Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AS 1238/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 AS 945/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 24. Februar 2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Dem am 1966 geborenen und im Leistungsbezug beim Beklagten stehenden Kläger wurde auf seinen Weiterbewilligungsantrag vom 25.01.2012 mit Bescheid vom 27.01.2012 Arbeitslosengeld II (Alg II) für die Zeit ab 01.02.2012 bis 31.07.2012 bewilligt in Höhe von monatlich 721 EUR. Nachdem die J. (JVA) K. mitgeteilt hatte, dass der Kläger am 16.06.2012 zur Untersuchungshaft aufgenommen worden war, hob der Beklagte mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 28.06.2012 die Leistungen ab dem 16.06.2012 auf und forderte für die Zeit vom 16.06.2012 bis zum 31.07.2012 insgesamt 561 EUR (Regelleistung) zurück. Ein Widerspruch gegen diesen Bescheid erfolgte nicht.
In der Folgezeit erhielt der Kläger Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) durch das L. K. - Amt für Grundsatz und Soziales -. Nachdem er am 24.08.2012 aus der JVA entlassen worden war, beantragte er am 29.08.2012 die Weiterbewilligung der Leistungen nach dem SGB II, woraufhin der Beklagte ihm mit Bescheid vom 30.08.2012 Alg II ab dem 24.08.2012 bis zum 28.02.2013 in Höhe von monatlich 721 EUR bewilligte. Mit Schreiben vom 05.09.2012 teilte die JVA K. dem Beklagten mit, der Kläger befindet sich seit dem 03.09.2012 erneut in Untersuchungshaft. Daraufhin hob der Beklagte mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 02.10.2012 die Bewilligung von Alg II ab 03.09.2012 auf und forderte insgesamt 374 EUR Regelleistung vom Kläger zurück.
Mit Schreiben vom 14.02.2013 teilte der bisherige Vermieter des Klägers, die B. W. mbH mit, das Mietverhältnis mit dem Kläger sei auf Grund einer länger befristeten Haftstrafe durch Gerichtsbeschluss zum 31.12.2012 beendet worden. Die Rückzahlung der vom Beklagten gewährten Mietkaution in Höhe von 744 EUR sei nicht möglich, da Unkosten in Höhe von 914,04 EUR für die Räumung der Wohnung entstanden seien. Daraufhin forderte der Beklagte mit Schreiben vom 19.02.2013 die dem Kläger darlehensweise gewährte Hilfe in Höhe von 744 EUR zur Finanzierung der Mietkaution bis spätestens 11.03.2013 zurück.
Mit Schreiben vom 04.03.2013 erhob der Kläger Widerspruch gegen die Rückforderung, da er nicht in der Lage sei, die Kaution zurückzubezahlen und auch nichts dafür könne, dass der Vermieter diese nicht zurückzahle.
Diesen Widerspruch verwarf der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08.03.2013 als unzulässig, da es sich bei dem angefochtenen Schreiben nicht um einen Verwaltungsakt gehandelt habe.
Am 04.04.2013 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben.
In der Folgezeit wurden dem Kläger wieder Leistungen nach dem SGB XII bewilligt. Hiergegen legte der Kläger in mehreren Schreiben Widerspruch ein, zum Teil gerichtet an den Beklagten, zum Teil an das L. K., Amt für Grundsatz und Soziales, da er weiterhin wie andere Strafgefangene Alg II - Leistungen begehre.
Am 14.01.2014 beantragte der Kläger, der sich zu dieser Zeit noch immer in Untersuchungshaft befand, eine Verlängerung seines Alg II. Mit Ablehnungsbescheid vom 20.01.2014 lehnte der Beklagte die Gewährung ab unter Hinweis auf § 7 Abs. 4 SGB II.
