Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 1634/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 3691/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 17. Juli 2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.
Der 1964 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und kam 1979 in die Bundesrepublik Deutschland. Von 1981 bis 1989 war er als Bauhelfer und von 1990 bis 1999 als Maurer und Kranführer beschäftigt. Wegen zunehmender Schmerzen an den Gelenken wurde er zur Fachkraft für Lagerwirtschaft umgeschult und war von 2001 bis 2006 als Lagerist tätig. In seinem Versicherungsverlauf (20.03.2012 Bl. 57 der Akten) sind Zeiten der Arbeitslosigkeit ab 01.12.2007 bis 31.12.2011 vermerkt.
Zuletzt beantragte er am 22.12.2011 die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Zuvor lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers vom 31.07.2008 auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung mit Bescheid vom 10.11.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.04.2009 ab. Die hiergegen erhobene Klage (S 8 R1267/09) blieb erfolglos (Gerichtsbescheid vom 16.12.2009).
Grundlage dieser Entscheidung waren unter anderem der ärztliche Entlassungsbericht der Z.-Klinik St. B. vom 31.08.2007, die Gutachten von Dr. F. und Dr. H. sowie die im Klageverfahren eingeholten sachverständigen Zeugenaussagen des Psychiaters H., des Neurologen und Psychiaters Dr. H. und das neurologisch-psychiatrische Gutachten von Dr. W ... Der Arzt für physikalische und rehabilitative Medizin Dr. F. stellte in dem Gutachten vom 02.10.2008 chronisch rezidivierende Fuß- und Sprunggelenksbeschwerden rechts bei Dysplasie des Sprunggelenks sowie eine Hyperplasie des rechten Fußes, eine Brachydaktylie D 1 rechts, anamnestisch chronisch rezidivierende Schmerzzustände im linken Kniegelenk und der LWS, aktuell ohne nachweisbare Pathologika, und eine depressive Anpassungsstörung fest. Der Kläger sei noch in der Lage, seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Lagerist sowie mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung unter Berücksichtigung näher ausgeführter qualitativer Einschränkungen sechs Stunden und mehr am Tag auszuüben. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. schloss sich dieser Leistungseinschätzung unter Berücksichtigung der von ihm festgestellten Dysthymia sowie einer Neigung zu Lumbalgien ohne Funktionseinschränkung und ohne radikuläre Symptomatik sowie eines Karpaltunnelsyndrom beidseits ohne klinisches Korrelat im Gutachten vom 21.10.2008 an. Der Psychiater H. hielt den Kläger in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 20.06.2009 für eindeutig psychisch krank und hielt eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für mehr als 2 Stunden täglich bis auf weiteres nicht für vorstellbar. Nach Auffassung des Neurologen und Psychiaters Dr. H. in dessen Zeugenaussage vom 30.06.2009 waren leichte Arbeiten unter Berücksichtigung näher ausgeführter qualitativer Einschränkungen noch vollschichtig möglich. Dr. W. führte in dem Gutachten vom 09.10.2009 aufgrund der von ihm festgestellten chronifizierten leichten bis mittelgradigen depressiven Episode sowie eines Karpaltunnelsyndroms beidseits mit sensiblen Defiziten aus, dass die zuletzt ausgeübte Tätigkeit auch weiterhin verrichtet werden könne. Eine relevante Einschränkung der Umstellungsfähigkeit bestehe nicht.
Auf den Antrag des Klägers vom 22.12.2011 beauftragte die Beklagte den Facharzt für Innere Medizin und für psychotherapeutische Medizin Dr. W. mit der Erstellung eines weiteren Gutachtens. Dieser stellte eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung bei bekannter Dysthymie, geringfügige, chronisch-rezidivierende Lumbalgien bei Beinverkürzung (1 cm) und eine Fußhyperplasie rechts, eine Adipositas Grad II, eine Grenzwerthypertonie, ein beidseitiges Karpaltunnelsyndrom ohne klinische Funktionsbeeinträchtigung, eine Struma nodosa, eine bekannte Hypothyreose, ein vorbeschriebenes Prostataadenom, eine zeitweise bestehende Reizblasensymptomatik, eine vorbeschriebene Zervikobrachialgie, Zervikalgie rechts und Zephalgie fest und hielt eine vollschichtige Belastbarkeit für mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sowie in der letzten Tätigkeit als Lagerarbeiter für weiterhin gegeben.
Hierauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 20.03.2012 den Antrag auf Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung ab. Der hiergegen erhobene Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 30.05.2012).
Hiergegen hat der Kläger am 20.06.2012 Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben.
Das SG hat Beweis erhoben durch das Einholen einer sachverständigen Zeugenaussage beim Hausarzt Dr. B., der sich der Auffassung von Dr. W. in dessen Gutachten vom 29.02.2012 angeschlossen hat. Ferner hat es auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers Gutachten von Prof. Dr. B. und von Dr. K. sowie von Amts wegen ein Gutachten bei Dr. D. eingeholt.
