L 5 KR 2169/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 2124/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 2169/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 14.04.2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung eines Handbike (mit zuschaltbarem Elektroantrieb) - Rollstuhlbike - und eines Greifreifenrollstuhls (Fabrikat Sp. Duo 2 bzw. Sp. Vamos der Firma Sp. R.-T. GmbH).

Der 1964 geborene Kläger, als (in Vollzeit) Beschäftigter pflichtversichertes Mitglied der Beklagten, leidet an einer Vitamin-E-Mangel-Ataxie mit ausgeprägter Gangataxie, Gleichgewichtsstörungen und schwerer Dysarthrophonie sowie an einer neurogenen Blasenstörung (Bericht des Dr. H. vom 06.11.2013). Er ist seit dem 24. Lebensjahr rollstuhlpflichtig und mit einem manuell betriebenen Rollstuhl sowie mit einem Elektrorollstuhl mit Radnabenantrieb versorgt. Der Kläger ist pflegebedürftig (Pflegestufe 1, außerdem GdB 100 mit Merkzeichen aG, B und RF). Im Pflegegutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) vom 04.05.2009 ist (u.a.) ausgeführt, der Kläger fahre selbstständig mit seinem (behindertengerecht ausgestatteten) PKW. Er fahre auch selbstständig mit dem Rollstuhl und könne die Transfers selbstständig ausführen.

Mit Schreiben vom 09.03.2013 beantragte der Kläger die Gewährung eines Handbikes. Beigefügt war das Empfehlungsschreiben des Allgemeinarztes Dr. H. (Hausarzt des Klägers) vom 07.03.2013. Darin heißt es, aus ärztlicher Sicht sei die sportliche Betätigung mit einem Hand-/E-Bike eine absolut sinnvolle und notwendige Maßnahme, um das aufgrund der Erkrankung eingeschränkte Konditionsniveau und damit die allgemeine Fitness des Klägers zu verbessern.

Die Beklagte befragte den MDK. In der MDK-Stellungnahme des Dr. W. vom 20.03.2013 ist ausgeführt, beim Kläger liege (wie aus dem Pflegegutachten des MDK vom 04.05.2009 ersichtlich sei) eine erhebliche Einschränkung der Mobilität vor; er sei rollstuhlpflichtig und mit einem Rollstuhl versorgt. Damit sei das Grundbedürfnis auf Mobilität ausreichend befriedigt. Für die sicherlich sinnvolle Steigerung der Kondition und der Fitness sei ein Handbike medizinisch nicht zwingend erforderlich. Hierfür stünden andere Möglichkeiten zur Verfügung. Zum Ausgleich einer Behinderung oder zur Sicherung der Krankenbehandlung sei das beantragte Hilfsmittel nicht notwendig.

Mit Bescheid vom 21.03.2013 lehnte die Beklagte den Antrag unter Hinweis auf die MDK-Stellungnahme des Dr. W. vom 20.03.2013 ab.

Am 08.04.2013 legte der Kläger Widerspruch ein. Nach der (neueren) Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ((BSG), Urt. v. 18.05.2011, - B 3 KR 12/10 R -, in juris) könnten auch (behinderte) Erwachsene (und nicht nur Kinder) die Versorgung mit einem Handbike beanspruchen, wenn der Nahbereich um die Wohnung andernfalls nicht zumutbar erschlossen werden könne und deshalb besondere qualitative Umstände vorlägen, die ein "Mehr" an Mobilität erforderlich machten. Das sei bei ihm der Fall. Er könne das Handbike selbstständig nutzen und mit ihm ohne fremde Hilfe den Nahbereich erschließen. Die von Dr. H. angeratene sportliche Betätigung zur Verbesserung der Kondition und der Fitness komme ihm auch für seine tägliche Arbeit zugute.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25.07.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, bei Erwachsenen sei das Fahrradfahren vom Grundbedürfnis nach Mobilität, das die gesetzliche Krankenversicherung im Rahmen der Hilfsmittelversorgung befriedigen müsse, nicht umfasst. Aus dem Pflegegutachten des MDK vom 04.05.2009 gehe hervor, dass die Versorgung des Klägers mit einem Handbike auch nicht wegen besonderer Umstände notwendig sei, da der Kläger mit seinem behindertengerecht ausgestatteten PKW und ebenso mit seinem Rollstuhl selbstständig fahren, die Transfers selbstständig bewältigen und insbesondere seinen Arbeitsplatz selbstständig erreichen und seine Therapietermine selbstständig wahrnehmen könne. Zur (bloßen) Verbesserung von Kondition und Fitness müsse sie dem Kläger das Handbike nicht gewähren.