Nachdem beim SG die Klageschrift nicht mehr aufgefunden werden konnte und auch eine Akte nicht angelegt worden war, hat das SG den Kläger mit Schreiben vom 06.08.2014 darum gebeten, die Klageschrift vom 04.04.2013 und/oder den Bescheid, gegen den sich seine Klage richtet, noch einmal dem Gericht zu übersenden. Der Kläger teilte daraufhin dem SG mit Schreiben vom 09.09.2014 mit, ihm stehe volles Alg II seit September 2012 zu, doch werde er vom Jobcenter L. K. nur mit 50 EUR monatlich abgespeist. Diesem Schreiben beigefügt waren der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 02.10.2012, der Leistungsbescheid des L. K.- Amt für Grundsatz und Soziales - (Leistungsbescheid über Hilfen nach dem SGB XII, Bescheid vom 09.10.2012) sowie etliche handschriftlich gefertigte Schreiben des Klägers vom 02.12.2013, 24.10.2013, 07.11.2013, 24.09.2013, 17.09.2013, 17.01.2014, 13.02.2014, zum Teil gerichtet an den Beklagten, zum Teil an das Landratsamt mit dem Inhalt, er begehre weiterhin volles Alg II und es gehe nicht an, dass er mit 50 EUR monatlich abgespeist werde. Andere Gefangene in der U-Haft erhielten auch ihre volle Rente, ihr Alg I oder Alg II sowie Wohn- und Kindergeld. Weiterhin befinden sich unter den beigefügten Schreiben auch solche gerichtet an den Beklagten mit dem Inhalt, gegen den Ablehnungsbescheid vom 20.01.2014 Widerspruch einzulegen (Schreiben vom 24.01.2014, anderes Schreiben undatiert, Bl. 22 der SG-Akte).
Eine Kopie der Klageschrift vom 04.04.2013 hat der Kläger nicht vorgelegt.
Ergänzend hat der Kläger mit Schreiben vom 15.09.2014 gegenüber dem SG ausgeführt, er begehre Alg II ab dem 03.09.2012 bis zum 20.04.2014. Ab dem 21.04.2014 sei er in Strafhaft und bekomme ab diesem Datum kein Alg II mehr. Seinem Schreiben beigefügt waren Aufhebungsbescheide des Landratsamtes über Leistungen nach dem SGB XII vom 03.04.2014 und 12.06.2014.
Aufgrund eines richterlichen Hinweises hat der Beklagte mit Schreiben vom 21.10.2014 ein Anerkenntnis abgegeben dahingehend, den Bescheid vom 19.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.03.2013 (Darlehensbescheid) aufzuheben.
Das Gericht hat daraufhin mit Gerichtsbescheid vom 24.02.2015 die genannten Bescheide entsprechend dem Anerkenntnis des Beklagten aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Soweit der Kläger sich gegen den Rückforderungsbescheid zur Mietkaution wende, sei die Klage unzulässig, weil es nach Abgabe des Anerkenntnisses des Beklagten am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis des Klägers fehle. Soweit der Kläger die Gewährung von Alg II begehre, sei die Klage wegen Fehlens eines erfolglos durchgeführten Vorverfahrens unzulässig. Im Übrigen halte das Gericht eine entsprechende Klageerweiterung für unzulässig, weil sie nicht sachdienlich sei (§ 99 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Ergänzend sei auszuführen, dass für die Dauer von Untersuchungshaft kein Anspruch auf Alg II bestehe gemäß § 7 Abs. 4 SGB II.
Hiergegen hat der Kläger am 09.03.2015 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt mit der Begründung, ihm stünde Alg II für die Zeit von September 2012 bis April 2014 zu, da auch andere Strafgefangene, die sich in U-Haft befunden hätten, ihr volles Alg II, Kindergeld bzw. Sozialhilfe erhalten hätten. Auch seien ihm Beiträge zur Arbeitslosenversicherung, Krankenversicherung abgezogen worden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Beklagten unter Abänderung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Karlsruhe vom 24. Februar 2015 und unter Aufhebung des Bescheides vom 20. Januar 2014 zu verurteilen, ihm ab dem 3. September 2012 bis zum 20. Februar 2014 Arbeitslosengeld II in gesetzlichem Umfang zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hat auf die Ausführungen im Gerichtsbescheid Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte sowie der Akten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Nicht mehr im Streit ist nach Abgabe des Anerkenntnisses durch den Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren die Rückzahlung des Darlehens in Höhe von 744 EUR. Vielmehr begehrt der Kläger die Gewährung von Alg II für die Zeit seiner Untersuchungshaft vom 03.09.2012 bis zum 20.04.2014. Diesbezüglich ist die Klage indes bereits unzulässig.
