Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 2 SB 977/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 5185/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 28. August 2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
( I )
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des beim Kläger festzustellenden Grades der Behinderung (GdB) streitig.
Bei dem im Jahr 1949 geborenen Kläger stellte das Landratsamt A. (LRA) in Ausführung eines vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) geschlossenen Vergleichs mit Bescheid vom 20.1.2005 einen GdB von 70 seit dem 22.6.2002 fest. Es berücksichtigte hierbei als Funktionsbeeinträchtigungen eine "Hirnschädigung" mit einem Einzel-GdB von 50, eine "Seelische Störung" mit einem solchen von 30, den "Verlust des Geruchssinns" mit einem solchen von 20 sowie eine "Augenmuskellähmung" und "Ohrgeräusche (Tinnitus)" jeweils mit einem Einzel-GdB von 10.
Am 26.5.2011 beantragte der Kläger die Erhöhung des festgestellten GdB und die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs der Rundfunkgebührenbefreiung ("RF"). Er führte hierzu einen im April 2011 erlittenen Schlaganfall sowie eine seit November 2009 bestehende Thrombose im rechten Bein an und legte den Bericht des B. A. vom 13.4.2011 über eine dortige stationäre Behandlung vom 8. - 13.4.2011 vor.
Nach einer versorgungsärztlichen Überprüfung durch Dr. C. vom 13.7.2011, der für "Schlaganfallfolgen" und den "Verlust des Geruchssinns" jeweils einen Einzel-GdB von 20 sowie für "Ohrgeräusche (Tinnitus)" einen solchen von 10 vorschlug und den GdB insg. mit 40 einschätzte, stellte das LRA, nach vorheriger Anhörung des Klägers, dessen GdB mit Bescheid vom 29.8.2011 ab dem 2.9.2011 nur noch mit 40 fest und hob den Bescheid vom 20.1.2005 auf. Die Feststellung der gesundheitlichen Merkmale des beantragten Nachteilsausgleichs lehnte das LRA unter der Begründung, es liege keine Schwerbehinderteneigenschaft vor, ab.
Auf den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers, mit dem er das augenfachärztliche Gutachten des Prof. Dr. D. vom 22.9.2005, das für die Württembergische Gemeinde Versicherung erstellt wurde, das neurochirurgische Zusammenhangsgutachten des PD Dr. E., Bundeswehrkrankenhaus F., vom 1.3.2007 sowie einen Arztbrief der Klinik G. vom 14.10.2009 und einen Untersuchungsbericht von Dr. H., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, vom 20.9.2011, vorgelegt hatte, stellte das LRA nach vorheriger versorgungsärztlicher Prüfung durch Dr. C. vom 30.9.2011 mit Teilabhilfebescheid vom 7.10.2011 den GdB des Klägers ab dem 2.9.2011 mit 50 fest. Es berücksichtigte hierbei zusätzlich eine "Sehbehinderung" mit einem Einzel-GdB von 20. Mit Widerspruchsbescheid vom 21.2.2012 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 22.3.2012 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben, zu deren Begründung er vorgebracht hat, sein Behinderungszustand habe sich insg. nicht verbessert sondern, insb. wegen des erlittenen Schlaganfalls, verschlechtert.
Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen einvernommen. Dr. H. hat unter dem 18.5.2012 ausgeführt, der Gesundheitszustand des Klägers auf neurologisch/psychiatrischem Fachgebiet habe sich nicht verbessert, es bestehe eine schwergradige Funktionsbeeinträchtigung, die mit einem GdB von 80 zu bewerten sei. Dr. I., Arzt für Allgemeinmedizin, hat in seiner Stellungnahme vom 25.5.2012 ausgeführt, der Kläger leide an den Folgen eines subtoralen Hämatoms bei Z.n. Schädel-Hirn-Trauma 2002. Der Zustand sei als chronifiziert anzusehen. Prof. Dr. K., hat unter dem 27.6.2012 über den stationären Aufenthalt des Klägers im April 2011 in der Klinik L., A., berichtet und die beim Kläger diagnostizierte distal- und armbetonte Armparese als leichtgradig eingestuft. Dr. M., Facharzt für Chirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie, hat unter dem 24.8.2012 das von ihm diagnostizierte acromio-claviculäre Impingement rechts als mittelgradig und die Arthrose des rechten Schultergelenks als leichtgradig eingestuft. Schließlich hat Dr. N. in seiner Stellungnahme vom 28.3.2013 mitgeteilt, die Folgen des Schlaganfalls, ein neurologisches Defizit linksseitig, seien als leichtgradig einzustufen.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG sodann Prof. Dr. O. zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt und mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. In seinem neurologischen Gutachten vom 15.4.2013 hat Prof. Dr. O., Facharzt für Neurologie, ausgeführt, unter Annahme eines schweren Schädelhirntraumas, eines hirnorganischen Psychosyndroms, einer depressiven Symptomatik, der Schädigung des Geruchssinns, von Sehbeschwerden und Ohrgeräuschen sei der bislang festgestellte Gesamt-GdB von 70 weiterhin angemessen. Bei zusätzlicher Berücksichtigung der Schlaganfallfolgen mit einem Einzel-GdB von 30 sei zwischenzeitlich ein GdB von 80 gerechtfertigt.