Am 09.08.2013 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG). Er trug vor, seine Mobilität sei nur gewährleistet, wenn er die dafür notwendige Kondition aufbauen und erhalten könne. Beides sei ihm durch Einsatz des Handbikes möglich. Die sportliche Betätigung mit dem Handbike ermögliche es ihm, seinen Rollstuhl eigenständig zu führen und die Transfers selbstständig vorzunehmen. Zur Bewältigung seiner täglichen Aufgaben und zur Erhaltung seines Arbeitsplatzes sei er "auf jedes Gramm Muskel" angewiesen. Die Möglichkeit, Sport im Freien zu treiben, werde für ihn zur Therapie und diene als weiterer Schritt zur Inklusion dem Ausgleich der Behinderungsfolgen. Der Kläger legte den Kostenvoranschlag der Firma Sp. R.-T. GmbH vom 08.08.2013 (Kosten eines Handbikes Sp. Duo 2 sowie eines Greifreifenrollstuhls Sp. Vamos mit Zubehör insgesamt 10.067,39 EUR) und den Erprobungsbericht vom 26.07.2013 vor. Darin ist ausgeführt, der Kläger sei wegen seines Krankheitsbildes und der bergigen Topographie im Wohnumfeld auf eine Motorunterstützung angewiesen. Spaziergänge im näheren Umfeld wären ihm so möglich. Die Einfahrt vor seinem Haus könne er mit dem Sp. Duo 2 und dem Sp. Vamos überwinden. Vorgelegt wurden außerdem Hilfsmittelverordnungen des Dr. H. vom 29.07.2013 (Verordnung eines Rollstuhlzuggeräts mit Motorunterstützung Modell Sp. Duo 2 sowie eines Greifreifenrollstuhls Modell Sp. Vamos).

Die Beklagte trat der Klage entgegen und trug ergänzend zur Begründung der angefochtenen Bescheide vor, das Handbike diene weder dem Behinderungsausgleich noch der Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung (vgl. BSG, Urt. v. 07.10.2010, - B 3 KR 7/10 R -, in juris). Zur Krankenbehandlung i. S. d. §§ 27 Abs. 1, 28 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) gehörten regelmäßig nur Maßnahmen mit Behandlungs- und Therapiecharakter, die einen eindeutigen Krankheitsbezug aufwiesen, nicht jedoch allgemeine Maßnahmen zur Erhaltung und Förderung der Gesundheit. Sport, der anders als Krankengymnastik oder physikalische Therapie, allgemein den körperlichen oder psychischen Zustand des Versicherten positiv beeinflussen solle und bei dem der medizinische Zweck nicht überwiege, stelle eine Krankenbehandlung im Sinne des Krankenversicherungsrechts nicht dar. Gesundheitsfördernde Maßnahmen, die nur allgemein der Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit, der Mobilisierung von Restfunktionen des behinderten Menschen, der Verbesserung von Ausdauer und Belastungsfähigkeit sowie der Hilfe bei der Krankheitsbewältigung dienten, hätten keinen ausreichend engen Bezug zur Krankenbehandlung; sie seien von der Leistungspflicht der Krankenkassen daher nicht umfasst. Das Handbike diene nicht der Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung. Die Krankenkassen müssten ein Trainingsgerät der in Rede stehenden Art zum Zweck des "Empowerment" oder zur Förderung der Interaktion behinderter Menschen nicht gewähren. Die Krankenbehandlung des Klägers werde (u. a.) durch umfassende Heilmittelanwendungen sichergestellt.

Das SG befragte behandelnde Ärzte:

Der Neurologe und Psychiater Dr. G. (Kliniken Sch., dort seit Jahrzehnten mehrfach Rehabilitationsbehandlungen des Klägers) teilte im Bericht vom 18.10.2013 mit, der Kläger sei seit dem 24. Lebensjahr rollstuhlpflichtig. Klinisch im Vordergrund stehe (neben einer schweren Dysarthrie) eine schwerste Tiefensensibilitätsstörung, die das Stehen und Gehen unmöglich mache. Transfers könnten nur tief erfolgen. Durch die dafür benötigte Stützaktivität hätten sich im Laufe der Zeit chronisch degenerative Veränderungen in den Schultergelenken entwickelt. Es bestünden Sekundärkomplikationen durch die Überlastung des muskuloskelettalen Systems und ein Schmerzsyndrom. Die Einschätzung des MDK bzw. der Beklagten, das Grundbedürfnis des Klägers nach Mobilität sei befriedigt, sei formal korrekt, nachdem der Kläger über einem manuell betriebenen Rollstuhl, einen Elektrorollstuhl und einen behindertengerecht ausgestatteten PKW verfüge. Vor dem Hintergrund der individuellen Krankheitsgeschichte des Klägers trete der Aspekt des "Empowerment" ganz in den Vordergrund, also die Förderung von Fähigkeiten, die die Autonomie und die Selbstbestimmung chronisch behinderter Menschen verbessern helfen könnten. Auch wenn Kondition und Fitness auf andere Weise als durch das Training mit einem Handbike - nicht jedoch durch klassisches gerätegestütztes Fitnesstraining - gesteigert werden könnten, stelle die Möglichkeit, Sport mit dem Handbike - einem Sportgerät - im Freien treiben zu können, für den Kläger einen weiteren Schritt in Richtung Inklusion dar; das Training mit dem Handbike diene so dem Ausgleich von Behinderungsfolgen.