Prof. Dr. B. hat in dem Gutachten vom 17.04.2013 (und in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 21.05.2014) eine Dysthymia, eine rezidivierende depressive Störung mit somatischem Syndrom, phasenweise auch schwere depressive Episode mit deutlicher Angstkomponente, sowie eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung festgestellt. Ferner bestehe ein Schmerzsyndrom unklarer Genese, derzeit noch in neurologischer Abklärung, ein zephalo-brachiales Schmerzsyndrom und ein Spannungskopfschmerz. Außerhalb seines Fachgebietes bestünden eine leichte Adipositas, eine Schilddrüsenunterfunktion, medikamentös kompensiert, ein Restless Legs Syndrom, eine Beinverkürzung rechts und ein Tinnitus. Er hat ausgeführt, dass die Befähigung des Klägers, Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben, aufgehoben sei. Dies liege in der chronifizierten Depression, die zum Untersuchungszeitpunkt in einer Ausprägung zwischen mittelschwer und schwer zu klassifizieren gewesen sei. Der Kläger könne die zuletzt ausgeübte Tätigkeit nicht mehr verrichten. Die Umstellungsfähigkeit sei aufgrund der ausgeprägten depressiven Symptomatik deutlich erschwert.
Dr. D. hat in seinem nervenärztlichen Gutachten vom 29.11.2013 eine Dysthymie, ein Karpaltunnelsyndrom beidseits, ein Wirbelsäulensyndrom ohne neurologisches Defizit sowie außerhalb seines Fachgebietes chronisch-rezidivierende Fuß- und Sprunggelenksbeschwerden bei Hyperplasie des rechten Fußes und Brachydaktylie D1 rechts, eine Adipositas, eine Hypothyreose, unter Medikation kompensiert, und anamnestisch ein Prostataadenom beschrieben. Es bestehe eine leichtere, jedoch chronifizierte Form einer depressiven Verstimmung im Sinne einer Dysthymie, die sich aus einer Anpassungsstörung entwickelt habe, welche der Kläger in Zusammenhang mit einer Konfliktsituation am Arbeitsplatz entwickelt habe. Aufgrund dieser Störung sei der Kläger in seiner psychischen Belastbarkeit und in Bezug auf das Umstellungs- und Anpassungsvermögen beeinträchtigt. Aus neurologisch-psychiatrischer Sicht könne die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Lagermitarbeiter in vollschichtigem Umfang verrichtet werden. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Umstellungsfähigkeit für andere Tätigkeiten, die den Vorkenntnissen und Fähigkeiten des Klägers entsprechen, eingeschränkt wäre.
Dr. K. hat in seinem orthopädisch-unfallchirurgischen Gutachten vom 23.06.2014 ein chronisch-rezidivierendes Zervikalsyndrom bei Osteochondrose und Spondylarthrose der Halswirbelsäule C4 bis C6, einen zervikalen Bandscheibenvorfall C5/C6, ein sensibles CTS beidseits, ein Impingement-Syndrom beider Schultergelenke, ein Dorsolumbal-Syndrom bei Osteochondrose und Spondylarthrose der Wirbelsäule, eine Adduktorentendopathie und einen Senkspreizfuß links mit Hallux valgus und eine Hypoplasie des 1. Strahles rechts festgestellt. Aufgrund dieser Gesundheitsstörungen seien mittelschwere und schwere körperliche Arbeiten nicht mehr zumutbar. Unter Berücksichtigung weiterer, näher ausgeführter qualitativer Einschränkungen hat Dr. K. die Auffassung vertreten, dass der Kläger in der Lage sei, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig durchzuführen. Auch die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Lagerist erscheine bei Beachtung der qualitativen Funktionseinschränkungen zumutbar.
Mit Urteil vom 17.07.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger sei nicht erwerbsgemindert. Er leide vor allem unter einer Dysthymie, einem beidseitigen Karpaltunnelsyndrom und einem Schmerzzustand in der Lendenkreuzregion mit Ausstrahlung in die Beine. Eine rentenrelevante quantitative Einschränkung für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt lasse sich hieraus nicht ableiten. Soweit alleine der Gutachter Prof. Dr. B. den Kläger nicht mehr für leistungsfähig halte, habe dies das Gericht nicht überzeugt. Die depressive Erkrankung und das Schmerzempfinden führten zwar zu qualitativen, nicht aber zu quantitativen Leistungseinschränkungen. Eine zeitliche Leistungsminderung lasse sich aus dem psychischen und körperlichen Befund schwer ableiten. Bei der von Prof. Dr. B. an 1. Stelle diagnostizierten Dysthymia handele es sich vielmehr – nach ICD 10: F34.1 – um eine chronische andauernde depressive Verstimmung, die weder schwer noch hinsichtlich einzelner Episoden anhaltend genug sei, um die Kriterien einer schweren, mittelgradigen oder leichten rezidivierenden depressiven Störung zu erfüllen. Es handele sich damit um eine leichtere Form der depressiven Erkrankung. Hierfür spreche, dass der Tagesablauf und das Alltagsverhalten des Klägers (Wachtel- und Taubenhaltung, Türkeireisen, Spaziergänge, Hilfe im Haushalt) nicht erheblich eingeschränkt sei. Die von Prof. Dr. B. angenommenen Phasen schwererer depressiver Episoden stünden dem nicht entgegen, da depressive Episoden abgrenzbare Phasen von depressiver Verstimmtheit seien. Beim Gutachter Dr. D. habe eine schwere depressive Symptomatik nicht mehr festgestellt werden können. Das Auftreten einer depressiven Episode bedinge in der Regel eine vorübergehende Arbeitsunfähigkeit, aber keine für die Rente erforderliche dauerhafte Erwerbsminderung. Ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit scheitere bereits an der Stichtagsregelung des §§ 240 Abs. 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), da der Kläger nicht vor dem 02.01.1961 geboren sei.
