Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 5 R 1735/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 4098/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 02.09.2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1966 im K. geborene Kläger war seit seinem Zuzug in die Bundesrepublik im Jahr 1991 als Bauarbeiter, Dachdecker, Straßenmeistereiarbeiter und Lagerarbeiter sowie im Garten- und Landschaftsbau tätig. Seit dem Jahr 2007 ist er wegen Bandscheibenbeschwerden arbeitsunfähig bzw. arbeitslos und bezieht Leistungen nach dem SGB II.
Am 05.09.2011 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Dem Antrag war der Entlassungsbrief des H. Krankenhauses vom 24.11.2010 über einen stationären Aufenthalt vom 15.11.2010 bis zum 24.11.2010 (Diagnosen: Postnukleotomiesyndrom lumbal; chronischer Schmerzpatient; reaktive depressive Persönlichkeitsveränderung) und der Bericht der Klinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums T. vom 02.09.2011 über eine stationäre Behandlung in der Neurochirurgie vom 30.08. bis 02.09.2011 (Diagnosen: chronisches Schmerzsyndrom nach mehrfachen Lendenwirbelsäulenoperationen; Z.n. chirurgischer Implantation einer Plattenelektrode auf Höhe BWK 8 am 10.08.2011) beigefügt. Aktuell war dort am 31.08.2011 ein wieder aufladbarer Generator links gluteal implantiert worden. Die Beklagte holte einen Befundbericht der Allgemeinmedizinerin Dr. St.-U. vom 20.10.11 ein (Diagnosen: chronisches LWS-Syndrom mit Ausstrahlung ins linke Bein; chronischer Schmerzpatient) und beauftragte den Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. L. mit der Begutachtung des Klägers. Im Gutachten vom 01.12.2011 diagnostizierte Dr. L. ein Postnukleotomiesyndrom und ein chronisches Schmerzsyndrom mit Verdacht auf Persönlichkeitsänderung. Der Kläger könne damit noch eine leichte Tätigkeit ohne regelmäßiges Anheben oder Bewegen von Lasten aus vorn übergeneigter Körperhaltung über zehn Kilogramm, ohne erhöhte Anforderungen an die Gang- oder Standsicherheit und ohne ausschließliches Arbeiten in körperlicher Zwangshaltung im Umfang von sechs Stunden und mehr täglich verrichten.
Mit Bescheid vom 27.12.2011 lehnte die Beklagte den Rentenantrag des Klägers ab.
Dagegen erhob der Kläger am 19.01.2012 Widerspruch, zu dessen Begründung er geltend machte, dass nach einer weiteren Überweisung zur Schmerzbehandlung von Prof. Dr. M., Klinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums T., festgestellt worden sei, dass er nur eingeschränkt arbeitsfähig sei. Außerdem müsse er starke Schmerzmittel nehmen, die das Führen von Maschinen usw. fast ausschließen würden, weil er dann müde werde. Zur Untersuchung bei Dr. L. habe er eine Begleitperson benötigt, weil er sich nicht alleine habe ausziehen können. Vorgelegt wurde ein Arztbrief des Prof. Dr. M. vom 12.01.2012, wonach weiterhin ein ausgeprägtes Schmerzsyndrom beim Kläger bestehe, weshalb dieser eine konstante Schmerzmedikation unter Einschluss von Opiaten benötige. Eine Arbeit im Tiefbau sei ihm nicht mehr möglich, erforderlich sei eine Umschulung, um am allgemeinen Arbeitsmarkt weiter vermittelbar zu bleiben.
Auf Veranlassung der Beklagten erstattete die Ärztin für Psychotherapie, Psychiatrie und Neurologie Dr. B. am 30.03.2012 ein fachärztliches Gutachten. Sie diagnostizierte eine funktionell leichtgradig ausgeprägte somatoforme Schmerzstörung. Damit könne der Kläger noch leichte bis zeitweilig mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne regelmäßiges Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über zehn Kilogramm sechs Stunden und mehr verrichten. Der Kläger habe initial die Schmerzqualität und die Schmerzdauer nicht beschreiben können und ein deutlich dramatisierendes Verhalten gezeigt. In der neurologischen Untersuchung seien die erschwerten Gangproben nicht durchführbar gewesen, was angesichts der vorgefundenen Fußsohlenbeschwielung auffällig gewesen sei. Angesichts der zu beobachtenden Verhaltensweisen sei zu vermuten, dass die angegebene Medikation nicht regelmäßig eingenommen werde. Es habe ein gewisses Maß an Verdeutlichung bestanden. Anhaltspunkte für eine schwere depressive Erkrankung oder eine Angststörung hätten sich nicht ergeben.
Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 09.05.2012 zurück.
Hiergegen erhob der Kläger am 23.05.2012 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG). Er trug vor, er leide unter sehr starken Schmerzen. Er sei nicht mehr arbeitsfähig. Diese Einschätzung vertrete auch der ihn behandelnde Arzt Prof. Dr. M ... Vorgelegt wurden u.a. Behandlungsberichte der Klinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums T. vom 30.04.2010, 08.07.2011, 12.08.2011, 02.09.2011, 28.11.2011, 12.01.2012 und 17.07.2012 sowie des Chirurgen und Unfallchirurgen Dr. T. vom 06.09.2012.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Das SG hörte Prof. Dr. M. als sachverständigen Zeugen schriftlich an. In seiner Auskunft vom 12.11.2012 führte dieser aus, dass der Kläger, den er seit Februar 2007 wegen rezidivierender Lumboischialgien behandele, aufgrund des ausgeprägten Schmerzsyndroms eine leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch im Umfang von drei Stunden durchführen könne. Diese Einschränkung bestehe unverändert seit 2010, sei dauerhaft und könne durch ein Heilverfahren nicht verbessert werden. Die Wegefähigkeit des Klägers sei nicht eingeschränkt. Aus dem beigefügten Arztbrief von Prof. Dr. M. vom 19.07.2012 geht hervor, dass sich unter einer neuen Medikation mit Tilidin die Schmerzen etwas gebessert hätten. Es bestehe noch ein gewisses Druckgefühl im Bereich des Gesäßes und ein Kribbeln von der Hüfte bis in die Beine.
Das SG beauftragte den Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. St. mit der Erstellung eines Gutachtens. Dieser kam in seinem Gutachten vom 03.05.2013 nach einer ambulanten Untersuchung des Klägers auf der Grundlage einer auf neurologischem Fachgebiet diagnostizierten leicht ausgeprägten Wurzelreizsymptomatik zu dem Ergebnis, dass der Kläger mittelschwere bis schwere körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich verrichten könne. Auf psychiatrischen Fachgebiet fand Prof. Dr. St. abgesehen von einer erheblichen Beschwerdeübertreibung keine relevanten Erkrankungen, insbesondere kein Schmerzsyndrom im Sinne einer eigenständigen Erkrankung. Soweit der Kläger stets massive Beeinträchtigungen, insbesondere Schmerzen, beklage, versuche er Gesundheitsstörungen und Leistungsbeeinträchtigungen vorzutäuschen. So habe der Kläger bei dem Druck auf den Schädel erhebliche Schmerzen in der Lendenwirbelsäule angegeben, was naturwissenschaftlich nicht möglich sei. Die Befunderhebung habe lediglich eine endgradig eingeschränkte Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule ergeben. Die charakteristischen Zeichen chronischer Wirbelsäulenschmerzen wie anhaltende Muskelverspannung, fehlendes Auflockern der Muskulatur beim passiven Bewegen des Oberkörpers und eine fehlende Entfaltung der Lendenwirbelsäule bei Rumpfbewegungen seien sämtlich nicht vorhanden gewesen. Den Einbeinstand habe der Kläger beidseits mit wesentlich gebeugten Knien gezeigt. Dies erfordere jedoch eine tadellose Kraftentfaltung und Körperbeherrschung, während ein Versicherter mit Wirbelsäulenbeschwerden den Einbeinstand mit gestreckten Knien durchführen und dabei den Oberkörper langsam auf die Seite des Standbeins verlagern würde, um eine Muskelanspannung an der Lendenwirbelsäule zu vermeiden. Der Kläger habe ein einer linksseitigen zentral-motorischen Halbseitenlähmung entsprechendes Gangbild demonstriert. Inkonsistenzen hätten sich insoweit aber aufgrund des an den Schuhsohlen gefundenen symmetrischen Abnutzungsmusters, der seitengleichen Beschwielung der Füße und einer seitengleichen Bemuskelung bei Fehlen von Zeichen vegetativer Fehlregulation an Beinen und Füßen ergeben. Dies weise auf eine normale und regelmäßige Benutzung der unteren Extremitäten hin und stehe im Gegensatz zu dem vom Kläger in der Untersuchung gezeigten Gangbild. Die bei der Kraftmessung der Hände erzielten Werte hätten nur ein Zehntel des Erwartungswertes, entsprechend eines Kindes im Alter von fünf Jahren, erreicht. Dies stehe im deutlichen Widerspruch zu den erhobenen Befunden: an den Händen hätten sich beidseits erhebliche Arbeitsspuren (Schwielen, Schmutzanhaftungen unter den Nägeln) gefunden. Da keine Hinweise für eine überschießende Hornhautbildung vorgelegen hätten, müsse davon ausgegangen werden, dass der Kläger tatsächlich mit einer Regelmäßigkeit einer belastenden körperlichen Tätigkeit nachgehe, und dass er vollständig gesund und belastbar sei. Die angeblich regelmäßig eingenommenen Medikamente seien im Urin nicht nachweisbar gewesen. Der Diagnose einer somatoformen Störung stehe die willentliche Vortäuschung von Beeinträchtigungen und die Beschwerdeübertreibung entgegen. In der psychologischen Zusatzbegutachtung fanden sich keine Einschränkungen der kognitiven Leistungsfähigkeit.