Dr. H. führte im Bericht vom 06.11.2013 aus, der Kläger (Erstvorstellung am 25.10.2004) leide infolge der erheblichen neurologischen Defizite und der damit verbundenen erheblichen Belastungen für den Bewegungsapparat zunehmend unter degenerativen Gelenkbeschwerden (vor allem Schulter- und Kniebeschwerden). Trotz seiner massiven Behinderung gehe er einer regelmäßigen Berufstätigkeit nach. Wie bei vielen degenerativen Erkrankungen sei auch beim Kläger die im Rahmen der Behinderung mögliche sportliche Betätigung vordringlich. Durch entsprechendes Training zum Muskelaufbau werde eine Entlastung des Bewegungsapparats möglich. Zu diesem Zweck sei dem Kläger ein Handbike empfohlen worden. Stupides Muskeltraining zu Hause, etwa mit Hanteln, werde selbst bei ausgeprägtem Ehrgeiz nicht dauerhaft umzusetzen sein, sofern es sich dabei um die einzige Maßnahme handele. Aus hausärztlicher Sicht sei deshalb die Anschaffung eines adäquaten Trainingsmittels - wie eines Handbikes - auf Kosten der Krankenkasse unabdingbar. Dem Kläger gehe es nicht um die Verbesserung der Transportsituation, da er mit seinem PKW durchaus mobil sei.

In einem dem Bericht des Dr. H. beigefügten Entlassungsbericht der Kliniken Sch., K., vom 28.08.2013 (stationäre Rehabilitationsbehandlung vom 30.07.2013 bis 28.08.2013) ist u.a. ausgeführt, der Kläger habe beim Abschlussgespräch berichtet, neben einer Stabilisierung der feinmotorischen Fähigkeiten und der Dysarthrophonie hätten die Schmerzen erheblich reduziert werden können und die Transferfähigkeit habe sich deutlich gebessert; er fühle sich muskulär gekräftigt. Zum weiteren Erhalt der Beweglichkeit und der Arbeitsfähigkeit sowie zum Erhalt der Selbstständigkeit in den Aktivitäten des täglichen Lebens werde die Fortführung von Ergotherapie, Physiotherapie und Logopädie in ambulanten Rehabilitationsbehandlungen empfohlen.

Mit Gerichtsbescheid vom 14.04.2015 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, gem. § 33 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) hätten Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich seien, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, sofern die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen seien; letzteres sei bei Handbikes nicht der Fall. Die Gewährung eines Handbikes sei hier aber weder zum Behinderungsausgleich noch zur Vorbeugung einer drohenden Behinderung oder zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung notwendig. Der Kläger sei mit einem manuell betriebenen Rollstuhl und mit einem Elektrorollstuhl zweckmäßig und ausreichend versorgt. Die Rollstühle könne er im üblichen Umfang bewegen. Das Handbike mit zuschaltbarem Elektroantrieb würde dem Kläger zwar ermöglichen, weitere Strecken schneller zurückzulegen, mobiler zu sein und am Leben nichtbehinderter Menschen (besser) teilzunehmen. Dies zu gewährleisten sei jedoch nicht Aufgabe der medizinischen Rehabilitation durch die Krankenkassen, die (hier) im Rahmen des mittelbaren Behinderungsausgleichs allein die Befriedigung des Grundbedürfnisses nach Mobilität durch Erschließung eines körperlichen Freiraums in der eigenen Wohnung und in dem (abstrakt und nicht unter Berücksichtigung der konkreten Wohnverhältnisse des behinderten Menschen zu bestimmenden) Nahbereich um die Wohnung umfasse. Den Nahbereich könne der Kläger aber mit den vorhandenen Rollstühlen erschließen; darüber hinaus stehe ihm für weitere Strecken ein behindertengerecht ausgestatteter PKW zur Verfügung. Die Gewährung des Handbike sei auch nicht notwendig, um einer drohenden Behinderung vorzubeugen. Eine über die vorliegenden Funktionseinschränkungen hinausgehende und nicht mehr behebbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers sei bei natürlichem Verlauf in absehbarer Zeit und mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zu erwarten. Die behandelnden Ärzte des Klägers hätten vielmehr lediglich die erwartbare gesundheitsfördernde Wirkung des Trainings mit einem Handbike betont. Die mit einem Hilfsmittel bezweckte Steigerung von Kondition und Fitness genüge jedoch nicht, um den notwendigen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Verschlechterung des Gesundheitszustandes zu begründen (vgl. BSG, Urt. v. 22.04.2009, - B 3 KR 11/07 R -, in juris). Schließlich diene das Handbike auch nicht der Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung, auch wenn mit ihm ein bewegungstherapeutischer Effekt erzielt werden könne. Zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung sei ein (elektrounterstütztes) Handbike nicht erforderlich, weil hierfür weniger aufwändige und wirtschaftlichere Therapiemaßnahmen zur Verfügung stünden. Auch nach Ansicht der behandelnden Ärzte des Klägers gebe es für den Erhalt und den Aufbau von Kondition und Fitness nämlich Alternativen (wie etwa regelmäßige Krankengymnastik - dazu BSG, Urt. v. 21.11.2002, - B 3 KR 8/02 R -; Beschl. v. 27.07.2006, - B 3 KR 11/06 B -, alle in juris). Die Krankenbehandlung des Klägers werde durch regelmäßige und umfassende Heilmittelanwendungen gesichert, die durch das Training mit einem Handbike nicht (ganz oder teilweise) ersetzt werden könnten. Zur Krankenbehandlung gehörten im Übrigen nur Maßnahmen mit Behandlungs- und Therapiecharakter, die einen eindeutigen Krankheitsbezug aufwiesen. Die behandelnden Ärzte des Klägers hätten das Handbike demgegenüber als Sport- bzw. Trainingsgerät eingestuft, weshalb nicht erkennbar sei, dass es als integraler Bestandteil eines Therapie- und Behandlungsplans angewendet werden solle. Allgemeine Maßnahmen zur Erhaltung und Förderung der Gesundheit genügten hierfür nicht (vgl. auch BSG, Urt. v. 07.10.2010, - B 3 KR 5/10 R -, a.a.O.). Da der Kläger danach die Gewährung eines Handbike nicht beanspruchen könne, müsse ihm die Beklagte auch einen an dieses Gerät ankoppelbaren Greifreifenrollstuhl nicht gewähren. Ob das Handbike ggf. an die beim Kläger vorhandenen Rollstühle montiert werden könnte, brauche daher nicht geklärt zu werden.