Gegen das ihm am 05.08.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28.08.2014 Berufung eingelegt und zur Begründung geltend gemacht, nicht mehr in der Lage zu sein, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in einem Umfang von mindestens drei Stunden täglich zu arbeiten. Das SG habe dem Gutachten von Dr. D. zu Unrecht mehr Bedeutung beigemessen als dem Gutachten von Prof. Dr. B. Soweit Dr. D. ausführe, er habe die von Prof. Dr. B. festgestellte doppelte Depression nicht erkannt, folge hieraus nicht zwingend, dass sie beim Kläger nicht vorliege, sondern bedeute zunächst, dass sie von ihm nicht festgestellt worden sei. Dr. D. erkläre auch nicht, welche von ihm durchgeführten Untersuchungen zu seinem Ergebnis geführt hätten. Dagegen seien die von Prof. Dr. B. durchgeführten Untersuchungen in seinem Gutachten dargestellt und nachvollziehbar.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 17. Juli 2014 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 20. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Mai 2012 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. Oktober 2011 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf ihren Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren und auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil.
Die Beteiligten wurden mit gerichtlichem Schreiben vom 10.12.2014 auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten. die Gerichtsakten 1. Instanz (S 8 R 1634/12 und S 8 R 1267/09) sowie auf die Senatsakte verwiesen.
II.
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat.
Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das LSG - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Mit Schreiben vom 10.12.2014 und 20.01.2015 hat der Senat die Beteiligten auch auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier vom Kläger beanspruchte Rente wegen voller und teilweiser Erwerbsminderung - § 43 SGB VI - dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht besteht, weil der Kläger noch wenigstens sechs Stunden täglich leistungsfähig ist. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren uneingeschränkt an, sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück.
Ergänzend ist auszuführen, dass auch der Senat ein Absinken der beruflichen und körperlichen Leistungsfähigkeit des Klägers auf ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als sechs Stunden täglich, was zu einer zu befristenden Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit wegen Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes führen würde, nicht festzustellen vermag. Dies ergibt sich aus einer Gesamtwürdigung der ärztlichen Unterlagen, insbesondere dem Gutachten von Dr. D., aber auch aus dem von Dr. W. im Widerspruchsverfahren erstatteten Gutachten, welches der Senat im Urkundsbeweis verwertet hat. Eine Änderung im Gesundheitszustand des Klägers im Vergleich zu dem mit Gerichtsbescheid vom 16.12.2009 abgeschlossenen Verfahren ist durch die Ermittlungen nicht bewiesen. Auch der Senat vermochte sich der von Prof. Dr. B. vertretenen Auffassung nicht anzuschließen, die vorliegenden Gesundheitsstörungen führten zu einem aufgehobenen Leistungsvermögen. Mit Dr. W. und Dr. D. liegt auf psychiatrischem Fachgebiet (wie auch zuvor schon von Dr. H. und Dr. W. in deren Gutachten diagnostiziert) eine leichtere, aber chronifizierte Form einer psychiatrischen Erkrankung, eine Dysthymie nach ICD 10 F34.1 vor. Diese Dysthymie führt - wie das SG richtig erkannt hat - nicht zu einer zeitlichen Leistungsminderung, sondern zu einer Beeinträchtigung der psychischen Belastbarkeit und des Umstellungs- und Anpassungsvermögens, weshalb der Kläger keine Tätigkeiten mehr verrichten kann, die mit einer besonderen Stressbelastung oder mit besonderem Zeitdruck verbunden sind. Akkordtätigkeiten und andere taktgebundene Tätigkeiten sind ihm nicht zumutbar. Gleiches gilt für Tätigkeiten mit einer besonderen Verantwortung für Menschen und Maschinen sowie aufgrund der persönlichkeitsbedingten Neigung, in Stresssituationen überschießend zu reagieren auch für Tätigkeiten mit Publikumsverkehr. Auszuschließen sind ferner Tätigkeiten in Nacht- und/oder Wechselschicht.
