L 9 R 974/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 1394/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 974/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 2. März 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.

Die am 1953 geborene Klägerin hat nach ihren Angaben in der ehemaligen DDR erfolgreich eine Ausbildung zur Bauelementefertigerin absolviert und war in diesem Beruf nach der Ausbildung von 1969 bis 1980 versicherungspflichtig beschäftigt. Anschließend war sie versicherungspflichtig als Elektromontiererin, Buffet-Kraft, Druckereiarbeiterin und zuletzt von 1994 bis 2012 als Bandarbeiterin/Bandführerin mit dem Verpacken von Puzzlespielen versicherungspflichtig beschäftigt. Seit Juni 2012 ist sie arbeitsunfähig erkrankt und arbeitslos.

In der Zeit vom 03.08. bis 24.08.2011 gewährte die Beklagte der Klägerin eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in der Reha-Klinik Ü. in I., aus der die Klägerin ausweislich des Entlassungsberichts vom 01.09.2011 mit den Diagnosen metabolisches Syndrom (Adipositas, Hypertonie, Hyperlipidämie), LWS-Syndrom bei muskulärer Dysbalance, paroxysmales Vorhofflimmern (Z. n. elektr. Cardioversion am 26.01.2011) und psychovegetativer Erschöpfungszustand arbeitsfähig entlassen wurde. Sowohl die Tätigkeit als Produktionsmitarbeiterin als auch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien sechs Stunden und mehr arbeitstäglich zumutbar. Nicht zu empfehlen seien Tätigkeiten mit längeren Zwangshaltungen für die Wirbelsäule, mit Heben und Tragen von schweren Lasten, häufigem Ersteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten sowie Tätigkeiten in Wechsel- und Nachtschicht. Im April 2013 wurde laparoskopisch ein Y-Roux Gastric Bypass angelegt.

Am 24.09.2013 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung der Klägerin bei dem Facharzt für Innere Medizin und Psychotherapeutische Medizin Dr. W., der in seinem Gutachten vom 21.11.2013 die Diagnosen paroxysmales Vorhofflimmern ohne kardiale Dekompensation bzw. linksventrikuläre Funktionseinschränkung, Adipositas Grad III (gebessert nach Magenbypass-Operation im April 2013) ohne Hinweis auf Malassimilation, Schlafapnoe-Syndrom unter Beatmungsbehandlung und medikamentös eingestellte essentielle Hypertonie angab. Psychisch sei derzeit keine affektive Störung von Krankheitswert festzustellen. Die Klägerin könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte bis mittelschwere Tätigkeiten weiterhin vollschichtig ausüben; ungünstig seien schwerere Überkopfanforderungen und Tätigkeiten in Gefahrenbereichen. Mit Bescheid vom 29.11.2013 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, die Einschränkungen, die sich aus den bei der Klägerin vorliegenden Krankheiten oder Behinderungen ergäben, führten nicht zu einem Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung, da diese noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein könne. Da ihr dies aufgrund ihres beruflichen Werdegangs zumutbar sei, sei sie auch nicht berufsunfähig und könne keine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit erhalten.

Den Widerspruch der Klägerin vom 28.01.2014, den sie im Wesentlichen mit einer nicht ausreichend berücksichtigten depressiven Erkrankung und einer Verschlechterung der Wirbelsäulenbeschwerden begründete, wies die Beklagte nach Einholung einer Stellungnahme bei Dr. W., der an seiner Leistungseinschätzung aus dem Gutachten vom 21.11.2013 festhielt, mit Widerspruchsbescheid vom 24.04.2014 zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 13.05.2014 Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben.

