L 9 AS 4609/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 17 AS 3160/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 AS 4609/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 1. August 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt vom Beklagten die Übernahme der Kosten seiner ehemaligen Wohnung in H. für die Monate Februar und März 2013 in Höhe von 425 Euro monatlich.

Der 1956 geborene Kläger stand seit mehreren Jahren im Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) beim Beklagten. Er bewohnte seit 2007 eine 1-Zimmer-Wohnung in H., für die zuletzt eine Gesamtmiete von 425 Euro monatlich zu zahlen war.

Nachdem der Kläger sich im Einverständnis des Beklagten in den Jahren 2011 und 2012 bereits mehrfach jeweils für ca. einen Monat in C. in Portugal aufgehalten und dort Sprachkurse und begleitende Praktika jeweils bei dem Unternehmen B. absolviert hatte, reiste er am 11.12.2012 wiederum dorthin. Seine persönliche Ansprechpartnerin beim Beklagten (PAP) hatte die Ortsabwesenheit bis 31.12.2012 genehmigt. Der Kläger hatte im Vorfeld angegeben, eine mögliche Arbeitsaufnahme ab Januar 2013 bei diesem Unternehmen in Aussicht zu haben und abklären zu wollen. Seine PAP hatte ihn darauf hingewiesen, dass er eine Arbeitsaufnahme in Portugal rechtzeitig mitteilen müsse und dass in diesem Falle die Zahlung des Arbeitslosengeldes II eingestellt werde (Vermerk vom 25.09.2012, Bl. 43 der Verwaltungsakte). Der Kläger hatte mitgeteilt, über eine Auflösung oder eine Untervermietung seiner Wohnung in H. nachzudenken (Vermerke vom 19.04.2012 und vom 25.09.2012, Bl. 37 und 43 der Verwaltungsakte). Er wolle die Wohnung nicht vor Erhalt eines Arbeitsvertrages kündigen (Vermerk vom 01.10.2012, Bl. 46 der Verwaltungsakte). Aufgrund der Kündigungsfrist stünden dann aber noch Mietzahlungen an. Zur Frage, ob diese ggf. vom Beklagten übernommen werden könnten, wurde der Kläger an die Mitarbeiterin R. verwiesen, mit der er telefonisch Kontakt aufnahm (Vermerk vom 01.10.2012, Bl. 44 der Verwaltungsakte).

Der Kläger kehrte nach seiner Ausreise am 11.12.2012 nicht mehr nach Deutschland zurück, sondern verblieb in Portugal. Telefonisch teilte er seiner PAP mit, weiterhin dort auf seinen Arbeitsvertrag zu warten. Per E-Mail vom 02.01.2013 kündigte er den Mietvertrag über seine Wohnung in H. zum 31.03.2013. Durch Freunde ließ er sie bis zum 27.03.2013 räumen und an den Vermieter zurückgeben. Am 15.01.2013 schloss er einen Vertrag mit dem Unternehmen B ... Danach sollte der Kläger zunächst als Selbstständiger Dienste für das Unternehmen ausüben. Hierfür sollte er Unterkunft und Verpflegung einschließlich aller Nebenkosten im Gesamtwert von 250 Euro monatlich, die Kosten für einen Sprach- und Kulturkurs im Wert von 1005 Euro und eine monatliche Zahlung von 250 Euro für die Verpflegung erhalten. Außerdem sollte das Unternehmen die Hälfte des Beitrages zur Krankenversicherung des Klägers in Höhe von 70 Euro monatlich übernehmen. Für den Fall, dass sich ein Projekt während des Zeitraums von Februar bis September 2013 realisiere, verpflichtete sich das Unternehmen, einen Arbeitsvertrag mit dem Kläger zu schließen. Andernfalls verpflichtete sich das Unternehmen, einen Arbeitsvertrag mit dem Kläger Anfang September 2013 zu schließen. Erst im März 2014 erfolgte dann tatsächlich der Abschluss eines Arbeitsvertrages über eine versicherungspflichtige Halbtagstätigkeit.