Für den Senat schlüssig und überzeugend führte Dr. D. aus, dass der Kläger auf dem Boden einer Konfliktsituation am Arbeitsplatz eine depressive Symptomatik entwickelt hat, wobei ungeklärt ist und retrospektiv auch nicht zu klären ist, ob diese zu einem früheren Zeitpunkt den Schweregrad einer mittelgradigen oder schweren depressiven Episode hatte. Soweit Prof. Dr. B. von einer Double Depression ausgeht, ist diese durch sein Gutachten nicht belegt. Gleiches gilt für die von ihm angenommene somatoforme Schmerzstörung, worauf Dr. D. ebenfalls hinweist, nachdem die im Bereich der oberen Extremitäten geschilderten Beschwerden auf ein beidseitiges Karpaltunnelsyndrom zurückzuführen sind und zudem ein kleiner Bandscheibenvorfall im Bereich HWK 5/6 besteht und vom behandelnden Neurologen Dr. K. in dem vom Kläger vorgelegten Bericht vom 25.03.2013 bestätigt wird. Eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung liegt somit nicht vor. Dr. B. hat den Einwand des Neurologen und Psychiaters B. in dessen sozialmedizinischer Stellungnahme vom 10.07.2013 für die Beklagte und von Dr. D. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 21. 5. 2014 nicht entkräftet, die von ihm verwendeten Testverfahren seien nur für muttersprachliche Probanden validiert und spiegelten eine Objektivität vor, die wissenschaftlich nicht haltbar sei. Darüber hinaus belegt das Gutachten von Prof. Dr. B. die von ihm beschriebene eigenständige Depression rezidivierenden Charakters nicht. Denn hierzu hätte gehört, dass der Sachverständige angibt, welcher Arzt wann von einer entsprechenden schwerwiegenden psychiatrischen Erkrankung ausgegangen ist und hätte diese Diagnose kritisch hinterfragen müssen. Doch weder im ärztlichen Entlassungsbericht der Z.-Klinik (Diagnose: Anpassungsstörung), in den Gutachten von Dr. F. und Dr. H. (depressive Anpassungsstörung bzw. Dysthymia) noch im Gutachten von Dr. W. werden Einschränkungen beschrieben, die die Annahme einer zeitlichen Leistungsminderung rechtfertigen könnten. Das SG hat in diesem Zusammenhang zu Recht auf den den Gutachten zu entnehmenden Tagesablauf bei erhaltener Tagesstrukturierung verwiesen. Darüber hinaus bestätigt der Kontakt zu Freunden und Familie eine erhaltene Alltags- und Sozialkompetenz. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass während der Untersuchung durch Prof. Dr. B. zusätzlich neben einer Dysthymia eine depressive Störung vorgelegen haben sollte, ergebe sich keine andere Beurteilung. Denn Dr. D. weist zu Recht darauf hin, dass sich dieses Krankheitsbild wieder zurückgebildet hat. Dies ist umso bemerkenswerter, als nach den Feststellungen von Dr. D. keine psychiatrische Behandlung mehr in Anspruch genommen wurde und die Medikation vom Kläger abgesetzt worden ist. Ferner wies Dr. D. zu Recht darauf hin, dass der Kläger die Antidepressiva auch zuvor nur bei Bedarf und in unterschiedlicher Dosierung und Kombination eingenommen hat und ein signifikanter und dauerhafter positiver Einfluss auf eine depressive Störung bei dieser Art von Behandlung nicht zu erwarten gewesen ist.
Soweit Dr. H. in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 22.06.2009 im Verfahren S 8 R 1267/09 – im Gegensatz zur sachverständigen Zeugenaussage des Neurologen und Psychiaters Dr. H. – von einer zumindest mittelgradigen depressiven Störung mit ausgeprägter Schlafstörung, Ängstlichkeit, sozio- und agoraphobischer Vermeidung ausgeht, sieht der Senat diese Einschätzung durch die nachfolgenden Gutachten von Dr. W. und Dr. D. als widerlegt an. Denn schon bei Dr. W. war der Kläger während der Untersuchung zu jeder Zeit in Aufmerksamkeit und Konzentration ungestört, der Antrieb und die Psychomotorik regelrecht und die depressive Symptomatik insgesamt nur mäßig ausgeprägt, soziale Kontakte zu Freunden und Kollegen werden auch dort beschrieben. Unter Berücksichtigung einer allenfalls mittelgradig ausgeprägten depressiven Episode kam Dr. W. zu dem nachvollziehbaren Ergebnis, dass zwar die psychische Belastbarkeit des Probanden herabgesetzt und dadurch Tätigkeiten unter Zeitdruck wie Akkord- oder Fließbandarbeiten sowie Tätigkeiten im Schichtbetrieb nicht mehr ausgeübt werden könnten und Gleiches auch für Tätigkeiten mit vermehrtem Publikumsverkehr gelte. Nicht ausgeschlossen werden hierdurch aber Tätigkeiten, die diese Leistungseinschränkungen berücksichtigen. Damit war und ist dem Kläger auch weiterhin die Tätigkeit als Lagerist zumutbar.
Wegen des Wirbelsäulensyndroms und des kernspintomographisch nachgewiesenen kleinen Bandscheibenvorfalles ohne nachweisbares sensomotorisches Defizit und ohne Hinweis auf ein Nervenwurzelkompressionssyndrom sind dem Kläger – worauf Dr. D. zu Recht hingewiesen hat – schwere körperliche Tätigkeiten nicht zumutbar. Im Rahmen einer beruflichen Tätigkeit sollte ein Wechsel der Körperhaltung zwischen Gehen, Stehen und Sitzen möglich sein. Tätigkeiten auf Leitern, Treppen oder Gerüsten sollten ebenso ausgeschlossen sein wie dauerhafte Überkopfarbeiten und Tätigkeiten in Wirbelsäulenzwangshaltungen. Wegen des Karpaltunnelsyndroms sind ihm auch keine Tätigkeiten mehr möglich, die mit besonderen Anforderungen an die Feinmotorik der Hände verbunden sind, also beispielsweise Präzisionsarbeiten oder Lötarbeiten. Dieses Ergebnis wird durch das vom Kläger gemäß § 109 SGG eingeholte Gutachten von Dr. K. in vollem Umfang bestätigt. Das von ihm darüber hinaus beschriebene Impingement-Syndrom beider Schultergelenke, die Adduktorentendopathie beidseits und der Senkspreizfuß links mit Hallux-Valgusstellung bedingen neben den Gesundheitsstörungen im Bereich der Wirbelsäule und der Arme (sensibles CTS beidseits) keine weitergehenden Einschränkungen, die eine zeitliche Leistungsminderung rechtfertigen könnten.
Schließlich rechtfertigen die festgestellten Gesundheitsstörungen weder die Annahme einer schweren spezifischen Leistungseinschränkung noch einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostentscheidung beruht auf § 193 SGG und trägt dem Umstand Rechnung, dass der Kläger auch im Berufungsverfahren unterlegen ist.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.
