Laufen und Springen auf grob unebener Unterlage". Mit Laufen ist Rennen gemeint, nicht Gehen. Schädigend ist vor allem das Umknicken und das plötzliche Stoppen oder Richtungswechseln. Diese Belastungen treten vor allem im Hochleistungssport auf, auch bei Skilehrern oder Bergführern (hierzu insgesamt Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 635). Der Kläger war - auch - Kolonnenführer und hatte daher gelegentlich Papierarbeiten zu erledigen. Hinzu kamen die Zurichtung der Wagen und des Arbeitsmaterials bei Schichtbeginn auf dem Unternehmensgelände, die Fahrten zu den Baustellen, das Abladen und zum Ende der Schicht das Abräumen der Baustelle und der Rücktransport in den Betrieb. Diese Tätigkeiten waren nicht einmal übermäßig kniebelastend. Auch das Bewegen auf der Baustelle und das Springen in Gräben oder dgl., wovon der Kläger berichtet hat, wertet der Senat nicht als übermäßig meniskusbelastend. Es fehlte an den regelmäßigen plötzlichen Krafteinwirkungen auf die Menisken.
Eindeutig zu bejahen wäre die "Mehrjährigkeit" der Arbeit in den Kabelschächten, wenn sie ausreichend kniebelastend war. Allein im Unternehmen des Zeugen K. hat der Kläger zehn Jahre gearbeitet; dies sind deutlich mehr als die notwendigen zwei Jahre Mindesteinwirkungsdauer.
Jedoch hat der Kläger die möglicherweise meniskusbelastende Tätigkeit in den Schächten nicht während eines "wesentlichen Teils" seiner täglichen Arbeitszeiten ausgeübt. Aus den Aussagen des Zeugen K. ergibt sich, dass der Kläger - wie auch die anderen Bauarbeiter - "zwei bis drei" Hausanschlüsse pro Schicht verlegt und dafür jeweils "eine halbe bis eine Stunde" in den Kabelschächten aufgewandt hat. Bei einer achtstündigen Schicht ergibt sich hieraus eine zeitliche Spanne von einer Stunde bis drei Stunden arbeitstäglich. Da genauere Feststellungen nicht mehr möglich sind, legt der Senat seiner Beurteilung eine durchschnittliche Dauer von zwei Stunden pro Schicht zu Grunde. Dies erscheint gerechtfertigt, auch weil der Kläger ja eine sehr lange Zeit im Kabelbau gearbeitet hat und die Art der Arbeit auch im Jahresverlauf geschwankt haben wird. Nach dieser Berechnung ist der Senat nicht davon überzeugt, dass das geforderte Drittel jeder Schicht erreicht war. An diesem Ergebnis ändert auch die Mehrjährigkeit der Tätigkeit nichts. Unter Umständen kann die arbeitstägliche Einwirkungsdosis mit der gesamten Expositionsdauer abgewogen werden, wenn diese besonders lang war, z.B. deutlich mehr als zwanzig Jahre (vgl. dazu Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 635 f.). Dies ist bei dem Kläger nicht der Fall. Die angeschuldigte Tätigkeit bei dem Zeugen K. hatte er ab 2001 ausgeübt, also sieben Jahre lang bis zum Auftreten der Beschwerden und zehn Jahre lang bis zum Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis.
bb) Im Ergebnis zu verneinen sind auch die medizinischen Voraussetzungen bzw. der Ursachenzusammenhang zwischen den beruflichen Einwirkungen und der vorliegenden Meniskopathie.
Die BK Nr. 2102 verlangt eine primäre Meniskopathie (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 632 ff.). Eine sekundäre Meniskopathie, die ihrerseits durch andere, nicht berufsbedingte Umstände, verursacht worden ist, erfüllt die Voraussetzungen der BK nicht. Ob ein solcher unmittelbarer Ursachenzusammenhang zur Beschäftigung besteht, also eine primäre Meniskopathie vorliegt, ist nach Ansicht des Senats nicht im Vollbeweis nachzuweisen, sondern es reicht eine hinreichende Wahrscheinlichkeit im Sinne der anerkannten Kausalitätslehre des Unfallversicherungsrechts aus.
Der Senat kann eine solche, beruflich bedingte, primäre Meniskopathie nicht in diesem Wahrscheinlichkeitsmaß feststellen.
Allerdings besteht ein belastungskonformes Schadensbild: Im Einklang mit den Erfahrungswerten (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 633) ist bei dem Kläger im Wesentlichen der Innenmeniskus betroffen und die Schädigung scheint von hinten (Innenmeniskushinterhorn) auszugehen; wie sich in einem Seitenvergleich beider Knie zeigt.