Gegen den ihm am 22.04.2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 21.05.2015 Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt und bekräftigt er sein bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor, sein Grundbedürfnis nach Mobilität sei durch die ihm gewährten Hilfsmittel nicht befriedigt. Zwischen dem Freiraum, der mit Selbstfahrerrollstühlen erschlossen werden könne, und den Entfernungen, die ein Gesunder zu Fuß zurücklege, bestehe eine Lücke; diese sei dem Grundbedürfnis nach Mobilität zuzurechnen. Der behinderte Mensch solle die Entfernungen, die ein Gesunder im Nahbereich zu Fuß zurücklege, selbstständig bewältigen können. Das Handbike solle kein Fahrrad ersetzen, sondern auf längere Strecken Halswirbel und Schultergürtel entlasten und so die krankengymnastische Behandlung unterstützen. Wie das BSG in den Urteilen vom 18.05.2011 (- B 3 KR 7/10 R - und B 3 KR 12/10 R -, in juris) entschieden habe, komme es im Hinblick auf den Nahbereich auf den Bewegungsradius an, den ein Nichtbehinderter üblicherweise noch zu Fuß erreiche. Dieser Bewegungsradius müsse auch dem Behinderten schmerzfrei, ohne übermäßige Anstrengung und möglichst ohne fremde Hilfe zugänglich sein. Die Nutzung des Handbikes sichere außerdem den Erfolg seiner Krankenbehandlung und beuge einer Verschlimmerung seiner Behinderung vor. Durch physiologisch sinnvolles, ergonomisches Training der Arme würden die Sitzhaltung im Rollstuhl und das statische Aufrichten der Wirbelsäule gefördert. Mit dem Handbike würden die Schultergelenke anders als bei dem üblichen Antreiben des Rollstuhls über Greifreifen und anders als bei der Nutzung von Gehstützen entlastet. Mittelfristig werde die Muskulatur aufgebaut und damit werde Folgeschäden beim langfristigen Gebrauch von Gehstützen wirksam vorgebeugt. Die rhythmisch schnelle Verlagerung des Körperschwerpunkts entlaste die Gesäßregion und intensiviere die Atmungsaktivität und den Kreislauf. Die Sauerstoffanreicherung im Blut werde verbessert und die Darmmobilität werde gesteigert. Schließlich dienten gemeinsame Fahrradtouren der Integration.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 14.04.2015 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 21.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.07.2013 zu verurteilen, ihm ein Handbike des Fabrikats Sp. Duo 2 sowie einen Greifreifenrollstuhl des Fabrikats Sp. Vamos der Firma Sp. R.-T. GmbH gemäß dem Kostenvoranschlag vom 08.08.2013 zu gewähren bzw. die Kosten hierfür zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Mit Verfügung vom 23.07.2015 hat der Berichterstatter die Beteiligten darauf hingewiesen, dass ein Leistungsanspruch nach dem Recht anderer Leistungsträger (als der Beklagten) ersichtlich nicht in Betracht kommt und namentlich Leistungen des Sozialhilfeträgers mangels Bedürftigkeit des (berufstätigen) Klägers ausscheiden werden; Beiladungen anderer Leistungsträger seien deshalb nicht beabsichtigt. Die Beteiligten haben dem zugestimmt und sich außerdem mit einer Senatsentscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des SG und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).

I. Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist auch statthaft; der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750 EUR) ist bei Kosten der begehrten Hilfsmittel von ca. 10.000 EUR überschritten.

