L 11 R 3559/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 3389/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 3559/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein Schaufenstergestalter, der Leistungen erbringt, deren Umfang im Wesentlichen bei der Auftragsvergabe vorab vereinbart wird und die überwiegend nicht nach Stunden, sondern pauschal vergütet werden,
ist selbständig tätig.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 16.07.2014 und der Bescheid der Beklagten vom 12.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.09.2012 aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf 24.463,08 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen iHv 24.463,08 EUR für den Zeitraum 01.01.2007 bis 31.12.2010.

Der Kläger betreibt eine Firma im Bereich Schaufenstergestaltung und Messebau. Der 1954 geborene Beigeladene zu 1) ist seit 1978 selbstständig im Bereich Schaufenstergestaltung. Seit Beginn der 90er Jahre war er auch für den Kläger tätig. Schriftliche Verträge gab es nur zu Beginn der Tätigkeit, seit ca Ende der 90er Jahre war der Beigeladene zu 1) aufgrund mündlicher Vereinbarungen für den Kläger tätig. Der Beigeladene zu 1) hat ein Gewerbe für Schaufenstergestaltung angemeldet, welches er ab November 2008 um den Bereich Herstellung und Vertrieb von Süßwaren erweiterte. In den Jahren 2006 bis 2009 erzielte der Beigeladene zu 1) folgende Erlöse aus seiner Tätigkeit: 2006 2007 2008 2009 Confiserie 64.161,83 EUR 66.282,53 EUR 69.984,33 EUR 89.939,77 EUR Deko 38.940,86 EUR 30.917,55 EUR 23.722,27 EUR 34.682,02 EUR

Vom 17.08.2011 bis 11.01.2012 führte die Beklagte beim Kläger eine Betriebsprüfung für den Zeitraum 01.01.2007 bis 31.12.2010 durch. In einem Fragebogen der Beklagten zur Tätigkeit für die Klägerin gab der Beigeladene zu 1) unter dem 30.08.2011 an, er sei als Einzelfirma im Bereich der Schauwerbegestaltung tätig. Nähere Arbeitsbedingungen seien nicht festgelegt, eine regelmäßige Arbeitszeit sei nicht vereinbart, die Arbeitszeit habe frei gestaltet werden können. Weisungen hinsichtlich der Arbeit seien erteilt worden, bestimmte Dienstleistungen (T.-Werbung) seien nach vorgeschriebenem Muster zu erbringen gewesen. Die Arbeit sei durch Fotos von Kundenschaufenstern kontrolliert worden. Er sei nicht verpflichtet gewesen, die Arbeiten persönlich auszuführen. An Arbeitsmitteln sei Dekorationsmaterial kostenlos zur Verfügung gestellt worden. Der Kläger hat die Rechnungen des Beigeladenen zu 1) vorgelegt. Abgerechnet wurden danach jeweils für zwei Kalenderwochen die in Reisebüros (T.) erbrachten Leistungen aufgeschlüsselt nach Anzahl TPP (T. Profi Partner) à 36 EUR und Anzahl ST (Standarddekoration) à 18 EUR, ggf zzgl Anfahrt à 10 EUR, Sonderdekorationen, Logo klein/groß à 1 EUR/3 EUR zuzüglich Umsatzsteuer. Daneben erfolgten vereinzelt Abrechnungen auf Stundenbasis bei Tätigkeit für Banken (Stundensatz 30 EUR).

Mit Schreiben vom 01.12.2011 hörte die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen an, da die Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) als sozialversicherungspflichtig beurteilt werde. Mit Bescheid vom 12.01.2012 forderte die Beklagte sodann insgesamt 24.463,08 EUR an Beiträgen zur Rentenversicherung und nach dem Arbeitsförderungsrecht sowie Umlagen (U1 und U2) für den Zeitraum 01.01.2007 bis 31.12.2010. Das Fehlen von eigenem Kapitaleinsatz und unternehmerischem Risiko spreche für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung, Unternehmer- und Haftungsrisiko lägen beim Kläger. Die Arbeitskontrolle zeige, dass der Kläger seine Tätigkeit nicht frei gestalten könne. Das Vorhandensein anderer Auftraggeber des Beigeladenen zu 1) begründe nicht zwangsläufig eine selbstständige Tätigkeit.