Nicht eindeutig geklärt werden konnte trotz Nachfrage beim Kläger, welchen Inhalt seine am 04.04.2013 beim Sozialgericht Karlsruhe eingelegte Klageschrift aufwies, da der Kläger zwar auf Bitte des Gerichts Unterlagen eingereicht hat, sich hierunter aber keine Kopie der Klageschrift finden ließ, sondern vor allem handschriftliche Schreiben an das Jobcenter bzw. das Amt für Grundsatz und Soziales/L. K ... Insofern kann nur gemutmaßt werden, dass sich die Klage auf Grund des zeitlichen Zusammenhangs gegen den Bescheid des Beklagten vom 19.02.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.03.2013 (Rückzahlung eines Kautionsdarlehens) gerichtet hat. Träfe dies zu, so läge in den auf die gerichtliche Nachfrage beim SG eingereichten Schreiben eine Klageänderung, da der Kläger nun das Ziel verfolgt, Arbeitslosengeld II für die Zeit ab dem 03.09.2012 bis zur Beendigung seiner U-Haft (Beginn der Strafhaft am 2014) zu erhalten. Wie das SG zutreffend dargelegt hat, war eine solche Klageänderung im Sinne des § 99 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht sachdienlich, da der Rechtsstreit auf eine völlig neue Grundlage gestellt wird und nunmehr nicht mehr über die Darlehensrückzahlung, sondern die Gewährung von Alg II zu entscheiden wäre (siehe hierzu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 99 Rn. 10 a m.w.N.). Der Beklagte hat in diese Klageänderung auch nicht ausdrücklich oder stillschweigend eingewilligt. Insofern hat das SG zu Recht entschieden, dass die Klage auf Gewährung von Alg II unzulässig ist.
Sollte der Kläger in seiner - nicht mehr auffindbaren - Klageschrift von Anfang an die Gewährung von Alg II ab dem 03.09.2012 begehrt haben, wäre die Klage - worauf das SG ebenfalls zutreffend hingewiesen hat - mangels Vorverfahrens unzulässig. Gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG sind vor Erhebung der Anfechtungsklage Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsaktes in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Die Gewährung von Alg II hat der Kläger indes zeitlich erst nach Klageerhebung am 04.04.2013 beantragt, nämlich entweder mit Schreiben vom 14.01.2014 oder aber - konkludent - im Rahmen seiner an den Beklagten gerichteten Widerspruchsschreiben gegen den Bescheid des Landratsamtes (Schreiben vom 24.10.2013, 07.11.2013, 02.12.2013, vgl. V-Akte). Der Beklagte hat auch erst mit Ablehnungsbescheid vom 20.01.2014, also zeitlich weit nach Klageerhebung, über diesen Antrag entschieden. Es fehlt damit am zwingend zuvor durchzuführenden Vorverfahren. Zwar kann der Erlass eines Widerspruchsbescheides noch während des Klageverfahrens nachgeholt werden (vgl. hierzu Leitherer a.a.O., § 78 Rdnr. 3 a m.w.N.), doch muss zumindest ein ablehnender Verwaltungsakt vorliegen und kann nicht das Vorverfahren komplett umgangen bzw. zeitlich in das Gerichtsverfahren verlagert werden.
Das Gericht konnte sich nicht davon überzeugen, dass der Kläger sich in seiner Klageschrift gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten vom 02.10.2012 (Aufhebung und Rückforderung des Alg II wegen erneuter U-Haft) gerichtet hätte, so dass hierin gleichzeitig die Einlegung eines - wenn auch verfristeten - Widerspruchs gegen diesen Bescheid zu sehen wäre (vgl. hierzu Leitherer a.a.O., § 78 Rn. 3 b m.w.N.). Zwar hat er eine Kopie dieses Bescheides - neben etlichen anderen Bescheidkopien - zu den Akten gereicht, doch mit keinem Wort erwähnt, dass sich seine Klage hiergegen gerichtet habe. Dagegen spricht auch der zeitliche Abstand zwischen Erlass dieses Bescheides (Oktober 2012) und dem Eingang der Klage beim SG (April 2013).