Der Beklagte ist der Klage zunächst entgegen getreten, hat indes auf die gerichtliche Beweisaufnahme hin, unter dem 25.10.2013, gestützt auf versorgungsärztliche Stellungnahmen von Dr. P. vom 2.7. und vom 24.10.2013, ein Vergleichsangebot des Inhalts vorgelegt, den GdB des Klägers ab dem 2.9.2011 mit 60 festzustellen. Hierbei hat er eine "Hirnschädigung, hirnorganisches Psychosyndrom" mit einem Einzel-GdB von 50, den "Verlust des Geruchssinns" und eine "Sehbehinderung" mit einem solchen von jeweils 20 sowie "Ohrgeräusche (Tinnitus)" und zusätzlich eine "Refluxkrankheit der Speiseröhre" jeweils mit einem Einzel-GdB von 10 berücksichtigt.
Nachdem der Kläger dem Vergleichsvorschlag nicht beigetreten ist, hat das SG den Beklagten mit Urteil vom 28.8.2014 verurteilt, dem GdB des Klägers ab dem 2.9.2011 mit 60 festzustellen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das SG ausgeführt, bezogen auf den Bescheid vom 20.1.2005 habe sich der Behinderungszustand des Klägers verbessert. Die seelische Störung, die im Bescheid vom 20.1.2005 noch mit einem Einzel-GdB von 30 berücksichtigt worden sei, könne nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. O. und dem von ihm erhobenen Untersuchungsbefund nicht mehr berücksichtigt werden. Die Schlaganfallfolgen erhöhten den GdB des Klägers nicht. Nach den eigenen Angaben des Klägers gegenüber dem Sachverständigen hätten sich diese bis auf ein verbliebenes Taubheitsgefühl der rechten Handinnenfläche zurückgebildet, sodass die gutachterliche Einschätzung des GdB für die Schlaganfallfolgen von 30 nicht nachzuvollziehen sei. Auch die klägerseits angeführte Funktionseinschränkung der rechten Schulter sei nur leichtgradiger Natur und bedinge keinen Einzel-GdB von mehr als 10. Die klägerseits angegeben Beeinträchtigungen des Gedächtnisses, der Konzentration und der erhöhten Reizbarkeit seien als "Hirnschädigung und hirnorganisches Psychosyndrom" unverändert mit einem Einzel-GdB von 50 zu bewerten. Die von Prof. Dr. O. in diesem Zusammenhang beschriebenen Eindrücke einer jedenfalls nicht hochgradigen Beeinträchtigung von Gedächtnis und Konzentration bestätigten dies. Die Störungen des Geruchssinns und des Sehvermögens seien mit einem Einzel-GdB von 20 weiterhin angemessen bewertet. In Zusammenschau der bestehenden Beeinträchtigungen sei ein GdB von 60 angemessen.
Mit Bescheid vom 30.10.2014 hat das LRA in Ausführung des Urteils des SG den GdB des Klägers ab dem 2.9.2011 mit 60 festgestellt.
Gegen das ihm am 4.10.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 3.11.2014 beim SG Berufung zum LSG eingelegt. Er bringt vor, sein psychischer Zustand habe sich, anders als es das SG angenommen habe, nicht verbessert. Er sei schlaganfallbedingt auch durch sein eingeschränktes Gedächtnis beeinträchtigt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 28. August 2014 abzuändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 29. August 2011 in der Fassung des Teil-Abhilfebescheides vom 7. Oktober 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 2012 zu verurteilen, die bei ihm bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen mit einem Grad der Behinderung von 80 ab dem 2. September 2011 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Nachdem der Kläger bereits mit gerichtlichem Schreiben vom 29.5.2015 darauf hingewiesen wurde, dass die Berufung nach einer vorläufigen Einschätzung keine Aussicht auf Erfolg verspreche, sind die Beteiligten mit Schreiben vom 7.7.2015 darauf hingewiesen worden, dass der Senat erwägt, nach § 153 Abs. 4 SGG über die Berufung durch Beschluss zu entscheiden. Ihnen ist Gelegenheit eingeräumt worden, sich hierzu zu äußern.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, insb. des Vorbringens der Beteiligten, wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die beim Beklagten für den Kläger geführte Schwerbehindertenakte verwiesen.
( II )
Die form - und fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, führt jedoch für diesen nicht zum Erfolg. Der Senat konnte die Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss zurückweisen, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Gründe für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurden nicht vorgebracht und sind dem Senat auch anderweitig nicht ersichtlich.
Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat den Beklagten zu Recht verurteilt, den GdB des Klägers mit 60 festzustellen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die beim Kläger bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen sind für die Zeit seit dem 2.9.2011 mit einem GdB von 60 ausreichend und angemessen bewertet. Der Kläger hat weder Anspruch darauf, dass die Funktionsbeeinträchtigungen wie im Bescheid vom 20.1.2005 festgestellt, weiterhin mit einem GdB von 70 bewertet werden, noch dass darüber hinaus gehend, eine Feststellung mit einem höheren GdB zu erfolgen hat.