Hiergegen legte der Kläger am 23.01.2012 Widerspruch ein. Der Beigeladene zu 1) führe die Tätigkeit nicht nur unter Einsatz eines eigenen Fahrzeugs, sondern auch mit eigenen Betriebsmitteln durch. Abgerechnet werden könnten nur die tatsächlich erbrachten Leistungen, analog wie bei Handwerkern berechne der Beigeladene zu 1) Fahrkostenpauschalen. Der Kläger könne die bei ihm eingehenden Aufträge an Subunternehmer weitergeben. Dem Beigeladenen zu 1) sei die Übernahme der Arbeiten lediglich angeboten worden, er habe die Ausführung ablehnen können. Lediglich als Beleg habe der Beigeladene zu 1) Fotos angefertigt, die der Kläger zur Abrechnung verwendet habe. Für den Kläger sei nicht erkennbar gewesen, ob der Kläger persönlich oder durch Dritte die Arbeiten ausführe. Soweit Materialbeistellungen erfolgt seien, hätten diese vom Endkunden selbst gestammt. Nachdem der Beigeladene zu 1) bereits seit 1992 vom Kläger Aufträge zur Schaufenstergestaltung übernehme und auch anderweitig gewerblich tätig sei, sei nicht nachvollziehbar, weshalb ab 2007 ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis bestehen solle.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27.09.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nach Annahme eines Auftrags sei der Beigeladene zu 1) an die Vorgaben des Klägers gebunden gewesen. Wenn er einen Auftrag nicht angenommen habe, seien die Arbeiten durch den Kläger oder dessen Angestellte verrichtet worden. Der Beigeladene zu 1) verrichte somit grundsätzlich die gleichen Arbeiten wie die Beschäftigten des Klägers. Ein unternehmerisches Risiko habe nicht bestanden, die eigene Arbeitskraft sei nicht mit ungewissem Erfolg eingesetzt worden.

Hiergegen richtet sich die am 17.10.2012 zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhobene Klage. Der Beigeladene zu 1) sei hinsichtlich der erhaltenen Aufträge in seiner Zeiteinteilung frei und nicht in betriebliche Abläufe des Klägers eingebunden gewesen. Sämtliche Fahrten habe der Beigeladene zu 1) mit seinem eigenen Firmenfahrzeug durchgeführt. Die beim Kläger beschäftigten zwei Arbeitnehmer hätten dagegen betriebliche Fahrten mit einem Fahrzeug des Klägers durchgeführt, seien weisungsgebunden und hätten ihre Dienste in eigener Person zu erbringen. Gelegentlich sei es bei dem Beigeladenen zu 1) zu Auftragskollisionen gekommen, so dass er einen Auftrag des Klägers nicht habe annehmen können. Der Beigeladene zu 1) habe mehrere Markennamen auf sich eingetragen, er habe in seiner Unternehmereigenschaft "essbare Erfindungen" gemacht; die Produkte verkaufe er zu den Markennamen an verschiedene Konditoreien. Der Beigeladene zu 1) habe eine eigene Geschäftsadresse, habe eigene Betriebsmittel genutzt und bei fehlender oder mangelhafter Ausführung der Aufträge wären Gelder in Abzug gebracht worden oder er hätte kein Geld erhalten.