Der 1964 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und kam 1979 in die Bundesrepublik Deutschland. Von 1981 bis 1989 war er als Bauhelfer und von 1990 bis 1999 als Maurer und Kranführer beschäftigt. Wegen zunehmender Schmerzen an den Gelenken wurde er zur Fachkraft für Lagerwirtschaft umgeschult und war von 2001 bis 2006 als Lagerist tätig. In seinem Versicherungsverlauf (20.03.2012 Bl. 57 der Akten) sind Zeiten der Arbeitslosigkeit ab 01.12.2007 bis 31.12.2011 vermerkt.
Zuletzt beantragte er am 22.12.2011 die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Zuvor lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers vom 31.07.2008 auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung mit Bescheid vom 10.11.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.04.2009 ab. Die hiergegen erhobene Klage (S 8 R1267/09) blieb erfolglos (Gerichtsbescheid vom 16.12.2009).
Grundlage dieser Entscheidung waren unter anderem der ärztliche Entlassungsbericht der Z.-Klinik St. B. vom 31.08.2007, die Gutachten von Dr. F. und Dr. H. sowie die im Klageverfahren eingeholten sachverständigen Zeugenaussagen des Psychiaters H., des Neurologen und Psychiaters Dr. H. und das neurologisch-psychiatrische Gutachten von Dr. W ... Der Arzt für physikalische und rehabilitative Medizin Dr. F. stellte in dem Gutachten vom 02.10.2008 chronisch rezidivierende Fuß- und Sprunggelenksbeschwerden rechts bei Dysplasie des Sprunggelenks sowie eine Hyperplasie des rechten Fußes, eine Brachydaktylie D 1 rechts, anamnestisch chronisch rezidivierende Schmerzzustände im linken Kniegelenk und der LWS, aktuell ohne nachweisbare Pathologika, und eine depressive Anpassungsstörung fest. Der Kläger sei noch in der Lage, seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Lagerist sowie mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung unter Berücksichtigung näher ausgeführter qualitativer Einschränkungen sechs Stunden und mehr am Tag auszuüben. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. schloss sich dieser Leistungseinschätzung unter Berücksichtigung der von ihm festgestellten Dysthymia sowie einer Neigung zu Lumbalgien ohne Funktionseinschränkung und ohne radikuläre Symptomatik sowie eines Karpaltunnelsyndrom beidseits ohne klinisches Korrelat im Gutachten vom 21.10.2008 an. Der Psychiater H. hielt den Kläger in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 20.06.2009 für eindeutig psychisch krank und hielt eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für mehr als 2 Stunden täglich bis auf weiteres nicht für vorstellbar. Nach Auffassung des Neurologen und Psychiaters Dr. H. in dessen Zeugenaussage vom 30.06.2009 waren leichte Arbeiten unter Berücksichtigung näher ausgeführter qualitativer Einschränkungen noch vollschichtig möglich. Dr. W. führte in dem Gutachten vom 09.10.2009 aufgrund der von ihm festgestellten chronifizierten leichten bis mittelgradigen depressiven Episode sowie eines Karpaltunnelsyndroms beidseits mit sensiblen Defiziten aus, dass die zuletzt ausgeübte Tätigkeit auch weiterhin verrichtet werden könne. Eine relevante Einschränkung der Umstellungsfähigkeit bestehe nicht.
Auf den Antrag des Klägers vom 22.12.2011 beauftragte die Beklagte den Facharzt für Innere Medizin und für psychotherapeutische Medizin Dr. W. mit der Erstellung eines weiteren Gutachtens. Dieser stellte eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung bei bekannter Dysthymie, geringfügige, chronisch-rezidivierende Lumbalgien bei Beinverkürzung (1 cm) und eine Fußhyperplasie rechts, eine Adipositas Grad II, eine Grenzwerthypertonie, ein beidseitiges Karpaltunnelsyndrom ohne klinische Funktionsbeeinträchtigung, eine Struma nodosa, eine bekannte Hypothyreose, ein vorbeschriebenes Prostataadenom, eine zeitweise bestehende Reizblasensymptomatik, eine vorbeschriebene Zervikobrachialgie, Zervikalgie rechts und Zephalgie fest und hielt eine vollschichtige Belastbarkeit für mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sowie in der letzten Tätigkeit als Lagerarbeiter für weiterhin gegeben.
Hierauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 20.03.2012 den Antrag auf Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung ab. Der hiergegen erhobene Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 30.05.2012).
Hiergegen hat der Kläger am 20.06.2012 Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben.
Das SG hat Beweis erhoben durch das Einholen einer sachverständigen Zeugenaussage beim Hausarzt Dr. B., der sich der Auffassung von Dr. W. in dessen Gutachten vom 29.02.2012 angeschlossen hat. Ferner hat es auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers Gutachten von Prof. Dr. B. und von Dr. K. sowie von Amts wegen ein Gutachten bei Dr. D. eingeholt.