Gegenstand des Verfahrens ist ausschließlich die Höhe des beim Kläger festzustellenden GdB. Die Ablehnung der Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "RF", die der Kläger mit seinem Antrag vom 26.5.2011 geltend gemacht hat und die das LRA im angefochtenen Bescheid vom 29.8.2011 abgelehnt hat, hat der Kläger bereits mit seinem Widerspruch nicht mehr auf- und angegriffen, sodass die ablehnende Entscheidung bestandskräftig geworden (vgl. § 77 SGG) ist.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) i.V.m. § 69 Abs. 1 Satz 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung - vorliegend dem vom 20.1.2005 - vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Eine wesentliche Änderung ist im gegebenen Zusammenhang im Hinblick auf die Feststellung des GdB anzunehmen, wenn sich durch eine Besserung oder Verschlechterung des Behinderungszustandes eine Herabsetzung oder Erhöhung des festgestellten (Gesamt-) GdB um wenigstens 10 ergibt (u.a. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 22.10.1986 - 9a RVs 55/85 - veröffentlicht in juris). Die Änderung der Bezeichnung der Funktionsbeeinträchtigungen oder das Hinzutreten weiterer Funktionsbeeinträchtigungen ohne Auswirkung auf den GdB stellen hingegen keine wesentliche Änderung in diesem Sinne dar (BSG, Urteil vom 24.6.1998 - B 9 SB 18/97 R - veröffentlicht in juris). Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, ist durch einen Vergleich der gegenwärtigen - d.h. den Verhältnissen zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung - mit dem verbindlich festgestellten objektiven Behinderungszustand zum Zeitpunkt des Erlasses des zuletzt bindend gewordenen Bescheides zu ermitteln. Bei einer derartigen Neufeststellung handelt es sich nicht um eine reine Hochrechnung des im letzten maßgeblichen Bescheid festgestellten GdB, sondern um dessen Neuermittlung unter Berücksichtigung der gegenseitigen Beeinflussung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 19.9.2000 - B 9 SB 3/00 R - veröffentlicht in juris).
Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen die zur Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Aus dieser Definition folgt, dass für die Feststellung einer Behinderung sowie Einschätzung ihres Schweregrades nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörungen ankommt, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden. Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX werden die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Eine Feststellung ist hierbei nur dann zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Satz 6 SGB IX). Nach § 70 Abs. 2 SGB IX in der Fassung des am 15.1.2015 in Kraft getretenen Gesetzes zum Vorschlag für einen Beschluss des Rates über einen Dreigliedrigen Sozialgipfel für Wachstum und Beschäftigung und zur Aufhebung des Beschlusses 2003/174/EG vom 7.1.2015 (BGBl. II S. 15) ist das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung des GdB und die medizinischen Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Zwar ist von dieser Ermächtigung noch kein Gebrauch gemacht, indes bestimmt § 159 Abs. 7 SGB IX in der ab dem 15.1.2015 geltenden Fassung, dass, soweit noch keine Verordnung nach § 70 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, die Maßstäbe des § 30 Abs.1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend gelten. Mithin ist für die konkrete Bewertung von Funktionsbeeinträchtigungen die ab dem 1.1.2009 an die Stelle der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AHP) getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG; die jeweilige Seitenangabe bezieht sich auf das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales herausgegebene Printexemplar) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung [VersMedV]) heranzuziehen, die auf Grundlage von § 30 Abs. 16 BVG erlassen wurde.
In Anlegung der dortigen Maßstäbe hat sich der Gesundheitszustand des Klägers insoweit verbessert, als ab 2.9.2011 lediglich noch ein GdB von 60 festzustellen ist. Der Zustand der Behinderung des Klägers wird maßgeblich durch die Folgen des Schädel-Hirn-Traumas im Juni 2002 und des Schlaganfalls im April 2011, die beim Kläger zuvorderst die psychische Funktionsfähigkeit beeinflussen und für das Funktionssystem "Gehirn, Psyche", wie von Dr. P. in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 24.10.2013 unternommen, einheitlich - als Hirnschädigung, hirnorganisches Psychosyndrom - zu bewerten sind (vgl. Teil A Nr. 2 Buchst. e [S. 20] der VG), geprägt.