Im Rahmen der Beweisaufnahme hat das SG die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen und den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. D. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Die Verhaltenstherapeutin A.-S. hat unter dem 11.07.2014 angegeben, die Klägerin sei auf Veranlassung der Krankenkasse zur psychotherapeutischen Betreuung und Operationsvorbereitung in Bezug auf die Magenverkleinerung bei ihr gewesen. Nach der Operation sei sie niederfrequent psychotherapeutisch unterstützt worden, um weiterhin ein bewusstes und gesundes Essverhalten zu erlernen. Sie habe sich nach dem Tod der Mutter und der erfolgreichen Operation kräftemäßig und psychisch wieder etwas erholt, die jahrelangen Belastungen hätten jedoch Spuren hinterlassen. Sobald Konzentrationsleistungen und etwas längere Anstrengungen notwendig seien, sei die Klägerin wieder sehr schnell erschöpft und reagiere mit Herzrasen und Atemnot. Dies habe sich auch bei der Weiterbildungsmaßnahme des Arbeitsamtes gezeigt. Eine kontinuierliche psychotherapeutische Behandlung sei nicht erforderlich. Sie gehe aber nicht davon aus, dass die Klägerin wieder arbeitsfähig werden könne, da sie in den zurückliegenden Jahren zu sehr abgebaut habe. Der Arzt für Innere Medizin und Allgemeinmedizin Dr. W.hat in seiner Stellungnahme vom 22.07.2014 ausgeführt, die Klägerin sei durch den Gewichtsverlust körperlich etwas leistungsfähiger geworden und habe im Rahmen eines Belastungs-EKGs im Januar 2014 100 Watt bei 136 Puls bei grenzwertig erhöhtem Blutdruck absolviert. Durch eine jahrelange absolute Arrhythmie wegen des Ausfalls der Vorhofaktionen bestehe aber eine zusätzliche Leistungsminderung. Die Klägerin sei auch für leichte Tätigkeiten nicht mehr zu vermitteln, da allein die Tatsache, dass sie eine bestimmte Tätigkeit durchführen müsse, ihr eine schlaflose Nacht bereite; am nächsten Tag zeige sie dann massive vegetative Symptome, welche es unmöglich machten, eine Tätigkeit durchzuführen.

Dr. D. hat in seinem Gutachten vom 23.01.2015 auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet eine leichte depressive Störung im Sinne einer Dysthymia und ein Wirbelsäulensyndrom ohne neurologisches Defizit diagnostiziert. Außerhalb seines Fachgebiets bestünden ein bekanntes paroxysmales Vorhofflimmern, Adipositas nach Magen-Bypass-Operation, ein bekanntes Schlafapnoe-Syndrom (derzeit ohne Behandlung) und eine arterielle Hypertonie. Die Klägerin könne noch leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig verrichten. Tätigkeiten mit besonderem Zeitdruck, besonderer Stressbelastung, in Nacht- und/oder Wechselschicht sowie Tätigkeiten mit Wirbelsäulenzwangshaltungen sollten vermieden werden. Die Klägerin könne keine schweren Gegenstände heben, tragen oder bewegen und sollte nicht auf Leitern, Treppen oder Gerüsten arbeiten und keiner besonderen Unfall- oder Absturzgefahr ausgesetzt werden.