Streitgegenstand ist die Gewährung eines Handbike (Rollstuhlbike mit Motorunterstützung) des Fabrikats Sp. Duo 2 und eines Greifreifenrollstuhls des Fabrikats Sp. Vamos (an dem das Handbike montiert werden kann) der Firma Sp. R.-T. GmbH; im Vordergrund steht ersichtlich das Handbike, nachdem der Kläger bereits mit einem Greifreifenrollstuhl (und einem Elektrorollstuhl) versorgt ist. Der Kläger stützt den geltend gemachten Leistungsanspruch ausschließlich auf die Regelungen in § 33 SGB V über die Versorgung gesetzlich Krankenversicherter mit Hilfsmitteln zur medizinischen Rehabilitation. Andere Anspruchsgrundlagen, die von der Beklagten als erstangegangenem Leistungsträger, der den Leistungsantrag nicht weitergeleitet hat, im Hinblick auf die Vorschrift in § 14 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) ebenfalls anzuwenden wären (vgl. etwa BSG, Urt. v. 24.01.2013, - B 3 KR 5/12 R -; Urt. v. 30.10.2014, - B 5 R 8/14 R -; Beschl. v. 03.02.2015, - B 13 R 261/14 B -, alle in juris; Senatsurteil vom 15.07.2015, - L 5 R 2631/13 - n. v.), kommen vorliegend von vornherein nicht in Betracht. Das gilt für die Regelungen zur berufliche Rehabilitation durch den Rentenversicherungsträger und die Arbeitsverwaltung und insbesondere auch für die Regelungen zur sozialen Rehabilitation durch den Sozialhilfeträger (Eingliederungshilfe für behinderte Menschen) in den §§ 53 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) i. V. m. § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII und § 55 SGB IX; der Kläger gehört insoweit nicht zum Kreis der Leistungsberechtigten nach § 19 Abs. 3 SGB XII. Er hat dies auf die entsprechende Anfrage des Senats vom 23.07.2015 bestätigt und die Geltendmachung sozialhilferechtlicher Ansprüche ausgeschlossen. Im Hinblick darauf sind andere Leistungsträger (Sozialhilfeträger, Rentenversicherungsträger bzw. Agentur für Arbeit) nicht gem. § 75 Abs. 2 SGG beizuladen, da sie als mutmaßlich endgültig zuständige Rehabilitationsträger nicht in Betracht kommen (vgl. dazu etwa Hauck/Noftz-Götze, SGB IX § 14 Rdnr. 20 m. N. zur Rspr. des BSG).

II. Die Klage des Klägers ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig (§§ 54 Abs. 1 und 4, 56 SGG). Der Kläger hat die Gewährung der mit Klage und Berufung begehrten Hilfsmittel unter dem 09.03.2013 beantragt, also einen Leistungsantrag gem. § 19 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) gestellt (dazu näher auch BSG, Urt. v. 24.09.2002, - B 3 KR 2/02 R - a.a.O.; Urt. v. 17.04.1996, - 3 RK 19/95 -, in juris). Diesen Antrag hat die Beklagte mit Bescheid vom 21.03.2013 abgelehnt und den dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers mit dem Widerspruchsbescheid vom 25.07.2013 zurückgewiesen.

Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat die Gewährung eines Handbike und eines (zugehörigen weiteren) Greifreifenrollstuhls zu Recht abgelehnt. Der Kläger hat darauf keinen Anspruch. Das SG hat die Klage zu Recht und mit eingehender und zutreffender Begründung abgewiesen. Der Senat nimmt auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist insbesondere im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Beteiligten anzumerken:

Gem. § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung (zum Behinderungsbegriff vgl. die auch hier maßgebliche Definition in § 2 Abs. 1 SGB IX) vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind; letzteres ist bei den in Rede stehenden Hilfsmitteln (unstreitig) nicht der Fall (zum Handbike Sp. Duo 2 der Firma Sp. R.-T. GmbH etwa LSG, Thüringen, Urt. v. 30.04.2013, - L 6 KR 568/08 - unter Hinweis auf BSG, Urt. v. 18.05.2011, - B 3 KR 7/10 R -, in juris).

Der Kläger stützt das Leistungsbegehren in erster Linie auf den in § 33 Abs. 1 Satz 1 Variante 3 SGB V genannten Zweck des Behinderungsausgleichs. Nach der Rechtsprechung des BSG bemisst sich der von den Krankenkassen geschuldete Behinderungsausgleich entscheidend danach, ob eine Leistung des unmittelbaren oder des mittelbaren Behinderungsausgleichs beansprucht wird.

Von einem unmittelbaren Behinderungsausgleich (dem unmittelbaren Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion) ist auszugehen, wenn das Hilfsmittel die Ausübung der beeinträchtigten Körperfunktion selbst ermöglicht, ersetzt oder erleichtert. Hierfür gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts. Dabei kann die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem gesunden Menschen erreicht ist. Die Prüfung, ob mit der vorgesehenen Verwendung ein Grundbedürfnisses des täglichen Lebens (vgl. auch § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX) betroffen ist, entfällt in den Fällen der Erst- und Ersatzausstattung, weil sich die unmittelbar auszugleichende Funktionsbeeinträchtigung selbst immer schon auf ein Grundbedürfnis bezieht; die Erhaltung bzw. Wiederherstellung einer Körperfunktion ist als solche ein Grundbedürfnis (BSG, Urt. v. 18.05.2011, - B 3 KR 12/10 R -, a.a.O.).