Am 17.01.2013 teilte der Kläger unter Weiterleitung seiner E-Mail vom 02.01.13 dem Beklagten die Kündigung seiner Wohnung in H. mit und sandte dem Beklagten eine Kopie des Vertrages vom 15.01.2013 zu. Daraufhin hob der Beklagte die mit Bewilligungsbescheid vom 21.08.2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 24.11.2012 erfolgte Leistungsbewilligung in Höhe von 777,93 Euro monatlich für die Zeit bis 31.03.2013 (Regelleistung 382 Euro, Kosten für Unterkunft und Heizung 395,93 Euro) mit Bescheid vom 24.01.2013 ab 01.02.2013 ganz auf. Aufgrund der Beschäftigungsaufnahme und des Umzugs nach Portugal sei eine Zuständigkeit des Beklagten gemäß § 36 SGB II nicht mehr gegeben. Die Aufhebung stütze sich auf § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 2, 3 Satz 1 und 4 SGB III und §§ 45 ff SGB X.

Per E-Mail vom 20.03.2013 und Schreiben vom 21.03.2013 bestätigte der Kläger den Erhalt des Bescheides vom 24.01.2013 am 15.03.2013 und widersprach diesem insoweit, als er für die Monate Februar und März noch Leistungen im Hinblick auf seine Kosten der Unterkunft und Heizung in H. begehrte. Er habe sich bereits vor seiner Abreise nach C. von Frau R. telefonisch beraten lassen und dabei die Auskunft erhalten, dass die aufgrund der Kündigungsfrist seiner Wohnung fehlende Miete im Härtefall von der Arbeitsagentur geleistet werde. Daher erwarte er nun, dass die fehlende Miete für die Monate Februar und März direkt an seinen Vermieter geleistet würde.

Mit Bescheid vom 26.03.2013 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass seinem Antrag auf Übernahme der Mietzahlungen für seine Wohnung in H. bis zum Ende der Kündigungsfrist am 31.03.2013 nicht entsprochen werden könne. Im Ausnahmefall könne eine doppelte Mietaufwendung zu den Wohnungsbeschaffungskosten gehören. Diese Voraussetzungen seien aber nicht erfüllt, zumal Wohnungsbeschaffungskosten nur für Wohnungen im Inland anerkannt werden könnten, da sich der Geltungsbereich des SGB II auf das Bundesgebiet beschränke.

Der Kläger legte per E-Mail am 24.04.2013 und mit beim Beklagten am 30.04.2013 eingegangenem Schreiben auch Widerspruch gegen den Bescheid vom 26.03.2013 ein und wies nochmals darauf hin, dass er mit Frau R. im Vorfeld seiner Ausreise nach Portugal eine Übernahme der Mietzahlungen bis zum Ende der Kündigunsfrist bei Beendigung der Arbeitslosigkeit innerhalb von Europa als Ausnahme- bzw. Härtefall besprochen habe. Es gehe hier auch nicht um die Übernahme doppelter Mietaufwendungen, sondern um die Übernahme von zwei Monatsmieten bis zum Ablauf der Kündigungsfrist. Er bitte um Anerkennung eines Ausnahmefalls, was ihm schon vor seiner Ausreise zugesagt worden sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16.08.2013 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Der Kläger habe am 17.01.2013 eine Beschäftigung in Portugal aufgenommen und sei dorthin umgezogen. Hierdurch sei die Zuständigkeit des Beklagten nicht mehr gegeben. Mit Bescheid vom 24.01.2013 seien daher die gewährten Leistungen ab 01.02.2013 eingestellt worden. Der gewöhnliche Aufenthalt des Klägers liege in Portugal und damit außerhalb des Geltungsbereichs des SGB II. Die Anspruchsvoraussetzungen für einen Leistungsbezug beim Beklagten nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 und § 36 SGB II lägen nicht mehr vor. Insofern könnten ab diesem Zeitpunkt auch keine Mietaufwendungen mehr übernommen werden. Eine Übernahme dieser Kosten im Rahmen von Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten im Sinne von § 22 Abs. 6 SGB II scheide ebenfalls aus, da dies nur bei einem Umzug innerhalb des Bundesgebietes in Frage komme. Bei den noch offenen Mietzahlungen handle es sich um Schulden. Es bestehe aufgrund des Wegzugs auch keine Notwendigkeit zum Erhalt der Unterkunft in H., so dass eine Schuldenübernahme gemäß § 22 Abs. 8 SGB II auch nicht in Betracht komme.