Der Kläger führte hierzu aus, sein Hausarzt und sein Orthopäde seien der Auffassung, dass das Gutachten nicht zutreffen könne. Der Stimulator sei am 14.06.2013 entfernt worden, er habe nicht mehr funktioniert. Die Elektroden wolle man nicht entfernen, da dies zu gefährlich sei. Ihm sei von den Ärzten mitgeteilt worden, dass er nun mit den Schmerzen leben müsse. Er sei zur Schmerztherapie überwiesen worden.
Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 02.09.2013 ab. Die Beklagte habe zu Recht die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung abgelehnt. Es sei nicht nachgewiesen, dass der Kläger nicht mehr in der Lage sei, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Das SG folge dem Gutachten von Prof. Dr. St. vom 03.05.2013. Dieser habe ausführlich dargelegt, dass keine Gründe für ein auf unter sechs Stunden täglich herabgesunkenes Leistungsvermögen objektivierbar seien. Auch die von der Beklagten eingeholten Gutachten von Dr. L. und Dr. B. stützten das Klagebegehren nicht. Allerdings liege entgegen der Beurteilung durch Dr. B. eine somatoforme Schmerzstörung bei dem Kläger nicht vor. Denn Prof. Dr. St. habe zu Recht darauf hingewiesen, dass bei korrekter Anwendung der diagnostischen Kriterien wegen der nachgewiesenen willentlichen Beschwerdevortäuschung diese Diagnose nicht zu stellen sei. Soweit Prof. Dr. M. zu der Einschätzung gelangt sei, bei dem Kläger liege ein rentenrelevant gemindertes quantitatives Leistungsvermögen vor, sei zu beachten, dass der Kläger bei dem sachverständigen Zeugen in Behandlung stehe. In der medizinischen Versorgung gelte grundsätzlich der Ansatz, dass ein Patient, der über Beschwerden klage, auch an solchen leide. Dies habe Prof. Dr. M. offensichtlich seiner Auskunft vom 12.11.2012 zugrunde gelegt. Im Rahmen eines Rentenverfahren, bei welchem der Versicherte die Beweis- bzw. Feststellungslast trage, dürfe der Gutachter die Angaben nicht unkritisch übernehmen. Bei der Begutachtung in einem Rentenverfahren komme der sog. Konsistenzprüfung insbesondere bei objektiv schwer feststellbaren geklagten Gesundheitsstörungen eine besondere Bedeutung zu. Diese Konsistenzprüfung durch eine kritische Zusammenschau von Exploration, Untersuchungsbefunden, Verhaltensbeobachtung und Aktenlage habe Prof. Dr. St. ausführlich mit dem überzeugenden Ergebnis durchgeführt, dass die geklagten Beschwerden zum größten Teil nicht vorhanden seien. Der Einschätzung von Prof. Dr. M. könne vor diesem Hintergrund nicht gefolgt werden.
Gegen den seinen Bevollmächtigten am 03.09.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 16.09.2013 Berufung eingelegt. Er leide unter massiven Schmerzen und verwahre sich gegen den Vorwurf des Gutachters Prof. Dr. St., seine Schmerzen nur vorgetäuscht zu haben. Zudem habe das SG ausschließlich das Sachverständigengutachten von Prof. Dr. St. gewürdigt und die von ihm, dem Kläger, vorgelegten medizinischen Beurteilungen mit der Begründung abgetan, sie stammten von dem behandelnden Arzt. Dies könne und dürfe jedoch nicht der Grund dafür sein, ihn als Simulant dastehen zu lassen. Prof. Dr. M. habe bestätigt, dass er seit etwa drei Jahren unter einem chronischen neuropathischen Schmerzsyndrom leide. Bereits zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung habe er unter starken Schmerzen gelitten und sich auch nach Antragstellung mehrfach in stationärer Behandlung befunden, was zudem nicht für das Vortäuschen von Arbeitsunfähigkeit spreche. Der Entlassungsbericht des H. Krankenhauses vom 24.11.2010 bestätige, dass jeweils nur kurzzeitig nach den Operationen eine Besserung aufgetreten sei. Insgesamt könne man seit November 2010 von keiner nennenswerten Besserung sprechen. Der Kläger hat ein Attest von Prof. Dr. M. vom 04.02.2014 vorgelegt, wonach er aufgrund seiner starken Schmerzen derzeit seine bisherige Tätigkeit im Bereich Tiefbau nicht ausüben könne. Dies sei auch trotz des implantierten Schmerzstimulators bzw. der laufenden Schmerztherapie langfristig nicht möglich. Leichtere Tätigkeiten wie beispielsweise Büroarbeit oder andere Tätigkeiten (z.B. Hausmeistertätigkeit) könnten unter Umständen jedoch ausgeführt werden. Des Weiteren hat der Kläger einen Entlassungsbrief vom 27.01.2014 der Klinik L. über eine stationäre Behandlung vom 27.01.2014 bis zum 07.02.2014 vorgelegt, wo eine multimodale Schmerztherapie durchgeführt worden war. Berichtet wurde, dass die noch liegende Plattenelektrode im BWS-Bereich, die nur durch einen neurochirurgischen Eingriff entfernt werden könne, dem Kläger noch große Beschwerden bereite. Seine Gedanken kreisten nur um Schmerz, Elektrodenentfernung und frühere Fehlbehandlung. Bei Fixierung auf die Operation und Verzweiflung über die Aussichtslosigkeit bei unverändert starken Schmerzen sei eine Entlastung durch psychotherapeutische Einzelgespräche derzeit nicht möglich. Auf Entspannungsübungen und die Hypnosetherapie habe sich der Kläger nicht einlassen können. Linderung habe am ehesten das TENS-Gerät i.V.m. der aktivierenden Physiotherapie gebracht. Der Kläger wolle weiterhin nach einer Klinik suchen, in der ihm die Elektroden entfernt würden. Weiter vorgelegt wurde ein Befundbericht der Anästhesiologischen Gemeinschaftspraxis Dres. H. und Kollegen vom 17.07.2013 wonach der Kläger unter einem chronischen Schmerzsyndrom mit dem Chronifizierungsstadium III nach Gerbershagen und einer chronischen Lumboischialgie ohne Anhalt für ein ausgeprägtes neurologisches Defizit leide. Im Screening sei eine Majordepression aufgefallen, weshalb eine antidepressive Medikation verordnet worden sei. Der Verlauf werde beobachtet. Ausweislich des vorgelegten vorläufigen Entlassungsberichts der neurochirurgischen Klinik des Universitätsklinikums W. vom 02.05.2014 sind dem Kläger am 30.04.2014 in einem komplikationslosen operativen Eingriff die verbliebenen Plattenelektroden in Höhe BWK 8 epidural entfernt worden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 02.09.2013 und den Bescheid der Beklagten vom 27.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.05.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung auch bei Berufsunfähigkeit ab 01.09.2011 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Berichterstatterin hat am 14.05.2014 einen Termin zur Erörterung des Sachverhalts mit den Beteiligten durchgeführt.
Der Senat hat sodann ein interdisziplinäres Sachverständigengutachten bei Prof. Dr. Sch., Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Rheumatologie - Schmerztherapie - Psychotherapie, erhoben, der sein Gutachten vom 10.11.2014 auf der Grundlage einer psychologischen Evaluation der Diplom-Psychologin M.-Sch. erstellt hat. Prof. Dr. Sch. nennt als Diagnosen
1. Rücken-Beinschmerzen mit Ausstrahlung über die gesamte Wirbelsäule nach oben mit situationsabhängigem Muskelhartspann der Rückenstreckmuskulatur, aber ohne Einschränkung der Seitneigungs- und Rotationsfähigkeit des Rückens ohne neurologische Ausfalls- oder Reizzeichen, ohne wesentlichen Aufbrauch der lumbalen Wirbelsäule nach vielfachen Operationen an der Lendenwirbelsäule ohne ausreichende Befundbesserung 2. Postnukleotomie Syndrom (M96.) zu klassifizieren als 3. anhaltende somatoforme Schmerzstörung (F45.4) mit Verkörperlichung abgewehrter Schuldgefühle, 4. Dysthymia (F 34.) als Ausdruck chronischer Missmutigkeit.