Die Klage ist somit bereits unzulässig.
Ungeachtet dessen hat das SG zutreffend darauf hingewiesen, dass auch während der Untersuchungshaft kein Anspruch auf Alg II besteht. Gemäß § 7 Abs. 4 SGB II erhält Leistungen nach diesem Buch u.a. nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist (§ 7 Abs. 4 Satz 3 Ziffer 2 SGB II).
Ein Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung im Sinne des Satzes 2 liegt insbesondere vor bei dem Vollzug von Strafhaft, aber auch Untersuchungshaft (vgl. hierzu Spellbrink-G. Becker in Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 7 Rn. 127; siehe auch BSG, Urteil vom 02.11.2012, B 4 AS 39/12 R, Juris). Es ist auch kein Grund ersichtlich, warum, wie der Kläger offensichtlich meint, Untersuchungshaft anders zu behandeln sein sollte als eine Strafhaft. In beiden Fällen handelt es sich um den Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung.
Wenn, worauf der Kläger wiederholt hingewiesen hat, Mithäftlinge weiterhin Alg II beziehen, könnte dies daran liegen, dass sie nach § 7 Abs. 4 Satz 3 Ziffer 2 mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig sind. Dies ist allerdings zumindest während der U-Haft nicht wahrscheinlich. Sollten andere Strafgefangene unrechtmäßigerweise Alg II - Leistungen erhalten, lässt sich hieraus kein Anspruch des Klägers herleiten, da es keinen Anspruch auf Teilhabe an einem begünstigenden Unrecht gibt. Aus dem Gesichtspunkt des Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz folgt keine Gleichheit im Unrecht (siehe hierzu BVerfGE 50, 142, 164; BSG, Urteil vom 18.12.2003, B 4 RA 34/03 R, in Juris).
Die Berufung war somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Kläger in der Berufungsinstanz erfolglos geblieben ist.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Dem am 1966 geborenen und im Leistungsbezug beim Beklagten stehenden Kläger wurde auf seinen Weiterbewilligungsantrag vom 25.01.2012 mit Bescheid vom 27.01.2012 Arbeitslosengeld II (Alg II) für die Zeit ab 01.02.2012 bis 31.07.2012 bewilligt in Höhe von monatlich 721 EUR. Nachdem die J. (JVA) K. mitgeteilt hatte, dass der Kläger am 16.06.2012 zur Untersuchungshaft aufgenommen worden war, hob der Beklagte mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 28.06.2012 die Leistungen ab dem 16.06.2012 auf und forderte für die Zeit vom 16.06.2012 bis zum 31.07.2012 insgesamt 561 EUR (Regelleistung) zurück. Ein Widerspruch gegen diesen Bescheid erfolgte nicht.
In der Folgezeit erhielt der Kläger Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) durch das L. K. - Amt für Grundsatz und Soziales -. Nachdem er am 24.08.2012 aus der JVA entlassen worden war, beantragte er am 29.08.2012 die Weiterbewilligung der Leistungen nach dem SGB II, woraufhin der Beklagte ihm mit Bescheid vom 30.08.2012 Alg II ab dem 24.08.2012 bis zum 28.02.2013 in Höhe von monatlich 721 EUR bewilligte. Mit Schreiben vom 05.09.2012 teilte die JVA K. dem Beklagten mit, der Kläger befindet sich seit dem 03.09.2012 erneut in Untersuchungshaft. Daraufhin hob der Beklagte mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 02.10.2012 die Bewilligung von Alg II ab 03.09.2012 auf und forderte insgesamt 374 EUR Regelleistung vom Kläger zurück.