Mit Urteil vom 16.07.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe nach § 28p Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) die Sozialversicherungsbeiträge nachfordern können, denn der Beigeladene zu 1) unterliege der Versicherungspflicht als abhängig Beschäftigter. Da schriftliche Vereinbarungen nicht vorlägen, richte sich die Beurteilung nach dem tatsächlichen Ablauf. Maßgebendes Indiz für eine abhängige Beschäftigung sei, dass sich der Aufgabenbereich des Beigeladenen zu 1) nicht wesentlich von dem der angestellten Arbeitnehmer des Klägers unterschieden habe. Der Beigeladene zu 1) sei gegenüber den Kunden nicht persönlich in Kontakt getreten, die Aufträge seien dem Kläger erteilt worden. Dieser sei auch Ansprechpartner der Kunden gewesen. Einzelnen Weisungen habe der Beigeladene zu 1) nicht folgen müssen, die zu dekorierenden Schaufenster seien festgelegt. Zwar habe der Beigeladene zu 1) einen zeitlichen Rahmen von zwei bis drei Wochen zur Verfügung gehabt, in welchem die Dekoration fertig sein sollte, jedoch habe er keinen Einfluss auf Arbeitsort und Art und Weise der Tätigkeit gehabt. Zwar sei dem Kläger nur das Ergebnis wichtig gewesen, jedoch sei die Tätigkeit auch von den angestellten Arbeitnehmern ausgeführt worden, Dekorationsgegenstände seien ebenfalls bereitgestellt worden. Nennenswerte Betriebsmittel habe der Beigeladene zu 1) nicht gehabt. Ein Unternehmerrisiko liege nicht in der Auftragsbeschaffung, denn hier lägen auch bei fehlenden Aufträgen keine Investitionen brach. Hinzu komme, dass der Kläger seine Tätigkeit zumeist – neben einer Pauschale bei den Aufträgen für T. – nach einem festen Stundensatz abgerechnet habe entsprechend dem Zeitaufwand. Dies entspreche einer typischen Entlohnung eines abhängig Beschäftigten. Das Fehlen arbeitnehmertypischer Schutzrechte sein kein Indiz für ein Unternehmerrisiko, da solche Vertragsgestaltungen typisch seien, wenn beide Seiten eine freie Mitarbeit wollten. Unstreitig sei, dass der Beigeladene zu 1) hauptberuflich selbstständig tätig sei. Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung seien daher auch nicht gefordert worden.

Gegen das ihm am 30.07.2014 zugestellte Urteil richtet sich die am 20.08.2014 eingelegte Berufung des Klägers. Das SG habe beliebig einzelne Punkte, die scheinbar belastend für den Kläger seien, herausgepickt und die sonstigen relevanten Punkte außer Acht gelassen. Der Beigeladene zu 1) habe dem Kläger bei Vertragsanbahnung mitgeteilt, dass er nicht als abhängig Beschäftigter arbeiten könne und wolle, da er mehrere Auftraggeber habe. Angesichts des eigenen, festen Kundenstamms des Beigeladenen zu 1) sei ein Zeitkorridor für die Ausführung von zwei bis drei Wochen vereinbart worden. Die Aufträge habe der Beigeladene zu 1) in Eigenregie und ohne Überwachung ausgeführt. Die vollendeten Werke seien für den Kläger relevant, weshalb der Beigeladene zu 1) diese mit Fotos dokumentiert habe. Dem Beigeladenen zu 1) sei erlaubt gewesen, eigene Werbung zu machen; anders als die abhängig Beschäftigten des Klägers habe er die Ausführung von Aufträgen verweigern können. Es stimme auch nicht, dass die Arbeitnehmerinnen des Klägers die gleichen Arbeiten ausgeübt hätten. Diese hätten weitere Aufgaben gehabt wie Blickfänge grafisch erstellen, Lager aufräumen, Reparaturen oder Anfertigen von individuellem Dekorationsmaterial. Richtig sei, dass dem Kläger bereits von dessen Auftraggebern (T. und verschiedene Banken) diverse Vorgaben gemacht worden seien, an die sich auch der Beigeladene zu 1) habe halten müssen. Bei der vorliegenden Konstellation, dass die Aufträge von den Kunden an den Kläger erteilt worden seien, liege auf der Hand, dass das Haftungsrisiko in dieser Rechtsbeziehung liege und kein direkter Durchgriff auf den Beigeladenen zu 1) möglich sei. Es sei daher nicht nachvollziehbar, was das SG damit meine, dass der Beigeladene zu 1) gegenüber den Kunden des Klägers nicht persönlich in Kontakt getreten sei. Es werde nochmals darauf hingewiesen, dass die Werbematerialien von den Hauptauftraggebern vorgegeben gewesen seien. Hinsichtlich des Unternehmerrisikos müsse man bei Fehlen nennenswerter Betriebsmittel entsprechend der Auffassung des SG ganzen Branchen ein echtes Unternehmerrisiko absprechen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 16.07.2012 und den Bescheid der Beklagten vom 12.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.09.2012 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Urteil des SG überzeuge. Dies gelte umso mehr, als der Beigeladene zu 1) nach den Angaben der Ehefrau des Klägers Arbeitnehmer, die wegen Krankheit ausgefallen waren, vertreten habe.