Die Gedanken des Klägers seien weitgehend auf die Schmerzen fokussiert gewesen. Weder die Operationen der Lendenwirbelsäule noch der neurochirurgische Versuch, mittels einer Elektro-stimulation des Rückenmarks eine Linderung der Schmerzen zu erreichen, noch die über längere Zeit nachdrücklich geforderte Entfernung des Neurostimulators hätten dem Kläger helfen können. Im Rahmen der Begutachtung sei es jedoch gelungen, im Gespräch über den Tod der Mutter im Jahr 2007 auch emotionale Schwingung zu erreichen. Dabei hätten sich Schuldgefühle des Klägers gezeigt, der wegen seiner beruflichen Einbindung in Deutschland seine Mutter vor ihrem Tod nicht mehr habe sehen können und der noch nie an ihrem Grab gewesen sei. Dem psychologischen Zusatzbefund zufolge habe dies auch zu Abwertungen durch seine Freunde geführt. Im Vordergrund habe beim Kläger vor allem die Enttäuschung über das ärztliche Handeln gestanden. Es habe der Eindruck bestanden, als würde er seine Schuldgefühle auf die Ärzte übertragen, die die Verantwortung für seine Schmerzen übernehmen sollten. Angesprochen auf die deutlichen Arbeitsspuren an beiden Händen (Beschwielung mit Schmutzeinsprenkelungen) habe der Kläger empört mit beiden Händen auf den Tisch geschlagen und sich dagegen verwahrt, trotz angegebener weitgehender Passivität im Alltag doch zu arbeiten. Prof. Dr. Sch. hebt in Bezug auf den klinischen Untersuchungsbefund ein auffallend langsames Gangbild und eine bei der Rumpfbeuge steif gehaltene Wirbelsäule bei schmerzverzerrtem Gesicht hervor und berichtet insoweit über Inkonsistenzen in der Befundpräsentation, da die Wirbelsäule bei anderen Untersuchungen deutlich beweglicher gewesen sei. Auch der nur unwesentlich veränderte radiologische Befund habe die Notwendigkeit, den Rücken durch die kräftigen Rückenstrecker steif zu halten, nicht erklärt. Sowohl die Präsentation des wegen Schmerzen steif gehaltenen Rückens als auch die unstreitigen Arbeitsspuren im Bereich beider Hände müssten als starke Inkonsistenzen im klinischen Befund bewertet werden. Nach Auffassung des Gutachters gewinne der Tod der Mutter im Jahr 2007 wesentliche Bedeutung. Die angesprochenen Schuldkonflikte seien wohl somatisiert worden, was durch das anschließende ärztliche Handeln zusätzlich iatrogen verstärkt worden sei, ohne dass aber nicht körperliche Schmerzursachen ausreichend geklärt worden seien. Der Kläger scheine bis heute seine Gefühle im vorgetragenen Schmerz und den hieraus abgeleiteten Konsequenzen (nichts mehr leisten zu können) verbauen zu können. Die im Rahmen des psychologischen Interviews festgestellte Dysthymia und die anhaltende somatoforme Schmerzstörung beschreibt Prof. Dr. Sch. als Ausdruck eines innerpsychischen Konflikts, der sich aus der Abwehr von Schuldgefühlen ergeben habe. Weiterhin werde das Verhalten des Klägers durch seinen narzisstischen Persönlichkeitsstil begünstigt. Bei der Bewertung der Auswirkungen des Verhaltens auf die Leistungsfähigkeit müssten sämtliche Inkonsistenzen zwischen Selbstauskünften und klinischem Eindruck mit einbezogen werden. Der Gutachter verweist insoweit auf das situationsabhängige Ausmaß von Aufmerksamkeit (im Rahmen der Untersuchung), das belege, dass unter zumutbarer Willensanstrengung Leistungen erbracht werden könnten, die zunächst nicht möglich erschienen seien. Beim Kläger habe sich ferner das Ausmaß der (bis auf gelegentliches Kochen nahezu fehlenden) Mitwirkung im Haushalt ausschließlich durch seine fehlende Bereitschaft, solche Tätigkeiten zu übernehmen, begründet; dies könne durch zumutbare Willensanstrengung gesteigert werden. Die deutlichen Arbeitsspuren im Bereich der Hände hätten regelmäßiges schweres manuelles Arbeiten bewiesen. Die deutlichen Schwielen im Bereich beider Fußsohlen bewiesen regelmäßiges Unterwegssein zu Fuß. Der Kläger habe gegenüber der Diplom-Psychologin auch angegeben, jeden Tag mit seinen Kindern zu joggen (täglich eine halbe Stunde). Aufgrund des Gesamteindrucks bestünden daher keine Einschränkungen für durchschnittliche kognitive Aufgaben, Sitzen, Gehen (wohl auch Laufen), Mobilität zu Fuß und mit dem selbstgesteuerten Pkw, regelmäßige manuelle Arbeiten. Es habe sich der Eindruck ergeben, dass der Kläger seine Gefühle in Schmerzen verkörpere, wobei die genannten Gesundheitsstörungen ohne Zweifel vorliegen würden. Die Auswirkungen auf die berufliche Leistungsfähigkeit seien allerdings nur mäßig. Die Symptompräsentation und die Beziehungsgestaltung durch den Kläger hätten sowohl zu massiver Abwehr (im Sinne der unterstellten Vortäuschung durch den Gutachter Prof. Dr. St.) als auch zu übermäßigem Aktionismus (im Sinne der wiederholten operativen Prozeduren) geführt. Die Einschätzung des emotionalen Leidens sei in den meisten Arzt-Patient-Interaktionen nicht gelungen. Dies sei deswegen bemerkenswert, weil dem Kläger damit viele erfolglose Operationen hätten erspart werden können und gegebenenfalls vor Jahren durch ein verändertes ärztliches Handeln die primäre Chronifizierung der somatoformen Schmerzstörung hätte verhindert werden können. Das Leistungsvermögen des Klägers beurteilt Prof. Dr. Sch. dahingehend, dass ihm leichte und bisweilen mittelschwere körperliche Tätigkeiten noch in einem Umfang von sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche möglich seien. Aufgrund der vielfältigen Operationen an der Lendenwirbelsäule seien schwere körperliche Arbeiten aktuell nicht zumutbar.
Der Kläger hat unter dem 21.12.2014 Einwendungen gegen die Art und Weise der Begutachtung durch Prof. Dr. Sch. erhoben. Dieser habe ihn ebenso wie die Psychologin moralisch beleidigt. Der Gutachter sei auch körperlich geworden und habe ihn an seinem T-Shirt angefasst und gesagt, er solle schneller laufen.
Hierzu befragt hat der Gutachter Prof. Dr. Sch. in seiner Stellungnahme vom 19.01.2015 die Anschuldigungen mit Nachdruck zurückgewiesen. Da es um die Beurteilung des beruflichen Leistungsvermögens gegangen sei, habe er auch Fragen zu den Lebensgewohnheiten des Klägers gestellt, diesen aber nicht in seiner Würde verletzt.
Der Kläger hat ein weiteres ärztliches Attest seiner behandelnden Hausärztin vom 22.01.2015 vorgelegt, in dem Dr. St.-U. darlegt, dass der Kläger glaubhaft an starken Schmerzen im LWS-Bereich mit Ausstrahlung in beide Beine leide und kontinuierlich Medikamente einnehme. Weiterhin hat er einen Arztbrief der neurochirurgischen Klinik des Universitätsklinikums W. vom 17.03.2015 vorgelegt, in dem über eine ambulante Vorstellung des Klägers am 16.03.2015 mit einer links betonten Schmerzsymptomatik ohne genaue Dermatomzuordnung berichtet wird. Eine multimodale Schmerztherapie ist angeraten worden.
Vom 28.07.2015 bis zum 07.08.2015 hat sich der Kläger zur stationären Behandlung in der V. Klinik, Bad R., zur multimodalen Schmerztherapie befunden. Aus dem Entlassungsbericht vom 07.08.2015 ergibt sich, dass die durchgeführten Maßnahmen (intravenöse Schmerztherapie, orale Schmerzmedikation, physiotherapeutische und balneophysikalische Therapiemaßnahmen, Verhaltenstraining und Entspannungstherapie) zu keiner wesentlichen Beschwerdelinderung geführt hätten. Weiter wird berichtet, unter dem konservativen Therapieregime sei es zu einem Rückgang der Beschwerden sowie zu einer Verbesserung der Mobilität, insbesondere bei alltäglichen notwendigen Aktivitäten gekommen. Nach dem Abschlussbefund seien die Stand- und Gangvaria beidseits, auch monopedal, durchführbar gewesen, Lasègue sei beiderseits negativ gewesen, es habe kein Anhalt für ein sensomotorisches Defizit der unteren Extremitäten bestanden. Zentrale neurologische Auffälligkeiten seien nicht festgestellt worden. Es bestehe keine OP-Indikation. Die Fortführung der physiotherapeutischen Behandlung und einer dem Beschwerdeverlauf angepassten Schmerztherapie wurde empfohlen. Der beigefügte radiologische Befundbericht vom 28.07.2015 beschreibt eine breitbasige linksbetonte Restprotrusion L4/L5 ohne Rezidivvorfall, narbig epidurale Veränderungen um die L4-Wurzel herum, ohne Zeichen von Instabilität.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zur Sache gehörenden Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist gem. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch sonst zulässig. Sie ist aber nicht begründet.
Die Beklagte hat den Rentenantrag des Klägers zu Recht abgelehnt. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Erwerbsminderungsrente.
Gem. § 43 Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI); volle Erwerbsminderung liegt vor, wenn das Leistungsvermögen auf unter drei Stunden täglich abgesunken ist (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Davon ausgehend steht dem Kläger keine Erwerbsminderungsrente zu. Eine Erwerbsminderung aufgrund der bei ihm bestehenden Gesundheitsbeeinträchtigungen ist nicht nachgewiesen. Er ist nach wie vor dazu in der Lage, zumindest leichten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in einem zeitlichen Umfang von sechs Stunden und mehr nachzugehen.
Der Senat folgt der Leistungseinschätzung des im Berufungsverfahren beauftragten Gutachters Prof. Dr. Sch., der auf der Grundlage der Diagnosen von Rücken-Beinschmerzen, eines Postnukleotomie-Syndroms, einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung und einer Dysthymia ein Restleistungsvermögen des Klägers für leichte bis zeitweilig mittelschwere körperliche Tätigkeiten in einem zeitlichen Umfang von sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche angenommen hat. Der Gutachter hat unter umfassender und differenzierter Würdigung des bisherigen Behandlungsverlaufs sowie auf der Grundlage einer ausführlichen Exploration und Untersuchung des Klägers nachvollziehbar dargelegt, weshalb aufgrund der festgestellten Gesundheitsstörungen keine weitergehende, insbesondere zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens des Klägers besteht. Er hat - insoweit in Übereinstimmung mit dem Vorgutachter Prof. Dr. St. - die Inkonsistenzen in der körperlichen Untersuchung des Klägers dargestellt und ist insbesondere aufgrund der festgestellten deutlichen Arbeitsspuren an den Händen des Klägers und der unter Willensanstrengung überwindbaren, jedoch in der Untersuchung gezeigten Bewegungseinschränkungen der Wirbelsäule zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Kläger durchschnittliche kognitive Aufgaben und regelmäßige manuelle Arbeiten durchaus noch zumutbar seien.