Mit Schreiben vom 14.02.2013 teilte der bisherige Vermieter des Klägers, die B. W. mbH mit, das Mietverhältnis mit dem Kläger sei auf Grund einer länger befristeten Haftstrafe durch Gerichtsbeschluss zum 31.12.2012 beendet worden. Die Rückzahlung der vom Beklagten gewährten Mietkaution in Höhe von 744 EUR sei nicht möglich, da Unkosten in Höhe von 914,04 EUR für die Räumung der Wohnung entstanden seien. Daraufhin forderte der Beklagte mit Schreiben vom 19.02.2013 die dem Kläger darlehensweise gewährte Hilfe in Höhe von 744 EUR zur Finanzierung der Mietkaution bis spätestens 11.03.2013 zurück.
Mit Schreiben vom 04.03.2013 erhob der Kläger Widerspruch gegen die Rückforderung, da er nicht in der Lage sei, die Kaution zurückzubezahlen und auch nichts dafür könne, dass der Vermieter diese nicht zurückzahle.
Diesen Widerspruch verwarf der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08.03.2013 als unzulässig, da es sich bei dem angefochtenen Schreiben nicht um einen Verwaltungsakt gehandelt habe.
Am 04.04.2013 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben.
In der Folgezeit wurden dem Kläger wieder Leistungen nach dem SGB XII bewilligt. Hiergegen legte der Kläger in mehreren Schreiben Widerspruch ein, zum Teil gerichtet an den Beklagten, zum Teil an das L. K., Amt für Grundsatz und Soziales, da er weiterhin wie andere Strafgefangene Alg II - Leistungen begehre.
Am 14.01.2014 beantragte der Kläger, der sich zu dieser Zeit noch immer in Untersuchungshaft befand, eine Verlängerung seines Alg II. Mit Ablehnungsbescheid vom 20.01.2014 lehnte der Beklagte die Gewährung ab unter Hinweis auf § 7 Abs. 4 SGB II.
Nachdem beim SG die Klageschrift nicht mehr aufgefunden werden konnte und auch eine Akte nicht angelegt worden war, hat das SG den Kläger mit Schreiben vom 06.08.2014 darum gebeten, die Klageschrift vom 04.04.2013 und/oder den Bescheid, gegen den sich seine Klage richtet, noch einmal dem Gericht zu übersenden. Der Kläger teilte daraufhin dem SG mit Schreiben vom 09.09.2014 mit, ihm stehe volles Alg II seit September 2012 zu, doch werde er vom Jobcenter L. K. nur mit 50 EUR monatlich abgespeist. Diesem Schreiben beigefügt waren der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 02.10.2012, der Leistungsbescheid des L. K.- Amt für Grundsatz und Soziales - (Leistungsbescheid über Hilfen nach dem SGB XII, Bescheid vom 09.10.2012) sowie etliche handschriftlich gefertigte Schreiben des Klägers vom 02.12.2013, 24.10.2013, 07.11.2013, 24.09.2013, 17.09.2013, 17.01.2014, 13.02.2014, zum Teil gerichtet an den Beklagten, zum Teil an das Landratsamt mit dem Inhalt, er begehre weiterhin volles Alg II und es gehe nicht an, dass er mit 50 EUR monatlich abgespeist werde. Andere Gefangene in der U-Haft erhielten auch ihre volle Rente, ihr Alg I oder Alg II sowie Wohn- und Kindergeld. Weiterhin befinden sich unter den beigefügten Schreiben auch solche gerichtet an den Beklagten mit dem Inhalt, gegen den Ablehnungsbescheid vom 20.01.2014 Widerspruch einzulegen (Schreiben vom 24.01.2014, anderes Schreiben undatiert, Bl. 22 der SG-Akte).
Eine Kopie der Klageschrift vom 04.04.2013 hat der Kläger nicht vorgelegt.
Ergänzend hat der Kläger mit Schreiben vom 15.09.2014 gegenüber dem SG ausgeführt, er begehre Alg II ab dem 03.09.2012 bis zum 20.04.2014. Ab dem 21.04.2014 sei er in Strafhaft und bekomme ab diesem Datum kein Alg II mehr. Seinem Schreiben beigefügt waren Aufhebungsbescheide des Landratsamtes über Leistungen nach dem SGB XII vom 03.04.2014 und 12.06.2014.