Prof. Dr. B. hat in dem Gutachten vom 17.04.2013 (und in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 21.05.2014) eine Dysthymia, eine rezidivierende depressive Störung mit somatischem Syndrom, phasenweise auch schwere depressive Episode mit deutlicher Angstkomponente, sowie eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung festgestellt. Ferner bestehe ein Schmerzsyndrom unklarer Genese, derzeit noch in neurologischer Abklärung, ein zephalo-brachiales Schmerzsyndrom und ein Spannungskopfschmerz. Außerhalb seines Fachgebietes bestünden eine leichte Adipositas, eine Schilddrüsenunterfunktion, medikamentös kompensiert, ein Restless Legs Syndrom, eine Beinverkürzung rechts und ein Tinnitus. Er hat ausgeführt, dass die Befähigung des Klägers, Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben, aufgehoben sei. Dies liege in der chronifizierten Depression, die zum Untersuchungszeitpunkt in einer Ausprägung zwischen mittelschwer und schwer zu klassifizieren gewesen sei. Der Kläger könne die zuletzt ausgeübte Tätigkeit nicht mehr verrichten. Die Umstellungsfähigkeit sei aufgrund der ausgeprägten depressiven Symptomatik deutlich erschwert.
Dr. D. hat in seinem nervenärztlichen Gutachten vom 29.11.2013 eine Dysthymie, ein Karpaltunnelsyndrom beidseits, ein Wirbelsäulensyndrom ohne neurologisches Defizit sowie außerhalb seines Fachgebietes chronisch-rezidivierende Fuß- und Sprunggelenksbeschwerden bei Hyperplasie des rechten Fußes und Brachydaktylie D1 rechts, eine Adipositas, eine Hypothyreose, unter Medikation kompensiert, und anamnestisch ein Prostataadenom beschrieben. Es bestehe eine leichtere, jedoch chronifizierte Form einer depressiven Verstimmung im Sinne einer Dysthymie, die sich aus einer Anpassungsstörung entwickelt habe, welche der Kläger in Zusammenhang mit einer Konfliktsituation am Arbeitsplatz entwickelt habe. Aufgrund dieser Störung sei der Kläger in seiner psychischen Belastbarkeit und in Bezug auf das Umstellungs- und Anpassungsvermögen beeinträchtigt. Aus neurologisch-psychiatrischer Sicht könne die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Lagermitarbeiter in vollschichtigem Umfang verrichtet werden. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Umstellungsfähigkeit für andere Tätigkeiten, die den Vorkenntnissen und Fähigkeiten des Klägers entsprechen, eingeschränkt wäre.
Dr. K. hat in seinem orthopädisch-unfallchirurgischen Gutachten vom 23.06.2014 ein chronisch-rezidivierendes Zervikalsyndrom bei Osteochondrose und Spondylarthrose der Halswirbelsäule C4 bis C6, einen zervikalen Bandscheibenvorfall C5/C6, ein sensibles CTS beidseits, ein Impingement-Syndrom beider Schultergelenke, ein Dorsolumbal-Syndrom bei Osteochondrose und Spondylarthrose der Wirbelsäule, eine Adduktorentendopathie und einen Senkspreizfuß links mit Hallux valgus und eine Hypoplasie des 1. Strahles rechts festgestellt. Aufgrund dieser Gesundheitsstörungen seien mittelschwere und schwere körperliche Arbeiten nicht mehr zumutbar. Unter Berücksichtigung weiterer, näher ausgeführter qualitativer Einschränkungen hat Dr. K. die Auffassung vertreten, dass der Kläger in der Lage sei, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig durchzuführen. Auch die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Lagerist erscheine bei Beachtung der qualitativen Funktionseinschränkungen zumutbar.
Mit Urteil vom 17.07.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger sei nicht erwerbsgemindert. Er leide vor allem unter einer Dysthymie, einem beidseitigen Karpaltunnelsyndrom und einem Schmerzzustand in der Lendenkreuzregion mit Ausstrahlung in die Beine. Eine rentenrelevante quantitative Einschränkung für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt lasse sich hieraus nicht ableiten. Soweit alleine der Gutachter Prof. Dr. B. den Kläger nicht mehr für leistungsfähig halte, habe dies das Gericht nicht überzeugt. Die depressive Erkrankung und das Schmerzempfinden führten zwar zu qualitativen, nicht aber zu quantitativen Leistungseinschränkungen. Eine zeitliche Leistungsminderung lasse sich aus dem psychischen und körperlichen Befund schwer ableiten. Bei der von Prof. Dr. B. an 1. Stelle diagnostizierten Dysthymia handele es sich vielmehr – nach ICD 10: F34.1 – um eine chronische andauernde depressive Verstimmung, die weder schwer noch hinsichtlich einzelner Episoden anhaltend genug sei, um die Kriterien einer schweren, mittelgradigen oder leichten rezidivierenden depressiven Störung zu erfüllen. Es handele sich damit um eine leichtere Form der depressiven Erkrankung. Hierfür spreche, dass der Tagesablauf und das Alltagsverhalten des Klägers (Wachtel- und Taubenhaltung, Türkeireisen, Spaziergänge, Hilfe im Haushalt) nicht erheblich eingeschränkt sei. Die von Prof. Dr. B. angenommenen Phasen schwererer depressiver Episoden stünden dem nicht entgegen, da depressive Episoden abgrenzbare Phasen von depressiver Verstimmtheit seien. Beim Gutachter Dr. D. habe eine schwere depressive Symptomatik nicht mehr festgestellt werden können. Das Auftreten einer depressiven Episode bedinge in der Regel eine vorübergehende Arbeitsunfähigkeit, aber keine für die Rente erforderliche dauerhafte Erwerbsminderung. Ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit scheitere bereits an der Stichtagsregelung des §§ 240 Abs. 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), da der Kläger nicht vor dem 02.01.1961 geboren sei.