Beschränkter sind die Leistungspflichten der Krankenkassen beim mittelbaren Behinderungsausgleich, wenn also die Erhaltung bzw. Wiederherstellung der beeinträchtigten Körperfunktion nicht oder nicht ausreichend möglich ist, und deshalb Hilfsmittel zum Ausgleich von direkten und indirekten Folgen der Behinderung benötigt werden. Dann sind die Krankenkassen nur für einen Basisausgleich von Behinderungsfolgen eintrittspflichtig. Es geht hier nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines gesunden Menschen. Denn Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung ist in allen Fällen allein die medizinische Rehabilitation (vgl. § 1 SGB V sowie § 6 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 5 Nr. 1 und 3 SGB IX), also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist von den Krankenkassen deshalb nur dann zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Zu diesen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens im hier maßgeblichen Sinn gehören das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrung aufnehmen, Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums. Für den Ausgleich darüber hinausreichender Behinderungsfolgen haben beim mittelbaren Behinderungsausgleich hingegen ggf. andere Sozialleistungssysteme Sorge zu tragen (vgl. auch etwa BSG, Urt. v.16.07.2014, - B 3 KR 1/14 R -, in juris).

Das Grundbedürfnis nach Erschließung eines gewissen körperlichen Freiraums hat die Rechtsprechung des BSG immer nur im Sinne eines Basisausgleichs der Behinderung selbst und nicht i. S. des vollständigen Gleichziehens mit den Möglichkeiten eines Gesunden verstanden. Die Bewegungsfreiheit stellt zwar ein allgemeines Grundbedürfnis dar. Hierfür ist im Ausgangspunkt allerdings nur auf diejenigen Entfernungen abzustellen, die ein Gesunder üblicherweise noch zu Fuß zurücklegt (BSG, Urt. v. 08.06.1994, - 3/1 RK 13/93 -, in juris). In der Folgezeit hat das BSG (Urt. v. 16.09.1999, - B 3 KR 8/98 R -, in juris) dies auf die Fähigkeit präzisiert, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen", oder um die - üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (z.B. Supermarkt, Arzt, Apotheke, Geldinstitut, Post). Standen Wegstrecken in Rede, die über das von Gesunden zu Fuß Erreichbare hinausgingen, hat das BSG zusätzliche qualitative Momente verlangt (Urt. v. 16.09.2004, - B 3 KR 19/03 R -: Erreichbarkeit ambulanter medizinischer Versorgung für zu Hause gepflegte Wachkomapatientin; Urt. v. 16.04.1998, - B 3 KR 9/97 R -: Rollstuhl-Bike für Jugendliche im Hinblick auf die Integration des behinderten Kindes während der jugendlichen Entwicklungsphase; Urt. v. 02.08.1979, - 11 RK 7/78 -: Faltrollstuhl für Schulkind zur Ermöglichung des Schulbesuchs; vgl. auch zusammenfassend BSG, Urt. v. 12.08.2009, - B 3 KR 11/08 R -, alle in juris). Speziell die Fortbewegung per (Fahr-)Rad ist nicht als Grundbedürfnis anerkannt (BSG, Urt. v. 29.01.2009, - B 3 KR 39/08 B -, in juris). Die Gewährung fahrradgleicher mechanischer Zugvorrichtungen für Rollstühle (Rollstuhlzuggerät oder Rollfiet), auch als Rollstuhl-Bike (oder Elektro-Bike) bezeichnet, hat das BSG für Erwachsene regelmäßig abgelehnt (vgl. etwa Urt. v. 12.08.2009, - B 3 KR 11/08 R -; Beschl. v. 22.04.2009, - B 3 KR 54/08 B -; Urt. v. 29.01.2009, - B 3 KR 39/08 B -, alle in juris).

Weiterreichende Rechte können Versicherte aus dem grundrechtlichen Verbot der Benachteiligung behinderter Menschen in Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz (GG) nicht herleiten. Vielmehr folgt aus der genannten Grundrechtsbestimmung ein Auftrag an den Staat, auf die gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen hinzuwirken. Diesem Auftrag zur Umsetzung und Konkretisierung hat der Gesetzgeber mit dem SGB IX Rechnung getragen, ohne dass damit der Auftrag als erledigt anzusehen wäre. Der fortbestehende Auftrag zur Ausgestaltung des Sozialstaatsgebots begründet aber keine konkreten Leistungsansprüche. Die Vorschriften des SGB IX zur Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen gewähren den Versicherten im Bereich der Hilfsmittelversorgung ebenfalls keine über die Leistungspflichten nach § 33 SGB V hinausgehenden Leistungsansprüche (BSG, Urt. v. 12.08.2009, - B 3 KR 11/08 R - a.a.O.; Urt. v. 26.03.2003, - B 3 KR 23/02 R -, in juris).