Nach entsprechendem Hinweis hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 02.03.2015 abgewiesen. Die - näher dargelegten - Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung seien nicht erfüllt. Bei der Klägerin bestehe vor allem eine leichte depressive Störung im Sinne einer Dysthymia, ein Wirbelsäulensyndrom ohne neurologisches Defizit, paroxysmales Vorhofflimmern, Adipositas, ein Schlafapnoesyndrom und arterielle Hypertonie. Die Gesundheitsbeeinträchtigungen der Klägerin schränkten ihre Leistungsfähigkeit zwar ein, jedoch gingen sie nicht so weit, dass die Klägerin nicht mehr leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten sechsstündig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten könne. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand und zum Leistungsvermögen seien dem Gesamtergebnis der Ermittlungen und der Beweisaufnahme, insbesondere dem aktuellen Gutachten von Dr. D. zu entnehmen. Soweit der Hausarzt und die behandelnde Psychologin bei der Klägerin eine zeitliche Leistungsminderung annähmen, erachte das Gericht deren Einschätzung durch das nachfolgend eingeholte Fachgutachten als widerlegt. Die Klägerin sei auch nicht berufsunfähig. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit seien nicht erfüllt. Bei der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Bandarbeiterin in einer Spielefabrik handle es sich um eine allenfalls kurzfristig angelernte Tätigkeit, sodass von einer breiten Verweisbarkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszugehen sei. Gegen den am 09.03.2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 16.03.2015 Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, sie sei nach wie vor der Überzeugung, dass bei ihr aufgrund der Kraftlosigkeit und der nach wie vor bestehenden Atemnot die Voraussetzungen für die Zuerkennung der beantragten Renten vorlägen. Insoweit sehe sie sich durch die Einschätzung ihres Hausarztes Dr. W. und der Psychotherapeutin A.-S. bestätigt. Auf die insbesondere von Dr. W. hierfür gegebene Begründung gehe der Sachverständige Dr. D. in seinem Gutachten nicht ausreichend ein.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 2. März 2015 sowie den Bescheid vom 29. November 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. April 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist im Wesentlichen auf ihre Ausführungen in Bescheid und Widerspruchsbescheid sowie die Begründung des angefochtenen Gerichtsbescheids.

Die Beteiligten haben sich mit Schriftsätzen vom 29.06.2015 und 03.07.2015 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung ist aber nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG vom 02.03.2015 sowie der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 29.11.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.04.2014 sind nicht zu beanstanden, da die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zutreffend die rechtlichen Grundlagen für eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI]) und eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung schon deshalb nicht besteht, weil die Klägerin noch wenigstens sechs Stunden täglich für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leistungsfähig ist. Ebenfalls zutreffend hat das SG dargelegt, dass bei diesem Leistungsvermögen auch eine Berufsunfähigkeit der Klägerin nicht vorliegt, da sie aufgrund ihres beruflichen Werdegangs auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts verweisbar ist. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren uneingeschränkt an, sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Ergänzend ist lediglich auszuführen, dass auch der Senat nach der Gesamtwürdigung der ärztlichen Unterlagen nicht festzustellen vermag, dass das Leistungsvermögen der Klägerin auch für körperlich leichte Tätigkeiten auf unter sechs Stunden täglich herabgesunken ist.

Die Klägerin leidet unter einem Wirbelsäulensyndrom ohne neurologisches Defizit, paroxysmalem Vorhofflimmern, Adipositas, einem Schlafapnoe-Syndrom, arterieller Hypertonie und einer leichten depressiven Störung im Sinne einer Dysthymia. Diese Gesundheitsstörungen, die der Senat den Gutachten von Dr. D. und Dr. W., das im Wege des Urkundenbeweises verwertbar ist, sowie dem Entlassungsbericht der Reha-Klinik Ü. vom 01.09.2011 entnimmt und die im Wesentlichen auch den Angaben der behandelnden Ärzte entsprechen, führen nicht zu einer Einschränkungen des zeitlichen Leistungsvermögens auf unter sechs Stunden. Auch insoweit schließt sich der Senat den genannten Gutachten an. Soweit die Psychotherapeutin A.-S. und der Hausarzt der Klägerin Dr. W. eine zeitliche Einschränkung auch für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt annehmen, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Dr. W. führt selbst aus, dass die Klägerin nach dem Gewichtsverlust in Folge der Magenbypass-Operation im April 2013 auch körperlich leistungsfähiger geworden ist. Im Rahmen eines Belastungs-EKGs im Januar 2014 war die Klägerin bis 100 Watt belastbar bei grenzwertig erhöhtem Blutdruck. Die Arrhythmie wegen des Ausfalls der Vorhofaktion wurde durch Dr. W. berücksichtigt; sie führt nicht zu einer auch zeitlichen Einschränkung des Leistungsvermögens.