Gegen das ihm am 05.08.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28.08.2014 Berufung eingelegt und zur Begründung geltend gemacht, nicht mehr in der Lage zu sein, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in einem Umfang von mindestens drei Stunden täglich zu arbeiten. Das SG habe dem Gutachten von Dr. D. zu Unrecht mehr Bedeutung beigemessen als dem Gutachten von Prof. Dr. B. Soweit Dr. D. ausführe, er habe die von Prof. Dr. B. festgestellte doppelte Depression nicht erkannt, folge hieraus nicht zwingend, dass sie beim Kläger nicht vorliege, sondern bedeute zunächst, dass sie von ihm nicht festgestellt worden sei. Dr. D. erkläre auch nicht, welche von ihm durchgeführten Untersuchungen zu seinem Ergebnis geführt hätten. Dagegen seien die von Prof. Dr. B. durchgeführten Untersuchungen in seinem Gutachten dargestellt und nachvollziehbar.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 17. Juli 2014 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 20. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Mai 2012 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. Oktober 2011 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf ihren Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren und auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil.
Die Beteiligten wurden mit gerichtlichem Schreiben vom 10.12.2014 auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten. die Gerichtsakten 1. Instanz (S 8 R 1634/12 und S 8 R 1267/09) sowie auf die Senatsakte verwiesen.
II.
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat.
Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das LSG - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Mit Schreiben vom 10.12.2014 und 20.01.2015 hat der Senat die Beteiligten auch auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier vom Kläger beanspruchte Rente wegen voller und teilweiser Erwerbsminderung - § 43 SGB VI - dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht besteht, weil der Kläger noch wenigstens sechs Stunden täglich leistungsfähig ist. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren uneingeschränkt an, sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück.
Ergänzend ist auszuführen, dass auch der Senat ein Absinken der beruflichen und körperlichen Leistungsfähigkeit des Klägers auf ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als sechs Stunden täglich, was zu einer zu befristenden Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit wegen Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes führen würde, nicht festzustellen vermag. Dies ergibt sich aus einer Gesamtwürdigung der ärztlichen Unterlagen, insbesondere dem Gutachten von Dr. D., aber auch aus dem von Dr. W. im Widerspruchsverfahren erstatteten Gutachten, welches der Senat im Urkundsbeweis verwertet hat. Eine Änderung im Gesundheitszustand des Klägers im Vergleich zu dem mit Gerichtsbescheid vom 16.12.2009 abgeschlossenen Verfahren ist durch die Ermittlungen nicht bewiesen. Auch der Senat vermochte sich der von Prof. Dr. B. vertretenen Auffassung nicht anzuschließen, die vorliegenden Gesundheitsstörungen führten zu einem aufgehobenen Leistungsvermögen. Mit Dr. W. und Dr. D. liegt auf psychiatrischem Fachgebiet (wie auch zuvor schon von Dr. H. und Dr. W. in deren Gutachten diagnostiziert) eine leichtere, aber chronifizierte Form einer psychiatrischen Erkrankung, eine Dysthymie nach ICD 10 F34.1 vor. Diese Dysthymie führt - wie das SG richtig erkannt hat - nicht zu einer zeitlichen Leistungsminderung, sondern zu einer Beeinträchtigung der psychischen Belastbarkeit und des Umstellungs- und Anpassungsvermögens, weshalb der Kläger keine Tätigkeiten mehr verrichten kann, die mit einer besonderen Stressbelastung oder mit besonderem Zeitdruck verbunden sind. Akkordtätigkeiten und andere taktgebundene Tätigkeiten sind ihm nicht zumutbar. Gleiches gilt für Tätigkeiten mit einer besonderen Verantwortung für Menschen und Maschinen sowie aufgrund der persönlichkeitsbedingten Neigung, in Stresssituationen überschießend zu reagieren auch für Tätigkeiten mit Publikumsverkehr. Auszuschließen sind ferner Tätigkeiten in Nacht- und/oder Wechselschicht.