Das BSG hat die dargelegten Rechtsgrundsätze in seiner neueren Rechtsprechung (Urt. v. 18.05.2011, - B 3 KR 12/10 R -; auch Urt. v. 02.02.2012, - B 8 SO 9/10 R - und Urt. v. 16.07.2014, - B 3 KR 1/14 R -, alle in juris) bestätigt. Es hat die weitere Konkretisierung des für die Hilfsmittelversorgung (Rollstuhlversorgung) durch die Krankenkasse hier maßgeblichen Nahbereichs im Sinne einer Mindestwegstrecke weder für tatsächlich möglich noch zur sachgerechten Anwendung des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V für notwendig angesehen. Das BSG hat auch bekräftigt, dass für die Bestimmung des Nahbereichs ein abstrakter, von den Besonderheiten des jeweiligen Wohnortes unabhängiger Maßstab gilt und es auf die konkreten Wohnverhältnisse des behinderten Menschen nicht ankommt, weil der Nahbereich ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens konkretisiert und somit die Eignung und Erforderlichkeit des Hilfsmittels als objektive Anspruchsvoraussetzung betrifft (BSG, Urt. v. 18.05.2011, - B 3 KR 12/10 R -, a.a.O.). Ein Anspruch darauf, den Radius der selbstständigen Fortbewegung erheblich zu erweitern, besteht auch dann nicht, wenn im Einzelfall die Alltagsgeschäfte nicht im Nahbereich erledigt werden können (BSG Urt. v. 02.02.2012, - B 8 SO 9/10 R - unter Hinweis auf BSG, Urt. v. 19.04.2007, - B 3 KR 9/06 R -; vgl. auch BSG, Urt. v. 03.11.2011, - B 3 KR 4/11 R - und Urt. v. 20.11.2008, - B 3 KN 4/07 KR R -, alle in juris). Schließlich hat das BSG ebenfalls daran festgehalten, dass Hilfsmittel, wie ein Rollstuhlbike, die dem Versicherten eine über den Nahbereich hinausgehende Mobilität ermöglichen, von der Krankenkasse im Einzelfall (nur dann) zu gewähren sind, wenn besondere qualitative Momente dieses "Mehr" an Mobilität erfordern. Solche besonderen qualitativen Momente liegen z. B. vor, wenn der Nahbereich ohne das begehrte Hilfsmittel nicht in zumutbarer Weise erschlossen werden kann oder wenn eine über den Nahbereich hinausgehende Mobilität zur Wahrnehmung eines anderen Grundbedürfnisses (wie die Integration von Kindern und Jugendlichen in den Kreis der Gleichaltrigen oder die Erreichbarkeit von Ärzten und Therapeuten bei Bestehen einer besonderen gesundheitlichen Situation) notwendig ist. An der Möglichkeit zur zumutbaren Erschließung des Nahbereichs fehlt es, wenn der Versicherte Wegstrecken im Nahbereich nur unter Schmerzen oder nur unter Inanspruchnahme fremder Hilfe bewältigen kann oder wenn die hierfür benötigte Zeitspanne erheblich über derjenigen liegt, die ein nicht behinderter Mensch für die Bewältigung entsprechender Strecken zu Fuß benötigt. Ist der Versicherte etwa außer Stande, den Nahbereich der Wohnung mit einem (handbetriebenen) Aktivrollstuhl (Greifreifenrollstuhl) ohne übermäßige Anstrengung, schmerzfrei und aus eigener Kraft ohne Schiebehilfe Dritter in normalem Rollstuhltempo zu bewältigen, ist er (die Möglichkeit zu dessen verkehrssicherer Führung vorausgesetzt) mit einem Elektrorollstuhl zu versorgen (BSG Urt. v. 12.08.2009, -B 3 KR 8/08 R -, in juris). Insoweit findet eine abstrakte Betrachtungsweise nicht statt, sondern es sind die Umstände des jeweiligen Einzelfalls maßgebend (BSG, Urt. v. 18.05.2011, - B 3 KR 12/10 R -, a.a.O.).

Davon ausgehend kann der Kläger mit den Rollstühlen, mit denen er versorgt ist, das Grundbedürfnis der Mobilität - die Erschließung des nach den vorstehenden Rechtsgrundsätzen zu bestimmenden Nahbereichs - befriedigen. Er verfügt nicht nur über einen manuell angetriebenen Rollstuhl, sondern auch über einen Elektrorollstuhl (mit Radnabenantrieb); den Transfer kann er, wie aus den vorliegenden Arztberichten (etwa des Dr. G. vom 18.10.2013; vgl. auch den Entlassungsbericht der Kliniken Sch. vom 28.08.2013) hervorgeht, bewältigen. Der Kläger stellt das auch nicht in Abrede. Mit dem Elektrorollstuhl kann er die im Nahbereich zurückzulegenden Wegstrecken zumutbar bewältigen. Hierfür benötigt der Kläger das begehrte Handbike (mit Motorunterstützung) nicht. Etwaige Schmerzen oder übermäßige Schultergelenksbelastungen bei der Nutzung des manuell angetriebenen Rollstuhls kann der Kläger durch die Nutzung des Elektrorollstuhls vermeiden. Die Entlastung von Halswirbeln und Schultergürtel bezieht sich nach dem Vorbringen des Klägers auf längere Strecken, die er mit dem - eine dem Radfahren vergleichbare Mobilität ermöglichenden (BSG, Urt. v. 18.05.2011, - B 3 KR 12/10 R -, a.a.O.) - Handbike zurücklegen will, also gerade nicht auf den Nahbereich, der für die Leistungspflicht der Beklagten aber allein maßgeblich ist. Ein weiteres Grundbedürfnis über das Grundbedürfnis nach Mobilität hinaus, das durch Nutzung des Handbikes zu befriedigen wäre, liegt bei dem (erwachsenen) Kläger nicht vor. Die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, etwa durch die Teilnahme an gemeinsamen Fahrradtouren mit nicht behinderten Menschen, genügt hierfür nach Maßgabe der vorstehend dargestellten Rechtsprechung des BSG nicht.