Die Erfolglosigkeit der bisher durchgeführten umfangreichen sowohl operativen als auch neurochirurgischen und schmerztherapeutischen Behandlungsmaßnahmen hat Prof. Dr. Sch. nachvollziehbar dadurch erklärt, dass das seiner Meinung nach für die somatoforme Schmerzstörung ursächliche emotionale Leiden, die fehlverarbeiteten Schuldgefühle aufgrund des Todes der Mutter im Jahr 2007, in den bisherigen Behandlungen nicht erkannt worden sei. Prof. Dr. Sch. hat in diesem Zusammenhang schlüssig dargelegt, dass er in dieser Fehlverarbeitung die Ursache für die somatoforme Schmerzstörung sieht, womit sich seiner Auffassung nach zugleich erklärt, dass der Kläger erhebliche Schuldzuweisungen gegenüber den behandelnden Ärzten vornehme, da dies das Scheitern sämtlicher bisheriger Behandlungen für ihn erkläre. Vor diesem Hintergrund ist es für den Senat auch durchaus nachvollziehbar, dass Prof. Dr. Sch., anders als der Vorgutachter im erstinstanzlichen Verfahren, Prof. Dr. St., vom Vorliegen einer somatoformen Schmerzstörung ausgeht und diese nicht aufgrund des Vortäuschens von Beschwerden ausschließt. Die Beurteilung durch Prof. Dr. Sch. wird gestützt durch die Einschätzung der Hausärztin des Klägers, Dr. St.-U., die im Attest vom 22.01.2015 nochmals dargelegt hat, dass der Kläger glaubhaft an starken Schmerzen im LWS-Bereich mit Ausstrahlung in beide Beine leide. Auch die gesamte Behandlungshistorie sowie die zuletzt vorgelegten Berichte der neurochirurgischen Klinik des Universitätsklinikums W. vom 17.03.2015 und der V.-Klinik vom 07.08.2015 sprechen dafür, dass die angegebenen Schmerzen im Sinne einer chronischen Schmerzstörung beim Kläger auch tatsächlich vorliegen. Auch die Verwaltungsgutachterin Dr. B. ist bereits in ihrem Gutachten vom März 2012 zumindest von einer funktionell leichtgradig ausgeprägten somatoformen Schmerzstörung ausgegangen.
Die Abweichung in der Diagnoseschilderung der gerichtlichen Gutachter kann jedoch letztlich dahingestellt bleiben, da Prof. Dr. Sch. - insoweit übereinstimmend mit Prof. Dr. St. - eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens auch bei angenommener somatoformer Schmerzstörung nicht feststellen konnte. Die sozialmedizinischen Leistungseinschätzungen beider Gutachter stimmen in dieser Hinsicht überein. Dass Prof. Dr. St. darüber hinaus auch schwere körperliche Tätigkeiten für zumutbar erachtet hat, wirkt sich auf den geltend gemachten Rentenanspruch, für den maßgeblich die zeitliche Einschränkung des Restleistungsvermögens von Bedeutung ist, nicht weiter aus.
Die vom Kläger erhobenen Einwendungen gegen die Art und Weise der Begutachtung durch Prof. Dr. Sch. sind nicht dazu geeignet, die Überzeugungskraft seines Gutachtens in Zweifel zu ziehen. Prof. Dr. Sch. hat die vom Kläger erhobenen Vorwürfe, der Gutachter habe ihn "moralisch beleidigt", in seiner Stellungnahme vom 19.01.2015 mit Nachdruck zurückgewiesen. Die vom Kläger in seinem Schreiben vom 21.12.2014 geäußerten, wenig substantiiert dargestellten Anschuldigungen hinsichtlich des Verhaltens des Gutachters sind zudem erst nach Vorlage des Gutachtens und Kenntnisnahme durch den Kläger vorgebracht worden und nicht bereits in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu der Untersuchung des Klägers am 04.11.2014, was nicht nur nahegelegen hätte, sondern auch erforderlich gewesen wäre, wenn der Kläger eine Befangenheit des Gutachters hätte geltend machen wollen. Die schriftlichen Ausführungen des Gutachters enthalten keinerlei Anhaltspunkte dafür, an einer nicht ordnungsgemäßen Durchführung der Begutachtung durch den erfahrenen und vielfach in Rentenverfahren beauftragten Gutachter auch nur im Ansatz zu zweifeln.
Auch aus den vom Kläger vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen des Prof. Dr. M. ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, die Leistungseinschätzung von Prof. Dr. Sch. infrage zu stellen. Zwar hat Prof. Dr. M. in seiner Aussage als sachverständiger Zeuge gegenüber dem SG vom 12.11.2012 auf ausdrückliche Frage zu seiner Einschätzung des zeitlichen Leistungsvermögens angegeben, dass der Kläger eine leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch im Umfang von drei Stunden durchführen könne. Diese Einschätzung beruht auf der in der gleichen Stellungnahme von Prof. Dr. M. geäußerten Annahme, dass die Leistungseinschränkung dauerhaft sei und durch ein Heilverfahren nicht gebessert werden könne. Dem steht jedoch entgegen, dass Prof. Dr. M. in einem zuvor erstellten Arztbrief vom 19.07.2012 dargelegt hat, dass die damalige neue Medikation mit Tilidin die Schmerzen des Klägers gebessert habe und diese sich auf ein gewisses Druckgefühl im Bereich des Gesäßes und ein Kribbeln in den Beinen reduziert hätten. Dies gibt zu erkennen, dass auch Prof. Dr. M. entgegen seiner Äußerung in der Stellungnahme gegenüber dem SG nicht von einer vollständigen Therapieresistenz ausgegangen ist. Zudem hat er in dem im Widerspruchsverfahren vorgelegten Arztbrief vom 12.01.2012 geäußert, dass dem Kläger seine zuletzt ausgeübte Arbeit im Tiefbau nicht mehr möglich sei, und eine Umschulung für erforderlich erachtet, um eine weitere Vermittelbarkeit am allgemeinen Arbeitsmarkt zu erhalten. Damit überein stimmt die Einschätzung von Prof. Dr. M. in dem vom Kläger im Berufungsverfahren vorgelegten Attest vom 04.02.2014, worin Prof. Dr. M. zwar erneut darauf hinweist, dass die bisherige Tätigkeit des Klägers im Bereich Tiefbau aufgrund der starken Schmerzen nicht mehr von ihm verrichtet werden könne, dass aber leichtere Tätigkeiten wie beispielsweise Büroarbeit oder andere Tätigkeiten (Hausmeistertätigkeit) unter Umständen jedoch ausgeführt werden könnten. Diese Äußerungen sind nicht anders zu verstehen, als dass Prof. Dr. M. ein Restleistungsvermögen für zumindest leichte Tätigkeiten durchaus für möglich erachtet hat. Gerade dies hat sich durch die Begutachtung von Prof. Dr. Sch. bestätigt.
Auch der zuletzt vorgelegte Bericht der V.-Klinik über den stationären Aufenthalt des Klägers vom 28.07.2015 bis zum 07.08.2015 gibt dem Senat keine Veranlassung, das Ergebnis der Begutachtung durch Prof. Dr. Sch. infrage zu stellen. Dieser Entlassungsbericht ist hinsichtlich des Erfolgs der durchgeführten multimodalen Schmerztherapie schon nicht ganz eindeutig. So wird einerseits davon berichtet, dass die durchgeführten umfangreichen Behandlungsmaßnahmen zu keiner wesentlichen Beschwerdelinderung geführt hätten. Andererseits wird jedoch beschrieben, dass es unter dem konservativen Therapieregime zu einem Rückgang der Beschwerden sowie zu einer Verbesserung der Mobilität gekommen sei. Die durchgeführte Therapie steht aber letztlich genau im Einklang mit den von Prof. Dr. Sch. geschilderten Therapieoptionen. Dieser hat in seinem Gutachten ausgeführt, dass der Zugang des Klägers zu den abgewehrten Gefühlen durch die bisherigen vielfältigen Operationen zwar erschwert werde, sieht aber - aufgrund der im Rahmen der Begutachtung zumindest angesprochenen Enttäuschungen und Schuldgefühle des Klägers - keine gänzlich negative Prognose für eine psychosomatisch orientierte Behandlung. Prof. Dr. Sch. beschreibt als Ausgangspunkt einer solchen Therapie ausdrücklich den multimodalen Ansatz und sodann die Möglichkeit, mit einer ambulanten Psychotherapie fortzufahren. Auch in der psychologischen Zusatzbegutachtung der Diplom-Psychologin M.-Sch. wurde eine leitliniengerechte Behandlung der Störungen, insbesondere der von ihr besonders hervorgehobenen narzisstischen Persönlichkeitsstruktur, durch eine ambulante Langzeitpsychotherapie (Verhaltenstherapie) als Voraussetzung für die Bewältigung der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung sowie der Dysthymia für dringend notwendig erachtet. Die Notwendigkeit einer ambulanten Psychotherapie spricht jedoch nicht für eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens.
Einen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI hat der Kläger schon deshalb nicht, weil er im Jahr 1966 und damit nach dem 01.01.1961 geboren ist, so dass er die persönliche Voraussetzung des § 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI nicht erfüllt.