Aber die behandelnden und begutachtenden Ärzte haben durchgängig eine sekundäre Meniskopathie diagnostiziert, wie z.B. Prof. Dr. F. (Gonarthrose Grad II). Bereits die OP-Berichte aus dem Jahre 2008 sprachen von einer Gonarthrose, die dort sogar als "initial" bezeichnet wurde, also als zuerst aufgetretene Schädigung. Für diese Einschätzung spricht, dass bei dem Kläger ja Knorpelschäden nachgewiesen worden sind, wenn auch aus ihnen unmittelbar keine Beschwerden gefolgt sind, sie also "stumm" waren. Auch die Operationen galten jeweils in erster Linie den degenerativen Veränderungen (Knorpelglättungen). Ebenso hatte der Wahlgutachter aus dem Rentenstreitverfahren, A. Wahl (Kliniken Biberach) in seinem Gutachten vom 14.01.2013 die arthrotischen Veränderungen in den Vordergrund gestellt und Meniskusschäden überhaupt nicht erwähnt. Der Gerichtssachverständige Dr. G. hat sich in diesem Punkt nicht ganz festgelegt, aber auch er hat die genannten arthrotischen Veränderungen (er sieht Grad I bis II nach Kellgren) festgestellt, dies spricht eher gegen eine unmittelbare Verursachung.
Eine Anerkennung des Meniskusschadens wäre daher nur möglich, wenn man der Ansicht folgte, die BK Nr. 2102 erfasse auch Meniskusschäden, die ihrerseits durch eine kniebelastende und eine vorbestehende Arthrose verschlimmernde Berufstätigkeit verursacht worden sind (vgl. BSG, Urt. v. 07.06.1988, 8/5a RKnU 4/87, Juris Rn. 16 f.). Diese Figur ist in der Rechtsprechung aber nicht durchgängig anerkannt worden und auch in der Medizin nach wie vor "umstritten" (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 634). Bei dem Kläger jedoch gibt es keine Anhaltspunkte für eine beruflich verursachte Verschlimmerung einer vorbestehenden Arthrose. Ferner ließe sich die Auswirkung einer solchen Verschlimmerung auf den Meniskus, also das Ausmaß des mittelbar beruflich bedingten Meniskusschadens, nicht abgrenzen. Dies gilt auch deswegen, weil Alternativursachen im Raum stehen, die nach ärztlicher Einschätzung ebenfalls zumindest zu einer Verschlimmerung einer anderweitig verursachten Meniskusschädigung beitragen könnten. Auf diesen Zusammenhang hatte Prof. Dr. F. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 17.07.2013 in Bezug auf das Übergewicht hingewiesen.
Aus diesen Gründen kann der Meniskusschaden weder insgesamt noch im Sinne einer Verschlimmerung als Erkrankung im Sinne der BK Nr. 2102 eingestuft werden.
3. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
4. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Daher war auch der hilfsweise gestellte Zulassungsantrag des Klägers abzulehnen. Insbesondere hat dieses Verfahren keine grundsätzliche rechtliche Bedeutung. Die Entscheidung des Senats beruht ganz überwiegend auf einer Würdigung des Sachverhalts, die dem Tatrichter vorbehalten ist.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt noch die behördliche Feststellung der Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2102 ("Meniskusschäden nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten") der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Der Kläger ist am 21.10.1971 geboren und wohnt in Deutschland. Er war von September 1990 bis Juli 1991 und erneut von Dezember 1997 bis März 1998 als Bauhelfer beschäftigt. In den übrigen Zeiten war er nicht kniebelastend tätig. Seit September 2001 war er als Monteur und Vorarbeiter bei einem Unternehmen für Kabelbau beschäftigt und in dieser Eigenschaft bei der beklagten Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse (BG ETEM) bzw. einer ihrer Rechtsvorgängerinnen gesetzlich unfallversichert.
Am 01.02.2011 beantragte der Kläger bei seinem gesetzlichen Rentenversicherer, der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg (DRV), Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Er legte dort ärztliche Unterlagen vor, aus denen sich ergab, dass er seit 2008 unter Beschwerden an beiden Knien litt und dort insgesamt viermal operiert worden war (dreimal links in den Jahren 2008 und 2010 und einmal rechts im Jahre 2009). Diagnostiziert worden waren eine Chondropathia patellae, eine Meniskopathie und eine "initiale" Varus-Gonarthrose, jeweils beidseitig. Der ärztliche Dienst der DRV ging davon aus, dass die medizinische Rehabilitation in Folge einer BK nach Nr. 2112 der Anlage 1 zur BKV (Gonarthrose) zu erbringen seien. Daher leitete die DRV den Antrag mit Schreiben vom 04.02.2011 an die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG Bau) weiter. Diese übersandte den Antrag zuständigkeitshalber an die Beklagte weiter, wo er am 24.02.2011 einging.
Die Beklagte leitete ein Feststellungsverfahren wegen der BK Nr. 2112 ein und zog Befundberichte der behandelnden Ärzte sowie das Vorerkrankungsverzeichnis des Klägers von seiner gesetzlichen Krankenkasse, der AOK Baden-Württemberg, bei. Ferner füllte der Kläger den Fragebogen M 6122 (Angaben über kniebelastende Tätigkeiten bei Verdacht auf Gonarthrose) aus.