Aufgrund eines richterlichen Hinweises hat der Beklagte mit Schreiben vom 21.10.2014 ein Anerkenntnis abgegeben dahingehend, den Bescheid vom 19.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.03.2013 (Darlehensbescheid) aufzuheben.
Das Gericht hat daraufhin mit Gerichtsbescheid vom 24.02.2015 die genannten Bescheide entsprechend dem Anerkenntnis des Beklagten aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Soweit der Kläger sich gegen den Rückforderungsbescheid zur Mietkaution wende, sei die Klage unzulässig, weil es nach Abgabe des Anerkenntnisses des Beklagten am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis des Klägers fehle. Soweit der Kläger die Gewährung von Alg II begehre, sei die Klage wegen Fehlens eines erfolglos durchgeführten Vorverfahrens unzulässig. Im Übrigen halte das Gericht eine entsprechende Klageerweiterung für unzulässig, weil sie nicht sachdienlich sei (§ 99 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Ergänzend sei auszuführen, dass für die Dauer von Untersuchungshaft kein Anspruch auf Alg II bestehe gemäß § 7 Abs. 4 SGB II.
Hiergegen hat der Kläger am 09.03.2015 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt mit der Begründung, ihm stünde Alg II für die Zeit von September 2012 bis April 2014 zu, da auch andere Strafgefangene, die sich in U-Haft befunden hätten, ihr volles Alg II, Kindergeld bzw. Sozialhilfe erhalten hätten. Auch seien ihm Beiträge zur Arbeitslosenversicherung, Krankenversicherung abgezogen worden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Beklagten unter Abänderung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Karlsruhe vom 24. Februar 2015 und unter Aufhebung des Bescheides vom 20. Januar 2014 zu verurteilen, ihm ab dem 3. September 2012 bis zum 20. Februar 2014 Arbeitslosengeld II in gesetzlichem Umfang zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hat auf die Ausführungen im Gerichtsbescheid Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte sowie der Akten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Nicht mehr im Streit ist nach Abgabe des Anerkenntnisses durch den Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren die Rückzahlung des Darlehens in Höhe von 744 EUR. Vielmehr begehrt der Kläger die Gewährung von Alg II für die Zeit seiner Untersuchungshaft vom 03.09.2012 bis zum 20.04.2014. Diesbezüglich ist die Klage indes bereits unzulässig.
Nicht eindeutig geklärt werden konnte trotz Nachfrage beim Kläger, welchen Inhalt seine am 04.04.2013 beim Sozialgericht Karlsruhe eingelegte Klageschrift aufwies, da der Kläger zwar auf Bitte des Gerichts Unterlagen eingereicht hat, sich hierunter aber keine Kopie der Klageschrift finden ließ, sondern vor allem handschriftliche Schreiben an das Jobcenter bzw. das Amt für Grundsatz und Soziales/L. K ... Insofern kann nur gemutmaßt werden, dass sich die Klage auf Grund des zeitlichen Zusammenhangs gegen den Bescheid des Beklagten vom 19.02.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.03.2013 (Rückzahlung eines Kautionsdarlehens) gerichtet hat. Träfe dies zu, so läge in den auf die gerichtliche Nachfrage beim SG eingereichten Schreiben eine Klageänderung, da der Kläger nun das Ziel verfolgt, Arbeitslosengeld II für die Zeit ab dem 03.09.2012 bis zur Beendigung seiner U-Haft (Beginn der Strafhaft am 2014) zu erhalten. Wie das SG zutreffend dargelegt hat, war eine solche Klageänderung im Sinne des § 99 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht sachdienlich, da der Rechtsstreit auf eine völlig neue Grundlage gestellt wird und nunmehr nicht mehr über die Darlehensrückzahlung, sondern die Gewährung von Alg II zu entscheiden wäre (siehe hierzu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 99 Rn. 10 a m.w.N.). Der Beklagte hat in diese Klageänderung auch nicht ausdrücklich oder stillschweigend eingewilligt. Insofern hat das SG zu Recht entschieden, dass die Klage auf Gewährung von Alg II unzulässig ist.