Die Berufung konnte deshalb keinen Erfolg haben, das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1966 im K. geborene Kläger war seit seinem Zuzug in die Bundesrepublik im Jahr 1991 als Bauarbeiter, Dachdecker, Straßenmeistereiarbeiter und Lagerarbeiter sowie im Garten- und Landschaftsbau tätig. Seit dem Jahr 2007 ist er wegen Bandscheibenbeschwerden arbeitsunfähig bzw. arbeitslos und bezieht Leistungen nach dem SGB II.
Am 05.09.2011 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Dem Antrag war der Entlassungsbrief des H. Krankenhauses vom 24.11.2010 über einen stationären Aufenthalt vom 15.11.2010 bis zum 24.11.2010 (Diagnosen: Postnukleotomiesyndrom lumbal; chronischer Schmerzpatient; reaktive depressive Persönlichkeitsveränderung) und der Bericht der Klinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums T. vom 02.09.2011 über eine stationäre Behandlung in der Neurochirurgie vom 30.08. bis 02.09.2011 (Diagnosen: chronisches Schmerzsyndrom nach mehrfachen Lendenwirbelsäulenoperationen; Z.n. chirurgischer Implantation einer Plattenelektrode auf Höhe BWK 8 am 10.08.2011) beigefügt. Aktuell war dort am 31.08.2011 ein wieder aufladbarer Generator links gluteal implantiert worden. Die Beklagte holte einen Befundbericht der Allgemeinmedizinerin Dr. St.-U. vom 20.10.11 ein (Diagnosen: chronisches LWS-Syndrom mit Ausstrahlung ins linke Bein; chronischer Schmerzpatient) und beauftragte den Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. L. mit der Begutachtung des Klägers. Im Gutachten vom 01.12.2011 diagnostizierte Dr. L. ein Postnukleotomiesyndrom und ein chronisches Schmerzsyndrom mit Verdacht auf Persönlichkeitsänderung. Der Kläger könne damit noch eine leichte Tätigkeit ohne regelmäßiges Anheben oder Bewegen von Lasten aus vorn übergeneigter Körperhaltung über zehn Kilogramm, ohne erhöhte Anforderungen an die Gang- oder Standsicherheit und ohne ausschließliches Arbeiten in körperlicher Zwangshaltung im Umfang von sechs Stunden und mehr täglich verrichten.
Mit Bescheid vom 27.12.2011 lehnte die Beklagte den Rentenantrag des Klägers ab.
Dagegen erhob der Kläger am 19.01.2012 Widerspruch, zu dessen Begründung er geltend machte, dass nach einer weiteren Überweisung zur Schmerzbehandlung von Prof. Dr. M., Klinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums T., festgestellt worden sei, dass er nur eingeschränkt arbeitsfähig sei. Außerdem müsse er starke Schmerzmittel nehmen, die das Führen von Maschinen usw. fast ausschließen würden, weil er dann müde werde. Zur Untersuchung bei Dr. L. habe er eine Begleitperson benötigt, weil er sich nicht alleine habe ausziehen können. Vorgelegt wurde ein Arztbrief des Prof. Dr. M. vom 12.01.2012, wonach weiterhin ein ausgeprägtes Schmerzsyndrom beim Kläger bestehe, weshalb dieser eine konstante Schmerzmedikation unter Einschluss von Opiaten benötige. Eine Arbeit im Tiefbau sei ihm nicht mehr möglich, erforderlich sei eine Umschulung, um am allgemeinen Arbeitsmarkt weiter vermittelbar zu bleiben.
Auf Veranlassung der Beklagten erstattete die Ärztin für Psychotherapie, Psychiatrie und Neurologie Dr. B. am 30.03.2012 ein fachärztliches Gutachten. Sie diagnostizierte eine funktionell leichtgradig ausgeprägte somatoforme Schmerzstörung. Damit könne der Kläger noch leichte bis zeitweilig mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne regelmäßiges Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über zehn Kilogramm sechs Stunden und mehr verrichten. Der Kläger habe initial die Schmerzqualität und die Schmerzdauer nicht beschreiben können und ein deutlich dramatisierendes Verhalten gezeigt. In der neurologischen Untersuchung seien die erschwerten Gangproben nicht durchführbar gewesen, was angesichts der vorgefundenen Fußsohlenbeschwielung auffällig gewesen sei. Angesichts der zu beobachtenden Verhaltensweisen sei zu vermuten, dass die angegebene Medikation nicht regelmäßig eingenommen werde. Es habe ein gewisses Maß an Verdeutlichung bestanden. Anhaltspunkte für eine schwere depressive Erkrankung oder eine Angststörung hätten sich nicht ergeben.
Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 09.05.2012 zurück.
Hiergegen erhob der Kläger am 23.05.2012 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG). Er trug vor, er leide unter sehr starken Schmerzen. Er sei nicht mehr arbeitsfähig. Diese Einschätzung vertrete auch der ihn behandelnde Arzt Prof. Dr. M ... Vorgelegt wurden u.a. Behandlungsberichte der Klinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums T. vom 30.04.2010, 08.07.2011, 12.08.2011, 02.09.2011, 28.11.2011, 12.01.2012 und 17.07.2012 sowie des Chirurgen und Unfallchirurgen Dr. T. vom 06.09.2012.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Das SG hörte Prof. Dr. M. als sachverständigen Zeugen schriftlich an. In seiner Auskunft vom 12.11.2012 führte dieser aus, dass der Kläger, den er seit Februar 2007 wegen rezidivierender Lumboischialgien behandele, aufgrund des ausgeprägten Schmerzsyndroms eine leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch im Umfang von drei Stunden durchführen könne. Diese Einschränkung bestehe unverändert seit 2010, sei dauerhaft und könne durch ein Heilverfahren nicht verbessert werden. Die Wegefähigkeit des Klägers sei nicht eingeschränkt. Aus dem beigefügten Arztbrief von Prof. Dr. M. vom 19.07.2012 geht hervor, dass sich unter einer neuen Medikation mit Tilidin die Schmerzen etwas gebessert hätten. Es bestehe noch ein gewisses Druckgefühl im Bereich des Gesäßes und ein Kribbeln von der Hüfte bis in die Beine.
Das SG beauftragte den Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. St. mit der Erstellung eines Gutachtens. Dieser kam in seinem Gutachten vom 03.05.2013 nach einer ambulanten Untersuchung des Klägers auf der Grundlage einer auf neurologischem Fachgebiet diagnostizierten leicht ausgeprägten Wurzelreizsymptomatik zu dem Ergebnis, dass der Kläger mittelschwere bis schwere körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich verrichten könne. Auf psychiatrischen Fachgebiet fand Prof. Dr. St. abgesehen von einer erheblichen Beschwerdeübertreibung keine relevanten Erkrankungen, insbesondere kein Schmerzsyndrom im Sinne einer eigenständigen Erkrankung. Soweit der Kläger stets massive Beeinträchtigungen, insbesondere Schmerzen, beklage, versuche er Gesundheitsstörungen und Leistungsbeeinträchtigungen vorzutäuschen. So habe der Kläger bei dem Druck auf den Schädel erhebliche Schmerzen in der Lendenwirbelsäule angegeben, was naturwissenschaftlich nicht möglich sei. Die Befunderhebung habe lediglich eine endgradig eingeschränkte Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule ergeben. Die charakteristischen Zeichen chronischer Wirbelsäulenschmerzen wie anhaltende Muskelverspannung, fehlendes Auflockern der Muskulatur beim passiven Bewegen des Oberkörpers und eine fehlende Entfaltung der Lendenwirbelsäule bei Rumpfbewegungen seien sämtlich nicht vorhanden gewesen. Den Einbeinstand habe der Kläger beidseits mit wesentlich gebeugten Knien gezeigt. Dies erfordere jedoch eine tadellose Kraftentfaltung und Körperbeherrschung, während ein Versicherter mit Wirbelsäulenbeschwerden den Einbeinstand mit gestreckten Knien durchführen und dabei den Oberkörper langsam auf die Seite des Standbeins verlagern würde, um eine Muskelanspannung an der Lendenwirbelsäule zu vermeiden. Der Kläger habe ein einer linksseitigen zentral-motorischen Halbseitenlähmung entsprechendes Gangbild demonstriert. Inkonsistenzen hätten sich insoweit aber aufgrund des an den Schuhsohlen gefundenen symmetrischen Abnutzungsmusters, der seitengleichen Beschwielung der Füße und einer seitengleichen Bemuskelung bei Fehlen von Zeichen vegetativer Fehlregulation an Beinen und Füßen ergeben. Dies weise auf eine normale und regelmäßige Benutzung der unteren Extremitäten hin und stehe im Gegensatz zu dem vom Kläger in der Untersuchung gezeigten Gangbild. Die bei der Kraftmessung der Hände erzielten Werte hätten nur ein Zehntel des Erwartungswertes, entsprechend eines Kindes im Alter von fünf Jahren, erreicht. Dies stehe im deutlichen Widerspruch zu den erhobenen Befunden: an den Händen hätten sich beidseits erhebliche Arbeitsspuren (Schwielen, Schmutzanhaftungen unter den Nägeln) gefunden. Da keine Hinweise für eine überschießende Hornhautbildung vorgelegen hätten, müsse davon ausgegangen werden, dass der Kläger tatsächlich mit einer Regelmäßigkeit einer belastenden körperlichen Tätigkeit nachgehe, und dass er vollständig gesund und belastbar sei. Die angeblich regelmäßig eingenommenen Medikamente seien im Urin nicht nachweisbar gewesen. Der Diagnose einer somatoformen Störung stehe die willentliche Vortäuschung von Beeinträchtigungen und die Beschwerdeübertreibung entgegen. In der psychologischen Zusatzbegutachtung fanden sich keine Einschränkungen der kognitiven Leistungsfähigkeit.