Sodann beauftragte die Beklagte ihren Präventionsdienst mit einer Arbeitsplatzexposition zur BK Nr. 2112. Hierzu teilte der Technische Aufsichtsbeamte in seiner Stellungnahme vom 26.09.2011 mit, der Kläger habe durchschnittlich vier Stunden pro Schicht in einigen (einzeln benannten) kniebelastenden Positionen gearbeitet; daraus ergebe sich bei 220 Arbeitstagen im Jahr und einer zehnjährigen Tätigkeit in dem Kabelbauunternehmen eine Gesamtbelastungsdosis von höchstens 8.800 Stunden.
Zur Akte gelangten im Anschluss noch der Arztbericht des behandelnden Orthopäden Dr. A. vom 27.12.2011 (die Beschwerden seien durch die berufliche Tätigkeit verschlimmert worden ) sowie der Entlassungsbericht der Reha-Klinik B. in C., Dres. D./E., vom 27.05.2011 über eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme des Klägers im Mai 2011 (Gonarthrose bds. links mehr als rechts, HWS-/LWS-Syndrom, Übergewicht, anamnestisch Penicilinallergie, chronischer Tabakkonsum ).
Sodann holte die Beklagte ein Gutachten bei dem Orthopäden Prof. Dr. F. ein. Dieser teilte unter dem 16.03.2012 mit, bei dem Kläger seien erstmals im Mai 2008 Kniebeschwerden aufgetreten. Nach kernspintomografisch verifiziertem Innenmeniskusriss sei eine operative Versorgung erfolgt. Danach sei es zu einer maximalen Besserung über sechs Monate, anschließend zu einer Verschlechterung und letztlich zu einer weiteren Operation gekommen. Aktuell seien beide Kniegelenke persistent, konstant geschwollen. Zu diagnostizieren sei eine erst- bis zweitgradige Gonarthrose bds. Diese müsse auf der Basis einer deutlich anlagebedingten Entwicklungsstörung im Sinne eines Crus varum mit fehlstatischem Genu varum (die genannte varische Achsfehlstellung der Beine) gesehen werden. Es bestehe kein genereller Arthroseprozess, jedoch seien deutliche Zeichen einer konstitutionell knorpelbedingten degenerativen Gelenkserkrankung gegeben. Die bewiesene Innenmeniskopathie sei mit der konstitutionellen biomechanischen Fehlbelastungseinwirkung in Einklang zu bringen. Es gebe keinen Hinweis auf eine "dominierend berufsmechanisch induzierte" primäre Meniskopathie. Die Erkrankungen seien im Wesentlichen auf die konstitutionelle Fehlstatik und anlagebedingte Knorpeldegeneration bei zusätzlich einwirkendem Übergewicht zurückzuführen.
Der Staatliche Gewerbearzt schlug unter dem 07.05.2012 weder die BK Nr. 2112 noch die BK Nr. 2102 zur Anerkennung vor. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Tätigkeit und einer der Erkrankungen könne nicht wahrscheinlich gemacht werden. Es bestehe jedoch die erhöhte Gefahr einer BK. Hierzu führte Prof. Dr. F. unter dem 12.06.2012 ergänzend aus, es bestehe keine solche Gefahr, da anlagebedingte, konstitutionelle Faktoren gegeben seien.
Mit Bescheid vom 12.09.2012 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK nach Nr. 2102 oder Nr. 2112 der Anlage 1 zur BKV ab und verneinte "Ansprüche auf Leistungen", insbesondere auf "Leistungen oder Maßnahmen, die geeignet sind, dem Entstehen einer BK entgegenzuwirken". Hinsichtlich der Gonarthrose führte die Beklagte aus, die kniebelastende Tätigkeit bei dem Kabelbauunternehmen habe mit 8.800 Stunden nicht die erforderliche Mindesteinwirkungsdauer von 13.000 Stunden erreicht. Die Meniskusschäden, so die Beklagte weiter, beruhten unter anderem auf einer konstitutionellen biomechanischen Fehlbelastung und es gebe keinen Hinweis auf eine berufsbedingte primäre Meniskopathie.
Im Vorverfahren trug der Kläger vor (e-mail vom 03.05.2013 ), seine Kniebeschwerden seien auf die Berufstätigkeit zurückzuführen. Bei ihm bestehe allenfalls Übergewicht, aber keine Fettleibigkeit, und dieses Übergewicht beruhe möglicherweise auf einer Schilddrüsenunterfunktion; ferner wandte er sich gegen die Angaben Prof. Dr. F.s hinsichtlich der Achsfehlstellung seiner Beine. Prof. Dr. F. gab hierzu die ergänzenden Stellungnahme vom 17.07.2013 ab. Er führte aus, bei dem Kläger bestehe in der Tat nur Prä-Adipositas. Bei Männern sei Übergewicht selbst zwar kein primär auslösender Faktor einer Gonarthrose, sie nehme jedoch einen zumindest mäßigen Anteil am Krankheitsverlauf. Die kniebelastende berufliche Exposition habe er nicht in Frage gestellt. Er verneine die medizinischen Voraussetzungen der BK Nr. 2102 und nicht den Ursachenzusammenhang. An beiden Kniegelenken zeige sich eine mittelgradige Varus-Fehlstellung mit O-Winkel von 4° rechts und annähernder Geradeachse links. Es bestehe kein Zweifel an einer, wenn auch beschwerdearmen, fehlstatisch induzierten Gonarthrose mit einer dann sekundären Innenmeniskus-Affektion.