Hiergegen hat der Kläger am 16.09.2013 beim Sozialgericht Mannheim (SG) Klage erhoben. Frau R. habe ihm zugesagt, dass sie nach Erhalt seines Arbeitsvertrages aus Portugal und nach Erhalt der Bestätigung der Kündigung seiner Mietwohnung die Zahlung der zwei fehlenden Mieten an seinen Vermieter von Amts wegen veranlassen könne. Er habe dann alle Dokumente Frau R. zugeschickt. Er mache keine Umzugskosten geltend, er habe den Transport seiner Sachen, die im Keller einer Freundin in H. gewesen seien, selbst finanziert. Große Teile habe er an Bedürftige verschenkt. Ein kleiner Teil stehe immer noch im Keller einer guten Freundin. Der Beklagte hat mitgeteilt, eine Vermittlung der Praktika in Portugal durch ihn habe nicht stattgefunden. Dem Kläger seien lediglich die Kontaktdaten der ZAV der Bundesagentur für Arbeit übermittelt worden, um sich nach Möglichkeiten zur Unterstützung bei einem Umzug in das europäische Ausland zu erkundigen. Inwieweit von dieser Stelle Leistungen hätten gewährt werden können, sei dem Beklagten nicht bekannt. Nach den ermessenslenkenden Weisungen zu § 16 SGB II i.V.m. § 44 SGB III könnten Leistungen aus dem Vermittlungsbudget erbracht werden, wenn sie jeweils vor Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses beantragt worden seien. Vorab sei die Eigenleistungsfähigkeit des Antragstellers zu prüfen. Betrachte man die offenen Mietkosten als Kosten für getrennte Haushaltsführung, könnten diese bis zu einem Betrag von monatlich 260 Euro und längstens für 6 Monate ab Beginn der Beschäftigung übernommen werden. Eine Kostenübernahme scheitere daran, dass der Kläger die Leistungen nicht zuvor beantragt habe. Nach seinen Angaben sei eine Untervermietung der Wohnung geplant gewesen. Die Übernahme der Mietaufwendungen habe der Kläger nicht bereits zum Zeitpunkt der Wohnungskündigung, sondern erst am 21.03.2013 beantragt. Des Weiteren sei die Eigenleistungsfähigkeit des Klägers zu berücksichtigen. Er habe bei seiner Suche nach Praktika und der Aufnahme seiner Arbeitsstelle in Portugal Eigenständigkeit bewiesen. Unter diesen Voraussetzungen hätte für ihn die Möglichkeit bestanden, zum 01.02.2013 einen Nachmieter zu finden. Aufgrund der großen Nachfrage nach Wohnungen auf dem H.er Wohnungsmarkt hätte dies wohl keine Probleme bereitet. Bei Aufgabe der Wohnung und Umzug nach Portugal liege auch kein Fall der doppelten Haushaltsführung vor.

Auf Aufforderung des SG hat der Beklagte eine dienstliche Stellungnahme von Frau R. vorgelegt. In der Erklärung vom 27.03.2014 hat sie angegeben, den genauen Gesprächsverlauf/Wortlaut nicht mehr wiedergeben zu können. Der Kläger habe vor seinem Umzug telefonisch nachgefragt, ob die nach der Wohnungskündigung ausstehenden Mietzahlungen übernommen werden könnten. Ihm sei mitgeteilt worden, dass es grundsätzlich die Möglichkeit einer doppelten Mietzahlung gebe, allerdings müsse vor dem Umzug ein schriftlicher Antrag gestellt werden, um den Einzelfall zu prüfen. Eine mündliche Zusage sei definitiv nicht erfolgt.