Bei Hirnschäden ist nach Nr. 3.1 Buchst. b) (S. 35) der VG das Ausmaß der bleibenden Ausfallerscheinungen für die GdB-Bewertung bestimmend. Dabei sind die neurologischen Befunde, die Ausfallerscheinungen im psychischen Bereich und ggf. das Auftreten von zerebralen Anfällen zu beachten. Hirnschäden mit geringer Leistungsbeeinträchtigung sind mit einem Einzel-GdB von 30 - 40, solche mit mittelschwerer Leistungsbeeinträchtigung mit einem solchen von 50 - 60 und Hirnschäden mit schwerer Leistungsbeeinträchtigung mit einem solchen von 70 - 100 zu bewerten (Nr. 3.1.1. [S. 36] der VG). Ergänzend hierzu ist in Nr. 3.1.2. (S. 36) der VG festgelegt, dass bei Hirnschäden mit isoliert vorkommenden bzw. führenden Syndromen, die mit psychischen Störungen einhergehen, bei einer leichten, sich im Alltag nur gering auswirkenden Ausprägung ein Einzel-GdB von 30 - 40, bei einer mittelgradigen, sich im Alltag deutlich auswirkenden Ausprägung mit ein solcher von 50 - 60 und bei schweren Störungen mit ein solcher von 70 - 100 einzustellen ist. Die beim Kläger bestehenden Einschränkungen sind zur Überzeugung des Senats allenfalls als mittelgradig, sich im Alltag deutlich auswirkend, einzustufen. Prof. Dr. O., der im erstinstanzlichen Verfahren gutachterlich gehört wurde, hat in seiner neurologischen Befunderhebung lediglich einen etwas schwerfälligen Gang, ohne sichere neurologische Einschränkung, beschrieben und ferner angegeben, es bestehen keine sicheren Paresen. Die grobe Kraft der oberen und unteren Extremitäten ist nach Prof. Dr. O. nicht eingeschränkt. Maßgebliche Einschränkungen der Sensibilität hat er nicht benannt. Die initial beschriebenen distal betonten Schwächen und Störungen der Feinmotorik hat Prof. Dr. O. anlässlich seiner Untersuchung nicht mehr befundet, sodass neurologischerseits keine maßgeblichen verblieben Ischämiefolgen mehr bestehen. In Einklang hierzu hat der Kläger selbst gegenüber dem Gutachter angegeben, die anfängliche Halbseitenschwäche habe sich gut zurückgebildet, es sei lediglich noch ein Taubheitsgefühl der rechten Handinnenfläche vorhanden. Auch hat Prof. Dr. O. keine gravierende Einschränkung einer psychischen Dimension angeführt. Weder wirke der Antrieb gemindert, noch sei der Kläger tief traurig. Auch hat der Gutachter die vom Kläger angeführten gravierenden Störungen der Konzentration und des Gedächtnisses nicht bestätigt, vielmehr davon berichtet, dass sich der Kläger bei der Untersuchung ausreichend habe konzentrieren können. Die Annahme eines Einzel-GdB von 50 ist indes unter Zugrundelegung der eigenanamnestisch geschilderten Konzentrationsstörungen, der erhöhten Reizbarkeit und der reduzierten Gedächtnisleistung gerechtfertigt. Die von Prof. Dr. O. mitgeteilten Befunde rechtfertigen indes die von ihm angenommene Bewertung mit einem GdB von 70 für die Schädel-Hirn-Verletzung und von 30 für Schlaganfallfolgen nicht. Die Beeinträchtigung "Hirnschädigung, hirnorganisches Psychosyndrom" ist vielmehr mit einem Einzel-GdB von 50 - am oberen Rand - angemessen und jedenfalls ausreichend.
Der Verlust des Geruchssinns, die Sehbehinderung, die Ohrgeräusche und die Refluxerkrankung sind mit einem Einzel-GdB von 20, 20, 10 und 10 jeweils angemessen berücksichtigt. Befunde, die eine weitergehende Berücksichtigung nach Nr. 6.3 (S. 55) der VG betr. dem Geruchssinn, nach Nr. 4 (S. 44 ff.) der VG betr. dem Sehvermögen, nach Nr. 5.3 (S.54) der VG betr. dem Tinnitus und nach Nr. 10.1 (S. 69) der VG betr. der Refluxerkrankung rechtfertigen könnten, wurden von den gehörten Ärzten nicht benannt und sind dem Senat auch anderweitig nicht ersichtlich.
Die klägerseits geltend gemachte Funktionsbeeinträchtigung der Schultergelenke kann jedenfalls nicht mit einem höheren Einzel-GdB als 10 berücksichtigt werden, da Einschränkungen der Beweglichkeit, die eine weitergehende Berücksichtigung eröffnen würden (vgl. Nr. 18.13 [S. 110] der VG), nicht aktenkundig sind.
In Zusammenschau der beim Kläger bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen ist zur Überzeugung des Senats ein GdB von mehr als 60, wie klägerseits begehrt, nicht festzustellen. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX ist, bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft, der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Grade hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Der Zustand der Behinderung wird vorliegend maßgeblich durch die Beeinträchtigung der psychischen Belastbarkeit bestimmt. Die daneben bestehenden Beeinträchtigungen durch den Verlust des Geruchssinns, die Sehbehinderung, die Ohrgeräusche, die Refluxerkrankung und die Beeinträchtigungen des Schultergelenks sind durchgängig nur leichtgradig ausgeprägt und vermögen eine Erhöhung um mehr als 10 Prozentpunkte, d.h. einen GdB von insg. mehr als 60 nicht zu rechtfertigen.
Die beim Kläger bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen sind mithin mit einem GdB von 60 zu bewerten.