Sollte der Kläger in seiner - nicht mehr auffindbaren - Klageschrift von Anfang an die Gewährung von Alg II ab dem 03.09.2012 begehrt haben, wäre die Klage - worauf das SG ebenfalls zutreffend hingewiesen hat - mangels Vorverfahrens unzulässig. Gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG sind vor Erhebung der Anfechtungsklage Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsaktes in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Die Gewährung von Alg II hat der Kläger indes zeitlich erst nach Klageerhebung am 04.04.2013 beantragt, nämlich entweder mit Schreiben vom 14.01.2014 oder aber - konkludent - im Rahmen seiner an den Beklagten gerichteten Widerspruchsschreiben gegen den Bescheid des Landratsamtes (Schreiben vom 24.10.2013, 07.11.2013, 02.12.2013, vgl. V-Akte). Der Beklagte hat auch erst mit Ablehnungsbescheid vom 20.01.2014, also zeitlich weit nach Klageerhebung, über diesen Antrag entschieden. Es fehlt damit am zwingend zuvor durchzuführenden Vorverfahren. Zwar kann der Erlass eines Widerspruchsbescheides noch während des Klageverfahrens nachgeholt werden (vgl. hierzu Leitherer a.a.O., § 78 Rdnr. 3 a m.w.N.), doch muss zumindest ein ablehnender Verwaltungsakt vorliegen und kann nicht das Vorverfahren komplett umgangen bzw. zeitlich in das Gerichtsverfahren verlagert werden.
Das Gericht konnte sich nicht davon überzeugen, dass der Kläger sich in seiner Klageschrift gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten vom 02.10.2012 (Aufhebung und Rückforderung des Alg II wegen erneuter U-Haft) gerichtet hätte, so dass hierin gleichzeitig die Einlegung eines - wenn auch verfristeten - Widerspruchs gegen diesen Bescheid zu sehen wäre (vgl. hierzu Leitherer a.a.O., § 78 Rn. 3 b m.w.N.). Zwar hat er eine Kopie dieses Bescheides - neben etlichen anderen Bescheidkopien - zu den Akten gereicht, doch mit keinem Wort erwähnt, dass sich seine Klage hiergegen gerichtet habe. Dagegen spricht auch der zeitliche Abstand zwischen Erlass dieses Bescheides (Oktober 2012) und dem Eingang der Klage beim SG (April 2013).
Die Klage ist somit bereits unzulässig.
Ungeachtet dessen hat das SG zutreffend darauf hingewiesen, dass auch während der Untersuchungshaft kein Anspruch auf Alg II besteht. Gemäß § 7 Abs. 4 SGB II erhält Leistungen nach diesem Buch u.a. nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist (§ 7 Abs. 4 Satz 3 Ziffer 2 SGB II).
Ein Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung im Sinne des Satzes 2 liegt insbesondere vor bei dem Vollzug von Strafhaft, aber auch Untersuchungshaft (vgl. hierzu Spellbrink-G. Becker in Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 7 Rn. 127; siehe auch BSG, Urteil vom 02.11.2012, B 4 AS 39/12 R, Juris). Es ist auch kein Grund ersichtlich, warum, wie der Kläger offensichtlich meint, Untersuchungshaft anders zu behandeln sein sollte als eine Strafhaft. In beiden Fällen handelt es sich um den Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung.
Wenn, worauf der Kläger wiederholt hingewiesen hat, Mithäftlinge weiterhin Alg II beziehen, könnte dies daran liegen, dass sie nach § 7 Abs. 4 Satz 3 Ziffer 2 mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig sind. Dies ist allerdings zumindest während der U-Haft nicht wahrscheinlich. Sollten andere Strafgefangene unrechtmäßigerweise Alg II - Leistungen erhalten, lässt sich hieraus kein Anspruch des Klägers herleiten, da es keinen Anspruch auf Teilhabe an einem begünstigenden Unrecht gibt. Aus dem Gesichtspunkt des Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz folgt keine Gleichheit im Unrecht (siehe hierzu BVerfGE 50, 142, 164; BSG, Urteil vom 18.12.2003, B 4 RA 34/03 R, in Juris).
Die Berufung war somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Kläger in der Berufungsinstanz erfolglos geblieben ist.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
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