Der Kläger führte hierzu aus, sein Hausarzt und sein Orthopäde seien der Auffassung, dass das Gutachten nicht zutreffen könne. Der Stimulator sei am 14.06.2013 entfernt worden, er habe nicht mehr funktioniert. Die Elektroden wolle man nicht entfernen, da dies zu gefährlich sei. Ihm sei von den Ärzten mitgeteilt worden, dass er nun mit den Schmerzen leben müsse. Er sei zur Schmerztherapie überwiesen worden.
Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 02.09.2013 ab. Die Beklagte habe zu Recht die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung abgelehnt. Es sei nicht nachgewiesen, dass der Kläger nicht mehr in der Lage sei, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Das SG folge dem Gutachten von Prof. Dr. St. vom 03.05.2013. Dieser habe ausführlich dargelegt, dass keine Gründe für ein auf unter sechs Stunden täglich herabgesunkenes Leistungsvermögen objektivierbar seien. Auch die von der Beklagten eingeholten Gutachten von Dr. L. und Dr. B. stützten das Klagebegehren nicht. Allerdings liege entgegen der Beurteilung durch Dr. B. eine somatoforme Schmerzstörung bei dem Kläger nicht vor. Denn Prof. Dr. St. habe zu Recht darauf hingewiesen, dass bei korrekter Anwendung der diagnostischen Kriterien wegen der nachgewiesenen willentlichen Beschwerdevortäuschung diese Diagnose nicht zu stellen sei. Soweit Prof. Dr. M. zu der Einschätzung gelangt sei, bei dem Kläger liege ein rentenrelevant gemindertes quantitatives Leistungsvermögen vor, sei zu beachten, dass der Kläger bei dem sachverständigen Zeugen in Behandlung stehe. In der medizinischen Versorgung gelte grundsätzlich der Ansatz, dass ein Patient, der über Beschwerden klage, auch an solchen leide. Dies habe Prof. Dr. M. offensichtlich seiner Auskunft vom 12.11.2012 zugrunde gelegt. Im Rahmen eines Rentenverfahren, bei welchem der Versicherte die Beweis- bzw. Feststellungslast trage, dürfe der Gutachter die Angaben nicht unkritisch übernehmen. Bei der Begutachtung in einem Rentenverfahren komme der sog. Konsistenzprüfung insbesondere bei objektiv schwer feststellbaren geklagten Gesundheitsstörungen eine besondere Bedeutung zu. Diese Konsistenzprüfung durch eine kritische Zusammenschau von Exploration, Untersuchungsbefunden, Verhaltensbeobachtung und Aktenlage habe Prof. Dr. St. ausführlich mit dem überzeugenden Ergebnis durchgeführt, dass die geklagten Beschwerden zum größten Teil nicht vorhanden seien. Der Einschätzung von Prof. Dr. M. könne vor diesem Hintergrund nicht gefolgt werden.
Gegen den seinen Bevollmächtigten am 03.09.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 16.09.2013 Berufung eingelegt. Er leide unter massiven Schmerzen und verwahre sich gegen den Vorwurf des Gutachters Prof. Dr. St., seine Schmerzen nur vorgetäuscht zu haben. Zudem habe das SG ausschließlich das Sachverständigengutachten von Prof. Dr. St. gewürdigt und die von ihm, dem Kläger, vorgelegten medizinischen Beurteilungen mit der Begründung abgetan, sie stammten von dem behandelnden Arzt. Dies könne und dürfe jedoch nicht der Grund dafür sein, ihn als Simulant dastehen zu lassen. Prof. Dr. M. habe bestätigt, dass er seit etwa drei Jahren unter einem chronischen neuropathischen Schmerzsyndrom leide. Bereits zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung habe er unter starken Schmerzen gelitten und sich auch nach Antragstellung mehrfach in stationärer Behandlung befunden, was zudem nicht für das Vortäuschen von Arbeitsunfähigkeit spreche. Der Entlassungsbericht des H. Krankenhauses vom 24.11.2010 bestätige, dass jeweils nur kurzzeitig nach den Operationen eine Besserung aufgetreten sei. Insgesamt könne man seit November 2010 von keiner nennenswerten Besserung sprechen. Der Kläger hat ein Attest von Prof. Dr. M. vom 04.02.2014 vorgelegt, wonach er aufgrund seiner starken Schmerzen derzeit seine bisherige Tätigkeit im Bereich Tiefbau nicht ausüben könne. Dies sei auch trotz des implantierten Schmerzstimulators bzw. der laufenden Schmerztherapie langfristig nicht möglich. Leichtere Tätigkeiten wie beispielsweise Büroarbeit oder andere Tätigkeiten (z.B. Hausmeistertätigkeit) könnten unter Umständen jedoch ausgeführt werden. Des Weiteren hat der Kläger einen Entlassungsbrief vom 27.01.2014 der Klinik L. über eine stationäre Behandlung vom 27.01.2014 bis zum 07.02.2014 vorgelegt, wo eine multimodale Schmerztherapie durchgeführt worden war. Berichtet wurde, dass die noch liegende Plattenelektrode im BWS-Bereich, die nur durch einen neurochirurgischen Eingriff entfernt werden könne, dem Kläger noch große Beschwerden bereite. Seine Gedanken kreisten nur um Schmerz, Elektrodenentfernung und frühere Fehlbehandlung. Bei Fixierung auf die Operation und Verzweiflung über die Aussichtslosigkeit bei unverändert starken Schmerzen sei eine Entlastung durch psychotherapeutische Einzelgespräche derzeit nicht möglich. Auf Entspannungsübungen und die Hypnosetherapie habe sich der Kläger nicht einlassen können. Linderung habe am ehesten das TENS-Gerät i.V.m. der aktivierenden Physiotherapie gebracht. Der Kläger wolle weiterhin nach einer Klinik suchen, in der ihm die Elektroden entfernt würden. Weiter vorgelegt wurde ein Befundbericht der Anästhesiologischen Gemeinschaftspraxis Dres. H. und Kollegen vom 17.07.2013 wonach der Kläger unter einem chronischen Schmerzsyndrom mit dem Chronifizierungsstadium III nach Gerbershagen und einer chronischen Lumboischialgie ohne Anhalt für ein ausgeprägtes neurologisches Defizit leide. Im Screening sei eine Majordepression aufgefallen, weshalb eine antidepressive Medikation verordnet worden sei. Der Verlauf werde beobachtet. Ausweislich des vorgelegten vorläufigen Entlassungsberichts der neurochirurgischen Klinik des Universitätsklinikums W. vom 02.05.2014 sind dem Kläger am 30.04.2014 in einem komplikationslosen operativen Eingriff die verbliebenen Plattenelektroden in Höhe BWK 8 epidural entfernt worden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 02.09.2013 und den Bescheid der Beklagten vom 27.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.05.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung auch bei Berufsunfähigkeit ab 01.09.2011 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Berichterstatterin hat am 14.05.2014 einen Termin zur Erörterung des Sachverhalts mit den Beteiligten durchgeführt.
Der Senat hat sodann ein interdisziplinäres Sachverständigengutachten bei Prof. Dr. Sch., Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Rheumatologie - Schmerztherapie - Psychotherapie, erhoben, der sein Gutachten vom 10.11.2014 auf der Grundlage einer psychologischen Evaluation der Diplom-Psychologin M.-Sch. erstellt hat. Prof. Dr. Sch. nennt als Diagnosen
1. Rücken-Beinschmerzen mit Ausstrahlung über die gesamte Wirbelsäule nach oben mit situationsabhängigem Muskelhartspann der Rückenstreckmuskulatur, aber ohne Einschränkung der Seitneigungs- und Rotationsfähigkeit des Rückens ohne neurologische Ausfalls- oder Reizzeichen, ohne wesentlichen Aufbrauch der lumbalen Wirbelsäule nach vielfachen Operationen an der Lendenwirbelsäule ohne ausreichende Befundbesserung 2. Postnukleotomie Syndrom (M96.) zu klassifizieren als 3. anhaltende somatoforme Schmerzstörung (F45.4) mit Verkörperlichung abgewehrter Schuldgefühle, 4. Dysthymia (F 34.) als Ausdruck chronischer Missmutigkeit.