Die Beklagte wies sodann unter Würdigung der ergänzenden Stellungnahme von Prof. Dr. F. den Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 23.09.2013 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 23.10.2013 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Er hat dort neben der Aufhebung der Bescheide die - gerichtliche - Feststellung – lediglich – der BK Nr. 2102 begehrt. Er hat behauptet, er leide an einer primären Meniskopathie. Es hätten primär keine ausgedehnten Knorpelschäden vorgelegen. Er hat gemeint, seine Meniskusschäden seien nicht anlagebedingt, sondern auf die arbeitstechnischen Voraussetzungen zurückzuführen.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat an ihrer Einschätzung festgehalten, es liege eine sekundäre, durch eine anlagebedingte Fehlstellung der Beine sowie weitere Faktoren verursachte Meniskopathie vor.
Das SG hat die Akte eines weiteren sozialgerichtlichen Streitverfahrens des Klägers mit der DRV Baden-Württemberg (S 10 R 1234/12) beigezogen. In jenem Verfahren hatte das SG das Gutachten des Orthopäden und Unfallchirurgen A. Wahl vom 14.01.2013 erhoben (Diagnose: innenseitig betonte Kniegelenksarthrose mit Gelenkspaltverschmälerung links mehr als rechts, zweitgradige Knorpelschädigung linkes inneres Kniegelenkskompartement, zweitgradige Knorpelschädigung bei Patelladysplasie Typ 3 am rechten Kniegelenk sowie Beeinträchtigungen der Wirbelsäule). Ferner hatte es die schriftliche Aussage des Inhabers des Beschäftigungsunternehmens des Klägers, des Zeugen T., vom 14.05.2013 eingeholt.
Sodann hat das SG in diesem unfallversicherungsrechtlichen Verfahren das schriftliche Gutachten des Orthopäden Dr. G. vom 14.04.2014 erhoben. Dieser Sachverständige hat bekundet, bei dem Kläger beständen leichtgradige arthrotische Veränderungen, die das Übergangsstadium zwischen Grad 1 und Grad 2 in der Klassifikation nach Kellgren erreichten. Am rechten Knie habe es einmalig eine operative Arthroskopie mit Teilresektion des Innenmeniskushinterhorns bei nachgewiesener degenerativer Rissbildung gegeben. Das linke Knie sei dreimal operiert worden. Hierbei seien Knorpelschäden am medialen Kondylus zunächst minimal und später zweitgradig und ebenfalls in der Hauptbelastungszone ein kleiner lokaler Knorpelschaden zweiten bis dritten Grades festgestellt worden. Bei der jetzigen Untersuchung hätten sich beide Kniegelenke reizlos und insgesamt frei beweglich gezeigt. Auf der linken Seite sei von Belastungsbeschwerden berichtet worden; in der Tat beständen entsprechende Verschleißerscheinungen. Die Berufstätigkeit des Klägers sei nicht vergleichbar mit derjenigen eines Bergmanns, sodass nicht von extremer Beugestellung oder Zwangshaltung der Kniegelenke ausgegangen werden könne. Es habe keine ausreichende berufliche Belastung des Innenmeniskushinterhorns bestanden. Eine berufliche Verursachung könne daher nicht festgestellt werden. Allerdings – so der Sachverständige – ließen sich auch die konkurrierende Ursachenfaktoren, die von den Vorgutachtern beschrieben worden seien, nicht feststellen. Insbesondere habe eine im Kindesalter erlittene Fraktur des rechten Oberschenkels keine Achsenfehlstellung hinterlassen.
Mit – angekündigtem – Gerichtsbescheid vom 11.08.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Anerkennung der allein geltend gemachten BK Nr. 2102 zu. Zur Begründung hat das SG ausgeführt:
In medizinischer Sicht setze die BK Nr. 2102 eine primäre Meniskopathie voraus. Bei dieser Erkrankung setze der vorzeitige Verschleiß unmittelbar im Bereich der Menisken ein und sei mit einer Einbuße an Elastizität und Gleitfähigkeit verbunden. Es könne zu Zerstörungen bis zu Zusammenhangstrennungen kommen. Wegen des Bewegungsablaufs im Knie bei der Beuge liege ein belastungskonformes Schadensbild dann vor, wenn - zunächst - das Innenmeniskushinterhorn beeinträchtigt sei. Schäden am Außenmeniskus durch Knien seien selten und von geringerer Schwere. Bei der sekundären Meniskopathie dagegen werde der Meniskusschaden durch andere Veränderungen vermittelt, zum Beispiel durch eine Minderwertigkeit des Gelenkknorpels oder arthrotische Veränderungen bei anlagebedingten oder posttraumatischen Achsfehlstellungen. Bei einem solchen sekundären Meniskusschaden liege eine BK nicht vor, da nicht die versicherte Tätigkeit wesentliche Ursache sei.