Der Kläger hat hierzu vorgetragen, dass ein Hinweis der Frau R. auf eine vorherige schriftliche Antragstellung keineswegs erfolgt sei.

Mit Gerichtsbescheid vom 01.08.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Die zulässige Klage sei nicht begründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Übernahme der für Februar und März 2013 für die Wohnung in H. geschuldeten Monatsmieten. Gemäß § 22 Abs. 6 Satz 1 SGB II könnten Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Hierunter könnten grundsätzlich auch doppelte Mietaufwendungen (sog. Überschneidungskosten) fallen. Voraussetzung für deren Übernahme sei jedoch, dass sie unvermeidbar seien und der zuständige Leistungsträger eine vorherige Zusicherung erteilt habe. Vorliegend scheide die Übernahme der doppelten Mietaufwendungen bereits daran, dass der Kläger nicht die Zusicherung des Beklagten eingeholt und die Leistungsgewährung nicht beantragt habe. Der Kläger könne sich nicht darauf berufen, den Beklagten vor der beabsichtigten Arbeitsaufnahme in Portugal informiert zu haben. Die Ankündigung eines geplanten Umzugs stelle noch keinen Antrag auf Übernahme damit verbundener Kosten dar, zumal mangels konkreter Angaben (Kündigungsfrist, Miethöhe alte und neue Wohnung, mögliche Nachmieter etc.) dem Beklagten eine Prüfung des Einzelfalles so gar nicht möglich gewesen wäre. Erst mit Schreiben vom 21.03.2013 und damit nach Kündigung des Mietvertrages und nach dem Umzug nach Portugal habe der Kläger bei dem Beklagten die Übernahme der Kosten geltend gemacht. Der Kläger könne auch nicht einwenden, er habe vom Erfordernis einer vorherigen Zusicherung gemäß § 22 Abs. 6 Satz 1 SGB II nichts gewusst. Aus Gesprächsvermerken vom 01.10.2012 ergebe sich, dass der Kläger vor seiner Arbeitsaufnahme und vor seinem Umzug nach Portugal mit Mitarbeitern des Beklagten über das Problem der doppelten Mietzahlung bei Einhaltung der Kündigungsfrist gesprochen habe. Hierzu habe Frau R. eine dienstliche Äußerung vorgelegt. Die bloße Behauptung des Klägers, Frau R. habe ihn auf das Erfordernis der vorherigen Antragstellung nicht hingewiesen, sei nicht geeignet, deren Angaben zu widerlegen. Selbst wenn die dienstliche Äußerung nicht für glaubhaft gehalten werde, ergebe sich nichts anderes. Denn der Kläger sei durch das Merkblatt "SGB II - Grundsicherung für Arbeitsuchende", dessen Erhalt er durch die Unterschrift unter seinem am 21.08.2012 beim Beklagten abgegebenen Antrag auf Weiterbewilligung der Leistungen nach dem SGB II bestätigt habe, auf das Erfordernis einer Antragstellung hingewiesen worden. Auch sei nicht nachgewiesen, dass die Überschneidungskosten unvermeidbar gewesen seien. Der Kläger sei offenbar nach Portugal gereist, ohne sein Mietverhältnis zu kündigen. Es sei nicht ersichtlich, dass er sich vor seinem Umzug um eine rechtzeitige Weitervermietung bzw. Untervermietung bemüht habe. Es sei davon auszugehen, dass angesichts der Nachfrage nach Wohnraum in der Universitätsstadt H. die Suche nach einem Nach- oder Untermieter nicht erfolglos geblieben wäre. Ein Anspruch des Klägers auf die geltend gemachte Kostenübernahme ergebe sich auch nicht aus § 16 SGB II i.V.m. § 44 Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Danach könne die Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union aus dem Vermittlungsbudget der Agentur für Arbeit gefördert werden. Grundsätzlich sei nach dieser Regelung auch die Übernahme von Umzugskosten möglich. Auch insoweit scheitere ein Zahlungsanspruch des Klägers jedoch daran, dass der Kläger entgegen der Vorschrift des § 324 Abs. 1 Satz 1 SGB III die Leistung nicht vor Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses beantragt habe. Die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Leistungsbewilligung zur Vermeidung einer unbilligen Härte seien nicht ersichtlich. Auch die Übernahme der doppelten Mietkosten nach § 22 Abs. 8 SGB II sei nicht möglich. Zwar handle es sich um Schulden, diese seien aber nicht zur Sicherung der Unterkunft gerechtfertigt, da der Kläger die Wohnung aufgegeben habe. Auch auf der Grundlage eines sog. sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ergebe sich kein Anspruch des Klägers auf Kostenübernahme. Ein solcher Anspruch würde einen Beratungsfehler auf Seiten der Behörde voraussetzen. Bei Zugrundelegung der Darstellung von Frau R. fehle es bereits an einem Beratungsfehler. Selbst bei Zugrundelegung der Darstellung des Klägers würde der Anspruch nicht eingreifen. Der Kläger sie nach den unmissverständlichen Hinweisen im Merkblatt SGB II hinreichend informiert gewesen.