Für den Senat schlüssig und überzeugend führte Dr. D. aus, dass der Kläger auf dem Boden einer Konfliktsituation am Arbeitsplatz eine depressive Symptomatik entwickelt hat, wobei ungeklärt ist und retrospektiv auch nicht zu klären ist, ob diese zu einem früheren Zeitpunkt den Schweregrad einer mittelgradigen oder schweren depressiven Episode hatte. Soweit Prof. Dr. B. von einer Double Depression ausgeht, ist diese durch sein Gutachten nicht belegt. Gleiches gilt für die von ihm angenommene somatoforme Schmerzstörung, worauf Dr. D. ebenfalls hinweist, nachdem die im Bereich der oberen Extremitäten geschilderten Beschwerden auf ein beidseitiges Karpaltunnelsyndrom zurückzuführen sind und zudem ein kleiner Bandscheibenvorfall im Bereich HWK 5/6 besteht und vom behandelnden Neurologen Dr. K. in dem vom Kläger vorgelegten Bericht vom 25.03.2013 bestätigt wird. Eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung liegt somit nicht vor. Dr. B. hat den Einwand des Neurologen und Psychiaters B. in dessen sozialmedizinischer Stellungnahme vom 10.07.2013 für die Beklagte und von Dr. D. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 21. 5. 2014 nicht entkräftet, die von ihm verwendeten Testverfahren seien nur für muttersprachliche Probanden validiert und spiegelten eine Objektivität vor, die wissenschaftlich nicht haltbar sei. Darüber hinaus belegt das Gutachten von Prof. Dr. B. die von ihm beschriebene eigenständige Depression rezidivierenden Charakters nicht. Denn hierzu hätte gehört, dass der Sachverständige angibt, welcher Arzt wann von einer entsprechenden schwerwiegenden psychiatrischen Erkrankung ausgegangen ist und hätte diese Diagnose kritisch hinterfragen müssen. Doch weder im ärztlichen Entlassungsbericht der Z.-Klinik (Diagnose: Anpassungsstörung), in den Gutachten von Dr. F. und Dr. H. (depressive Anpassungsstörung bzw. Dysthymia) noch im Gutachten von Dr. W. werden Einschränkungen beschrieben, die die Annahme einer zeitlichen Leistungsminderung rechtfertigen könnten. Das SG hat in diesem Zusammenhang zu Recht auf den den Gutachten zu entnehmenden Tagesablauf bei erhaltener Tagesstrukturierung verwiesen. Darüber hinaus bestätigt der Kontakt zu Freunden und Familie eine erhaltene Alltags- und Sozialkompetenz. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass während der Untersuchung durch Prof. Dr. B. zusätzlich neben einer Dysthymia eine depressive Störung vorgelegen haben sollte, ergebe sich keine andere Beurteilung. Denn Dr. D. weist zu Recht darauf hin, dass sich dieses Krankheitsbild wieder zurückgebildet hat. Dies ist umso bemerkenswerter, als nach den Feststellungen von Dr. D. keine psychiatrische Behandlung mehr in Anspruch genommen wurde und die Medikation vom Kläger abgesetzt worden ist. Ferner wies Dr. D. zu Recht darauf hin, dass der Kläger die Antidepressiva auch zuvor nur bei Bedarf und in unterschiedlicher Dosierung und Kombination eingenommen hat und ein signifikanter und dauerhafter positiver Einfluss auf eine depressive Störung bei dieser Art von Behandlung nicht zu erwarten gewesen ist.
Soweit Dr. H. in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 22.06.2009 im Verfahren S 8 R 1267/09 – im Gegensatz zur sachverständigen Zeugenaussage des Neurologen und Psychiaters Dr. H. – von einer zumindest mittelgradigen depressiven Störung mit ausgeprägter Schlafstörung, Ängstlichkeit, sozio- und agoraphobischer Vermeidung ausgeht, sieht der Senat diese Einschätzung durch die nachfolgenden Gutachten von Dr. W. und Dr. D. als widerlegt an. Denn schon bei Dr. W. war der Kläger während der Untersuchung zu jeder Zeit in Aufmerksamkeit und Konzentration ungestört, der Antrieb und die Psychomotorik regelrecht und die depressive Symptomatik insgesamt nur mäßig ausgeprägt, soziale Kontakte zu Freunden und Kollegen werden auch dort beschrieben. Unter Berücksichtigung einer allenfalls mittelgradig ausgeprägten depressiven Episode kam Dr. W. zu dem nachvollziehbaren Ergebnis, dass zwar die psychische Belastbarkeit des Probanden herabgesetzt und dadurch Tätigkeiten unter Zeitdruck wie Akkord- oder Fließbandarbeiten sowie Tätigkeiten im Schichtbetrieb nicht mehr ausgeübt werden könnten und Gleiches auch für Tätigkeiten mit vermehrtem Publikumsverkehr gelte. Nicht ausgeschlossen werden hierdurch aber Tätigkeiten, die diese Leistungseinschränkungen berücksichtigen. Damit war und ist dem Kläger auch weiterhin die Tätigkeit als Lagerist zumutbar.
Wegen des Wirbelsäulensyndroms und des kernspintomographisch nachgewiesenen kleinen Bandscheibenvorfalles ohne nachweisbares sensomotorisches Defizit und ohne Hinweis auf ein Nervenwurzelkompressionssyndrom sind dem Kläger – worauf Dr. D. zu Recht hingewiesen hat – schwere körperliche Tätigkeiten nicht zumutbar. Im Rahmen einer beruflichen Tätigkeit sollte ein Wechsel der Körperhaltung zwischen Gehen, Stehen und Sitzen möglich sein. Tätigkeiten auf Leitern, Treppen oder Gerüsten sollten ebenso ausgeschlossen sein wie dauerhafte Überkopfarbeiten und Tätigkeiten in Wirbelsäulenzwangshaltungen. Wegen des Karpaltunnelsyndroms sind ihm auch keine Tätigkeiten mehr möglich, die mit besonderen Anforderungen an die Feinmotorik der Hände verbunden sind, also beispielsweise Präzisionsarbeiten oder Lötarbeiten. Dieses Ergebnis wird durch das vom Kläger gemäß § 109 SGG eingeholte Gutachten von Dr. K. in vollem Umfang bestätigt. Das von ihm darüber hinaus beschriebene Impingement-Syndrom beider Schultergelenke, die Adduktorentendopathie beidseits und der Senkspreizfuß links mit Hallux-Valgusstellung bedingen neben den Gesundheitsstörungen im Bereich der Wirbelsäule und der Arme (sensibles CTS beidseits) keine weitergehenden Einschränkungen, die eine zeitliche Leistungsminderung rechtfertigen könnten.
Schließlich rechtfertigen die festgestellten Gesundheitsstörungen weder die Annahme einer schweren spezifischen Leistungseinschränkung noch einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostentscheidung beruht auf § 193 SGG und trägt dem Umstand Rechnung, dass der Kläger auch im Berufungsverfahren unterlegen ist.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
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