Zu den arbeitstechnischen Voraussetzungen hat das SG ausgeführt, die BK Nr. 2102 habe sich zunächst auf Arbeiten unter Tage bezogen. Daran habe sich die Auslegung des Merkmals der andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten zu orientieren. Erfasst seien Dauerzwangshaltungen in physiologisch ungünstiger Position der Kniegelenke mit aktiver Gelenkarbeit. In einer solchen Lage wirkten auf den Meniskus Druck-, Zug- und Scherkräfte ein, die bestimmte (im Einzelnen beschriebene) Schädigungen auslösen könnten. Dies seien im Einzelnen Belastungen durch Fersensitz, Hocken oder Knien bei gleichzeitiger Kraftaufwendung, dynamische Belastungen wie Laufen oder Springen mit häufigen Knick-, Scher- und Drehbewegungen auf unebener Grundlage wie z.B. im Hochleistungssport.
Bei dem Kläger, so das SG zusammenfassend, seien hiernach weder die medizinischen noch die arbeitstechnischen Voraussetzungen erfüllt. Aus den ärztlichen Unterlagen, vor allem den Gutachten von Prof. Dr. F. aus dem Verwaltungs- und Dr. G. aus dem Gerichtsverfahren, ergebe sich, dass deutliche Anzeichen einer konstitutionell bedingten chondrogenen Gelenkserkrankung beständen. Bereits dies stütze die Annahme einer sekundären Meniskopathie. Es könne daher offen bleiben, ob die Ursachen dieser chondrotischen Veränderungen in einer Achsfehlstellung der Beine, die Dr. G. nicht als krankhaft eingestuft habe, gesehen werden könnten. Bei seinen Arbeiten im Kabelbau, wie sie Dr. G. in seinem Gutachten dargestellt habe, habe der Kläger nicht in Dauerzwangshaltungen, insbesondere nicht häufig kniend oder hockend, nach vorn oder oben arbeiten und insoweit keine Kraft aufwenden müssen. Die Arbeiten des Klägers, insbesondere das Verlegen von Kabeln auch in engen Kanälen und das Heben von Kabeln und Werkzeugen, komme der Arbeit unter Tage nicht gleich.
Gegen diesen Gerichtsbescheid, der seinem Prozessbevollmächtigten am 13.08.2014 zugestellt worden ist, hat der Kläger am 15.09.2014, einem Montag, Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Er hält an seiner Behauptung fest, er leide an einer unmittelbar belastungsabhängigen primären Meniskopathie. Ferner trägt er vor, die arbeitstechnischen Voraussetzungen seien gegeben. Dr. G. habe ihn nicht genau genug nach Art und Weise sowie Häufigkeit der kniebelastenden Arbeiten befragt. Insbesondere habe er größtenteils in Zwangshaltungen wie in der Hocke in schmalen und tiefen Gräben arbeiten und oft in die Gräben oder auf oder von Maschinen springen müssen. Zur Untermauerung seines Vortrags legt der Kläger das Attest des Orthopäden Wahl vom 15.06.2014 vor, auf das verwiesen wird.
Der Kläger beantragt nunmehr,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 11. August 2014 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 12. September 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. September 2013 zu verurteilen, bei ihm eine Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung festzustellen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Auf Anregung des Senats hat die Beklagte eine Arbeitsplatzexposition hinsichtlich der nunmehr allein geltend gemachten BK Nr. 2102 eingeholt. Hierzu hat ihr Technischer Aufsichtsbeamter in seiner Stellungnahme vom 12.12.2014 ausgeführt, nach Auswertung der vom Kläger geschilderten - im Einzelnen dargelegten - Arbeiten habe eine Einwirkung im Sinne der BK Nr. 2102 vorgelegen, es sei jedoch nicht zu klären, ob diese der Auslöser der Erkrankung gewesen sei.
Die Beklagte hat zu dieser Arbeitsplatzexposition ferner die beratungsärztliche Stellungnahme des Chirurgen Dr. Hierholzer vom 09.01.2015 vorgelegt. Darin ist ausgeführt, aus der Stellungnahme vom 12.12.2014 ließen sich die Arbeitsplatzgrundlagen der fraglichen BK nicht mit der geforderten Voraussetzung erkennen. Es seien nicht nur Tätigkeiten in kniender oder hockender Haltung oder im Fersensitz gefordert, sondern zusätzlich die nach vorn oder oben gerichtete Belastung der in dieser Knochenzange eingeklemmten Menisken. Ferner sei der medizinischen Abklärung der Kniebinnenschäden in dem Gutachten Dr. G. zu folgen. Diese werde vor allem durch die OP-Berichte gestützt. Insbesondere nach dem Bericht über die OP vom 27.10.2008 sei der Knorpelschaden im Beriech der medialen Femurcondyle zweit- bis drittgradig und somit wesentlich ausgeprägter gewesen als der makroskopisch beschriebene Innenmeniskushinterhornanteil. Auch seien die verschiedenen Innenmeniskusresektate nie histologisch untersucht worden, sodass eine primäre Meniskopathie nicht zu bestätigen sei.