Gegen den ihm am 14.08.2014 in C. zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 07.11.2014 eingelegte Berufung des Klägers. Er habe vor seiner Ausreise mit dem Jobcenter vereinbart, dass er nach Erhalt des Arbeitsvertrages und Bestätigung der Kündigung seiner Wohnung diese an Frau R. schicken solle, damit die Mieten übernommen würden. Dies habe er getan. Er habe es aus eigener Kraft geschafft, seine Arbeitslosigkeit zu beenden. Seine finanziellen Mittel seien beschränkt. Wenn er über das Erfordernis eines früheren schriftlichen Antrags informiert gewesen wäre, hätte es für ihn keinen sachlichen Grund gegeben, dem nicht nachzukommen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom 1. August 2014 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 24. Januar 2014 und Aufhebung des Bescheides vom 26. März 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. August 2013 zu verurteilen, ihm für die Monate Februar und März Leistungen für seine Mietaufwendungen in Höhe von jeweils 425 Euro zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Durch seinen Umzug nach Portugal halte sich der Kläger nicht mehr im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beklagten gemäß § 36 SGB II auf. Auch seien die Anspruchsvoraussetzungen für einen Leistungsbezug nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 SGB II nicht mehr gegeben. Aus diesem Grund könnten ab 01.02.2013 auch keine Mietaufwendungen übernommen werden. Die Übernahme der Mietaufwendungen habe der Kläger erst im März 2013 beantragt. Der Kläger hätte nach der Kündigung zunächst einen Nachmieter zum 01.02.2013 suchen können.

Mit Schreiben vom 29.07.2015 und 06.08.2015 haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht (§§ 151 und 153 i.V.m. 87 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) eingelegte und auch sonst zulässige Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 SGG) entscheiden kann, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe (§ 144 SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung ist aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen in Höhe von 425 Euro monatlich für Februar und März 2013.

Das SG hat bereits zutreffend ausgeführt, dass die Voraussetzungen der in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen in § 22 Abs. 6 und Abs. 8 SGB II, in § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II i.V.m. § 44 SGB III sowie eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht vorliegen. Insoweit schließt sich der Senat den Ausführungen des SG in der angefochtenen Entscheidung an und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe im Wesentlichen ab, § 153 Abs. 2 SGG.