Der Kläger kann das Handbike auch nicht zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung oder zur Vorbeugung einer drohenden Behinderung (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Variante 1 und 2 SGB V V) beanspruchen; das SG hat das im angefochtenen Gerichtsbescheid ebenfalls zutreffend näher dargelegt.

Der Sicherung des Erfolges einer Krankenbehandlung dient ein sächliches Mittel (Hilfsmittel), soweit es spezifisch im Rahmen der ärztlich verantworteten Krankenbehandlung eingesetzt wird, um zu ihrem Erfolg beizutragen. Dabei kommt nach der Rechtsprechung des BSG nur solchen Maßnahmen zur körperlichen Mobilisation ein Bezug zur ärztlich verantworteten Krankenbehandlung i. S. von § 27 SGB V zu, die in einem engen Zusammenhang zu einer andauernden, auf einem ärztlichen Therapieplan beruhenden Behandlung durch ärztliche oder ärztlich angeleitete Leistungserbringer stehen und für die gezielte Versorgung i. S. der Behandlungsziele des § 27 SGB V als erforderlich anzusehen sind. Diese Voraussetzungen liegen bei einer Hilfe zur körperlichen Betätigung vor, wenn der Versicherte aufgrund der Schwere der Erkrankung dauerhaft Anspruch auf Maßnahmen der physikalischen Therapie hat und die durch das beanspruchte Hilfsmittel unterstützte eigene körperliche Betätigung diese Therapie entweder wesentlich fördert oder die Behandlungsfrequenz infolge der eigenen Betätigung geringer ausfallen kann (BSG, Urt. v. 18.05.2011 - B 3 KR 7/10 R -, a.a.O.) Das ist hier, wie aus der MDK-Stellungnahme des Dr. W. vom 20.03.2013 und den vom SG eingeholten Arztberichten hervorgeht, nicht der Fall. Der Kläger erhält neben regelmäßig wiederholten stationären Rehabilitationsbehandlungen insbesondere Heilmittelanwendungen (Ergo- und Physiotherapie). Diese soll die Nutzung des Handbikes weder unterstützen noch ganz oder teilweise ersetzen oder hinsichtlich der Therapieintensität oder -frequenz (positiv) beeinflussen. Das Handbike soll vielmehr im Einsatz als Trainingsgerät ein allgemeines Training zum Muskelaufbau und zur Steigerung der körperlichen Kondition und Fitness ermöglichen. Wie bereits Dr. W. in der MDK-Stellungnahme vom 20.03.2013 dargelegt hat, ist es dafür jedoch nicht notwendig. Dr. G. und Dr. H. haben das in ihren Berichten vom 18.10.2013 und vom 06.11.2013 der Sache nach bestätigt. Dr. G. hat ebenfalls andere Trainingsmöglichkeiten (wenngleich nicht das klassische gerätegestützte Fitnesstraining) für möglich erachtet, um die allgemeine Kondition und Fitness des Klägers zu steigern und für die Nutzung des Handbike auf das "Empowerment", also die Förderung von Fähigkeiten, die die Autonomie und Selbstbestimmung behinderter Menschen verbessern können, sowie auf allgemeine Erwägungen zur Inklusion behinderter Menschen durch Sport abgestellt. Dr. H. hat sich der Einschätzung des Dr. G. angeschlossen und ebenfalls die Notwendigkeit sportlicher Betätigung - hier mit dem Handbike als Ergänzung etwa zu häuslichem Muskeltraining, bspw. mit Hanteln - zum Muskelaufbau und zur Entlastung des Bewegungsapparats beim Vorliegen degenerativer Erkrankungen (des muskulo-skelettalen Apparats) hingewiesen. Dabei geht es freilich nicht um die Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung des Klägers durch Ergo- und Physiotherapie, sondern um die allgemeine Steigerung von Kondition und Fitness und damit um allgemeine Gesundheitsförderung. Diesen Zwecken dienende Hilfsmittel muss die Krankenkasse den Versicherten im Rahmen der Hilfsmittelversorgung nach Maßgabe des § 33 SGB V nicht gewähren; sie fallen in den Bereich der Eigenverantwortung des Versicherten (vgl. § 1 Satz 2 SGB V).

Da der Kläger danach das - aus seiner Sicht im Vordergrund stehende - Handbike nicht beanspruchen kann, besteht auch kein Anspruch auf einen (zusätzlichen) Greifreifenrollstuhl, an den das Handbike ggf. montiert werden könnte.

III. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung des Klägers erfolglos bleiben muss. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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