Der Beigeladene zu 1) hat im Erörterungstermin am 19.02.2015 ausgeführt, er sei im Zeitraum 2007 bis 2010 in erster Linie für den Kunden T. tätig gewesen. Für die Dekoration der Reisebüros habe er 2 bis 3 Wochen Zeit gehabt. Von T. habe es Vorgaben einheitlich für ganz Deutschland gegeben, es habe ein bestimmter Blickfang eingesetzt werden müssen. Das von T. gestellte Material habe er aus einem Lager beim Kläger geholt. Für die Abholung des Materials beim Kläger habe er keine Vergütung bekommen; er habe das gesamte Material für eine Kampagne (70 bis 80 Reisebüros) auf einmal geholt und bei sich aufbewahrt, bis der Auftrag ausgeführt gewesen sei. Die Abrechnung sei pauschal erfolgt nach Standarddekorationen (abgekürzt ST) und besonders aufwendigen Dekorationen (abgekürzt TTP), die in besonders umsatzstarken Reisebüros eingesetzt worden seien. Die Pauschale sei unabhängig davon gezahlt worden, wie lange er für die Dekoration benötigt habe. Bei den T.-Reisebüros habe er zudem eine Anfahrtspauschale erhalten, wenn er den Auftrag nicht habe durchführen können etwa wegen Malerarbeiten und umsonst hingefahren sei. Bei den Banken sei die Abrechnung teilweise nach Stunden erfolgt, zB bei Sonderaktionen. Manche Banken hätten Schaufenster von 10 Metern Länge, andere von 50 Metern, die Fenster seien unterschiedlich groß. Über eine Pauschale habe daher schlecht abgerechnet werden können.

Die übrigen Beteiligten haben sich im Verfahren nicht geäußert.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat Erfolg.

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft, zulässig und begründet. Zu Unrecht hat das SG die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 12.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.09.2012 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Beigeladene zu 1) war im streitigen Zeitraum vom 01.01.2007 bis 31.12.2010 nicht bei dem Kläger abhängig beschäftigt. Zu Unrecht hat die Beklagte daher Sozialversicherungsbeiträge für den Beigeladenen zu 1) vom Kläger gefordert.

Rechtsgrundlage für den streitgegenständlichen Bescheid ist § 28p SGB IV. Nach § 28p Abs 1 SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen mindestens alle vier Jahre. Die Prüfung soll in kürzeren Zeitabständen erfolgen, wenn der Arbeitgeber dies verlangt. Die Einzugsstelle unterrichtet den für die Arbeitgeber zuständigen Träger der Rentenversicherung, wenn sie eine alsbaldige Prüfung bei dem Arbeitgeber für erforderlich hält. Die Prüfung umfasst auch die Entgeltunterlagen der Beschäftigten, für die Beiträge nicht gezahlt werden. Die Träger der Rentenversicherung erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und zur Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern; insoweit gelten § 28h Abs 2 SGB IV sowie § 93 iVm § 89 Abs 5 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht. Zwar entscheidet grundsätzlich gemäß § 28h Abs 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB IV die Einzugsstelle über die Versicherungspflicht und die Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Dies gilt aber ausnahmsweise nicht für Entscheidungen im Rahmen einer Arbeitgeberprüfung.