Ergänzend weist der Senat noch darauf hin, dass § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II i.V.m. § 44 Abs. 2 SGB III Leistungen aus dem Vermittlungsbudget zur Eingliederung in Arbeit bei Anbahnung oder Aufnahme einer Beschäftigung in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder in der Schweiz eröffnet. Allerdings muss es sich dabei um eine versicherungspflichtige Beschäftigung mit einer Arbeitszeit von mindestens 15 Stunden wöchentlich handeln. Wie sich der nun vorliegenden Übersetzung des Vertrags vom 15.01.2013 eindeutig entnehmen lässt, handelt es sich dabei nicht um einen Arbeitsvertrag betreffend die Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung, sondern um die Vereinbarung zur Erbringung von Diensten als Selbstständiger gegen freie Unterkunft und eine monatliche Bezahlung von 320 Euro. Auf Nachfrage hat der Kläger mit Schreiben vom 22.02.2015 unter Vorlage einer entsprechenden Bestätigung eingeräumt, dass er eine versicherungspflichtige Beschäftigung erst im März 2014 aufgenommen hat. Damit liegen aber bereits die Tatbestandsvoraussetzungen für die Erbringung von Leistungen zur Eingliederung in Arbeit im Ausland nicht vor. Die Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit über einen Zeitraum von über einem Jahr dient nicht mehr der Anbahnung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung im Sinne des § 44 Abs. 2 SGB III. Ein Anspruch des Klägers auf Leistungen zur Eingliederung in Arbeit besteht damit nicht, ein Ermessen des Beklagten ist nicht eröffnet.

Der Kläger kann einen Anspruch auf die geltend gemachten Leistungen auch nicht aus einer Zusage des Beklagten ableiten. Zwar macht der Kläger geltend, er habe mündlich die Zusage bekommen, dass die dem Vermieter bis zum Ablauf der Kündigungsfrist geschuldeten Zahlungen vom Beklagten übernommen würden, soweit er seinen Arbeitsvertrag und eine Bestätigung der Kündigung des Mietvertrages vorlege. Hieraus kann aber ein Leistungsanspruch des Klägers aus mehreren Gründen nicht abgeleitet werden. Zum einen bedarf eine von der zuständigen Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen (Zusicherung), gemäß § 34 Abs. 1 SGB X zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Form. Das Vorliegen einer schriftlichen Zusage hat auch der Kläger nicht behauptet. Zum anderen steht den Angaben des Klägers die dienstliche Äußerung der Mitarbeiterin R. des Beklagten entgegen. Vom Vorliegen einer mündlichen Zusage durch Frau R. oder einer der für den Kläger zuständigen PAP konnte sich der Senat vor dem Hintergrund des Inhalt der dienstlichen Stellungnahme sowie der vorgelegten Aktenvermerke durch den Beklagten nicht überzeugen. Wie schon das SG zutreffend ausgeführt hat, hatte der Kläger im Vorfeld seiner erneuten Reise nach Portugal am 11.12.2012 bereits mehrfach Gespräche mit seiner jeweils zuständigen PAP geführt. Dabei hatte er zunächst angegeben, er habe eventuell die Möglichkeit der Aufnahme einer geringfügigen Beschäftigung in Portugal, er habe noch keine Lösung gefunden, wie er seine Wohnung in H. für diesen Zeitraum auflösen oder zwischenvermieten könne (Vermerk vom 19.04.2012, Bl. 37 der SG-Akte). Im weiteren Verlauf hatte er angegeben, dass nun eine Anstellung für voraussichtlich ein Jahr in Portugal angedacht sei, wobei Gehaltszahlung und arbeitsvertragliche Angelegenheiten noch ungeklärt seien (Vermerk vom 25.09.2012, Bl. 43 der SG-Akte), hierzu erkundigte er sich über die Möglichkeit, bei Kündigung der Wohnung ggf. aufgrund der Kündigungsfrist noch anfallende Mietzahlungen vom Beklagten erstattet zu erhalten (Vermerke vom 01.10.2012, Bl. 46 der SG-Akte). Auch nach Angaben des Klägers war vor seiner Ausreise nach Portugal weder absehbar, dass und für welchen Zeitraum er in Portugal verbleiben würde, noch dass und zu welchem Zeitpunkt er sein Mietverhältnis kündigen würde, dass er keine Unter- oder Nachmiete organisieren würde und dass, ab welchem Zeitpunkt, in welchem Umfang und in welcher Ausgestaltung er eine Tätigkeit in Portugal aufnehmen würde. Auch dies spricht deutlich dagegen, dass eine konkrete Zusage zu einem konkreten Sachverhalt erfolgt wäre. Hierbei ist auch zu beachten, dass der Kläger selbst nach Vorliegen des Vertrages vom 15.01.2015 diesen als "Arbeitsvertrag" bezeichnet und damit den Eindruck erweckt hat, eine abhängige Beschäftigung aufgenommen zu haben. Dem steht aber der tatsächliche Inhalt des zunächst von ihm nur in portugiesischer Sprache vorgelegten Vertrages entgegen, wie er sich aus der vom Senat veranlassten Übersetzung vom 22.06.2015 ergibt. Somit wäre eine Zusage im Hinblick auf die Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung auch inhaltlich nicht einschlägig geworden.