Die Gedanken des Klägers seien weitgehend auf die Schmerzen fokussiert gewesen. Weder die Operationen der Lendenwirbelsäule noch der neurochirurgische Versuch, mittels einer Elektro-stimulation des Rückenmarks eine Linderung der Schmerzen zu erreichen, noch die über längere Zeit nachdrücklich geforderte Entfernung des Neurostimulators hätten dem Kläger helfen können. Im Rahmen der Begutachtung sei es jedoch gelungen, im Gespräch über den Tod der Mutter im Jahr 2007 auch emotionale Schwingung zu erreichen. Dabei hätten sich Schuldgefühle des Klägers gezeigt, der wegen seiner beruflichen Einbindung in Deutschland seine Mutter vor ihrem Tod nicht mehr habe sehen können und der noch nie an ihrem Grab gewesen sei. Dem psychologischen Zusatzbefund zufolge habe dies auch zu Abwertungen durch seine Freunde geführt. Im Vordergrund habe beim Kläger vor allem die Enttäuschung über das ärztliche Handeln gestanden. Es habe der Eindruck bestanden, als würde er seine Schuldgefühle auf die Ärzte übertragen, die die Verantwortung für seine Schmerzen übernehmen sollten. Angesprochen auf die deutlichen Arbeitsspuren an beiden Händen (Beschwielung mit Schmutzeinsprenkelungen) habe der Kläger empört mit beiden Händen auf den Tisch geschlagen und sich dagegen verwahrt, trotz angegebener weitgehender Passivität im Alltag doch zu arbeiten. Prof. Dr. Sch. hebt in Bezug auf den klinischen Untersuchungsbefund ein auffallend langsames Gangbild und eine bei der Rumpfbeuge steif gehaltene Wirbelsäule bei schmerzverzerrtem Gesicht hervor und berichtet insoweit über Inkonsistenzen in der Befundpräsentation, da die Wirbelsäule bei anderen Untersuchungen deutlich beweglicher gewesen sei. Auch der nur unwesentlich veränderte radiologische Befund habe die Notwendigkeit, den Rücken durch die kräftigen Rückenstrecker steif zu halten, nicht erklärt. Sowohl die Präsentation des wegen Schmerzen steif gehaltenen Rückens als auch die unstreitigen Arbeitsspuren im Bereich beider Hände müssten als starke Inkonsistenzen im klinischen Befund bewertet werden. Nach Auffassung des Gutachters gewinne der Tod der Mutter im Jahr 2007 wesentliche Bedeutung. Die angesprochenen Schuldkonflikte seien wohl somatisiert worden, was durch das anschließende ärztliche Handeln zusätzlich iatrogen verstärkt worden sei, ohne dass aber nicht körperliche Schmerzursachen ausreichend geklärt worden seien. Der Kläger scheine bis heute seine Gefühle im vorgetragenen Schmerz und den hieraus abgeleiteten Konsequenzen (nichts mehr leisten zu können) verbauen zu können. Die im Rahmen des psychologischen Interviews festgestellte Dysthymia und die anhaltende somatoforme Schmerzstörung beschreibt Prof. Dr. Sch. als Ausdruck eines innerpsychischen Konflikts, der sich aus der Abwehr von Schuldgefühlen ergeben habe. Weiterhin werde das Verhalten des Klägers durch seinen narzisstischen Persönlichkeitsstil begünstigt. Bei der Bewertung der Auswirkungen des Verhaltens auf die Leistungsfähigkeit müssten sämtliche Inkonsistenzen zwischen Selbstauskünften und klinischem Eindruck mit einbezogen werden. Der Gutachter verweist insoweit auf das situationsabhängige Ausmaß von Aufmerksamkeit (im Rahmen der Untersuchung), das belege, dass unter zumutbarer Willensanstrengung Leistungen erbracht werden könnten, die zunächst nicht möglich erschienen seien. Beim Kläger habe sich ferner das Ausmaß der (bis auf gelegentliches Kochen nahezu fehlenden) Mitwirkung im Haushalt ausschließlich durch seine fehlende Bereitschaft, solche Tätigkeiten zu übernehmen, begründet; dies könne durch zumutbare Willensanstrengung gesteigert werden. Die deutlichen Arbeitsspuren im Bereich der Hände hätten regelmäßiges schweres manuelles Arbeiten bewiesen. Die deutlichen Schwielen im Bereich beider Fußsohlen bewiesen regelmäßiges Unterwegssein zu Fuß. Der Kläger habe gegenüber der Diplom-Psychologin auch angegeben, jeden Tag mit seinen Kindern zu joggen (täglich eine halbe Stunde). Aufgrund des Gesamteindrucks bestünden daher keine Einschränkungen für durchschnittliche kognitive Aufgaben, Sitzen, Gehen (wohl auch Laufen), Mobilität zu Fuß und mit dem selbstgesteuerten Pkw, regelmäßige manuelle Arbeiten. Es habe sich der Eindruck ergeben, dass der Kläger seine Gefühle in Schmerzen verkörpere, wobei die genannten Gesundheitsstörungen ohne Zweifel vorliegen würden. Die Auswirkungen auf die berufliche Leistungsfähigkeit seien allerdings nur mäßig. Die Symptompräsentation und die Beziehungsgestaltung durch den Kläger hätten sowohl zu massiver Abwehr (im Sinne der unterstellten Vortäuschung durch den Gutachter Prof. Dr. St.) als auch zu übermäßigem Aktionismus (im Sinne der wiederholten operativen Prozeduren) geführt. Die Einschätzung des emotionalen Leidens sei in den meisten Arzt-Patient-Interaktionen nicht gelungen. Dies sei deswegen bemerkenswert, weil dem Kläger damit viele erfolglose Operationen hätten erspart werden können und gegebenenfalls vor Jahren durch ein verändertes ärztliches Handeln die primäre Chronifizierung der somatoformen Schmerzstörung hätte verhindert werden können. Das Leistungsvermögen des Klägers beurteilt Prof. Dr. Sch. dahingehend, dass ihm leichte und bisweilen mittelschwere körperliche Tätigkeiten noch in einem Umfang von sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche möglich seien. Aufgrund der vielfältigen Operationen an der Lendenwirbelsäule seien schwere körperliche Arbeiten aktuell nicht zumutbar.
Der Kläger hat unter dem 21.12.2014 Einwendungen gegen die Art und Weise der Begutachtung durch Prof. Dr. Sch. erhoben. Dieser habe ihn ebenso wie die Psychologin moralisch beleidigt. Der Gutachter sei auch körperlich geworden und habe ihn an seinem T-Shirt angefasst und gesagt, er solle schneller laufen.
Hierzu befragt hat der Gutachter Prof. Dr. Sch. in seiner Stellungnahme vom 19.01.2015 die Anschuldigungen mit Nachdruck zurückgewiesen. Da es um die Beurteilung des beruflichen Leistungsvermögens gegangen sei, habe er auch Fragen zu den Lebensgewohnheiten des Klägers gestellt, diesen aber nicht in seiner Würde verletzt.
Der Kläger hat ein weiteres ärztliches Attest seiner behandelnden Hausärztin vom 22.01.2015 vorgelegt, in dem Dr. St.-U. darlegt, dass der Kläger glaubhaft an starken Schmerzen im LWS-Bereich mit Ausstrahlung in beide Beine leide und kontinuierlich Medikamente einnehme. Weiterhin hat er einen Arztbrief der neurochirurgischen Klinik des Universitätsklinikums W. vom 17.03.2015 vorgelegt, in dem über eine ambulante Vorstellung des Klägers am 16.03.2015 mit einer links betonten Schmerzsymptomatik ohne genaue Dermatomzuordnung berichtet wird. Eine multimodale Schmerztherapie ist angeraten worden.
Vom 28.07.2015 bis zum 07.08.2015 hat sich der Kläger zur stationären Behandlung in der V. Klinik, Bad R., zur multimodalen Schmerztherapie befunden. Aus dem Entlassungsbericht vom 07.08.2015 ergibt sich, dass die durchgeführten Maßnahmen (intravenöse Schmerztherapie, orale Schmerzmedikation, physiotherapeutische und balneophysikalische Therapiemaßnahmen, Verhaltenstraining und Entspannungstherapie) zu keiner wesentlichen Beschwerdelinderung geführt hätten. Weiter wird berichtet, unter dem konservativen Therapieregime sei es zu einem Rückgang der Beschwerden sowie zu einer Verbesserung der Mobilität, insbesondere bei alltäglichen notwendigen Aktivitäten gekommen. Nach dem Abschlussbefund seien die Stand- und Gangvaria beidseits, auch monopedal, durchführbar gewesen, Lasègue sei beiderseits negativ gewesen, es habe kein Anhalt für ein sensomotorisches Defizit der unteren Extremitäten bestanden. Zentrale neurologische Auffälligkeiten seien nicht festgestellt worden. Es bestehe keine OP-Indikation. Die Fortführung der physiotherapeutischen Behandlung und einer dem Beschwerdeverlauf angepassten Schmerztherapie wurde empfohlen. Der beigefügte radiologische Befundbericht vom 28.07.2015 beschreibt eine breitbasige linksbetonte Restprotrusion L4/L5 ohne Rezidivvorfall, narbig epidurale Veränderungen um die L4-Wurzel herum, ohne Zeichen von Instabilität.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zur Sache gehörenden Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist gem. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch sonst zulässig. Sie ist aber nicht begründet.
Die Beklagte hat den Rentenantrag des Klägers zu Recht abgelehnt. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Erwerbsminderungsrente.
Gem. § 43 Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI); volle Erwerbsminderung liegt vor, wenn das Leistungsvermögen auf unter drei Stunden täglich abgesunken ist (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Davon ausgehend steht dem Kläger keine Erwerbsminderungsrente zu. Eine Erwerbsminderung aufgrund der bei ihm bestehenden Gesundheitsbeeinträchtigungen ist nicht nachgewiesen. Er ist nach wie vor dazu in der Lage, zumindest leichten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in einem zeitlichen Umfang von sechs Stunden und mehr nachzugehen.
Der Senat folgt der Leistungseinschätzung des im Berufungsverfahren beauftragten Gutachters Prof. Dr. Sch., der auf der Grundlage der Diagnosen von Rücken-Beinschmerzen, eines Postnukleotomie-Syndroms, einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung und einer Dysthymia ein Restleistungsvermögen des Klägers für leichte bis zeitweilig mittelschwere körperliche Tätigkeiten in einem zeitlichen Umfang von sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche angenommen hat. Der Gutachter hat unter umfassender und differenzierter Würdigung des bisherigen Behandlungsverlaufs sowie auf der Grundlage einer ausführlichen Exploration und Untersuchung des Klägers nachvollziehbar dargelegt, weshalb aufgrund der festgestellten Gesundheitsstörungen keine weitergehende, insbesondere zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens des Klägers besteht. Er hat - insoweit in Übereinstimmung mit dem Vorgutachter Prof. Dr. St. - die Inkonsistenzen in der körperlichen Untersuchung des Klägers dargestellt und ist insbesondere aufgrund der festgestellten deutlichen Arbeitsspuren an den Händen des Klägers und der unter Willensanstrengung überwindbaren, jedoch in der Untersuchung gezeigten Bewegungseinschränkungen der Wirbelsäule zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Kläger durchschnittliche kognitive Aufgaben und regelmäßige manuelle Arbeiten durchaus noch zumutbar seien.