Betriebsprüfungen durch den Rentenversicherungsträger haben nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nur eine Kontrollfunktion. Sie sollen einerseits Beitragsausfälle verhindern, andererseits die Sozialversicherungsträger davor bewahren, dass aus der Annahme von Beiträgen für nicht versicherungspflichtige Personen Leistungsansprüche entstehen. Die Entscheidung stellt sich vor diesem Hintergrund als kombinierte - positive oder negative - Feststellung von Versicherungspflicht und Beitragsnachentrichtung oder Beanstandung dar. Die Besonderheit eines Bescheids nach § 28p Abs 1 Satz 5 SGB IV liegt insoweit darin, dass über das Bestehen von Versicherungspflicht und die daraus resultierende Beitragsnachforderung gemeinsam zu entscheiden ist. Dies unterscheidet das Nachprüfungsverfahren hinsichtlich der Feststellung der Versicherungspflicht vom Statusfeststellungsverfahren nach § 7a Abs 1 Satz 1 SGB IV (BSG 14.09.2004, B 12 KR 1/04, SozR 4-2400 § 22 Nr 2). Die hier streitigen Beiträge werden als Gesamtsozialversicherungsbeiträge vom Arbeitgeber gezahlt (§ 28g Satz 1 und 2, 28e Abs 1 Satz 1 SGB IV).

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw Beitragspflicht (§ 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI, § 25 Abs 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG 24.01.2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 7, BSG 04.07.2007, B 11 AL 5/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 8) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeiten über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (ständige Rechtsprechung; vgl zum Ganzen etwa BSG 29.08.2012, B 12 KR 25/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 17 mwN).

Ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zur ursprünglich getroffenen Vereinbarung stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (ständige Rechtsprechung des BSG seit mindestens 2008, vgl auch hierzu BSG 29.08.2012, aaO).

Nach den genannten Grundsätzen gelangt der Senat unter Abwägung aller Umstände zu der Überzeugung, dass der Beigeladene zu 1) im streitgegenständlichen Zeitraum keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung beim Kläger ausgeübt hat und daher Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung nicht bestanden hat.

Die Tätigkeit als Schaufenstergestalter kann sowohl im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses als selbstständige Tätigkeit ausgeübt werden. Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis unterscheidet sich - ebenso wie ein Arbeitsverhältnis - von dem Rechtsverhältnis eines freien Mitarbeiters durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete jeweils befindet (BAG 22.02.1995, 5 AZR 757/93, juris). Dabei sind äußere Umstände wie ein "eigener" Schreibtisch, ein "eigenes" Arbeitszimmer oder die Aufnahme in ein internes Telefonverzeichnis für sich genommen nicht entscheidend (BAG aaO). Vielmehr kommt es in erster Linie darauf an, ob der Mitarbeiter einem Weisungsrecht des Klägers unterworfen war, das Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen kann (BAG 20.07.1996, 5 AZR 627/93, BAGE 77, 226; Urteil des Senats vom 16.08.2011, L 11 KR 5459/10).

Ausgangspunkt der versicherungsrechtlichen Beurteilung sind zunächst die mündlich geschlossenen Vereinbarungen zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1). Nach den übereinstimmenden und glaubhaften Angaben von Kläger und Beigeladenem zu 1) steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger die ihm von seinen Kunden (im Wesentlichen T. und daneben einige Banken) erteilten Aufträge zur Schaufenstergestaltung an den Beigeladenen zu 1) als Subunternehmer vergeben hat. Der Beigeladene zu 1) schuldete eine Werkleistung, nämlich die Erstellung einer bestimmten Dekoration. Diese war insbesondere bei T. schon mit der Auftragsvergabe bis ins Detail vorgegeben, einschließlich der zu verwendenden Materialien. Als Vergütung waren bei T. Pauschalen vereinbart pro Reisebüro, die sich bei Standarddekorationen auf 18 EUR und bei besonders aufwendigen Dekorationen auf 36 EUR beliefen sowie weitere Pauschalen für Fensterbeklebungen und für vergebliche Anfahrten bei Unmöglichkeit der Leistungserbringung aus Gründen, die beim Kunden lagen. Die Pauschalen wurden unabhängig davon bezahlt, wie lange der Beigeladene zu 1) für die Ausführung tatsächlich benötigte. Aus den Rechnungen ergibt sich, dass der Beigeladene zu 1), wenn er für den Kläger tätig war, wöchentlich im Schnitt ungefähr 35 Reisebüros dekorierte. Für Dekorationen bei Banken war ein fester Stundensatz vereinbart. Dieser belief sich nach den vorliegenden Rechnungen 2007 auf 28,12 EUR und 2009 auf 30 EUR. In den übrigen Jahren wurden keine entsprechenden Leistungen abgerechnet, 2009 belief sich die einzige Rechnung (Dekoration vom 21.12.2009 in der B. Bank, G.) auf insgesamt 380,53 EUR. Der Senat geht daher davon aus, dass ganz überwiegend Gegenstand der Tätigkeit die Dekoration von Reisebüros mit Pauschalvergütung war. Nach den übereinstimmenden Angaben von Kläger und Beigeladenem zu 1) war die persönliche Leistungserbringung durch den Beigeladenen zu 1) dabei nicht geschuldet.