Das angefochtenen Urteil des SG ist mithin nicht zu beanstanden, die Berufung ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
( I )
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des beim Kläger festzustellenden Grades der Behinderung (GdB) streitig.
Bei dem im Jahr 1949 geborenen Kläger stellte das Landratsamt A. (LRA) in Ausführung eines vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) geschlossenen Vergleichs mit Bescheid vom 20.1.2005 einen GdB von 70 seit dem 22.6.2002 fest. Es berücksichtigte hierbei als Funktionsbeeinträchtigungen eine "Hirnschädigung" mit einem Einzel-GdB von 50, eine "Seelische Störung" mit einem solchen von 30, den "Verlust des Geruchssinns" mit einem solchen von 20 sowie eine "Augenmuskellähmung" und "Ohrgeräusche (Tinnitus)" jeweils mit einem Einzel-GdB von 10.
Am 26.5.2011 beantragte der Kläger die Erhöhung des festgestellten GdB und die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs der Rundfunkgebührenbefreiung ("RF"). Er führte hierzu einen im April 2011 erlittenen Schlaganfall sowie eine seit November 2009 bestehende Thrombose im rechten Bein an und legte den Bericht des B. A. vom 13.4.2011 über eine dortige stationäre Behandlung vom 8. - 13.4.2011 vor.
Nach einer versorgungsärztlichen Überprüfung durch Dr. C. vom 13.7.2011, der für "Schlaganfallfolgen" und den "Verlust des Geruchssinns" jeweils einen Einzel-GdB von 20 sowie für "Ohrgeräusche (Tinnitus)" einen solchen von 10 vorschlug und den GdB insg. mit 40 einschätzte, stellte das LRA, nach vorheriger Anhörung des Klägers, dessen GdB mit Bescheid vom 29.8.2011 ab dem 2.9.2011 nur noch mit 40 fest und hob den Bescheid vom 20.1.2005 auf. Die Feststellung der gesundheitlichen Merkmale des beantragten Nachteilsausgleichs lehnte das LRA unter der Begründung, es liege keine Schwerbehinderteneigenschaft vor, ab.
Auf den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers, mit dem er das augenfachärztliche Gutachten des Prof. Dr. D. vom 22.9.2005, das für die Württembergische Gemeinde Versicherung erstellt wurde, das neurochirurgische Zusammenhangsgutachten des PD Dr. E., Bundeswehrkrankenhaus F., vom 1.3.2007 sowie einen Arztbrief der Klinik G. vom 14.10.2009 und einen Untersuchungsbericht von Dr. H., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, vom 20.9.2011, vorgelegt hatte, stellte das LRA nach vorheriger versorgungsärztlicher Prüfung durch Dr. C. vom 30.9.2011 mit Teilabhilfebescheid vom 7.10.2011 den GdB des Klägers ab dem 2.9.2011 mit 50 fest. Es berücksichtigte hierbei zusätzlich eine "Sehbehinderung" mit einem Einzel-GdB von 20. Mit Widerspruchsbescheid vom 21.2.2012 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 22.3.2012 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben, zu deren Begründung er vorgebracht hat, sein Behinderungszustand habe sich insg. nicht verbessert sondern, insb. wegen des erlittenen Schlaganfalls, verschlechtert.
Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen einvernommen. Dr. H. hat unter dem 18.5.2012 ausgeführt, der Gesundheitszustand des Klägers auf neurologisch/psychiatrischem Fachgebiet habe sich nicht verbessert, es bestehe eine schwergradige Funktionsbeeinträchtigung, die mit einem GdB von 80 zu bewerten sei. Dr. I., Arzt für Allgemeinmedizin, hat in seiner Stellungnahme vom 25.5.2012 ausgeführt, der Kläger leide an den Folgen eines subtoralen Hämatoms bei Z.n. Schädel-Hirn-Trauma 2002. Der Zustand sei als chronifiziert anzusehen. Prof. Dr. K., hat unter dem 27.6.2012 über den stationären Aufenthalt des Klägers im April 2011 in der Klinik L., A., berichtet und die beim Kläger diagnostizierte distal- und armbetonte Armparese als leichtgradig eingestuft. Dr. M., Facharzt für Chirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie, hat unter dem 24.8.2012 das von ihm diagnostizierte acromio-claviculäre Impingement rechts als mittelgradig und die Arthrose des rechten Schultergelenks als leichtgradig eingestuft. Schließlich hat Dr. N. in seiner Stellungnahme vom 28.3.2013 mitgeteilt, die Folgen des Schlaganfalls, ein neurologisches Defizit linksseitig, seien als leichtgradig einzustufen.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG sodann Prof. Dr. O. zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt und mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. In seinem neurologischen Gutachten vom 15.4.2013 hat Prof. Dr. O., Facharzt für Neurologie, ausgeführt, unter Annahme eines schweren Schädelhirntraumas, eines hirnorganischen Psychosyndroms, einer depressiven Symptomatik, der Schädigung des Geruchssinns, von Sehbeschwerden und Ohrgeräuschen sei der bislang festgestellte Gesamt-GdB von 70 weiterhin angemessen. Bei zusätzlicher Berücksichtigung der Schlaganfallfolgen mit einem Einzel-GdB von 30 sei zwischenzeitlich ein GdB von 80 gerechtfertigt.