Ein Anspruch des Klägers auf die geltend gemachten Leistungen zumindest in Höhe von 395,93 Euro monatlich folgt auch nicht bereits aus den Bescheiden vom 21.08.2012 und vom 24.11.2012. Zwar wurden dem Kläger mit diesen Bescheiden für die streitigen Monate Februar und März 2013 Leistungen bewilligt, darunter 395,93 Euro monatlich für Unterkunft und Heizung. Diese Bewilligung hat der Beklagte aber mit Bescheid vom 24.01.2013 für die Zeit ab 01.02.2013 ganz aufgehoben. Den vom Kläger lediglich bezüglich der Kosten für seine Wohnung in H. für Februar und März 2013 eingelegten Widerspruch vom 21.03.2013 hat der Beklagte zusammen mit dem Widerspruch gegen den gesondert auf das Widerspruchsschreiben vom 21.03.2013 erlassenen Bescheid vom 26.03.2013 mit Widerspruchsbescheid vom 16.08.2013 zurückgewiesen. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Aufhebungsvoraussetzungen sind erfüllt.

Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Gemäß Satz 2 Nr. 4 der Regelung i.V.m. § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III ist der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, u.a. soweit der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.

Vorliegend ist eine solche wesentliche Änderung im Sinn des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X mit dem dauerhaften Umzug des Klägers, der Kündigung der Wohnung in H. und der Aufnahme der dortigen Tätigkeit ab 15.01.2013 eingetreten. Denn Leistungen nach dem SGB II erhalten gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die u.a. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Der Kläger reiste am 11.12.2012 nach Portugal und verblieb dort nicht nur bis 31.12.2012 wie zunächst angedacht, sondern dauerhaft. Spätestens mit Unterzeichnung des Vertrages mit dem Unternehmen B. am 15.01.2013 und Aufnahme der darin vereinbarten Tätigkeit hat er seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr in der Bundesrepublik Deutschland gehabt und damit die Anspruchsvoraussetzungen nicht mehr erfüllt. Dementsprechend hat der Beklagte ab 01.02.2013 die Leistungen aufgehoben. Dass die Bewilligung von Leistungen durch den dauerhaften Umzug nach Portugal rechtswidrig wurde, war dem Kläger auch bekannt. Insoweit wurde er bereits im September 2012 im Zusammenhang mit seiner Mitteilung, möglicherweise eine Arbeitstätigkeit in Portugal aufnehmen zu können, darauf hingewiesen, dass er dies im Falle des tatsächlichen Zustandekommens rechtzeitig mitteilen müsse und das Arbeitslosengeld II nicht mehr weitergezahlt würde.

Mithin ist die Berufung insgesamt zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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