Diese Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1) spricht für eine selbstständige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1). Unerheblich ist allerdings, dass der Kläger und der Beigeladene zu 1) kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis begründen wollten. Die Wertung einer Tätigkeit als abhängige Beschäftigung bzw selbstständige Tätigkeit kann ebenso wenig wie das Bestehen und Nichtbestehen von Sozialversicherungspflicht vertraglich vereinbart werden (Senatsurteil vom 21.10.2014, L 11 R 487/13).

Der Beigeladene zu 1) war nicht weisungsgebunden. Hinsichtlich der zeitlichen Einteilung der Tätigkeit war er innerhalb des vereinbarten Korridors von zwei bis drei Wochen völlig frei. Die Arbeitsorte beim Endkunden waren bereits mit der Auftragsvergabe festgelegt. Einzelweisungen hinsichtlich der Art und Weise der Tätigkeit sind nicht erfolgt und waren auch nicht erforderlich, weil der vom Beigeladenen zu 1) geschuldete Leistungsumfang bereits mit der Auftragsannahme vorab vereinbart wurde. Der konkrete Inhalt wurde insbesondere bei Dekorationen für T. ganz genau festgelegt, da der Kunde T. auf ein bundesweit einheitliches Erscheinungsbild im Rahmen der Corporate Identity Wert legt. Umstände, die bereits im Voraus vertraglich festgelegt sind, begründen aber idR kein Weisungsrecht des Auftraggebers (vgl BSG 04.04.1979, 12 RK 37/77, juris zur Verpflichtung eines Orchestermusikers, eine Tracht zu tragen und ein bestimmtes Instrument zu spielen). Der Beigeladene zu 1) war auch in keiner Weise in betriebliche Abläufe des Klägers eingebunden. Er holte dort im Rahmen einer Werbekampagne lediglich einmal aus dem Lager das Material ab und arbeitete dann ohne weitere Berührungspunkte mit dem Betrieb des Klägers seinen Auftrag ab. Das Vorliegen einer Endkontrolle durch die vom Beigeladenen zu 1) an den Kläger übersandten Fotos der fertigen Dekorationen ist einer laufenden Überwachung nicht vergleichbar, sondern entspricht der Abnahme eines Werkes. Wie im Erörterungstermin ausgeführt wurde, benötigte der Kläger die Fotos für seine Abrechnungen gegenüber T ...

Die dem Beigeladenen zu 1) eingeräumte Möglichkeit, sich zur Erfüllung seiner Aufgaben anderer Personen zu bedienen, stellt ebenfalls eines von mehreren im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Anzeichen dar, das gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses spricht (BSG 17.12.2014, B 12 R 13/13 R, SozR 4-2600 § 28p Nr 4).