Der Beklagte ist der Klage zunächst entgegen getreten, hat indes auf die gerichtliche Beweisaufnahme hin, unter dem 25.10.2013, gestützt auf versorgungsärztliche Stellungnahmen von Dr. P. vom 2.7. und vom 24.10.2013, ein Vergleichsangebot des Inhalts vorgelegt, den GdB des Klägers ab dem 2.9.2011 mit 60 festzustellen. Hierbei hat er eine "Hirnschädigung, hirnorganisches Psychosyndrom" mit einem Einzel-GdB von 50, den "Verlust des Geruchssinns" und eine "Sehbehinderung" mit einem solchen von jeweils 20 sowie "Ohrgeräusche (Tinnitus)" und zusätzlich eine "Refluxkrankheit der Speiseröhre" jeweils mit einem Einzel-GdB von 10 berücksichtigt.
Nachdem der Kläger dem Vergleichsvorschlag nicht beigetreten ist, hat das SG den Beklagten mit Urteil vom 28.8.2014 verurteilt, dem GdB des Klägers ab dem 2.9.2011 mit 60 festzustellen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das SG ausgeführt, bezogen auf den Bescheid vom 20.1.2005 habe sich der Behinderungszustand des Klägers verbessert. Die seelische Störung, die im Bescheid vom 20.1.2005 noch mit einem Einzel-GdB von 30 berücksichtigt worden sei, könne nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. O. und dem von ihm erhobenen Untersuchungsbefund nicht mehr berücksichtigt werden. Die Schlaganfallfolgen erhöhten den GdB des Klägers nicht. Nach den eigenen Angaben des Klägers gegenüber dem Sachverständigen hätten sich diese bis auf ein verbliebenes Taubheitsgefühl der rechten Handinnenfläche zurückgebildet, sodass die gutachterliche Einschätzung des GdB für die Schlaganfallfolgen von 30 nicht nachzuvollziehen sei. Auch die klägerseits angeführte Funktionseinschränkung der rechten Schulter sei nur leichtgradiger Natur und bedinge keinen Einzel-GdB von mehr als 10. Die klägerseits angegeben Beeinträchtigungen des Gedächtnisses, der Konzentration und der erhöhten Reizbarkeit seien als "Hirnschädigung und hirnorganisches Psychosyndrom" unverändert mit einem Einzel-GdB von 50 zu bewerten. Die von Prof. Dr. O. in diesem Zusammenhang beschriebenen Eindrücke einer jedenfalls nicht hochgradigen Beeinträchtigung von Gedächtnis und Konzentration bestätigten dies. Die Störungen des Geruchssinns und des Sehvermögens seien mit einem Einzel-GdB von 20 weiterhin angemessen bewertet. In Zusammenschau der bestehenden Beeinträchtigungen sei ein GdB von 60 angemessen.
Mit Bescheid vom 30.10.2014 hat das LRA in Ausführung des Urteils des SG den GdB des Klägers ab dem 2.9.2011 mit 60 festgestellt.
Gegen das ihm am 4.10.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 3.11.2014 beim SG Berufung zum LSG eingelegt. Er bringt vor, sein psychischer Zustand habe sich, anders als es das SG angenommen habe, nicht verbessert. Er sei schlaganfallbedingt auch durch sein eingeschränktes Gedächtnis beeinträchtigt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 28. August 2014 abzuändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 29. August 2011 in der Fassung des Teil-Abhilfebescheides vom 7. Oktober 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 2012 zu verurteilen, die bei ihm bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen mit einem Grad der Behinderung von 80 ab dem 2. September 2011 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Nachdem der Kläger bereits mit gerichtlichem Schreiben vom 29.5.2015 darauf hingewiesen wurde, dass die Berufung nach einer vorläufigen Einschätzung keine Aussicht auf Erfolg verspreche, sind die Beteiligten mit Schreiben vom 7.7.2015 darauf hingewiesen worden, dass der Senat erwägt, nach § 153 Abs. 4 SGG über die Berufung durch Beschluss zu entscheiden. Ihnen ist Gelegenheit eingeräumt worden, sich hierzu zu äußern.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, insb. des Vorbringens der Beteiligten, wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die beim Beklagten für den Kläger geführte Schwerbehindertenakte verwiesen.
( II )
Die form - und fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, führt jedoch für diesen nicht zum Erfolg. Der Senat konnte die Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss zurückweisen, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Gründe für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurden nicht vorgebracht und sind dem Senat auch anderweitig nicht ersichtlich.
Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat den Beklagten zu Recht verurteilt, den GdB des Klägers mit 60 festzustellen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die beim Kläger bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen sind für die Zeit seit dem 2.9.2011 mit einem GdB von 60 ausreichend und angemessen bewertet. Der Kläger hat weder Anspruch darauf, dass die Funktionsbeeinträchtigungen wie im Bescheid vom 20.1.2005 festgestellt, weiterhin mit einem GdB von 70 bewertet werden, noch dass darüber hinaus gehend, eine Feststellung mit einem höheren GdB zu erfolgen hat.