Die Erkrankungen auf seelischem Fachgebiet, die nach der Einschätzung von Dr. W. den Schwerpunkt darstellen, sind durch Dr. D. ausführlich gewürdigt worden. Befunde, die eine rentenrechtlich relevante Einschränkung des Leistungsvermögens auch in zeitlicher Hinsicht aufgrund der psychiatrischen Erkrankung rechtfertigen würden, wurden weder durch Dr. W. noch durch Frau A.-S. mitgeteilt. Das Gutachten von Dr. D. und die dort getroffene Leistungsbeurteilung sind aufgrund der erhobenen Befunde schlüssig und überzeugend. Bei der Untersuchung durch Dr. D. war die Klägerin bewusstseinsklar und allseits richtig orientiert, sie sprach mit lebhafter Mimik und Gestik. Die Grundstimmung war leicht in depressiver Richtung verschoben. Bei der Schilderung belastender Lebensereignisse bestand eine starke affektive Beteiligung, die sich aber beim Übergang auf andere, emotional weniger besetzte Inhalte rasch verlor. Eine signifikante Einschränkung der affektiven Resonanzfähigkeit fand sich nicht. Aufmerksamkeit, Auffassungsvermögen und Konzentration, mnestische und intellektuelle Funktionen waren nicht beeinträchtigt, der Antrieb ungestört. Die Stresstoleranz ist leicht reduziert. Der Gutachter hat die Klägerin als während der Exploration freundlich und zugewandt beschrieben; es hätten sich weder Hinweise auf Aggravation oder Simulation, noch auf eine Dissimulation gefunden. Unter Hinweis auf den durch die Klägerin geschilderten Tagesablauf beschreibt der Gutachter die Auswirkungen der durch die Klägerin subjektiv empfundenen Ermüd- und Erschöpfbarkeit im Alltag als relativ gering und nicht objektivierbar. Die Klägerin steht demnach (im Sommer) zwischen 6.30 Uhr und 7.00 Uhr auf, macht dann in der Regel eine Stunde Nordic Walking; nach dem Frühstück trainiert sie auf ihrem Heimtrainer, macht einen Spaziergang oder fährt in die Stadt. Nach dem Mittagessen, das sie selbst zubereitet, entspannt sie für eine Stunde, liest die Zeitung und geht in die Stadt. Nach dem Abendessen sieht sie fern oder liest. Sie hat soziale Kontakte, erhält u.a. häufig Besuch von zwei Kindern, mit denen sie spazieren geht oder Schularbeiten macht, geht mit Bekannten zum Kaffeetrinken, ist im Kneippverein, beim VdK und in einem Senioren-Club aktiv, unternimmt, soweit dies finanziell möglich ist, Fahrten und Wanderungen und fährt in Urlaub. In der Biographie der Klägerin lässt sich eine Neigung zu depressiven Verstimmungen, begleitet von psychovegetativen Beschwerden, zurückverfolgen. Auch zum Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. D. zeigte sich eine leichte Verschiebung der Grundstimmung in depressive Richtung bei erhaltener affektiver Resonanzfähigkeit. Dieses Störungsbild entspricht dem einer Dysthymie, d.h. einer leichteren, aber chronifizierten Form einer depressiven Verstimmung. Eine psychopharmakologische Behandlung ist deswegen ebenso wenig erforderlich wie eine regelmäßige Psychotherapie. Auch Frau A.-S. sieht keinen Anlass für eine kontinuierliche psychotherapeutische Betreuung. Die Behandlung dort erfolgte im Wesentlichen zur Vorbereitung auf die Magenbypass-Operation; anschließend war lediglich eine niederfrequente Therapie erforderlich. Dr. W. verweist zur Begründung seiner Leistungseinschätzung u. a. darauf, dass die Klägerin sich bereits durch eine Maßnahme der Agentur für Arbeit überfordert gefühlt habe. Demgegenüber hat die Klägerin gegenüber Dr. D. die Maßnahme als interessant und lehrreich geschildert; sie habe sogar eine Verlängerung um drei Monate beantragt.