Der Beigeladene zu 1) hat auch ein gewisses unternehmerisches Risiko getragen. Maßgebend ist insoweit das einzelne Auftragsverhältnis, weshalb es ohne Bedeutung ist, dass der Beigeladene zu 1) vor und nach Abwicklung eines Auftragsverhältnisses das Risiko einer Beschäftigung trägt. Ein gewichtiges Indiz für eine selbständige Tätigkeit ist das mit dem Einsatz eigenen Kapitals verbundene Unternehmerrisiko. Maßgebliches Kriterium für ein solches Risiko eines Selbstständigen ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der tatsächlichen und sächlichen Mittel also ungewiss ist (BSG 12.12.1990, 11 RAr 73/90, juris; BSG 28.05.2008, B 12 KR 13/07 R, juris). Erhebliche eigene Betriebsmittel hat der Beigeladene zu 1) nicht eingesetzt. Insoweit ist allerdings als branchenspezifisch zu berücksichtigen, dass Tätigkeiten im Bereich der Schaufenstergestaltung generell betriebsmittelarm sind. Für die Ausführung eines Auftrags war nach den Angaben des Beigeladenen zu 1) angesichts des vom Kunden zur Verfügung gestellten Materials nicht mehr als ein Hammer und Stecknadeln erforderlich. Daneben hat der Beigeladene zu 1) jedoch immerhin ein eigenes betriebliches Fahrzeug genutzt und er verfügt über eine eigene Betriebsstätte, an der er zB das gesamte Werbematerial für eine Aktion gelagert hat. Die Entlohnung erfolgte in der Regel auch nicht nach einem festen Stundensatz, wie dies für Arbeitnehmer typisch ist, sondern pauschal. Da ein Erfolg im Rahmen eines Werkvertrags geschuldet war, hing es von der Tüchtigkeit des Beigeladenen zu 1) ab, welchen Verdienst er durch den Einsatz seiner Arbeitskraft erreichen konnte.

Kein Indiz für eine selbstständige Tätigkeit ist allerdings, dass vertraglich keine Arbeitnehmerschutzrechte wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder Urlaubsansprüche geregelt sind. Solche Vertragsgestaltungen sind als typisch anzusehen, wenn beide Seiten eine selbstständige freie Mitarbeit wollten. Ebenso ist der Gedanke der (hier fehlenden) Schutzbedürftigkeit des in Betracht kommenden Personenkreises kein Merkmal dafür, ob es sich um eine abhängige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit handelt (BSG 24.10.1978, 12 RK 58/76, SozR 2200 § 1227 Nr 19).

Soweit die Beklagte ganz wesentlich darauf abstellt, dass der Beigeladene zu 1) auch Arbeitnehmer des Klägers im Krankheitsfall vertreten habe, spricht dies im konkreten Fall nicht für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Zwar hat der Kläger angegeben, dass der Beigeladene zu 1) auch angefragt worden sei, ob er kurzfristig tätig werden könne, wenn Mitarbeiter wegen Krankheit ausgefallen seien. Dies wäre jedoch nur dann ein Hinweis auf eine abhängige Beschäftigung, wenn der Beigeladene zu 1) tatsächlich auch die gleichen Tätigkeiten verrichtet hätte, wie die angestellten Mitarbeiterinnen und in gleicher Weise in den Betrieb eingegliedert gewesen wäre. Genau dies war jedoch nicht der Fall. Zudem hatten die Mitarbeiterinnen weitere Aufgaben, etwa die Erstellung von individuell von Kunden geforderten Dekorationen, Reparatur defekter Dekorationsartikel und Ordnung des Lagers. Insbesondere mussten sie auch das von T. angelieferte Material sortieren, während der Beigeladene zu 1) das vorbereitete Material nur abgeholt hat. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus den glaubhaften Angaben der Beteiligten.

In der Gesamtabwägung überwiegen nach alledem die Gesichtspunkte, die für eine selbstständige Tätigkeit sprechen. Eine Grundlage für die von der Beklagten erhobene Beitragsnachforderung ist damit nicht gegeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Beigeladenen tragen gemäß § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 162 Abs 3 VwGO ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Der Senat sieht keine Veranlassung, diese Kosten aus Billigkeit der Beklagten als unterliegende Beteiligte aufzuerlegen, weil die Beigeladenen keine Anträge gestellt haben (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 197a Rn 29 mwN).

Die Festsetzung des Streitwerts erfolgt nach § 197a SGG iVm §§ 47 Abs 2 Satz 1, 52 Abs 3, 53 Abs 2 Nr 4 Gerichtskostengesetz und entspricht der streitigen Nachforderung.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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