Gegenstand des Verfahrens ist ausschließlich die Höhe des beim Kläger festzustellenden GdB. Die Ablehnung der Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "RF", die der Kläger mit seinem Antrag vom 26.5.2011 geltend gemacht hat und die das LRA im angefochtenen Bescheid vom 29.8.2011 abgelehnt hat, hat der Kläger bereits mit seinem Widerspruch nicht mehr auf- und angegriffen, sodass die ablehnende Entscheidung bestandskräftig geworden (vgl. § 77 SGG) ist.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) i.V.m. § 69 Abs. 1 Satz 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung - vorliegend dem vom 20.1.2005 - vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Eine wesentliche Änderung ist im gegebenen Zusammenhang im Hinblick auf die Feststellung des GdB anzunehmen, wenn sich durch eine Besserung oder Verschlechterung des Behinderungszustandes eine Herabsetzung oder Erhöhung des festgestellten (Gesamt-) GdB um wenigstens 10 ergibt (u.a. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 22.10.1986 - 9a RVs 55/85 - veröffentlicht in juris). Die Änderung der Bezeichnung der Funktionsbeeinträchtigungen oder das Hinzutreten weiterer Funktionsbeeinträchtigungen ohne Auswirkung auf den GdB stellen hingegen keine wesentliche Änderung in diesem Sinne dar (BSG, Urteil vom 24.6.1998 - B 9 SB 18/97 R - veröffentlicht in juris). Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, ist durch einen Vergleich der gegenwärtigen - d.h. den Verhältnissen zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung - mit dem verbindlich festgestellten objektiven Behinderungszustand zum Zeitpunkt des Erlasses des zuletzt bindend gewordenen Bescheides zu ermitteln. Bei einer derartigen Neufeststellung handelt es sich nicht um eine reine Hochrechnung des im letzten maßgeblichen Bescheid festgestellten GdB, sondern um dessen Neuermittlung unter Berücksichtigung der gegenseitigen Beeinflussung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 19.9.2000 - B 9 SB 3/00 R - veröffentlicht in juris).
Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen die zur Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Aus dieser Definition folgt, dass für die Feststellung einer Behinderung sowie Einschätzung ihres Schweregrades nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörungen ankommt, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden. Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX werden die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Eine Feststellung ist hierbei nur dann zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Satz 6 SGB IX). Nach § 70 Abs. 2 SGB IX in der Fassung des am 15.1.2015 in Kraft getretenen Gesetzes zum Vorschlag für einen Beschluss des Rates über einen Dreigliedrigen Sozialgipfel für Wachstum und Beschäftigung und zur Aufhebung des Beschlusses 2003/174/EG vom 7.1.2015 (BGBl. II S. 15) ist das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung des GdB und die medizinischen Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Zwar ist von dieser Ermächtigung noch kein Gebrauch gemacht, indes bestimmt § 159 Abs. 7 SGB IX in der ab dem 15.1.2015 geltenden Fassung, dass, soweit noch keine Verordnung nach § 70 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, die Maßstäbe des § 30 Abs.1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend gelten. Mithin ist für die konkrete Bewertung von Funktionsbeeinträchtigungen die ab dem 1.1.2009 an die Stelle der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AHP) getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG; die jeweilige Seitenangabe bezieht sich auf das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales herausgegebene Printexemplar) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung [VersMedV]) heranzuziehen, die auf Grundlage von § 30 Abs. 16 BVG erlassen wurde.
In Anlegung der dortigen Maßstäbe hat sich der Gesundheitszustand des Klägers insoweit verbessert, als ab 2.9.2011 lediglich noch ein GdB von 60 festzustellen ist. Der Zustand der Behinderung des Klägers wird maßgeblich durch die Folgen des Schädel-Hirn-Traumas im Juni 2002 und des Schlaganfalls im April 2011, die beim Kläger zuvorderst die psychische Funktionsfähigkeit beeinflussen und für das Funktionssystem "Gehirn, Psyche", wie von Dr. P. in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 24.10.2013 unternommen, einheitlich - als Hirnschädigung, hirnorganisches Psychosyndrom - zu bewerten sind (vgl. Teil A Nr. 2 Buchst. e [S. 20] der VG), geprägt.