Sodann hat der Berichterstatter des Senats den Kläger persönlich angehört, weiteren Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung seines Arbeitgebers, des Zeugen K., und den Sachverhalt mit den Beteiligten unter Einschluss des Technischen Aufsichtsbeamten des Präventionsdienstes der Beklagten, H., erörtert. Wegen der Ergebnisse wird auf das Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung vom 20.04.2015 verwiesen.
Nach Erteilung von Hinweisen zur Sach- und Rechtslage in dem Berichterstatterschreiben vom 28.04.2015 haben sich die Beteiligten unter dem 01.06.2015 und dem 12.06.2015 mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Ermittlungsergebnisse im Einzelnen wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen, insbesondere auf die genannten Gutachten von Prof. Dr. F. und Dr. G ...
Entscheidungsgründe:
1. Der Senat hat nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden, nachdem sich beide Beteiligte damit einverstanden erklärt hatten.
2. Die Berufung ist statthaft (§ 105 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 143 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht am Montag, dem 15.09.2014, erhoben. Sie ist aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen.
a) Allerdings ist die nunmehr - in zweiter Instanz - erhobene Anfechtungs- und Verpflichtungsklage statthaft.
Der Übergang von der Klage auf gerichtliche Feststellung, die der Kläger noch vor dem SG erhoben hatte, zu der jetzigen Klage auf Verpflichtung zu einer behördlichen Feststellung ist nach § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG nicht als Klageänderung anzusehen und daher zulässig. Zu einer Erweiterung oder Beschränkung des Klageantrags in der Hauptsache im Sinne jener Vorschrift gehört auch der Übergang von einer Feststellungs- auf eine Verpflichtungsklage und umgekehrt (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 99 Rn. 4).
Die Zulässigkeitsvoraussetzungen der jetzigen Verpflichtungsklage liegen vor. Zwar kann ein Versicherter nach § 55 Abs. 1 Halbsatz 1 SGG auch unmittelbar auf gerichtliche Feststellung klagen, er ist darauf jedoch nicht beschränkt, sondern kann wählen (Keller, a.a.O., § 55 Rn. 13c).
b) Die Klage ist jedoch nicht begründet. Bei dem Kläger liegt keine BK Nr. 2102 der Anlage 1 zur BKV vor.
Die rechtlichen Voraussetzungen für die Feststellung einer BK nach § 9 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) und die konkreten Vorgaben der BKV wegen der hier streitigen BK Nr. 2102 hat das SG in dem angegriffenen Gerichtsbescheid zutreffend dargelegt. Um Wiederholungen zu vermeiden, verweist der Senat nach § 153 Abs. 2 SGG auf jene Ausführungen. Auch in der Sache selbst folgt der Senat im Ergebnis der Einschätzung und den Ausführungen des SG:
aa) Ebenso wie das SG konnte der Senat letzten Endes bereits die arbeitstechnischen Voraussetzungen jener BK nicht feststellen.
Die allein noch geltend gemachte BK 2102 verlangt auf arbeitstechnischer Seite mehrjährige oder häufig wiederkehrende, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastende Tätigkeiten. Eine feste zeitliche Grenze (wie die 13.000 Stunden kniebelastender Tätigkeit bei der BK Nr. 2112) gibt es hier nicht. Formal notwendig sind zwei Jahre kniebelastende Tätigkeit, wenn auch Expositionszeiten von bis zu 20 Jahren verlangt werden. Ferner ist notwendig, dass der Versicherte während eines "wesentlichen Teils" seiner täglichen Arbeitszeit in Zwangshaltungen gearbeitet hat, in der Regel muss diese Belastung ein Drittel der Schicht oder mehr betragen haben (vgl. dazu Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 635 f. m.w.N.), weil bei kürzeren regelmäßigen Belastungen die Menisken ausreichend Zeit haben, sich zu erholen. Auf diese Punkte hat vor allem Dr. Hierholzer in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 09.01.2015 hingewiesen. Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, kann bei der Auslegung der genannten arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK die historische Entwicklung herangezogen werden. Die BK Nr. 2102 stammt ursprünglich aus dem Bergbau. Noch heute wird eine Beweiserleichterung nach § 9 Abs. 3 SGB VII - nur - für Bergleute nach einer mindestens dreijährigen, im Einzelnen beschriebenen Tätigkeit unter Tage angenommen (vgl. dazu Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 634 f.). Ansonsten ist im Einzelfall festzustellen, ob die Tätigkeit des Versicherten die Voraussetzungen der BK erfüllt.