Die Erfolglosigkeit der bisher durchgeführten umfangreichen sowohl operativen als auch neurochirurgischen und schmerztherapeutischen Behandlungsmaßnahmen hat Prof. Dr. Sch. nachvollziehbar dadurch erklärt, dass das seiner Meinung nach für die somatoforme Schmerzstörung ursächliche emotionale Leiden, die fehlverarbeiteten Schuldgefühle aufgrund des Todes der Mutter im Jahr 2007, in den bisherigen Behandlungen nicht erkannt worden sei. Prof. Dr. Sch. hat in diesem Zusammenhang schlüssig dargelegt, dass er in dieser Fehlverarbeitung die Ursache für die somatoforme Schmerzstörung sieht, womit sich seiner Auffassung nach zugleich erklärt, dass der Kläger erhebliche Schuldzuweisungen gegenüber den behandelnden Ärzten vornehme, da dies das Scheitern sämtlicher bisheriger Behandlungen für ihn erkläre. Vor diesem Hintergrund ist es für den Senat auch durchaus nachvollziehbar, dass Prof. Dr. Sch., anders als der Vorgutachter im erstinstanzlichen Verfahren, Prof. Dr. St., vom Vorliegen einer somatoformen Schmerzstörung ausgeht und diese nicht aufgrund des Vortäuschens von Beschwerden ausschließt. Die Beurteilung durch Prof. Dr. Sch. wird gestützt durch die Einschätzung der Hausärztin des Klägers, Dr. St.-U., die im Attest vom 22.01.2015 nochmals dargelegt hat, dass der Kläger glaubhaft an starken Schmerzen im LWS-Bereich mit Ausstrahlung in beide Beine leide. Auch die gesamte Behandlungshistorie sowie die zuletzt vorgelegten Berichte der neurochirurgischen Klinik des Universitätsklinikums W. vom 17.03.2015 und der V.-Klinik vom 07.08.2015 sprechen dafür, dass die angegebenen Schmerzen im Sinne einer chronischen Schmerzstörung beim Kläger auch tatsächlich vorliegen. Auch die Verwaltungsgutachterin Dr. B. ist bereits in ihrem Gutachten vom März 2012 zumindest von einer funktionell leichtgradig ausgeprägten somatoformen Schmerzstörung ausgegangen.
Die Abweichung in der Diagnoseschilderung der gerichtlichen Gutachter kann jedoch letztlich dahingestellt bleiben, da Prof. Dr. Sch. - insoweit übereinstimmend mit Prof. Dr. St. - eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens auch bei angenommener somatoformer Schmerzstörung nicht feststellen konnte. Die sozialmedizinischen Leistungseinschätzungen beider Gutachter stimmen in dieser Hinsicht überein. Dass Prof. Dr. St. darüber hinaus auch schwere körperliche Tätigkeiten für zumutbar erachtet hat, wirkt sich auf den geltend gemachten Rentenanspruch, für den maßgeblich die zeitliche Einschränkung des Restleistungsvermögens von Bedeutung ist, nicht weiter aus.
Die vom Kläger erhobenen Einwendungen gegen die Art und Weise der Begutachtung durch Prof. Dr. Sch. sind nicht dazu geeignet, die Überzeugungskraft seines Gutachtens in Zweifel zu ziehen. Prof. Dr. Sch. hat die vom Kläger erhobenen Vorwürfe, der Gutachter habe ihn "moralisch beleidigt", in seiner Stellungnahme vom 19.01.2015 mit Nachdruck zurückgewiesen. Die vom Kläger in seinem Schreiben vom 21.12.2014 geäußerten, wenig substantiiert dargestellten Anschuldigungen hinsichtlich des Verhaltens des Gutachters sind zudem erst nach Vorlage des Gutachtens und Kenntnisnahme durch den Kläger vorgebracht worden und nicht bereits in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu der Untersuchung des Klägers am 04.11.2014, was nicht nur nahegelegen hätte, sondern auch erforderlich gewesen wäre, wenn der Kläger eine Befangenheit des Gutachters hätte geltend machen wollen. Die schriftlichen Ausführungen des Gutachters enthalten keinerlei Anhaltspunkte dafür, an einer nicht ordnungsgemäßen Durchführung der Begutachtung durch den erfahrenen und vielfach in Rentenverfahren beauftragten Gutachter auch nur im Ansatz zu zweifeln.
Auch aus den vom Kläger vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen des Prof. Dr. M. ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, die Leistungseinschätzung von Prof. Dr. Sch. infrage zu stellen. Zwar hat Prof. Dr. M. in seiner Aussage als sachverständiger Zeuge gegenüber dem SG vom 12.11.2012 auf ausdrückliche Frage zu seiner Einschätzung des zeitlichen Leistungsvermögens angegeben, dass der Kläger eine leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch im Umfang von drei Stunden durchführen könne. Diese Einschätzung beruht auf der in der gleichen Stellungnahme von Prof. Dr. M. geäußerten Annahme, dass die Leistungseinschränkung dauerhaft sei und durch ein Heilverfahren nicht gebessert werden könne. Dem steht jedoch entgegen, dass Prof. Dr. M. in einem zuvor erstellten Arztbrief vom 19.07.2012 dargelegt hat, dass die damalige neue Medikation mit Tilidin die Schmerzen des Klägers gebessert habe und diese sich auf ein gewisses Druckgefühl im Bereich des Gesäßes und ein Kribbeln in den Beinen reduziert hätten. Dies gibt zu erkennen, dass auch Prof. Dr. M. entgegen seiner Äußerung in der Stellungnahme gegenüber dem SG nicht von einer vollständigen Therapieresistenz ausgegangen ist. Zudem hat er in dem im Widerspruchsverfahren vorgelegten Arztbrief vom 12.01.2012 geäußert, dass dem Kläger seine zuletzt ausgeübte Arbeit im Tiefbau nicht mehr möglich sei, und eine Umschulung für erforderlich erachtet, um eine weitere Vermittelbarkeit am allgemeinen Arbeitsmarkt zu erhalten. Damit überein stimmt die Einschätzung von Prof. Dr. M. in dem vom Kläger im Berufungsverfahren vorgelegten Attest vom 04.02.2014, worin Prof. Dr. M. zwar erneut darauf hinweist, dass die bisherige Tätigkeit des Klägers im Bereich Tiefbau aufgrund der starken Schmerzen nicht mehr von ihm verrichtet werden könne, dass aber leichtere Tätigkeiten wie beispielsweise Büroarbeit oder andere Tätigkeiten (Hausmeistertätigkeit) unter Umständen jedoch ausgeführt werden könnten. Diese Äußerungen sind nicht anders zu verstehen, als dass Prof. Dr. M. ein Restleistungsvermögen für zumindest leichte Tätigkeiten durchaus für möglich erachtet hat. Gerade dies hat sich durch die Begutachtung von Prof. Dr. Sch. bestätigt.
Auch der zuletzt vorgelegte Bericht der V.-Klinik über den stationären Aufenthalt des Klägers vom 28.07.2015 bis zum 07.08.2015 gibt dem Senat keine Veranlassung, das Ergebnis der Begutachtung durch Prof. Dr. Sch. infrage zu stellen. Dieser Entlassungsbericht ist hinsichtlich des Erfolgs der durchgeführten multimodalen Schmerztherapie schon nicht ganz eindeutig. So wird einerseits davon berichtet, dass die durchgeführten umfangreichen Behandlungsmaßnahmen zu keiner wesentlichen Beschwerdelinderung geführt hätten. Andererseits wird jedoch beschrieben, dass es unter dem konservativen Therapieregime zu einem Rückgang der Beschwerden sowie zu einer Verbesserung der Mobilität gekommen sei. Die durchgeführte Therapie steht aber letztlich genau im Einklang mit den von Prof. Dr. Sch. geschilderten Therapieoptionen. Dieser hat in seinem Gutachten ausgeführt, dass der Zugang des Klägers zu den abgewehrten Gefühlen durch die bisherigen vielfältigen Operationen zwar erschwert werde, sieht aber - aufgrund der im Rahmen der Begutachtung zumindest angesprochenen Enttäuschungen und Schuldgefühle des Klägers - keine gänzlich negative Prognose für eine psychosomatisch orientierte Behandlung. Prof. Dr. Sch. beschreibt als Ausgangspunkt einer solchen Therapie ausdrücklich den multimodalen Ansatz und sodann die Möglichkeit, mit einer ambulanten Psychotherapie fortzufahren. Auch in der psychologischen Zusatzbegutachtung der Diplom-Psychologin M.-Sch. wurde eine leitliniengerechte Behandlung der Störungen, insbesondere der von ihr besonders hervorgehobenen narzisstischen Persönlichkeitsstruktur, durch eine ambulante Langzeitpsychotherapie (Verhaltenstherapie) als Voraussetzung für die Bewältigung der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung sowie der Dysthymia für dringend notwendig erachtet. Die Notwendigkeit einer ambulanten Psychotherapie spricht jedoch nicht für eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens.
Einen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI hat der Kläger schon deshalb nicht, weil er im Jahr 1966 und damit nach dem 01.01.1961 geboren ist, so dass er die persönliche Voraussetzung des § 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI nicht erfüllt.
Die Berufung konnte deshalb keinen Erfolg haben, das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
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