Bei Hirnschäden ist nach Nr. 3.1 Buchst. b) (S. 35) der VG das Ausmaß der bleibenden Ausfallerscheinungen für die GdB-Bewertung bestimmend. Dabei sind die neurologischen Befunde, die Ausfallerscheinungen im psychischen Bereich und ggf. das Auftreten von zerebralen Anfällen zu beachten. Hirnschäden mit geringer Leistungsbeeinträchtigung sind mit einem Einzel-GdB von 30 - 40, solche mit mittelschwerer Leistungsbeeinträchtigung mit einem solchen von 50 - 60 und Hirnschäden mit schwerer Leistungsbeeinträchtigung mit einem solchen von 70 - 100 zu bewerten (Nr. 3.1.1. [S. 36] der VG). Ergänzend hierzu ist in Nr. 3.1.2. (S. 36) der VG festgelegt, dass bei Hirnschäden mit isoliert vorkommenden bzw. führenden Syndromen, die mit psychischen Störungen einhergehen, bei einer leichten, sich im Alltag nur gering auswirkenden Ausprägung ein Einzel-GdB von 30 - 40, bei einer mittelgradigen, sich im Alltag deutlich auswirkenden Ausprägung mit ein solcher von 50 - 60 und bei schweren Störungen mit ein solcher von 70 - 100 einzustellen ist. Die beim Kläger bestehenden Einschränkungen sind zur Überzeugung des Senats allenfalls als mittelgradig, sich im Alltag deutlich auswirkend, einzustufen. Prof. Dr. O., der im erstinstanzlichen Verfahren gutachterlich gehört wurde, hat in seiner neurologischen Befunderhebung lediglich einen etwas schwerfälligen Gang, ohne sichere neurologische Einschränkung, beschrieben und ferner angegeben, es bestehen keine sicheren Paresen. Die grobe Kraft der oberen und unteren Extremitäten ist nach Prof. Dr. O. nicht eingeschränkt. Maßgebliche Einschränkungen der Sensibilität hat er nicht benannt. Die initial beschriebenen distal betonten Schwächen und Störungen der Feinmotorik hat Prof. Dr. O. anlässlich seiner Untersuchung nicht mehr befundet, sodass neurologischerseits keine maßgeblichen verblieben Ischämiefolgen mehr bestehen. In Einklang hierzu hat der Kläger selbst gegenüber dem Gutachter angegeben, die anfängliche Halbseitenschwäche habe sich gut zurückgebildet, es sei lediglich noch ein Taubheitsgefühl der rechten Handinnenfläche vorhanden. Auch hat Prof. Dr. O. keine gravierende Einschränkung einer psychischen Dimension angeführt. Weder wirke der Antrieb gemindert, noch sei der Kläger tief traurig. Auch hat der Gutachter die vom Kläger angeführten gravierenden Störungen der Konzentration und des Gedächtnisses nicht bestätigt, vielmehr davon berichtet, dass sich der Kläger bei der Untersuchung ausreichend habe konzentrieren können. Die Annahme eines Einzel-GdB von 50 ist indes unter Zugrundelegung der eigenanamnestisch geschilderten Konzentrationsstörungen, der erhöhten Reizbarkeit und der reduzierten Gedächtnisleistung gerechtfertigt. Die von Prof. Dr. O. mitgeteilten Befunde rechtfertigen indes die von ihm angenommene Bewertung mit einem GdB von 70 für die Schädel-Hirn-Verletzung und von 30 für Schlaganfallfolgen nicht. Die Beeinträchtigung "Hirnschädigung, hirnorganisches Psychosyndrom" ist vielmehr mit einem Einzel-GdB von 50 - am oberen Rand - angemessen und jedenfalls ausreichend.
Der Verlust des Geruchssinns, die Sehbehinderung, die Ohrgeräusche und die Refluxerkrankung sind mit einem Einzel-GdB von 20, 20, 10 und 10 jeweils angemessen berücksichtigt. Befunde, die eine weitergehende Berücksichtigung nach Nr. 6.3 (S. 55) der VG betr. dem Geruchssinn, nach Nr. 4 (S. 44 ff.) der VG betr. dem Sehvermögen, nach Nr. 5.3 (S.54) der VG betr. dem Tinnitus und nach Nr. 10.1 (S. 69) der VG betr. der Refluxerkrankung rechtfertigen könnten, wurden von den gehörten Ärzten nicht benannt und sind dem Senat auch anderweitig nicht ersichtlich.
Die klägerseits geltend gemachte Funktionsbeeinträchtigung der Schultergelenke kann jedenfalls nicht mit einem höheren Einzel-GdB als 10 berücksichtigt werden, da Einschränkungen der Beweglichkeit, die eine weitergehende Berücksichtigung eröffnen würden (vgl. Nr. 18.13 [S. 110] der VG), nicht aktenkundig sind.
In Zusammenschau der beim Kläger bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen ist zur Überzeugung des Senats ein GdB von mehr als 60, wie klägerseits begehrt, nicht festzustellen. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX ist, bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft, der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Grade hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Der Zustand der Behinderung wird vorliegend maßgeblich durch die Beeinträchtigung der psychischen Belastbarkeit bestimmt. Die daneben bestehenden Beeinträchtigungen durch den Verlust des Geruchssinns, die Sehbehinderung, die Ohrgeräusche, die Refluxerkrankung und die Beeinträchtigungen des Schultergelenks sind durchgängig nur leichtgradig ausgeprägt und vermögen eine Erhöhung um mehr als 10 Prozentpunkte, d.h. einen GdB von insg. mehr als 60 nicht zu rechtfertigen.
Die beim Kläger bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen sind mithin mit einem GdB von 60 zu bewerten.
Das angefochtenen Urteil des SG ist mithin nicht zu beanstanden, die Berufung ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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