Der Senat lässt offen, ob die konkreten Arbeiten des Klägers in Kabelschächten beim Verlegen und Anschließen von Kabeln meniskusbelastende Tätigkeiten in Zwangshaltungen waren, wie sie die BK Nr. 2102 voraussetzt. Der Gerichtssachverständige Dr. G. und auch der Beratungsarzt Dr. Hierholzer haben dies insgesamt verneint, weil der Kläger zwar zeitweise im Knien, im Fersensitz oder in der Hocke gearbeitet habe, weil aber die zusätzlich notwendige Belastung durch eine Kraftentfaltung nach vorn oder in die Höhe gefehlt habe. Diese Einschätzung erscheint nicht unvertretbar: Aus den Angaben des Klägers selbst und auch des Zeugen K. in dem Erörterungstermin am 20.04.2015 ergibt sich, dass die Kabel oft auf dem Schachtgrund lagen. Insbesondere der Zeuge hat darauf hingewiesen, dass man schon aus Kostengründen nicht tiefer gegraben habe als zur Verlegung der Kabel notwendig gewesen sei. Hieraus folgt, dass meistens die Kraftentfaltung beim Knien oder Hocken schräg nach vorn unten ging. Der Kläger hat jedoch auch darauf hingewiesen, dass Kabel anzuheben waren, z.B. beim Verklemmen der Muffen und dem Zusammenführen der Kabelenden, ggfs. auch wenn die Kabel unter Sand geraten waren. Auch ist vorstellbar, dass Hausanschlüsse nicht unbedingt auf dem Schachtgrund lagen, sondern auf halber Höhe an den Schachtwänden. Zwar war es dem Kläger in diesen Fällen möglich aufzustehen oder sich zumindest im Knien aufzurichten, bis die Knie nur noch rechtwinklig gebeugt waren (90°), denn die Schächte waren ja noch oben offen. Darin liegt ein wesentlicher Unterschied zum Bergbau unter Tage. Im Stehen oder bei rechtwinkligem Knien werden die Menisken nicht überdurchschnittlich belastet. Gleichwohl kann der Senat nicht ausschließen, dass der Kläger auch in nennenswertem Umfang nach vorn oder oben gearbeitet hat. Möglicherweise ist es für die Beurteilung auch relevant, dass die Schächte oft sehr eng waren und die Bauarbeiter daher eventuell durchgängig in ungünstige Körperhaltungen gezwungen waren. Auf diesen Punkt haben sowohl der Kläger als auch der Zeuge hingewiesen.
Nicht als besonders meniskusschädigend wertet der Senat dagegen die übrigen Arbeiten. Anerkannt sind insoweit nur "Laufen und Springen auf grob unebener Unterlage". Mit Laufen ist Rennen gemeint, nicht Gehen. Schädigend ist vor allem das Umknicken und das plötzliche Stoppen oder Richtungswechseln. Diese Belastungen treten vor allem im Hochleistungssport auf, auch bei Skilehrern oder Bergführern (hierzu insgesamt Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 635). Der Kläger war - auch - Kolonnenführer und hatte daher gelegentlich Papierarbeiten zu erledigen. Hinzu kamen die Zurichtung der Wagen und des Arbeitsmaterials bei Schichtbeginn auf dem Unternehmensgelände, die Fahrten zu den Baustellen, das Abladen und zum Ende der Schicht das Abräumen der Baustelle und der Rücktransport in den Betrieb. Diese Tätigkeiten waren nicht einmal übermäßig kniebelastend. Auch das Bewegen auf der Baustelle und das Springen in Gräben oder dgl., wovon der Kläger berichtet hat, wertet der Senat nicht als übermäßig meniskusbelastend. Es fehlte an den regelmäßigen plötzlichen Krafteinwirkungen auf die Menisken.
Eindeutig zu bejahen wäre die "Mehrjährigkeit" der Arbeit in den Kabelschächten, wenn sie ausreichend kniebelastend war. Allein im Unternehmen des Zeugen K. hat der Kläger zehn Jahre gearbeitet; dies sind deutlich mehr als die notwendigen zwei Jahre Mindesteinwirkungsdauer.
Jedoch hat der Kläger die möglicherweise meniskusbelastende Tätigkeit in den Schächten nicht während eines "wesentlichen Teils" seiner täglichen Arbeitszeiten ausgeübt. Aus den Aussagen des Zeugen K. ergibt sich, dass der Kläger - wie auch die anderen Bauarbeiter - "zwei bis drei" Hausanschlüsse pro Schicht verlegt und dafür jeweils "eine halbe bis eine Stunde" in den Kabelschächten aufgewandt hat. Bei einer achtstündigen Schicht ergibt sich hieraus eine zeitliche Spanne von einer Stunde bis drei Stunden arbeitstäglich. Da genauere Feststellungen nicht mehr möglich sind, legt der Senat seiner Beurteilung eine durchschnittliche Dauer von zwei Stunden pro Schicht zu Grunde. Dies erscheint gerechtfertigt, auch weil der Kläger ja eine sehr lange Zeit im Kabelbau gearbeitet hat und die Art der Arbeit auch im Jahresverlauf geschwankt haben wird. Nach dieser Berechnung ist der Senat nicht davon überzeugt, dass das geforderte Drittel jeder Schicht erreicht war. An diesem Ergebnis ändert auch die Mehrjährigkeit der Tätigkeit nichts. Unter Umständen kann die arbeitstägliche Einwirkungsdosis mit der gesamten Expositionsdauer abgewogen werden, wenn diese besonders lang war, z.B. deutlich mehr als zwanzig Jahre (vgl. dazu Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 635 f.). Dies ist bei dem Kläger nicht der Fall. Die angeschuldigte Tätigkeit bei dem Zeugen K. hatte er ab 2001 ausgeübt, also sieben Jahre lang bis zum Auftreten der Beschwerden und zehn Jahre lang bis zum Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis.
bb) Im Ergebnis zu verneinen sind auch die medizinischen Voraussetzungen bzw. der Ursachenzusammenhang zwischen den beruflichen Einwirkungen und der vorliegenden Meniskopathie.