Der Klägerin ist somit keine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren, und zwar unabhängig davon, ob die für sie zuständige Arbeitsagentur einen ihrem Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz anbieten kann. Denn das Risiko, keinen offenen Arbeitsplatz zu finden, ist nicht von der Renten-, sondern grundsätzlich von der Arbeitslosenversicherung zu tragen (BSG in SozR 2200 § 1246 Nr. 137 m.w.N.).

Allerdings ist die Frage, ob es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Arbeitsplätze gibt, immer dann zu klären, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 104 und 117) oder Versicherte nur noch auf solchen Arbeitsplätzen einsetzbar sind, bei denen wegen ihrer Seltenheit die Gefahr einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes besteht, also z.B. noch in Betracht kommende Tätigkeiten nur unter betriebsunüblichen Bedingungen ausgeübt werden können oder entsprechende Arbeitsplätze auf Grund gesundheitlicher Beeinträchtigungen von der Wohnung aus nicht erreichbar sind oder nur vereinzelt vorkommen (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 136, 137 und 139 sowie § 1247 Nrn. 33 und 53; SozR 3-2200 § 1247 Nrn. 10 und 14). Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung meint die Fälle, in denen bereits eine einzige schwerwiegende Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt (BSG, Urteil vom 10.12.2003 - B 5 RJ 64/02 R, Juris). Als Beispiel hierfür ist etwa die Einarmigkeit eines Versicherten zu nennen. Das Merkmal "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" trägt hingegen dem Umstand Rechnung, dass auch eine Vielzahl von Einschränkungen, die jeweils nur einzelne Verrichtungen oder Arbeitsbedingungen betreffen, zusammengenommen das noch mögliche Arbeitsfeld in erheblichem Umfang zusätzlich einengen können. In diesen Fällen besteht die Verpflichtung, ausnahmsweise eine konkrete Tätigkeit zu benennen, weil der Arbeitsmarkt möglicherweise für diese überdurchschnittlich leistungsgeminderten Versicherten keine Arbeitsstelle bereithält oder nicht davon ausgegangen werden kann, dass es für diese Versicherten eine ausreichende Anzahl von Arbeitsplätzen gibt oder ernste Zweifel daran aufkommen, ob der Versicherte in einem Betrieb einsetzbar ist (BSG, Urteil vom 10.12.2003, B 5 RJ 64/02 R, Juris). Ausgehend hiervon liegt bei der Klägerin weder eine schwere spezifische Leistungseinschränkung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor. Nach den genannten Gutachten kann die Klägerin keine Tätigkeiten verrichten, die mit besonderem Zeitdruck oder besonderer Stressbelastung verbunden sind, so sind Akkordtätigkeiten zu vermeiden. Nicht zumutbar sind Tätigkeiten in Nacht- und/oder Wechselschicht. Aufgrund der orthopädischen Erkrankungen sind überwiegend mittelschwere und schwere Tätigkeiten nicht mehr leidensgerecht; das Heben, Tragen und Bewegen schwerer Gegenstände sowie Arbeiten auf Leitern, Treppen oder Gerüsten und mit besonderer Unfall- oder Absturzgefahr ist zu vermeiden. Damit scheiden die durch das Bundessozialgericht (Urteil v. 09.05.2012 - B 5 R 68/11 R, Juris) beispielhaft genannten Tätigkeiten (z.B. Verpacken von Kleinteilen, Sortier-, Montier-, Etikettier- und Klebearbeiten) nicht aus. Die Klägerin ist auch wegefähig im rentenrechtlichen Sinne, sie kann vierfach täglich eine Wegstrecke von über 500 Metern in jeweils höchstens 20 Minuten zurücklegen.

In Bezug auf den Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) hat das SG zutreffend auf die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Bandarbeiterin in einer Spielefabrik abgestellt. Da es sich hierbei um eine allenfalls kurzfristig angelernte Tätigkeit handelt, ist die Klägerin auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar, wo ihr, wie bereits dargelegt, leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich zumutbar sind.

Die Berufung der Klägerin war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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