Die BK Nr. 2102 verlangt eine primäre Meniskopathie (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 632 ff.). Eine sekundäre Meniskopathie, die ihrerseits durch andere, nicht berufsbedingte Umstände, verursacht worden ist, erfüllt die Voraussetzungen der BK nicht. Ob ein solcher unmittelbarer Ursachenzusammenhang zur Beschäftigung besteht, also eine primäre Meniskopathie vorliegt, ist nach Ansicht des Senats nicht im Vollbeweis nachzuweisen, sondern es reicht eine hinreichende Wahrscheinlichkeit im Sinne der anerkannten Kausalitätslehre des Unfallversicherungsrechts aus.
Der Senat kann eine solche, beruflich bedingte, primäre Meniskopathie nicht in diesem Wahrscheinlichkeitsmaß feststellen.
Allerdings besteht ein belastungskonformes Schadensbild: Im Einklang mit den Erfahrungswerten (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 633) ist bei dem Kläger im Wesentlichen der Innenmeniskus betroffen und die Schädigung scheint von hinten (Innenmeniskushinterhorn) auszugehen; wie sich in einem Seitenvergleich beider Knie zeigt.
Aber die behandelnden und begutachtenden Ärzte haben durchgängig eine sekundäre Meniskopathie diagnostiziert, wie z.B. Prof. Dr. F. (Gonarthrose Grad II). Bereits die OP-Berichte aus dem Jahre 2008 sprachen von einer Gonarthrose, die dort sogar als "initial" bezeichnet wurde, also als zuerst aufgetretene Schädigung. Für diese Einschätzung spricht, dass bei dem Kläger ja Knorpelschäden nachgewiesen worden sind, wenn auch aus ihnen unmittelbar keine Beschwerden gefolgt sind, sie also "stumm" waren. Auch die Operationen galten jeweils in erster Linie den degenerativen Veränderungen (Knorpelglättungen). Ebenso hatte der Wahlgutachter aus dem Rentenstreitverfahren, A. Wahl (Kliniken Biberach) in seinem Gutachten vom 14.01.2013 die arthrotischen Veränderungen in den Vordergrund gestellt und Meniskusschäden überhaupt nicht erwähnt. Der Gerichtssachverständige Dr. G. hat sich in diesem Punkt nicht ganz festgelegt, aber auch er hat die genannten arthrotischen Veränderungen (er sieht Grad I bis II nach Kellgren) festgestellt, dies spricht eher gegen eine unmittelbare Verursachung.
Eine Anerkennung des Meniskusschadens wäre daher nur möglich, wenn man der Ansicht folgte, die BK Nr. 2102 erfasse auch Meniskusschäden, die ihrerseits durch eine kniebelastende und eine vorbestehende Arthrose verschlimmernde Berufstätigkeit verursacht worden sind (vgl. BSG, Urt. v. 07.06.1988, 8/5a RKnU 4/87, Juris Rn. 16 f.). Diese Figur ist in der Rechtsprechung aber nicht durchgängig anerkannt worden und auch in der Medizin nach wie vor "umstritten" (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 634). Bei dem Kläger jedoch gibt es keine Anhaltspunkte für eine beruflich verursachte Verschlimmerung einer vorbestehenden Arthrose. Ferner ließe sich die Auswirkung einer solchen Verschlimmerung auf den Meniskus, also das Ausmaß des mittelbar beruflich bedingten Meniskusschadens, nicht abgrenzen. Dies gilt auch deswegen, weil Alternativursachen im Raum stehen, die nach ärztlicher Einschätzung ebenfalls zumindest zu einer Verschlimmerung einer anderweitig verursachten Meniskusschädigung beitragen könnten. Auf diesen Zusammenhang hatte Prof. Dr. F. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 17.07.2013 in Bezug auf das Übergewicht hingewiesen.
Aus diesen Gründen kann der Meniskusschaden weder insgesamt noch im Sinne einer Verschlimmerung als Erkrankung im Sinne der BK Nr. 2102 eingestuft werden.
3. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
4. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Daher war auch der hilfsweise gestellte Zulassungsantrag des Klägers abzulehnen. Insbesondere hat dieses Verfahren keine grundsätzliche rechtliche Bedeutung. Die Entscheidung des Senats beruht ganz überwiegend auf einer Würdigung des Sachverhalts, die dem Tatrichter vorbehalten ist.
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